“Hm, lecker!”
“Mensch Kai, hast du auch mal was anderes im Kopf als die Mädels von nebenan?” Yuudai betrachtete seinen Mitschüler kopfschüttelnd. Sie hatten sich eben erst, am letzten Tag ihrer Ferien, hier auf dem Schulhof getroffen und Kai fielen beim Anblick der Schülerinnen ihres Nachbarinternats wieder einmal die Augen aus dem Kopf. Wie konnte man nur so triebgesteuert sein?
“Wieso?” Kai wand den Blick von der Gruppe Schülerinnen und ihren verführerischen kurzen Schuluniformen ab und beugte sich dicht zu Yuudai herüber. “Bist du etwa eifersüchtig mein lieber Yuudai?” Er klimperte leicht mit den Wimpern.
“Spar dir deine Anmache, Kai. Ich steh nicht auf Jungs.” Yuudai hob die Hand, legte sie flächig auf das Gesicht seines Mitschülers und drückte ihn bestimmt von sich.
“Pöh, du weißt ja gar nicht, was dir entgeht.” Mit einem kleinen Schmollmund, weil er schon wieder bei seinem Mitschüler abgeblitzt war, wand Kai sich erneut den wichtigeren Sachen im Leben zu. Diese schritten gerade, verführerisch mit ihren kurzen Röckchen wackelnd, wenige Meter an ihrem Hoftor vorbei.
“Im Gegensatz zu mir, scheinst du ja nichts anbrennen zulassen, oder?” Yuudai konnte, bei dem schon leicht sabbernden Kai, nur die Augen verdrehen. „Kannst du dich nicht endlich mal auf ein Geschlecht festlegen?”
“Da wäre ich ja schön blöd,” lachte Kai und grinste seinen Mitschüler breit an. “Beide Seiten haben ihren Reiz. Nur Mädchen ist doch langweilig. Wobei …” Schon schielte Kai einem extrem kurzen Rock hinterher.
“Wenn du meinst.” Mit der Bisexualität seines Kumpels hatte Yuudai wirklich keine Probleme, eher mit dessen Flatterhaftigkeit. Ließ diese Kai doch, wie ein sehr fleißiges Bienchen, hinter jedem kurzen Rock und knackigen Männerhintern jagen.
“Yuudai! Kai! Wisst ihr schon das Neuste?” Laut rufend kam Hiro, ein weiterer Mitschüler über den Hof gerannt und wedelte wild mit den Händen in der Luft umher. “Wir … wir …” Schwer nach Sauerstoff schnappend stützte Hiro sich an der Rückenlehne der Bank ab. “… wir … haben … einen … neuen …”
“Einen neuen was? Pool? Speiseplan? Mensch, Hiro! Jetzt sag’s endlich!” Maulte Kai weil Hiro immer noch schwer schnaufend an der Bank hing und keinen Ton, außer diesem gehetzten Nachluftschnappen, von sich gab.
“… Schüler.” Hiro schob Kai zur Seite und pflanzte sich neben diesen auf die Bank um sich von seinem Dauerlauf zu erholen.
“Einen neuen Schüler?” Misstrauisch schaute Kai auf den atemlosen Hiro. “Ein Wechsler? Mitten im Schuljahr?” Es wäre nicht das erste Mal, dass Hiro sich mit ihnen einen Scherz erlaubte. Aber andererseits war dieser ziemlich fertig, und das, obwohl der Blonde nun wirklich kein Freund von körperlicher Ertüchtigung war.
“Ein Neuer?” Auch Yuudai schaute Hiro überrascht an. Es kam nicht oft vor, dass ein Schüler mitten im Jahr das Internat wechselte. Mit Grauen erinnerte er sich noch an den letzten Quereinsteiger. Goro. Dieser war das perfektionierte Chaos in Person gewesen. Und zu Yuudai´s Leidwesen hatte dieser für fünf Monate mit ihm in einem Zimmer gewohnt. Wobei das Wort `gehaust´ es wohl eher traf. Goro war gerade mal drei Stunden auf dem Internat, und davon eine Stunde in ihrem Zimmer und schon sah es dort aus wie nach einem Bombeneinschlag. Es war ja nicht so, dass Yuudai den etwas verschrobenen Goro nicht leiden konnte, nur dessen nicht vorhandener Ordnungssinn hatte ihn dicht an die Grenze seiner Beherrschung gebracht. Und das wollte bei ihm wirklich was heißen.
“Genau. Und er soll gerade beim Direktor sein.” Hiros Stimme holte Yuudai aus seinen unschönen Erinnerungen. “Zumindest hat das Kaita erzählt. Und der hat’s von Jugary gehört.” Fuhr Hiro in seiner Erklärung fort.
“Ja, ja, und meine Tante Ellie hat gesagt, das Jaya hat gesagt, dass …” Kai konnte es sich nicht nehmen lassen den Jüngsten in ihrer Runde etwa zu ärgern. Jedoch wurde er von der Lautsprecherdurchsage unterbrochen.
“Herr Matsuako, bitte begeben sie sich umgehend in das Direktorat. Herr Matsuako, bitte!”
Alle Drei schauten überrascht zu dem kleinen Lautsprecher hinauf.
“Was wollen die den von dir … Yuudai?” Kai schaut sich um, und konnte den Gerufenen gerade noch um die nächste Ecke biegen sehen.
“Ah, Herr Matsuako! Es freut mich, dass sie so schnell zu uns gefunden haben.” Begrüßte der Direktor seinen Schüler überschwänglich. Und genau dies ließ Yuudai stutzig werden. Zwar war der Direktor kein unhöflicher Mensch, aber so liebenswürdig, wie er ihn gerade empfing, war er nur, wenn er etwas von einem wollte. Oder eher etwas Unerwünschtes befahl.
“Wie ihnen vielleicht schon zu Ohren gekommen ist, haben wir seit heute einen neuen Schüler an unserem Internat.”
Yuudai schwante Böses.
”Und da sie ja einer unserer Vorzeigeschüler sind, habe ich mir gedacht, dass Herr Onitsuka genau der richtige Mitbewohner für sie wäre. Zumal ihr Zimmer eines der Wenigen ist, in dem noch ein Bett frei ist, habe ich mir erlaubt Herrn Onitsuka bei ihnen einzuquartieren.” Mit einem ziemlich überheblichen, aber bestimmenden Lächeln sah der Direktor Yuudai an.
Dieser verdrehte nur innerlich die Augen. “Es wird mir eine Freude sein, ihn willkommen zu heißen.” Entgegnete er gespielt freundlich. Sein Inneres schrie hingegen laut auf. Aber was wäre Yuudai für ein Musterschüler wenn er dies dem Direktor mitten ins Gesicht gesagt hätte? So nickte er und versuchte gute Miene zum schlechten Spiel zumachen.
“Ah, da ist er ja auch schon!” Die Tür zum Sekretariat wurde geöffnet und sein neuer Zimmergenosse betrat den Raum.
“Darf ich vorstellen? Herr Shima Onitsuka. Herr Yuudai Matsuako.” Der Direktor deute von Einem zum Andern. “Ich hoffe sie beide werden gut miteinander auskommen. Es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt auch schon wieder ihnen verabschieden. Eine Sitzung, sie wissen schon.” Mit diesen Worten war der Direktor auch schon aus dem Raum verschwunden und ließ die beiden Fremden allein zurück.
Ein Mädchen? Das war der erste Gedanke der Yuudai durch seinen Kopf schoss.
Ein schlanker, beinahe zierlicher Körper stand ihm gegenüber. Zwar nur einen halben Kopf kleiner als er selbst und doch wirkte er so zerbrechlich. Das blasse Gesicht wurde von langen, schwarzen Haarsträhnen umrahmt und die tiefgrünen Augen raubten Yuudai kurz den Atem. Auch die Hände, die einen Zeichenblock fest umklammerten, waren schlank und langgliedrig.
“Es freut mich sie kennten zu lernen Herr Matsuako.” Die Stimme, die wesentlich dunkler und samtiger war als die Stimme eines Mädchens jemals sein könnte, holte Yuudai aus seinen abstrakten Gedanken. Scheinbar stand da wirklich ein Junge vor ihm. Noch dazu sein zukünftiger Zimmergenosse.
“Yuudai. Einfach nur Yuudai.” Was hatte er da gerade gesagt? Ohne wirklich zu wissen warum, hatte Yuudai einem Ihm völlig Wildfremden einfach das Du angeboten? Nur weil es sich bei ihm um seinen neuen Zimmergenossen handelte? Was war nur plötzlich in ihn gefahren? Sollte er dem Neuen nicht gleich zeigen, wer hier das Sagen hatte?
“Freut mich … Yuudai.” Die schlanke Gestalt verbeugte sich leicht. “Mein Name ist Shima.”
Der sanfte Klang der Stimme hallte leise in Yuudai nach und brachte ihn kurz aus dem Konzept. Doch ein kurzer Gedanke an Goro, schon riss Yuudai sich wieder zusammen und er blickte den Neuen ernst an.
“Gut, Shima. Merk dir eins, es ist mein Zimmer, in das du einziehst. Das heißt, dass du es so ordentlich verlässt, wie du es vorfindest. Ich will kein Zeugs von dir herumfliegen sehen. Nachts schlafe ich, also absolute Ruhe. Verstanden?”
Die tiefgrünen Augen seines Gegenübers schauten ihn kurz überrascht an, eh jegliche Gefühlsregung aus Shima´s Gesicht verschwand.
“Ich werde mich bemühen dir nicht zu Last zufallen.” Abermals verbeugte Shima sich leicht.
“Gut.” Yuudai nickte leicht. “Dann komm mal mit, ich werde dir alles zeigen.”
Sie schritten den Gang entlang und Yuudai erklärte Shima wo die Klassenzimmer, Toiletten, die Sporthalle und noch andere wichtige Räume waren. Ehe sie sich auf den Weg in den Wohntrakt machten. Er fragte sich im Stillen, was für ein Bild sie wohl dabei abgaben. Gegensätzlicher als sie beide, konnten zwei Jungs wohl kaum sein.
Shima war schlank, ein wenig kleiner als er selbst und wirkte eher zerbrechlich. Yuudai sah man seine Leidenschaft für Sport nur zu gut an. Nicht, dass er von Muskelpaketen bepackt war, aber eine athletische Figur hatte er schon.
Shima´s Haut war so hell, beinah Alabasterfarben. Während er selbst, durch seine Aktivitäten im Freien, immer leicht gebräunt war.
Die langen, schwarzen Haare seines neuen Zimmergenossen schimmerten wie reinste Seide. Ganz im Gegensatz zu seinen, etwas widerborstigen braunen Strähnen, mit denen er sich jeden Morgen abplagte, um eine einigermaßen anständige Frisur hinzu bekommen. Daher hatte er auch vor einiger Zeit beschlossen, sein Haar so lang wachsen zulassen, dass er es im Nacken zusammenbinden konnte. Nur leider fehlten dazu noch ein oder zwei Zentimeter.
Und da waren noch die Augen. Yuudai´s Augen hatten ein helles Blau mit leichten silbernen Funken darin.
Shima´s Augen dagegen hatten einen satten, tiefen Grünton. Eine Farbe, die irgendwie unwirklich erschien.
Aber warum interessierte er sich neuerdings für die Augenfarbe eines Jungen? So was hatte ihn doch eigentlich nicht zu interessieren. Um die wirren Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, schüttelte er diesen leicht und konzentrierte sich wieder mehr auf ihre Umgebung. Gerade noch rechtzeitig um nicht an ihrem Zimmer vorbei zulaufen. “So, hier wären wir. Das ist unser Zimmer.” Yuudai öffnete die Tür und ließ Shima den Vortritt.
“Es ist wirklich schön hier. Und so groß.” Drang dessen Stimme leise an die Ohren des Größeren.
“Ja, aber das ist kein Grund hier alles zu verstreuen.” Yuudai hatte sich wieder etwas gefangen und wollte nun von Anfang an einige Regeln festlegen. Etwas was er bei Goro versäumt hatte und seit da an im Chaos seines Mitschülers leben musste. Und das sollte nun wirklich nicht noch einmal geschehen.
“Das linke Bett, der Schrank und der Schreibtisch an der Wand ist mir. Das heißt für dich, Finger weg von meinen Sachen. Ich lege sehr viel Wert auf einen ordentlichen Lebensraum. Also räum deine Sachen nach Benutzung wieder dahin, wo sie hingehören.” Während seiner Ansprache lief Yuudai durch Zimmer und zeigte Shima seine Seite des Zimmers. “Das kleine Badezimmer ist für uns Beide, aber auch da heißt es Ordnung halten und Finger weg von meinem Zeug.” Er öffnete kurz die Tür zu ihrer Nasszelle und ließ Shima einen Blick in diese werfen. “So, ich denke damit wäre fürs Erste alles geklärte, oder?”
“Alles klar.“ Der Schwarzhaarige nickte, schnappte sich seine Tasche und legte diese aufs Bett um seine Sachen auszupacken.
Yuudai wand sich zum Gehen, hielt aber in der offenen Tür noch mal kurz inne. “Ach eins noch, der Unterricht hier ist nicht gerade locker und ich treibe viel Sport, daher brauch ich meinen Schlaf. Und das heiß, dass ich ab zehn Uhr keinen Mucks mehr von dir hören will.”
“Okay.” Shima nickte abermals und hing seine Unform in dem ihn zugewiesenen Schrank. Doch kaum das Yuudai das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ er sich schwerfällig auf das Bett fallen, ließ den Kopf hängen und seufzte leise. Warum hatte er nur gedacht, dass er es in einem anderen Internat einfacher haben würde? Er hatte die Blicke seines Mitbewohners sehr wohl bemerkt. Bemerkt, wie dieser ihn in den ersten Sekunden für ein Mädchen gehalten hatte und nun, da er doch ein Junge war, schiene Yuudai sich nicht wirklich über Shima als Mitbewohner zu freuen.
Niedergeschlagen stand er vom Bett auf und machte sich daran seine restlichen Sachen einzuräumen.
Vielleicht würde Yuudai ihn ja in Frieden lassen. Shima musste sich einfach nur an die Regeln halten, und wenn er dem Braunhaarigen aus dem Weg gehen würde, hätte dieser vielleicht doch kein Problem mit seiner Anwesenheit. Und vielleicht würden ihn seine Mitschüler hier gar nicht großartig beachten. Dann könnte Shima hier endlich in Frieden leben, sich ganz auf seine Bilder konzentrieren und … vergessen.
Seine Hände begannen leicht zu zittern, als er die letzten Bücher ins Regal geräumt hatte. Als wenn er es jemals vergessen könnte.
Shima schüttelte seine Hände, in der Hoffnung das Zittern so aus diesen zu vertreiben. Er musste sich irgendwie ablenken und auf andere Gedanken bringen. Schnell schnappte er sich seinen Zeichenblock vom Schreibtisch und verließ beinahe fluchtartig das Zimmer.
“Nun sag schon! Wie sieht er aus? Wie ist er so? Los, sag schon!” Kai schaute Yuudai neugierig an. Immerhin ging es hier ja um sein potenzielles neues Opfer und da war jede Information wichtig.
“Wenn du mich zu Wort kommen lassen würdest, wüsstest du das alles schon.” Yuudai war genervt, konnte Kai und Hiro aber durchaus verstehen. Er rieb sich kurz über die Stirn und lehnte sich auf der Bank zurück.
“Sein Name lautet Shima Onitsuka. Er ist ein Stückchen kleiner als ich, hat lange schwarze Haare und ist wohl eher der stille Typ.” Faste Yuudai die Fakten kurz zusammen und wartete schon auf die nächsten Fragen.
“Stiller Typ?” Kai´ s Gesicht nahm einen enttäuschten Ausdruck an. “Was soll ich denn mit so einem? So was kannst du im Bett nicht gebrauchen.”
“Ich bezweifel stark, dass er hier an die Schule gekommen ist, um sich von dir bespringen zulassen, Kai!” Lachte Yuudai und auch Hiro stimmte ein, als er den eingeschnappten Kai betrachtete.
Hiros Lachen verstarb abrupt und er rammte Yuudai seinen Ellenbogen in die Seite. “Hey, ist er das?” Er deute auf einen Schüler in der Nähe des Eingangs zum Garten.
“Hm?” Die Köpfe seiner Kumpels drehten sich synchron in Richtung Garten.
“Ja, das ist er.” Yuudai ließ seinen Blick über den Schwarzhaarigen gleiten.
“Sieht eigentlich ziemlich lecker aus.” Auch Kai musterte den Neuen, wenn auch mit einem ganz anderen Hintergedanken. “Echt schade, dass ich nichts mit ihm anfangen kann.” Seufzte er enttäuscht und blickte Shima solange hinterher, bis dieser hinter der Gartenmauer verschwunden war.
“Was hatte der eigentlich unterm Arm?” Kam es nachdenklich von Hiro.
“Ich glaube das war ein Skizzenblock. Laut dem kurzen Lebenslauf, den mir der Direktor gegeben hat, hat Shima ein Kunststipendium bekommen.”
“Ein Künstler also.” Hiro hob leicht die Augenbraue. “Was der wohl so malt?”
“Vielleicht spezialisiert er sich ja auf Akt und bespannt gerade die Mädels von nebenan bei der Gymnastik.” Grinste Kai breit in die Runde.
“Schließ nicht von dir auf andere, Kai.” Yuudai erhob sich kopfschüttelnd. “Wie wärs mit ner Partie Basketball? Ihr gegen mich.”
“Menno, da verlieren wir doch sowieso nur wieder. “Grummelte Hiro, erhob sich aber ebenfalls von der Bank.
“Und wie sieht es mit die aus, Kai?”
“Jo, warum eigentlich nicht.”
“Also abgemacht. In einer halben Stunde auf dem Platz.” Verkündete Yuudai und machte sich auf den Weg in sein Zimmer um sich seine Sportsachen anzuziehen.
Dort angekommen ließ ihn ein kurzer Blick durch Zimmer zufrieden nicken. Shima´s Sachen waren ordentlich weggeräumt. Wenn keine Bücher im Regal und Schreibutensilien auf dessen Schreibtisch gelegen hätten, hätte man vermuten können, dass es keinen zweiten Mitbewohner gab. Vielleicht würde ihr Zusammenleben doch reibungsloser verlaufen als Yuudai befürchtet hatte.
Das Spiel war lang und anstrengend gewesen. Sodass Yuudai erst gegen späten Abend zurück auf sein Zimmer kam. Es öffnete die Tür und stellte verwundert fest, dass kein Licht brannte. War Shima etwa noch unterwegs?
Er betätigte den Lichtschalter und betrat den Raum. Doch hielt er überrascht inne als er seinen Mitbewohner, wie eine Katze eng zusammengerollt, im Bett liegen sah und dessen gleichmäßigen Atem hörte.
Schnell schritt Yuudai zu seinem Bett herüber, schaltete die kleine Nachttischlampe an und die helle Zimmerbeleuchtung aus. Wenn er von Shima verlangte, dass er die Regeln befolgte, was dieser ja auch bis jetzt getan hatte, so konnte er auch ein wenig Rücksicht auf den Schwarzhaarigen nehmen.
Er nahm sich seinen Schlafanzug und schlich leise ins Bad. Ausziehen, Duschen und Anziehen des Schlafanzugs war schnell erledigt und er konnte sich eine halbe Stunde später endlich in sein Bett fallen lassen.
Sein Blick huschte noch kurz über die schlafende Gestalt im anderen Bett. Vielleicht hätte er doch etwas netter zu Shima sein sollen, anstatt ihn gleich mit Regeln zu bombardieren.
Er gähnte leise, knipste die Lampe aus und kuschelte sich tiefer in seine Decke. Er war jetzt einfach viel zu müde um sich über Shima den Kopf zu zerbrechen. Mit einem letzten herzhaften Gähnen schloss er die Augen und war auch schon Minuten später eingeschlafen.
Ein leises, unbekanntes Geräusch weckte Yuudai mitten in der Nacht aus seinem wohlverdienten Schlaf. Müde schlug er die Augen auf und versuchte die Ursache des Geräusches zu finden. Verschlafen schaute er sich im Raum um und erblickte Shima an dessen Schreibtisch. Scheinbar hatte dieser nicht mehr schlafen können und vertrieb sich die ruhelose Zeit mit etwas Sinnvollerem, als im Bett zu liegen und an die dunkle Decke zu starren.
Wobei es noch immer recht dunkel im Zimmer war. Wie konnte Shima nur bei dem bisschen Licht zeichnen? Denn der Schwarzhaarige hatte die Schreibtischlampe nicht eingeschaltete. Er saß im dunklen Zimmer, das nur vom Licht des vollen Mondes beleuchtet wurde, und ließ den Kohlestift über seinen Skizzenblock wandern. Dieser verursachte auch das Geräusch das Yuudai keine Ruhe gelassen hatte. Doch das Verwunderlichste daran war, dass Shima gar nicht auf den Block sah während er zeichnete, sondern aus dem Fenster schaute und scheinbar irgendeinen fernen Punkt in der Weite anvisierte. Seine Augen zuckten nicht im Geringsten und auch das Blinzeln schien der Schwarzhaarig plötzlich verlernt zu haben.
Yuudai drehte sich wieder um und kuschelte sich erneut in die Decke. Wahrscheinlich war Shima einfach nur in Gedanken und würde sich morgen früh über seine versaute Skizze ärgern. Doch das konnte Yuudai doch egal sein. Das nächtliche Verhalten seines Mitbewohners überraschte ihn zwar, aber solange Shima dabei so leise blieb wie im Moment, störte es ihn nicht. Und jetzt, da er ja wusste, was es mit diesem Geräusch auf sich hatte, brauchte er auch nicht lange um wieder ins Land der Träume zu finden.
Als Yuudai am nächsten Morgen erwachte, schlief Shima wieder tief und fest. Scheinbar hatte er dann doch wieder einschlafen können.
Yuudai streckte sich noch mal genüsslich, ehe er die Bettdecke zur Seite schlug und ins Bad tapste, um seine Guten-Morgen-Dusche hinter sich zu bringen. Danach war er immer frisch genug um den neuen Tag erfolgreich zu begegnen.
Wie zu erwarten hatte die Dusche ihr Ziel erreicht und Yuudai betrat erfrisch das Zimmer.
Auch Shima schien in der Zwischenzeit erwacht zu sein. Jedenfalls saß dieser nun im Schneidersitz auf seinem Bett und betrachtete sich nachdenklich seine Finger.
“Guten Morgen.” Yuudai grüßte ihn höfflich und zog sich das Hemd seiner Uniform über.
“Morgen.” Kam es mit einiger Verzögerung und leicht abwesend von seinem Mitbewohner zurück.
Yuudai knöpfte sein Hemd zu und schaute zu Shima rüber.
Dieser saß noch immer da, musterte seine Finger und machte einen leicht verwirrten Eindruck.
“Ist was?” Yuudai schritt zu ihm herüber und sah nun auch was Shima so ausgiebig betrachtete. Zeigefinger und Daumen der rechten Hand waren geschwärzt.
“Hm vielleicht solltest du lieber etwas um deine Kohlestifte wickeln, oder dir noch schnell die Finger waschen, bevor du wieder ins Bett gehst, wenn du schon mitten in der Nacht zeichnen musst.” Meinte der Braunhaarige nur, ging zurück zu seinem Schrank und holte sich die Uniformjacke heraus.
“Wo … woher weißt du, dass ich heute Nacht gezeichnet habe?” Fragte Shima leise und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er nicht erfreut dass Yuudai davon wusste.
“Ich bin wachgeworden und hab dich gesehen. Aber scheinbar warst du zu sehr in Gedanken um es zu bemerken.” Er zuckte nur mit den Schultern und schloss die Knöpfe der Jacke. “Machst du so was öfters?”
“Hm?”
“Na, mitten in der Nacht zeichnen.” Leicht zupfte der Braunhaarige seine Jacke zu Recht.
“Leider.” Murmelte Shima leise und seine Augen wanderten von den geschwärzten Fingern zu der dunkelblauen Zeichenmappe, die neben seinem Bett stand. Ein leichter Ruck ging durch seinen Körper und er schaute Yuudai panisch “Das Bild? Ha … hast du das … das Bild … gesehen?”
Verwundert sah Yuudai seinen Mitbewohner an? Hatte Shima etwa Angst, oder warum stotterte er plötzlich. Wäre es denn so schlimm, wenn er einen Blick riskiert hätte? Vielleicht hatte Kai ja doch recht und sein stiller Mitbewohner war ein kleiner Perverser. Malte heimlich Akte um sich daran aufzugeilen oder sie auf dem Schulhof zu verscherbeln.
Aber so richtig vorstellen konnte er sich das nicht wirklich.
“Keine Panik.” Yuudai zwinkerte ihm zu. “Ich habe nichts gesehn.” Es warf einen kurzen Blick auf die Uhr und wand sich wieder Shima zu. “Du solltest dich beeilen, wenn du vor dem Unterricht noch frühstücken willst.”
Die grünen Augen wanderten zu dem kleinen Wecker auf dem Nachttisch und weiteten sich erschrocken. Schon sprang Shima aus dem Bett, wühlte kurz im Schrank und war auch schon im Badezimmer verschwunden.
Yuudai, der die Aktion leicht schmunzelnd beobachtete hatte, machte sich auf dem Weg in den Speisesaal.
Das Frühstück verlief wie befürchtete. Die gekochten Eier waren schon alle weg und Hiro und Kai nervten ihn die ganze Zeit über mit Fragen, die seinen neuen Mitbewohner betrafen.
Wie froh war Yuudai, als er endlich im Klassenzimmer saß und sich dem Unterricht widmen konnte. Jedenfalls hier hatte er seine Ruhe. Hiro und Kai waren eine Klasse unter ihm und Shima besuchte die Parallelklasse seiner Stufe. Seit dem Aufstehen hatte er den Schwarzhaarigen nicht mehr gesehen. Auch im Speisesaal konnte er dessen schwarzen Schopf nirgends entdecken. Aber wahrscheinlich war Shima erst gekommen, als er und die anderen Beiden schon fertig gegessen und sich auf den Schulhof verdrückt hatten.
Erst in der Pause tauchte Shima wieder auf. Er saß auf einer der abgelegenen Bänke, hatte seinen Skizzenblock auf dem Schoss und bearbeitete diesen wieder mit einem Kohlestift.
Yuudai hatte schon befürchtet, dass Shima sich an ihn heften würde, um nicht in der fremden Menge unterzugehen. Doch wieder einmal schien Yuudai sich in dem Schwarzhaarigen geirrt zu haben. Aber umso besser für ihn. So hatte er seine Ruhe und konnte seinem normalen Tagesablauf folgen.
Shima zeichnete. Er zeichnete alles, was sich einigermaßen zu zeichnen lohnte. Den schrägen Baum in der Ecke, den großen Stein daneben und sogar den überfüllten Mülleimer einige Meter weiter. Und das nur um sich von den Blicken und dem Getuschel abzulenken. Es war überall das Gleiche. Warum hatte er sich eingebildet, dass es an einer neuen Schule anders laufen würde?
Als er heute Morgen den Speisesaal betreten hatte, waren fast alle Mitschüler verstummt und hatten ihn angestarrt. Und kaum das Shima sich ein trockenes Brötchen geschnappt hatte und sich mit schnellen Schritten wieder zum Ausgang begab, hatte das Getuschel eingesetzt.
Klar er war der Neue, ein Quereinsteiger und sah auch nicht wirklich sehr maskulin aus, aber war das denn ein Grund sich so unverhohlen über ihn die Mäuler zu zerreisen?
Auch im Unterricht war es nicht viel besser. Immer spürte er die forschenden Blicke der Mitschüler in seinem Rücken.
Und selbst jetzt stand eine kleine Gruppe von fünf Jungs zusammen, deutenden hin und wieder in seine Richtung und lachten kurz darauf laut auf.
Es war immer dasselbe. Warum konnte man ihn nicht einfach übersehen und in Ruhe lassen?
“Puh, endlich frei!” Hiro streckte sich genüsslich und grinste seine Bankgenossen breit an. “Und was machen wir jetzt mit unserer kostbaren Freizeit?”
“Bloß kein Basketball. Mir tun von gestern noch alle Knochen weh!” Maulte Kai und rieb sich demonstrativ den rechten Oberarm. “Wie wäre es, wenn wir unserem Stammcafé mal wieder einen Besuch abstatten würden?” Ein breites Grinsen erschien in seinem Gesicht.
“Du meinst nicht rein zufällig das Café an der Straßenecke direkt neben dem Mädcheninternat, in dem sich jetzt wahrscheinlich einige Uniformröckchen versammelt haben?” Kam es belustig von Yuudai. Aber einem Eis war er auf jeden Fall nicht abgeneigt.
“Was du wieder von mir denkst!” Kam es empört von Kai, der jedoch gleich kichern musste. Ein guter Schauspieler war er ja noch nie gewesen.
“Also auf dann.” Scheuchte Hiro sie auf. “Ich will eine heiße Schokolade, und zwar sofort!” Schon marschierte er los und Yuudai und Kai hatten Mühe ihm bis zum Schultor einzuholen.
Genüsslich brummte Yuudai als er sich auf sein Bett fallen ließ.
Der Abstecher ins Café war zwar nett gewesen, hatte aber dank Kais Eroberungsfeldzug wesentlich länger gedauert als geplant. Sie waren erst gegen halb zehn zurück ins Internat gekommen und Yuudai hatte sich gleich auf sein Zimmer verzogen. Schließlich hatte er morgen früh einen Test zu schreiben und diesen wollte er bestimmt nicht wegen Schlafmangels in den Sand setzten.
Wie schon am Abend zuvor hatte er seinen Mitbewohner schlafend in dessen Bett vorgefunden, sich selbst schnell seiner Sachen entledigt um sich noch schnell seine abendliche Dusche gegönnt.
Entspannt von dem heißen Wasser und etwas geschafft vom ersten Schultag, schlief er nur Minuten später tief und fest.
Auch als wenige Stunden später erneut das leise Kratzen eines Kohlestifts an seine Ohren drang, war ihm dies lediglich ein leichtes Blinzen wert. Ein kurzer Blick. Es war das gleiche Bild wie die Nacht zuvor. Shima saß am unbeleuchteten Schreibtisch, die dunkelblaue Zeichenmappe aufgeschlagen neben sich, schaute aus dem Fenster und ließ den Kohlestift über das Blatt des Skizzenblocks wandern. Der gleiche Anblick wie in die Nacht zuvor. Also schloss Yuudai einfach wieder die Augen und schlief weiter.
Als er am Morgen erwachte, kam sein Mitbewohner gerade aus dem Bad, wünschte ihm einen guten Morgen und war auch schon kurz darauf mit dem Skizzenblock unterm Arm aus dem Zimmer verschwunden.
“Hm.” Zwar wunderte sich Yuudai etwas über Shima´s das Verhalten, aber was sollte er sich beschweren? Er hatte seine Ruhe, und genau so hatte er es doch gewollt.
Auch der restliche Morgen verlief recht unspektakulär. Der Test war einfach ausgefallen als erwartet und Yuudai machte sich wegen der Ergebnis nicht allzu große Sorgen. Ganz im Gegensatz zu Hiro. Dieser saß neben Kai auf der Bank, nuckelte lustlos an seinem Orangensaftpäckchen und wirkte alles in allem recht unglücklich.
“Nun komm schon, Hiro.” Tröstend legte Kai ihm den Arm um die Schulter. “So schlimm kann es doch nun wirklich nicht sein.”
“Du hast ja leicht reden.” Seufzte Hiro kellertief. “Ich glaub ich hab´s total verbockt.”
“Es war doch nur ein Übungstest, Hiro” Auch Yuudai versuchte seinem Kumpel etwas Mut zu zusprechen. “Auch wenn du ihn vermasseln haben solltest, wirkt es sich nicht auf deine Noten aus.”
“Hm. Vielleicht habt ihr Recht.” Hiro nuckelte den letzten Rest Saft aus dem Tetrapack. “Ich hol mir noch einen Saft.” Er schob Kais Arms von seinem Schultern, hievte sich hoch und schleppte sich in Richtung Getränkeautomat davon.
“Man, so depri gefällt mir unser Hiro aber gar nicht.” Murmelte Kai und schaute dem Todunglücklichen hinterher.
“Der fängt sich schon wieder.” Auch Yuudai sah Hiro nach. “Du kennst ihn doch. Es wird nicht lange dauern, dann er hat ein neues Gerücht gehört und der Test ist vergessen.”
“Auch wieder wahr.” Lachte Kai, lehnte sich wieder an die Bank, schloss die Augen und hielt sein Gesicht der wärmenden Sonne entgegen. Doch schon bald schob sich etwas zwischen die Sonne und sein Gesicht und ließ ihn unwillig grummeln.
“Hallo Kai.” Die tiefe, leicht rauchige Stimme zauberte ein feines Lächeln auf Kai´s Lippen.
“Hallo Akira.” Kai öffnete seine Augen und sah in die sturmgrauen seines Gegenübers. “Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?”
“Ich wollte dich fragen, ob du für heute Abend schon was vorhast.” Akira ließ seine Finger in den Nacken des Sitzenden wandern und strich hauchzart über die empfindliche Haut.
“Hm, bis jetzt habe ich noch nichts geplant.” Kai schloss seine Augen wieder und genoss die zärtliche Berührung. “Und du?”
Akira beugte sich zu Kai herunter, dicht an dessen Ohr. “Um acht auf meinem Zimmer?”
“Gern.” Nickte Kai und grummelte leicht enttäusch, als sich der heiße Atem, ebenso wie die wohltuenden Finger von ihm entfernten.
“Bis dann.” Akira zwinkerte ihm noch einmal kurz zu, ehe er sich wieder umwand und ging.
Kai sah ihn noch kurz nach und leckte sich vorfreudig über die Lippen.
“Was wollte der denn hier?” Hiro kam zurück, an einem neuen Saftpäckchen nuckelnd und schaute neugierig zwischen seinem Kumpels und Akira hin und her.
“Scheinbar hat unser lieber Kai ein Date.” Yuudai grinste zu Kai herüber.
“Ein Date?” Mit großen Augen schaute Hiro zu Kai. Es wusste zwar, dass Kai dem eigenen Geschlecht nicht abgeneigt war, aber mit erlebt hatte er es bis jetzt noch nicht.
“Es ist kein Date. Es geht nur um guten Sex.” Erklärte Kai nüchtern und sonnte sich gelassen weiter.
Hiros Augen wurden noch größer. “Du hast … Sex … mit Akira?”
“Yupp!” Grinste Kai. “Und was für welchen!”
Hiro sagte erst einmal nichts mehr, sondern nuckelte weiter an seinem Saft.
Yuudai, der das Ganze beobachtete hatte, lehnte sich zurück und wartete. Hiro war die Neugierde in Person. Schon jetzt sah er, dass es hinter dessen Stirn schwer arbeitete. Also würde es nicht mehr lange dauernd, bis dieser mit der nächsten Frage herausplatzte.
“Ähm … wie funktioniert das eigentlich? Ich meine bei Mädchen ist das schon klar, aber bei zwei Jungs?” Neugierig, aber dennoch etwas rot um die Nase, schaute er zu Kai herunter.
Dieser grinste nun breit. “Das willst du wirklich wissen?” Er öffnete seine Augen wieder und setzte sich etwas gerader hin. “Also gut. Als Erstes muss der Uke, also der, der beim Akt untern liegt, vorbereitete werden. Das heißt, dass er mit Hilfe von Fingern und Gleitgel geweitete werden muss, bevor der Seme, das ist der, der den aktiven Part übernimmt, in ihn eindringen kann. Natürlich kann man auf das Ganze auch verzichten. Aber glaub mir, das ist nur was für sehr masochistisch veranlagte Uke und keinesfalls weiter zu empfehlen. Im schlimmsten Fall kann man danach im Krankenhaus landen. Also immer schon weiten und schön viel Gel verwenden. Falls man gerade kein Gel zur Hand hat, weil es vielleicht zu spontan Sex kommt, kann man auch irgendwelche Cremes oder zur Not auch Speichel nehmen. Der ist zwar nicht so gut, aber alles besser als trocken. Denn was bringt der beste Seme, wenn es einfach nicht richtig flutschen will. Klar soweit?”
“Ähm.” Hiros Gesicht hatte während Kais Ausführungen eine ziemlich gesunde Farbe bekommen. “Schon, aber …”
“Aber, was?” Immer noch grinste Kai den neben ihm Stehenden breit an.
“Na ja, ich … wo … ich meine, wo wird der Uke denn vorbereitet?” Sein Gesicht wurde noch eine Spur roter.
Kais Grinsen hatte plötzlich etwas sehr Listiges an sich, als sein Arm sich von der Rückenlehne der Bank löste und er mit der Hand über den Rücken Hiro´s strich. Am Steiß angekommen, fuhr er weiter nach unten, schlüpfte in die Spalte. “Genau hier!” Er drückt etwas fester zu.
Hiro quietschte erschrocken auf und sprang zur Seite. “Finger weg, du Perversling!” Mit hochrotem Gesicht funkelte er Kai böse an.
Doch dieser zuckte nur leicht mit den Schultern. “Du bist doch derjenige, der es ganze genau wissen wollte, also beschwer dich nicht!”
“Aber, aber …Yuudai, sagt doch auch mal was!” Überfordert mit der Situation wand sich Hiro nun an den Dritten im Bunde.
“Was soll ich schon sagen, Hiro? Du kennst ihn doch. Du bist selbst schuld.”
“Aber … ich … ihr seid doof!” Schon rauschte Hiro, mit noch immer hochrotem Gesicht davon.
“Na, wenigsten hat er den vermasselten Test vergessen.” Kam es lachend von Kai und auch Yuudai stimmte kurz darauf ein.
Seitdem verlief die Pause genauso ereignislos wie der Rest des Schultages.
Hiro hatte sich beruhigt und sich, gemeinsam mit Yuudai und Kai, bei einem kleinen Basketballspiel auf dem Sportplatz ausgetobt.
Auch der Rest der Schulwoche verlief ruhig. Yuudai brachte den Unterricht gut hinter sich und gewöhnte sich auch langsam an Shima und dessen Eigenarten. Nur noch selten wachte er von dem kratzenden Geräusch des Kohlestiftes auf und wenn doch, dann sah er das gewohnte Bild und schlief kurz darauf wieder ein.
Am Wochenende bekam er seinen Mitbewohner kaum zu Gesicht. Yuudai schlief meist länger, und wenn er dann doch irgendwann aufwachte, war Shima´s Seite des Zimmers bereits verwaist. Nur hin und wieder sah er ihn in irgendeiner Ecke sitzen und zeichnen. Scheinbar hatte Shima noch keine Freunde gefunden, oder aber er wollte einfach seine Ruhe haben. Zumindest konnte sich Yuudai nicht daran erinnern ihn irgendwann mit einem der anderen Schüler gesehen zu haben.
“So nachdenklich, mein Prinz?” Kai beugte sich zu seinem Mitschüler herüber und sah ihn tief in die Augen. “Liebeskummer?”
“Nein.” Yuudai verdrehte leicht die Augen und schob Kai von sich.
“Aber irgendetwas ist doch. Du denkst doch schon die ganze Zeit über irgendetwas nach.” Kai setzte sich wieder gemütlich hin, schaute Braunhaarigen aber noch immer neugierig an.
“Stimmt.” Hiro nickte und schob sich ein weiteres Reisbällchen in den Mund.
Yuudai seufzte leicht und legte seinen Kopf in den Nacken. “Ich hab über Shima nachgedacht. Er scheint nicht wirklich Anschluss zu finden, oder habt ihr ihn schon mal mit einem der Anderen reden sehen?” Er drehte seinen Kopf etwas, um seine Kumpels anzuschauen.
“Öhm … ich glaube nicht.” Nuschelte Hiro zwischen zwei Bissen.
“Vielleicht ist er auch einfach nur zu schüchtern, um auf andere zu zugehen,” meinte Kai, überlegte kurz und grinste dann breit in die Runde. “Ich hab´s! Am Freitag ist doch Sommerfest. Wir schnappen ihn uns einfach und mischen uns unters Volk. Wäre doch gelacht, wenn er da niemanden kennenlernen würde.”
“Hm. Ich weiß nicht.” Yuudai war von Kais Idee nicht sehr begeistert. Nicht, dass er Shima nicht mitnehmen würde, aber er wusste nicht ob der Schwarzhaarige sich in dem Gedränge wohlfühlen würde.
Nachdenklich zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Seit wann machte er sich eigentlich so viele Gedanken um seinen Mitbewohner?
“Ach was. So wird’s gemacht und basta!” Kai grinste immer noch breit und auch Hiro schien von seinem Vorschlag begeistert.
“Wird bestimmt lustig.” Hastig schluckte der Blonde den Bissen herunter. „Komm schon Yuu.”
“Na gut. Ich kann ihn ja mal fragen.” Seufzte dieser ergeben. “Aber wenn er nicht will, dann lasst ihr ihn in Ruhe, okay.”
“Cool!” Triumphierend regte Kai die Faust in die Luft. “Das wird ein Fest!”
Erst am Donnerstag, direkt nach Unterrichtsende bekam Yuudai die Gelegenheit mit seinem Mitbewohner zu sprechen. In den letzten Tagen war es wie verhext. Entweder war Shima unauffindbar gewesen, oder aber er hatte schon schlafend in seinem Bett gelegen. Doch heute hatte Yuudai Glück.
Er hatte das Zimmer betrete, es leer vorgefunden und wollte auch schon wieder auf den Flur treten, als sich die Tür zu ihren kleinem Badezimmer öffnete. Shima trat heraus und trocknete sich mit einem Handtuch die Haare.
“Kann ich mal kurz mit dir reden?” Yuudai´s Stimme hatte ruhig geklungen und doch war sein Mitbewohner merklich zusammengezuckt.
“Ich … stimmt was nicht?” Schnell huschten die grünen Augen durch den Raum und blieben kurz an der dunkelblauen Zeichenmappe neben dem Bett hängen. Hatte Yuudai etwa doch …?
“Nein, alles bestens.” Yuudai setzte sich auf sein Bett. “Ich, das heißt die Jungs und ich, wollten dich fragen, ob du morgen mit uns zum Sommerfest willst.”
“Ihr …“ Shima ließ das Handtuch sinken und schaute den Braunhaarigen mit großen Augen an. “Ihr würdet mich echt mit nehmen?”
“Klar. Warum auch nicht? Kai und Hiro würden dich gerne kennenlernen und da ist das Fest doch die beste Gelegenheit.”
“Ich …” Shima wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Es war das erste Mal seit Langem, dass ihn jemand zu einem Fest eingeladen hatte. Überhaupt war es schon sehr lange her, dass ihn jemand einfach so kennenlernen wollte.
“Nun komm schon Shima, es wird langsam Zeit, dass du hier mal ein paar Freunde findest, und die Zwei sind echt in Ordnung. Außerdem soll das Fest sogar noch größer sein als das im letzten Jahr und das will schon was heißen.”
Noch immer schaute Shima seinen Mitbewohner unschlüssig an. “Wann wollt ihr denn los?”
“So um drei wollten wir uns auf dem Schulhof treffen.”
“Dann kann ich leider nicht mit. Ich bin bis halb vier im Kurs.” Einerseits war Shima erleichtert, sich so vor der Verabredung drücken zu können, aber andererseits bedauerte er es doch auch irgendwie.
“Kein Problem, wir können ja auch ein bisschen später los.” Grinsend stand Yuudai auf. “Bis um vier bist doch ausgehfertig, oder?”
“Denke schon.” Shima nickte leicht und fragte sich immer noch, ob es wirklich eine gute Idee war.
“Gut. Dann um vier auf dem Hof.” Der Braunhaarige grinste noch etwas breiter. “Ich sag dann gleich Kai und Hiro Bescheid.” Schon war Yuudai aus dem Zimmer verschwunden und ließ einen etwas überrumpelten Mitbewohner darin zurück.
“Soll ich dir einen Spiegel bringen, Prinzessin?” Leise lachend betrachtete Yuudai sich seinen Kumpel. Zupfte dieser doch immer mal wieder an seinen Haaren herum und sah auch sonst wie aus dem Ei gepellt aus. Entweder hatte Kai sich für Shima so herausgeputzt, oder aber er würde nachher auf dem Fest auf Beutefang gehen.
“Sagt gerade der Richtige.” Kai streckte ihm die Zunge raus. “Immerhin hast du dich auch ganzschön aufgehübscht, oder?”
“Da hat Kai Recht, Yuu.” Mischte sich nun auch Hiro ein. “Hast dich ja richtig schnieke gemacht.”
“Darf man sich heute nicht mal mehr was Ordentliches anziehen, oder was?” Gab Yuudai nur zurück und schaute abermals auf seine Armbanduhr.
“Dein Shima lässt sich aber ganzschön Zeit.” Murrte Kai und zupfte wieder eine seiner Strähnen zu Recht. “Hatten wir nicht vier Uhr ausgemacht?”
“Wie spät haben wirs denn jetzt?” Neugierig schaute Hiro auf Yuudai´s Uhr. “Was? Schon viertel nach?” Leise grummelnd stopfte er sich die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich wieder an die Wand. “Der hat ja echt nette Manieren, uns gleich bei der ersten Verabredung warten zu lassen.”
“Ich schau mal, wo er bleibt.” Auch Yuudai wunderte sich über die Verspätung.
“Mach das, wir warten hier.” Kai fischte sich sein Handy aus der Tasche und tippte darauf herum.
“Okay, bis gleich.“ Mit schnellen machte Yuudai sich auf dem Weg. Er wusste nicht warum, aber er hatte ein ungutes Gefühl.
Shima drückte sich eng an die Wand in seinem Rücken und zitterte am ganzen Leib.
“Schau mal, du machst der Kleinen ja richtig Angst.” Lachte einer der Zwölftklässler, die Shima abgepasst hatten.
“Man Kito, mach endlich.” Nörgelte der hochgewachsene Blonde, der schräg hinter den Anderen stand. “Ich will endlich aufs Fest.”
“Ganz ruhig Go, wirst schon noch deinen Spaß haben, aber erst einmal kümmern wir uns um unsere kleine Diva hier.” Breit grinsend wand Kito sich wieder Shima zu. “So, meine Kleine, jetzt wollen wir doch mal sehen, was du wirklich bist.” Mit einem Ruck riss er das Hemd des Schwarzhaarigen auf und entblößte somit dessen Oberkörper. “Hm, also Titten hat´s schon mal nicht.”
Laut lachten die Anderen auf. “Du musst aber auch untern herum nachschauen.” Kam eine Stimme aus der Menge und Kito grinste noch breiter. “Wo er recht hat, hat er recht.” Schon machte Kito sich an Shima´s Gürtel zu schaffen.
“Nicht.” Kamm es nur leise von dessen Lippen. Jedoch hatte er nicht genug Kraft um sich gegen Kito zu wehren. Und selbst wenn er es schaffen würde und sich aus dessen Griff befreien könnte, so waren da noch die vier anderen Zwölftklässler, die ihren Anführer aufmunternd zu grölten.
Geschlagen, weil er Kito nicht aufhalten konnte, wand er sein Kopf zur Seite und versuchte dessen Hände auszublenden. Genauso wie die Bildern aus der Vergangenheit, die nun auf der Dunkelheit auftauchten und auf ihn einstürzten.
“NIMM SOFORT DEINE DRECKIGEN FINGER VON IHM!” Kito wurde an der Schulter von Shima weg gerissen und machte schmerzhafte Bekanntschaft mit Yuudai´s Faust, die ihn hart am Kinn traf.
“Du elender … “ Kito war zu Boden gegangen, funkelte Yuudai finster an und sprang auf diesen zu. “Dafür polier ich dir die Fresse!”
“Versuchs doch, Großmaul!” Ohne große Mühe konnte Yuudai den unkoordinierten Schlägen ausweichen, während seine Faust ihr Ziel stets traf.
“YUU, HÖR AUF! SONST BRINGST DU IHN NOCH UM!” Kai klammerte sich am Arm seines Kumpels fest und versuchte ihn von am Boden kauernden Kito wegzuziehen.
“Ich hab Bescheid gesagt! Der Direktor müsste gleich da sein!“ Hiro, der ebenfalls herbeigeeilt war, fuchtelte mit seinem Handy herum.
“Scheiße!” Die Meute wurde unruhig. “Nichts wie weg!” Go und einer der Anderen hievte ihren schwer angeschlagenen Anführer hoch und machten, dass sie wegkamen.
“Sach mal drehst du jetzt total am Rad? Was soll der Scheiß?” Hiro steckte sein Handy wieder weg und stand nun laut schimpfend vor Yuudai. “Du bist doch sonst immer so vernünftig und jetzt prügelst du dich einfach so mit denen rum? Ich glaub´s echt nicht!” Er raufte sich die Haare und tigerte unruhig hin und her. “Hoffentlich rennen die nicht zum Direx, dann bist du nämlich ganzschön am Arsch mein Lieber!”
“Shima.” Kam es nur leise von Yuudai.
“Was?” Langsam ließ Kai den Arm des Braunhaarigen los.
“Wo …” Yuudai schaute zu der Stelle an der Shima noch vor wenigen Augenblicken an die Wand gepresst und von Kito bedrängt worden war. Doch von Shima war weit und breit nichts zu sehen. Lediglich seine Zeichensachen und ein Stück des zerrissenen Hemds lagen dort auf dem Boden. “Wo ist Shima!”
“Shima?” Hiro sah zu Kai, doch dieser zuckte nur kurz mit den Schultern.
“Ja verdammt!” Yuudai beugte sich hinunter und hob die Sachen seines Mitbewohners auf. “Er war eben noch hier und dieses Schwein Kito hat ihn angefasst!” Er hielt Kai und Hiro das Stück Stoff, dass vor kurzen noch zu Shima´s Hemd gehört hatte, unter die Nase. “Ich muss ihn finden.” Murmelte er leise.
“Ach deswegen bist du auf Kito los gegangen.” Hiro schnappte sich den Stofffetzen. “Das erklärt natürlich einiges.”
“Was meinst du, wohin könnte er verschwunden sein? Yuu?” Kai sah sich suchend um und konnte Yuudai nur noch um die Ecke verschwinden sehn. “YUU! WART AUF UNS!” Schon rannte Kai, dicht gefolgt von Hiro, hinter dem Braunhaarigen her.
“Wieder nichts.” Erschöpft ließ Hiro sich auf die Bank fallen. “Wo zur Hölle hat der sich denn versteckt?”
“Kein Plan.” Auch Kai, der nicht weniger außer Atem war als Hiro, ließ sich auf die Bank fallen. “Wir suchen jetzt schon fast drei Stunden und er ist wie vom Erdboden verschwunden.”
“Genau. Auf eurem Zimmer war er nicht. Genauso wenig wie im Garten, in der Bibliothek oder sonst wo. Ich hab echt keinen Schimmer wo wir noch suchen sollen, Yuu.” Hiro streckte seine Beine aus und massierte sich die schmerzenden Waden.
“Ich weiß doch auch nicht.” Yuudai fuhr sich durch Haar. “Ich geh noch mal aufs Zimmer. Vielleicht ist er ja jetzt da.”
“Mach das.” Kai lehnte sich geschafft an die Rückenlehne der Bank. “Ich mach keinen Schritt mehr.“
“Sag Bescheid, wenn du ihn gefunden hast.” Meine Hiro und lehnte sich ebenfalls zurück.
“Okay.” Yuudai nickte kurz und eilte dann zu ihrem Zimmer. Er wusste nicht, was er machen sollte, wenn der Schwarzhaarige weiterhin verschwunden blieb. Schnell nahm er mehrere Treppenstufen auf einmal, hechtete regelrecht durch den Flur bis zu der Tür ihres Zimmers. Shima musste einfach da sein.
Kurz atmete Yuudai tief durch, griff nach der Klinke und drückte sie hinunter. Im Zimmer brannte kein Licht und kein Ton war zu hören. Der Braunhaarige wollte schon wieder umkehren, um seine Suche fortzusetzen, als er eine Bewegung im Raum wahrnahm. Hastig suchte seine Hand den Lichtschalter, fand ihn und knipste das Licht an.
Yuudai atmete erleichtert auf, schaltete das Licht wieder aus und fischte sein Handy aus der Hosentasche. Die Sms war schnell getippt, verschickt und ließ zwei müde Schüler auf einer Bank des Schulhofes ebenfalls aufatmen.
Er schloss leise die Tür hinter sich, zog seine Schuhe auf und schlich auf leisen Sohlen zu seinem Nachtisch. Dort schaltete er die kleine Lampe an und ging zu dem Bett seines Mitbewohners herüber. Er konnte es sich nicht erklären, aber sein Herz machte einen kleinen Sprung als er Shima schlafend und tief in die Decke gekuschelt vor fand. Jedoch durch zog seine Brust ein feiner Stich, als er die getrockneten Tränenspuren entdeckte.
Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und strich dem Schlafenden sanft übers Haar. Wie konnte man so einem zarten Wesen nur Gewalt antun? Allein wenn Yuudai an das Bild dachte, das sich ihm geboten hatte, als er um die Ecke gebogen war um Shima zu suchen, würde er sich Kito am liebsten noch einmal vornehmen. Auch wenn dieser heute Nacht bestimmt höllische Schmerzen haben würde, so hatte er es auf jeden Fall verdient. Niemand vergriff sich ungestraft an seinem Shima.
Yuudai sprang auf und stolperte einige Schritte zurück. Was zum Geier dachte er da bloß? Was war nur mit ihm los? Er schaute auf seine Finger, welche bis eben noch durch das seidig Haar des Schlafenden gestrichen hatten.
Kopfschüttelnd wand Yuudai sich ab und verschwand im Badezimmer. Schnell hatte er sich seiner Sachen entledigt und unter die Dusche gestellt. Während er sich einschäumte, dachte er abermals über sich, die Geschehnisse des Tages und über Shima nach. Doch der einzige Schluss, zu dem er kam war, dass hier Irgendetwas gewaltig schief lief.
Auch als er schon im Bett lag, sich von einer Seite auf die Andere wälzte, wusste er nicht, was plötzlich in ihn gefahren war. Klar war Shima einer seiner Mitschüler, sogar sein Zimmergenosse, aber war das der einigste Grund Kito fast krankenhausreif zu schlagen? Okay, was dieser sich geleistet hatte, war nun wirklich unter aller Sau, aber Yuudai hätte ihn auch anders aufhalten können.
“Oh man.” Er drückte kurz sein Gesicht ins Kopfkissen und versuchte seine wirren Gedanken zu stoppen. Es war schon fast zwei Uhr morgens und er hatte noch kein Auge zu gemacht. Als seine Luft langsam knapp wurde, hob Yuudai den Kopf wieder an und drehte sich zur Wand. Er musste jetzt echt schlafen, sonst würde er morgen zu nichts zu gebrauchen sein.
Anscheinend hatte er es doch geschafft ein zugeschlafen. Wie sonst ließ sich erklären, dass ihn das leise, vertraute Kratzen eines Kohlestiftes geweckt hatte. Yuudai blinzelte kurz, sah Shima am Tisch sitzen und schloss wieder die Augen. Er war fast schon wieder eingeschlafen als ihn auffiel, dass etwas an dem Anblick nicht gestimmt hatte. Erneut öffnete Yuudai die Augen und betrachtete Shima genauer. Und tatsächlich saß dieser, nicht wie sonst gedankenverloren aus dem Fenster schauend, sondern hoch konzentriert über seinen Zeichenblock gebeugt. Auch wenn die Schreibtischlampe nicht eingeschaltete war, konnte Yuudai denn traurigen Ausdruck deutlich erkennen.
Dann setzte Shima sich wieder aufrecht hin, packte den Kohlestift zurück in sein Mäppchen, verschloss dieses und legte es akkurat auf dessen Platz. Kurz sah er noch einmal auf das Blatt Papier, ehe er den Stuhl leicht anhob und leise zurück schob.
Yuudai beobachtete ihn dabei. Nur Sekunden später riss er die Augen auf und sprang aus dem Bett.
Shima hatte das Fenster geöffnet, war über den Stuhl auf den Tisch gestiegen und stand nun dicht am Fensterrahmen.
“Nicht!” Gerade als der Körper des Schwarzhaarigen nach vorne kippte, bekam Yuudai Shima´s Handgelenk zu fassen und zog ihn zurück.
Mit einem lauten Poltern landeten sie auf dem Fußboden. Doch kaum das Yuudai den Griff um den Arm des Schwarzhaarigen gelockert hatte, riss dieser sich los und sprang auf. “Lass mich!” Schon kletterte Shima wieder auf den Tisch und versuchte zum Fenster zu gelangen.
Doch auch Yuudai war schnell wieder auf den Füßen, schlank ihm einen Arm um die Taille und zog ihn abermals vom Fenster weg. Wieder landeten beide auf dem Fußboden, doch diesmal drehte Yuudai sich um, sodass Shima unter ihm lag. “Sag mal, hast du sie noch alle?” Wütend funkelte er ihn an. “Willst du dich etwa umbringen?”
“JA!” Kurz funkelte ihn Shima ebenso wütend an, ehe er seinen Kopf zur Seite drehte und heiße Tränen über seine Wangen liefen.
“Was?” Völlig fassungslos starrte Yuudai ihn an. Shima hatte wirklich vorgehabt sich … “Wieso?” Kam es fast lautlos von seinen Lippen.
“Das kann dir doch egal sein.” Schluchzte der Schwarzhaarige und schloss die Augen.
Yuudai verlagerte sein Gewicht etwas um Shima nicht mehr zu sehr einzuengen.
Sofort rollte dieser sich zusammen und vergrub die Hände in den Haaren. “Ich will doch nur, dass es endlich aufhört.”
Yuudai wusste nicht recht, was er machen sollte, aber der Anblick tat ihm in der Seele weh. Vorsichtig und den Schwarzhaarigen im Auge behaltend legte er sich neben diesen und strich ihn sanft übers Haar. “Was soll aufhören, Shima? Sag es mir.” Er legte einen Arm um den zitternden Leib Shima´s und zog ihn an seine Brust. Hielt ihn in einer sanften Umarmung und strich ihm beruhigend über den Rücken.
“Ich … warum?” Kam es unter Schluchzern leise von Shima. “Warum tut sie das? Warum … können sie mich … nicht einfach in Ruhe lassen?” Er krallte sich Yuudai´s Hemd und drückte sich dicht an ihn. “Warum fassen sie mich … immer wieder an?”
Yuudai schloss Shima noch etwas fester in die Arme, als dessen Verzweiflung spürte. Doch was meinte er damit, dass sie ihn immer wieder anfassten? Hieß das etwas, dass Shima so etwas schon einmal passiert war?
Das noch immer offene Fenster wurde vom Wind leicht gegen den Rahmen geschlagen und Yuudai schaute zu ihm herüber. Erst jetzt bemerkt er, in welch einem Chaos sie lagen. Scheinbar hatte Shima sich bei seinem zweiten Versuch am Tisch festhalten wollen und bei dieser Aktion den gesamten Tisch leer gefegt. Seine ganzen Sachen lagen wild im Zimmer verstreut. Doch das Einzige was die Aufmerksamkeit Yuudai erregte, war die dunkelblaue Zeichenmappe, die nicht unweit von ihm lag. Beim Sturz musste sie sich geöffnet haben und einige lose Blätter waren etwas heraus gerutscht.
Noch immer den leise schluchzenden Shima im Arm haltend, streckte er sich etwas, zog die Mappe zu sich herüber und öffnete sie. Nachdenklich betrachtete er das oberste Bild.
Hände. Große, kräftige Hände und es schien fast so, als dass sie direkt aus dem Bild heraus kam und versuchten nach einem zu greifen. Es war so realistisch, dass er Yuudai einen kalten Schauer über den Rücken schickte.
Er legte das Blatt zur Seite und betrachtete sich das nächste Bild. Doch was er dort saß, ließ ihn vor Entsetzen auf keuchen. Es war ein Mann zu sehen. Das Gesicht lustverzerrt und jeder Muskel am nackten Oberkörper angespannt.
Yuudai richtete sich etwas auf und nahm sich das nächste Bild. Wieder ein Mann. Der selbst Gesichtsausdruck, aber ein anderes Gesicht. Die Haare waren länger und der Oberkörper mit einem halb geöffneten Hemd bekleidet.
Auf dem nächsten Bild waren zwei Arme zu sehen. Sie waren vom Bild weg gestreckt und die Finger der Hände krallen sich in etwas fest währen zwei andere, wesentlich kräftigere Hände die Handgelenke fest umschlossen hielten.
Yuudai musste schwer schlucken. Wenn er mit seiner Befürchtung richtig lag, dann … Er legte die Bilder wieder zurück, schloss die Mappe und drückte den Schwarzhaarigen wieder dichter an sich. “Shima?”
“Hm?” Shima zitterte am ganzen Leib und versuchte sich so klein zu machen, wie es nur irgend ging. Er wusste was Yuudai gesehen haben musste, hatte er ihn doch mit Papier rascheln und die darauf folgende Reaktion gehört. Yuudai wusste es, und wenn nicht, so würde er schnell die richtigen Schlüsse aus seinen Bildern ziehen. Bilder, die er gezeichnet hatte, während er tief und fest zu schlafen glaubte. Die Therapeutin nannte es posttraumatische Somnambule. Doch auch wenn man es noch so sehr mit Fachbegriffen ausspickte, es blieb, was es war. Shima wandelte schlaf, wenn gleich er nicht über irgendwelche Hausdächer balancierte oder sonstige Ausflüge machte, so hatte seine nächtlichen Aktivität doch Folgen. Und diese Folgen hatte Yuudai so eben entdeckt und würde ihn dafür verabscheuen. Ihn angewidert weg stoßen, beschimpfen und ihn allein in der Dunkelheit zurück lassen. Genau so würde es sein. Warum sollte der Braunhaarige sich auch anders verhalten?
“Deine Bilder …” Yuudai wusste nicht recht, wie er seine Gedanken in Worte fassen sollte. “Das …” Er spürte das erneute Zusammenzucken und strich Shima über den Rücken. “ … das hast du dir nicht ausgedacht, oder?” Der schwarze Schopf an seiner Brust wurde leicht geschüttelt und Yuudai schluckte abermals hart. “Dann … du … du hast das erlebt?”
Shima schluchze erneut auf und drängte sich enger an Yuudai. Er wollte nur noch wenige Sekunden deren Nähe spüren, ehe ihn dieser von sich stoßen würde.
Auch wenn der Schwarzhaarige ihm nicht geantwortet hatte, so war dessen Reaktion doch Antwort genug. Yuudai verstand einfach nicht, wie jemand Shima so etwas Grausames antun konnte. Doch eines war klar, wenn irgendjemand noch einmal auf solch eine Idee wie Kito, oder gar so etwas mit Shima anstellen wollte wie es diese Männer auf den Bildern getan hatten, dann Gnade diesen Gott. Er würde es gewiss nicht tun.
“Es tut mir so leid, Shima.” Sanft hauchte er einen Kuss auf den schwarzen Schopf und zog ihn noch etwas dichter an sich. Ab heute würde er ihn beschützen. Koste es, was es wolle.
Grüne Augen öffneten sich überrascht und starrten auf das dunkle Shirt Yuudai´s. Warum stieß dieser ihn nicht weg? Warum umarmte er ihn noch immer? Warum tat es Yuudai leid? Shima verstand die Welt nicht mehr. “Warum?”
“Warum, was?” Yuudai verstand die Frage nicht.
“Warum … ich …” Shima hob seinen Kopf und sah den Braunhaarigen fragend durch die schwarzen Ponysträhnen an. “Warum tut es dir leid?”
Yuudai schaute zu ihm und strich ihm sanft das Haar aus dem Gesicht. “Weil du es nicht verdient hast. Einem solch wunderbaren Menschen wie dir sollte so etwas Grausames nicht geschehen.” Er schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.
“Aber … “ Die dunkeln Augenbrauen zogen sich zusammen und kurz darauf senkte Shima wieder den Blick. “… ich bin schmutzig.” Er versuchte sich aus der Umarmung zu befreien. Erfolglos.
“Nein.” Yuudai vereitelte den Fluchtversuch und zog ihn zurück an seine Brust. “Du bist nicht schmutzig, Shima. Du bist ein Engel.” Abermals küsse er den schwarzen Schopf.
“Ein Engel?” Shima lachte traurig auf. “Ich bin vieles, aber bestimmt kein Engel.”
“Doch.” Yuudai strich ihm wieder über den Rücken. “Du kannst doch nichts dafür, das … sie dich …” Es viel ihm schwer seine Wut zu unterdrücken. “… angefasst haben.”
“Aber …”
“Nichts aber!” Yuudai hob Shima´s Gesicht mit sanfter Gewalt an und schaute ihm fest in die tiefgrünen Augen. “Du bist das Opfer. Nicht der Täter, Shima. Oder wolltest du es?”
Der schwarze Schopf wurde leicht geschüttelt, aber der Blickkontakt nicht gelöst.
“Siehst du.” Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Yuudai´s Lippen und er wischte Shima mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. “Du konntest nicht dafür.”
“Aber …” Kam es leise vom Schwarzhaarigen, der wie gebannt in die blauen Augen Yuudai´s blickte.
Der Braunhaarige beugte sich leicht zu Shima herunter. “Aber, was?”, wisperte er dicht an dessen Gesicht.
“Ich … “ Shima verstummte, als sich die Lippen des Braunhaarigen auf die Seinen legten. Er konnte nicht verhindern, dass seine Lider leicht flatterten und letzten Endes zu fielen.
“Aber …” Der Schwarzhaarige schob ihn leicht von sich, konnte sich aber nicht lange erwehren und verfiel erneut den warmen Lippen des Braunhaarigen. Ebenso wenig konnte Shima verhindern, dass sich ein leiser Seufzer in den Kuss mischte, als Yuudai seinen Lippen teilte und dessen Zunge die Seine sanft umspielte.
Plötzlich flogen die grünen Augen auf und er schubste Yuudai von sich. “Was soll das?” Wütend funkelte er ihn an. “Findest du das etwa witzig?”
“Ich … nein … “ Yuudai, der unsanft auf dem Hosenboden gelandet war, wusste nicht recht wie er Shima sein Verhalten erklären sollte. Er wusste ja nicht einmal selbst, warum er ihn, einen Jungen, geküsst hatte.
Seine Lippen, die bis eben noch auf denen Shima´s gelegen hatten, kribbelten leicht und ein unbeschreibliches Gefühl durchströmte seinen Körper. Was war nur mit ihm los? “Ich … “ Abermals verstummte er, weil er nicht wusste, wie er das, was gerade in ihm vorging nicht beschreiben konnte.
Die Wut wich langsam aus dem Grün, wich Enttäuschung und Shima wand sich ab. Er lehnte sich mit dem Rücken an sein Bett und zog die Beine dicht an den Körper. Die Arme schlang er um die Knie und verbarg sein Gesicht in diesen. Er wollte nicht, dass Yuudai erneut seine Tränen sah.
Doch der Braunhaarige hatte sie sehr wohl gesehen und abermals zog sich seine Brust bei dem Anblick, den Shima gerade bot, schmerzhaft zusammen. “Shima?”
Ein leichtes Kopfschütteln war die einzige Reaktion des Schwarzhaarigen.
“Ich … “ Yuudai war kurz davor zu verzweifeln. Er saß hier, in seinem Inneren herrschte Chaos vom Feinsten und nur eineinhalb Meter von ihm entfernt kauerte Shima. Immer wieder erzitterte der schmächtige Körper und Yuudai konnte ein ihn leise schluchzen hören.
“Ach, verdammt!” Er raffte sich auf, setzte sich neben Shima und legte ihm einen Arm und die bebenden Schultern.
“Lass mich.” Der Schwarzhaarig versuchte sich von dem Arm zu befreien.
“Nein!” Yuudai schlang nun auch seinen anderen Arm um ihn und zog ihn dicht an sich. “Auch wenn du jetzt auch noch so viel rumzappelst, ich werde dich nicht los lassen!”
Shima gab nach kurzem Kampf auf und sank an die Brust des Braunhaarigen. “Warum machst du das?” Fragte er leise an den Stoff und schloss seine brennenden Augen.
“Ganz ehrlich?” Ein schiefes Grinsen erschien auf Yuudai´s Gesicht. “Ich hab keine Ahnung.” Er lachte trocken auf. “Ich weiß nur, dass du mich ganz schön durcheinanderbringst.” Sanft wuschelte er durch den schwarzen Schopf, der sich kurz darauf anhob und grüne Augen ihn fragend anschauten.
“Jetzt guck nicht so ungläubig.” Yuudai beugte sich hinab und hauchte Shima einen leichten Kuss auf die Stirn. “Du weiß es vielleicht nicht, aber wegen dir steht meine Welt gerade mächtig auf dem Kopf.”
Der Schwarzhaarige legte seinen Kopf schief und deutlich konnte Yuudai Verwirrung in dessen Augen erkennen.
“Oh man, wie soll ich das nur erklären?” Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah sich hilflos im Zimmer um. Das Fenster war noch immer sperrangelweit offen und erinnerte ihn daran, dass Shima sich noch vor wenigen Minuten in den Tod stürzen wollte. Ein dicker Kloß bildete sich in Yuudai´s Hals und der Anblick der noch immer leicht klappernden Fensterflügel wurde ihm immer unerträglicher.
Er wand den Blick ab, schaute stattdessen wieder Shima an. “Vielleicht sollten wir uns wieder hinlegen.” Sanft schob er den Schwarzhaarigen von sich, stand auf und schloss das Fenster. Er wand sich wieder Grünäugigen zu. “Kommst du?” Auffordernd hielt er ihm die Hand hin.
Wortlos stand Shima, ohne die dargebotene Hand anzunehmen, auf und drehte sich zu seinem Bett um. Gerade wollte er die Bettdecke anheben um sich hinzulegen, als sich zwei starke Arme um seine Taille schlangen.
“Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich nach der Aktion von vorhin alleine schlafen lasse, oder?” Yuudai zog ihn mit sanfter Gewalt zu seinem eigenen Bett herüber.
“Aber … “ Shima war verwirrt. Yuudai hatte ihn doch eben nur zu deutlich von sich gestoßen. Warum nahm er ihn denn jetzt wieder in den Arm und wollte sogar, dass er mit ihm in einem Bett schlafen sollte? “Ich versteh dich nicht.” Murmelte er leise, ließ sich aber auf dem Bett seines Mitbewohners nieder und rutsche dicht an die Wand.
“Da sind wir schon zwei.” Yuudai lachte leise, legte sich neben den Schwarzhaarigen und deckte sie beide zu.
“Wie meinst du das?” Fragte Shima leise.
“Nun … “ Yuudai schob einen Arm unter dem Körper des Schwarzhaarigen durch und zog ihn an sich heran. “Ich hab dir doch eben gesagt, dass ich wegen dir ganzschön durch den Wind bin.”
“Ja.” Shima zögerte kurz, kuschelte sich dann aber dicht an Yuudai´s Schulter. “Aber du hast mir nicht erklärt, was du genau damit gemeint hast.”
“Hm …“ Grübelnd, wie er seine wirren Gefühle in Worte fassen sollte, kaute Yuudai kurz auf seiner Unterlippe herum. “Zuerst einmal solltest du wissen, dass ich nur auf Frauen stehe.” Er atmete tief durch, ehe er leise weiter sprach. “Bis jetzt, zumindest.” Abermals fuhr er sich durch Haar. “Aber als ich dich das erste Mal sah, da …“
“Du hast mich für ein Mädchen gehalten.” Kam es leise von Shima.
“Ja.” Gab Yuudai zu. “Passiert dir wohl öfters, hm?” Sanft strich er Shima über den Rücken.
“Fast immer.” Seufzte dieser und genoss das leichte Streicheln.
“Hab ich mir schon gedacht.” Nickte Yuudai leicht. “Aber sobald ich deine Stimme gehört habe, war mir klar, dass du kein Mädchen bist. Das hat mich total aus dem Konzept gebracht.”
“Deshalb hast du mich auch gleich so nett in die Zimmerordnung eingeführt, oder?”
“Nein.” Yuudai tat es leid, wie er sich Shima gegenüber verhalten hatte. “Du musst wissen, dass ich ein gebranntes Kind bin, was Mitbewohner angeht. Dein Vorgänger hatte praktisch null Ordnungssinn und unser Zimmer sah immer aus wie Sau. Ich konnte schimpfen so viel ich wollte, aber Goro war das herzlich egal. Er hat nur gemeint er würde seine Sachen später wegräumen. Hat er natürlich nie gemacht. Ich kann dir gar nicht sagen wie erleichtert ich war, als er mit seiner Familie weggezogen ist und ich endlich das Zimmer für mich alleine hatte. Und als der Direx dich hier einquartiert hat, wollte ich eben auf Nummer sicher gehen. Hab wohl in bisschen übertrieben. Sorry.”
“Verstehe.” Shima war erleichtert. “Ich hoffe, du bist mit deinem neuen Mitbewohner zufrieden.”
“Bis eben konnte ich nicht klagen. Aber wenn er noch einmal so eine Aktion wie eben macht, dann dreh ich ihm eigenhändig den Hals um.” Kam es ernst von Yuudai und er drückte den Schwarzhaarigen fest an sich.
“ … tut mir leid.” Shima drückte sein Gesicht in das Shirt des Braunhaarigen.
“Schon gut.” Yuudai lockerte seinen Griff etwas. “Aber jag mir bitte nie wieder solch einen Schrecken ein.” Sanft küsste er den schwarzen Schopf. “Ich will dich nicht verlieren, Shima.”
“Aber du kennst mich doch kaum?” Verwundert schauten Shima ihn an.
“Muss man einen Menschen denn gut kennen um… “ Yuudai stoppte mitten im Satz.
“Hm?” Fragend schauten ihn grüne Augen an.
Yuudai schloss die Augen und horchte in sich hinein. Es fühlte sich so richtig an. So, als ob niemand anderes als Shima in seine Arme gehörte. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen und er öffnete seine Augen wieder. “… um sich in ihn zu verlieben.“
Die Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich und sein Kopf ruckte hoch. “Was?” Ungläubig schaute er Yuudai an. Hatte er sich eben verhört, oder hatte ihm der Braunhaarige gerade seine Liebe gestanden? Das konnte doch nicht sein, oder?
“Ich habe mich in dich verliebt.” Sanft lächelnd strich Yuudai ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
“Aber … “ Immer noch schauten ihn die grünen Augen groß an.
“Ich weiß.”
“Aber, ich … “ Shima war vollends verwirrt.
“Mir ist schon klar, dass du dich nicht einfach so auf einen Mann einlassen kannst. Wäre ja auch ein bisschen viel verlangt.” Traurigkeit schlich sich in Yuudai´s Lächeln. “Vor allem nachdem, was sie dir angetan haben.”
Shima schluckte, senkte seinen Blick und legte den Kopf wieder auf Yuudai´s Schulter ab. Er schloss die Augen und spürte kurz darauf wieder die streichelnden Finger an seinem Rücken.
Sie schwiegen.
Yuudai dachte darüber nach, wie ironisch doch das Leben war. Jahrelang hatte er mit dem festen Glauben gelebt, nur Frauen lieben zu können und jetzt, als er sich aus heitern Himmel in einen Jungen verliebt hatte, war diese Liebe von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Auch Shima hing seinen Gedanken nach. Hatte er schon mit seinem Leben abgeschlossen und nun das. Yuudai hatte sich ausgerechnet in ihn verliebt. Und das, obwohl er wusste, dass er nicht mehr rein war. Dass sich mehrere an seinem Körper vergangen und ihn beschmutz hatten. Wie konnte man jemanden wie ihn lieben? Und doch lag er hier in den Armen des Braunhaarigen und fühlte sich merkwürdigerweise geborgen. Die Nähe Yuudai´s machte ihm keine Angst, ebenso wenig wie dessen Hände, die ihn so zärtlich berührten. Ganz im Gegenteil, es fühlte sich gut an. Shima hob die Hand und berührte leicht seine Lippen. Und den Kuss hatte er auch erwidert. Könnte es vielleicht sein, dass … Er verlagerte seinen Kopf ein wenig und betrachtete sich nachdenklich das Gesicht des Braunhaarigen. Sollte er es echt riskieren? Kurz haderte er noch mit sich selbst, ehe er sich einen Ruck gab. “Yuudai?”
“Hm?” Der Braunhaarige behielt die Augen geschlossen und strich weiterhin über Shima´s Rücken.
“Ich … “ Die grünen Augen schlossen sich kurz und er atmete tief durch. Dann sah er Yuudai wieder an. “Ich bin schwul.”
“Hm.” Nur langsam sickerte die Bedeutung der Worte zu Yuudai´s Hirn durch. “WAS?“ Die blauen Augen wurden aufgerissen und sahen Shima überrascht an.
“Ich steh auf Jungs.” Gab der Schwarzhaarige leise zurück und kuschelte sich wieder an die Schulter seines Mitbewohners. “Stand ich schon immer.”
“Oh.” Yuudai starrte die dunkle Decke an und schwieg einige Minuten, ehe er sich leicht aufrichtete, Shima somit von seiner Schulter schob und sich leicht über ihn beugte. “Heißt das etwa, dass … “ Yuudai wagte nicht, es auszusprechen. Durfte er sich wirklich Hoffnungen machen?
Shima schaute tief in das hoffnungsvoll lodernde Blau. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, ebenso wie sich sein Arm um den Hals Yuudai´s legte. “Vielleicht.” Er brauchte nicht viel Kraft um den Braunhaarigen zu sich herunter zu ziehen.
“Aber … “Yuudai zögerte kurz vor den sündigen Lippen. “ … was ist mit dem, was sie mit dir gemacht haben?” Nur mühsam konnte er sich noch zurückhalten.
Ein kurzer Schmerz huschte über Shima´s Gesicht. Jedoch überbrückte er die letzten Millimeter und legte seine Lippen kurz auf die des Braunhaarigen. “Hilf mir, es zu vergessen.”
“Ich weiß nicht, ob ich das kann.” Yuudai sah ihn leicht zweifelnd an. “Ich hab das noch nie gemacht, Shima. Also mit einem Mann, meine ich. Ich weiß zwar geht, also in der Theorie, aber …”
Shima küsste ihn und stoppte somit den Redefluss des Braunhaarigen. “Du sollst ja nicht sofort mit mir schlafen Yuudai, aber vielleicht kannst du mich mit der Zeit das Geschehen vergessen lassen.” Jetzt war er es, der seinem Gegenüber sanft eine Strähne aus dem Gesicht strich.
Die blauen Augen schlossen sich, als schlanke Finger seine Wange hauchfein berührten. “Ich werde mein Möglichste tun.”
“Das weiß ich doch.” Lachte Shima leise und zog Yuudai wieder an seine Lippen.
Und diesmal zögerte der Braunhaarige keine Sekunde. Sanft strich er mit der Zunge über die sündigen Lippen, und als sie sich bereitwillig öffneten, huschte seine Zunge flink dazwischen hindurch um den Schwarzhaarigen in einem sanften und doch atemberaubenden Kuss zu verwickeln.
Tag der Veröffentlichung: 29.08.2013
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