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Kapitel 1


Der Neue...

„Autsch!“, schrie Shay auf, „Ah, mist. Warum immer dieselbe Stelle…“ Er rieb sich mit der Hand am Hinterkopf und verzog das Gesicht. „mmhh…“, brummte er. Als der Schmerz etwas nachließ, stand er vom Bett auf und ging zu seinem Schrank, der neben dem Stockbett stand. Er öffnete ihn und holte seine Schwarze Umhängetasche heraus, die mit bunten Buttons bestückt war. Darin befand sich ein großes rotes Handtuch, frische Wäsche, Duschgel und eine schwarz-rote Badehose. Er öffnete die Tasche, nahm die Badehose heraus und zog sich um. Seufzend legte er sich die Tasche über die Schulter und verschwand aus dem großen Zimmer. Er schlurfte durch den Flur und vernahm aus einigen anderen Zimmern den Lärm der Jungs, die in seinem Wohnhaus wohnten. Ohne Vorwarnung wurde er hart gegen die Wand, links von sich gestoßen. „Hmpf.“, Er schnappte kurz nach Luft und sah nur noch, wie drei Jungs mit Rucksäcken den Gang entlang rannten. Einer der Dreien drehte sich um und begann lautstark zu lachen, als er Shays verdutzten Gesichtsausdruck sah. *Lucas…* dachte er. *Warum…?*

Shay Colbin ist neunzehn Jahre alt, lebt auf einem Internat in Tokyo und ist der einzigste Junge in seinem Zwölf-Betten Zimmer. Er hat schwarze, kinnlange Haare, die wild geschnitten wurden und hellblaue Augen. Er ist nicht sonderlich groß oder muskulös, doch er hat ein starkes Herz und eine Gabe…
Seid seinem dritten Lebensjahr kann er Dinge bewegen. Er kann Dinge bewegen, ohne sie zu berühren, oft sogar, ohne sie auch nur zu sehen. Er muss nur wissen, was es ist und wo es sich befindet, dann kann er beinahe alles damit anstellen. Seinem Vater jedoch, war das ganze überhaupt nicht recht, da er von Shay, der dies selbst eigentlich nicht wollte, zum Versuchskaninchen auserwählt wurde. Eines Nachts, fand man seine Eltern schlafend an der Decke vor. Shay stand lediglich in seinem Schlafanzug im Türrahmen, den Teddy in der Hand und zur Decke sehend. Er wusste nicht was er tat. Selbst dann nicht, als er mit sieben Jahren seinem Vater dabei helfen sollte, das Auto zu reparieren. Er hatte die ganze Zeit nur auf die Reifen gestarrt und einen Tag später stand ein Artikel in der Zeitung mit der Schlagzeile: Vater von siebenjährigem Kind wurde von einem defekten Fahrzeug überrollt.
Shays Vater hatte sich dabei jedoch nichts Größeres getan, nur sein Arm war gebrochen.
Doch nicht nur in diesem Punkt war Shay ganz anders als seine Eltern das gerne haben wollten. Mit dreizehn fühlte er sich zum ersten Mal zu einem Jungen aus seiner Klasse hingezogen. Er wusste sofort, dass er da mehr als nur Freundschaft empfand, doch leider war das nicht auf beiden Seiten so… Sein damaliger bester Freund hatte ihn seid diesem Tag verabscheut. Shays Eltern fanden seine Neigung zum eigenen Geschlecht erst heraus, als Shay ihnen erklären musste, warum er voller blauer Flecken von der Schule nach Hause kam.
Nicht nur die Jungs und Mädchen in der Schule behandelten Shay von diesem Tag an wie ein Alien, sondern auch seine Mutter und sein Vater. Er selbst verstand nicht, was daran so schlimm sei. Er durfte nur noch sprechen wenn er gefragt wurde, denn es konnte schließlich passieren, dass Shay das `verbotene Thema` ansprach.
Er wurde sehr Still und redete mit fast keinem mehr, bis er schließlich mit siebzehn beschloss, auf ein Internat zu gehen. Er lebt nun seid drei Jahren dort und hatte nie wirkliche Freunde, auch wenn er sie sich noch so sehr gewünscht hatte. Wer wollte schon mit jemandem befreundet sein, den ohnehin niemanden leiden konnte? …

Shay stieg in den Bus, der nach wenigen Sekunden auch schon abfuhr. Schwankend setzte er sich auf einen der vorderen Plätze, da ihm schnell übel wurde. Er hatte den Blick nach draußen gewandt und versuchte sich auf seine Gedanken zu konzentrieren, die gerade mehr als durcheinander waren. Nach einigen Minuten hielt der Bus an der Haltestelle und Shay erhob sich. *Endlich…* fuhr es ihm durch den Kopf, da ihm etwas unwohl in der Magengegend war. Auf der anderen Straßenseite war schon der Eingang zum Freibad zu sehen. Vorsichtig stieg Shay die wenigen Stufen aus dem Bus und musste sich erstmal die Hände über die Augen halten, da das Licht ziemlich hell war und ihn blendete. „mhh…“, brummte er leise und schlurfte in Richtung Freibad.

„Macht dann zwei Euro bitte…“ schmatzte die Dame an der Kasse, die sich soeben einen roten Kaugummi in den Mund gesteckt hatte. Sie hatte ein etwas rundes Gesicht, ihre Wangen waren leicht rosa von der Hitze und sie hatte rot gefärbte Haare, die zu einem unsauberen Zopf nach oben gesteckt waren. Shay kramte in seiner Hosentasche nach dem passenden Kleingeld und legte es der Frau vor die Nase. „Vielen dank, haben sie spaß“ murmelte sie träge und schob eine kleine gelbe Karte unter der Glasscheibe hindurch, während sie sich einen zweiten Kaugummi in den Mund steckte.
Shay schob die Karte in einen kleinen Automat und die Drehtüre ließ ihn durchgehen.
Er staunte nicht schlecht, denn dies war das erste Mal, dass er in diesem Freibad war. Es war alles ziemlich neu, da es erst vor wenigen Wochen eröffnet wurde und es waren schon viele Besucher da.
Zu seiner Rechten befanden sich die Volleyball Felder, welche beide voll besetzt waren. Außerdem gab es einen etwas größeren Spielplatz für die Kinder und links von Shay lag ein großer Fußballplatz mit Basketballkörben und großen Toren.
Etwas weiter vorne konnte man schon die großen Liegewiesen sehen, die mit Pflanzen umrandet waren und auf denen große Bäume für kühlen und angenehmen Schatten sorgten.
Man konnte sich an einem großen Kiosk etwas zu Essen oder zu trinken kaufen, sich Süßigkeiten besorgen oder ein Eis schlecken. Beim Bademeisterhäuschen, welches neben den Becken stand, konnte man sich sogar eine von vielen Liegen ausleihen.
Am Ende der Liegewiesen befanden sich die Schwimmbecken. Eines für Nichtschwimmer, eines für Schwimmer, ein sehr niederes für die ganz kleinen Besucher und ein vier Meter tiefes für die Sprungtürme. Der höchste Turm war der zehn Meter Turm, welcher jedoch nur mit Genehmigung des Bademeisters geöffnet werden darf. Zu dem Nichtschwimmerbecken gehören auch eine große Röhren- und eine etwas kleinere Wellenrutsche.
Shay steuerte auf einen freien Platz in der Sonne zu, wo nicht so viele Leute waren. Er stellte seine Tasche ab und holte sein großes Handtuch aus der Tasche. Vorsichtig legte er es vor sich hin und zog sich das Shirt aus. Sein Kopf brummte noch immer, als er sich auf das Handtuch legte und die Augen schloss. Die Hände legte er hinter den Kopf und döste ein wenig vor sich hin. Er bemerkte gar nicht, wie er immer müder wurde, da das warme Sonnenlicht ihm angenehm auf den Augen lag und er schließlich einschlief…

Ein Junge, etwas abseits von Shays Lageplatz, war gerade auf dem Weg nach Hause, als er plötzlich stehen blieb. „Das sind doch…?“ er sah zu Shay, um den drei Jungs herumstanden. Es waren die vom Flur…
Er selbst kannte Shay nicht, doch er wusste wer die anderen waren und vor allem wusste er eines: diese Typen konnten unmöglich mit Shay befreundet sein. Vorsichtig beobachtete er die vier.
Shay schreckte aus einem Traum auf. Seine Pupillen weiteten sich, als er eisige Nässe auf sich spürte. Er schüttelte den Kopf, setzte sich auf und starrte in drei lachende Gesichter. *Lucas…* Shay saß gelähmt, wie ein begossener Pudel vor ihnen. Die Junge kriegten sich fast nicht mehr ein vor lachen. Alle drei hatten leere Wasserflaschen in der Hand, welche sie kurz zuvor über dem schlafenden Shay ausgelehrt hatten. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatten, sah der Anführer der drei mit abstoßendem Blick zu dem völlig verdatterten Shay hinunter.
„Na du Schwuchtel, hast mal wieder von deinen anderen Homos geträumt?“, höhnte er. Shay schluckte schwer. *Lucas… Warum du tust so was…?*In ihm, drohte etwas zu zerreißen, etwas, dass er erst vor kurzem wieder vor dem Ertrinken gerettet hatte… Seine Seele… und sein Herz…
Böse grinsend verschwanden Lucas und seine Kumpanen zu ihren Liegen.
In Shay stiegen die Tränen auf. Er war verzweifelt, verletzt und enttäuscht zugleich. So schnell es ging und so lange er seine Tränen zurückhalten konnte, packte er seine Sachen zusammen, zog sich das Shirt wieder an und verschwand aus dem Freibad nach draußen.
Der Junge, der alles beobachtet hatte wurde langsam stinkig. Er lief Lucas und den anderen beiden hinterher. Lucas sah ihn kommen und sprang auf. „Was willst´n du, alter?“ raunte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Junge sah ihn mit einer Mischung aus Hass und Abscheu an. „Warum tust du so was? Der Junge eben hat dir doch nichts getan! Nur weil er anders ist?“ knurrte er. „Natürlich nur deswegen.“ Lachte Lucas und seine zwei Kumpels stiegen in das Gelächter mit ein. „Was willst du eigentlich von mir, du Großkotz?“ grollte er nun. Die Nerven des Jungen waren nun wirklich zum zerreißen gespannt. „Schnauze, ARSCH!“ brüllte er und holte zu einer saftigen Ohrfeige aus, welche durch das ganze Freibad schallte. Der Bademeister kam angelaufen. „Junge, du hast Hausverbot! Raus mit dir!“ befahl er lautstark. Der Junge sah ihn mit unergründlicher Miene an. „Ich wollte sowieso gehen!“ er betonte jedes einzelne Wort mit einem hasserfüllten Ton in der Stimme und verschwand dann aus dem Freibad.

Shay lief gerade zur Bushaltestelle und wollte noch den Bus erwischen, der dort stand, doch dieser war schon losgefahren. „Halt, warten sie!“ rief er ihm hinterher, doch schon war der Bus um die Ecke verschwunden. „Ach mist…“ schluchzte er leise und machte sich zu Fuß auf den Weg. Er wusste nur die grobe Richtung und schlurfte die Straße entlang, noch immer darauf bedacht, keinen Mucks zu machen. Er bog in eine kleine leere Gasse zwischen großen Häusern ein, als ihn die Gefühle überrumpelten. Hunderte Tränen rannen ihm an den Wangen entlang und er lehnte sich schluchzend gegen eine Mauer. Langsam rutschte er daran herunter, schlang die Arme um die Beine und legte den Kopf auf die Knie. *Warum immer ich…* Er konnte nicht aufhören zu weinen…
Nach kurzer Zeit verdunkelte sich der Himmel. Die Wolken schoben sich dicht vor die warme Sonne und ein eisiger Windhauch fegte durch die kleine Gasse, die nun immer unheimlicher wurde. Shay zuckte zusammen als er einen lauten Donnerschlag hörte. Sein Körper begann zu zittern, da er nur eine kurze Hose und ein Shirt anhatte. Vorsichtig zog er sich an der Mauer empor und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Da seine Augen noch immer voll davon waren, sah er ganz verschwommen und wusste nur noch, aus welcher Richtung er gekommen war. Langsam schlurfte er die Gasse entlang, in Richtung Hauptstraße, doch er hatte das Gefühl beobachtet, wenn nicht sogar verfolgt zu werden. Er drehte sich immer wieder um und begann zu rennen, als er eine Gestalt am anderen Ende der Gasse entdeckte. Als er um die Ecke bog, sah er nicht, dass eine Kiste am Boden stand. Er kam ins straucheln und fiel der Länge nach zu Boden. „nhhh…“ stöhnte er auf. Er hatte sich mit den Händen abfangen wollen, die nun jedoch aufgeschrammt waren. Abermals stiegen in ihm die Tränen hoch. Er konnte schnelle Schritte hinter sich hören, welche abrupt neben ihm zu halten schienen. „Oh, mist… Hey Junge, alles klar bei dir?“, murmelte eine wunderschöne Stimme besorgt. Shay schluchzte leise und drückte sich vom Boden hoch. „N-nein, geht schon…“, quetschte er hervor. Als er aufsah, stockte ihm der Atem. Ein großer, gut aussehender Junge mit blonden Haaren, die ihm ins Gesicht hingen, vielen Ketten und Ringen und einem zauberhaften Lächeln beugte sich zu ihm hinunter. „Sicher?“ hakte er nach und schenkte Shay ein Lächeln, das ihn erröten ließ. Shay sah schnell zu Boden. „Ja… Alles in Ordnung.“ Er wischte sich die letzten Tränen weg. Der Junge hielt ihm die Hand hin. „Gehst du auf das Internat hier in Tokyo?“, fragte er vorsichtig. Shay nickte stumm. Als er die Hand sah, nahm er sie etwas zögerlich und der Junge half ihm auf. „Ich bin Shin. Ich hab gesehen was im Freibad passiert ist… Diese Schweine sind echt das aller Letzte.“, knurrte er, beruhigte sich jedoch schnell wieder. Shay ließ seine Hand los und starrte weiterhin zu Boden. „Warum hilfst du mir…?“ fiepte er kleinlaut.
„Warum denn nicht?“ Shin war verwirrt. „Na komm, lass uns gehen…“, murmelte er und nahm Shay die Tasche ab. Schmunzelnd lief er los, in Richtung Campus. Shay folgte ihm etwas zögerlich, holte ihn dann jedoch schnell wieder ein. Er starrte zu Boden und sagte wie gewöhnlich Nichts. Seine aufgeschrammten Hände brannten sehr stark, doch er versuchte den Schmerz zu ignorieren. Shin warf ihm immer wieder einen freundlichen Blick zu, doch Shay sah ihn gar nicht an, aus Angst, wieder rot zu werden.
Enttäuscht blieb Shin abrupt an einer grünen Ampel stehen, sodass Shay ohne zu stoppen auf ihn drauf knallte. „Oh, ich… entschuldige…“ Er machte eine kleine Verbeugung. Shin musste lachen und hielt sich die Hand vor den Mund. Als er sich beruhigt hatte grinste er ihn an. „Sag mal. Du hast mir deinen Namen noch gar nicht erzählt.“
Shay hob überrascht beide Augenbrauen. „Mein Name ist Shay.“, sagte er knapp. Er blieb eine kurze Weile lang stehen, darauf wartend, dass Shin die Straße überquerte. Shin lächelte ihn noch immer an, als Shay zu ihm aufsah. „hm?“ brummte er in fragendem Ton. „Ach nichts. Komm lass uns weitergehen…“ antwortete Shin leise und lief über die Straße. Shay blieb verwirrt stehen, ging ihm dann aber och noch hinterher. Genau in diesem Moment kam ein roter Sportwagen angerast, genau auf Shay zu. Er konnte ihn durch den Regen noch nicht sehen, doch Shin bemerkte es und schrie: „SHAY VORSICHT!“ Shay drehte seinen Kopf zu dem Wagen und seine Pupillen weiteten sich. Wie angewurzelt blieb er stehen und konnte sich nicht vom Fleck rühren. Er schloss die Augen und spürte nur noch, wie er hart auf etwas landete. Es war jedoch nicht die Front des Autos, sondern der Nasse Asphalt am Rand der Straße. Das Auto spritzte die beiden klitschnass, als es in schnellem Tempo durch eine Pfütze fuhr. Shay zitterte vor Schock am ganzen Körper und zog sich an Shin hoch. Dieser legte einen Arm um Shay und half ihm, richtig aufzustehen. „Na los, wir sollten gehen, sonst kommst du mir noch um…“


!Fortsetzung folgt!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.11.2009

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