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March Hare and Big White Rabbit (Kuroi)

„Willkommen im >> Alice in Wonderland << - Cafe… Hostclub! Wenn die Herrschaften dem schwarzen Häschen bitte folgen würden. Ich werde Sie zu ihren Plätzen geleiten.“ Ich hob freudig die Hand und zeigte mit der behandschuhten Handinnenseite nach rechts, während die schwarzen Hasenohren auf meinem Kopf freundlich hin- und herwackelten. Die Gäste folgten mir höchst amüsiert, jeweils zwei junge Männer und Frauen in meinem Alter, die gerade eine Auszeit von ihrem  harten Studentenleben nahmen. Ich gab ihnen beide Karten. Eine gefüllt mit Bildern größter Leckereien, Küchlein, Muffins, Smoothies, Getränken. Die andere, eine Liste voll mit allerlei alkoholischer Sünden, Snacks und – einfach gesagt – Fanservice. Eine Weile musste man die Gäste alleine lassen, schließlich hatten sie sich zu entscheiden von welcher Seite sie bedient werden wollten. Die Herrschaften wählten die erste Karte, verlangten nach Apfelkuchen und Kaffee. Lächelnd gab ich meine einstudierte Verbeugung, die nun im Automatismus ablief, preis und entschuldigte mich kurz. „Ihre Bestellung wird sogleich aufgenommen. Ich bitte mich kurz entschuldigen zu dürfen. Es warten bereits andere Gäste auf meine Dienste.“ Mein Zahnpasta-Lächeln aufsetzend, begab ich mich mit freundlich wackelnden, schwarzen Öhrchen zum Eingang des Wunderlandes, einer Bogentür, die stark an jene erinnerte, durch die auch Alice einst ihr Wunderland betreten hatte. Ein großgewachsener, blonder junger Mann stand vor mir und zeigte mir gekonnt ein herzenschmelzendes Grinsen. „Willkommen im >>Alice in Wonderland<<-Cafe… Hostclub! Kann ich Ihnen helfen?“ Der werte Gast hob die Braue und ließ einen Blick an mir hinab gleiten. Ich faltete die Hände in meinen Schoß und nickte dem Gast herzlich zu. WIDERWÄRTIGER SCHNÖSEL! Wie konnte er es wagen, die Eingangstüre zu versperren, sodass ich keinen Kunden mit meinem Willkommen begrüßen konnte? „So so… Du bist also das schwarze Häschen, von dem der Chef mir erzählt hatte…“ Der junge Herr strich sich kurz durch die hellen Haare, die ihn an einen europäischen Gentleman erinnern ließen, und gab ein entzücktes Seufzen preis. „Steht dir, die Rolle des March Hare… Aber, wenn du mich jetzt kurz entschuldigen könntest… Die Zeit ruft… Tictoc…“ Geschwind verschwand er in den Mitarbeiterbereich und ließ mich in einer gewissen Verwunderung zurück. Doch dafür hatte ich nun wirklich keine Zeit… Mein Lächeln kehrte schnell zurück und ich brachte den werten Gästen ihre Bestellungen.

„Schwaza Haße? Kommschtu kuz hier?“ Mein Chef winkte mir mit einer Hand zu, die aussah, als wäre sie gelenklos wie ein mit Pudding befüllter Plastikhandschuh. Ich verneigte mich kurz vor meinen Gästen und begab mich zum Chef. „Was kann ich für Sie tun, Chef?“ Fragend bewegte ich meinen Kopf zur Seite, als ich einen Mann hinter ihm bemerkte. Es war dieser Schmarotzer, der sich vorhin so unverschämt benommen hatte. Zu meiner Verwunderung hatte der fremde Herr seine Kleidung gegen die Cafe’s-Kleidung gewechselt und winkte mir nun mit den weißen Ohren des Großen Weißen Kaninchens. „Das ischt der Kollege, der Urlaub war. Weißa Haße? Das is wie gesagt, de Neue, de die Posion des Mäzhasen einnehmen wird.“ Der Chef machte daraufhin eine scheuchende Geste, die uns zu verstehen gab, dass wir wieder an die Arbeit gehen sollten. Souverän nahm der weiße Hase, wie ihn der Boss statt „Weißes Kaninchen“  oft in Anekdoten genannt hatte, sämtliche Bestellungen auf, brachte den Gästen das Georderte und verabschiedete sich lächelnd.

Gegen Mittag nahmen die Bestellungen drastisch zu, ein regelrechter Schwall an Gästen stürmte heran, allen voran junge Schulmädchen, die nach Unterrichtsschluss mit Freunden einen Abstecher ins Cafe machten. Wahrscheinlich hatten sie alle, sprich die vorwiegend weibliche Kundschaft, von der Rückkehr des Großen Weißen Kaninchen aus dem Urlaub erfahren. Der Raum war innerhalb des>> Alice in Wonderland<<-Cafe/Hostclub stark begrenzt, weshalb ich als jüngstes Teammitglied die wunderbare Aufgabe hatte weitere Tische und Stühle außerhalb aufzustellen. Jeder einzelne Tisch und jeder einzelne Stuhl wurde aus dem Lager geholt und sorgfältig abgewischt. Meine Gäste wurden vorwiegend von den „H’s“ bedient.

Das Team bestand aus 2 Gruppen: Den „W’s“, dh. den Kellner, wovon es insgesamt 10 gab und die ab 10-21 Uhr für das Cafe bzw. für das Spätcafe zuständig waren, und den „H’s“, den Hosts, 8 an der Zahl und die ab 16 Uhr zur Arbeit erschienen, bis 2 Uhr morgens arbeiteten, allerdings auch Kellner Jobs übernahmen. Denn das Hostgeschäft begann meist erst ab 18 Uhr richtig zu laufen, da jene, die volljährig waren und Zeit hatten, erst ab dieser Uhrzeit imstande waren (aufgrund von Jobs/Studiums) zu kommen und Spaß zu haben. Für das Cafe erschienen mehr Gäste, die von dem fantastischen Konzept angezogen wurden, aber auch von den Angestellten, die äußerlich nicht hinter der Cafeausstattung und ihren süßen Verführungen nachstehen mussten. Ich bemühte mich die Tische und Stühle, die für den Außenbereich gedacht waren, schnellstmöglich hinauszutragen, um die wartenden Gäste nicht länger zu verärgern und deren Geduld unnötig zu strapazieren. Allerdings wurde nicht stark auf den Schwarzen Märzhasen Rücksicht genommen, die Leute drängelten , zu meist pöbelnd, an mir vorbei und zwängten sich ins Cafeinnere, um zum Empfang zu gelangen, von dort wurde alles organisiert und koordiniert. Ob die Kundschaft eine einfache Bestellung to go machen, einen Tisch für eine bestimmte Anzahl an Personen haben oder gar in die Lounge für die Gäste der Hosts wollten, all das wurde von dort aus gesteuert. Ich versank in einem Mantra aus „Es Tut mir leid Sie gestoßen zu haben…“ und „Entschuldigung, könnte ich kurz vorbei?“, während ich mein March Hare-Lächeln weiterhin unter größter Mühe aufrecht hielt. Es ging plötzlich alles ganz schnell, ein Ellenbogen wurde in mein Gesicht sowie in meine Wirbelsäule gerammt, Füße traten auf meine, ich spürte überall spitze Knie, die sich in mich hineinbohrten und auf einmal war ich aus der Masse hinaus, ins Freie getreten. Der Tisch geriet dabei stark ins Schwanken und motzend machte ich meiner Laune Luft: „Haben die Tomaten auf den Augen? Sehen die denn nicht-“ Ich kippte nach vorne über, aber der Fall des Tisches und meiner selbst wurde gestoppt. Der weiße Hase stand auf der anderen Seite der Tischplatte und stemmte sich mit beiden Händen dagegen, die Finger berührten beinah meine. Er blickte mir tief in die Augen, sodass mir das Wort im Halse stecken geblieben war. Langsam beugte sich vor, näherte sich wie in Zeitlupe und sagte unter einem arroganten Lächeln: „Bewahre dir immer dein Lächeln, schwarzer Hase… Sonst könnte es sein, dass die Gäste aus dem Wunderland fliehen…“ Damit ließ er den Tisch los und begab sich wieder ins Gebäudeinnere. Einige junge Mädchen hatten meiner Demütigung beigewohnt und kreischten nun merkwürdigerweise entzückt auf, während ich glaubte noch ein „Schauspieler dürfen nie aus ihrer Rolle fallen…“ zu vernehmen. Dieser Spruch… Woran erinnerte er mich bloß? >>Was’n Arsch…<<

Endlich standen alle Tische und Sitzgelegenheiten an ihren rechtmäßigen Platz und wurden auch sogleich von der wartenden Kundschaft  in Beschlag genommen. Heute war der Andrang besonders erschreckend und selbst die nun wieder vollständige Belegschaft von 18 Leuten, also zwei Heart Soldiers, zwei Peakenier, eine Cheshire Cat, eine Caterpillar, zwei Gryphons, einen Flamingo und einen Hedgehog bei den Kellnern, eine rote und eine blaue Alice, einen Mad Hatter, eine Queen of Hearts, eine Queen of Peaks, einen Jabberwock und natürlich ein Big White Rabbit und einen Black March Hare bei den Hosts, konnten den Kundenwünschen nur in größter Bemühung nachgehen. Muffins, Coffee, Saft, Sandwiches, Kuchen, Milchshakes, Kekse gingen im Minutentakt über die Theke. Hier eine höfliche Verbeugung, dort ganz vorsichtig die Bestellungen auf den Tisch gestellt. Der Stresspegel begann von Minute zu Minute weiter anzusteigen. Die Alices bemühten sich möglichst süß zu sein, ohne von älteren Herren speziellen Geschmackes an privaten Stellen berührt zu werden. Als ich an ihnen vorbei ging, konnte ich einen Angriff auf die rote Alice verhindern, allerdings wurde nun mein Sitzfleisch ordentlich durchgeknetet. „Werter Herr, wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie die Teammitglieder lediglich von der Ferne bewundern würden, sonst konnte es gut möglich sein, dass Sie bald nicht im Wunderland sondern im Wundenland aufwachen werden…“ Der weiße Hase hatte die Hand des Gastes vorsichtig aus seinem knautschenden Griff losgelöst. Ich konnte drum herum und warf ihm einen ganz gar nicht putzigen Black March Hare Blick zu. >>Was mischte dieser Heini sich schon wieder ein?<< Grienend verabschiedete er sich von dem Herrn, doch ehe er sich anderen Aufgaben widmete, legte er seine Hand auf meine Schulter und flüsterte mir bestimmt zu: „Wenn die dich oder andere hier betatschen, darfst du dich ruhig wehren, wenn auch mit einem höflichen Lächeln. Wir sind hier schließlich nicht auf einer Orgie…“ Ich kniff ihm in die Hand und zischte zurück: „Dann brauch ich ja auch nicht, das da zu ertragen…“ Damit bediente ich wieder meine Kunden, wobei ich das Getuschel und aufgeregte Kichern derselben Mädchen ignorierte, die schon zuvor das kurze Gespräch zwischen dem Weißen und dem Schwarzen Hasen gelauscht hatten.

Endlich war nahm der Cafèbetrieb allmählich ab, die reiferen Gäste begaben sich in die Lounge und ließen sich Snacks bringen. Für alkoholische Getränke war es den meisten noch zu früh. Die H’s konnten nun endlich ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen, unterhielten sich mit den Gästen über witzige, aber auch ernste und alltägliche Themen, trieben mit ihnen kleine Spielchen und Späßchen und entertainten sie sei es mit kleinen Kunststückchen oder Karaoke. Es gab einiges an Repertoire von Möglichkeiten die Kunden bei Laune zu halten und sie dazu zu animieren möglichst viel ihres Vermögens hier zu lassen. Die Lage im Cafe-Hostclub entspannte sich zunehmens. Die meisten Schüler waren bereits nach Hause geeilt, um sich für den morgigen Unterricht oder einen bevorstehenden Test vorzubereiten. Einige ältere und weniger motivierte Schüler, aber auch unterbeschäftigte Studenten erschienen dennoch noch zum entlastenden Spätcoffee und genossen die süßen Verführungen zu späterer Stunde.

20 Uhr. Noch eine Stunde bis das Cafe für heute seine Tore schloss. Die Kellner sahen abgearbeitet aus, zauberten sich aber dennoch das schönste Strahlen ins Gesicht, als hätten sie nicht volle 8 Stunden durchgeackert. Profis eben. „Schwarzer Hase, Schätzchen? Meine Freundinnen und ich würden uns gerne in der Schäumigkeit einer guten Flasche Champagner verlieren. Die Arbeit heute war wirklich voller Sstresss.“ Die gute Frau, die aus wohlhabender Familie entstammte, zog absichtlich das ‚s‘ in die Länge und versuchte ihren angespannten Freundinnen, die scheinbar noch nie zuvor in einem Hostclub gewesen waren, ein Lachen zu entlocken. Allerdings ohne großartigen Erfolg. Ich verbeugte mich und sprach: „Ich werde Ihnen sogleich eine Flasche bringen, Madame.“ Eilig marschierte ich in den Weinkeller und holte den besten Champagner hervor, den wir auf Lager hatten. Meine Wenigkeit hob vorsichtig die Flasche und begutachtete sie unter der Deckenbeleuchtung. Ein wirklicher schöner Champagner… >>Schön und kackenschwer…!<< Langsam wanderte ich damit ihn den Händen die Treppe hinauf, kam dann die Flasche präsentierend bei den Ladys an. „Hoho, wir dachten schon, du hättest dich in eurem Labyrinth von Weinkeller verlaufen, Märzhase.“ Kichernd beäugten die Damen ihr zukünftiges Getränk. Die Madame, die dies geordert hatte, klopfte auf den Platz neben sich und ich trat einen Schritt auf sie zu. Aufgrund der Größe der Flasche übersah ich allerdings eine Tasche der Begleiterinnen und stolperte augenblicklich. Der Boden kam mir unaufhaltsam entgegen und neben mir wurde scharf die Luft eingesogen. Ich würde diese überteuerte Flasche mein Lebtag abbezahlen müssen. Da war ich mir hundertprozentig sicher? Jemand hatte mich noch in letzter Sekunde aufgefangen. Ich wurde wieder auf meine Füße gestellt. Der Champagner gelangte aus meinen Händen auf den Tisch der Damen und wieder war dieser blonde Lächelhase, der meine Nase stupste und kicherte: „Du ungeschicktes Ding, du! Mit diesem Champagner kannst du doch nicht ernsthaft die werten Damen wie in der Formel 1 duschen wollen. Was sollen die Ladyschaft denn dann trinken? Wasser?“ >>GOTT! Was muss die alte Suffsau auch ihre vergammelte Tasche auf dem Boden liegen lassen??? Hat die nen Plan wie lange ich für sone zerbrochene Flasche von diesem Gesüff ackern müsste??? Und warum zum Henker nochmal ist der jetzt schon wieder hier und spielt den Ritter hoch zu Ross?!<< „Hoho, das ist doch überhaupt kein Problem, Schnucki. Du musst das Schätzchen deswegen doch nicht gleich auffressen… Wir wollen nämlich auch noch was von ihm abhaben.“ Nun waren die Frauen auf hundertachtzig und völlig entzückt quietschten sie wie Teenager davon, dass sie nun auch den Weißen Hasen in ihrer Frauenrunde sitzen haben wollten. Prompt wurden wir nebeneinandergepflanzt und durften abwechselnd den Ladys einschenken. „Schwaza und Weißa Haße? Kommt ma her!“ Er winkte wieder mit seiner gummiartigen Hand und wir gehorchten, während wir uns kurz entschuldigten. „Isch hab was bemergt… Du und du… Haßenliebe… verbotene Haßenliebe is jetzt eure Aufkabe… Für die BL-Fangurls…“, schlitzäugig flüsterte er uns seinen Auftrag zu. Meine Ohren zuckten. „BL-Fangirls?“ Er nickte. „Boyz Luv-Fangurls halt…“ Ich blinzelte. „Das ist doch Quatsch! Ich mache das bestimmt nicht!“ Meinen Kopf zur Seite gedreht und die Arme verschränkt, zeigte ich meine Verweigerung eindeutig genug. Hoffte ich doch. Der Weiße Hase zog mich an sich heran. „Aber, aber, Kuroi… Schauspieler sollten sich jeder Herausforderung stellen, oder nicht?“ Perplex versuchte ich nicht seinem Griff zu entkommen, sondern öffnete nur leicht den Mund und fragte ängstlich: „Woher… kennst du meinen Namen?“ Er lachte und zog mich wieder dicht an sich ran, wobei der Chef heiße Luft durch die Nase ausschnaupte und aufkiekte, dass es genau so gemacht werden solle. Seine und meine Hasenohren stießen aneinander und berührten sich. War es möglich…? „Woher ich weiß, dass du Kounoshin Kuroi bist? Na, weil ich dein Nakamura Shiroi bin.“ Ein freches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. In diesem Moment dachte ich mir, dass ich auf jeden Fall noch heute den Job und die Wohnung kündigen und umziehen müsste. Auf einen anderen Kontinent… Oder nein noch besser auf den Mond eines anderen Planeten, denn ich wollte eigentlich niemals wieder diesem Arschgesicht von Highschoolfreund über den Weg laufen, dessen Schläger ich für lange Zeit gewesen war.

Beginning

„Ich weiß nicht, was du damit meinst.“ Ich beschloss die Vergangenheit hinter mir zu lassen, sollte er doch den alten Highschool-Zeiten hinterherhängen, ich würde mich bestimmt nicht von seiner gespielten Melancholie anstecken lassen.  Er lächelte mich amüsiert an. „Es mag ja sein, dass dein Kopf mich verdrängt und vergessen hat…“ Shiroi schob sich näher an mich heran und legte seine Lippen direkt an mein Ohr. „Aber dein Körper kann sich sicherlich noch an mich erinnern…“ Ein dreckiges Kichern hinterließ eine schrecklich bekannte Gänsehaut zurück. „Wie gesagt: Mein Name ist Märzhase, ich weiß von nichts.“ Ich zwang meine Gesichtsmuskeln sich zu einem entzückenden Lächeln zusammenzuziehen. Ich würde an die Arbeit gehen, wenn er als Seniorarbeiter glaubte sich alles, inklusive Teaserei und Arbeitsverweigerung, leisten zu können, dann sollte es so sein. Ich würde mich nicht wieder so einfach von einer vergangenen Affäre aus der Bahn werfen lassen.

Während ich noch seinen Blick in meinem Nacken spürte, verbeugte ich mich vor gehender Kundschaft. Stets höflich, bemüht und freundlich sein. Das war eines der Grundsätze der Angestellten des Wonderland-Cafe’s/Hostclub’s. Ein lautes Lachen erregte meine Aufmerksamkeit: Am schuldigen Tischen saßen vorwiegend junge Frauen- und einige junge, recht ansehnliche Männer. Das Große Weiße Kaninchen hatte sich zu der Runde gesellt und sich zu einem der besagten Hübschlinge gesetzt. Verspielt hatte er den Arm um die Schulter seines Opfers gelegt und redete mit Honigmilchlächeln auf ihn ein. „Aber ich steh doch auf Frauen…!“, protestierte seine Beute schwach und von sich selbst nicht mehr ganz überzeugt. „Trotzdem kann man doch ab und an das Ufer wechseln… Wenn du dir ein Ticket für ein Schnellboot kaufst, können wir zusammen am Ufer entlangschreiten…“, raunte er dem jungen Herrn laut genug zu, dass alle am Tisch inklusive mir, der rein zufällig in der Nähe stand, es mitbekamen. Ein Erröten verriet Shiroi und mir, dass der Anmachspruch seine Wirkung entfaltet hatte, und es jetzt an der Zeit war mit den Späßen aufzuhören, um die Leute nun nach aufgelockerter Stimmung zum  Trinkgelage animieren. Die Leute so zum Trinken zu bewegen, dass sie sich Späßchen hingeben können, aber nur bis zu dem Limit, dass sie sich  nicht selbst verletzen. Ungewollt musste ich beim Gedanken an seinen frechen Baggerspruch an Kohai denken, dem bei unserer ersten Begegnung ähnliches widerfahren war.

 

>>… Wir beide schlenderten Arm in Arm den Schulflur entlang, geben einen Rotz auf die konservativen Lehrer, die müde herumkrakelten wir sollten gefälligst zum Unterricht gehen, und treten pöbelnd Mülltonnenn und Schultaschen um, die im Weg stehen. Plötzlich bleibt Nakashiro (Naka-mura Shiro-i) vor einem Klassenraum stehen, der gerade im Matheuniversum unterging. „Was los, Nakashiro? Willst du den Stoff der Unterstufe wiederholen? Dafür ist es schon eh viel zu spät für dich, Alter! Du wirst bestimmt kein Nobelpreisträger mehr… Im Gegenzug dafür bist du aber mit einem ziemlich schmucken Gesichtchen und Body gesegnet… Also freu dich!“ Ich drehe lachend meinen Kopf zu ihm und will ihm auf die Lippen beißen, doch seine Augen verfolgen, obwohl ich ganz dich bei ihm stehe, nur gebannt das Treiben im Klassenzimmer. Verärgert lasse ich ihn los. „Alter, was is? Normal würdest du jetzt voll zum H-Man mutieren… Findet da drin ein Schulporno statt, oder was?“ Er schüttelt verneinend den Kopf. „Sieh dir den Jungen… Diese schwarzen, glänzenden Haare, diese Marmorhaut, diese Zornesfalte, diese Hände, die harte Arbeit mit Leichtigkeit erledigen können, dieser edle Körperbau, der von einer wohlhabenden Familie erzählt, wobei sein perfekt symmetrisches Gesicht wiederum von Idealvorstellungen sprechen, diese dunklen Augen, die allesverschlingenden schwarzen Löchern gleichen, aber seine enorme Intelligenz unterstützen… Er ist perfekt.“ Empört kicke ich ihm in den Arsch. Erstaunt und mit schmerzverzerrtem Ausdruck wirbelt er herum und sieht in mein genervtes Gesicht. „Ach, Kuroshin  (Kouno-shin Kuro-i). So war das nicht gemeint… Aber sieh ihn dir an… Das ist unsere Freikarte zum drei gehörnten Teufel… Er wird unser 3.Rad an unserem humpelnden Dreirad sein…  <3“ Während er ironisch mit den Augenbrauen wackelt, sehe ich ihn streng an. „Was ist? Mir fiel halt kein besseres Bild für unser baldiges Trio ein…!“ Ich klatsche meine Hand gegen seine Stirn. „Wie wärs mit dem 3.Kopf zum Zerberus?“ Er öffnet den Mund für ein „Aha“ und entblößt damit eine perfekt gegliederte Reihe an perfekt weißen Beißerchen. …<<

 

„Schwaza Haße! Mach dich wieda an de Arrbait, anschtatt hia so doov rumzusteen!“ Der Chef stupste mir auffordernd gegen die Stirn, wobei das aufgrund seiner geringen Größe eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit sein müsste. Hastig begab ich mich zur werten Kundschaft, die gerade mit dem Jabberwock spielten. Er war ein großer, mächtig wirkender Mann, dessen harte, kantigen Züge von kurzen, schwarzen Haaren, die vorne locker in die Augen fielen, eingerahmt wurden. An seinem breiten Hals waren neben seinem prägnanten Adamsapfel glänzende Schuppen angebracht, die ebenso unter den durchbohrenden Augen des Hosts prangten. Auf dem Rücken bewegten sich rissige, Fledermausartige Flügel, aus seiner Hose lugte hinten ein echsenähnlicher Drachenschweif hervor, Obwohl in den Erzählungen von „Alice in Wonderland“ der Jabberwock als eher hässliches, schreckenerregendes Monstrum dargestellt wurde, war dieser Host hier nicht zu verachten. Er war (wie war es auch anders zu erwarten) die Nummer 2 nach dem Großen Weißen Kaninchen. Und dass, obwohl er immer einen bösen, Augenbrauen verziehenden Blick aufsetzte und seine tiefe Stimme einem Gänsehaut auf die Haut treiben konnte. Ein richtiger Mann halt und für den Yakuza-Stil liebten ihn die Frauen. Vorsichtig näherte ich mich der spielenden Gruppe. Einige Frauen lagen bereits leicht angetrunken auf seinem Schoß, in seinen Armen oder an seine breiten, muskulösen Schultern gelehnt. Als sie mich in ihrem Blickfeld bemerkten, kreischten sie urplötzlich los, sodass meine schwarzen Ohren kerzengerade von meinen Kopf abstanden und ich einen verängstigten Hasenblick aufsetzte. Was war hier plötzlich los? Die kurze Zeit, die ich bisher hier gearbeitet hatte, war noch nie ein so gewaltiger Auflauf bei den Hosts gegeben. Bestand die Luft hier drin nur noch aus Schweiß, Ethanolgeruch und Pheromonen? „Sieh mal, Nana-chan. Jetzt haben wir an unserem Tisch einen BADMAN- und einen Cutiepie-Host <3.“ Die Ladyschaft machte ihrer Euphorie in Form von abermaligen Schreiorchester Luft. Ich setzte mich auf die Aufforderung des Jabberwocks hin neben eben diesen. Gemeinsam schenkten wir der werten Kundschaft ein, die trotz übermäßigen Alkoholgenusses auch leider eine sehr wehrhafte Ladyschaft sein konnte, weshalb es eher unangebracht war sie jetzt vom weiteren Trinkgelage abzubringen. Ich beobachtete No.2, dessen echter Name Shibazaki Akatsuki war, bei seiner Arbeit. Er machte einen seriösen, professionellen Eindruck, selbst dann als die Herrinnen sich stark schnurrend an ihn schmiegten und ihn ihren gepimpten Vorderbau quetschend baten ihnen ein Lächeln zu schenken. Er antwortete nur knapp: „Tut mir leid, Jabberwock hat sein Lächeln gegen Trinkfestigkeit getauscht.“ Was für ein Profi! Ich sah ihn bewundernd von der Seite an und- eine leere Sektflasche landete zwischen uns. Starr blickten wir beide auf das Glasgefäß , bis wir uns schließlich langsam nach hinten drehten. „Hoppala, da muss ich wohl so in Zeitverzug gewesen sein, dass ich meine Balancierfähigkeit gegen Schusseligkeit getauscht haben muss…“ Shiroi setzte ein gekonntes Zahnpastalächeln auf und verschwand stampfend im Weinkeller. „Was gibt es, schwarzer Märzhase? Kann man dir helfen, oder brauchst du nen Krankenwagen?“ Eine der Kundinnen legte ihre Hand auf meine Schulter, ihre Lippen bewegten sich unermüdlich, doch ihre Worte hörten sich nur noch an wie ein unwirkliches, nerviges Rauschen in der Ferne, als würde man ein Stück Papier würgen. Denn Takagi hatte Shiroi an jenem Tag mit genau demselben Spruch angeblafft.

 

>>… „Kann man dir helfen, oder brauchste nen Krankenwagen=“ Der Kohai bei welchem Nakashiro’s Augen anfangen wie radioaktives Material zu strahlen, wirft uns einen kühlen, fast verächtlichen Blick zu, als wir nach Unterrichtsende vor der Tür stehen. Nakashiro hat dabei seine Hände gefaltet und macht freudestrahlend den gierigen Mund auf. Er holt einmal tief Luft, stemmt sich mit einem Arm gegen die Wand, sodass Kohai nicht mehr entkommen kann. „Mach einen Dreier mit uns!“ Der Kohai erstarrt. Schock ist ihm eindeutig ins hübsche Gesicht gepinnt. Empört schlage ich Nakashiro auf den Hinterkopf. „Idiot! Formulier es gefälligst anständig, sodass jemand dich nicht gleich für einen Sexualstraftäter hält!“ Er reibt sich schmollend den Schädel und sagt entsetzt: „Nicht den Dreier, den du jetzt denkst! Ich meinte einen Buddy-Dreier!“ Der Blick des Jüngeren wird nicht positiver Nakashiro gegenüber. Dieser beugte sich zu mir nach hinten und flüstert mit zitternder Stimme: „Was ist daran jetzt falsch, Kuroshin?“ Ich seufze und erkläre genervt: „Er denkt beim Wort Buddy garantiert grad an „Sex Buddies“, dh. du hast aus dem One Night Stand, eine Dauerbeziehung für körperliche Vergnüglichkeiten genacht.“ Panisch rückt er an den begehrten Schwarzhaarigen heran und stammelt: „Nichts sexuelles, wirklich! Ich will nur ein Trio bilden, sowas wie die 3 Musketiere oder die Teletubbies oder Team 7 oder die 3 Starterpokemon oder Team Rocket oder die 3 Hexen bei Doremi oder die Wedding Peach Kriegerinnen oder- “ Der Kohai hebt die Hand und sagt: „Ist gut. Ich habe verstanden.“ Erleichtert geht Nakashiro wieder auf Distanz und begutachtete den Jungen erneut. „Obwohl… Man könnte es ja mal versuchen…“ Er wackelt vielsagend mit den Augenbrauen und entnervt rolle ich die Augen. „Du stehst auf Weiber, oder?“ Der Jüngere nickt brav, er tut mir irgendwie leid, aber einen in Fahrt gekommenen Shiro kann man selbst mit harten Tritten und Schlägen nicht von seinem Ziel abhalten. „Naja, ist ja nicht weiter tragisch. Um Spaß zu haben, kann man ja beides benutzen… Besorg dir einfach ein Schnellboot zum anderen Ufer und besuch mich ab und zu mal dort… Ich würd mich gut um dich kümmern… <3“ Er zwinkert und endlich geht der Junge in dem schwarzen Jacket davon, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Enttäuscht lässt Nakashiro die untere Kinnlade herunter und dreht sich mit seinem herzzerreißestem Schmollmund zu mir um. Ich betrachte ihn kommentarlos und seufze. Mit traurigen Mopsblick kommt er zu mir getrottet und genervt lege ich meine Hand auf seine Hüfte. Das er immer gleich so empfindlich reagieren muss! ...<<

 

„Märzhase, darf ich vielleicht erfahren, warum du deine Hand auf meiner Hüfte platziert und deinen Kopf auf meine Schulter gelegt hast?“ Die tiefe, bassähnliche Stimme des Jabberwocks ließ mich reflexartig aus der Jugenderinnerung zurückkehren und erstaunt bemerken, dass ich tatsächlich an Shibazaki-san gelehnt war und mich an ihn geklammert hatte. Hektisch entschuldigte ich mich bei ihm und den Gästen, allerdings winkten diese nur kichernd ab. „Kawaii! Hast du gesehen, wie das linke Ohr des Schwarzen Hasens die Nase von Jabberwock gekitzelt hat? Und dann Jabbers Stirnrunzler und Märzis Seufzen! So kawaii <3!“ Obwohl die Kundinnen bereits gestandene, erfolgreiche Businessfrauen waren, schnatterten sie wie Highschool-Schülerinnen durcheinander und versuchten ihren Kopf nicht allzu sehr im verrückten Wonderland-Strudel des (BL-) Fanservices zu verlieren. Allerdings war es bereits um alle geschehen. Und das obwohl meine kleine Einlage hier nicht geplant war.

Ich ließ Jabberwock mit den Herrschaften allein. Eine einzelne Kundin war eingetreten und da alle anderen Hosts bereits besetzt waren, hatte ich als Dienstjüngster die Pflicht sie zu begrüßen und zu betreuen. „Willkommen im >>Alice in Wonderland<<-Cafe… Hostclub! Wie darf ich Euch behifllich sein, Meisterin?“ Eine perfekte Verbeugung von 45° Grad und ein Lächeln, das Bemühtheit, Sanftheit, aber auch freche Freundlichkeit induzierte. „Gib mir was Hartes“, zischte die junge Frau, die bei näherer Betrachtung nicht mehr allzu frisch wirkte. Ich führte sie eilig zu einem nicht besetzten 2-Personen-Sofa und entschuldigte mich kurz, um ihr das gewünschte Getränk zu besorgen. Als ich zurückkam, schenkte ich ihr sofort ein und massierte ihre angespannten Schultern. Die Kundin war wohl eine Meisterin im Schlucken, wie in Rage stürzte sie den harten Alkohol hinunter und machte dabei tiefe, ausatmende Geräusche. Ihre Kehle musste sicherlich schon stark brennen und als sie sich selbst nachschenken wollte, legte ich meine Hand auf ihre und sagte sanft: „Bitte Meisterin. Macht doch erst eine kleine Trinkpause… und erzählt mir den Grund eures Zorns.“ Sie schaute mich herzzerreißend an und lehnte sich erschöpft an mich, als sie mir fast schluchzend davon erzählte, dass ihr kleiner Junge von gorillaartigen Highschool-Schülern gemobt wurde und wie hinterf*tzig doch einige Kinder heutzutage waren. Ich kratzte mein Hasenohr und nickte, wie es meine Pflicht als Wunderlandbetreuer verlangte, zustimmend, während ich abermals an meine eigene Schulzeit und Machschaften denken musste.

 

>>… Zum Unterrichtsende hin war Shiro‘ s Stimmung wieder auf dem maximalen Höhepunkt. Er legt grinsend seinen Arm um meine Schultern und imitiert den Rebound-Effekt, als würde er meine nicht vorhandenen Boobs drücken. Dafür verdient der einen Kopftritt. Wir wandern lachend zu Nakashiro’s Roller und sitzen auf. Er verlangt natürlich einen Kussmund formend, dass ich mich ganz fest an ihn drücken und meine Hände auf seine Hüfte legen solle. „Ich soll mich festhalten, ja?“ Bevor er darauf antworten kann, vergrabe ich meine linke in seinen schon damals blond gefärbten Schopf und reiße ihn nach hinten, während sich ein Fuß tief in sein Kreuz bohrt. „Errrr, Kuroshin… Magst du vielleicht bitte weniger reißen und treten, dann könnte ich uns nach Hause fahren, sodass du dort, speziell in deinem Zimmer, besonders auf deinem Bettchen deine halbversteckten Aggressionen ausleben kannst?“ Er dreht seinen Kopf langsam zu mir, zuckt mit den Augenbrauen und macht eindeutige, unmissverständliche Bewegungen mit der Zunge. Meine Augen verdrehend lasse ich ihn endlich los und sitze ordentlich hinter ihm, die Hände sein Uniformsjacket langziehend. Gut gelaunt fährt er los, mitten durch die Innenstadt. Die Menschen laufen fröhlich umher, geben ihr mehr oder weniger hart erarbeitetes Geld beim Shopping Trip aus und nerven mich mit ihrem ungeheuren Lärmpegel. An einer Kreuzung bleiben wir bei der roten Ampel stehen und überlegen lautstark, was unser Abendessen sein sollte. Plötzlich bemerken wir Krach in einer Seitengasse. „Da prügeln sich welche, Kuro!“ Nakashiro fährt mit dem Roller auf den Gehweg und springt von seinem Gefährt. Als er die Lage gepeilt hat, werden seine Augen immer größer. Er winkt mich zu ihm. Ich schließe seinen Roller ab und komme zu ihm herüber. Dort stehen fünf, sechs riesige, breite Typen wütend auf jemanden einschlagend. Dennoch scheint das Opfer nicht ganz wehrlos zu sein. Es ist der schwarzhaarige Junge, den Nakashiro noch am selben Tag, einige Stunden zuvor, aufreißen wollte. Schnell wie eine Giftschlange, die um ihr Leben ringt, schlägt er zu, bekommt allerdings auch viele Treffer ab. Dabei ruft er immer hinter sich: „Schau nicht hin, Takato!“ Ein kleiner Junge mit Pandamütze und Chocobo-Rucksack steht da die Patschehändchen sich vonrs Gesicht haltend und brav abwartend. Ein wirklich knuffiger und der Situation überhaupt nicht entsprechend einmalig magischer Anblick. „Kuroshin, ich finde, so sollte niemand außer uns mit unserem Mauzi umspringen!“ Shiro macht eine vielsagende Geste. Mein Zeichen. Gezielte Tritte in Bauch- und Kopfbereich lässt die Affenarmee vor meiner Wenigkeit bereits zurückschrecken. Nakashiro macht lediglich von seinen versteckten, sehnigen Muskeln Gebrauch und holt das schwarzhaarige Geschwisterpaar aus der Gefahrenzone. Ich springe hoch, nutze die verschmierte Wand rechts als Sprungrampe um den drei verbliebenen Primatenhirnen meinen Ellenbogen ins Gesicht zu rammen. Sie straucheln getroffen nach hinten, ich nutze diesen unachtsamen Moment aus und werfe sie über meine Schulter schließlich zu Boden. Winselnd und um Gnade flehend kriechen sie letztendlich davon und verschwinden aus unserem Blickfeld. Fröhlich mache ich ein Peace Zeichen in deren Fluchtrichtung, bis ich mich schließlich umdrehe und die drei anderen begutachte. „Alles ok, Kohai?“ Der Kohai guckt mich nur trotzig an. „Ich hätte eure Hilfe nicht gebraucht… Ich bin nämlich ein Schwarzgurt!“ Trotz seiner Blessuren, Beulen und leichten Prellungen strahlt er einen ungeheuren Stolz und unglaubliche Stärke aus, was bewundernswert für sein Alter ist. Er dreht sich um, um seinem kleinen Bruder die Hand zu geben. Jetzt allerdings sieht er, dass dieser sich immer noch brav die Augen zuhält und dasteht wie ein beschnittener Buchsbaum. „Du kannst wieder gucken, Takato…“ Ein Seufzen verlässt seine halbstarke Kehle. Nakashiro muss entzückt auflachen. „Kann es sein, dass der Herr Schwarzgurt deswegen nicht seine ganze Kraft einsetzen konnte?“ Er wischt sich amüsierend Tränchen aus den Augenwinkeln und betrachtet sein kleineres Gegenüber. Der große Bruder von Takato-chan schweigt still. „Vielleicht willst du ja die Namen deiner Retter erfahren… Ich bin Nakamura Shiroi. Und das hier ist mein Schlägerboy…“ Ich nicke ihm zu und sage schlicht: „Kounoshin Kuroi.“ Er verhält sich immer noch stumm und taub, nickt aber erwidernd. „Takato. Du kannst jetzt wieder hinschauen.“ Vorsichtig hebt der Kleine seine Hände vom Gesicht und blinzelt uns mit Buschbabyaugen an. Die Hand seines Bruders landet auf seinem Kopf und drückt ihn in eine perfekte 45° Verbeugung, in die sich sein Nii-chan ebenfalls begibt. „Danke vielmals für eure unnötige Hilfe… Ich bin Kurasawa Takagi und das ist mein kleiner Bruder, Kurasawa Takato. Ich würde mich gerne morgen bei euch revanchieren… Schulden zu machen, schlägt sich nicht gut auf die Schufa aus…“ Der Junge überlegt laut und schaut uns ernst an. Nakashiro muss natürlich sofort wieder anfangen zu lachen und kann nicht widerstehen, Takagi-kohai durch die Haare zu wuscheln. „Ich denke nicht, dass solche „Schulden“ in der Schufa auftauchen… Aber wenn du etwas gut bei uns machen willst, dann kannst du ja über mein Angebot nochmal nachdenken, hm?“ Er zwinkert kurz und dreht sich dann zu mir. „Wollen wir dann los? Ich krieg langsam echt Hunger und Hausfrau Kuroshin braucht ja eine gewisse Zeit, um das Essen vorzubereiten, wa?“ Ich boxe ihn in die Seite und als wir gerade zu Nakashiros Roller zurückkehren wollen, hören wir noch ein: „Vielleicht können wir ja doch Freunde werden…“ Ich merke, dass sich auch auf Shiros Gesicht ein Lächeln stiehlt und ohne weitere Worte gehen wir, ihm noch mal zum Abschied winkend. …<<

 

Während ich noch immer der armen Kundin zuhörte, musste ich stumm in mich hineinseufzen. Das war also der Beginn vom Ende gewesen. Von einer Freundschaft, die letztendlich gar keine Freundschaft mehr war.  

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Tag der Veröffentlichung: 18.08.2013

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Widmung:
Für meine Twinsis

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