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Prolog

 

Liebe war das Gefängnis des Verstandes. Katie wusste das. Sie wusste es wirklich. Sie hatte es am eigenen Leib erfahren.

Doch war es eine der schönsten Zeiten ihres Lebens gewesen. Trotz der Geheimnisse, der Lügen, des Versteckspiels.

Es war eine Zeit, die sie niemals missen wollte.

Niemals vergessen.

Niemals.

Die Liebe hatte sie verändert und zu der Frau gemacht, die sie jetzt war. Dabei war sie damals noch ein halbes Kind, als sie der Liebe ihres Lebens begegnet war.

Heute wusste sie das. Damals hielt sie sich schon für erwachsen.

Doch das war sie nicht. Es war die Zeit, in der sie noch auf ihr Herz gehört hatte.

In der ihr eigenes Glück ihr noch wichtig war ...

 

 

Es ist Frühling in Hogwarts. Ihre absolute Lieblingsjahreszeit. Das Gras spießt hellgrün aus dem Boden. Die Blumen kämpfen sich an die Oberfläche und erstrahlen in den wildesten Farben.

Auch die Bäume legen ein neues Kleid an und wenn man morgens zeitig aufsteht und auf den Astronomieturm geht, hört man die Tiere im Verbotenen Wald zwitschern, die Zentauren lachen und hin und wieder streckt der Kraken einen seiner langen Fangarme aus dem Wasser des riesigen Sees, der sich auf den Schlossgelände befindet.

 

Der Leben wirkt perfekt zu dieser Zeit. Absolut friedlich und harmonisch.

Es ist Katie Bells letztes Jahr in Hogwarts und sie weiß jetzt schon, dass sie es vermissen wird.

Hogwarts ist jetzt jahrelang ihr Zuhause.

Hier hat sie geliebt, gelacht, Freunde gefunden und zu sich selbst gefunden.

Natürlich hat sie keine der schlechten Dinge vergessen, die ihr hier widerfahren sind, doch betrachtet sie diese als Lehre fürs Leben.

Egal, wie perfekt einem etwas erscheint. Im Paradies gibt es immer eine Schlange und den Baum der Erkenntnis.

Doch davon handelt diese Geschichte nicht. Sie handelt nicht von der Vergangenheit, nicht von der Zukunft.

Sie handelt von zwei Herzen in der Gegenwart, die die Musik der Zukunft hören und heute schon nach ihr tanzen.

Keiner der beiden weiß, dass die Musik ein Trugbild ist, erschaffen von ihnen selbst und ihres jugendlichen Leichtsinns.

Kapitel 1

„Katie, räumst du bitte noch die Quidditchbälle weg?“, fordert mich mein Kapitän Harry Potter auf.

Quidditch. Eine Leidenschaft, die mich begleitet seitdem ich denken kann.

„Klar“, gebe ich zurück und höre noch wie die Tür hinter ihm zuknallt. Irgendeine Laus muss ihm über die Leber gelaufen sein. Normalerweise ist er nicht so unhöflich.

 

Konzentriert binde ich die Klatscher in der Kiste fest. Zappelnd versuchen sie sich zu befreien und mich anzugreifen.

Aber nachdem ich die beiden schwarzen Eisenkugeln sicher in der Kiste habe, kann ich endlich duschen gehen.

Ich bin vollkommen verschwitzt. Erst das Training und jetzt dieser Akt. Kein Wunder, dass Harry es mir übertragen hat, heute aufzuräumen. So genervt wie er heute war, hätte er spätestens jetzt einen Wutanfall bekommen.

Aber ich kann ihm seine Frustration nicht übel nehmen. Ron hat jeden Quaffel durchgelassen, den die anderen oder ich auf einen der Ringe zugeworfen haben und einer der eben genannten Klatscher hat Angelina beinahe vom Besen geworfen, da er sie unglücklich im Nacken getroffen hat.

Daraufhin brach Harry das Training ab und die Treiber begleiteten Angelina schuldbewusst zum Krankenflügel, da sie über Kopfschmerzen und Schwindel klagte.

Schwere Schritte erklingen plötzlich im Gang vor der Trainingsumkleide.

Hat heute noch eine Mannschaft Training? Nicht, dass ich mich erinnern könnte, eine später angesetzte Trainingseinheit auf dem ausgehängten Plan gesehen zu haben.

Vielleicht ist auch einfach einer zurückgekommen, weil er etwas vergessen hat oder um zu helfen.

Schwungvoll wird die Tür aufgestoßen.

„Ich bin gleich fertig! Wenn du gekommen bist, um mir doch zu helfen, bist du zu spät Harry“, begrüße ich den vermeintlichen Eindringling.

„Mit Harry liegst du ganz falsch, Püppchen“, spottet eine kalte Stimme hinter mir. Ruckartig drehe ich mich um.

„Flint“, keife ich zurück. „Verschwinde! Du hast hier nichts verloren!“

„Aber, aber Bell. Wir wissen doch beide, dass ich sehr wohl hier sein darf“, meint er immer näher kommend.

„Ich will dich aber nicht hier haben!“, verteidige ich meinen Standpunkt und verschränke meine Arme vor der Brust.

„Oh, jetzt werden wir aber persönlich“, witzelt der viel ältere Slytherinkapitän.

„Gut erkannt“, fahre ich ihn an. „Ich habe zu viel Angst davor, dass deine Dummheit abfärbt! Ich habe nicht zwangsläufig den Wunsch ebenfalls sitzen zu bleiben.“

„Da fährt jemand seine Krallen aus“, grinst er boshaft und tritt so nah vor mich, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen muss, um ihm in die braunen Augen sehen zu können.

Ein sehr schönes Braun, wie ich mir eingestehen muss. So warm und herzlich im Vergleich zu seinem Besitzer.

„Verschwinde einfach oder fahr zur Hölle“, stelle ich ihn vor die Wahl.

Langsam hebt er seinen Arm und fährt in einer kämmenden Bewegung durch mein windzerzaustes Haar.

„Gern, wenn du mich begleitest“, erwidert er frech grinsend.

„Nur in deinen Träumen“, schnaube ich nonchalant.

„Du willst, dass ich von dir träume? Das ist ja eine ganz neue Seite an der kratzbürstigen Katie Bell.“

Wütend wende ich ihm den Rücken zu und schließe den Ballkoffer. Was nimmt er sich eigentlich heraus?

Ich spüre, wie seine Fingerspitzen langsam mein Rückgrat herabgleiten. Ein wohliger Schauer folgt dieser zarten Berührung reflexartig.

Mist, vom eigenen Körper verraten.

„Nimm die Pfoten von mir weg, Flint“, fauche ich ihn an und stoße ihn mit geballten Fäusten gegen die durchtrainierte Brust.

„Warum sollte ich? Es hat dir doch gefallen“, grinst er mich triumphierend an.

„Hat es nicht!“, verteidige ich mich vergeblich.

„Doch, hat es. Dein Körper hat dich verraten. Die sekundenlange Versteifung deiner Muskeln und der angehaltene Atem sprachen für sich“, meint er noch, bevor er sich runterbeugt und meine Lippen sachte mit seinen berührt.

Es ist kein Kuss. Eher der Hauch einer Berührung.

Unbeschreiblich zärtlich. Eine Berührung, ein Handeln, das ich Flint niemals auf den ersten Blick zugetraut hätte.

Eine Berührung, die den Wunsch nach mehr weckt.

Langsam zieht er sich ein Stück zurück und mustert mein Gesicht mit einem leicht besorgten Gesichtsausdruck. Als er keine Wut oder Ekel darin finden kann, beugt er sich wieder runter, um mich diesmal richtig zu küssen.

Automatisch wandern meine Hände zu seinen breiten Schultern hinauf, um mich an ihm festhalten zu können.

Seine Hände liegen auf meiner Taille und sein Daumen streicht leicht auf und ab, was mir ein wohliges Stöhnen entlockt.

Sachte lässt er wieder von mir ab. „Ich wusste, dass du mich magst, Katie.“

„Das konntest du gar nicht wissen. Ich wusste es ja selbst nicht“, belehre ich ihn.

„Und ob ich es wusste. Aber schön, dass du es wenigstens zugegeben hast. Was hältst du davon, dich morgen nach dem Abendessen mit mir hier vor dem Quidditchstadion zu treffen?“

„Bessere Idee. Komm morgen nach dem Abendessen an die große Treppe im siebten Stock. Ich kenne den perfekten Ort, wo wir uns treffen können.“

„Einverstanden. Und jetzt solltest du gehen. Mein Team kommt jeden Moment“, meint er mit einem kurzen Blick aus dem Fenster.

Schnell werfe ich ebenfalls einen Blick über meine Schulter. Verdammt. Malfoy und seine Idioten sind auf dem Weg hierher.

„Bin schon weg“, lächele ich ihn kurz an und schiebe mich an ihm vorbei.

„Katie!“, ruft er und packt mich fest am Handgelenk, als ich noch keinen Schritt hinter ihm stehe.

„Was denn?“, drehe ich mich irritiert um. Will er etwa mit mir erwischt werden? Das gäbe mehr Probleme, als gut für ihn oder mich wäre.

„Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich zu nichts zwinge“, stellt er mit auf mich gerichtetem Blick fest.

„Ich weiß. Und ich hoffe, dass du weißt, dass ich mich zu nichts zwingen lasse.“

„Ja, ich weiß“, lächelt er. Das Lächeln verändert sein sonst so arrogant wirkendes Gesicht vollkommen. Plötzlich sind nicht nur noch seine Augen warm und freundlich, sondern seine ganze Ausstrahlung scheint nicht mehr so kalt zu sein. „Das ist der Grund, weshalb du mir aufgefallen bist.“

 

Ich habe ein Date mit Marcus Flint.

Ich habe allen Ernstes ein Date mit Marcus Flint.

Dem Slytherinhausmannschaftskapitän.

Dem Ekel.

Wie in Merlins Namen bin ich in diese Situation hineingeraten?

„Da bist du ja!“, reißt mich Angelina aus den Gedanken. „Was hat denn so lange gedauert? Und warum blickst du so verträumt durch die Welt?“

„Hmm? Oh! Die Klatscher haben mir ... äh ... ein paar Probleme bereitet“, stottere ich schnell und handle mir dadurch einen schrägen Blick von Angelina ein.

„Okay ... Kommst du mit in die Bibliothek? Immerhin müssen wir noch ein paar Hausaufgaben erledigen.“

“Klar“, stimme ich sofort zu, froh über ihren Themawechsel.

 

 

Nervös trippele ich von einem Fuß auf den anderen. Marcus müsste jeden Augenblick kommen.

Zumindest bin ich mir hundert Prozent sicher, dass er gesehen hat, wie ich vom Gryffindortisch aufgestanden bin.

Um mich abzulenken, betrachte ich die Ritterrüstung hinter mir. Wie so oft zuvor, frage ich mich, wofür sie im ganzen Schloss verteilt stehen.

Ich erkenne einfach keinen tieferen Sinn dahinter, aber so, wie ich das Schloss kennen gelernt habe, ist alles für irgendetwas gut.

„Guten Abend, Katie“, begrüßt mich Marcus mit weicher Stimme.

Lächelnd drehe ich mich um.

„Abend, Marcus“, strahle ich ihn an.

Gespielt erschrocken reißt er die Augen auf. „Seit wann nennst du mich bei meinem Vornamen?“

„Seitdem ich den Slytherin hinter der Maske kennengelernt habe“, biete ich ihm als Antwort an und strecke ihm meine Hand entgegen. „Jetzt komm, wir wollen doch den Abend nicht stehend im Flur verbringen.“

 

„Wow, was ist das für ein Raum?“

„Das, mein Lieber, ist der Raum der Wünsche“, präsentiere ich ihm stolz den ehemaligen Übungsraum der DA. Nur, dass er heute ganz anders aussieht.

An der linken Wand ist ein steinerner Kamin angebracht, in dem fröhlich ein Feuer vor sich hin knistert und einzelne verglühende Funken in die Luft wirft.

Davor steht ein bequem aussehendes blaues Sofa mit einem Beistelltisch, auf dem eine Karaffe Kürbissaft und zwei kristallene Gläser stehen.

Die weiße Wand, gegenüberliegend der dunkelbraunen Holztür, durch welche wir eben eingetreten sind, ist mit stuckverzierten Fenstern besetzt.

Die Wand rechts von uns ist kahl, abgesehen von der dunkelblau-melierten Tapete.

Generell befindet sich nicht mehr in dem Raum, außer der gemütlichen Sitzecke.

„Wie bist du auf diesen Raum gestoßen?“

„Ist doch egal.“ Ich will ihm nicht von der DA erzählen. „Die Hautsache ist doch, dass ich ihn kenne und das Geheimnis jetzt mit dir geteilt habe“, schnurre ich und lege meine Arme um ihn.

Mein Kinn ruht auf seiner Brust, als ich nach oben sehe.

„Hab ich mir keinen Begrüßungskuss verdient?“, frage ich gespielt schmollend und sehe ihn mit meinem besten Bettelblick an.

„Wenn du denkst, dass du mit diesem zuckersüßen Gesichtsausdruck bei mir irgendetwas erreichst, kannst du das vergessen“, belehrt er mich frech grinsend, beugt sich dann allerdings doch runter, um mir einen kurzen gefühlvollen Kuss auf die Lippen zu drücken.

„Setzen wir uns“, schlägt er lächelnd vor und hebt mich kurzerhand hoch in seine Arme.

Überrascht von seiner Aktion kralle ich mich an seinem Hemd fest. „Marcus!“, quietsche ich auf.

Er lacht nur und setzt mich neben sich auf die Couch.

„Ich musste doch sicher gehen, dass du auch wirklich den Weg hierher findest“, feixt er mich an und zieht herausfordernd eine Augenbraue hoch.

„Ja sicher“, schmolle ich und verschränke gespielt böse die Arme vor meinem Brustkorb.

„Sei nicht beleidigt, Katie“, befiehlt er. „Wir wollen unser erstes Date doch nicht im Streit verbringen. Ich bin viel zu glücklich, dass du dich überhaupt auf ein Treffen mit mir eingelassen hast. Ich dachte, ich müsste viel länger Überzeugungsarbeit leisten.“

„Wenn ich ehrlich bin, bin ich selbst darüber verwundert, dass ich es dir so leicht gemacht habe“, meine ich achselzuckend.

 

Seit diesem Treffen sind viele Monate ins Land gezogen und Marcus und ich sind inzwischen ein Paar.

Die Sache hat nur einen Nachteil: Wir dürfen schlichtweg nicht zusammen sein.

Nicht nur, weil er ein Slytherin ist und ich eine Gryffindor bin, sondern auch, weil weder Marcus’ Vater noch seine Freunde mich jemals akzeptieren würden.

Meine Freunde würden dafür auch ihre Zeit brauchen, aber ich kann zumindest davon ausgehen, dass sie es eines Tages tun würden, sobald sie merken, dass er mir gut tut und mich nicht verletzt, so, wie sie es, von Vorurteilen geprägt, annehmen würden.

Aktuell sitze ich am See und warte auf Marcus.

Wir wollen den endlich gekommenen Sommer im Freien genießen und damit ist ausnahmsweise mal nicht der Astronomieturm gemeint.

„Hallo, meine Schöne“, werde ich lächelnd begrüßt und für mich scheint die Sonne aufzugehen.

Niemals hätte ich gedacht wie liebe- und verständnisvoll Marcus in seinem Inneren ist. Was für ein herzensguter Mensch.

Aber ich kann ihm seine jahrelange Maskerade nicht verübeln. Wie hätte er sonst in Slytherin überleben sollen? In dem Haus, um dessen Zugehörigkeit er den Sprechenden Hut anflehte, damit ihn sein Vater zuhause nicht schlägt.

„Na du“, gebe ich glücklich zurück.

Das Leben könnte so perfekt sein.

Manchmal verfluche ich das Versteckspiel, das wir treiben müssen.

Die Lügen, die ich meinen Freunden erzähle.

Den Schmerz, wenn ich mich wieder von meinem Marcus trennen muss.

Doch all diese Komplikationen sind die wundervollen Momente, die ich mit ihm verbringe, wert. Sogar jene, in denen wir streiten.

Weil es Momente sind, die ich mit dem Menschen, den ich liebe, verbringe.

Dem Menschen, mit dem ich am liebsten meine Zukunft verbringen würde.

Dem Menschen, der mir das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes zu sein. Seine Welt zu sein.

Dem Menschen, der mich so akzeptiert wie ich bin. Alle meine Macken hinnimmt, nur weil er mich liebt.

Meine Mutter sagte mal zu mir, dass nur die Menschen vergeben können, die wirklich lieben.

Ich habe nie verstanden, was sie mir damit sagen wollte.

Jetzt habe ich es verstanden. Ich vergab Marcus alle schlechten Dinge, die er mir je angetan hat.

Weil ich ihn liebe, von dem Moment an, wo ich seine Lippen auf den meinen spürte. Ohne zu wissen, dass Liebe in einem Herzschlag entstehen kann.

 

„Wenn das nicht die kleine Bell ist.“ Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken runter, als ich die arrogante Stimme hinter meinem Rücken orte.

Sieben Slytherinjungs aus meinem Jahrgang stehen mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck hinter mir.

„Was wollt ihr?“

„Nur mit dir reden, Bell. Wo denkst du denn hin? Soweit herabsteigen und dich anfassen tun wir schon nicht. Es langt, dass Flint sich mit dir befasst. Oder kriegst du etwa nicht genug von uns Slytherins?“

Entsetzt keuche ich auf. Flint? Woher wissen sie von mir und Marcus?

„Was wollt ihr?“, wiederhole ich meine Worte diesmal zittrig.

„Oh, fürchtet sich die kleine Gryffindor etwa?“, höhnt der Schwarzhaarige hinter dem Wortführer. Böse funkele ich ihn an.

„Marcus wird sehr wütend auf euch sein, wenn er herausfindet, dass ihr mich bedroht“, fahre ich sie an.

Sie lachen freudlos auf.

„Oh, Marcus wird gar nichts tun“, sagt der von mir ernannte Anführer der kleinen Gruppe.

„Denn er wird nichts erfahren.“

„Doch wird er!“

„Nein, meine Süße, wird er nicht. Denn du wirst nichts sagen.“

„Was macht dich da so sicher?“, fahre ich ihn an und unterdrücke ein wütendes Fußaufstampfen. Meine Angst ist vollkommen verrauscht.

„Ganz einfach, du wirst dich von Marcus trennen“, stellt er selbstsicher fest.

„Ach ja? Warum sollte ich?“

„Das ist einfach zu beantworten“, mischt sich ein Dritter ein.

„Ja, dass ist es“, nimmt wieder der Junge das Wort an sich, der schon die ganze Zeit mit mir spricht. „Dein geliebter Marcus wird nach seinen Schulabschluss in die Reihen des Dunklen Lords eintreten. Das hat sein Vater schon bestimmt, als er nach nicht geboren war. Der Dunkle Lord hat einen festen Platz für deinen ... Liebling.“ Das letzte Wort spricht er vollkommen verachtend aus.

„Und du und eure Liebe“, speit er mir entgegen. „werden ihm nicht im Weg stehen. Oder willst du verantwortlich für seinen Tod sein?“

Entsetzt weiche ich einen Schritt zurück. Marcus ein Todesser? Mein Marcus? Der nicht im Traum zu solchen Gräueltaten fähig wäre?

„Du glaubst mir nicht“, stellt der Slytherin unbeeindruckt fest. „Damit habe ich gerechnet. Alles andere würde dem Stolz einer Gryffindor widersprechen. Doch denk nach, Kleine. Das alles ergibt Sinn. Das Versteckspiel zu dem er dich zwingt. Die Ausreden, die er erfindet, wenn du ihn nach seinen Zukunftsplänen fragst. Er weiß es und er weiß auch, dass du ihn verlassen hättest, sobald er es dir erzählen würde. Ihr könnt nicht länger zusammen bleiben.“

Er hat recht. Mit allem, was er sagt hat er recht. Marcus‘ Agieren und seine Worte ergeben plötzlich Sinn. Seine immer wiederkehrenden Beschwörungen, dass er niemanden wieder so sehr lieben kann wie mich. Dass ich die Einzige in seinem Herzen sein werde, bis zu seinem Tod.

Ich dachte immer, dass er einfach eine romantische Ader hat, doch er wusste, dass der Abschied naht.

Dass er kommen wird. Früher als uns lieb ist.

Und er hat recht. Der Abschied kommt wirklich früher, als ihm oder mir lieb ist. Seine Freunde haben recht. Ich muss mich von ihm trennen.

Um ihn zu schützen.

Um mich zu schützen.

Um meine Freunde zu schützen.

Wir stehen auf unterschiedlichen Seiten in diesem Kampf. Und letztendlich haben wir sowieso nur das Unvermeidliche herausgezögert.

Unaufhaltsam steigen mir Tränen der Erkenntnis in die Augen und stürzen als Kaskaden der Verzweiflung meine Wangen hinab.

„Wie ich sehe, bist du zu Verstand gekommen“, kommentiert der Rädelsführer emotionslos und wendet sich gefolgt von den Anderen von mir ab.

„Am besten bringst du es schnell hinter dich, um es euch zu erleichtern.“

Wortlos nicke ich, wohl wissend, dass er es nicht sehen kann.

 

Allein mit meinem Kummer stolpere ich durch leere Gänge.

Marcus wird ein Todesser werden, wenn er nicht sein Todesurteil unterschreiben will und ich weiß, dass er es für mich tun würde.

Doch das will ich nicht. Wenn ich eins nicht will, dann dass dieser liebevolle junge Mann diese Welt verlässt.

Wegen mir.

Ich könnte niemals mit dem Gedanken leben, ihn, den Jungen, den ich liebe, in den Tod geschickt zu haben.

Ich muss mich von ihm trennen. Ich muss es tun, weil er es niemals tun würde.

Weil unsere Liebe verboten ist.

 

„Marcus“, rufe ich ihn leise, aber gut vernehmbar. Er ist gerade an dem Gang vorbei gekommen, in dem ich gerade zu meinem Entschluss gekommen bin.

„Hallo, meine Liebe“, flüstert er mit verführerischer Stimme und küsst mich zur Begrüßung auf den Mund.

„Hey“, gebe ich schwach zurück.

„Was hast du?“, fragt er sofort nach, als er den traurigen Unterton in meiner Stimme wahrnimmt.

„Wir müssen reden.“ Meine Stimme ist nur ein Hauch. Die gewünschte Festigkeit bleibt vollkommen aus.

„Ist was passiert?“, hakt er besorgt nach.

Tief hole ich Luft. „ Es ist vorbei. Ich mache Schluss“, zwinge ich mich, die alles verändernden Worte zu sagen.

„Was?“ Ungläubig sieht er mich an und lässt mich los.

„Wir stehen auf unterschiedlichen Seiten, sobald wir die Schule verlassen. Du wirst dich den Wünschen deines Vaters fügen und ich mich denen meiner Eltern.“ An dieser Stelle versucht er mich zu unterbrechen, doch mit erhobener Hand unterbinde ich es. Ich bin noch nicht fertig. „Unsere Beziehung war ein Abenteuer. Das Verbotene hat uns gereizt. Mehr nicht.“

„Das ist nicht wahr und du weißt das!“, schnauzt er mich an.

„Stimmt.“ Es hat keinen Sinn, ihm bereits bewusste Tatsachen abzustreiten. „Trotzdem trennen sich unsere Wege von jetzt an. Es ist besser so. Spätestens nach unseren Abschluss stehen wir auf unterschiedlichen Seiten. Wir können uns nicht ein Leben lang verstecken!“

„Du hast recht“, sagt er mit verletzter Stimme. „Das Verbotene hat uns gereizt, doch ich habe dich immer geliebt.“

„Ich weiß. Aber hier ist unser Ende. In dieser Welt haben wir keine Chance auf ein glückliches, gemeinsames Leben. Doch sowohl du als auch ich haben das verdient.“

„Wie könnte mein Leben ohne dich glücklich werden?“ Seine Stimme ist brüchig und zeugt von ungeweinten Tränen.

„Ich weiß es nicht.“ Auch bei mir gewinnt die Traurigkeit Oberhand. „Doch wir haben keine Wahl. Unsere Liebe hat keinen Bestand vor dieser Welt voller sozialer Schranken.“

„Ja.“

„Mach’s gut, Marcus“, verabschiede ich mich schweren Herzens, drehe mich um und atme tief durch. Ich habe es wirklich zu einem Ende gebracht.

„Katie?“

„Ja?“, kann ich es mir nicht verkneifen zu antworten.

„In einer anderen Welt?“

„Ja, in einer anderen Welt.“

Epilog

So endete ihre Liebesgeschichte auf Hogwarts. Sie scheiterte weder an Betrug noch an nachlassender Liebe.

Sie scheiterte am Krieg. Ein Krieg, der das Verbot über ihre Liebe verhängt hatte.

Inzwischen ist der Krieg vorbei und Katie sitzt in Florian Fortescue‘s Eisdiele und liest die neuste Ausgabe des Tagespropheten.

Inzwischen ist sie eine erwachsene Frau, die weiß, dass sie die Vergangenheit loslassen muss, um die Gegenwart umarmen zu können.

Sie weiß es und doch vermisst sie jemanden, der ihr nie wirklich gehört hat.

Doch sie hat Fuß in ihrem neuen Leben ohne Krieg gefasst. Viele Freunde hat sie verloren, doch ebenso viele gewonnen.

Der leere Stuhl an ihrem Tisch wird scharrend zurückgezogen.

„Hallo, schöne Frau.“

„Ich bin nicht interessiert“, weist sie den männlichen Neuankömmling ab, ohne aufzublicken. Doch dieser lacht lediglich auf.

„Du sagtest, in einer anderen Welt. Das hier ist eine andere Welt.“

Diese Worte bringen die junge Frau doch dazu, von ihrer Zeitung aufzublicken.

Impressum

Texte: Story gehört mir, der Rest J.K. Rowling
Bildmaterialien: weheartit
Lektorat: heavenlove
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

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