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Grinsend beobachte ich Josh dabei, wie er aufgeregt von einem Bein auf das andere hüpft. Er war schon immer ein ungeduldiger Kerl, aber wenn es um Feuerwerk geht, dann ist er besonders quengelig. Er öffnet den Mund und ich weiß ganz genau, was jetzt kommt.
„Wie lange dauerts denn noch?“
Ich kichere leise. Mario knurrt genervt und wühlt energischer in der Tüte mit dem Böllern und Raketen herum. Sylvia, Maya und Karsten halten schon mal die Sektgläser parat, denn den spektakulärsten Akt des Abends, das Öffnen der gut durchgeschüttelten Sektflasche, haben sie freundlicherweise mir überlassen. Sie nennen es eine große Ehre. Ich hab da so meine Zweifel. Was ist denn bitteschön so ehrenhaft daran, wenn man von oben bis unten mit süßem Blubberzeugs besudelt wird?
Na ja, wenn ich die Flasche richtig halte, dann könnten sich durchaus ein paar Spritzer in ihre Richtung verirren. Rein zufällig versteht sich.
Meinen kleinen Racheplan im Hinterkopf behaltend, befreie ich die Flasche schon mal von der Folie und lege den Korken frei. Von dem Draht, der alles zusammenhält, lasse ich lieber noch die Finger. Nicht, dass mir das Ding jetzt schon um die Ohren fliegt.
„Wann ist es denn endlich …“
„Wenn du nicht sofort Ruhe gibst, dann stopfe ich dir den hier in den Mund und zünde ihn an!“ Drohend fuchtelt Mario mit einem ganz besonders dicken Silvesterkracher vor Joshs Nase herum. Dieser weicht zurück und plustert empört die Wangen auf, ehe er Mario die Zunge rausstreckt und flink hinter mir Schutz sucht. Doch Mario denkt gar nicht daran, ihm hinterherzujagen. Er fischt lieber die ersten Raketen aus der Tüte und positioniert sie ordnungsgemäß in den leeren Flaschen, die wir im Verlauf des Abends schon gekillt haben.
Hinter meinem Rücken höre ich eine gegrummeltes `Arschloch´ und grinse noch breiter. Okay, die Sache mit dem Böller hätte Mario sich echt schenken können. Immerhin war er damals dabei und weiß ganz genau, dass Josh die Dinger auf den Tod nicht ausstehen kann. Zumindest nicht mehr, seit er damit einen Massenmord verübt hat. Aber wer hätte denn auch ahnen können, dass Goldfische so empfindlich sind? Dabei wollte Josh doch nur die Eisdecke auf dem Teich seiner Oma sprengen und hat sie, mithilfe einiger dicker Kracher richtig schön zerstückelt. Doch wie heißt es so schön; Operation gelungen, Patient tot.
Am nächsten Morgen dümpelten alle Fische Kiel oben an der Wasseroberfläche und Josh hat seit diesem Tag nie wieder einen Kracher angefasst. Von dem Gemecker seiner Oma mal ganz abgesehen, hatte er ein mächtig schlechtes Gewissen den armen Schuppenviechern gegenüber. Jeder einzelne Fisch wurde unter dem großen Busch verbuddelt und seine Oma bekam im Frühjahr viel neue buntere Fische für ihren Teich.

„Hast du mal Feuer?“ Raunt mir eine dunkle Stimme in Ohr und Joshs Körper schmiegt sich dich an meinen Rücken.
„Das ist ja wohl die älteste Anmache der Welt.“ Ich ziehe die Augenbraue hoch und sehe über die Schulter.
„So?“ Josh grinst mich breit an und kurz darauf durchwühlen seine Hände meine Jackentaschen. Doch fündig werden sie nicht. „Sag bloß, du hast keins mitgenommen?“ Schmollend schiebt er die Unterlippe vor und hätte ich nicht diese verdammte Flasche in der Hand, würde ich ihn durch knuddeln. Er sieht aber auch zu süß aus, wenn er schmollt. Aber um seine Stimmung wieder zu heben, sag ich ihm, dass ich sehr wohl eins dabei habe, verrate ihm aber nicht wo. Schon grinst er, noch breiter als zuvor und seine Hände gehen abermals auf die Suche. Sie schlüpfen unter meine Jacke und streichen mir über den Rücken.
„Kalt, ganz kalt.“ Kommentiere ich die sanften Berührungen, obwohl sie mich alles andere als kalt lassen. Zumal Joshs Finger gerade in die Gesäßtaschen meiner Jeans schlüpfen und dort wesentlich länger als nötig nach dem Feuerzeug suchen. Dass es nicht da ist, hat er bestimmt schon gemerkt, es scheint ihn aber nicht im Geringsten zu stören.
„Warm.“
Die Finger ziehen sich aus den Taschen zurück und schlüpfen jetzt unter mein Shirt. Kühl tänzeln sie über die Haut nach vorne und jagen mir eine Gänsehaut über den Rücken.
„Wärmer.“
„Heiß?“ Joshs Finger gleiten in die vorderen Hosentaschen. Er findet das Feuerzeug und ich kann mir ein leises Seufzen nicht verkneifen. Denn das, was er mit der linken Hand gegriffen hat, ist definitiv kein Feuerzeug.
„Oh ja, wirklich heiß.“ Josh lacht und zieht seine Hände zurück. Triumphierend hält er das Feuerzeug in die Höhe. „Den Rest gibt es nächstes Jahr.“ Verschwörerisch zwinkert er mir zu und wirbelt herum um sich auf die Suche nach seiner eigenen Tüte zumachen.
Ein lauter Knall lässt mich erschrocken zusammenzucken und beinahe hätten wir unseren Neujahrssekt von der Straße schlürfen können. Ha, dann wäre ich wenigstens nicht der einzige Besudelte an diesem Abend.
Ich schaue zu den Anderen und lachte laut auf.
Mario hat einen der großen Kracher vorzeitig gezündet und wird dafür von Sylvia, Maya und Karsten zur Schnecke gemacht. Die Tatsache, dass er es ihnen als Testlauf verkaufen will, rettet ihn auch nicht.
Auch hinter mir lacht jemand laut und kurz darauf stürmt Josh an mir vorbei. Kichernd tanzt er mit einer brennenden Wunderkerze um Mario herum. Sieht jedoch zu, dass er tunlichst aus dessen Reichweite bleibt. Schlaues Kerlchen.

Um Punkt zwölf gehen die ersten Raketen hoch und alle um uns herum grölen laut auf. Meine Freunde sehen mich erwartungsvoll an, halten mir ihre noch leeren Gläser entgegen und ich ergebe mich meinem Schicksal. Wie erwartet, braucht es nur eine minimale Lockerung des Drahtes, schon ploppt der Korken laut aus der Flasche und landet irgendwo in Nachbars Garten. Die anschließende Sauerei kann ich nur insoweit unter Kontrolle halten, dass mir die Brühe nur über die Unterarme läuft und der Rest Schaum gleich auf der Straße landet. Aber immerhin bleibt noch genügend Sekt übrig um unsere Gläser zu füllen und auf ein glückliches neues Jahr anzustoßen.


Ich hab mit allen angestoßen, bis auf einen. Und dieser kommt gerade lächelnd auf mich zu. Auch meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln und ich stoße leicht mit meinem Glas gegen Joshs. „Frohes neues Jahr.“
„Dir auch.“ Er nimmt einen kleinen Schluck Sekt, kommt meinen Lippen näher und zieht mich in einen süßen Kuss. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sobald ich meine Lippen für ihn öffne, drängt sich nicht nur seine Zunge in meinen Mund, sondern auch die süße Brause. Leicht muss ich in den Kuss grinsen. Das ist so typisch für Josh. Er macht immer so süße Sachen. Genau wie damals, als er mir seine Liebe gestanden hat.

Josh, Karsten, Maya und ich hatten uns auf einen DVD-Abend bei mir verabredet. Doch Karsten und Maya konnten dann doch nicht und so saß ich mit Josh alleine auf der Couch. Wir waren beim dritten Film angekommen, irgendein Actionstreifen, als es plötzlich dunkel wurde. Kein Fernsehen, kein Licht, noch nicht einmal die Digitalanzeige an der Stereoanlage leuchtete mehr. Stromausfall.
Ich weiß nicht mehr wie viele blaue Flecken ich mir auf der Suche nach diesen verdammten Kerzen geholt habe, aber Josh amüsierte sich bei meinem Gefluche köstlich. Und als ich dann endlich mit einem kleinen brennenden Teelicht zurück ins Wohnzimmer kam, saß er mit breitem Grinsen auf der Couch und klopfte neben sich auf die Polster.
Ich stellte das Teelicht vorsichtig auf dem Glastisch ab und setzte mich neben ihn. Er grinste mich noch immer an, beugte sich langsam zum Tisch herüber und pustete das kleine Kerzchen wider aus. Gerade wollte ich mich darüber beschweren, als er plötzlich auf meinen Schoß krabbelte, flüsterte, dass er sich in mich verliebt hätte und mich dann ganz vorsichtig küsste.

Schon damals schmeckte er so süß, dass ich kaum genug von ihm bekam.
Auch jetzt würde ich ihn am liebsten nicht mehr loslassen. Doch zu meinem Leidwesen steigen immer mehr Raketen hoch und mein Freund wird langsam unruhig in meinem Armen. Mit einem ergebenen Seufzer gebe ich ihn frei und er hüpft sofort zu seiner Tüte, zieht zwei von diesen ewig langen Wunderkerzen hervor und zündet sie an. Eine drückt er mir in die Hand, die anderen behält er selbst. Dicht an mich gekuschelt malt er mit seiner Wunderkerze brennende Kringel in die Luft und wir beobachtet staunend das bunte Leuchten über unseren Köpfen.

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Texte: Text und Charaktere - Shikijo
Bildmaterialien: Shikijo
Tag der Veröffentlichung: 04.01.2013

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