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Weihnachten mit Freunden

Von Irit Gorges 2009


Dunkelheit lag über dem Land, dichtes Schneegestöber verhinderte das Marga etwas sah. Während sie durch die dunklen Strassen lief erinnerte sie sich wie es früher war. Damals hingen in allen Fenstern Lichterketten und den ganzen Dezember waren die Strassen hell erleuchtet.

Aber das war vorbei, die Menschen konnten es sich nicht mehr leisten, Strom war so teuer geworden das man damit gerade noch sein Essen zubereiten konnte. Viele Menschen wünschten sich die alten Kohleöfen zurück, die eine heimelige Wärme verströmten und auf denen man auch noch kochen konnte.

Ihre Mutter hatte ihr vor einiger Zeit von einem Mann namens Nostradamus erzählt, der viele Dinge voraus gesagt hatte. Das meiste davon war auch eingetroffen. Marga fand es unheimlich wenn sie daran dachte, denn laut ihrer Mutter hatte er den Weltuntergang für das Jahr 1999 prophezeit.

Nun war dieses Jahr zwar lange vorbei und man schrieb bereits das Jahr 2009, aber konnte er sich nicht um zehn Jahre vertan haben? Marga beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, denn wenn sie es tat bekam sie Angst und das wollte sie nicht.

Sie war zuhause angekommen, leise lief sie bis in den dritten Stock, denn die Nachbarn mochten Kinder nicht besonders und ihre Mutter würde wieder Ärger bekommen wenn sie zu laut war. Vorsichtig um kein Geräusch zu machen steckte sie den Schlüssel ins Schlüsselloch und drehte ihn herum. Zentimeterweise stieß sie die Tür auf damit sie ja nicht quietschte und schlüpfte hinein.

Geschafft niemand hatte sie gehört, wenn ihre Mutter spät in der Nacht von der Arbeit kam würde sich keiner beschweren. Selbst die alte Frau Lehmann, die offensichtlich Tag und Nacht beobachtete was sie tat hatte sie nicht gehört. Sonst riss sie immer sofort die Tür auf und schimpfte dass sie gefälligst nicht solch einen Krach machen sollte, aber heute war alles still im Haus.

Marga zog sich ihre Hausschuhe an und ging in die Küche, sie hatte ziemlichen Hunger. Auf dem Tisch stand noch etwas Hackbraten von gestern, den stellte sie in die Mikrowelle und machte ihn kurz warm. Dann löschte sie das Licht in der Küche und ging ins Wohnzimmer. Um Strom zu sparen zündete sie eine Kerze an und holte sich ihr Buch das sie gestern zu lesen begonnen hatte.

Ohne hinzusehen aß sie ihr Essen und vertiefte sich in das Buch, Hexen, Drachen und Gnome nahmen sie gefangen so dass sie nicht mehr mitbekam was um sie herum geschah. Plötzlich hörte sie die Kirchenglocken der nahe gelegenen Kirche, sie begann zu zählen eins, zwei, drei, insgesamt zählte sie zwölf Schläge, dann war es still. Sie hatte gar nicht mitbekommen das es schon so spät war, eigentlich müsste sie schon lange im Bett liegen.

Sie ging zum Fenster um hinauszusehen, die Strasse lag im dunklen und sie konnte kaum etwas erkennen, nur dort wo der Mond durch die Bäume schien war ihr als würde sie jemandem sehen. Plötzlich fiel ihr ein dass sie den ganzen Abend keinen Laut im ganzen Haus vernommen hatte, was mochte hier nur los sein?

Zwar regten sich immer alle auf wenn sie oder ihre Freundin Hanen auch nur den leisesten Mucks von sich gaben wenn sie aus der Schule kamen, aber dass den Leuten im Haus etwas passierte wollte Marga auch nicht.

Es war fast unheimlich, was mochte nur los sein? Normalerweise hörte man den Fernseher der alten Frau Rathke, denn sie war schwerhörig und die einzige der es egal war wie laut die Kinder waren. Die Schmidts von ganz unten stritten den lieben langen Tag und Herr Maier der früher Tenor war, hörte Tagein Tagaus Klassische Musik, so laut das niemand im Haus jemals in ein Opernhaus gehen musste, das sagte ihre Mutter jedenfalls immer Augenzwinkernd.

Aber heute war den ganzen Abend nicht ein Ton zu hören, kein Fernseher, keine Musik und auch kein Streit. Nicht einmal der Hund von Melanie, der neuen Nachbarin hatte einen Ton von sich gegeben. Plötzlich fühlte sich Marga sehr einsam, sie bemerkte dass die Geräusche sie immer beruhigt hatten, denn sie gehörten zu ihrem Leben. Dadurch fühlte sie sich nicht so allein wenn die Mutter arbeiten war.

Vorsichtig öffnete sie die Wohnungstür und tastete zum Lichtschalter, als das Licht anging sah sie sich Hanen gegenüber. Beide schlugen sie die Hände vor den Mund und quietschten leise „ Hast du mich erschreckt“ rief Marga leise „ du mich aber auch, ich wollte gerade bei dir klingeln als du die Tür geöffnet hast. Ist dir auch aufgefallen das es den ganzen Abend total still war im Haus?“ Marga nickte und zog Hanen die Wohnung.

Die beiden Mädchen setzten sich ins Wohnzimmer und sahen sich an „ Hast du heute irgendetwas gehört? fragte Marga und Hanen schüttelte den Kopf.
„ Gar nichts es war fast unheimlich, als wäre ich die einzige auf der Welt, oder zumindest hier im Haus. Als ich heute Mittag nach Hause kam war es bereits ganz still im Haus und daran hat sich bis jetzt nichts geändert.“ Die Mädchen sahen sich an und überlegten was wohl geschehen sein mochte. Hätten sie nicht so viel Angst gehabt hätten sie ja nur irgendwo klingeln müssen, aber das trauten sie sich nicht.

„Und deine Eltern?“ fragte Marga neugierig „ die sind doch zuhause, oder nicht?“ Hanen schüttelte den Kopf „ Ich hab sie den ganzen Tag nicht gesehen.“ Das war nun wirklich außergewöhnlich, denn eigentlich war immer entweder die Mutter oder der Vater von Hanen zuhause. Seit ihre Eltern vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen waren hatte sich immer einer von beiden um Hanen und oft genug auch um Marga gekümmert. Einmal hatten sie Marga sogar mit nach Tunesien genommen als sie dort die Familie besuchten.

„ Willst du heute hier bleiben und bei mir schlafen?“ fragte Marga und Hanen nickte. Die Mädchen löschten die Kerze und gingen in Margas Zimmer. Hanen legte sich auf die Couch in Margas Zimmer, wo sie schon öfters geschlafen hatte und Marga ging in ihr Bett. Morgen war Heiliger Abend, hoffentlich waren dann alle wieder zuhause. Mit diesem Gedanken schliefen die Mädchen ein.

Es war bereits spät am Vormittag als die Mädchen endlich wach wurden, Marga lief sofort ins Schlafzimmer ihrer Mutter, doch dort war niemand. Die Mädchen zogen sich an und liefen hinunter in die Wohnung von Hanens Eltern, doch auch dort hatte sich nichts getan. Allmählich bekamen sie Angst, was wenn die Eltern nie wieder nach Hause kämen. Sie beschlossen nun doch bei den Nachbarn zu klingeln, besser angemeckert werden als nicht zu wissen was geschehen war. Aber egal wo sie klingelten, niemand öffnete, nun waren sie sich sicher, sie waren die einzigen Menschen im Haus.

Schnell rannten sie wieder nach oben in die Wohnung von Margas Mutter, dort warfen sie die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu und dann gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich. „ Was machen wir denn jetzt? Hanen sah Marga fragend an, aber diese zuckte nur mit den Schultern. „ Woher soll ich das denn wissen, lass uns erst einmal etwas essen und dann überlegen wir wie es weitergehen soll.“

Nach dem Frühstück wuschen die Mädchen ihre Teller und Tassen ab und dann gingen sie ins Wohnzimmer und stellten den Fernseher an. Dort kamen gerade die Nachrichten, alles war wie immer, die Politiker konnten sich nicht einigen wie sie den Leuten am besten das Geld aus den Taschen ziehen konnten, einige Länder hatten noch immer nicht mitbekommen das sie im zweiten Jahrtausend lebten und spielten nach wie vor Krieg.

Die Polkappen schmolzen und die Tierwelt starb langsam aber sicher aus, also alles wie immer. Marga musste wieder an die Prophezeiungen des Nostradamus denken, anscheinend hatte er recht nur das die Menschen sich nicht schnell, sondern langsam ausrotteten. Schnell schaltete sie um und hörte sich einen Song von Amy McDonald an. Wenn sie einmal erwachsen war würde sie sicher nicht so dumm sein wie die Menschen heute, sie würde studieren und alles tun um die Umwelt zu retten, damit ihre Kinder es einmal besser haben würden.

Plötzlich hörte sie wie sich die Wohnungstür öffnete und ihre Mutter kam herein. „ Hallo Hanen, schön das du auch hier bist. Tut mir leid Mädels, heute Nacht war im Krankenhaus die Hölle los, ich musste länger bleiben.“ Die beiden sprangen auf und umarmten Margas Mutter, so froh waren sie noch nie in ihrem Leben. „ Dein Vater hat sich ein Bein gebrochen, als er gestern auf der vereisten Strasse ausgerutscht ist und deine Mutter war die ganze Nacht bei ihm“ sagte sie zu Hanen „ du kannst erst mal hier bleiben bis sie nach Hause kommt.“

„ So und nun wollen wir den Baum schmücken, ihr beide könnt mir dabei helfen.“ Gemeinsam stellten sie den Baum in die Ecke des Wohnzimmers, die Mutter befestigte die elektrischen Kerzen und die Mädchen hingen all die Kugeln und das Lametta daran. Zum Schluss setzte die Mutter die Spitze oben auf den Baum und dann schalteten sie die Kerzen an. Danach gingen sie in die Küche um einen Kuchen und Plätzchen zu backen. Als sie mit allem fertig waren räumten sie alles auf und dann setzten sie sich ins Wohnzimmer.

Plötzlich klingelte es und die Mutter ging hinaus um zu öffnen. Sie kam mit Hanens Mutter zurück die eine große Schüssel mit Salat dabei hatte. Hanen rannte zu ihrer Mutter und fiel ihr um den Hals, was sie sagte konnte Marga nicht verstehen, aber sie war sich sicher das Hanen ihrer Mutter sagte wie froh sie war sie zu sehen.

Dann klingelte es schon wieder und so nach und nach kamen sämtliche Nachbarn, Melanie brachte sogar ihren Hund mit.
Jeder hatte etwas zu essen dabei, das sie in der Küche abstellten. Dann versammelten sich das ganze Haus im Wohnzimmer und die Mutter sagte:“ Wir haben beschlossen von jetzt an jedes Jahr zusammen Weihnachten zu feiern, damit niemand mehr allein ist und wir uns alle besser kennen lernen.“

Es wurde das beste Weihnachten das die Mädchen jemals gefeiert hatten und von diesem Tag an gab es auch keinen Streit mehr wenn sie mal vergaßen leise durch das Haus zu laufen.

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Tag der Veröffentlichung: 26.12.2009

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