Cover

Prolog


Dunkelheit. Eisige kalte Dunkelheit. Matt schauderte. So fühlte er sich nun schon seit einigen Tagen – seit der Angriff begann. Er streckte sich ein wenig in seinem Versteck und ließ seine Gelenke knacken. Wie lange er schon in dieser Ecke des weitläufigen unterirdischen Bunkersystems lag, konnte er nicht mehr feststellen – ob es nur einige Stunden waren, oder mehrere Tage – sicher war nur Eines: Er konnte nicht auf Ewig an diesem Ort bleiben und sich verstecken. Das heißt, wenn an dem Stromausfall in diesem Teil sich nichts änderte, würde er sich zwar nicht auf Ewig an diesem Ort verstecken können, jedoch notgedrungen auf Ewig an diesem Ort bleiben müssen. Wobei Ewig auch nur noch ungefähr ein Tag war, da sein Wasser ihm vor kurzem ausgegangen war.
Er war ein völlig normaler, schwarzhaariger, 1 Meter 82 großer, 17-Jähriger Schüler, mit einem leichten Hang zum freakigen. Er hatte sich, wie jeder andere auch, auf die Sommerferien gefreut. Die Arbeiten waren allesamt geschrieben, seine Punkte für dieses Abiturhalbjahr standen fest und er hatte sich bereits entspannt. Bis die Presse aufgeregt von einem unbekannten Gegenstand berichtet hatte, das in Sibirien gefunden worden war. An sich war das für ihn noch nichts besonderes – archäologische Ausgrabungen förderten immer mal wieder neue Funde zutage und wie der Hype um Ötzi würde auch diese Welle des Medieninteresses bald abebben und zu einer weiteren Kuriosität in den Museen dieser Welt verkommen. Bis zu diesem Punkt war er auch immer noch ganz entspannt. Interessant wurde es erst, als der Begriff „außerirdische Existenz“ in den Berichten auftauchte. Natürlich konnte es wie bisher immer eine einfache Fälschung sein, eine, wenn auch geschickte, menschliche Nachahmung des Außerirdischen Lebens. Doch als man das erste Bild dieses Gegenstandes – man sprach schon vom „Artefakt“, als gäbe es kein anderes gleichbedeutendes Artefakt im herkömmlichen Sinne auf dieser Welt mehr – im Fernsehen ausstrahlte, lief ihm ein Prickeln durch den Körper und er musste schauern. Er schaute sich das Bild danach noch lange an. Das Artefakt (wie er es plötzlich in Gedanken ebenfalls genannt hatte) bestand komplett aus einem fluoreszierendem, stahlähnlichem und schwarzgrauem Material. Es war von der Spitze bis zum Boden des Ausgrabungsschachtes ungefähr 30 Meter hoch. Man konnte erahnen, dass diese Struktur sich sogar noch im Boden fortsetzte. Der sichtbare Teil bestand an der Basis aus einem Zylinder, der sich nach oben immer weiter verbreiterte und dabei nach ungefähr 5 Metern über dem Boden durchlöchert war, was wie ein kleines Korallenriff anmutete. Als schließlich am nächsten Tag ein kurzes Video gezeigt wurde, bei dem um einen Teil rumgegangen wurde, um die Imposanz des ganzen noch zusätzlich hervorzuheben, konnte Matt auch festmachen wieso er so geschaudert hatte – Das Metallähnliche schien ganz sacht zu pulsieren, in einem völlig arythmischen Muster.
Und dann geschah es. Plötzlich war in den Medien für 3 Tage völlige Funkstille über das Artefakt gefallen. Während dieser 3 Tage kochte der Gerüchtekessel in der Bevölkerung über – die Vermutungen gingen von einem Schneesturm und deswegen einem totalem Sendeausfall gepaart mit einer kollegialen Einigkeit in den Medien, diese Panne nicht einzugestehen, über eine Verstaatlichung des Geländes und damit eines Sendeverbots mit anschließendem Kleinkrieg der Medien gegen den Staat bis hin zu einer Militäraktion Chinas um das Artefakt in den Besitz dieses Landes zu bekommen.
Doch die Wahrheit war viel schlimmer. Als die Medien endlich ihr Schweigen brachen, war das einzige, was man sich wünschen konnte, dass sie es besser nicht getan hätten, oder dass ein Meteorit die ganze Fläche verwüstet hätte. Denn was dann berichtet wurde, bewies endgültig, dass dieses Artefakt Extra-Terrestrischem Ursprungs war. Und dass es Leben außerhalb der Erde gibt. Und dass dieses uns nicht gerade freundlich gegenüber eingestellt ist. Wie die Nachrichten berichteten, war plötzlich eine Energiespitze im Artefakt gemessen worden und die Leuchtstärke erhöhte sich um nahezu 150 Prozent. Doch das war nur der Anfang. Was folgte, war nicht mehr messbar – einfach deswegen, weil die Instrumente die rund um das Artefakt aufgestellt gewesen waren, in einer Stichflamme, die ihren Ursprung im Objekt hatte, geschmolzen wurden. Die anschließenden gezeigten Fernsehbilder würden ihm nie mehr aus dem Kopf gehen – brennende Überreste, Schreie, Verzweiflung und eine allgemeine Fluchtbewegung. Doch im gezeigten Material war noch etwas anderes erkennbar, da die Reporter mit dem journalistischem Starrsinn weiter das Artefakt filmten, während sie rückwärts liefen – dass der untere Teil weder immer noch glatt war, noch dass nur 30 Meter aus der Oberfläche herausschauten. Was man sah, war eine Grube, die zu tief in den Erdboden führte, als dass man den Boden von der relativ weiten Entfernung der Kamera noch erkennen konnte. In dem Artefakt waren auch überall Löcher zu sehen, weswegen es nicht mehr so glatt war. Nach einigen weiteren Rucklern des Bildes, die auf eine weitere Rückwärtsbewegung des Kameramanns hindeuteten, wurde das Bild wieder stabil. Offenbar hatte die Gier nach Schlagzeilen wieder einmal über das menschliche Denken obsiegt. Wobei das nur kurz der Fall war – denn nur Sekunden später verließen plötzlich Objekte das Artefakt. Seltsam anmutende Gestalten, wobei sie auch gleichermaßen vertraut aussahen: Ein Kopf, Arme und Beine die von einem zentralen Körper wegführten. Damit hörte das Vertraute auf und die Andersartigkeit begann: Die Gestalten waren wesentlich kleiner und kompakter gebaut und waren komplett mit einer dunklen, steinähnlichen Haut bedeckt. Außerdem konnten sie fliegen – zumindestens schwebten sie aus den Löchern im Artefakt.
Ein Summen riss Matt aus seinen Gedanken. Er schalt sich selbst einen Narren – in dieser Umgebung in Gedanken zu versinken war weder ratenswert, noch den Überlebenschancen förderlich. Das Summen kam zwar nur von der schweren Stahltür, die er von Innen abgeriegelt hatte, nicht von einer Gefahr, jedoch hätte es ebenso gut eine Waffe sein können. Er hielt inne – ein Summen? Flackernd ging nun auch das rote Notlicht über der Tür an – es gab wieder Strom! Eilig rappelte er sich wieder auf. Er wäre fast dabei umgekippt, da seine Beine vom langen Sitzen taub waren. Als er seinem Blut Zeit gab, wieder in die Beine zu strömen, kamen die anderen Bilder wieder hoch: Die anderen Reporter, die näher an die Wesen herangingen (oder vielleicht ging der Kameramann auch nur Rückwärts), dann wie die Gestalten ihre Arme hoben, ein hohes Summen erklang, der nackte, teils verbrannte Fels der an mehreren Stellen zersplitterte, die schreienden Reporter, Wissenschaftler und andere auf dem Gelände befindlichen Personen, die umschwenkende Kamera und die Umgebung, die immer wieder um den Träger der Kamera zerschossen wurde, das Geräusch der Waffen des Militärs, das das Gelände vorher nach Außen geschützt hatte und nun nach Innen gerichtet war, die Explosionen mit denen die Gebäude am Rand vor den Flüchtenden in die Luft flogen. Die Fernsehsender die danach in dem Bericht, auf Anweisung der Regierungen in allen Ländern, den Notstand ausriefen, die täglichen Berichte von der Fundstelle, oder besser gesagt: des Umlandes, da das Militär keine wirkliche Chance gegen die Angreifer hatten und die Karten, die die Ausbreitung des nicht mehr unter Irdischer Kontrolle stehenden Territoriums anzeigten, die Meldungen über weitere Flammeneruptionen und Angriffe in Nord- und Südamerika, Europa, Asien, Afrika, Australien, ja sogar an den Polen, die Enthüllungen der Regierung über gewaltige Bunkernetze die unter jedem Europäischem und Amerikanischem Land im Verborgenen gebaut wurden waren und die anschließende Evakuierung in diese, die Machtlosigkeit des Militärs, das immer weiter zu den Zentren der Operationen zurückgedrängt wurden, der Tod und die Vernichtung allerorts und das Gemetzel unter der Bevölkerung, als die ersten unterirdischen Bunkeranlagen fielen. Der Abschnitt der Bunker in dem er sich befand, war vor kurzem angegriffen und durchbrochen wurden und er konnte sich, von der Hauptgruppe der Flüchtenden getrennt, bis zu diesem Abschnitt durchschlagen – wie auch immer er das geschafft hatte.
Damit verblassten auch die Bilder in seinem Kopf und er war wieder in der Realität zurück. Ratlos starrte er auf die wieder mit Strom versorgte Tür. So plötzlich wie sein vorheriger Enthusiasmus gekommen war, war er auch wieder verschwunden, da er keine Ahnung hatte, was er mit seiner neuen Freiheit anfangen sollte – dort draußen war nur Vernichtung und wahrscheinlich auch sein Tod. Plötzlich meldete sich ein anderer Teil seines Körpers mit einem lauten Knurren und erinnerte ihn daran, dass da draußen auch noch Lebensmittel waren. Irgendwo. Und wenn er nicht sterben wolle, sollte er sich jetzt schleunigst bewegen und für seine Grundbedürfnisse sorgen, sagte ihm sein Magen weiterhin. Seine Motorik schien das ähnlich zu sehen, denn er stolperte zum Öffnungsschalter der Bunkertür. Als die schwere Stahltür sich ächzend in die Wand zurückzog, malte seine Fantasie ihm tausende grausige Dinge aus, die dahinter auf ihn warteten. Was jedoch eintrat, hatte er sich nicht ausgemalt gehabt – nämlich ein völlig leerer und verwaister Gang, der einige Meter weiter einen Knick machte, genauso wie er ihn von seiner kopflosen Flucht noch schemenhaft in Erinnerung hatte. Zögernd setzte er einen Fuß vor die Tür, angespannt auf den Außerirdischen wartend, der aus irgendeiner Richtung ihn anspringen (oder mittels der laserartigen Waffen verbrennen) würde. Doch nichts dergleichen geschah weiterhin. Etwas mutiger geworden setzte Matt nun auch seinen zweiten Fuß außerhalb des Schutzraumes. Wieder geschah nichts. Schließlich lief er, zwar immer noch vorsichtig, langsam um die Ecke. Ein weiterer Gang war die Belohnung seines Wagemutes, sowie am Ende des Ganges eine T-förmige Kreuzung und an der Stirnseite eine Tür mit der Aufschrift „Lagerraum“. Sein Magen machte einen kleinen Freudensprung und seine Füße bewegten sich nun wie von selbst auf den Fund zu. Als er die Strecke ohne Zwischenfälle zurückgelegt hatte (er wunderte sich nicht mehr über sein Glück, sonder akzeptierte es einfach, es würde schon noch genügend Rückzahlung geben) und die Tür öffnete, fand er sich tatsächlich in einem gut mit Notrationen gefülltem Lagerraum wieder. Ohne groß zu überlegen stürzte er sich auf die ihm am nächsten liegenden Konserven (ein Packen Formfleisch, aber in dieser Situation war er ganz und gar nicht wählerisch) und schnappte sich auch noch eine Wasserflasche aus einer großen Palette, bevor er sich vollstopfte.
Als er fertig war, überlegte er sich, was er mit seiner neuen relativen Zufriedenheit anfangen sollte. Er konnte sich hier jahrelang halten, und mit etwas Glück würde auch kein Alien hier reinmarschieren, aber wie der Mensch nun einmal ist, will er immer mehr und so fasste er den gewagten Plan, die Hauptgruppe wiederzufinden. Nun, da sein Magen endlich Ruhe gegeben hatte, mischte sich auch der logische Teil seines Gehirns wieder ein, der ihm sagte, dass er doch keine Ahnung habe, wo er überhaupt hingeflüchtet sei, noch wo die anderen waren. Er überlegte. Bei seinem Zombiewalk in Richtung Lagerraum war ihm ein Raum im Bewusstsein hängen geblieben, einem Raum mit der interessanten Aufschrift: Kommandoraum 2/10C, was soviel hieß wie: 2. Ebene (von oben gesehen), 10. Abschnitt, 3. Kommandoraum (soweit er wusste verfügte jeder Abschnitt über 4 Kommandoräume, die eigentlich nur Befehlsausgabezentren waren und mit der Hauptzentrale verbunden waren). Das schien auch seinen logischen Teil vorerst zu befriedigen und als Ziel zu genügen. Er stand auf und öffnete die Tür des Raumes. Als er einen Schritt aus dem Lager machte, fiel auf einmal im rötlichen Licht der Notbeleuchtung ein Schatten auf ihn. Sein Schrei blieb ihm in Hals stecken, als er sich umdrehte und das Etwas ihn ansprang. Dunkelheit umfing ihn erneut – aber dieses Mal eine Ewige.

Kapitel 1


Trotz der schrecklichen Situation musste Ben lächeln. Er saß an einem Schreibtisch aus billigem Holz in seiner Ecke des Bunkers, bei rötlichem Notlicht, da die Hauptgeneratoren außer Betrieb waren und blickte auf sein Tagebuch, das vor ihm aufgeschlagen lag. Lächeln musste er deshalb, da er sich in der Atmosphäre – Bunker, Notlicht, Tagebuch – durchaus wohl fühlte. Noch, wie er schätzte. Auch musste er lächeln, weil es diese dreckigen Invasoren nicht geschafft hatten, ihn oder seine Eltern bei der kopflosen Flucht vom Hauptbunker zu erwischen. Er überlegte kurz und las sich dann noch einmal die Ereignisse, seit der Zündung des Artefakts, wie er die Flammensäule bei sich nannte, durch.
14.07
Heute haben die Medien endlich enthüllt, wieso sie die ganze Zeit Schweigen hielten. Zündung des Artefakts, außerirdische Invasoren, Krieg. Das Bildmaterial sah tatsächlich ziemlich schockierend aus und so wie die Medien klangen, war es den Militärs in den vergangenen 3 Tagen auch nicht möglich, die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Typisch – was kriegt das Militär überhaupt gebacken? Muss man sich doch nur mal den Pfusch in Afghanistan rund um den „Bewaffneten Konflikt“ anschauen. Gut, das ist unser Militär, aber ich bezweifele, dass das russische Militär sonderlich besser ist. Und den Notstand haben sie ausgerufen – als ob im Kreis rennende, schreiende Menschen die Aliens sonderlich beeindrucken würden. Oder uns helfen würden.
15.07
Ich muss meine Meinung über das unfähige Militär, zumindestens teilweise, revidieren – Heute haben die Medien (eher die Regierung) bekannt gegeben, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein riesiges Bunkersystem unter jeder größeren Stadt gebaut worden war, in Europa, den USA und selbst in Russland. Ausgang hatte das Projekt offenbar zur Zeit des Kalten Krieges – typisch, dass diesen paranoiden Spinner die kleineren Bunker nicht ausreichten und sie was größeres wollten. Warum das Projekt nicht abgebrochen worden war, nachdem die Mauer fiel, wurde nicht gesagt, aber wozu muss man das auch wissen als normaler Durchschnittsbürger? Interessiert ja keinen, wieso die Regierung immer noch nur aus paranoiden Fanatikern und Sandkastenmilitärs besteht. Gut, in diesem Fall kann man von Glück reden und sagen: Da habt ihr aber vorausschauend gehandelt. Die Bevölkerung soll komplett in das Bunkersystem evakuiert werden. Vorräte für 2 Jahre haben sie gesagt – wobei ich nicht glaube, dass sie die Invasoren 2 Jahre hinhalten können. Aber besser als nichts.
17.07
Die Evakuierung ist abgeschlossen und ich sitze hier auf meinem Schlafsack in einem Raum voller anderer Flüchtlinge. Eng, aber sicher haben sie gesagt. Haha. Sicher. Sicherlich. Das Ding mag zwar eine Atombombenexplosion überstehen, aber Sperrfeuer aus Lasern sicherlich nicht. Apropos Atombombe. Wir haben hier auch noch eine Art Fernsehsender und der hat stolz berichtet, dass das Militär jetzt Atombombenangriffe plant. Bin mal gespannt was dabei rauskommt. Auch kamen Meldungen über neue Zündungen auf der ganzen Welt rein. Auch in Europa, aber zum Glück nicht bei uns in Deutschland, sondern in Frankreich. Mal sehen ob die Invasoren unseren Rekord zur Durchquerung brechen können.
18.07
Die Spannung war nicht gerade gerechtfertigt. Die Satellitenbilder die zur Auswertung des taktischen Nuklearschlags herangezogen wurden, sind spektakulär unspektakulär. Das heißt: Die Atombomben sind angekommen, es gab nen großen Knall, aber weder die Struktur des Alienartefaktes ist angekratzt wurden, noch konnte ein dauerhafter messbarer Anstieg an Radioaktivität gemessen werden. Scheinbar haben das die Aliens genauso gesehen – sie sind nicht einmal langsamer geworden auf ihrem Vormarsch. Haben nebenbei schon die Landesgrenze passiert. Erste russische, amerikanische und französische Bunker sind auch schon gefallen. Ein Hoch auf das Militär!
19.07
Neue Fernsehbilder über die Invasoren heute reingekommen – erinnern mich irgendwie an humanoide Schildkröten mit Steinpanzer – ist auch der inoffizielle Name: Steinmenschen. Wahrscheinlich absichtlich primitiv gehalten, um die Bedrohung runterzuspielen. Die ersten Feinde haben auch die Grenzen Deutschlands überschritten. Kam nebenbei gleich nach dem Bericht in dem der Begriff der Steinmenschen das erste Mal fiel. Versetzte den Lachern einen kleinen Dämpfer.
20.07
Alles macht sich bereit für eine Weiterevakuierung in die tieferen Bereiche der Anlage. Was auch immer das bringen soll. Wobei, damit müssen sie uns länger suchen. Das ärgert sie bestimmt. Immerhin etwas. Nebenbei klopfen die ersten Steinmenschen bereits an unsere Pforte – wenn man den Berichten von weiter oben glauben kann.

Ben musste erneut schmunzeln. Er liebte den sarkastischen Schreibstil, vor allem wenn er sich über etwas, das eigentlich todernst war, lustig machen konnte. Er fragte sich, warum er heute so guter Laune war – waren doch ungefähr die Hälfte aller ehemaliger Bunkerinsassen tot oder vermisst (was das gleiche bedeutete wie tot, aber das sprach keiner aus) und nahezu alle Soldaten waren beim Angriff gefallen. Nur ein Dutzend Soldaten waren verblieben und das waren diejenigen, die die Evakuierung beaufsichtigt hatten. Und natürlich Kommandant Christoph Mauser, der leitende Offizier dieser Bunkerabteilung. Daran, dass er jetzt sein eigenes, sehr kleines, Zimmer hatte, lag es auch nicht, auch wenn das ein kleiner Pluspunkt war. Bei der Evakuierung waren so viele verloren gegangen, dass jetzt nämlich genügend Räume für jeden da waren und die Sammelräume in diesem Teil zu Lagern umfunktioniert worden waren. Da es sowieso nur noch ein Dutzend Soldaten waren und man Waffen und Vorräte beschützen wollte, war es ohnehin praktischer, alles in einem großen Raum zu haben, als in vielen kleinen Räumen. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass er noch lebte. Warum die Evakuierung nicht funktioniert hatte, wusste keiner genau. Ob es an der stockenden Befehlslage zum Abmarsch lag, an der falsch berechneten übrig bleibenden Zeit, in der die Haupttür noch hielt, oder an dem Gejammer einiger der hier Evakuierten. Wahrscheinlich kam alles zusammen, was zu einem zu späten Abzug und einer anschließenden kopflosen Flucht führte.
Er hörte die Klingel des Telefons im Nachbarraum. Dieses war mit der Zentrale verbunden und es klingelte in der Regel, wenn die Herren von ganz oben eine wichtige Durchsage machen wollten. Er hörte seinen Vater abheben. Er widmete sich wieder seinem Tagebuch. Kurze Zeit später hörte er, wie sein Vater das Gespräch beendete.
„Benjamin!“. Er zuckte zusammen. Weniger, weil er den Ruf nicht erwartet hatte, sondern weil er die lange Form seines Namens abgrundtief hasste. Seine Eltern wussten das auch, doch sie beharrten auf „Benjamin“, da sie der Meinung waren, dass ein solch ehrwürdiger Name nicht zu einer Kurzform verkommen dürfe. Sie waren übrigens die einzigen in seinem Bekanntenkreis, die das so sahen. Mühsam raffte er sich von seinem Stuhl auf. Auch das konnte er nicht leiden – aufstehen, wenn er nachdachte. Und er dachte gerne und viel nach.
Als er in das angrenzende Zimmer ging, wo seine Eltern wohnten, sah er an ihren ernsten Mienen, dass es keine guten Neuigkeiten gab. Was er nicht anders erwartet hatte, weswegen er auch das ganze mit einem „Was gibt es für schlechte Neuigkeiten“ einleitete.
Sein Vater behielt seine düstere Miene bei, während er antwortete: „Der Kommandant hat angeordnet, dass sämtliche Waffenfähigen Männer im Alter zwischen 16 und 50 sich sofort bei der Zentrale melden sollen. Wir werden zur Verteidigung verpflichtet. Die anderen werden zur nächsten Ebene evakuiert“.
Bei allem Schwachsinn, den er bisher von der Leitung gehört hatte, war das der größte. Ungefähr 100 ausgebildete Soldaten waren nicht in der Lage gewesen, ihren Abschnitt zu verteidigen und da sollten völlig unerfahrene Zivilisten, wie er es war, sich gegen die Invasoren zur Wehr setzen? An der Miene seines Vaters konnte er seine eigenen Gedanken ablesen und seine Mutter fing auch gleich mit ihren Protesten an: „Sind die jetzt völlig durchgedreht? Euch unerfahrene Männer in den Krieg zu schicken, in den sicheren Tod und haben sie auch schon einmal..“ Klick. Wenn seine Mutter so anfing sich über ein Thema aufzuregen, schaltete sich bei ihm der Verstand aus. Denn er hasste, ebenso wie den Namen Benjamin, andauernd bemuttert zu werden. Der Monolog seiner Mutter wurde nach einiger Zeit schließlich von seinem Vater mit den Worten: „Es ist eine Anweisung von ganz oben und dieser können wir uns nicht widersetzen!“ abgebrochen. Ben realisierte, als er mit seinem Vater zur Zentrale aufbrechen wollte, dass seine Mutter Tränen in den Augen hatte. Plötzlich schämte er sich für seine herablassende Art, mit der er vorhin auf ihre Proteste innerlich reagiert hatte und umarmte sie – etwas was er schon seit langer Zeit nicht mehr gemacht hatte. Beruhigend sagte er ihr noch: „Es wird alles gut werden und wir werden wiederkommen, du wirst schon sehen.“ Auf dem Weg sahen sie einige andere Flüchtlingsfamilien, die sich von ihren Angehörigen vorerst verabschiedeten. Tränen auf Seiten der Ehefrauen und Mütter. Beruhigende Worte von den Männern. Bis zum Kommandoposten sprach keiner ein Wort, auch keiner von den Leuten, die sich ihnen anschlossen, zu groß war der dunkle Druck der über allem hing. Erst jetzt wurde Ben bewusst, wie endgültig dieser Befehl war und dass er wahrscheinlich nicht das Versprechen halten konnte, das er seiner Mutter gegeben hatte.
Als sie endlich ihren Marsch beendet hatten, kehrte Bens sarkastisches Wesen wieder zurück und er fragte sich, was die eigentlich mit ihm anfangen wollten: Er, braunhaarig, lediglich 1 Meter 73 groß, ohne wirkliche Muskeln, oder anderen Kampfqualitäten, vor kurzem erst Volljährig geworden, mit einem Hang zur Fantasie und Träumerei und völlig unfähig Disziplin zu halten, da er alle Autoritäten verachtete. Nachdem sie Platz genommen hatten, hieß sie Kommandant Mauser alle Herzlich Willkommen im Krieg (als ob sie da nicht schon lange mit drinsteckten). Er erläuterte uns die aktuelle Lage: Die Ausgänge zur Oberfläche, sowie die gesamte 1. Ebene war aufgegeben worden, die Hauptgeneratoren an der Oberfläche und in der ersten Ebene waren zerstört, oder zumindestens vom Netz und der Kontakt zu nahezu allen anderen Stationen war unterbrochen. Offenbar hatten die Angreifer herausgefunden, wie sie die Langstreckenkommunikation stören konnten, was an sich schon auf eine beachtliche technologische Leistung hindeutete – nur wenige Tage in dieser Welt und bereits grundlegend verstehen, wie die taktische Kommunikation ablief und wie man diese stören konnte, merkte Mauser anerkennend an. Des weiteren war die vorgelagerte Schutztür zu diesem Abschnitt des Bunkers bereits unter Angriff von 3 oder 4 Gegnern, weswegen sie sich hier versammelt hatten. Einer aus der hinteren Reihe lachte auf und rief triumphierend: „3 oder 4? Meinen Sie nicht, dass das bei den dutzend Soldaten und den circa 50 Leuten, die hier versammelt sind, geradeso ausreichen sollte, um sie abzuwehren?“. Allgemeines Gemurmel und eine Art der Erleichterung machten sich unter vielen der Anwesenden breit. Jedenfalls so lange, bis der Kommandant kühl erwiderte: „Wenn sie ebenfalls der Meinung sind, dass die ehemalig 100 ausgebildeten Infanteristen gegen 5 Gegner ohne Probleme bestehen würden, dann sagen Sie das bitte den gefallen Kameraden an der oberen Schutztür.“
Plötzlich war es wieder ruhig im Raum. Einige Gesichter waren leichenblass geworden, wie man selbst im rötlichen Licht erkennen konnte. Der Mann aus der hinteren Reihe meldete sich wieder zu Wort, aber dieses Mal schockiert und kleinlaut: „Wollen Sie...wollen Sie etwa damit sagen, dass unser gut ausgebildetes Militär selbst mit einer Übermacht von 20 zu 1 nicht mit dem Feind fertig wird?“. Ben fragte sich was diese unnötige Frage sollte – hatte der Mann nicht zugehört, oder wollte er bloß noch einmal schockiert sein? Was hatte er denn gedacht wie viele Steinmenschen in so ein Artefakt reinpassen und wie weiträumig sie sich verteilen mussten, dass sie so schnell so viel Gebiet unter ihre Kontrolle bringen konnten? Der Kommandant schien das ähnlich zu sehen, denn er antwortete mit: „Ja, genau das will ich sagen! Und deswegen brauchen wir auch jeden Mann, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollen – um genauer zu sein, rechne ich nicht mit einer Chance, aber ich will Ihnen allen die Möglichkeit geben, Ihr Leben und das ihrer Familie und Freunde so teuer wie möglich zu verkaufen. Wenn Sie keine Fragen mehr haben, oder nur solche wie der Herr aus der hinteren Reihe, möchte ich Sie nun bitten, sich zur Waffenausgabe zu begeben. Ich bin mir nicht sicher, wie lange die Schutztür noch halten wird und wenn Sie gerne mit Ihrer Hand auf die Feinde einschlagen wollen, können Sie auch gerne noch bleiben und mit mir diskutieren.“ Plötzlich war Ben der Kommandant schrecklich sympathisch, aber mit dieser Meinung schien er der einzige im Raum zu sein – die anderen starrten ihn nur verblüfft, empört oder fassungslos an. Das Ziel dieser Blicke wartete seinerseits jedoch gar nicht erst weitere Einwände oder Fragen ab, sondern verschwand ohne ein weiteres Wort oder einen weiteren Blick zurück durch eine Tür in der Seite. Als die Tür mit einem vernehmlichen Geräusch zuschlug, war es, als hätte jemand in einen Wespenschwarm gestochen. Gemurmel von allen Seiten, das von Entsetzen, bis zum verärgerten Tonfall reichte. Die ersteren verstand er gut, schließlich blickte man doch nahezu dem Tod ins Auge. Letztere verstand er hingegen überhaupt nicht. Leute, die selbst am Abgrund ihres Lebens noch über die Person herziehen konnte, die zwischen ihnen und dem Tod stand, konnte und wollte er nie nachvollziehen können. Er schaute seinen Vater an und wünschte sich, es nicht getan zu haben. Dieser starrte einfach nur auf die eben zugefallene Tür – starr, schockiert, müde. So hatte er seinen Vater noch nie erlebt und so wollte er ihn auch nicht erleben – Bisher war er immer optimistisch, immer etwas grimmig zwar, dennoch von einem unerschütterlichen Starrsinn, immer wieder aufzustehen, egal was kommen mochte, gewesen. Selbst als ein Erdbeben ihre Region erschütterte, in der sie wohnten und sie ihr Haus verlassen mussten, alles zurücklassen mussten was sie aufgebaut hatten und nicht wussten ob sie jemals wieder in ihrem Haus wohnen würden – blieb er ruhig. Gelassen. Optimistisch. Ja, sogar selbst als sie zum Zweiten Mal in ihrem Leben ihr Haus und ihre bisherige Existenz zurücklassen mussten und in das Bunkersystem evakuiert wurden, war er es, der optimistisch blieb und seiner Frau sagte, dass sie sicherlich schon bald wieder zurück konnten. Auch Ben war von solch einem Starrsinn, jedoch war dieser aus seiner sarkastischen Ader hervorgegangen. Was es vielleicht jetzt war, das ihm half, ruhig zu bleiben. „Wir werden es schon schaffen.“. Wie, als wäre es Selbstverständlichkeit, dass Vater und Sohn plötzlich die Rollen getauscht hatten, verließen die Worte Bens Mund. Sein Vater schaute zu ihm auf. Schaute ihn einfach nur an. Mit seinen müden Augen, die Ben geradezu durchbohren zu schienen, als ob er testen wollte, ob er damit log, oder die Wahrheit sagte. Nach einer kleinen Ewigkeit verschwand plötzlich der müde Ausdruck und wurde durch den gleichen optimistischen Ausdruck der Gelassenheit, den sein Vater bisher immer zur Schau gestellt hatte, ersetzt. Wieder mit seiner üblichen grimmigen, aber doch auch hoffnungsvollen Art erwiderte er Bens Aufmunterung: „Ja. Wir werden es schaffen. Und wenn nur, um den anderen genug Zeit zu geben sich weiter zurückzuziehen.“.
Ben und sein Vater waren schließlich auch unter den Ersten, die sich erhoben und zur Waffenausgabe liefen. Ein Soldat stand vor einem Haufen Waffen, die fein säuberlich hinter ihm auf einem Tuch aufgestapelt waren. „Ein Sturmgewehr mit Bajonett und eine Pistole für jeden, dazu ausreichend Munition um notfalls bis morgen früh durchzuhalten – Kommt zur Armee, haben sie gesagt! Jetzt seid ihr ebenfalls hier und ihr werdet wie wir um unser aller Leben kämpfen! Gebt euch gegenseitig Deckung und versucht auf ihre Schultergelenke zu zielen – dort bildet ihr seltsamer Panzer eine kleine Lücke. So haben wir einen von den ursprünglich 5 Bastarden beim Rückzug erwischt.“.
Das war alles an Einweisung, was sie bekamen. Jammernd meldete sich eine Stimme von hinten: „Bekommen wir denn nichts zum Schutz?“. Der Soldat drehte sich zu dem Sprecher um und meinte nur trocken: „Wenn sie eine Schutzweste erfinden, die Laserbeschuss abhält, gerne“. Dies sorgte für Ruhe und eine allgemeine Vorwärtsbewegung zur Ausgabe. Als alle schließlich eine Waffe vom Typ G36 von der Firma Heckler&Koch hatten, führte der Soldat noch vor, wie der Munitionswechsel funktionierte und dann wurden sie zur Inneren Sicherheitstür geschickt. Gerade als sie in der weiten Vorhalle ankamen, ertönte ein lauter Knall. Einer der Acht Soldaten, die an der Sicherheitstür standen, drehte sich grinsend zu den Neuankömmlingen um: „Herzlich Willkommen an der Front. Was Sie eben gehört haben, war das leider fehlgezündete Begrüßungsfeuerwerk für die Herren.“. Ein anderer Soldat mischte sich ein: „Halt die Klappe Peter, das hier ist nicht lustig. Und das war nebenbei die Äußere Sicherheitstür, die gerade aus den Angeln gekippt ist.“. Einer aus der Gruppe der Zivilisten meldete sich ängstlich zu Wort: „Und wie lange hat diese Tür gehalten?“. Ein Dritter Soldat drehte sich ebenfalls um: „Nun, seit ungefähr 3 Stunden...“. Erleichtertes Aufatmen ertönte aus der Gruppe und einige schienen sich tatsächlich ein bisschen zu entspannen, „...aber die Äußere Tür ist auch ungefähr 5-mal dicker gewesen, als die Innere.“, fuhr der Mann ungerührt fort. „Hey, du da vorne siehst aus, als könntest du halbwegs klugscheißen. Wie lange hält also noch diese Tür hier?“. Während dieser Worte zeigte er auf Ben. Dieser gab reflexmäßig die Antwort, da er es schon lange ausgerechnet hatte: „36 Minuten, also etwas über eine halbe Stunde.“. Der Soldat grinste ihn an. „Herzlichen Glückwunsch, damit hast du einerseits den Kopfrechenweltmeistertitel gewonnen und andererseits“ Ein lautes Zischen unterbrach ihn jäh in der, offenbar für die Militärs lustigen, Ansprache, als die Steinmenschen das Feuer auf die Bunkertür eröffneten. Die Soldaten fuhren zur Tür herum und einer brüllte nach hinten: „In 2 Reihen aufstellen! Die vorderen knien sich hin! Alle die nicht in die beiden Reihen passen, suchen sich Deckungen an den Rändern, aber so, dass ihr uns nicht anschießen könnt. Sobald die Tür fällt, Sperrfeuer auf den Bereich der Tür!“. Erst jetzt realisierten einige die beiden Gatling-Miniguns, die hinter ihnen auf die Tür gerichtet waren. Der Soldat an der rechten Minigun bemerkte das allgemeine Interesse und sagte, während er sich zur Tür umdrehte: „Die beiden Schmuckstücke haben wir in einem der Waffenlager hier unten gefunden. Wenn wir die auch oben gehabt hätten, wäre der Kampf vermutlich ganz anders ausgegangen, aber nein, wieso sollte man die schweren Waffen an der obersten Tür einsetzen, es gibt ja noch genügend Möglichkeiten beim Rückzug die Dinger in den Lagerräumen zu suchen und einzusetzen.“. Als sich alle in 2 Reihen aufgestellt hatten, konnte Ben sich ausmalen, was der Soldat ihm als 2. Preis hatte überreichen wollte – einen Platz in der ersten Reihe. Denn genau da war er hingedrängelt wurden, da er als einer der ersten angekommen war. Außerdem, aber das war mehr ein Vorteil, war er am äußersten Rand. Sein Vater stand hinter ihm, während er sich hinkniete und mit seinem Sturmgewehr, das leicht zitterte, auf die Tür zielte. Rechts vor ihm war eine Art kleiner Betonklotz, offenbar eine Deckung.
Es waren die längste halbe Stunde die er jemals verbracht hatte und gleichzeitig auch die kürzeste. Eben noch lauschte er dem Zischen und dem Aufprall der Laser auf der schweren Stahltür (die laut den Soldaten jedoch gar nicht so stark war, wie sie auf ihn wirkte) und hörte die abgehackten, stoßartig klingenden Atemzügen einiger anderer und ihm selbst, spürte die Angst der Mitverpflichteten, aber auch die Nervosität und die Anspannung, dass es endlich vorbei sein möge. Eben sah er noch die militärische Konzentration der Soldaten auf die Tür, als sie auch schon die ersten Löcher in der Tür rund um die Angeln erkennbar waren und die gewaltige Stahlkonstruktion mit einem dumpfen Ächzen endgültig aus den Angeln brach. Als die Tür schlussendlich nach einer kurzen Ewigkeit auf dem Stahlboden aufschlug (nur dieses Mal wesentlich lauter für Ben als ihr dickerer Vorgänger), brüllte einer der Soldaten „Feuer frei!“ und alle eröffneten mehr oder weniger konzentriert ihr Feuer auf den leichten Dunst, der durch den Aufprall entstanden war. Die sprichwörtliche Hölle war im Raum losgebrochen.

Heiko fuhr aus seinem, ohnehin nicht sehr tiefen, Schlaf auf. Sofort war er hellwach und saß kerzengerade in seinem Schlafsack und spähte angestrengt aus seinem Versteck hinaus in die Dunkelheit der tiefen Nacht, die nur leicht vom Licht des abnehmenden Mondes erhellt wurde. Auch wenn es ausreichte, um Schemen zu erkennen, so reichte es nicht aus, um die Zweifel zu zerstreuen, die bei jedem Blick in die Nacht in ihm aufkeimten und Gestalten erschienen ließen. Nach einiger Zeit, als sich sein Herzschlag wieder einigermaßen beruhigt hatte, lehnte er sich wieder zurück und schaute auf die fluoreszierenden Zeiger seiner Armbanduhr. Er stöhnte auf – wieder nur eine halbe Stunde Schlaf. Wenn das so weiterging, würde nicht die Invasoren ihn umbringen, sondern der Schlafmangel. Er schaute sich müde in seinem Versteck um – einer natürlichen Höhle hinter einem Felsvorsprung, in die er seine Vorräte und seinen Schlafsack eingelagert hatte. „Gott sei Dank ist die Decke hier etwas höher.“, dachte er bei sich, „Sonst hätte ich bei jedem Aufwachen meinen Kopf an die Decke gerammt, mit meinen 1 Meter 92“. Er verfluchte seine Größe immer wieder, vor allem seitdem ihm jemand mal gesagt hatte, dass alles über 1 Meter 90 hässlich sei. Andererseits war das auch etwas Besonderes, was ihn von der Masse abhob und zwar wortwörtlich und so war er auch stolz darauf. Ebenfalls stolz war er auf seine Überlebenskünste, die es ihm erlaubt hatten, die letzten paar Tage draußen zu überleben, während rund um ihn das Chaos ausgebrochen war. Er gehörte zu den wenigen, die nicht dem Aufruf der Regierung und des Militärs gefolgt war und lieber sein Glück alleine versuchte, da er wusste, dass es in einem Bunkersystem irgendwann keine Rückzugsmöglichkeiten mehr gab. Und er wollte sich nicht in ein Mauseloch ohne Ausweg sperren lassen, wenn das Eingangsloch groß genug war, um die Katze durchzulassen. Müde schloss er wieder die Augen. Seine Eltern waren nicht gerade erbaut von seiner Entscheidung, ja sie wollten es ihm sogar verbieten, da sie den Schutz von Metallwänden dem Schutz durch die Größe der Landschaft vorzogen, aber sie konnten nichts tun – er war volljährig und auch wenn es ihn schmerzte, dass seine Eltern diese Entscheidung nicht nachvollziehen konnte, so musste er doch seinen eigenen Weg weiterverfolgen – das wusste er. Es war wie die Entscheidung, irgendwann aus dem Elternhaus auszuziehen – man wusste einfach, dass der Zeitpunkt gekommen war und man seinen eigenen Pfad weitergehen musste, nur dass es hier einen völlig anderen Zusammenhang gab. Aber es war im Prinzip das gleiche. Und so war er nun hier, versteckt in dieser kleinen Höhle, seitdem die Aliens die Stadt angegriffen hatten. Den Angriff selbst hatte er von einer erhöhten Position über dem Felsvorsprung miterlebt – zuerst den kleinen Rauch um die Stadt, als das Militär versuchte die Angreifer aufzuhalten, dann die kleinen Explosionen als die Maschinen der Bundeswehr ausgeschaltet wurden und den Rauch, der die Randbereiche verdeckte, als die Eindringlinge – Steinmenschen wurden sie genannt, wie er als letztes gehört hatte – durchbrachen und in die vorstädtischen Wohnbereiche eindrangen. Er hatte auch einen Logenplatz, als ein größeres Gefährt anrückte – ungefähr doppelt so groß wie ein herkömmlicher Panzer, aber auf die Entfernung war es unmöglich mehr Details auszumachen. Was jedoch auszumachen war, waren die halbkreisförmig Einschläge vor dem neuen Gefährt in etwa 3 Metern Höhe, die von offenbar großen Lasern (jedenfalls im Vergleich zu den Infanterielasern) stammten und die Geräusche, die die Abschüsse verursachten und die selbst in leiser Form noch zu ihm gedrungen waren. Systematisch zerstörte das Gefährt sämtliche Randbereiche der Stadt, rückte bis zum Stadtzentrum vor, zerstörte auf dem Weg ebenfalls alles und hinterließ eine breite Schneise der Vernichtung, als es auf der anderen Seite wieder herauskam. Heiko schauderte, als er sich erinnerte, wie die großen Bürogebäude in der Stadtmitte, wie von einer unsichtbaren Sense abgeschnitten worden waren und langsam zu einer Seite umfielen und die umliegenden Gebäude unter Tonnen von Schutt begruben. Als der offensichtliche Pendant zu einem Panzer die Stadt auf der anderen Seite wieder verließ, war sie nicht mehr wiederzuerkennen.
Heiko seufzte. Und schaute im Halbdunkel auf seinen schwindenden Vorrat. Hier bleiben wäre zwar rein theoretisch möglich, aber ihm gingen langsam seine Lebensmittel und das Wasser aus, also musste er früher oder später sowieso aufbrechen. Nun musste er sich nur noch überlegen, in welche Richtung. Er wollte ungern in die Stadt zurückkehren, da dort sowieso nur zerstörte Gebäude waren und in der Nähe war ein kleinerer Ort. Diese Route hatte zusätzlich den Vorteil, dass er größtenteils durch den Wald laufen konnte und so unentdeckter blieb. Voraussichtlich. Wenn die Steinmenschen Wärmebildkameras hätten, war er sowieso geliefert. Oder Bewegungssensoren irgendwo aufgestellt. Oder akustische Sensoren, die über alles, was man auf der Erde kannte, hinausgingen. Wahrlich, an Unwägbarkeiten, die zu seinem Tod führen würden, mangelte es wirklich nicht. Er beschloss, sich noch einige Stunden hinzulegen, bis die Sonne kam, das Licht würde ihm mehr nutzen als schaden, da er über keine Technologie verfügte, die ihn in der Nacht viel erkennen ließ. Sah man mal von einer Taschenlampe ab, aber außer einer Signalrakete gab es eigentlich nichts, was auffälliger gewesen wäre. Er schaute noch ein letztes Mal nach draußen und genoss die kühle Nachtluft, die ausnahmsweise einmal nicht mit dem Rauchgeruch, der bei einer anderen Windrichtung die Luft durchsetzte, legte sich anschließend wieder in den Schlafsack und schlief erneut ein.

Die Hölle war eigentlich kein Ausdruck zu dem was hier gerade passierte, dachte Ben in dem Pfeifen der umherfliegenden Geschosse und der nicht enden wollenden Kette an Einschlägen der Munition. Ben schoss ebenfalls, aber mit einem höchst unguten Gefühl in der Magengrube, da er nicht das Gefühl hatte, etwas anderes zu tun, als Munition zu verschwenden. Nach einigen weiteren Sekunden mit, für ihn, sinnlosem Geballer, einem Magazinwechsel und keiner sichtbaren Trefferwirkung, schien das der Soldat, der vorhin den Feuerbefehl erteilt hatte, genauso zu sehen. Er rief: „Feuer einstellen“. Der Dunst hatte sich inzwischen zu einem dichtem Nebel entwickelt, durch den man absolut nichts erkennen konnte. Soweit Ben sehen konnte, war er nicht der Einzige, der weder eine Trefferwirkung auf der gegnerischen, noch auf der eigenen Seite wahrnehmen konnte. Ausnahmslos alle waren unverletzt und auf ihrer Seite waren auch keinerlei Einschläge von Laserwaffen irgendwelcher Art sichtbar. Einige atmeten bereits vorsichtig auf, doch Ben blieb skeptisch – und die Soldaten ebenfalls, soweit er erkennen konnte. Alle warteten nun gespannt auf das Verziehen des Rauches. „Vielleicht haben wir sie schon erledigt!“ tönte es unmittelbar hinter ihm hoffnungsvoll. Das einzige was der Sprecher als Antwort bekam, war ein Schnauben eines Soldaten und ein „Ruhe!“ von einem anderen. Inzwischen konnte man bereits wieder vollständig den Türrahmen sehen. Oder eher das, was das Sperrfeuer davon übrig gelassen hatte, aber noch immer lag alles dahinter in dichtem Dunst. Ben glaubte plötzlich eine Bewegung wahrgenommen zu haben und auch einige andere wirkten auf einmal ängstlich oder misstrauisch, wie er mit einem raschen Seitenblick feststellen konnte. Die Stille, die sich nun über den Vorraum gesenkt hatte, war so absolut, dass man die berühmte Nadel hätte fallen hören können. Wahrscheinlich sogar in einem Heuhaufen, wie er in Gedanken hinzufügte. Mit einem Mal tauchten Schemen im Dunst auf und man hörte ein hohes Sirren und Summen und alles geschah gleichzeitig. Der Soldat, der wieder „Feuer!“ brüllte, die Salven die teilweise schon abgefeuert wurden, noch bevor der Angriffsbefehl gegeben war, die Aufschreie als die ersten von ihnen getroffen wurden, der Boden- und Wandbelag, der wie kleine Geysire an mehreren Stellen explodierte, das unregelmäßige Rattern der Sturmgewehre und das gleichbleibende Hämmern der beiden Miniguns. Er selber feuerte ebenfalls, doch schon nach wenigen Sekunden ließ er die Waffe sinken und fiel zu Boden. Zuerst dachte er, er wäre getroffen wurden, doch er fühlte keinerlei Schmerz. Aus den Augenwinkeln sah er, wie andere Verteidiger ebenfalls zu Boden gingen. Er versuchte seinen Kopf zu drehen – nichts geschah. Er versuchte seine Arme oder Beine zu bewegen – nichts geschah. Er versuchte irgendein einen anderen Teil seines Körpers zu bewegen – nichts geschah. Mit einem Schauder wurde ihm klar was passiert sein musste – die Steinmenschen hatten eine neuartige Waffe eingesetzt, die die Bewegungszentren im Gehirn lähmten. Erneut staunte er – eine Waffe zu entwickeln, oder so anzupassen, dass sie genau diesen spezifischen Teil des menschlichen Gehirns lähmte und das in einer so kurzen Zeit – erschien ihm als eine technische Meisterleistung. Er fühlte sich mit einem Mal klein und unbedeutend und fragte sich, wieso sie überhaupt noch kämpften, wenn sie es mit einer derart überlegenen Spezies zu tun hatten. Ein anderer Teil seines Gehirns meldete sich zu Wort – der kämpferischere Teil. Der schrie ihn an, sich gefälligst zusammenzureißen und versuchen, hier heraus zu kommen. Ben schrie zurück, dass er hier sowieso nichts mehr machen kann, da er gelähmt war. Der andere Teil erwiederte daraufhin gar nichts mehr – tatsächlich sagte niemand mehr etwas, noch war ein anderer Laut mehr zu hören. Nur ein leises Stampfen, wie von mehreren schweren Personen, war zu hören. Sie hatten verloren.

Heiko wachte auf. Zuerst war er irritiert, weil er nicht so aufgeschreckt war wie sonst, dann merkte er, dass er gar nicht mehr müde war. Offenbar hatte sein Körper sich entschieden, ihm eine längere Ruhepause zu gönnen. Als er auf die Uhr schaute, merkte er wie lange die Pause wirklich war – es war bereits Nachmittags um 13 Uhr. Er verfluchte sich selbst, da er sich keinen Wecker gestellt hatte und so den halben Tag bereits verloren hatte. Einen neuen Unterschlupf zu finden war damit heute völlig unmöglich geworden. Er überlegte. Er konnte trotzdem zum nächsten Dorf gehen und nach Lebensmitteln und Getränken suchen. Das würde er vor Einbruch der Nacht erledigt haben und wäre rechtzeitig in seinem Versteck zurück. Schließlich entschied er sich für diese Idee. Er raffte sich auf, packte den restlichen Proviant in seinen Rucksack und begab sich zum Ausgang der kleinen Höhle, des Unterschlupfes, der ihm in den letzten Tagen wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Den Schlafsack und einige andere Dinge würde er hier lassen, da er ohnehin für die kommende Nacht zurückkehren würde und nicht mit zusätzlichem, unnützem Gewicht den Weg zurücklegen wollte.
Er lugte vorsichtig aus dem Höhleneingang heraus und wurde mit dem Anblick einiger Büsche entlohnt, die in unmittelbarer Nähe zum Eingang lagen. Schnell lief er zu einem der Büsche (wobei schnell ziemlich relativ war, da er sich mit seiner Größe nicht sonderlich gelenkig war) und suchte dort Deckung. Erneut schaute er sich um und lief dann weiter zum nächsten Busch. Das ging so weiter bis er den Wald über dem Berghang erreicht hatte und im Wald in Deckung war. Von da an ging er in einem normalen Tempo durch den Wald, bis er auf den ihm bekannten Waldwanderpfad stieß, der, wie er wusste, direkt zu seinem Ziel führte. Nach einem kurzen Weg von etwa einer halben Stunde lichtete sich der Wald leicht, was für Heiko das Zeichen war, sich wieder Deckung zu suchen. Auch wusste er, dass das Dorf jetzt sehr nahe war. Er schlich sich weiter bis er das Dorf sah. Was er sah, raubte ihm den Atem. Er hatte insgeheim gehofft, dass das Dorf zu unwichtig für die Angreifer war, als dass sie es angreifen würden. Doch das Bild der vollständigen Zerstörung widersprach ihm sehr deutlich. Kein Haus war unbeschädigt, die Wände waren fast vollständig eingestürzt und ein Feuer schien alles verwüstet zu haben. Leichen oder Blut sah er nicht, aber er war einerseits noch ziemlich weit entfernt und andererseits sollte dieses Dorf ebenso wie die Stadt, in der er gewohnt hatte, vollständig evakuiert sein. Den deutlichsten Widerspruch in letzterer Theorie – nämlich er selber als Gegenbeispiel – ignorierte er geflissentlich. Als er näher kam, war der erste Eindruck bestätigt – alle Häuser waren unbewohnbar und er sah keine Menschenseele, weder lebend, noch tot. Er machte sich halbherzig auf den Weg zum Dorfladen, erwartete er doch nicht, diesen überhaupt betreten zu können. Was sich auch kurze Zeit später bestätigte, aber zu seinem Glück war die unterste Etage des Nachbarhauses noch intakt. Vorsichtig betrat er die halbe Ruine und durchsuchte die Räume nach Essbarem. Der unangenehme Vergleich mit einem Plünderer, wie er von ihnen in den Geschichtsbüchern gelesen hatte, als diese die Kriegszeiten behandelten, durchzuckte ihn. Er verscheuchte ihn – die Besitzer dieses Hauses würden wohl kaum so schnell in ihre Behausungen zurückkehren, dass die Lebensmittel noch genießbar waren. Und an Wertgegenständen war er sowieso nicht interessiert.
Heiko fand auf seiner Suche tatsächlich Lebensmittel – einige Konservendosen, die noch Monate haltbar waren, sowie einige Packungen Knäckebrot und geräucherte Wurst, die ebenfalls lange haltbar war. Auch auf Glasflaschen mit Wasser stieß er, jedoch waren diese, aufgrund des Schutts, der auf die Flaschen gefallen war, zerbrochen. Im Dorf fand er jedoch nach einiger Zeit ein anderes Haus, das zwar kein Erdgeschoss mehr hatte, aber immerhin einen unbeschädigten Keller. Was er herausfand, indem er durch ein Kellerfenster in das Haus einstieg. Drinnen stieß er auch auf das, was er gesucht hatte – Wasserflaschen, aber dieses Mal aus Plastik und unbeschädigt. Er steckte sich 4 große Flaschen in seinen Rucksack, der damit schon ein beträchtliches Gewicht hatte. Er überlegte, ob es nicht sinnvoller war, sich einen Topf zu nehmen und dann darin das Wasser abzukochen, schließlich gab es hier in der Gegend sehr viele Quellen. Er wusste jedoch nicht, mit was er das Ganze erhitzen sollte, da ein offenes Feuer ihm zu gefährlich war, also verwarf er die Idee nach kurzer Zeit wieder. Er trank noch eine kleinere Wasserflasche aus dem Vorrat, der in dem Keller gestapelt war, um so länger mit seinem aktuellen Vorrat auszukommen, dann machte er sich wieder auf den Rückweg. Dieses Mal wählte er eine andere Route, die ihn durch ein bewaldetes Tal führte, das in der Mitte einen Bach hatte. Während er an dem Bachlauf entlang ging, dachte er über die Zerstörung nach, die die Steinmenschen in dem Dorf angerichtet hatten. Wie es schien, waren sie nur auf die Vernichtung alles Menschlichen aus. Nach einer Dokumentation, die er einmal gesehen hatte, gab es nur einen Grund in der menschlichen Geschichte bisher, warum man eine ganze Zivilisation ausrotten wollte. Man wollte an die Rohstoffe, die das Gebiet besaß. Er fröstelte – einen Genozid gegen Rohstoffen einzutauschen, war ihm immer bisher als etwas vorgekommen, das sich nur die Menschen anmaßen konnten. Doch wie es aussah, waren sie nicht die einzigen in diesem Universum, die mit erheblicher Arroganz an ihre Umwelt herangingen.
Seine Überlegungen wurden durch ein dumpfes Rumoren unterbrochen und er warf sich sofort auf den Boden, einen Angriff erwartend. Doch nichts geschah, außer dass das dumpfe Geräusch anhielt und sich sogar noch verstärken zu schien. Er sah sich nach der Quelle um, fand sie jedoch nicht. Die Erde begann nun sanft zu erzittern und er fragte sich, ob da gerade der größte Maulwurf der Welt aus dem Erdboden hervorbrach. Er zuckte zusammen – solche spaßhaften Gedanken ließ er nur äußerst ungern zu, er hielt den Ernst für das einzige, was den Sinn für Logik förderte. Sein Gedanke war, wie er wenig später feststellen musste, jedoch gar nicht mal so abwegig gewesen. An der Seite des ehemals noch so friedlich daliegenden Berges am Rand des Tales begann die Erde zu verschwinden. Er rieb sich die Augen, unsicher ob er da wirklich gerade Erde verschwinden sah – doch einen Moment später ergab auch das einen Sinn. Ein weiteres der im Fernsehen genannten Artefakte brach aus der Oberfläche hervor. Er schlussfolgerte, dass die Erde durch Laser verdampft worden waren – warum mussten die Steinmenschen unbedingt farblose Laser verwenden? Konnten sie nicht, wie jeder halbwegs normale Außerirdische, farbige Laser verwenden? Er zuckte zusammen – was war nur heute los mit ihm? Schon wieder Humor in seinen Gedanken. Er musste hier schleunigst verschwinden, da die Außerirdischen vermutlich bald das gerade durchbrechende Artefakt verlassen würden.
Die Erde bebte inzwischen so stark, dass, wie Heiko bemerkte, einige kleine Steinchen vor ihm sogar leicht vom Boden abhoben und im Rhythmus des Bebens vibrierten. Ein Knacken ertönte und er riss sich von dem faszinierenden Anblick der Steinchen los. Er blickte auf und sah, dass sich neben dem Wasserlauf an dem Hang des Berges eine Erdspalte bildete. Logisch – schließlich durchbrach das zu einem Bohrer umfunktionierte Artefakt gerade am Bach den Boden. Er verfolgte gebannt, wie der Riss sich fortsetzte und sich immer schneller auf das Tal zubewegte, den Bachlauf entlang. Erst als die Spalte hinter den Bäumen des Talgrundes verschwand, realisierte er, was das für ihn bedeutete. Er wollte aufspringen und vom Bach wegrennen, aber es war zu spät. Mit einem lauten Knacken tat sich auch die Erde unter seinen Füßen auf und verschlang ihn.

Ben hatte sich der Verzweiflung hingegeben. Er konnte nichts mehr tun, ihre Verteidigung war weggefegt worden, wie ein Blatt auf der Terrasse im Garten seiner Eltern. Sein Vater hatte ihm damals immer wieder gesagt, wie wichtig es war, die Nerven zu behalten und nicht zu verzweifeln, doch das war in so einer Situation einfacher gesagt als getan. Sein Vater. Der Gedanke blieb an ihm kleben wie Spinnenweben, während die Schritte näherkamen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Gestalt, die Ähnlichkeit mit aufeinandergestapelten kleinen Steinen hatte, einen der Flüchtlinge aus der ersten Reihe hochheben. Der Gedanke an seinen Vater spukte immer noch in seinem Kopf herum und er betrachtete ihn wie eine Kuriosität von allen Seiten. Auf einmal wurde ihm klar, dass er jetzt noch nicht aufgeben wollte. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich und sein Vater hätte niemals gewollt, dass er sein Leben so wegwarf. Er stellte fest, dass sein Vater diese optimistische Einstellung nicht für sich selbst gepflegt hatte – sondern wegen ihm und wegen seiner Mutter. Er versuchte erneut seinen Kopf zu bewegen. Und dieses Mal klappte es. Zwar nur ganz leicht, doch die Starre ließ nach. Er sah jetzt direkt zu der aufgebrochenen Schutztür und sah, dass die Steinmenschen (die zu viert waren wie er jetzt bemerkte) die vorhin Hochgehobenen auf einen schwebenden Karren luden, der aus dem gleichen Material wie das Artefakt zu bestehen schien. Dann kamen sie zurück und er hoffte, dass sie jetzt nicht ihn auf ihre Schultern nehmen würden. Seine Waffe lag vor ihm, doch viel zu weit entfernt um sie mit seinen, noch nicht wieder vollständig funktionierenden, Händen aufzuheben. Zumindestens nicht schnell genug. Doch die Steinmenschen griffen sich zum Glück nicht ihn, sondern andere Flüchtlinge. Die Soldaten lagen bereits allesamt auf dem Karren wie er feststellte. Als er seinen Kopf erneut bewegte und langsam auf die Waffe zurobbte, bemerkte er ein Loch in der Wand neben ihm. Es schien durch den Laserbeschuss entstanden zu sein. Er stoppte und drehte seinen Kopf weiter in diese Richtung.Er nahm eine Schwärze hinter dem Loch wahr – offenbar ein stillgelegter Teil des Bunkers, oder ein Netzwerk aus geheimen Gängen (ja. sicherlich und demnächst fand er noch ein Zauberschloss, wie sich sein sarkastischer Teil, selbst in dieser völlig verzweifelten Lage, erneut zu Wort meldete). Er vergewisserte sich, dass die Steinmenschen immer noch auf dem Weg zum Karren waren, dann begutachtete er die Wand genauer. Da! Ben fand das was er gesucht hatte – eine kleine Einkerbung in der Wand, offenbar eine Art Türschalter oder eine Abriegelung. Hoffte er. Es konnte natürlich auch eine Einkerbung von einem weiteren Laserschuss sein. Aber dann wäre er sowieso verloren. Als die Steinmenschen wieder zurückkamen, um weitere Wehrlose für den Transport zu holen, betete er inständig (obwohl er nicht gläubig war), dass sie nicht ihn mitnehmen würden. Denn auch dann wäre sein „toller“ Plan gescheitert gewesen.
Eine der Gestalten schien sich plötzlich auf ihn zu fixieren. Panik brach in ihm aus – er würde doch nicht so kurz vor seiner Flucht an diesem übereifrigen Felsklotz scheitern? Doch die Gestalt machte einen Schritt über ihn hinweg und griff hinter ihm. Kurze Erleichterung durchflutete ihn, bis er sich daran erinnerte, wer da hinter ihm lag. Hilflos und mit plötzlich aufschäumender Wut, sah er zu, wie die Gestalt seinen Vater wegschleppte. Für einen Moment hätte er fast seinen Plan vergessen und nach seiner Waffe gegriffen. Und die Kiesklumpen angegriffen. Doch dann riss er sich wieder zusammen und dachte daran, dass er damit seinem Vater nicht würde helfen können – und sein eigenes Leben gleich mit verwirken würde. Also wartete er weiter ab, obwohl es in seinem Inneren brodelte. Er probierte aus, wie weit er seine Füße und Hände bewegen konnte und stellte fest, dass das fast uneingeschränkt wieder möglich war. Seltsamerweise schien keiner der anderen seiner Mitkämpfer ein Nachlassen der Lähmung zu verspüren. Er verscheuchte den Gedanken – für solche ihm unnützen Überlegungen war später noch genügend Zeit.
Als die Steinmenschen fast beim Karren angelangt waren, robbte er zu seiner Waffe vor, nahm sie auf, stand so leise wie möglich auf und schlich zur Tür. Er wollte so lange wie möglich unentdeckt bleiben. Nach einer weiteren Dosis der Schocktherapie der Außerirdischen hatte er kein größeres Verlangen. Als er in der Vertiefung angelangt war und darin tastete, fand er tatsächliche eine Erhebung, wie von einem kleinen Druckschalter. Innerlich jubilierend betätigte er den Schalter. Und vergaß das einfachste was seinen Plan zum Scheitern bringen konnte Es handelte sich nämlich tatsächlich um eine Tür. Und da er genau davor stand, schwang sie mit einem vernehmlichen Geräusch genau gegen ihn auf. Sofort schnellten die kopfartigen Auswüchse der Aliens zu ihm herum. Er riss panikartig die Tür auf und sprang in den Gang hinein. Hinter ihm ertönte erneut das Summen und die Tür hinter ihm zerflog in Stücke. Er sprintete so schnell er konnte zum Ende des Ganges, an dem sich Gott sei Dank eine T-förmige Kreuzung befand. Er wählte, ohne lange zu überlegen, den rechten Abzweig und rannte kopflos weiter. So ging das einige Abzweigungen lang, bis er keuchend an einer Tür stehen bleiben musste. Ohne auch hier lange zu überlegen, öffnete er so leise er konnte die Tür. Er schlüpfte in den Raum hinein und schloss die Tür ebenso leise wie er sie geöffnet hatte. Anschließend sackte er an einer Wand zusammen und lauschte auf Geräusche. Als er nach einer Weile immer noch nichts gehört hatte, lächelte er schwach – seine Flucht war geglückt.

Heiko fiel – und verfluchte sich dabei selbst. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein und still liegen bleiben, während ein Riss direkt vor ihm entstand? Der Fall war, für ihn zum Glück, nur kurz. Der Aufprall jedoch war dennoch schmerzhaft genug, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen und ihm Tränen in die Augen zu treiben. Nach einigen Sekunden traf ihn ein Schwall kühlen Wassers – der Bach war in den Riss reingeflossen. Mühsam stand er wieder auf. Alles tat ihm weh, doch er schaute sich trotzdem um. Zur Spalte wieder hoch zu kommen war nicht möglich – dafür waren zu wenig Punkte an der Wand, wo er sich festhalten konnte. Auch war das Loch zu hoch gelegen. Er sah sich weiter um. Links und Rechts vor ihm nur Dunkelheit. Aber direkt vor ihm – irrte er sich, oder war dort ein schwacher rötlicher Lichtschimmer? Im spärlichen Licht, das durch die Spalte fiel, tastete er sich zögernd vorwärts. Seine Hand stieß auf nichts. Hier schien es tatsächlich weiterzugehen, frohlockte er. Er tastete etwas weiter links und seine Hand spürte kaltes Metall. Er dachte kurz nach. Den Berichten im Fernsehen für ihre Region war das Bunkernetz nicht so weitläufig, also war es das aller Wahrscheinlichkeit nicht. Vielleicht ein stillgelegter unterirdischer Versorgungsschacht? Andererseits – was hatte er schon für eine Wahl, wenn er nicht gerade in der Dunkelheit der neuen Spalte neben dem Bach sich voran tasten wollte? Wer konnte schon wissen, wo es plötzlich einen noch tieferen Sprung gab und er noch weiter fiel?
Also begann er sich an dem Metall am Rand tiefer in den Tunnel voran zu arbeiten. Die Luft roch abgestanden und er hörte, wie seine Schritte vernehmliche Geräusche auf dem Metallboden machten. Nach einigen Schritten wurde das rötliche Licht stärker, bis der Gang einen Knick machte und er die Quelle sah – eine rote Notlampe. Er betrachtete die Tür unterhalb des Notlichts mit der Aufschrift: Kommandoraum 1/8/G1. Ein kalter Schauer lief Heiko eisig den Rücken herunter Wie alle anderen hatte er im Fernsehen sich ebenfalls die Namenskonventionen des Bunkersystems angehört. Er hatte es geschafft – trotz aller Anstrengungen das Gegenteil zu erreichen, war er ins Mauseloch gefallen.

Kapitel 2


Als Matt zu sich kam, war alles schwarz. Eine andere Schwärze als er es von den vergangenen Tagen gewohnt war – undurchdringlicher. Seine Augen sahen rein gar nichts, nicht einmal einen vagen Schemen. Er fühlte sich, als würde er schweben. Er fragte sich, ob er tot war. Fühlte sich so ein Toter an? Nichts sehend, aber doch sich schwebend fühlend?
„Fang an zu denken Matt!“. Wessen Stimme war das? Woher kam sie? Sie war gleichzeitig in seinem Kopf und dann auch wieder nicht. So seltsam nah und fern zugleich. Eine Art Engel?„Du bist nur tot, wenn du jetzt nicht endlich deinen Verstand einsetzt!“. Plötzlich erkannte er, dass es seine eigene Stimme in seinem Kopf war. Mit einem Mal sortierten sich die Eindrücke – er bemerkte, dass seine Augenlider geschlossen waren und er deshalb nichts sah. Er fühlte sich auch nicht mehr, als ob er nur Schweben würde, sondern er fühlte ein leichtes auf und ab. Offenbar wurde er getragen. Er fühlte ebenfalls, dass seine gestreckten Arme und Beine von etwas festgehalten wurde. Ja, offenbar wurde er gerade weggetragen. Das hieß, dass er noch nicht tot war. Er versuchte sich angestrengt an das letzte zu erinnern, was er erlebt hatte, bevor er ohnmächtig geworden war. Er erinnerte sich daran, aus dem Bunker gegangen zu sein und dass ihn etwas angesprungen hatte und er dann ohnmächtig geworden war. Was war es gewesen? Er konzentrierte sich stärker. Es war etwas Großes gewesen. Und er war davon in Ohnmacht gefallen. „Na los Matt, so schwierig kann es doch nicht sein, sich daran zu erinnern“- Die Stimme in seinem Kopf schon wieder. Wenn er nicht gerade aus der Ohnmacht erwacht wäre, hätte er sich gefragt, ob er langsam durchdrehte. Aber so tat er was die Stimme ihm sagte und konzentrierte sich erneut. Auf einmal war das letzte Bild wieder da. Sein Angreifer war einer der Steinmenschen gewesen! Schmaler, als alle die er aus dem Fernsehen bisher gesehen hatte und seltsam verzerrt, aber dennoch ein Steinmensch. Also war er ein Gefangnener der Invasoren. Und das was ihn schleppte, waren demzufolge auch Steinmenschen.
Sein Gehirn lief nun wieder auf Hochtouren. Warum war ein Gefangener und kein Toter? So zimperlich waren die Aliens doch auch nicht mit den anderen Flüchtenden im Bunker umgesprungen, die zu Hunderten niedergemetzelt worden waren. Sein Gehirn versuchte Erklärung um Erklärung zu finden, bis es wieder von seiner inneren Stimme unterbrochen wurde. „Matt! Ist doch egal, warum du noch lebst, versuch lieber, auch weiterhin am Leben zu bleiben.“. Ihm wurde klar, dass diese innere Stimme, wie immer, Recht hatte. Doch um zu überleben, musste er zuerst herausfinden, was überhaupt wirklich los war und wo er war. Er blinzelte vorsichtig. Ein langer Gang – grobe Steinwände, seltsame Flechten, die grünliches und blaues Licht spendeten. Keine Abzweigungen in irgendwelche Gänge. Nur nackter, kalter Stein, soweit er sehen konnte. Vor ihm sah er einen der Steinmenschen. Hinter ihm spürte er den anderen. Selbst wenn er sich jetzt losreißen konnte, würde er keine Chance haben, ihnen zu entkommen. Also wartete Matt ab. Wartete auf den richtigen Augenblick – eine Abzweigung, eine Tür, irgendetwas. Selbst mit einer Waffe hätte er jetzt den Ausbruchsversuch gewagt – Was auch immer sie mit ihm vorhatten, er wollte es gar nicht wissen. Kurze Zeit später sah er auch tatsächlich eine Kreuzung ein Stück vor ihnen. Er frohlockte bereits innerlich, da meldete sich seine Innere Stimme erneut zu Wort:„Sehr gut Matt – eine Abzweigung. Und wie willst du den Griffen deiner Entführer nun entkommen?“. Schon sank ihm erneut der Mut und er schloss erneut die Augen. Da hörte er ein hohes, schrillendes, in den Ohren schmerzendes Summen. Er öffnete die Augen und sah, dass die Flechten, die vormals ein beruhigendes Grün und Blau ausgestrahlt hatten, nun an dem Gang der geradeaus führte in einem unheimlichen Rot pulsierten. Seine beiden Träger stockten, gingen vor bis zur Kreuzung und hielten dann an. Offenbar warteten sie darauf, dass die Flechten erneut die Farben wechselten. Er bemerkte, dass sich der Abstand zwischen den beiden verringert hatte und seine Arme und Beine in einem stärkeren Winkel waren. Er wusste, er durfte nicht länger zögern, da er eine zweite Chance nicht bekommen würde. Als die Leuchten wieder auf Grün wechselten und er dachte, dass seine Häscher abgelenkt seien, riss er sich mit seiner ganzen Kraft los. Zu seiner gelinden Überraschung gelang ihm das auch – offenbar waren die Hände der Aliens ebenso aufgebaut, wie Menschenhände, sodass Druck in eine Richtung den Griff sprengen konnte. Er knallte auf den Steinboden und rollte sich sofort zur Seite ab. Dabei sah er das Gesicht eines der Steinmenschen näher – es sah sehr menschlich aus, wenn man ein mit kleinen Steinplatten besetztes Gesicht noch als menschlich bezeichnen konnte und wirkte überrascht. Dies machte er daran fest, dass sich nichts im Gesicht bewegte. Als er seine Rolle beendete, stürmte er kopflos in den links vor ihm liegenden Gang rein, hoffend, dass die Steinmenschen hinter ihm keine Waffen dabei hatten. Da er nach einigen wenigen Metern bereits die stampfenden Schritte hinter sich vernehmen konnte, wusste er, dass dies nicht der Fall war. Mit einem Mal wechselten sämtliche Flechten im Gang die Farbe zu einem pulsierenden, stechenden Orange. Weiter vorne im Gang glitten einige Flechten in die Höhe und er sah, dass sich die Steinwand dahinter bewegte. Er verdoppelte sein Tempo, was auch immer es war, es sollte keine Gelegenheit haben, damit fertig zu werden, bevor er daran vorbei war. Er sah einen Knick in dem Gang kurz hinter den sich bewegenden Wänden – jetzt wurde ihm klar, dass das verborgene Türen waren! Unter Mobilisierung seiner letzten Kräfte sprintete er an den Türen vorbei und raste um die Ecke. Er betete, dass er bald einen Ausgang sehen würde. Und tatsächlich – der Gang stieg an und gleichzeitig nahm er auch wieder natürliches Licht war. Er stürmte den Weg hoch und sah das Licht um eine Gangbiegung schimmern. Er schaute kurz zurück und sah seine beiden Verfolger weit zurückgefallen am Anfang des Ganges, den er gerade eben hergekommen war. Nun, zum Ausruhen war trotzdem jetzt keine Zeit, dachte Matt sich, aber er rannte etwas langsamer – er hätte auch gar nicht mehr das Tempo halten können, trotz des puren Adrenalins, das er auf seiner Zunge schmecken konnte. Er rannte in einem etwas langsameren Tempo um die nächste Ecke, als er die letzte Kurve genommen hatte. Der Gang stieg jetzt noch steiler an und er sah den Himmel am Ende. Er hatte es wirklich geschafft! Mit einer letzten Anstrengung wollte er aus der Öffnung herauslaufen – und konnte sich geradeso noch an den Flechten festhalten. Sein Oberkörper war schon beträchtlich aus der Öffnung herausgekippt, die wie er feststellte, kein Ausgang in dem Sinne war, sondern eher ein Luftschacht. Er spürte mit einem Mal auch eine beträchtliche Kälte und einen schneidenden Wind, der ihm ins Gesicht schnitt. Er stand in einer Öffnung an einem riesigen Berg und konnte auf eine gewaltige gefrorene Einöde hinausblicken, die nur durch das Alienschiff aus dem Fernsehen unterbrochen wurde. Verdammt, dieser Steinmensch, der ihn bewusstlos geschlagen hatte, hatte ihn nach Sibirien zu ihrem Artefakt gebracht! Mit Schrecken wurde ihm klar, dass er nun absolut nichts mehr tun konnte – selbst wenn er irgendwie diese Steilwand hinunterkäme, er wäre innerhalb von wenigen Minuten mit seiner mitteleuropäischen Kleidung erfroren. Offenbar hatten die Aliens dagegen eine Art Wärmeeindämmungsfeld, das er nicht einmal sehen konnte. Er lehnte sich wieder zurück und drehte sich um. Seine Häscher waren bereits fast an ihn herangekommen und an eine weitere Flucht war nicht zu denken. Selbst seine innere Stimme schwieg. Mutlos starrte er auf die beiden Gestalten und ließ sich willenlos erneut packen. Er fragte sich, ob die Steinmenschen diese Flucht eingefädelt hatten, damit sein Widerstand und seine Gedanken an Flucht schon im Ansatz gebrochen wurden. Nun, wenn das die Absicht dahinter war, hatte sie hervorragend funktioniert. Die beiden Wächter hoben ihn nicht mehr hoch, sondern schleiften ihn, mit jeweils einer Hand um seine Oberarme, den Gang entlang. Zurück ging es seine Fluchtroute, vorbei an den Wänden, die jetzt wieder völlig normal aussahen und deren Farbe wieder zu Grün und Blau gewechselt war und wieder an die Kreuzung, wo er seine sprichwörtlich ausweglose Flucht begonnen hatte. Matt wurde den Gang entlang gezerrt und kam schließlich an mehrere Abzweigungen an. Seine Entführer nahmen, scheinbar willkürlich ausgewählten Gang am Ende der großen Anzahl von Abzweigungen. Er sah eine Metalltür am Ende, die aufschwang, als die Steinmenschen mit ihrer menschlichen Last näher kamen. Grob wurde er in die Zelle geworfen und schlug hart auf dem kalten Steinboden auf. Zuerst nahm er nichts außer ein Halbdunkel wahr – einige Flechten an den Wänden warfen ein schwaches Licht in die Zelle. Dann merkte er, dass er nicht alleine war Zwei 2 Männer und eine Frau starrten ihn an die Wände der Zelle gedrückt an.
Er rappelte sich auf und knallte mit seinem Kopf an die sehr niedrige Decke. Als sich seine Benommenheit wieder gelegt hatte, war die Frau zu ihm getreten und fragte ihn: „Alles in Ordnung mit dir? Das mit dem Kopf klang gar nicht gut und hast du irgendwelche andere Wunden?“. Der mütterlich anmutende Eifer schien auch die beiden Männer aus ihrer Starre zu lösen und einer von ihnen sagte: „Nun hör auf Elisa, wir wissen, dass du Ärztin bist, aber er muss auch erst einmal hier richtig ankommen – er sieht verdammt verängstigt aus.“. Zu Matt gewandt fügte er hinzu: „Wir tun dir nichts, wir sind genauso Gefangen wie du.“. Doch er schwieg und musterte seine Leidensgenossen. Die Frau mochte Mitte Dreißig sein, hatte langes blondes Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war und einen weißen Kittel an. Offenbar war sie im Dienst gefangen genommen wurden. Die beiden Männer mochten Mitte oder Ende Zwanzig sein, der eine mit Schwarzem Haar und der andere mit Braunem. Beide waren mit einer zerschlissenen Uniform gekleidet, also waren es vermutlich Soldaten. Er sah nun auch weitere Einzelheiten in der Zelle: 6 Steinpritschen, die aus den Wänden herausragten und ein Loch an der Seite, wahrscheinlich als Toilette gedacht. Der andere Mann meinte nun: „Kann er uns überhaupt verstehen? Vielleicht spricht er kein Deutsch und wurde aus einem anderen Land entführt?“. Matt erwachte nun aus seiner Starre und sagte: „Nein, ich bin ebenfalls Deutscher.“. Er registrierte das erleichterte Grinsen der Frau, die auch gleich das Wort ergriff: „Gut er spricht – und dazu noch unsere Sprache. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du eine Gehirnerschütterung durch deinen Stoß an die Decke bekommen hast – du hast da nämlich schon eine ziemlich böse aussehende Beule! Ich bin übrigens Elisa, wie du vielleicht mitbekommen hast und die anderen beiden heißen Duncan und Lars. Auf Familiennamen legen wir drei keinen Wert. Wie heißt du?“. Über den plötzlichen Redefluss von Elisa musste Matt lächeln – sie erinnerte ihn an seine eigene Mutter, nur ein gutes Stück jünger und er erwiderte: „Ich heiße Matt“ und fügte die einzige Frage hinzu, die ihn wirklich interessierte: „Wisst ihr was sie mit uns vorhaben?“. Duncan grinste: „Der Kleine hat genau die Frage gestellt die wir auch alle gern beantwortet hätten. Wir wissen genauso viel wie du, aber bisher ist nichts großartigeres geschehen, als dass sie uns Essen gegeben haben. So geht uns das schon seit einer Woche!“. Matt war immer noch ein wenig benommen von den unzähligen neuen Eindrücken in seinem Gefängnis. Nach seiner überstürzten Flucht und nachdem er schon mit seinem Leben abgeschlossen hatte, war er überrascht in einer Zelle mit drei anderen Gefangenen zu sitzen, die schon seit einer Woche da waren. War er zuerst besiegt mit Gedanken an Folter, Experimenten und Tod mitgeschliffen worden, so erwachten nun wieder seine Lebensgeister. Mochte seine Lage noch so schlecht aussehen als Gefangener – immerhin hatte er einen Zeitaufschub bekommen. Und da seine Mitgefangenen schon seit einer Woche nichts gehört hatten, war er zuversichtlich, dass der Aufschub ein größerer war.

Heiko war immer noch am fluchen. Er nannte sich einen Trottel, einen hirnverbrannten Idioten und anderes. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein und mit offenem Mund auf den Riss starren, bis dieser bei ihm angelangt war? Erst als in einiger Entfernung etwas mit einem dumpfen Knall aufschlug, schrak er zusammen und unterbrach seine Selbstbeschimpfung. Er bemerkte erst jetzt,, da das Echo seines eigenen Geschreies langsam im Korrdior verhalte, wie schnell ihn bei diesem Lärm ein Feind hätte entdecken können. Er begann über seine Lage nachzudenken. Zurück konnte er nicht mehr. Selbst wenn er in der dunklen Spalte eine Orientierung, oder eine Richtung hätte bestimmen können, würde er sich am Ende vorraussichtlich den Steinmenschen gegenüberstehen. Schließlich waren diese ganz in der Nähe aus der Erdoberfläche herausgebrochen. Damit blieb nur der Weg nach vorne. Doch was weiter? Sollte er versuchen, tiefer in dem Bunkersystem Schutz zu suchen, oder sollte er einen, wahrschleinlich mit den Invasoren zugestopften, Ausgang ansteuern? Auch wenn es ihm ganz und gar nicht behagte, in einem Mauesloch Schutz zu suchen, so war ein Durchbruch wahrscheinlich nur schwer möglich. Erneut starrte er die vor ihm liegende Tür an, die den Raum dahinter als Kommandoraum betitelte. Da nach seinem Geschrei keiner aus dem Raum gekommen war, schlussfolgerte er, dass dieser verlassen war. Er beschloss sich einen Überblick über das System zu beschaffen und nach Ergebnis einen Entschluss zu fassen. Trotzdem ging er nur zögernd auf die Tür zu. Die Lampe über der Tür glomm in einem noch dunklerem Rot als der Rest der Notbeleuchtung und er hoffte, dass sie nicht von innen verschlossen war. Er drückte den in der Wand eingelassenen Schalter. Erst geschah gar nichts und er starrte ratlos auf die Tür und den Schalter. Dann hörte er ein leises Summen und die Beleuchtung im Gang nahm einen grünlichen Stich an. Die Lampe über der Tür hatte ihr Rot aufgegeben und war zu Grün übergegangen.
Langsam zog sich die Kommandoraumtür in die Seitenwand zurück. Eine übelriechende, süßlich-verkohlte Luft schlug ihm sofort entgegen. Heiko musste husten und trat einige Schritt zurück – was war das für ein Gestank? Er wartete noch einige Sekunden ab, bis die Tür komplett in der Wand verschwunden war und der widerliche Geruch sich einigermaßen verzogen hatte, bevor er wieder auf den Raum zuging. Jenseits der Tür war nur Schwärze, das Licht war vermutlich von einem Bewegungssensor gesteuert. Er trat auf die Schwelle. Flackernd ging nun auch das Notlicht im Kommandoraum an – und enthüllte eine Szene des Schreckens. Er konnte vier Offiziere in dem Raum sehen, drei von ihnen saßen in Drehstühlen an ihren Monitoren, vornübergesackt und von Schusswunden durchlöchert. Ein vierter lag vor einem großen, in der Wand eingelasenem Monitor. Nun wusste er auch, woher der eigentümliche Geruch herkam. Heiko dachte bei sich, dass er auf diese Erfahrung auch hätte verzichten können. Er schaute sich um – keinerlei Karten vom Bunkersystem, alle Monitore waren Schwarz. Ob er einen der Rechner wieder hochfahren konnte? Seine Computerkenntnisse bschränkten sich auf einige Spiele, die üblichen Schulaufgaben und Surfen im Internet. Aber er musste ja auch nur den Anschalter für den Rechner finden und nicht sich in die Datenbank vom CIA hacken. Er ging zu dem einzigen freien Sitzplatz im Raum und setzte sich vor den schwarzen Bildschirm. Der Rand des Monitors hatte einen Blutfleck, wahrscheinlich von der benachbarten Leiche. Angewiedert betrachtete Heiko diesen. Er hasste Blut – sein eigenes konnte er so viel sehen wie er wolte, nur bei fremden Blut zuckte er immer angeekelt zusammen.
Er schüttelte den Gedanken ab. Er musste einen Schalter finden. Er sah am unteren Rand des Bildschirms einen roten Schalter mit dem typischen „POWER“-Symbol. Er betätigte ihn. Flackernd erwachte der Montior zu einem kränklichem, grünlichem Leben. Nun zuckte Heiko wirklich zusammen. Dass er so schnell Erfolg haben würde, hatte er nicht erwartet. Außerdem hasste er dieses unheimliche Grün. Wer auch immer die Systeme dieses Bunkers programmiert hatte, er hatte eindeutig zu viele Filme gesehen und einen zu großen Sinn für Dramatik besessen.
Nun, nachdem er sich an das trübe Grün gewöhnt hatte, las er die Ausgabe des Rechners. Ein blinkender weißer Cursor war am Ende einer Reihe von Text zu sehen. Dieser Text verkündete, dass eine Authentifizierung mittels Chipkarte erforderlich war. Erneut ratlos geworden, starrte er auf die Zeichen und damit erneut auf den Bildschirm. Er bemerkte dabei ein neues Licht und blickte nach unten. Ein kleiner Schlitz, rechts von ihm auf dem Tisch, war durch eine weißliche Beleuchtung hervorgehoben. Offenbar der Kartenleser. Doch woher sollte er die Karte hernehmen? Er schaute sich um – und fand die naheliegende Antwort sofort. In diesem Raum waren vier tote Offiziere und er konnte wetten, dass jeder noch seine Karte hatte. Kurz haderte er mit seinem Gewissen, das ihm sagte, dass das Leichenfledderei war und dass er das Andenken der Toten beschmutzte. Dann stand er auf, ging zu dem erschossenen Offizier vor dem Wandmonitor und kniete sich nieder. Erneut überkam ihn sein Ekel vor anderem Blut, doch er schob es mit einiger Mühe zur Seite und durchsuchte die Brusttaschen des Toten. Dabei las er auch die Aufschrift auf der Jacke – M. Harthmuth. Eine plötzliche Sympathie für den verstorbenen M. Hartmuth überkam ihn. Er betrachte zum ersten Mal das Gesicht des Verstorbenen. Er schien ein etwas älterer, typischer zukünftiger netter Großvater für seine Enkelkinder gewesen zu sein. Bestimmt niemand der den Tod schon verdient hatte. Nun leicht zitternd vor Wut auf die Steinmenschen, die diesem Mann das hier angetan hatten, setzte er seine Suche fort und wurde in der dritten Tasche fündig. Er richtete sich gerade auf, als ein erneuter dumpfer Knall aus dem Gang erklang. Mit einem Satz war er an der Tür und wollte schon den Türschalter betätigten, um die Tür von innen zu schließen und zu verriegeln. Dann hielt er kurz davor inne – die Besatzung dieses Raumes hatte nicht einmal Zeit gehabt aufzustehen und so wie er das sah, war der Raum geschlossen gewesen. Was nutzte also eine abgeschlossene Tür, wenn die Steinmenschen sich nicht um Wände scherten? Erst jetzt wurde ihm bewusst, was diese Leichen bedeuteten. Die Offiziere waren so schnell gestorben, dass sie nicht einmal aufstehen konnten, oder irgendeine primitive Schutzmaßnahme ergreifen konnten. Und wenn die Außeriridischen die Tür auch nur per Türschalter geöffnet hätten, hätten die Offiziere genug Zeit gehabt, zu handeln. Also mussten die Steinmenschen auch über die Technologie verfügen, durch feste Objekte zu gehen. Wer war dann noch wirklich sicher, hinter Stahltüren, die eigentlich schützen sollten, wenn die Steinmenschen einfach durchgehen konnten?
Heiko bemerkte, dass seine Hand immer noch über dem Schalter verharrte. Schließlich betätigte er ihn – auch wenn er eigentlich wusste, dass es ihm nichts bringen würde, diese Tür zu schließen, so redete ein anderer Teil ihm ein, dass Stahltüren doch einen Schutz boten.
Er ging zurück zum Terminal, nachdem die Tür sich mit einem vernehmlichem Geräusch verschlossen hatte. Er hoffte, dass dadurch keine Feinde auf ihn aufmerksam geworden waren. Da durch sein Gezeter aber auch niemand angelockt worden war, glaubte er nicht, dass dies ein Problem darstellte. Er führte die Chipkarte, die er immer noch in der Hand hielt, in den Schlitz ein. Und tatsächlich – nach inem kurzen Summen klickte das Gerät einmal und der Monitor zeigte nun ein: „Willkommen Oberst Hartmuth“ an. Kurz danach wurde die Schrift durch ein „Vielen Dank für die Authentifizierung. Die Anlagen in diesem Raum werden nun wieder in Betrieb genommen“ ersetzt. Flackernd gingen nun auch die anderen Schirme im Raum an. Er drehte sich um und stellte verblüfft fest, dass der Wandmonitor nun eine Karte anzeigte. Er stand auf und ging zu dieser. Dort war das Schema dieser Ebene festgehalten. Ein orangenes Licht stellte offenbar den eigenen Standpunkt dar, des weiteren konnte man noch Dutzende andere Räume feststellen, allesamt offenbar Kommandoräume und größtenteils rot leuchtend. Er nahm links eine Legende wahr. Grün – aktive Kommandoräume. Rot – Inaktive/Übernommene Kommandoräume. Blau – Kontakt vor kurzem abgerissen. Erneut wandte er sich der Karte zu. Er begutachtete die Zahl der roten Lampen nun genauer. Eigentlich waren alle Räume Rot, nur ein oder zwei waren noch grün und vielleicht ein halbes Dutzend Blau. Auch bemerkte er nun, dass die Wände des Kommandoraumes in dem er sich befand und die angrenzenden nur gestrichelt eingezeichnet waren. Plötzlich wusste er, was das „G“ in der Bezeichnung bedeutete – Geheim. Und trotzdem so leicht aufgerieben, als wäre der Kommandoraum an der Oberfläche aufgestellt gewesen, dachte Heiko sich.
Er überprüfte erneut die Karte und fand nach einiger Zeit die Ausgänge an die Oberfläche und die Treppenhäuser tiefer in die Anlage hinein. Als nächstes suchte er Routen von diesem Raum zu den Ausgängen. Er fand viele, doch waren sie alle als Rot gekennzeichnet. Noch während er nach Routen suchte, wechselten die letzten grünen Lampen zu blau. Heiko fühlte einen kurzen Schauder vor der Erkenntnis, dass er in dem letzte aktiven Kommandoraum jetzt stand, alle anderen waren überrant. Wobei dieser hier auch überrant war. Eine sichere Route gab es also nicht mehr. Was auch immer noch sicher hieß, wenn der Feind durch Wände gehen konnte. Seufzend suchte er sich das ihm am nächsten liegende Zeichen, das einen Ebenewechsel verkündete. Natürlich war es eine Treppe nach unten, aber es spielte nun sowieso keine Rolle mehr, ob oben oder unten, wenn die Aliens versteckte Abschnitte entdecken konnten, sie würden ihn zweifelsohne auch an der Oberfläche finden. Er prägte sich den Weg ein und überlegte dann, ob er nicht auch den Plan von der tieferen Ebene abrufen konnte. Etwas halbherzig drückte er auf das Treppensymbol. Halbherzig deswegen, weil er damit vorraussetzte, dass der Bildschirm ein Touchscreen war und dass der Druck genau das auslöste was er wollte. Was er natürlich nicht tat. Stattdessen wechselte der Bildschirm zu einer Kameransicht und Heiko erkannte, dass es sich dabei um eine Kamera vor dem Treppenschacht handelte. Beruhigenderweise zeigte die Kamera auch wirklich nur den Treppenschacht und keine Außerirdischen, die auf Menschen lauerten.
Schließlich wandte er sich vom Monitor ab, entriegelte die Eingangstür und machte sich auf den Weg.

Ben versuchte immer noch sein rasendes Herz zu beruhigen. Gegen die Wand gesackt fragte er sich, wie gut das Gehör der Steinmenschen war. Schließlich pochte sein Herz so laut, dass er meinte,man müsse es noch bis zur Oberfläche hören können.
Er hielt noch einige Momente inne, bevor er eine Bestandsaufnahme machte. Er hatte seine Waffe mit einem immer noch fast vollen Magazin,sowie einige Reservermagazine in der Tasche, eine Pistole und eine Notration. Er stellte fest, dass er keine Ahnung mehr hatte, wo er die Ration eingesteckt hatte, aber er beglückwünschte sich selbst zu seiner Voraussicht. Er hatte überdies hinaus nichts weiter, außer die Gewissheit, dass er keine Ahnung mehr hatte, wo er war. Da die Tür die er genommen hatte, in der Wand verborgen gewesen war, musste er sich in einem geheimen Abschnitt befinden und da hätte ihm eine Karte sowieso nicht viel genützt. Er schaute sich in dem Raum um. Es sah wie ein Lager aus, Überall standen Kisten herum. Diese hatten jedoch keine nützlichen Beschriftungen wie „Waffen“, „Munition“, „Notrationen“, oder „Überlebenspläne“, sondern nur aufgedruckte, schwarze Zahlen. Er stand auf und begutachtete eine der Kisten. Offenbar waren sie allesamt zugenagelt. Da er auf größeren Lärm verzichten wollte, hatte er damit das Ende seiner Raumerkundung erreicht.
Er fragte sich, was er als nächstes tun sollte. Zurückgehen kam nicht in Frage. Entweder warteten dort immer noch die Steinmenschen auf ihn, oder er würde in einem halb zerstörten Raum rumlaufen, wo er nichts mehr tun konnte. Also vorwärts. Aber wohin? Vielleicht konnte er versuchen, wieder zur Gruppe der Flüchtlinge zu kommen. Oder er konnte versuchen an die Oberfläche zu gelangen, wo er sich besser verstecken konnte. Da dicke Stahltüren und Gatlings die Steinmenschen nur kurz aufzuhalten schienen. Er entschloss es dem Zufall zu überlassen. Da er sowieso keine Ahnung hatte, wo er sich befand,wollte er die erste Treppe entscheiden lassen. Nach oben hieß Oberfläche, nach unten hieß Flüchtlinge.
Mit diesem Plan ging er los. Der Raum hatte zwei Ausgänge, den einen durch den er gekommen war und der andere, der weiter vom Schauplatz des recht einseitigen Gefechts wegführte. Er entschloss sich für diese Tür, aus dem offensichtlichen Grund, da es ihn weiter von den Steinmenschen weg brachte. Er öffnete die Tür so leise wie er konnte und trat in einen weiteren stählernen, rötlich beleuchteten Korridor. Er lief bis zum Ende des Korridors und nahm aufs Geratewohl die Rechte Abzweigung. Ein weiterer Korridor. Nach einigen weiteren instinktiv gewählten Abbiegungen fragte Ben sich nicht mehr, ob diese Leute auch nur ein wenig Kreativität bei der Planung besessen hatten. Schließlich fand er doch noch eine Treppe. Sie führte nach oben, also in die zweite Ebene. Also die Oberfläche. Er war zumindestens teilweise erleichtert, musste er doch nicht mehr den Stahl um sich herum ertragen, sobald er oben angelangt war. Und mit etwas Glück musste er, in der Sicherheit des geheimen Bereiches, nicht einmal durch Reihen von Feinden durchbrechen.

Matt wachte schwitzend von seiner harten Liege auf. Zuerst wusste er nicht was ihn geweckt hatte. Ein Alptraum? Doch als er sich aufsetzte, sah er auch seine Mitgefangenen stocksteif auf ihren Pritschen sitzen. Also mussten sie auch durch etwas aus dem Schlaf geschreckt worden sein. Einen Augenblick später wusste er, was es gewesen war, das sie aufgeweckt hatte. Ein grässlicher Schrei ertönte in einiger Entfernung. Ein menschlicher Schrei voller Qual und Schrecken. Sie sahen sich in der Zelle an. Elisa fragte mit zittriger Stimme: „Wer war das? Foltern sie uns jetzt doch noch?“. Auch Matt war der Schrecken in die Glieder gefahren und er musste blass wie ein Gespenst aussehen. So fühlte er sich jedenfalls. Duncan meinte schwach: „Vielleicht nur ein Gefangener mit Alpträumen, oder Wahnvorstellungen, bei den engen Zellen kann das denke ich durchaus passieren.“. Auch Lars meldete sich nun zu Wort und versuchte die Gesprächsbahnen in das Praktische zu lenken: „Nun, immerhin wissen wir, dass wir nicht alleine hier gefangen sind. Wenn wir die anderen erreichen könnten, hätten wir vielleicht sogar eine Chance zum Ausbruch.“. Als Matt ihn verwundert ansah, fuhr Lars ihn an: „Oder hast du eine bessere Idee? Ich für meinen Teil will hier nicht in dieser Zelle verroten!“. Matt schüttelte den Kopf. „Selbst wenn du hier ausbrechen könntest und die Wärter überwältigen könntest, du würdest nicht weit kommen. Wir sind hier mitten in einer Eiswüste.“. Jetzt war es an den anderen ihn ungläubig anzustarren. Auch wenn es Matt unangenehm war, so stellte er doch fest, dass die Angst und die Schreckensstarre zumindestens teilweise überwunden worden war. Er fügte seiner vorherigen Bemerkung noch hinzu: „Ich habe es versucht, als sie mich hierhergeschleppt haben, habe ich einen Fluchtversuch gewagt. Ich kam bis zu einer Art Luftschleuse. Dort habe ich etwa Hundert Meter nach unten blicken können und weit und breit war nichts als Schnee und Eis. Außer eines der Artefakte“. Lars zuckte die Achseln. „Nun, dann wird das wohl mit der Flucht nichts. Also müssen wir einfach abwarten, was sie mit uns vorhaben.“.
Der grässliche Schrei ertönte erneut und sie zuckten erneut zusammen. Elisa stellte mit immer noch zitternder Stimme fest: „Wir sollten wieder versuchen zu schlafen. Vielleicht werden wir unsere Kräfte gebrauchen können.“. Matt lehnte sich zurück, doch er wusste, er würde in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden.
Und er sollte Recht behalten. Nur wenige Minuten später begann die Zellentür zu rumpeln. Üblicherweise wurde das Essen durch einen Schlitz am unteren Rand der Tür geschoben, meist fade Rationen, wie man sie zu Feldeinsätzen bei der Armee verwenden mochte. Doch bisher war die Tür nie aufgegangen. Nun traten drei Steinmenschen in die Zelle ein. Sie schienen sich umzusehen. Dann hielten sie kurz inne und die Blicke der pechschwarzen Augen der Zellenwärter fixierten Elisa. Die konnte dem starrenden Blick nach einigen Augenblicken nicht mehr standhalten und schrie auf. „Da! Nun wollen sie mich holen und foltern! Um Gottes willen, helft mir!“. Matt frágte sich noch, wie sie zu dritt gegen ebensoviele Steinmenschen bestehen sollten, da setzten diese sich schon in Bewegung. Offenbar hatten sie nurauf eine emotionale Reaktion gewartet. Elisa schrie erneut auf, deutlich panikartiger nun. Duncan sah so aus, als wollte er aufspringen und angreifen, doch einer der Steinmenschen wandte sich ihm zu und fixierte ihn. Drohend, wie Matt von der Seite zu erkennen meinte. Duncan ließ sich wieder zurücksinken. Die anderen beiden waren inzwischen bei der immer noch schreienden Elisa angekommen. Die sonst so ruhige Ärztin schien das kalte Grauen bekommen zu haben und begann sich zu wehren als die Invasoren sie packten und aus der Zelle schleiften. Als die Tür mit einem Rumpeln wieder zuglitt, hörte Matt ihre Schreie noch eine ganze Weile, bis sie leiser wurden und erstarben.
Als der letzte Schrei Elisa's verklungen war, wurde Matt übel. Er wankte von seiner Liege zum Loch, wo sie ihre Notdurft verrichteten und übergab sich. Als sein Magen leer zu sein schien, brach er mit zitternden Knien vor dem Loch zusammen und begann zu schluchzen. Wer war der nächste von ihnen, dachte er sich?
Er fühlte nach kurzer Zeit eine warme Hand auf seiner Schulter. Er blickte auf und sah Duncan mit grimmiger Miene über ihm stehen. „Dafür werden sie bezahlen“. Nur diese vier Worte. Mehr sagte er nicht, mehr war auch nicht notwendig. Matt nickte ruckartig und versuchte aufzustehen. Er hätte sich fast wieder übergeben müssen. Wankend legte er die wenigen Schritte zu seiner Liege zurück und ließ sich schwer darauf fallen. Da die Pritschen aus einer Art warmen Stein waren, kamen mit einem kurzen Aufschrei zu seinen geistigen Schmerzen nun auch körperliche.
Er nahm durch die neuen Schmerzen aber seine Umwelt wieder klarer wahr. Er bekam mit, wie Lars fragte: „Wieso Elisa? Wieso nicht uns? Was haben die mit uns vor?“. Duncans Antwort bekam er jedoch nicht mehr mit, da sich sein Blickfeld mit einem Mal verengte und er in eine wohltuende, gefühlslose Schwärze versank.

Ben war erneut in einem Labyrinth aus Stahl gefangen. Die Korridore auf dieser Ebene erschienen ihm sogar noch verworrener und endloser. Aber vielleicht wurde er auch einfach nur müde, dachte er bei sich. Nach einer weiteren Abzweigung sah er sich einer weiteren Wand gegenüber, wie er schon so oft gesehen hatte. Er wollte schon gerade wieder umkehren, da bemerkte er einen Unterschied zur üblichen Wand. Diese hatte zwei Scharniere an einer Seite eingelassen. Höchstwahrscheinlich hatte er einen zweiten Eingang in den Geheimbereich gefunden. Er dachte kurz nach. Sollte er es wagen und feststellen, ob hinter dieser Tür noch etwas anderes war? Doch wozu? Er war hier in relativer Sicherheit und er hatte keine Veranlassung sich für nichts und wieder nichts in Gefahr zu begeben. Doch andererseits konnte es sein, dass hinter dieser Tür ein Lagerraum mit Wasser oder Lebensmitteln lag, denn in den Räumen die er bisher durchsucht hatte, hatte er nur verschlossene Kisten vorgefunden. Er zögerte noch eine kurze Weile, dann entsicherte er die G36, obwohl die ihm wahrscheinlich auch nicht viel weiterhelfen würde und trat an die Tür heran. Aufmerksam musterte Ben die Wand daneben, auf der Suche nach einem Schalter. Er wurde auch nachkurzer Zeit fündig und betätigte den Schalter. Die Tür schwang lautlos auf. Dahinter war tatsächlich nur ein Lagerraum. Der auch, wie erhofft nach einigem Suchen, die Notrationen und Wasser enthielt. Auch fand er einen Armeerucksack, der ihm ganz zupass kam, da er so mehr Vorräte mitnehmen konnte. Zu seiner Genugtuung fand er in einer Nische, hinter einem Kistenstapel, eine weitere Tür die zu einer Toilette führte. Nachdem er sich nun wieder versorgt hatte, ging er wieder zurück in den Geheimbereich und suchte weiter nach einer Treppe nach oben. Tatsächlich schien ihm das Glück der Stunde zuzulächeln – nur wenige Abbiegungen weiter fand er eine weitere Treppe. Er wollte gerade seinen Fuß auf die erste Stufe setzen, da hörte er vom oberen Ende des Aufstiegs ein Geräusch. Ben zuckte zusammen, war er doch die bereits stundenlange Stille des Geheimbereichs gewohnt gewesen.
Er trat einen Schritt zurück und entsicherte erneut sein Sturmgewehr. Kniend wartete er ab.

Heiko war zielstrebig durch die Korridore zum Treppenabgang gegangen. Sein fotographisches Gedächtnis hatte ihm dies sehr erleichtert, er hatte sich die Karte genau einprägen können. Dabei befürchtete er immer wieder, auf Feinde zu stoßen. Er wusste zwar, dass de Steinmenschen sich wahrscheinlich genauso an ihn anschleichen konnten wie an die Offiziere im Kontrollraum, aber er war trotzdem vorsichtig. Als er die Treppe sah, atmete er erleichtert auf. Er legte die letzten Meter mit seiner üblichen Vorsicht zurück. Als er den ersten Fuß auf die Treppe setzte, hörte er ein dumpfes Geräusch, das sein Fuß auf dem geriffelten Metalluntergrund, aus dem die Treppe bestand, hervorrief. Er hätte es nicht einmal zwei Sekunden später noch bemerkt, wenn er nicht unten ein Keuchen gehört hätte. Er erschrak und sprang sofort zurück und hinter eine Wand. Von unten hörte er wie eine Waffe entsichert wurde.
Heiko's Gehirn lief erneut auf Hochtouren. Wenn es ein Steinmensch war, musste er eine menschliche Waffe erbeutet haben. Und wissen wie man sie bedient. Dies an sich war schon absurd genug, aber er glaubte außerdem nicht, dass ein Steinmensch wegen eines Geräusches vor Schreck aufkeuchen würde. Also musste es ein Mensch sein. Und Menschen waren in diesen Tagen immer gut. Zumindestens besser als die Alternative. Er wäre fast aus seiner Deckung herausgegangen und die Stufen heruntergelaufen, da erinnerte er sich wieder daran, dass dort jemand mit einer entsicherten Waffe stand. Er hoffte, dass keine Feinde in der Nähe waren, die ihn hören konnten und rief nach unten: „Hey, nicht schießen da unten, ich bin ein Mensch!“.

Ben glaubte seinen Ohren nicht Recht zu trauen als das „Hey, nicht schießen da unten, ich bin ein Mensch!“ zu ihm herunterhallte. Ein Mensch? Hier? Und dann auch noch offenbar ebenso ein Jugendlicher wie er, wie er an der Stime zu hören meinte?
Er ließ die Waffe ein Stück sinken und rief nach oben: „Komm runter, aber so, dass ich dich sehen kann!“. Schließlich wollte er nicht auf einen Trick reinfallen und sich hinterher selber einen Narren schelten, weil er sich so lecht überzeugen lassen hatte. Er hörte nun Schritte auf dem Metallboden der Stufen. Um die Ecke des Treppenabsatzes kam kurz daraufhin ein ziemlich großer, schwarzhaariger Junge, etwa in seinem Alter.
Er schien überrascht zu sein, einen Jugendlichen an der Treppe knien zu sehen. Das zumindestens schlussfolgerte Ben aus dem verdutzten Gesichtsausdruck seines Gegenübers. „Ganz richtig, ich bin ebenso wie du eigentlich noch ein Jugendlicher und offenbar das einzige andere menschliche Wesen in diesem Geheimsektor!“.
Der andere zuckte zusammen, dann lachte er kurz auf. „Mir ist es eigentlich egal, auf welchen Menschen ich hier treffe, solange er noch lebt.“. Inzwischen war der Unbekannte bei ihm angelangt. „Willst du die nicht runternehmen? Ich heiße übrigens Heiko.“, sagte er und deutete dabei auf die Waffe. Ben zuckte zusammen und sicherte seine Waffe und hängte sie sich erneut über die Schulter. „Freut mich, ich bin Ben. Nachnamen sind ja hier egal, nehme ich an?“. „Ja, es sei denn du willst irgendwann meinen Eltern sagen, dass ich von einem Steinmenschen erledigt worden bin?“. Ben schmunzelte, obwohl Heiko so aussah, als hätte er es ernst gemeint. „Nein da verzichte ich lieber drauf. Und wir sollten Gespräche nicht unbedingt auf dem Gang führen. Es könnte unerwünschte Gesprächspartner anlocken.“. Ben nickte mit dem Kopf in Richtung einer Lagertür und setzte sich in diese Richtung in Bewegung. Heiko folgte ihm. Als sie in den Lagerraum angelangt waren und Ben die Tür geschlossen hatte, setzte er sich auf den Boden und legte den Armeerucksack ab. Heiko tat es ihm gleich mit seinem Rucksack. Die beiden schauten sich kurz an, dann fragte Ben: „Und, wie hast du es bis hierher geschafft?“. Heiko sagte: „Nun, bis vor kurzem war ich noch an der Oberfläche...“. Ben unterbrach ihn. „An der Oberfläche? Bist du etwa nicht dem Ruf der Regierung gefolgt?“. Heik schüttelte verneinende den Kopf und begann von Anfang zu erzählen. Er bemerkte Ben's erbleichendes Gesicht als er zur Bombardierung der Stadt kam, seine Mitleid ausdrückende Miene als er über den Sturz sprach und sein erbleichen, als er von dem Komandoraum mit den toten Offizieren zu sprechen kam. Als er fertig war, schwiegen beide wieder eine Weile. Dann fragte Heiko: „Und wie schlimm war es hier unten?“. Ben schrak aus seinen Gedanken auf und berichtete monoton, offenbar immer noch leicht abgelenkt, von der Flucht in immer tiefere Ebenen und wie er in den Geheimbereich gelangt war. Er schloss seinen Bericht mit einem: „Eigentlich wollte ich mich bis zur Oberfläche durchkämpfen, aber wenn du meinst, dass da oben alles voll mit Steinmenschen ist, werde ich wohl tiefer runter.“.
Heiko nickte zustimmend. Er fragte Ben: „Wie wäre es, wenn wir zusammen versuchen tiefer vorzudringen? Auch wenn es gegen die Steinmenschen keine Sicherheit gibt, es wird uns ein gewisses Maß an Sicherheitsgefühl geben.“.
Ben nickte zustimmend. „Die Idee kam mir auch gerade. Aber wohin wollen wir am Ende hin? Irgendwann wird es nicht mehr tiefer gehen. Ich hätte nur die Idee gehabt, zu den anderen Flüchtlingen zu stoßen, aber die Absicht hast du ja nicht, oder?“. Heiko antwortete mit einem entschiedenen „Nein“. Er wusste, dass er nicht als Flüchtling durchgehen würde,er war auf dieListe derjenigen gesetzt wurden, die sich weigerten, sich der Evakuierung anzuschließen. Er fügte nach einigem Zögern hinzu: „Wir könnten ja versuchen, uns so lange in den tieferen Ebenen zu verstecken, bis der Angriff auf die Anlage vorbei ist, um dann wieder an die Oberfläche zu gehen?“. Ben fasste zusammen: „Also fürs erste Überleben. Gut, das hatte ich sowieso vor“ und schlug dabei mit der flachen Hand auf sein Sturmgewehr. Heiko schaute ihn erstaunt an, erst dann bemerkte er, dass Ben das nur halb im Spaß gemeint hatte. Ben bemerkte dieses zögern, lachte und meinte: „Auch wenn Krieg herrscht, du musst nicht so steif sein. Damit provoziert man nämlich, auch wirklich zu einem steifen Körper zu werden, meinst du nicht auch?“. Heiko schaute ihn nun leicht beleidigt an und grinste dann doch schwach „Kann sein. Aber ich bin auch sonst so.“. Er bemerkte, dass das Gespräch in Bahnen verlief, die ihnen jetzt nicht zum Überleben helfen würden, also stand er auf. Ben tat es ihm nach. „Eine Sache noch. Wer von uns beiden führt uns eigentlich tiefer in die Anlage hinein?“. Ben streckte abwehrend eine Hand aus: „So wie ich das aus deinen Erzählungen herausgehört habe, hast du einerseits ein ziemlich gutes Gedächtnis und andererseits die Pläne von der Ebene über uns gesehen. Meist haben diese Deppen von der Baubehörde nicht mehr Fantasie, als jedes Stockwerk ähnlich aufzubauen, also geb ich dir Rückendeckung.“. Zum zweiten Mal schlug Ben fest auf den Schaft seiner Waffe und Heiko merkte an: „Geht in Ordnung, aber pass auf, dass du mir nicht Deckung in meinen Rücken gibst.“. Ben schaute einen Moment verdutzt drein, dann sagte er: „Du lernst schnell, etwas Humor anzuwenden. Aber d u musst noch ein bisschen lockerer werden. Ich meine – eine Invasion, ein düsteres Bunkersystem, Tod und Vernichtung überall – ist das nicht die perfekte Umgebung zur Auflockerung?“. Ben lachte leise und Heiko dachte bei sich, womit er nur einen waffenfanatischen Spaßvogel als Begleiter verdient hatte.

Kapitel 3

Heiko's Wissen um den Plan der ersten Ebene erwies sich als unschätzbar für die nächsten paar Stunden. Auch wenn die Abgänge nicht genauso wie in der oberen Ebene war, so war doch der Grundriss derselbe. So kamen sie relativ zügig bis zur vierten Ebene runter. Ben wusste von hier an nicht mehr, ob es noch eine tiefere Ebene gab. Er vermutete es aber. Leider war der Grundriss auf dieser Ebene ein völlig anderer. Auch schien diese Ebene gerade unter Angriff zu stehen, man hörte entfernt dumpfe Schussgeräusche und Schreie. Ben lief nun nur noch mit entsicherter Waffe weiter.
Sie kamen an einen weiteren Kommandoraum. Auch dieser war ebenso plötzlich überrant worden wie alle anderen. Nur schien dieser erst vor wenigen Minuten unter Angriff gestanden zu haben. Die Leichen waren nochganz frisch und von einigen Wunden stieg noch leichter Rauch auf. Im Gegensatz zum Komandoraum auf der oberen Ebene waren in diesem her jedoch die Monitore allesamt zerschmettert oder zerschossen. Da es hier für sie nichts mehr zu tun gab, machten sie sich im grimmigen Schweigen erneut auf den Weg. Ausnahmsweise schien selbst Ben's Humor zu versagen.
Nach einer weiteren Wegbiegung hielt Heiko plötzlich an. „Hörst du das?“. Ben schaute sich um und horchte dabei angestrengt. „Was?“. Heiko antwortete: „Eben nichts. Ich dachte wir wären nur zu weit entfernt von den Gefechten auf dieser Ebene, aber ich glaube, auch diese Ebene ist überrannt worden.“. Nach einigem Nachdenken fügte er hinzu: „Noch vor wenigen Augenblicken hab ich noch vereinzelte Schüsse gehört, aber jetzt nichts mehr“. Ben dachte ebenfalls kurz nach: „Scheint so. Ich hoffe, sie haben noch genügend Ebenen zum Ausweichen. Aber so wie die paranoiden Politiker und Militärs gedacht haben, geht dieses System wahrscheinlich noch bis zum Kern. Und wir haben uns gewundert, woher Deutschland seine Billionen an Schulden herhat.“.
Heiko nickte zustimmend, wahrscheinlich lag Ben mit seinem letzten Teil gar nicht so falsch.
Also setzten sie ihren Weg fort. Schließlich fanden sie auch einen weiteren Abgang. Seltsamerweise schien hier noch richtiger Strom und kein Notstrom zu existieren. Als sie nämlich in die untere Ebene kamen, wurden sie von einem grellen weißen Licht geblendet. Heiko meinte nur, dass es wahrscheinlich Reservergeneratoren in den tieferen Ebenen gab. Nun in der fünften Ebene, hörten sie erneut Schussgeräusche, aber entweder waren die Verteidiger weniger geworden, oder auch dieser Kampf war so gut wie vorbei. Ben blickte Heiko an: „Die Steinmenschen scheinen immer schneller vorzurücken. Aber mit kommt es auch so vor, als wäre die letzte Ebene kleiner gewesen als die vorletzte, meinst du nicht auch?“. Heiko nickte zustimmend. Erneut schweigend setzten sie ihren Weg fort. In dieser Ebene fanden sie relativ schnell einen weiteren Treppenschacht. Er führte in tiefste Dunkelheit. Heiko schaute Ben fragend an: „Meinst du, die Zeit hat nicht zur Weiterevakuierung ausgereicht, sodass sie den Strom auf der nächsten Ebene nicht mehr einschalten konnten?“. Ben nickte zustimmend: „Das scheint mir leider die einzige plausible Theorie dafür zu sein.“. Er setzte sich hin. „Und was nun? Warten wir ab, bis die Steinmenschen hier fertig sind, um uns im eigentlichen Bunkerbereich umzusehen, oder versuchen wir Taschenlampen aufzutreiben, um tiefer vorzudringen?“. Heiko zögerte. Es konnten doch nicht alle Zivilisten tot, oder verschleppt worden sein? Es musste doch noch irgendwo Überlebende geben. Ben schien zu ahnen was er dachte und sagte: „Zwecklos darüber nachzudenken. Wenn sie selbst den Geheimbereich entdeckt haben, ist es unwahrscheinlich, dass sie welche übersehen haben und wenn, dann nur kleine Grüppchen, wie wir beide und die werden wir bestimmt nicht finden. Was nun? Warten oder Taschenlampen suchen und weitergehen?“. Heiko überlegte und sagte schleißlich, auch ein wenig von der Hoffnung getrieben, noch jemanden zu finden: „Wir warten. Gehen wir am besten in einen Lagerraum und ruhen uns ein bisschen aus.“. Ben nickte und zeigte mit seiner Waffe auf eine Tür in ihrer Nähe. Sie gingen hinein und setzten sich müde auf den Boden. „Wir sollten versuchen zu schlafen, zumindestens einer von uns, während der andere Wache hält. Ich glaube du hattest weniger Schlaf als ich, also mach du den Anfang“ sagte Ben. Heiko war für dieses Angebot dankbar und lehnte sich an seinen Rucksack. „Weck mich in spätestens 6 Stunden, sodass wir insgesamt nicht mehr als einen halben Tag hier warten.“. „Den Gedanken hatte ich auch gerade. Ich denke, ein halber Tag sollte ausreichen, dass die Außerirdischen hier fertig werden.“. Heiko bekam den letzten Satz schon gar nicht mehr mit. Er merkte erst jetzt wie erschöpft er war und war in wenigen Sekunden eingeschlafen.
Ben selbst stand leise wieder auf und sah sich im Raum um. Verschlossene Kisten wie immer. Er überlegte, ob er eine der Kisten vor die Tür schieben sollte. Er verwarf die Idee aber ebenso schnell wieder, da das keinen der Steinmenschen sonderlich lange aufhalten würde. Im Gegenteil,es würde sie an einer schnellen Flucht im Notfall hindern. Ben überdachte müde die letzten Stunden. Es erschien im seltsam, wie sehr er sich verändert hatte. Hatte er während des Angriffes noch zitternd das Sturmgewehr in der Hand gehalten, so trug er es nun mit einer Sicherheit, wie er ne gedacht hätte, eine Waffe zu tragen. Er schaute auf seine Armbanduhr. Sie zeigte 3:28 an, aber Tag und Nacht spielten in dieser Anlage für sie sowieso keine Rolle mehr. Er setzte sich wieder hin und lehnte sich aufrecht an die Wand, damit er nicht einschlief. Um sich abzulenken, begann er seine Fantasie zu bemühen. Doch alles was dabei herauskam, waren Vorstellungen über Steinmenschen, die sie angriffen, Steinmenschen, die sie wegschleppten, Steinmenschen, die seinen Vater quälten. Steinmenschen, Steinmenschen, Steinmenschen, immer und immer wieder. Er zwang sich aufzuhören, über solche Dinge nachzudenken. Erneut sah er sich im Raum um, doch er sah immer noch nichts interessantes. Erneut schaute er nach der Zeit. 3:38 Uhr. Er stöhnte leise auf. Wie sollte er 6 Stunden durchhalten, wenn er jetzt schon völlig gelangweilt war und sich mit nichts anderem als Tod und Verderben ablenken konnte? Er bemühte sich an etwas anderes zu denken, an die Zeit wo noch alles gut war und er einfach nur ein normaler Schüler war. Ohne Steinmenschen, ohne Zerstörung. Zumindestens teilweise klappte es, aber seine Erinnerungen verschwammen bereits, erschienen ihm in weiter Ferne, als hätte es so eine Zeit nie wirklich gegeben. Schließlich fielen ihm die Augen unter den Bildern der Vergangenheit zu. Und er träumte von verschwommenen Bildern die in Steinrahmen an einer flammenden Wand hingen.

Als Matt wieder zu sich kam, stellte er fest, dass er schon wieder ohnmächtig geworden war. Erhoffte nicht, dass das ein Trend in der nächsten Zeit für ihn war. Dann fiel ihm wieder ein, was passiert war, weswegen er ohnmächtig geworden war. Er schreckte auf und schaute sich um, ob Elisa wieder zurückgekommen war. Duncan merkte als erster seinen suchenden Blick und sagte: „Nein, sie ist nicht zurückgekommen. Wir haben uns übrigens schon Sorgen um dich gemacht.“. Aus der Ecke wo Lars lag, kam ein dumpfes, gemurmeltes: „Is er schon wieder wach?“.

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Tag der Veröffentlichung: 14.07.2011

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