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First Strike: Shattering Souls


Tod. Tot sein. Sterben. Dem Lichte entgegen gehen. Von der Welt verschwinden.
Hustend rappelte ich mich auf, klopfte mir den Staub aus den Kleidern und fasste mir in die vom warmen Blut triefende Wunde am Bauch. Der scharfe und spitze Felsen zu meinen Füßen ragte im tiefsten Blutrot aus dem Erdreich hervor, mein gesamter Bauch tropfte schmerzerfüllt und um Hilfe schreiend und mit jedem weiteren Schritt, den ich tat, um mich von meinem missglückten Richtlager zu entfernen, wurde meine todessehnsüchtige Spur größer. Meine gierige Hand drang immer weiter in den offenen Brustkorb ein, riss Teile der Leber heraus, zerfetzte einen Lungenflügel und umgriff schließlich mein furchtloses, todesverlangendes Herz, das nun seit 100 Jahren unermüdlich das Leben durch meine Adern pumpte. Ein heftiger Ruck ging durch meinen ausgelaugten Körper, als das noch immer schlagende Herz in der zitternden Handinnenfläche lag. Langsam ging ich in die Knie mit der freien Hand nach Erde greifend, Blut ausstoßend, schwarze Streifen vor den Augen habend, schriller Ton in den Ohren vernehmend, Schwindelgefühl. Ungeheurer Schmerz wankte, schwappte durch jede Faser meines geschundenen Körpers, erschöpft legte ich mich auf den fruchtlosen Boden. Hoffnung entfachte Funken, entfachte sich in meinem Herzen. Sollte ich endlich sterben können?

Schritte lockten meine Augen sich zu öffnen. Der Schmerz war versiegt, hatte meinen Körper wundenlos, narbenlos verlassen. „Steh auf, Kamerad. Dies ist kein geeigneter Schlafplatz.“ Ich blickte zu der fremden Stimme hinauf. Ein metallener Arm verriet mir, dass er ein SoulShatterer war. Genauso wie ich. Wir gehörten zu jenen, die vom Mächtigsten erwählt worden waren, um mit den von ihm geschenkten Gaben, die Menschheit vom Übel der Sünde zu befreien. Wir gehörten zu den Giftfulls, unter denen verschiedene Gaben, unter anderem auch die Gabe des SoulShatters. Jene, die vom Mächtigen als schändlich und sündenhaft erachtet wurden und seit jeher als Giftless bekannt waren, nannten die anderen Erwählten HeartSplitters, BodySmashers und MindBreakers. Ihnen allen eilte der tödliche Ruf voraus, denn jede der Gaben konnte einen der vier Organe des menschlichen Wesens zerstören: Körper, Herz, Verstand und Seele. Verlor der Mensch einer dieser Organe sei es durch den Kampf mit einem Giftfull oder durch andere Umstände, war es um sein Leben geschehen. Nichts konnte die letale Wirkung der Beschenkten aufhalten. So hieß es unter den gewöhnlichen Menschen…

Ich erhob mich langsam und strich mir über meinen eisernen Arm. „Folg mir, Kamerad.“ Er wanderte voran und führte mich zu einer hinter dickem Gehölz verborgenen Höhle. Sie war schwach erleuchtet, dennoch lullte mich die Wärme ein und gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Auch wenn mein Körper sich vollkommen regeneriert hatte, war die Taubheit keineswegs gewichen. Meine Gelenke und jede einzelne Faser meiner Muskeln schmerzten. Drei in unauffälligen Mänteln eingehüllte Männer saßen um ein kleines, sterbendes Feuer herum und blickten mich unter ihren tief in die vernarbten Gesichter gezogenen Hüten an. Ich verbeugte mich kurz, sie nickten mich nur stumm an. Ihre Blicke wanderten zurück zu dem verlöschenden Feuerchen, die zuvor steifen Bewegungen entspannten sich, sodass auch bei ihnen das Zeichen der SoulShatterers zum Vorschein kam. Ich saß also seit langem wieder unter Brüdern und beobachtete eine Hitze, die im Gegensatz zu mir der Welt entschwinden konnte. Ich vergrub mein Gesicht in der Hand, ließ ein Seufzen entgleiten, meine Hand fasste an meinen Thorso. Ein Lachen verließ meine Kehle, es war doch tatsächlich mein 3500.Versuch gewesen. Stumm und schweigend saßen wir nun in völliger Dunkelheit dicht aneinander gedrängt, die metallernen Arme klapperten und quietschten, verlangten nach einer zu zerschmetternden Seele. Es war hart diesem Drang zu widerstehen, doch Giftfulls taten einander nichts. Jedenfalls nicht jene, die die gleiche Gabe miteinander teilten. Das Keuchen der anderen Männer, sowie ihr heißer Atem dicht neben mir machten mich krank. Es war unerträglich kalt, mein Körper schmerzte, ich musste jemanden töten, meine Seele schrie, der Durst drang aus meiner Kehle, die Augen schmerzten in der undurchdringbaren Dunkelheit, modriger Geruch erreichte meine Nase, benebelte meine Sinne, ich war allein, allein unsterblich auf dieser Welt. Doch einen Lichtblick gab mir einst jener Gifter, der mir meine Gabe schenkte sowie diesen Fluch auferlegte: Wenn ich meine Seele selbst spaltete und ein passendes Gegenstück in den Seelen anderer Menschen fand, so konnte ich mein Selbst von dieser grausigen Welt tilgen und diesem ewigen Treiben endlich ein Ende setzen. Allerdings war das Zerstören meiner eigenen Seele ein hartes und oftmals blutiges Unterfangen und mit unerträglichen, den normalen Umständen nach eigentlich tödlichen Schmerzen, sodass das Weiterleben oft ein besserer Ausweg schien. Doch nun wandelte ich schon seit geschlagenen 100 Jahren auf dieser gottverlassenen Erde und war nicht mehr imstande allem zu trotzen. Der Hoffnungsschimmer wurde gleichzeitig noch von der Tatsache vergraust, dass es oftmals Wochen, Monate nicht selten auch Jahre dauerte bis ich den richtigen Menschen ausgemacht hatte. Die menschliche Seele war nun mal ein hoch komplexes Netz aus Merkmalen und Erinnerungen, die den Menschen formten, sodass es eine der härtesten Aufgaben war, jenen zu finden, der diese Eigenschaft mit einem teilte. Jeder SoulShatterer war erwählt, um 500 Seelen in seinem Arm aufzunehmen und in das verdammte Feuer mitzunehmen. Nach all den Jahren der Suche und des Zerschmetterns unzähliger Seelen hatte ich fast so viele Seelenstücke in meinem eisernen Arm zusammengesucht, sodass ich mir nur noch zwei weitere Opfer fehlten. Dann würde ich endlich frei sein. Frei sein vom Leben.

Entschlossen stieg ich aus der Kälte der Starre auf und bedankte mich nochmals für den Aufenthalt bei meinen Kameraden. Doch ich hatte keine Zeit zu verlieren, zu lange hatte ich daraufhin gearbeitet und lange für meine Seele nicht mehr durchhalten. Die kahlen Bäume winkten mir im Takt des eisigen Windes zu, der graue, aschige Boden gab mit jeden meiner Schritte nach und der schneeweiße Himmel sang von Melancholie. Zeichen von Leben waren nur in meinem Innern vorhanden, Leid, Schmerz und Trauer regierten die Giftless, die gabenlosen Menschen, die in verschiedenen Ständen ihr Dasein fristeten. Ich zog das Tuch enger um meinen Mund, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, wirbelnder Staub trug die letzten verbliebenen Blätter durch die Luft und nahm sie mit, auf eine weite Reise, in ein fernes, illusionäres Land. Meine Hand ruhte auf meinem entblößten Bauch, das Eisen klackerte im Takt meiner eiligen Schritte. Schwarze Vögel, Todesengeln gleich schwebten über der Erde am Himmel entlang und stießen grausame Schreie aus, die an den Gesang alter Hexen erinnerten. Ich wanderte die felsige Landschaft entlang, erblickte entblößte Skelette und zerfetzte Klamotten, die im kahlen Wind wehten. Eine Lichtung öffnete sich vor mir, dort lag eine Gruppe Giftless, bezwungen durch Beschenkte. Die Wunden der Leichen an der Lunge, dem Herzen oder der Magengrube sowie die abgerissenen Köpfe verrieten mir, dass ein Team von HeartSplitters, BodySmashers und MindBreakers zusammengekommen war. Ich musterte die am Bodenliegenden, doch Gefühle regten sich in meinem Innern nicht. Kalt trat ich auf den Kopf eines Gabenlosen und genoss das Zerbersten der Schädelknochen, das Herausquellen der Augen sowie das Geräusch des Herausspritzenden Blutes. Ohne weiter darüber nachzudenken, wanderte ich weiter und schon bald begrüßte mich die Flagge der Metropole Giftlacia. Menschen aller Klassen, das heißt Adel, Kaufmann, Bauer oder Abtrünniger, sowie aller Gaben liefen durch die graue Stadt und versorgten sich mit Nahrung. Es war ein lebhaftes Treiben, obgleich die Stadt teilweise aus Ruinen und Trümmern bestand. Die Kinder spielten gedankenverträumt mit ihren Bällen, Tiere taten ihre Schreie und Händler riefen zum Kauf. Ein Mann mit einem eisernen Bein rannte gegen mich, als er einer Frau mit derselben Eigenschaft hinterherlief. Diese BodySmashers waren alle Hooligans und Grobschlächter, kannten kaum Zivilisation und Menschenwürde. Das Haus des Gifters, der mir widersprüchlicher Weise half, obgleich ich von ihm den Fluch erhalten hatte, stand im Zentrum der Stadt. Das Leben erfüllte immer weiter die Luft, desto tiefer ich in Giftlacia eindrang. Die Luft wurde zunehmens wärmer, meine Wunde hatte mittlerweile aufgehört zu schmerzen, der Duft von Essen schwebte wie ein Engel durch die Luft und der Himmel öffnete sich seit langem, um ein wenig blau hineinzulassen. Es erhob sich das Freudenviertel vor mir, als ich sein Haus entdeckte. Eine Frau mit einer eisernen Maske pfiff mir hinterher, und als ich mich zu ihr umdrehte, winkte sie mich zu einem rotmarkierten Häuschen. Dass eine hochintelligente MindBreakerin als Hure arbeitete hatte ich nicht erwartet, doch ich ließ das Weib auf offener Straße stehen. Hier waren doch genug Freier unterwegs. Ein kräftiges Klopfen mit der Eisenhand sollte Al, dem Gifter verraten, dass ich vor seiner Tür stand. Allerdings öffnete mir ein kleiner Junge, der eine metallerne Rüstung trug. Er nickte freundlich und bat mich herein. Der Junge hatte das 10. Lebensjahr also bereits erreicht und war ein Vertreter der HeartSplitters. Als ich nach Al fragte, wies er auf einen abgedunkelten Raum, der mit roten Leinen verhüllt war.
Seufzend trat ich herein, doch ich stolperte über ein Kissen und landete in noch mehr Kissen. Am Boden hatte er einen Teppich mit diesen gelegt und lag nur genüsslich grinsend vor mir, den Kopf in die eine Hand gestützt. „Endlich bist du angekommen, mein junger Freund. Warum warst du noch so lange bei diesen Vagabunden, die keiner Seele etwas zu leide tun? Ich hab auf dich gewartet…“ Er klopfte keck lächelnd neben sich und zögerlich robbte ich auf ihn zu. „Du willst wissen, welche Seelenstücke dir noch fehlen, stimmts? Dann fang mal an, dass das Orakel sich vor meinen Augen zeichnet.“ Er legte sich auf den Rücken und wies mir ein „Willkommen!“. Ich berührte seine weiße Haut und begann ihn zu stimulieren. Nur das höchste Gut der Leidenschaft und der Lust, konnte die Fähigkeit des Orakels in ihm erwecken. Als er stöhnend gipfelte, leuchteten seine Augen auf und sich gerade aufsitzend sang er in einem Singsang: „Das Seelenstück des Schmerzempfindens und das der Gutmütigkeit fehlen um das große Ganze zu zerstören!“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.11.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mir selbst, dem Fantasy und Brutalo Liebhaber

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