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Prolog


Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried



„...und so ziehen sie mit ihren Drachen bis heute durch das Land und helfen, wo auch immer es nötig ist.“


Ich schaute in die Runde und sah die interessierten Gesichter der Kinder. Alle Augen waren auf mich- Eduart - gerichtet, mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck, als würde noch mehr kommen. Wie immer hörte Cornelius am besten zu.
Ich fand den Jungen vor acht Jahren am Straßenrand in einem Tuch eingewickelt liegend. Aus einem mir bis heute unbekannten Grund fühlte ich mich für ihn verantwortlich und entschloss mich, Cornelius groß zu ziehen. Schon bald merkte ich, dass er etwas ganz Besonderes ist. Nicht auf die Art und Weise, in der jeder Vater seinen Sohn, als den Besten betrachtet, oh nein, er ist wirklich anders und unterscheidet sich von seinen Freunden in vielerlei Hinsicht, soweit ich das beurteilen kann. Gewisse Anzeichen und uraltes Wissen lassen mich darauf schließen.
Obwohl er ein Findelkind ist, fand er schnell Freunde. Seine beste Freundin, die Tochter von Horst, dem Pferdezüchter, saß links neben ihm und schaute mich mit ihren braunen, mandelförmigen Augen neugierig an.
Katharina, die Jüngste von Adolf, dem Sattler und Gudrun, kniete zwischen ihren beiden Schwestern Miranda und Leona und fragte mich - wie immer - woher ich die Geschichte denn kennen würde.
Maximilian haute ihr daraufhin auf den Kopf und klagte, sie solle nicht immer so nervig sein. Max ist sehr glücklich, obwohl er keine Mutter mehr hat. Hildegard starb bei der Geburt.
Miranda warf ihm einen dankbaren Blick zu, bevor sie mit Leo Katha tröstete.
Cornelius beobachtete das Szenario mit einem süffisanten, fast boshaften Grinsen. Als Elainai das bemerkte, zischte sie ihn an. Normalerweise wäre es zu einem Streitgespräch ausgeartet, wenn es jemand anderes mitbekommen hätte. Er allerdings sah jetzt betreten zu Boden, nur von ihr ließ er sich zurechtweisen. Bei anderen wurde er ausnahmslos trotzig. Leider war Elain das bewusst und sie nutzte es schamlos aus. Mit einem Seufzen erhob ich mich und schickte die Kinder nach Hause. Es war schon spät.

 

Eduart:

 

 

 


Der Morgen dämmerte als ich durch einen Schrei wach wurde. Cornelius stand über mir und war pünktlich wie immer zum Ausmisten da. Er half uns oft, eigentlich täglich, weil er zuhause nicht viel zutun hatte. „Du hast verschlafen, Elain!“ War seine Begrüßung. Er warf mir das Kleid von gestern ins Gesicht. Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett und umarmte ihn. Da er das nicht gewöhnt war, zumindest nicht morgens, stolperte er und fiel über meine Schuhe. „Tölpel!“ Kicherte ich und scheuchte ihn nach unten.

Mit einem Apfel in der Hand lehnte er am Stalltor und wartete auf mich. Mein Vater hatte mir bei dem Frühstück erzählt, dass mich eine Überraschung im Stall erwarte, nun war ich gespannt, aus was die bestehe. Derek, mein kleiner Bruder, rannte auf mich zu um mir als erstes zu sagen das eine Stute gefohlt hatte. Sofort lief ich, Cornelius’ Hand nehmend, in den Stall. Das war also die Überraschung.
Das Stutfohlen war ein Dunkelfuchs mit Strümpfen an den Hinterbeinen.
Während es angestrengt an den Zitzen der Mutter saugte, beobachtete diese uns argwöhnisch. „Oh nein, ist das niedlich!“ Kommentiere ich augenblicklich, was mein Bruder mit „Ja, klar. Lass uns anfangen, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“, beantwortete. Cornelius grinste frech und erwiderte: „Theoretisch schon, aber wir haben besseres zu tun.“ Damit war die Unterhaltung fürs Erste unterbrochen und wir beobachteten fasziniert wie das neue Lebewesen Energie schöpfte.

Nach getaner Arbeit gingen wir drei die Straße, welche von der Burg in unser kleines Dorf führt, entlang. Nachdem wir am Haus des Geschichtenerzählers Eduart vorbei gekommen waren, teilten wir uns auf, um unsere Freunde zuholen.
Derek ging geradeaus über den Dorfplatz Richtung Burghars Mühle, wegen Max. Aber, davor holte er noch die Söhne vom Tischler, Alfons und Michael, da dieses Gebäude auf der Strecke lagen.
Cornelius ging links am Dorfplatz entlang, um die Töchter vom Schmied Siegfried und dem Sattler abzuholen. Doch vorher ging er bei der Frau von Siegfried, Gesa, Tee für Eduard holen.
Während ich noch mühsam die Tür vom Bäcker öffnete, kamen mir Johann und Marcus schon entgegen. Bevor die Tür hinter uns ins Schloss fiel, konnte ich noch einen Blick auf die piccobello geputzte Theke werfen.
Die Sonne stand hoch über den Holzhäusern, die rhythmischen Hammerschläge von Siegfried dem Schmied, das Sägen des Tischlers Jakob und das Klappern der Mühle waren zu vernehmen, während wir über die Geschichte von gestern abend plauderten. „Also, ich halt das alles ja für Humbuck!“ Lies Alfons uns wissen. „Das beruht nicht auf Tatsachen.“
Wir saßen im Kreis da, wie üblich saßen die Selben nebeneinander. „Rede keinen Mist, selbstverständlich gibt es Drachenreiter und Magie gibt es auch!“ Entgegnete Angela brüsk. Obwohl wir eine Freundesgruppe waren, hatten alle einen besten Freund und Angela war hundert prozentig nicht die von Alfons. Der funkelte Angela streitlustig an und öffnete den Mund um ihr etwas zu entgegnen. Da ging Marcus dazwischen. Er war der Älteste von uns mit zehn Jahren. Johann und Conni waren acht, Angela sieben, Leona, Michael und ich sechs, Max und Miranda fünf und der Rest von uns vier.

Derek, Max und Natascha genügte es bald und sie entschieden sich an den Bach zu gehen. Mira, Katha und Alfons, der Sohn von Horst und Mechthild, folgten. Wir beobachteten die Wolken während sie über die bewaldeten Bergkuppen hinwegzogen, als mir eine Idee kam. „Conni...?“ Er grinste und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Elain?“ „Kommst du nachher noch zu mir?“ Ich strich mir das Kleid glatt. „Nach dem ich im Wald war gerne.“ Und seine eisblauen Augen blitzten fröhlich. Er ist und bleibt mein bester Freund! Was wäre mein Leben ohne ihn?
Nach einiger Zeit bekam Marcus wie immer Hunger und deshalb gingen er, sein Bruder Johann und Angela zu ihm nach Hause. Der Rest von uns unterhielt sich weiter und kämpften mit Holzschwertern. Es galt als unschicklich für Mädchen, aber so weit ab von der Zivilisation, war das egal.
Als es dämmerte gingen alle zu ihren Eltern, bis auf Cornelius. Er ging in den Wald um Pilze zu sammeln.

Lange saß ich vor der Haustür und stickte an einem alten beigen Kleid meiner Mutter ein neues rotes Rosenmuster an die Borde.
Sorgenvoll ging ich ins Bett, nachdem das Tal im dunkeln da lag, die Zikaden zirpten und der Mond bald als runde, weiße Scheibe am Himmel stand. Mein sonst so zuverlässiger Freund war nicht gekommen.


Eduard beobachtete pfeiferauchend, wie Cornelius mit kindlichem Elan in den Wald stampfte. Er rechnete damit, dass der Junge endlich seiner Bestimmung nach, erzogen wurde. Zugleich machte er sich Sorgen um Elainai. Wie würde sie es aufnehmen?
Cornelius würde nicht zurückkehren.


Ich lauerte im Dunkeln dem Jungen auf. Wir haben solange auf diesen Augenblick gewartet. Als ich ihn mit einem Prall gefülltem Tuch in den Händen kommen sah, wusste ich das alles gut gehen würde...

Kapitel 1



Seit zehn Jahren läuft sie jetzt schon mit diesem künstlichen Lächeln herum. Seit Conni weg ist. Niemand hat es gemerkt. Ihre Eltern haben sich sogar gefreut, das sie sich so verändert hat, endlich sei sie fleißig. Ich weiß diese Art überspielt ihre Trauer, die Trauer, die sie schon mit sechs Jahren erwachsen und sehr Ernst machte. Wenigstens redet sie noch mit mir wie früher.
Nur ich, Leona, weiß, dass sie sich immer noch Sorgen macht. Ihn vermisst, nicht vergessen kann. Das scheint daran zuliegen, das sie ihn von Anfang an kannte und viel mit ihm gemacht hatte.
Wir haben vor vier Jahren angefangen uns Schwertkampf und Bogenschießen beizubringen. Nicht so wie früher zum Spaß mit Holzschwertern, sondern mit echten Kurzschwertern. Ihr Vater schenkte ihr nach langem Drängeln eins. Sie liebt es, auf dem Pferd zu trainieren, obwohl sie auch am Boden sehr gut kämpft. Das sind die einzigen Momente, wo sie nicht an ihn denkt. Ich versuche ihr das Bogenschießen beizubringen, aber ihr fehlt das Feingefühl, sie ist zu impulsiv und bringt die Sache lieber selbst zu Ende, wie sie sagt.
Sie liebt die Magie, wenn es darum geht ist ihre Kraft unerschöpflich. Ihre Eltern dürfen diese Fähigkeit nie erfahren, sie haben ja schon damit Probleme, dass sie die Kunst des Schwertkampfes erlernt. Trotz allem ist es sehr eindrucksvoll sie beim Üben zu beobachten. Sie ist gut, obwohl sie sich alles selbst beigebracht hatte.
Für Magie benötigt man Veranlagung und Willensstärke. Als Magie bezeichnen wir, die Tatsache, dass sich etwas verändert, oder etwas entsteht ohne irgendwas körperlich zu machen, nur durch den Willen.
Derek und Maximilian sind beide als Elain und ich anfingen zu trainieren, als Knappen an den Hof gegangen. Dadurch hat sie sich von Angela entfremdet. Max war die Brücke zwischen den beiden. Vor einem Jahr heiratete Johann Angela, irgendwie ist Elain dadurch noch trauriger geworden.
Und nun haben ihre Eltern entschlossen, das sie einen ihr unbekannten älteren Jungen heiraten soll. Dabei lieben sich die beiden nicht einmal, er hat eine Andere.


„Pssst! Leo!“ Flüstert eine gepresste Stimme hinter einem Haus und reist mich aus den Gedanken. Es ist Elain. Als ich sie erblicke, winkt sie mir ihr zu folgen.
Nachdem ich sie erreiche, grinst sie verschmitzt und fuchtelt aufgeregt mit den Händen. „Du weißt nicht, was ich heute angestellt habe! Ich habe meinen Verlobten getroffen und mit ihm besprochen, wie wir nicht heiraten müssen!“ Ich habe alles erwartet, nur nicht das sie sich gegen den Willen ihrer Eltern auflehnt. Wird sie jetzt wieder normal? Wird sie wieder das verrückte Mädchen?
Ich sehe sie an, ihre langen goldbraunen Haare sind nicht so ordentlich wie sonst in einen Zopf zurück gebunden. Ihre Augen haben dunkle Ringe, aber wenigstens leuchten sie wieder. Sie ist sehr dünn geworden, aller Babyspeck ist aus ihrem Gesicht gewichen, ihre langen Beine wirken in dem Kleid, das sich an sie schmiegt besonders schlank, außerdem betont es ihre Taille.
Das lila Kleid trägt sie nur zu besonderen Anlässen, eigentlich. Ist heute so ein Anlass? „...hörst du mir eigentlich zu oder führe ich Selbstgespräche? Na ja, jedenfalls wird er bald zu meinem Vater gehen und es ihm sagen. Was hältst du davon?“ Ich überlege. Vielleicht ist es wirklich das Beste für sie. Auch, wenn ich bezweifle, dass es so einfach gehen wird, wie die beiden es sich vorstellen. Obwohl, wenn er das Arrangement auflöst, kann Horst nichts erzwingen. Außerdem will der eigentlich nur das Beste für seine Tochter, allerdings weiß er nicht, was das für sie ist. In seinem väterlichen Leichtsinn dachte er sich vielleicht, dass es nichts Schöneres im Leben seiner Tochter geben kann, als eine Familie. Leider hat er sich da geirrt, sehr geirrt. Das ist nicht das, was Elain gut tut. Sie braucht ihre Freiheit und trifft Entscheidungen gerne selbst, besonders dann, wenn sie ihr Leben betreffen.
So kann sie dann wenigstens im Dorf bleiben, bis sie sich selbst dagegen entscheidet. „Das heißt du wirst nicht fortgehen? Wie toll!“
„Ja, nicht wahr?!“ Lacht sie. „Du, ich gehe ausreiten und übe ein wenig Magie. Kommst du mit?“ „Nein, tut mir leid, ich muss noch den Sattel für den neuen Hengst deines Vaters abliefern.“ „Schade, aber ich glaube diesmal kann ich dich nicht umstimmen...? Du würdest auch Janosch kriegen“, grinst sie hinterlistig.
„Okay ich komme doch mit! Mach die Pferde schon mal fertig.“ Wenn sie schon so gut drauf ist, will ich nicht das ihre Laune durch Einsamkeit wieder sinkt.


Endlich habe ich das Problem mit der Heirat geregelt. Eigentlich hätte ich mit der Zwangsehe rechnen müssen, aber ich wollte mich meinen Eltern nicht beugen.
Beginne ich endlich Conni zu vergessen? Nein, scheinbar nicht, sonst würde ich nicht sofort wieder an ihn denken. Warum habe ich ihn eigentlich noch nicht vergessen? Es ist doch schon acht Jahre her. Er soll doch meiner Vergangenheit angehören. Freundschaft kann doch nicht so tief gehen. Doch ich vermisse ihn fürchterlich, immer noch. Dabei ist er keinen einzelnen meiner Gedanken wert. Oder?
Als er verschwand und das Dorf es am nächsten Tag bemerkte, wurde ein Suchtrupp gestartet. Es regnete fürchterlich und die Fackeln gingen ständig aus. Ich hatte schreckliche Angst um ihn.
Eduart versuchte vergeblich die Dorfbewohner zur Ruhe zu bringen. Ich verstand ihn damals nicht. Als ich ihn fragte, ob Cornelius ihm denn egal sei, schüttelte er müde den Kopf. Inzwischen vermute ich, das er weiß, wo Conni ist. Man fand ihn nicht, nur sein Tuch mit den Pilzen und merkwürdige Abdrücke im Boden, die keinem uns bekannten Tier zu geordnet werden konnten.
Seit diesem Tag habe ich keine Pilze mehr gegessen, egal wie karg das Essen ohne war. Eine Zeitlang aß ich gar nichts vor Kummer. Ich versteckte mich anfangs in der Dorfscheune, wenn ich meine Ruhe wollte und die gute Laune der anderen mich noch trauriger machte. Ich traute mich nicht mehr den Wald zu betreten. Auch jetzt gehe ich nur mit Begleitung in den Wald und wenn auch nur zu Pferd. Dann fühle ich mich sicherer, weil ich eher fliehen kann. Ich werde meinen Kindern auch einmal verbieten in den Wald zugehen. Sofern ich einen Mann finde oder meine Kinder hier aufwachsen.
So, Janosh ist gesattelt, jetzt noch schnell Sternschnuppe trensen und dann können wir starten.
Leo kommt lautlos in die Box getreten und nimmt mir Janoshs Zügel ab. Als hätte sie gewusst, dass ich fertig bin und sie mir nicht mehr helfen muss. Sie scheint ein Gespür dafür zu haben.
„Auf geht es!“ Mit einem übermütigen Lachen gleitet sie in den Sattel. Ihre dunkelbraune Haarmähne fällt ihr geschmeidig den Rücken hinab, ich beneide sie immer noch, was ihre Haare anbelangen. Leos blauen Augen haben einen dunklen Ring um die Iris, das ist das Besondereste an ihr.
Ich vermute, dass sie bald heiraten wird, sie und Michael sind schon fast ein Jahr, zusammen. Ich freue mich wahnsinnig für sie, dass sie so glücklich mit ihm ist. Außerdem ist er größer als sie., eine Besonderheit. Sie ähnelt eher ihrem großen Vater, als ihrer Mutter.

Als wir an unserer Lieblingsgaloppstelle ankommen, lasse ich einfach die Zügel locker, damit das Pferd sich strecken kann. Janosch ist nicht so schnell wie Sternschnuppe, aber Leona liebt das Geschmeidige an ihm. Ich bin neugierig, wie sie auf ihr Hochzeitsgeschenk reagieren wird. Hoffentlich stört es sie nicht, das sie nur Janosh’s Fohlen geschenkt bekommen wird.
Alle seine Nachkommen sind so schwarz, kräftig und gutmütig, wie er. Es sind perfekte Schlacht-, Kutsch- und Landarbeitspferde.
Sternschnuppe hingegen ist ein schlanker, wendiger, kleiner Apfelschimmel mit Schlohweißer Mähne und Schweif. Dank seines angenehmen Charakters macht er nie Probleme. Deshalb hat ihn mein Vater auch noch nicht verkauft, er erhofft sich, dass sich sein Charakter an seinen Nachwuchs vererbt.


Als der Hahn kräht, wache ich auf und habe so gute Laune, wie schon lange nicht mehr. Auf dem Rückritt gestand mir Leo, das sie Michael heiraten wird. Wie ich es erwartet habe. Bald wird es offiziell bekannt gegeben und das ganze Dorf wird eingeladen. Ich bin neugierig, wie ihre Kinder aussehen werden, denn das sie hübsch werden steht außer Frage.
Beim Frühstück erzählt mein Vater, das Maximilian bald zurück kehren wird um Miranda zu heiraten. Als kleines Mädchen habe ich mich, wenn Vater sprach immer geekelt, weil sich die lange Narbe an der Wange immer so verzog. Inzwischen habe ich mich sogar daran gewöhnt dass ihm der linke, kleine Finger fehlt.
Ich hoffe das harte Leben auf der Burg hat Max nicht zu sehr mitgenommen. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass Adolf so schnell wie möglich seine Töchter loswerden will. Auch habe ich inzwischen die Vermutung, das ich die Einzige sein werde, die nicht heiratet. Sogar mein Bruder ist jemanden versprochen: Natascha. Angela ist mit Johann verheiratet und im siebten Monat schwanger, Max heiratet Miranda, Leona Michael und Alfons Katharina. Marcus ist zum Heiraten fortgezogen. Ich bin die einzige, die nicht verheiratet ist oder in greifbarer Zukunft heiraten wird. Das ist auf eine verdrehte Art und Weise frustrierend. Ich will weder alleine bleiben noch meine Freiheit aufgeben. Das Leben ist voller Widersprüche.
Während ich noch grübelnd über meiner Schüssel Haferbrei sitze, verteilt mein Vater die Aufgaben für den heutigen Tag. Zum Glück muss ich erstmal nur die Pferde auf die Weide lassen und am Abend reinholen. Noch dazu Sternschnuppe, Fee, Tahlim und Rosenblüte trainieren. Denn Rest des Tages bekomme ich frei.

Mit Hilfe der Hunden treibe ich die Pferde und Fohlen auf die große Weide. Der Nebel steht noch dicht und milchig über den Boden. Im Herbst geht die Sonne erst sehr spät auf, da sie viel Zeit benötigt um über die Berge aufzusteigen. Normalerweise würde ich Leo fragen, ob sie mit ausreitet, aber aus irgendeinem Grund möchte ich allein sein. Den Wind an meinen Haaren zerren, die kalten Stiche der morgendlichen Luft in meinem Gesicht fühlen. Leben, einfach lebendig sein. Mit mir ins Reine kommen und das funktioniert am besten, wenn ich alleine bin.
Mir das Schwert um die Hüften schnallend trete ich vor die Tür. Es riecht nach Regen, aber bis dieser in unserem Tal ankommt, wird es schon wieder Dunkel sein und alle sind in ihren Häusern. Einschließlich mir.
Mein Lieblingspferd Tahlim tänzelt nervös und schnaubt vor Aufregung. Der junge Hengst kann es nie abwarten vom Hof zukommen. Nach ein paar Anläufen schaffe ich es mich am Sattel hoch zuziehen. Ich lege die Schenkel an, woraufhin der ungestüme Hengst einen Satz nach vorne macht.
Sobald ich das Dorf hinter mir gelassen habe, gebe ich ihm Galopphilfen und gleite lächelnd in den leichten Sitz hinüber. Ausritte sind meine Art loszulassen. Ich brauche sie einfach, in meiner Fantasie reite ich einfach vor meinen Problemen davon.
Ich singe eine Weise, wie sie bei uns im Reedtal üblich ist,. Das Lied beklagt den Tod eines lieblichen Bauernmädchens durch ein Feuer ausgelöst durch einen Blitz. Dies Unglück soll vor vielen Hundert Jahren hier passiert sein und ins daran erinnern, dass wir uns nur das Leben von der Natur leihen und sie es jederzeit zurückfordern kann.
Plötzlich scheut das Pferd und stößt ein schrilles Wiehern aus. Meinen Gesang unterbrechend beruhige ich es, greife nach dem schlichten Griff meines Langschwertes und nehme meine Umgebung in Augenschein. In der Ferne lässt sich der Umriss von etwas sehr Großem ausmachen, was gestern noch nicht hier war. Etwas Kleineres läuft direkt vor dem Großem auf mich zu. Es sieht aus, wie ein Mensch mit einem langen Reiseumhang. Hier in der Gegend trägt aber niemand solche Kleidung. Irgendetwas kommt mir an der Person bekannt vor, trotz allem schicke ich zur Sicherheit einem Energiewall, welcher jeden normalen Menschen umwerfen würde, in die Richtung. Die Gestalt wehrt ihn einfach ab und unternimmt einen Versuch in meinen Geist einzudringen. Mich erfasst augenblicklich Panik. Ein Magier. An unserem Dorf! Mit knappen Hilfen wende ich Tahlim und lasse ihn im gestreckten Galopp Richtung Dorf zurückjagen.


Ich bin mit meinem Drachen Nugur in einiger Entfernung vom Dorf gelandet. So weit kommt normalerweise niemand herausgeritten. Ich streichle Nugur und frage ihn, ob er mich immer noch in meinem Entschluss zurück zu kehren unterstützt. Zur Bestätigung macht er einen Schritt nach vorne und sagt, dass er mich noch einen Teil des Weges begleitet. Dankbar nehme ich das Angebot an.
Ich denke gerade an meine alten Freunde, als ein Pferd wiehert. Ich denke darüber nach, ob sie mich vergessen haben und ob sich jemand um mich gesorgt hat? Ob sie mich wieder wegschicken werden?
Ich schaue auf, um herauszufinden, wer das Pferd reitet.
Durch meine Ausbildung habe ich all das gelernt, was ich mir immer gewünscht habe. Zum Beispiel kann ich jetzt selbst in der schwärzesten Nacht alles erkennen, als wäre Tag. Von dieser Fähigkeit machte ich grade Gebrauch, obwohl es nur neblig ist. Ein kleines, braunes Pferd mit Laterne, Hechtkopf und zwei weißen Fesseln steht mir wie eine Statur in einiger Entfernung gegenüber. Auf ihm sitzt anmutig ein Mädchen, welches angestrengt zu mir rübersieht. Ihre Haare fallen fließend über ihre Schulter. Sie scheint jünger zu sein, als sie auf den ersten Blick wirkt. Ihr schwarzes Kleid betont ihren schlanken Körper. Sie kommt mir bekannt vor, aber irgendwie auch ganz fremd. Wie jemand aus einem Traum. Ihre roten Lippen bewegen sich schwach. Fast zu spät realisiere ich, dass sie mir mit Magie entgegen tritt. Nugur lacht mich in Gedanken über meine langsame Reaktion aus. Es ist ein sehr mächtiger Angriff. Furcht spiegelt sich in ihrem Gesicht wieder und ihre Augen sind weit aufgerissen, als sie ihr Pferd wendet. Diese Augen, sie sind so traurig, als hätte sie viel Schlechtes erlebt. Und dieses Braun... Woher kenne ich das? Ist sie aus dem Dorf? War sie eine aus meinem alten Freundeskreis? Kann ich überhaupt zurückkehren? Nugur drängt mich dazu weiter zugehen, Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Das Mädchen war Elainai. Mein Magen zieht sich zusammen, als ich es Nugur sage. Er wird nachdenklich und meint, dass ein normales Dorfmädchen keine Magie beherrschen dürfe. Ich nicke und antworte das ich der Sache auf den Grund gehen werde. Warum hat sie mich nicht erkannt? Habe ich mich so verändert? Und weshalb zog sich mein Bauch zusammen? Hatte ich Angst?


Ich sehe Elainai auf einem verschwitzten Pferd in das Dorf reiten. Sie ruft nach Leona. Ich höre, was sie zu ihr sagt und erkenne, das ER zurück gekommen ist. Riesige Freude macht sich in mir breit. Die beiden Mädchen gehen leise diskutierend Richtung Stall, um für Leo Fee zuholen. Wahrscheinlich ist er bis dahin im Dorf. Moment. Was machen die Gören denn? Sie schlagen doch nicht etwa Alarm? Das muss ich sofort unter binden! „Halt!“

Kapitel 2



Ein Schrei zerreißt die Luft und Elain fährt erschrocken herum. Tahlim tänzelt erschrocken auf der Stelle, bleibt aber bei uns. Eduart kommt auf uns zugehumpelt. Lächelnd begrüßt er uns. Elain’s Gesicht verfinstert sich. Sie traut dem alten Kauz nicht mehr, seit Cornelius weg ist. „Ich geh Tahlim wegbringen...“ lässt sie uns wissen und verschwindet.
„Hör zu, Mädchen. Der Junge, den Elainai gesehen hatte, ist Conni. Er kommt zurück.“
Ich schaue ihn erstaunt an, irgendwie werde ich sauer, sehr sauer. Ich habe das Gefühl gleich zu platzen! Ich drehe mich auf dem Absatz um, wie kann er es wagen zurück zukommen?!
Wie wird Elain reagieren nach all dem Kummer?
Ich werde ihn abpassen! Ihn zur Rede stellen, ihm alles erklären. Sie darf ihn nicht sehen, noch nicht.


Auf halben Weg kommt mir eine junge Frau entgegen, es ist Leona erkenne ich auf den zweiten Blick. Die starke Veränderung an ihr ist verängstigend, hat sich Elain auch so verändert?
Sie scheint aufgebracht zu sein. Als sie mich erreicht bohrt sie mir einen ihrer langgliedrigen Finger in die Brust und beschimpft mich fürchterlich. Ich weiß nicht mal warum. „Moment mal!“ Entrüste ich mich. „Was ist denn los? Was hast du?“ Sie sieht mich an, ihre Augen werden wieder weich und sie nimmt mich in den Arm. „Du kleiner Idiot! Du... Schön das du wieder da bist“, murmelt sie. Sie geht mir bis zur Brust. Ziemlich groß für eine Frau.

„Komm ich erklär es dir!“
Leo überlegt und setzt sich auf eine gefällte Tanne. „ Also, ich glaub ich beginne bei dem Tag, an dem du verschwunden bist...“ Sie erzählt mir so gut wie alles, nach und nach erfasste ich das Ausmaß meines Verschwindens und Elain’s Reaktion. Weshalb hat Elainai so reagiert? Was habe ich ihr nur angetan! Ich habe meine beste Freundin zutiefst verletzt.
Nacktes Grauen packt mich. Ich kann dem Mädchen nicht unter die Augen treten, was soll ich nur tun? Ich wollte das doch nie!
Nugur hat alles mit angehört und sein Rat ist, Elain alles zu erklären, aber würde sie mir überhaupt zuhören? Würde sie verstehen? Wird sie es überhaupt verstehen wollen? „ Wo warst du eigentlich?“ Fragt sie in die Stille hinein. Ich lächle nur und rufe Nugur herbei. Ihr Gesicht weitet sich vor Entsetzen, dann spiegelt es Wissen wieder. Ich wusste ich kann ihr vertrauen.
Sie ist schon immer ausgeglichen, ruhig und intelligent. Ein anderes Mädchen hätte hysterisch reagiert. „Ich verstehe“, sind die letzten Worte, bevor sie gehen will. Ich halte sie auf, erst muss sie mir ein paar Fragen beantworten, bevor ich sie gehen lasse. „Leo? Warte!“ „Was ist denn?“
„Wie wird sie reagieren? Wirst du Nugur verraten? Wird sie mir verzeihen? Woher beherrscht sie Magie? Wie geht es den Anderen und wie werden die reagieren? Wird Elain überhaupt mit mir reden?“ Uuups. Das war zu viel auf einmal, ob sie merkt, das sich die meisten Fragen um El gedreht haben? Warum will ich eigentlich so viel über sie wissen? „Denkst du ich darf sie noch El nennen?“ Frage ich mit verschüchterter Stimme. Ich war der einzige, der das durfte. Ich nannte sie nur so, wenn wir unter uns waren.
Sie grinst verschmitzt und denkt sich wohl ihren Part. „Sie hat sich sehr verändert, nicht wahr?“ Plötzlich ziehen Schatten über ihr Gesicht und ihre Augen werden wieder zornig. „Du hast sie noch nicht aus der Nähe gesehen, dann wirst du sehen, wie schlecht du ihr tust!“ Ruft sie aus. „Oh. Entschuldigung, ich wollte nicht so direkt werden.“ „Schon in Ordnung. Beantworte einfach die Fragen.“
„Du wirst schon sehen und das mit El wirst du merken.“ Dann geht sie und ich ließ sie ziehen. Mehr würde sie sowieso nicht dazu sagen.


Mit mürrischer Miene packe ich die Mistgabel. Dieser Idiot von Eduart, wie ich ihn hasse! Was fällt dem eigentlich ein mir etwas verbieten zu wollen!
Ich rege mich fürchterlich auf, dieser alte Idiot! Ich bin doch kein Kind mehr!

Nach einiger Zeit und mehreren Boxen später beginne ich zu überlegen, wer die Person ist, der ich begegnet bin. Da ich noch die drei anderen Pferde bewegen muss, habe ich ja die Möglichkeit, diesem Rätsel auf die Spur zukommen. Manchmal ist Neugierde ein Fluch.
Ich hoffe Leona kommt mit, allein habe ich ein wenig Angst. Zu zweit ist man doch sicherer. Am besten ich frage sie gleich.
Mit einem Stöhnen ramme ich die Forke in den Misthaufen. Scheiß Leben!

Fee und Rosenblüte sind gesattelt. Fee ist ein Rotschimmel mit kurzem geschwungenen Hals, kräftigen steilen Schultern, breiter Brust, kompaktem Rücken, langen Beinen und einer muskulösen Hinterhand. So zu sagen ein sehr gutes Tier, noch dazu sensibel und intelligent.
Rosenblüte ist das Stutfohlen, welches an dem Tag zur Welt kam, wo Conni verschwand. Sie ist immer noch ein Dunkelfuchs mit zwei Strümpfen und großem Stern. Außerdem tiefer Brust, langem Hals, wie langen Beinen. Ihr Talent unter dem Sattel macht sie zu einem unserer besten Pferde und mein Vater erhofft sich viel Geld von ihrem Verkauf, trotz ihres launischen Charakters.
Das Schwert sitzt sicher an der Hüfte und Pfeil, wie Bogen hängen am Sattel. Ich versuche den Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken, steige auf Rosenblüte, greife nach Fees Zügeln und trabe vom Hof.
Hoffentlich ist Leona bereit, damit wir losreiten können.
Ein beklemmendes Gefühl beschleicht mich. Ist das eine Vorwarnung oder spielt mein Körper einfach nur verrückt?


Wir biegen um die Ecke, ein Tumult scheint ausgebrochen zu sein während wir den Wald nach Spuren durchkämmten. Das einzige was wir fanden war ein Hirschrudel auf einer Lichtung. Anfangs war ich enttäuscht dem Geheimnis nicht näher gekommen zu sein, aber jetzt, wo wir auf die Menschenmasse zu reiten, ahne ich, dass wir mit jedem Schritt unseren erschöpften Pferden, der Lösung näher kommen.
Wie Recht ich doch habe. Mitten in der Menge steht der Mann neben Eduart und redet mit Michael. Michael lächelt Leo an und sie läuft rot an. Mit einem belustigten Grinsen greife ich ihr in die Zügel und heiße sie abzusteigen, damit sie zu ihm kann. Sie gleitet aus dem Sattel, während ich mir die Person im Mantel genauer anschaue.
Er hat blonde, schulterlange Haare, ist groß, breitschultrig und soweit ich das von hinten und mit Mantel erkennen kann schlank. Irgendwie kommt er mir immer noch bekannt vor...
Grauen überfällt mich, als ich den jungen Mann erkenne. Es ist Cornelius.
Ich höre nur noch das rauschende Blut in meinen Ohren, kann nur noch ihn ansehen. Er wirkt ausgeglichen und irgendwie gefährlich zugleich. Wie eine Raubkatze auf der Jagd. Attraktiv. Er lebt! Ein glückliches Gefühl durchströmt mich, bis mein Verstand sich meldet und Gefühlskälte meinen Körper einnimmt. Ich verabschiede mich von Leona und reite aus dem Dorf zu unserem Hof.
Im Stall angekommen, beginnen sich meine Gedanken zu überschlagen. Warum? Warum ist er zurück? Warum nicht früher? Warum ist er überhaupt gegangen? Warum hat er mich, solange im Stich gelassen und kommt jetzt, wo ich mich, soviel besser gefühlt habe, zurück? Warum? Wie kann er nur!
Meine Schale, die ich jahrelang um meine Gefühle gelegt habe, bricht auf. Trauer packt mich und unsägliche Wut. In mir brodelt es vor Wut! Was denkt der sich eigentlich dabei!
Mein Schmerz kommt wieder hoch, wird aber im Moment von der Wut überdeckt. Ich wuchte die Sättel aufeinander klemme sie mir unter den Arm und trage sie in die Sattelkammer, wo ich auf meinen Vater treffe. Er dreht sich zu mir um und seine schwarzen, graugesträhnten Haare bewegen sich leicht im Luftzug, der durch die offene Tür herein kommt. Sein Vollbart erzittert, als er den Mund öffnet um mir etwas zusagen. „Elainai? Wärst du so gut und holst dann noch fünf Strohballen und sieben Heuballen mit der Karre? Spann doch Sternschnuppe davor, dann musst du ihn auch nicht mehr bewegen.“ Ich nickte abgehackt und mein fleißiger Vater verschwindet auf den Heuboden um weiter zu arbeiten. Irgendwie werde ich es schaffen. Alles schaffen, Conni wird nichts von meiner Verletztheit merken. Ich missachte ihn am Besten.


Ich bemerkte vor Elain die Menschengruppe und eine böse Vorahnung überkommt mich. In Gedanken versunken gleite ich nach Elain’s Aufforderung aus dem Sattel und merke erst nicht ihren Blick. Als ich ihn bemerke, ist es schon zu spät, sie trabt schon vom Platz. Mit einem unterdrückten Stöhnen drehe ich mich um, eile zu Michael und lehne mich an seine Seite. Als ich seine schützende Hand an meiner Hüfte spüre, heiße ich, wie die meisten Dorfbewohner Cornelius willkommen. Michael ist kleiner als Conni, eigentlich gleichen sich die beiden überhaupt nicht. „ Erkennst du Leona wieder, Conni? Bald werden wir heiraten!“ Ich laufe rot an und senke den Blick. Muss Michael so prahlen? Wie peinlich! „Sie ist schöner den je. Herzlichen Glückwunsch Michael! Dir natürlich auch Leo“, antwortet Conni. Dankbar lächle ich ihn an. Er erwidert mein Lächeln nicht, suchend lässt er seinen Blick über die Menge schweifen. Ich blicke zu Micha auf. Der sah mich aus seinen liebevollen, braunen Augen forschend an. Was er wohl denkt? Ich wuschele ihm durch die kurzen, schwarzen Locken und ziehe ihn Richtung Mühle davon. „Komm mit ins Haus Minejung! Du hast mir einige Fragen zu beantworten“ ,lässt Eduart verlauten und bahnt sich mit Hilfe seines Stockes einen Weg durch die Menge.
„Micha ich gehe noch einmal zu Elain.“ Verständnisvoll schaut er mich an und erwidert in seinem liebevollen Tenor leise. „Tu das Leo. Wir sehen uns dann später.“ „Selbstverständlich!“

Elain spannt Sternschnuppe vor den Karren, als ich ihren Hof erreiche. Mir starrer Miene sieht sie mich an. „Er ist zurück, nicht wahr?“ Beschämt senke ich den Blick und nicke einmal, dabei habe ich keinen Grund mich zu schämen. Oder nur einen geringen, immerhin wusste ich schon vorher, dass er wieder hier ist und hätte sie warnen können. „Ich gehe Heu holen. Dann bin ich fertig für heute. Ich hoffe für ihn, das ich ihm nicht über den Weg laufe. Das hätte kein gutes Ende.“
Ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass das keine lehre Drohung ist. Beklommen begleite ich sie, um notfalls das Schlimmste zu verhindern.


Unruhig wälze ich mich im Bett hin und her. Ich finde einfach keine Ruhe. Meine Gedanken und Gefühle scheinen, wie von einem Sturm davon getragen worden zu sein. Mein Mund ist trocken, schrecklich trocken.
Seufzend hiebe ich mich hoch. Eine kalte Schauer läuft mir den Rücken hinab. Das Unwetter zerrt an den Holzbalken, welche unser Haus zusammen halten. Von draußen höre ich nervöses Wiehern. In der Küche angekommen, drinke ich aus dem Milcheimer. Ich will nicht wissen, was meine Mutter Jimena bei dem Anblick sagen würde. Sie kann das überhaupt nicht leiden. Verständlicherweise, an ihrer Stelle würde ich auch jeden übers Knie legen wollen bei dem Anblick.
Jeder Dorfbewohner ist zu seinem Beruf auch noch Bauer. Besitzt Kühe, Schweine und Hühner. Manche Familien auch Schafe oder Ziegen. Außerdem bewirtet er Land für Getreide, Gemüse, Kartoffeln. Wiese für Heu und Weiden für die Tiere.

Die wohlige Wärme meines Bettes empfängt mich und zieht mich in den Schlaf trotz der Gedanken an Cornelius und Leona.
„Die ganze Straße steht unter Wasser es ist unmöglich mit den Tieren hart zuarbeiten. Deshalb wirst du heute vormittag deiner Mutter im Haus helfen und nach dem Mittagsessen, mit mir die restlichen Boxen, die ich noch nicht am Vormittag geschafft habe, ausmisten. Wenn dann noch Zeit ist, gehst du zum Sattler und lässt die Trense von Mondschein reparieren. Außerdem könnten Menuett und Demein neue Eisen gebrauchen, bevor sie von ihren neuen Besitzern abgeholt werden. Schlinge dein Brot nicht so hinunter! Davon wird die Arbeit auch nicht weniger.“ „Tut mir Leid, Vater“, flüstere ich, nach dem ich ausgekaut habe. Meine Mutter wirft mit einer Hand ihre dunkelbraune Lockenpracht über die Schulter, um meinen Vater aus ihren runden, rotbraunen Augen besser anfunkeln kann. „Horst! Max kommt heute nach Hause und du gönnst ihr keine Minute Freizeit! Außerdem, mein Lieber ist Cornelius wieder im Dorf. Kannst du da nicht verstehen, das sie etwas Anderes im Kopf hat, als ihr Frühstück ordentlich zu essen?“ Sie zieht ihre Augenbrauen hoch, wodurch sie noch mehr Falten bekommt und verschränkt ihre arme unter ihrem großen Busen. Mein Vater brummelte, etwas von unerledigter Arbeit, der Rest geht im Bierkrug unter. „Schon in Ordnung. Mutter. Ich helfe dir doch gerne. Sagen wir ich putze das obere Stockwerk, stopfe die Socken und koche das Mittagsessen? Wenn ich dann noch Zeit finde werde ich an meinem neuen Kleid weiter nähen. Gestern kam der restliche Stoff bei Gesa an. Du hast wirklich ein gutes Auge, was Farben anbelangt. In dem hellen Blau würde ich super Aussehen. Ich habe mir aber überlegt, ob das nicht besser ein Kleid für dich wird? Ich habe genug und alle sind noch in guten Zustand. Du kannst dir ja auch mal wieder was leisten.“ „Stimmt!“ Pflichtet mir mein Vater bei. Meine Mutter zieht eine Schnute und strahlt dann. „Also, offensichtlich bin ich überstimmt. Elainai du hilfst mir, aber nicht wahr?“ „Was denn sonst? Es soll doch ein Meisterwerk werden.“
Nach den Fegen, dem Teppich ausklopfen, dem Weiternähen und den restlichen Haushaltsarbeiten, die in den überfüllten Vormittag passen, stehe ich müde über dem Feuer, wo eine Kartoffelsuppe mit Speck köchelt.
Polternd kommt mein Vater in die Küche, um sich die Hände vor dem Essen zu waschen. „Holst du bitte Mutter aus der Waschkammer, damit wir alle zusammen essen können?“ „Ja, gleich. Fang schon mal an, dann kannst du früher in den Stall.“
Gerade als ich den Löffel in die Suppe tauchen will, klopft es an der Haustür. Ich stehe auf und öffne sie. Mit verquollenen Augen steht Mechthild vor der Tür. Sie ist die beste Freundin meiner Mutter und die Mutter von Michael und Alfons. Michael sieht ihr sehr ähnlich. Er hat ihre Haare ihre Augen, ihre schmale Figur. Mit zittriger Stimme fragt sie, ob sie rein kommen darf, als meine Mutter schon aus ihrem Zimmer kommt und auf sie zugeht. Unser Haus ist aus Holz und hat ein Reetdach. In unserem Erdgeschoss ist das Arbeitszimmer, welches die Hälfte des Hauses einnimmt. Darin befindet sich die Küche das Esszimmer und das Wohnzimmer. Die andere Hälfte ist das Schlafzimmer meiner Eltern und einer Vorratskammer. Im Dach schlafen mein Bruder und ich. Im Moment nur ich, da Derek eine Grundausbildung als Soldat absolviert.
Mechthild sitzt mit meiner Mutter auf der gepolsterten Bank neben dem Kamin und mein Vater und ich lassen uns am Tisch nieder.

Meine Muskeln arbeiten, ohne das ich sie steuere, monoton weiter. Nach vier bis fünf Boxen wird das immer so.
Die letzte Karre habe ich gerade ausgeleert und zurück gestellt. Als Leo auf den Hof gerannt kommt. „Elain, hast du noch etwas vor oder bist du fertig?“ Ich stemme die Hände in den Rücken und schaue in den Himmel, wo die Sonne als roter Ball schon zur Hälfte untergegangen ist. „Ich muss noch zu deinem Vater eine Trense reparieren lassen, und zum Schmied.“ „Also hast du keine Zeit? Schade, eigentlich wollte sich die ganze Gruppe treffen und ein wenig über das Verbleiben von Conni erfahren...“ Stockend unterbricht sie sich, als ich sie arrogant und kühl anschaue. „ Ich habe besseres zutun als mir Märchen an zu hören! Bitte lass mich in Ruhe weiter arbeiten. Da geht nicht gegen dich. Aber was bildet sich der Junge eigentlich ein? Sollen wir etwa alle auf sein erscheinen hin an seinem Rockzipfel hängen, wie ein Kind bei seiner Mutter? Wenn du mich entschuldigst, ich muss weiter arbeiten.“ Ich gehe an ihr vorbei und verschwinde im Stall. Die Arbeit wird auch nicht weniger, hoffentlich kommt bald mein Verlobter, dann bin ich wenigstens einer Sache entbunden. Zum Glück weiß nur meine Familie und Leona von meiner Verlobung. Sonst müsste ich mich zwei Wochen lang nur noch in Schwarz kleiden und dürfte den Hof nicht verlassen.


Scheinbar hat Connis Auftauchen Elain mitgenommen, sonst hätte sie mich sicher nicht so brüsk abgewiesen. Daran kann ich auch nichts mehr ändern. Stirnrunzeld drehe ich mich um und renne den Pfützen aus dem Weg gehend zurück in das Dorf.


So geht das nicht weiter. Elain geht mir aus dem Weg, wie soll ich sie da besänftigen und mich entschuldigen? Ich habe sie immer noch nicht aus der Nähe gesehen. Nugur sagt, dass er, wenn ich nicht herausfinde woher sie Magie beherrscht, sie töten muss. Sie könnte sich ja dem Bösen verschrieben haben. Das ich nicht lache! Elain ist zwar zickig, aber nicht verschlagen. War sie zumindest nicht und Leona wäre nicht mit ihr befreundet, wenn es jetzt anders wäre, oder? In mir sträubt sich alles dagegen. Sie kann nicht zu den Dunkeln gehören!
Leona ist der Meinung, das ich sie am Vormittag, in ihrem Zimmer beim Nähen an zu treffen ist. Am Nachmittag wird sie ausreiten. Das wird meine einzige Möglichkeit sein sie allein zu erwischen.
Einen Versuch ist es wert, aber bis dahin gehe ich spazieren. Ich folge der Schotterstraße Richtung Burg, durch mein scharfes Gehör vernehme ich Hufgetrappel aus zwei Meilen Entfernung.
Als der Reiter neben mir hält, um zu grüßen, frage ich ihn, wer er denn ist. „Mein Name ist Richard Herbertsson. Ich bin auf dem Weg zu meiner Verlobten Elainai, Jimenas Tochter, mein Herr.“ Bei dieser Nachricht zieht sich mein Magen zusammen und ein Getier in meinem Inneren schreit nach dem Tod dieses Mannes, da mir bewusst ist, dass das Elainai nur unglücklich machen würde, reise ich mich zusammen, nicke zum Abschied und laufe weiter.
Am besten ich rede mit Leona, wie ich an sie heran komme.


„Hmmm, am besten, du gehst einfach zu ihr nach Hause und redest mit ihr. Außerdem kann ich dich beruhigen, falls es das ist, weshalb du dich so aufregst. Richard liebt Elain nicht und...“ Ich hebe kurz die Hand, als er mir ins Wort fallen will. „...und sie ihn nicht. Aus diesem Grund besucht er ihren Vater. Die beiden werden nicht heiraten. Bitte sag niemanden das sie verlobt war, denn es weiß niemand im Dorf. Du würdest ihr dadurch einige Probleme ersparen.“ „ Danke Leo, das du mir so hilfst.“ „Ich helfe nicht dir. Ich versuche Elainai zu helfen. Sei nett. Egal was sie zu dir sagt und erschrick nicht... Sie hat sich fast noch mehr verändert als ich.“ Ein kurzes Lächeln huscht über sein Gesicht. „Positiv oder Negativ?“ „Mach dir dein eigenes Bild!“ Sage ich noch und drehe mich dann um. Meine Mutter braucht noch Hilfe im Haus, außerdem muss ich schneller an meinem Hochzeitskleid voran kommen.


Elains Gesichtsausdruck nach, muss ihr Verlobter mit ihrem Vater die Hochzeitsgeschichte geregelt haben. Zum Glück, jetzt hat sie eine Ausrede weniger sich im Haus und auf dem Hof in die Arbeit zu stürzen. Mal sehen, was sie noch zutun hat. Vielleicht kann ich ihr ja helfen.
„ Guten Abend, Leo. Was führt dich her?“ „Hast du noch etwas zutun? Wenn nicht, möchtest du mir helfen an meinem Kleid weiter zu arbeiten?“ „Ich gehe mit dir, aber ich Nähe an meinem Teppich weiter.“ Elain hatte es sich zur Aufgabe gemacht, aus allen Stoffresten im Haus einen Teppich zunähen. Er sieht bis jetzt noch unförmig aus, aber ich bin mir sicher, das der Teppich sehr hübsch wird. „Hast du schon mal mit Conni geredet?“ Fragt sie mich plötzlich. „Ich meine, seitdem er zurück ist.“ „Ja, habe ich. Er ist anders geworden. Rede doch einmal mit ihm.“ „Nein! Vergiss es. Der soll, wenn überhaupt auf mich zugehen.“
„Ich verstehe. Lass uns gehen, sonst ist es Mitternacht, bevor wir überhaupt angefangen haben.“
Bei mir im Zimmer nach dem sie das zweite Stückstoff angenäht hat, beginnt sie mir von dem Gespräch zwischen Richard und ihrem Vater zu erzählen. Alles ist geregelt. Innerlich atme ich auf. Wenigstens eins ihrer Probleme ist gelöst.

Kapitel 3



Jetzt bin ich schon über eine Woche im Reedtal und habe schon mehrmals versucht mit Elain zu reden. Das eine Mal, wo ich sie aus der Nähe gesehen hatte, war ich so geschockt und zugleich fasziniert von ihrem Anblick. Sie ist groß, schlank, sehr weiblich, eigentlich so, wie sie in ihrem Alter sein soll. Aber sie wirkte hart, kalt und hatte dunkle Augenringe. So Erwachsen wie als wurde ihre Kindheit gestohlen. Von Leona habe ich gehört, dass sie nicht mit mir reden möchte, weil sie mir zeigen will, dass sie kein Spielzeug ist, sie nicht einfach vergibt. Ganz kann ich das nicht nach vollziehen, aber ich akzeptiere es.
Trotz allem werde ich heute noch einmal mein Glück versuchen. Durch Magie habe ich Kontakt zu meinem Meister aufgenommen. Er und die anderen Drachenreiter im Senat haben mir den Auftrag erteilt im Westen bei Guratatscha Farangs zu vertreiben. Farangs sind eine Art Säugetier, dem Menschen ähnlich und sehr brutal, wie skrupellos. Sie töten leidenschaftlich gerne und essen ihre Opfer.
Falls sie mein Ende sein sollten - was ich nicht vermute, will ich mich vorher mit ihr vertragen. Ich habe keine Ahnung, warum mir das so wichtig ist, wahrscheinlich, weil ich sie immer noch mag.


Es ist toll alle lachende Gesichter wieder um sich herum zu haben. Nur Conni fehlt, aber ich weiß nicht, ob ich ihn vermisse. Außerdem wohnt Marcus jetzt ziemlich weit entfernt und dadurch ist er auch nicht anwesend. Derek und Natascha sitzen zusammen auf einem Baumstumpf und unterhalten sich. Natascha hat sich fast mehr gefreut als ich, als er gestern unerwartet aufgetaucht ist. Natascha ist sehr hübsch. Sie hat himmelblaue, kugelrunde Augen, honigblonde, schlüsselbeinlange Haare, ist dünn, klein, zierlich,
Derek sieht aus, wie Johann in jünger und kleiner und seine Augen sind braungrün und nicht hellblau. Seine strohblonden Haare sind jetzt kurz geschnitten, er hatte einen durchtrainierten Körper und scheint sich nicht verändert zu haben im Gegensatz zu Maximilian. Johann streichelt Angelas runden Babybauch und lächelt verträumt. Es scheint fast so wie früher, nur dass wir alle älter geworden sind. Und doch liegt unser Leben noch vor uns. Wir sitzen da wie früher, jeder an seinem Platz, aber wir sitzen jetzt auf der Wiese gegenüber von unserem Haus zwischen Dorf und dem Haus vom Jäger. Nur ein Platz ist noch frei. Gerade als ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, wispert eine tiefe, liebevolle, nette Stimme neben meinem Ohr „ Ist hier noch frei? Oder soll ich mich woanders hinsetzen?“ Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich ihm nicht mehr böse bin und ihn nicht kommen gehört habe. „Tu was du willst und frag’ nicht so dämlich!“ „Dein Wunsch ist mir Befehl.“
Leona wirft mir einen merkwürdigen Blick zu. Eine Mischung aus Warnung, was wahrscheinlich so viel heißen sollte, wie „übertreibe es nicht“ und Neugierde.
„Erzähl, wo warst du, solang du nicht hier warst?“ Ich hörte wie meine Stimme am Ende des Satzes bricht, weshalb ich wohl einen sehr wütenden Gesichtsausdruck haben muss, denn Leona sieht mich wieder warnend an. „Hier erzähle ich dir, was ich auch allen anderen erzählt habe, aber wenn du mit mir mitkommst, erzähl ich dir die Wahrheit und jedes Detail, welches du zuhören wünschst.“ Während er das sagt, ist er so nahe, dass sein warmer Atem mich im Ohr kitzelt. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, aber ich kann nicht sagen, woher er kommt. Von der Kälte? Von dem unterdrückten Kichern? Vorfreude auf das, was ich zu hören bekommen werde oder wegen seiner Anwesendheit? Nein, das letzte kann nicht sein! Ich bin doch immer noch sauer, oder etwa nicht? Während ich noch nachdenke, steht er auf und läuft los ohne sich noch einmal zur Vergewisserung, dass ich ihm folge. Also springe ich mit einem Schulterzucken in Leonas Richtung auf und renne ihm hinterher.


Als sie neben mir ankommt, greife ich nach ihrem Arm und ziehe sie in Richtung Wald. Am Waldrand angekommen, bleibt sie so abrupt stehen, dass ich ihr fast den Arm ausreise. „Ich gehe nicht in den Wald! Da bringt mich nichts rein! Vergiss es!“ „Warum denn nicht? Dir passiert doch nichts!“ „Ich gehe da nicht rein! Koste es, was es wolle, nicht freiwillig.“
Kurzerhand hebe ich sie hoch und trage sie, trotz ihrer Drohungen, bis zu einer Lichtung in der Nähe von Nugur, damit er mit hören kann. „Dafür hasse ich dich!“ Ich spüre einen Stich in meinem Herzen. „Tust du das nicht schon?“ Sie funkelt mich böse an und sinkt dann wie ein Häufchen Elend auf dem feuchten Boden zusammen. Bestürzt nehme ich sie in den Arm um sie zu trösten. Sie rührt sich nicht, scheinbar weiß sie nicht was sie davon halten soll. „Willst du mir deine Geschichte erzählen und mich loslassen oder mich weiterhin festhalten, bis ich dir die Klinge meines Messers in die Brust ramme?“ „Das würdest du nie tun! Dafür kenn ich dich zu gut.“
„Du kanntest mich die ersten sechs Jahre meines Lebens, seitdem habe ich mich nicht nur körperlich verändert, Cornelius.“ In ihrer Stimme liegt so viel Kälte, dass ich das sofort glaube und sie erschüttert loslasse. Was hatte Leo noch einmal gesagt?
Sie hat sich verändert, ob zum Guten oder Schlechtem musst du selbst entscheiden.
„Gut... Dann fange ich am besten mit dem Tag an, wo ich verschwunden bin. Ich war auf dem Rückweg und freute mich schon auf das Treffen mit dir“, an dieser Stelle schnaubt sie aufgebracht, aber ich übergehe das. „Als mich jemand packte. Der Mann war um die 30 Jahre alt und unheimlich stark, dachte ich damals zumindest, damit ich nicht schrie, hielt er meinen Mund zu. Er sagte ich sei ein Drachenreiter und meine Eltern seien auch welche und daher müsse ich mitkommen, um mich ausbilden zulassen. Ich schüttelte den Kopf, versuchte mich loszureisen, aber plötzlich fiel ich in einen tiefen Schlaf aus dem ich erst im Dorf der Drachereiter erwachte. Ich wollte wirklich nicht mit Elain. Hier war mein Zuhause, meine Freunde... Du warst hier.“ Wieder unterbricht sie mich mit einem unweiblichen Schnauben. Am liebsten würde ich sie bitten, die Unterbrechungen zu unterlassen, doch das ich wahrscheinlich eine schlechte Idee.
„Einer meiner späteren Lehrmeister gab mir etwas zuessen und wartete, damit er mir meinen Drachen Nugur zeigen kann. Der Drache und ich hatten von Anfang an ein gutes Verhältnis, das immer besser wurde. Sie lehrten mich den Schwertkampf, den Umgang mit Pfeil und Bogen, Magie, Stockkampf, Verteidigung ohne Waffen und alles was mit Nugur zutun hat. Also, Fliegen, Schuppenpflege und alles andere. Diese Ausbildung benötigte sieben Jahre. Dann schickten sie mich auf verschiedene kleine Botengänge und später vertrauten sie mir auch größere Dinge an. Es verging nur selten ein Tag, an welchem ich nicht an dich und die anderen dachte und deshalb holte ich mir die Erlaubnis euch besuchen zu dürfen. So, das ist meine Geschichte, das habe ich die ganzen Jahre über gemacht. Den anderen habe ich erzählt, das ich im Wald jemanden getroffen hatte, der mir eine Ausbildungsstelle als Gärtner anbot. Ich weiß schlechte Ausrede, aber mit Magie kann man einen Menschen alles glaubwürdig machen.“
„Ich glaube dir nicht.“ Das ist eine einfache Feststellung mit der ich sogar gerechnet hatte. Sie hat schon die ganze Zeit über spöttisch ausgesehen. Nugur ist der Unterhaltung aufmerksam gefolgt und tritt nun lautlos auf die Lichtung. Elainai starrt ihn an. Ich habe Angst, dass sie wegrennt oder etwas anderes Unüberlegtes tut, deshalb lege ich meine Hand auf ihr Bein.
Moment mal, was tue ich da? Ich wette, sie schlägt mich gleich. Immerhin fällt diese eigentlich freundschaftlich gemeinte Aktion unter körperliche Belästigung. Aber für diese Erkenntnis ist es zu spät, meine Hand liegt schon an Ort und Stelle.
Doch wieder meiner Erwartung packt sie meine Hand und drückt fest zu.
„Ich vermute, ich sollte dir glauben, wenn du mir etwas sagst. Tut mir leid. Ich meine alles. Wie ich mich benommen habe und...“ „Schon in Ordnung“, unterbreche ich sie und meine es auch so. Eine Welle des Glücks durchflutet mich. „Nugur darf ich dir Elainai vorstellen? Sie war jahrelang meine beste Freundin und da ich hoffe, dass es wieder so wird, benimmst du dich bitte.“
„Es ist mir ein Vergnügen dich kennen zu lernen Elain. Ich habe schon viel von dir gehört.“ Scheinbar hat er nicht nur mir diese Gedanken geschickt, sondern auch ihr, denn erst weiteten sich ihre Augen vor Schreck und dann lächelt sie. „Ganz meinerseits, Nugur.“
Lächelnd hält sie mir ihre schmale, kleine Hand hin was ich so deutete, dass ich sie nehmen darf. Hand in Hand gehen wir den Hang wieder hinunter. Kurz vor dem Ende des Waldes, bleibe ich stehen. Inzwischen ist die Sonne untergegangen. Die Anderen haben ein Feuer gemacht, das seine schaurigen Schatten bis an den Waldrand wirft. „Du hast dich verändert. Ich erkenne dich kaum wieder. Wo ist meine beste Freundin hin, das Mädchen mit dem ich so viel Spaß hatte? Das Mädchen, das allem furchtlos entgegen getreten ist und wenn es doch mal Angst bekam, sich von mir helfen lies?“
„Es ist weg, Conni. Frage ja nicht wieso. Ich weiß, das Leona dir alles erzählt hat. Sie kann mir da nichts mehr vormachen und nur das du Bescheid weißt: Ich brauche niemanden, schon lange nicht mehr.“ Sie tritt in den Lichtschein und das Feuer wirft bizarre Muster in ihr feines Gesicht. Die Augen sind nicht mehr unterlaufen und sie wirkt auch ansonsten lebendiger, nicht mehr so abgestumpft. Das Kleid liegt ganz nah am Körper und betont jede Kurve ihrer nicht gerade unattraktiven Gestalt. So könnte sie sich nicht überall zeigen ohne Beschützer, obwohl... sie beherrscht ja Magie.
„Elain, darf ich dich etwas fragen?“ „Du tust es doch auch ohne Erlaubnis, also mache es einfach.“ „Woher weißt du wie Magie funktioniert und wie kannst du Magie beherrschen? Das wollte Leona mir nicht sagen...“
„Ich habe vor ein paar Jahren heraus gefunden, wie sie funktioniert, durch ein altes Buch in der Bibliothek von der Burg, in die ich mich schlich, als ich Max und Derek besuchte. Dann habe ich es ausprobiert und es funktionierte von Anfang an und jetzt kann ich sehr gut mit ihr umgehe, wie du mit bekommen hast.“ Am Ende des Satzes lächelt sie. Ich gebe das Lächeln beruhigt zurück, Nugur wird mit der Erklärung zufrieden sein und den Senat kann ich sicher auch beruhigen, wenn ich verspreche sie im Auge zu behalten. Gemeinsam kehren wir zu den Anderen zurück.


Scheinbar vertragen sich Elainai und Cornelius wieder. Das ist sehr gut, aber ich habe damit insgeheim gerechnet, da ihre Wut immer mehr zurück gegangen ist und als sie dann mit ihm in den Wald ging, war es selbstverständlich, das sie sich aussprechen. Ich hoffe er bleibt länger, damit sie wieder wie früher werden können.
Michael unterbricht mich bei meinen Überlegungen, indem er mich anstößt und mit dem Kopf in Richtung- Elain und Conny zeigt. Sie lehnt sich gegen seine Schulter und er legt seinen Arm um ihre Taille, wenn sich da nichts anbahnt...

Kapitel 4



„Conni!“ Ich stehe mit Merkur und Terra vor dem Haus von Eduart und versuche Conni durch Rufe wach zu bekommen, aber scheinbar ist das so unmöglich, wie früher. Mit einem Seufzen möchte ich gerade die Pferde festbinden und ins Haus gehen, als...
„Elain.“ Ich schrecke zusammen und drehe mich schnell um. Verdammt! Was hat er hinter mir verloren? Ich wollte ihn doch gerade eben holen gehen.
Aber da er so nett lächelnd vor mir steht, kann ich nicht anders und nehme ihn in den Arm. Himmel, hat er mir gefehlt! Warum wird mir das erst jetzt so bewusst? Warum schiebt sich dieser Hauch Wehmut ausgerechnet jetzt, in seinen Armen, sich so dringlich in meinen Verstand? Unwichtig, Hauptsache ich kann meine Zeit mit ihm genießen.
An sich sollte ich mich fragen, wie ich es so lange ausgehalten habe ihm aus den Weg zu gehen. Eindeutig bemerkenswert.
Er trägt wieder seinen Mantel, der ihn so verwegen wirken lässt in Kombination mit seinen unbändigen, langen Haaren. „Bist du dir zu gut für einen Ausritt zu Pferd oder begleitest du mich? Leo hat keine Zeit, die heiratet in einer Woche und sie hat nicht einmal das Kleid fertig!“ Nachdem ich das sagte, lege ich meinen Kopf in den Nacken, um ihn ins Gesicht sehen zu können.
„Bin ich also nur zweite Wahl?“ Schmunzelt er. „Ja. Kommst du jetzt mit?“ Ich grinse und sehe ihn voller Erwartung an. „Na gut. Ich komme mit, unter der Bedingung, dass wie einen Abstecher zu Nugur machen. Ich war gerade auf dem Weg zu ihm, als ich dich hörte.“ „Und du bist zurück gekommen? Wie nett. Na gut, lass uns zu Nugur reiten.“ Ich halte ihm die Zügel von Terra hin. „Pass auf. Sie ist sehr nervös und erschreckt leicht, aber ein Drachenreiter sollte, damit kein Problem haben“, stichele ich ein wenig.
„Wir werden sehen.“ Mit einem Satz springe ich in de Sattel von Merkur, was eine beachtlich Leistung ist, da der Rotfuchs sehr groß und stämmig gebaut ist. Schenkel anlegen, Zügel aufnehmen, Rücken durchdrücken und dem Pferd einen Rahmen geben, damit es sich Terra Richtung Wald anschließt.


Es ist wunderbar mit ihr durch den Wald zu reiten. Ihr Kleid ist diesmal von einem satten Rot und hat einen interessanten Schnitt. Es ist noch enger als das Kleid gestern und anstelle von Ärmeln trägt sie Handschuhe, die bis über die Ellenbogen reichen. Der Rock hat einen simplen V-Schnitt und einen breiten Saum aus Seide, sowie die Handschuhe und das Kleid oberhalb ihrer Brust einen schmalen Saum aus Seide haben. Ihre Ponyhaare hat sie nach hinten geflochten und mit einem Band, ebenfalls Seide, befestigt. Ansonsten fielen ihr die Haare flüssig den Rücken bis zum Po hinab. Die Kleidung zeigt deutlich, dass ihr Vater mit seiner Zucht sehr gute Geschäfte macht. Elain stellt auf dem Heiratsmarkt eindeutig eine gute Partie dar.
„Was ist? Warum starrst du mich so an? Stimmt was nicht?“ Reißt ihre Stimme mich aus meinen Gedanken.
„Doch, doch alles in Ordnung. Ich habe nur schon wieder festgestellt, das du sehr hübsch geworden bist“, mache ich ihr ein Kompliment. Nur, um zusehen, wie sie reagiert.
Ihre Wangen laufen zartrosa an, was sie noch süßer aussehen lässt. „Danke für das unerwartete Kompliment. Du hast dich auch sehr verändert.“ Damit ist die Unterhaltung für das erste abgeschlossen und wir reiten schweigend nebeneinander her.


„Wo warst du? Warum hast du nicht deiner Mutter im Haushalt geholfen? Normalerweise brauchst du doch nicht länger als zwei Stunden für zwei Pferde. Und die sind ja total nassgeschwitzt, außerdem pumpt Merkur ja noch! Was hast du nur gemacht! Jetzt musste deine Mutter ganz alleine das Haus putzen und du hast auch verpasst, wie Adolf die Doppelhochzeit ausgerufen hat. Stell dir vor, Leona und Miranda heiraten am selben Tag! Wollen wir wetten das er Geld sparen will? Na ja, jedenfalls hat Leo jetzt ziemlich viel zu tun. Reite Merkur trocken und helfe deiner Mutter in der Küche! Danach kannst du Leona helfen oder was auch immer du vor hast. Wo warst du denn jetzt?“ „Ich war im Wald. Tut mir leid, ich habe das Versprechen Mutter zu helfen vergessen, aber ich helfe ihr gleich. Ja, wahrscheinlich helfe ich Leona und nähe die Decke zuende. Stell dir vor, es fehlen nur noch zwei Flicken! Ich schenke die dann Derek zur Hochzeit in zwei Jahren. Hoffentlich bleibt sie ganz..., obwohl ein paar Flicken mehr oder weniger machen es jetzt auch nicht aus. Bis dann!“ Ich habe fantastische Laune, der Ausritt mit Conni war besser als ich zu wünschen gehofft hätte. Er hat mir sogar ein paar Methoden beigebracht, die mich in der Magie noch weiterbringen werden. Wenn ich Leona nachher erzähle, was wir gemacht haben, wird sie ziemlich sauer sein, das sie nicht mit konnte. Sie findet Magie faszinierend und hätte bestimmt gerne zugesehen.


Als ich die Küche betrete, begrüßt mich meine Mutter mit einem strahlenden Lächeln, das ihre Sommersprossen auf der Nase tanzen lässt. „Das neue Kleid ist fertig, das wessen Stoff für dich bestimmt war. Ich habe es mir einem Rundausschnitt genäht. Der Rock ist Gerade. Ich werde es an der Hochzeit von Leona mit Michael und Miranda mit Maximilian tragen, da man darin meine Fülle nicht so sieht, sei froh, dass du so schmal, wie dein Vater bist und nicht so kräftig gebaut, wie ich. Jedenfalls wird das ein spitzen Fest! Ist das Stutfohlen, welches du Leo schenken wolltest schon entwöhnt? Wenn nicht würde ich damit schleunigst anfangen! Na gut, sei so lieb und schäle die Kartoffeln und koche sie. Wir essen dazu dann Käse, ich gehe und putze die Fenster.“
Ich nicke und warte bis sie oben ist, dann setze ich mich an den Küchentisch und beobachte die Kartoffeln, wie sie durch Magie geschält werden. Damit es niemand sieht, habe ich die Tür nach draußen und die Tür in den Flur so mit Magie präpariert, dass ich merke, wenn sich ihr jemand auf einen Meter nähert, dann stoppen die Kartoffeln sich zu schälen und ich kann schnell per Hand weiter machen.
Während ich die Kartoffeln beobachte, denke ich an den Ausritt zurück. Wir ritten die ganze Zeit Seite an Seite und als wir bei Nugur ankamen und er sich mit Nugur unterhielt, sah ich ihn zum ersten mal richtig an seitdem er zurück ist.
Sein dunkelblondes Haar fiel glatt auf seine Schultern herab. Auf seine unglaublich breiten, durchtrainierten Schultern. Er war groß, ich reiche ihm nur bis zum Kinn. Er hat eine braun gebrannte Haut, die im Kontrast zu seinem Haar steht. Er ist trotz der vielen Muskeln schlank. Er hatte seinen Mantel ausgezogen und trug darunter ein hellblaues Hemd, dass er aufgeknöpft trug. So das ich seinen Bauch sehen konnte. Er war durchtrainiert und wenn er lacht, dann ziehen sich seine Muskeln zusammen. Ich hätte die ganze Zeit ihn einfach ansehen können, gegen den umgefallenen Baumstamm gelehnt und ihn ansehen. Das blau stand ihn auch einfach zu gut.
Sein Gesicht so markant und weich zugleich, das Mienenspiel so Facetten reich, das ich das Gefühl bekam, dass es nie genug Zeit geben wird alle Gesichtszüge kennen zulernen. Zugleich habe ich mich gefragt. Ob es in seinem Beruf nicht unvorteilhaft ist, dass sein Gesicht alles wiederspiegelt, wie ein offenes Buch. Wenn er lacht, bilden sich viele feine Fältchen um seine Augen, die ihn so nett wirken lassen, das es schon fast unecht scheint. Ich schloss die Augen um das gesehene in meinem Gedächtnis zuspeichern, falls er wieder geht. Einfach verschwindet, wie das letzte mal und nicht wiederkommt. Trotzdem hoffe ich, dass er wiederkommen würde.
Das Sonnenlicht fiel durch das Laubdach, das an dieser Stelle nicht so dicht ist, weil dort die alten Bäume von einem Sturm umgeworfen wurden und dadurch ist es nicht ganz so kühl. Das Laub ist schon in alle erdenklichen Farben, von braun über rot und lila bis zu gelb. Es war einfach wunderschön.
Mist, der Zauber schlägt Alarm. Derek ist im Anmarsch mit Natascha. Seit gestern, wo er zurück kam, kleben sie aneinander, wie ein zulange getrenntes Pärchen. Er ist für die Hochzeit von Max nach Hause gekommen. Mein kleiner Bruder, schon so selbstständig und erwachsen und hilfsbedürftig und kindlich zugleich.
„Elain? Weißt du, wo Vater ist? Wir wollen ausreiten.“ „Er ist auf dem Haferacker, aber ich kann dir auch sagen, wer noch nicht bewegt wurde. Alle bis auf Merkur und Terra. Farum lahmt und die tragenden Stuten werden auch nicht geritten. Nehmt doch Janosh und Medlak. Aber die habe ich schon lange nicht mehr geritten, dass heißt das ihr vorsichtig sein solltet.“
„Einverstanden, wir sind in ungefähr zwei Stunden zurück. Danach helfe ich euch im Stall“
„Wie wär’s, wenn ihr nach dem Essen aufbrecht, damit wir nichts aufheben müssen?“
„Wann gibt es Essen?“
„Die Kartoffeln müssen noch kochen, aber der Käse ist fertig.“
„Damit habe ich echt nicht gerechnet, wer hätte denn damit gerechnet, dass der Käse schon fertig ist! Echt intelligent Schwesterherz. Gut, wir kommen in zehn Minuten wieder“, sagte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme.

Nach dem Mittagessen misten mein Bruder und ich die Stallungen aus. Mein Vater hat dieses Jahr gute Geschäfte abgeschlossen, sodass wir uns genug Geld zurück gelegt haben, trotz des Luxus, welchen wir genossen haben die letzten Jahre über, um uns einen Stallknecht leisten zukönnen.
Er heißt Fabio und ist schon 19. Mein Vater war zuerst kritisch, ob er für die Arbeit geeignet ist wegen seinem schmächtigen Eindruck. Aber diese Sorge ist unbegründet, da er sehr fleißig ist. Mit seiner witzigen, offenen bringt er alle zum Lachen, außerdem hat er sich gut eingegliedert. In Michael fand er sofort einen guten Freund und in dem Hausmädchen Sophia des Bäckers eine Freundin fürs Leben.
Als ich die Schubkarre über den Hof zum Misthaufen karre, kommt mir Sophia entgegen.
Sie schaut mich fragend an, ihr Blick wirkt durch ihr leichtes Schielen und den zweifarbigen Augen- braun und grün, immer so warmherzig und treu, dass man sie einfach mögen muss.
„Ist Fabio im Stall?“
„Nein er ist bei Adolf und holt die Halfter ab, welche repariert werden, aber er kommt sicher gleich zurück.“ „Ach so, darf ich, solange auf ihn warten?“ „Selbstverständlich!“


Es ist eine sternenklare Nacht, der Mond ist hinter den Bergen noch nicht zusehen. Einige Jugendliche sitzen um ein Feuer herum und unterhalten sich. Meine Drachin und ich fliegen jetzt direkt über ihnen. Ich versuche meinen Bruder Cornelius unter ihnen auszumachen. Wo ist er? Er scheint nicht dabei zusein. Ist er schon zu seinem Auftrag aufgebrochen? Ich hoffe es für ihn, der Hohe Rat wäre sehr aufgebracht, wenn er noch länger hier verweilen würde.
Kaum darf mein Bruder selbstständig durch das Land ziehen, handelt er sich durch Vernachlässigung Ärger ein. Da! Dort sitzt er, zwischen zwei hübschen, recht jungen Mädchen. Eine Schwangere sagt irgendetwas und er lacht. Wenn ich ihn so sehe, fällt es mir schwer meinen Auftrag durchzuführen. Soll ich bis morgen warten? Eigentlich hatte ich nicht vor hier zu übernachten. „Flieg in den Wald Schana. Such eine Lichtung auf der wir auf ihn warten.“ Bete ich meine Drachin, nachdem ich ihn aufgefordert habe in den Wald zu kommen. Hoffentlich habe ich ihn nicht allzu sehr mit meinem Erscheinen erschreckt.


„Ich muss kurz weg.“ Sage ich schnell zu Elain, bevor ich aufstehe. Ich kann ihren fragenden Blick in meinen Rücken spüren als ich zielstrebig in den Wald laufe. Was meine Schwester wohl von mir will? Ich erfuhr von ihr, wie in meinen Eltern erst im Drachendorf. Da sie die Ältere von uns beiden ist, ist sie im Dorf groß geworden und ich das zweite Kind, der Sitte nach ausgesetzt um acht Jahre später zur Ausbildung zurück geholt zu werden.
„Cornelius und Nugur! Ich bin sehr enttäuscht von euch. Kaum habt ihr Veraantwortung, enttäuscht ihr den Rat. Denkst du die Farangs warten auf dich? Ich habe das jetzt für dich erledigt, aber dafür haben sie dir einen neuen Auftrag gegeben. Nugur weiß Bescheid. Es ist eure letzte Chance, sonst verbietet der Rat dir, deine Freunde zu besuchen und darauf willst du es doch nicht anlegen? Brecht sofort auf, der Addanc wartet genauso wenig, wie die Farangs. Diese Wasserdämonen sind so widerlich! Sie greifen ständig Schwimmer an und dieser ist besonders bösartig, weil er die Leute sogar beim Wasser holen tötet! Ich muss los. Ich bin nur hier, um dir das kurz mitzuteilen. Viel Erfolg.“ Kaum hat sie mich erblickt, hat sie losgeredet und sobald sie alles gesagt hat, ist sie wieder verschwunden. Typisch.
„Nugur wir treffen uns in einer viertel Stunde hinter der Mühle.“ Sage ich und renne los, hole meine Sachen bei Eduart , verabschiede mich von ihm und mache noch einen Abstecher zu den Anderen.
Ich knie mich neben Elain und drehe ihren Kopf herum, sodass sie mir ins Gesicht schauen muss. „Hör zu Elain. Ich muss weg, wenn ich wieder komme erklär ich dir warum. Sei nicht traurig, ich komme so schnell ich kann zurück. Vielleicht schaffe ich es zur Hochzeit zurück zu sein.“
Vorsichtig streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, bevor ich weiter rede. „Sag den anderen nichts, sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass ich komme und gehe, wie es mir passt. Sag höchstens Leona was. In ein paar Tagen bin ich wieder hier, dann aber nur kurz. Nimm es mir nicht übel. Bis bald.“ Bevor sie noch etwas sagen kann, stehe ich auf und verschwinde in der Dunkelheit. Hoffentlich ist der See des Addancs nicht soweit weg. Elainai fehlt mir jetzt schon.


Warum ist er nur so kurz hier gewesen? Knappe zwei Wochen waren es. Was versteht er unter bald? Macht er etwas gefährliches? Selbstverständlich, er ist ja ein Drachenreiter, beantworte ich mir die Frage selbst. Ihm wird schon nichts zustoßen.
Ich starre in das Feuer und lausche dem Gespräch der anderen. Ich kann alle an ihrer Stimme unterscheiden. Leonas Stimme ist immer leicht kratzig und hoch, Derek hat einen melodischen Tenor, Maximilians Bariton klingt immer distanziert und schläfrig, das komplette Gegenteil zu Nataschas hoher, lebendiger Stimme.
Johann und Natascha begannen ein hitziges Gespräch. Nichts ungewöhnliches, da beide frech und vorlaut sind. Ich frage mich oft, wie Derek Nataschas Gezicke aushält.
Als ich den Blick hebe, schaue ich direkt in Maximilians runde, moosgrüne Augen. Nachdem Cornelius verschwunden war, habe ich einiges mit ihm unternommen, seine schweigsame, hilfsbereite Art hat mir sehr geholfen. Damals hatte er seinen hellbraunen Haare noch schulternlang und nicht kurz, war mobbelig, klein und schwach. Jetzt ist er schlank, gut 175 cm und hat ausgeprägte Muskeln. Viele haben sich so stark verändert, aber bei ihm fällt es mir besonders auf, weil ich ihn, solange nicht mehr gesehnen hatte.
„He, Derek, morgen beginnt deine Ausbildung beim Schmied nicht wahr?“ Ruft Johann meinen Bruder über das Knistern des Feuers hinweg zu. „Richtig, nicht jeder hat es so gut und kann einfach in die Fußstapfen des Vaters treten. Ohne mich gäbe es hier bald keinen guten Schmied mehr“, witzelt Derek. „Du muss wenigstens nicht von zuhause weg“, sagt Fabio. „Das ist ein gewaltiger Vorteil.“ „Ich weiß nicht“, entgegnet Maximilian. „Hier im Dorf ist die einzige Abwechslung, die man bekommen kann eine Ausbildung zum Soldaten. Ich wurde nicht einmal gefragt, ob ich die Mühle übernehmen möchte. Klar, als Dorfmüller habe ich für Miranda und mich ausgesorgt, aber der Beruf ist risikoreich und sehr hart, aber trotz allem hätte ich zugesagt, wenn ich die Wahl gehabt hätte, aber nicht jeder ist, wie ich.“ Über diese Worte dachten wir alle eine Weile nach, niemand hat von Max so eine Rede erwartet.
Wir hielten ihn alle für schwer von Begriff. Miranda löst das Band aus ihren Haaren, welches ebenso türkis ist, wie ihre Augen und schüttelt ihre langen, honigblonden Haare aus, bevor sie sagt: „Ich finde er hat Recht. Es ist nicht für alle gut, aber wir alle gehören hierher. Wir sind eine Familie, sogar Conni gehört dazu, obwohl er selten hier ist und lange verschwunden war. Jeder kennt hier jeden, jeder hilft jedem, jeder steht für die anderen ein. Es ist gut, wie es ist. Hier sind wir unter uns. Das gefährlichste sind die Lindwürmer im Wald und die Steuereintreiber des Fürsten. Hier sind wir sicher. Sieht einer von euch das anders? Möchte einer von euch woanders leben? Ist einer von euch unzufrieden?“ Ihre kleinen Augen leuchten, während sie spricht, ist sie aufgestanden und scheint gewachsen zu sein. Langsam setzt sie sich wieder hin, ohne aufzuhören uns zumustern.
„Ich versteh nicht, was du uns damit sagen möchtest“, teilt Natascha ihr mit. Sie ist nicht die schlaueste und versteht oft nicht, was Miranda sagen will. „Sie möchte uns damit sagen, dass alles gut ist, wie es ist. Lange Rede, kurzer Sinn und ich stimme ihr zu.“ Alfons meldet sich das erste Mal zu Wort diesen Abend. Er sitzt neben Michael seinem Bruder und mir fällt zum ersten Mal auf, wie ähnlich sie sich sind, bräunliche Haut, lange, schmale Augen, selbe Figur und Haarfarbe . Warum fällt mir das erst jetzt auf?
„Ich auch“, sagt Michael und wir anderen murmeln zustimmend. „Es ist spät und wir haben morgen alle hart zu arbeiten, lasst uns das Feuer löschen und nach Hause gehen.“ Ich werfe einen Blick auf Johann. Er ist riesig und seine Art flöhst Fremden sicher schnell Angst ein. Warum begreife ich das auch erst heute abend?
Es ist so, als würde ich meine Umwelt mit anderen Augen wahr nehmen oder zum ersten Mal richtig. „Ich lösche das Feuer, geht nach Hause. Bis morgen.“ Fabio steht auf und nimmt wie zur Bestätigung seiner Worte den Wassereimer in die Hand, lächelt Sophia noch mal an, die eine Strähne ihres glatten, langen Haares zwirbelt. Die beiden passen gut zusammen. Johann lässt es sich nicht zweimal sagen, wenn es darum ging schnell nach Hause zu kommen, er flieht vor jeder extra Arbeit so gut es geht. Ich halte ihn für faul, witzig, aber faul. „Gute Nacht euch allen“, rufen er und Angela uns vom Dorfrand aus zu, winken und verschwinden aus meinem Blickfeld. Ich erhebe mich, nicke den anderen kurz zu und gehe ebenfalls nach Hause.


„Micha!“ Er kommt auf mich zugelaufen. Seine langen, schmalen Muskeln spielen unter der Haut als er mir zuwinkt. Wie es aussieht kommt er gerade vom Jagen, seinen Köcher hat er noch umgehängt und den Bogen hält er in der Hand. Er hat kein Hemd an, obwohl es im Tal schon kühl geworden ist. Die Sonne sehen wir nur noch wenige Stunden am Tag. „Hallo, meine Hübsche. Alle Vorbereitungen für die Hochzeit abgeschlossen?“ „Fast. Aber alles was wir bis zudem Tag tun können schon. Miranda spielt total verrückt! Sie heiratet nämlich in Türkis und denkt es sei zu kalt. Also, die Farbe. Sie hat Angst, dass es so aussieht, als würde sie Max nicht wollen, Außerdem haben wir zu wenige Kisten, weil Miranda auch gleich zu Maximilian zieht. Könntest du mir vielleicht welche leihen? Hast du schon Platz für meine Kleiderkiste in deinem Zimmer gemacht? Geht es deinen Vater besser oder nimmt das Fieber gar nicht mehr ab?“ „Türkis bringt ihre Augen doch so schön zur Geltung. Miranda macht sich unnötig Sorgen, es wissen doch alle, dass sie ihn liebt. Die Kisten bringt Alfons nachher vorbei, falls dein Vater ihn ein paar Minuten entbehren kann. Schau nicht so traurig. Ich kann leider nicht selbst kommen. Ich muss aufs Feld die Ernte einholen. Alfons geht es nicht besser. Anfangs dachten wir Gesas Medizin hilft, aber anscheinend doch nicht. Mutters Augen sind schon ganz verquollen vom ständigen weinen. Ich denke nicht, das Vater noch lange lebt...“ „Oh nein, deine arme Mutter, wie schrecklich das ist. Deshalb ist Jimena so oft bei euch und opfert so viel Zeit, wie nett. Was macht ihr, wenn dein Vater stirbt? Du übernimmst seinen Job und was macht deine Mutter? Wenn ich abergläubig wäre, würde ich sagen die Götter hätten was gegen unsere Hochzeit!“ „Zum Glück bist du nicht abergläubig. Unsere Hochzeit ist mein einziger Lichtpunkt in der Zukunft. Du bist mein Leben, Leona.“ „Und du meins Michael.“
Ich küsse ihn vorsichtig auf den Mund, wuschele ihm durch das Haar und gehe in die Sattelei. Die arme Mechthild. Allein bei dem Gedanken, dass Michael krank wird, wird mir ganz anders. So wie Micha klingt lebt Jakob nicht mehr lange. Dann hat er die Verantwortung für die Familie. Es gibt Männer, die früh für solche Verantwortung bereit sind, aber er gehört nicht dazu. Er ist zu vorsichtig und zurückhaltendem Umgang mit Menschen, zu hilfsbereit. Scheinbar werde ich ihn tatkräftig unterstützen müssen. „Vater? Mutter bracht mich nicht mehr. Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Nein, Leona. Ich habe Alfons. Bald werden Miranda und du ausziehen und dann sind wir auch nur noch zu dritt... Du bist so groß und hübsch geworden. Richtig erwachsen... wie schnell die Zeit vergeht. Geh meine Fleißige und genieß deinen letzten Tage ohne Ehemann!“ „Danke, Vater.“
Da Elainai den Haushalt im Moment alleine macht, werde ich ihr einfach meine Hilfe anbieten.


„Hallo, Leona! Schön das du vorbei kommst, aber ich habe leider keine Zeit. Seitdem mein Bruder in der Lehre bei Siegfried ist, muss ich auch noch seine Aufgaben übernehmen. Vater holt die Ernte ein und Fabio macht den Stall, aber natürlich schafft er das nicht allein, also helfe ich ihm. Wenn ich Glück habe bekomme ich sieben Stunden Schlaf zusammen in letzter Zeit. Das ist Wahnsinn! Ich bin nicht faul oder dergleichen, aber wenn ich so weiter mache, werde ich krank oder so... Geht es Jakob besser?“
„Nein, schlechter. Micha denkt, er stirbt bald.“
„Mhm, damit habe ich gerechnet. Die letzten Tage streifen drei Banshees um das Wohnhaus und singen so schön und traurig, das man am liebsten in Tränen ausbrechen würde.“
„Eine Banshee? Es gibt sie wirklich? Wie sehen sie aus? Ich dachte es wären Sagengestalten.“
„ Sie sind groß, bleich, weiße Haare und weiß gekleidet. Ihre Augen sind glutrot. Recht unheimlich. Die arme Mechthild. Sie sind schon so lange verheiratet und plötzlich ist er da. Der Tod, der einen geliebten Menschen mitnimmt. Das ist ein harter Schicksalsschlag.“
„Das kannst du laut sagen. Die arme Familie, aber der Grund, warum ich gekommen bin, ist ob ich dir Hilfe anbieten kann.“
„Im Haus muss ich nur noch die Böden reinigen, aber im Stall kannst du Fabio helfen.“
„Mach ich!“


Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Alles war in die Vorbereitung der Doppelhochzeit vertieft. Nur die Männer ließen sich nicht aus der Ruhe bringen.
Endlich ist der große Tag da. Jedes Haus ist geschmückt und neu geweißelt. Auf dem Platz stehen Tische mit weißen Tüchern und hellblauen Bänder geschmückt. Obwohl die Blätter schon fallen, hängen auch in den Bäumen bunte Bänder. Die Sonne scheint schwach, vereinzelt ziehen Wolken über den Himmel. Ein leichter Wind weht. Das Laub raschelt. Ein großer Holzhaufen wird aufgeschüttet. Alle laufen wild durcheinander. Eduart steht still vor seinem Haus und sortiert Zettel für seine Predigt. Ich rücke meinen Asternkranz im Haar zurecht, streiche den Rock noch mal glatt und lächle Leona aufmunternd zu, auch wenn sie das gar nicht nötig hat. Sie ist die Ruhe in Person.
Eduart ruft uns alle zur Ruhe und die Hochzeit beginnt.
Heinrich beginnt leise und majestätisch Geige zu spielen. Michael und Maximilian stehen auf und schauen gespannt in die Richtung aus der Leona und Miranda kommen. Sie sehen beide umwerfend aus. Die losen Haare flattern im Wind, die Kleider bauschen auf und sie strahlen um die Wette. Alle blicken den beiden entgegen und beobachten jede ihrer Bewegungen Richtung Altar. Schade das Jakob krank ist und nicht anwesend sein kann.

Nach der Trauung wenden sich erst mal alle dem Essen zu. Als die Sonne untergeht, zünden Derek und Fabio das Feuer an. Heinrich spielt wieder Geige und die Brautpaare eröffnen den ersten Tanz. Im nachhinein kommen andere Tanzpaare hinzu. Ich sitze auf einer Bank abseits des Geschehens, aber mit Blick auf die Tanzenden. Ausgelassenes Lachen, Musik und fernes Stimmengewirr dringen in mein Ohr. Ich schließe die Augen, lege den Kopf in den Nacken und lasse meinen Gedanken freien Lauf.

Eine ereignislose Woche verging. Das Laub fiel endgültig von den Bäumen. Das Gras ist Raureif überzogen. Das Pferd unter mir schnaubt und schüttelt den Kopf. „Ist ja alles gut.“ Langsam zockeln wir den Pfad weiter entlang.
„Was ist Rafa, traben wir noch ein Stück?“ Frage ich das Pferd nach ein paar Minuten.
Das Schnauben des Pferdes, fasse ich als Bestätigung auf, auch wenn es bestimmt einen anderen Grund hat. Ein umgefallener Baum kommt in Sicht. „Bis zum Baum, dann reiten wir nach Hause.“


„Flieg schneller Nugur. Ich möchte in fünf Tagen zurück sein. Spätestens!“
„Das schaffen wir nicht. Der Hohe Rat will das du dann kommst, den nächsten Auftrag abholen und den führen wir dann sofort aus, dafür sorge ich persönlich! Ich will keinen Ärger weder für dich noch für mich. Außerdem kann das Mädchen warten. Ich dachte sie ist nur eine Freundin, aber scheinbar sind deine Gefühle viel stärker. Willst du es ihr sagen?“
„Natürlich nicht! Ich will nicht die Freundschaft zerstören, dann hätte ich sie ja gar nicht mehr. Sie sieht mich nur als Freund, als guten Freund. Du musst aber zugeben sie ist hübsch. Und woher weißt du das schon wieder?“ „Ja, das ist sie und reif, du solltest es ihr trotzdem irgendwann sagen, was du für sie empfindest. Sie hat ein recht es zu erfahren. Immerhin seid ihr befreundet.“ Meine Frage, woher er das weiß überhört er geflissentlich.
„Ich weiß. Ich weiß... Ich glaube auf Dauer kann ich das gar nicht verbergen. Denkst du ich habe eine Chance?“
„Du kannst es ja ausprobieren.“
„Wahnsinn! Du bist mir eine wahnsinnig große Hilfe“, frotzele ich.
Am Tag von Leonas Hochzeit kommen sie im Drachendorf an. „Der Hohe Rat erwartet euch.“ Na klasse. Eine sehr offene Begrüßung.
„Cornelius. Nugur. Gut das ihr da seid.“
„Ihr ruft, wir kommen Meister.“
„Ihr seid jetzt eure eigenen Herren. Ihr könnt machen was ihr wollt. Solange eure Aufträge nicht vernachlässigt werden. Und genau deshalb bist du hier. Was hast du dir dabei gedacht? Farangs warten nicht auf dich! Die töten Menschen auch weiterhin. Was ist den so wichtig gewesen?“
„Ich werde meine Aufträge nie wieder nach hinten verlegen. Ich war in meinem Heimatdorf bei meinen Freunden. Ich werde ab jetzt seltener hier herkommen. Ihr müsst mich auf anderen Wegen über meine Aufträge informieren.“
„Einverstanden. Dann geht jetzt. Shana hat einen Auftrag für euch.“
„Wiedersehen Meister.“
„Bis bald ihr beiden.“

Kapitel 5


„Es ist komisch nur noch Katharina bei euch anzutreffen. Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen, dass du jetzt bei Michael wohnst. Sag mal, wenn ihr ein Kind bekommt, darf ich Patentante werden?“
„Ich hätte kein Problem damit und Micha sicher auch nicht. Aber es ist noch sinnlos darüber zu diskutieren. Es langt ja, wenn wir das tun, sobald ich schwanger bin. Dazu fällt mir ein, Angela kann kaum noch arbeiten mit ihrem Babybauch, aber Johann hilft ihr kaum!“ Empört sich Leona.
„Ja, da hast du schon recht.“ Ich lenke mein Pferd neben ihres. Das Pferd, welches ich ihr schenkte, ist noch zu jung um geritten zu werden, also bringe ich ihm immer eins der Pferde meines Vaters mit.
„Aber er ist schon immer so und sie wusste es schon vor der Hochzeit.“
„Auch wieder wahr“, lenkt Leona ein. Wir reiten ein paar Meter schweigend nebeneinander her, bis ich wieder zureden anfange.
„Ich mache mir Sorgen um Cornelius und Nugur. Ich weiß, dass es unnötig ist, aber sie sind schon über eine Woche weg. Wenn es nicht bald ein Zeichen von ihm gibt, werde ich noch total verrückt! Warum hat er mir nicht gesagt, wann er wieder kommt?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht weiß er selbst nicht, wann er zurückkehrt, aber seine Zeitangabe kalkuliert locker ein paar Wochen ein.“
„Ja, aber wenn er wieder kommt höchstens einen Tag! Ich sehe ihn viel zu selten.“ Ich spüre Leonas forschenden Blick auf mir.
„Könnte es sein, dass du mir etwas sagen willst. Elain?“
„Ich habe keine Ahnung was du meinst. Erkläre dich!“
„Was soll ich den dazu großartig sagen? Ich vermute, dass du dich in ihn verliebt hast, dass ist alles. Ich meine, du hast ihn jahrelang nicht gesehen und jetzt da er zurück kam, redest du nur noch von ihm.“
„Na toll. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Verliebt in einen Drachenreiter, der seltener anwesend ist, als irgendjemand anderes und weniger Zeit hat, als jeder andere junge Mann den ich kenne. Leona, ich kann dir allerdings nicht wiedersprechen. Ich weiß nicht, was ich für ihn empfinde. In mir herrscht absolutes Chaos. Es ist viel zu viel in letzter Zeit passiert. Ich darf mir trotzdem um ihn Sorgen machen! Immerhin sind wir Freunde und Freunde denken an einander. Das ist eine Tatsache.“
„Natürlich darfst du das. Du brauchst dich nicht zu verteidigen. Ein anderes Thema das mich noch mehr interessiert, sind die Banshees. Wie viele sind es inzwischen? Ich frage nur, weil ich mir wirklich Sorgen mache. Jakob geht es von Tag zu Tag schlechter. Er zittert, schwitzt und hat Fieber. Er isst nicht mehr und trinken verweigert er ebenfalls. Ich bezweifle, dass er die Nacht überlebt. Es hat sich Schlag auf Schlag verschlimmert und mit jeder Stunde schwindet meine Hoffnung auf Besserung.“
„Es sind inzwischen neun weiße Frauen. Die nächste wird ihn holen kommen...“
„Arme Mechthild! Sie hat sich übrigens bei ihm angesteckt. Am Ende wird es zur Epidemie.“
„Gesa passt schon auf. Ich bezweifle stark, dass wir alle sterben werden! Das ist Schwarzmalerei.“

Als wir auf den Weg zum Stall einbiegen, kommt uns Alfons entgegen gerannt. „Vater ist tot!“
Leona springt sofort vom Pferd und wirft mir die Zügel zu, bevor sie losrennt. Ich sitze wie versteinert auf Thalim. „Tod!?“ Er schluchzt auf und nickt schwach. „Wie geht es deiner Mutter?“
„Sie weint wie immer. Deine Mutter ist bei ihr. Denkst du sie stirbt auch? Ich meine, sie ist auch krank und was wird dann aus mir?“
„ Deine Mutter wird nicht sterben. Alles wird gut Alfons und selbst wenn, könntest du zu uns ziehen.“
„Mutter ist aber am Boden zerstört.“
„Dann lauf’ schnell zu ihr zurück und steh’ ihr in der schlimmen Zeit bei.“

Nachdem ich die Pferde versorgt habe, eile ich zu Leona. Langsam betrete ich das kleine Haus. Alle sind um das Totenbett versammelt, das halbe Dorf ist anwesend. Mechthilds Schluchzen ist der einzige Laut, der zu vernehmen ist. Leise trete ich neben Angela. Niemand beachtet mein Kommen. Eduart setzt zum Sprechen an, als Angela einen schmerzerfüllten Schrei loslässt und in die Knie geht.
„Um Himmels Willen! Das Baby kommt!“
„Ausgerechnet heute.“
„Das ist kein gutes Omen...“
„Schnell holt Gesa!“
„Lasst sie vorbei, sie muss nach Hause!“ Alle rufen nervös durcheinander. Nur Mechthild rührt sich nicht von der Stelle. Johann hebt Angela hoch und trägt sie hinaus. Natascha ist schon auf dem Weg zu Gesa. Die meisten anderen zerstreuen sich in alle Himmels Richtungen. „Kommt. Micha. Alfons, Leona, Mechthild. Kommt mit zu uns“, schlage ich leise und bedrückt vor.
„Ich komme nach“, sagt Mechthild von Schluchzern unterbrochen während wir anderen den Raum verlassen.


Wir sitzen um den Tisch versammelt und bringen keinen Ton heraus. Es herrscht betretenes Schweigen. „Ich gehe und hole Mutter.“ Alfons erhebt sich und läuft aus dem Raum. Wir sitzen schon eine Zeit lang da und sie ist immer noch nicht aufgekreuzt.
„Sie ist weg! Vaters Pferd steht auch nicht mehr im Stall! Sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.“ „Oh nein.“
„Bitte nicht!“ Ruft meine Mutter aus.
„Vielleicht ist sie nur ausreiten um ein wenig Abstand zu bekommen und in Ruhe nachdenken zu können“, beschwichtigt mein Vater.
„Meine Mutter hasst Pferde. Sie wäre normalerweise spazieren gegangen, wenn sie so etwas vorhätte. Das Kaltblut ist unser einziges Pferd, Janoshs Kleine ist noch zu jung. Können wir sie bitte mit euren Pferden suchen?“ Bittet Mischa um Ruhe bemüht.
„Selbstverständlich, oder Vater?“
„Natürlich.“ Es klang wie ein Seufzen. „Ich komme mit. Derek? Was ist mit dir? Leona?“
„Ja wir kommen mit.“
„Ich auch!” Kommt es prompt von Alfons.
Wir teilen uns auf. Leona reitet mit Derek, Michael mit mir und Alfons mit meinem Vater.
Michael und ich reiten im Norden aus dem Tal hinaus. „Ich war noch nie weiter vom Dorf weg als bis zum Ende der Felder unserer Gemeinschaft. Warst du schon weiter?“
„Ja. Da wo sich die Bergketten treffen, führt ein schmaler Pfad aus dem Tal hinaus. Dahinter ist weites Ödland und, dann kommt eine Schlucht, gute dreißig Meter tief und knapp zwei Meter breit, an den breitesten Stellen.“
Die Sonne steht schon sehr tief als wir aus der Schlucht hinausreiten. Wir haben viel zu lange getrödelt. „Lass uns galoppieren. Ich möchte nicht im Dunkeln hier herumirren!“ Auf halben Wege zu Schlucht kommt uns das Pferd von Jakob entgegen- ohne Mechthild.
„Bring das Pferd heim, es ist ganz erschöpft. Ich suche weiter“, befehle ich ohne auf seine Verzweiflung einzugehen. Noch haben wir keine Beweise, dass es wirklich zum Äußersten gekommen ist.
„Ich kann dich doch nicht allein lassen!“
„Doch kannst du! Leona wird sicher schon auf dich warten. Ich komme gleich nach. Vielleicht sogar erfolgreich. Geh jetzt endlich.“
„Ich weiß nicht...“
„Aber ich weiß! Tue es einfach. Vertrau mir. Mir wird nichts passieren.“
„Gut, wenn du in drei Stunden nicht zurück bist, gehe ich dich suchen.“
„Das wird nicht nötig sein.“

Michael kommt mir schon entgegen. Ich habe seine Mutter mit Hilfe von Magie gefunden. Sie war schon Tod zu dem Zeitpunkt. Ich denke, morgenfrüh holen wir sie raus, dafür braucht man mehrere. „Elainai! Da bist du ja. Dein Vater hat mir fast den Kopf abgerissen als ich ohne dich zurück kam. Natascha hat mich gerettet, durch die Nachricht, dass Angela entbunden hat und ihr und ihrer Tochter es blendend geht. Johann hat vor Glück geweint. Laut Natascha. Eine wunderbare Nachricht nicht wahr? Schade das ausgerechnet heute das Kind gekommen ist.“
„Wie erfreulich! Ich werde gleich bei ihnen vorbeischauen. Ich... habe deine Mutter gefunden“, beginne ich zögernd und senke den Kopf. Durch meine Haare sehe ich, wie Michael zusammenzuckt und die Augen weitet.
„Auf einem Felsvorsprung in der Schlucht, wenn sie nicht so ungünstig gefallen wäre, könnte sie noch am Leben sein... Es tut mir leid.“
„Heute sind meine Eltern ums Leben gekommen, aber es ist auch neues Leben entstanden. Diesen Tag wird niemand von uns vergessen. Zumindest die nicht, welche den Tag mit erlebt haben“, sagt Michael tapfer, aber mit belegter Stimme.
„Nein. Keiner von uns“, stimme ich ihm zu.

Die Beerdigung ist sehr kurz und ohne Trauerfeier gewesen. Jetzt sitze ich mit allen meinen Freunden in Michaels Küche.
„Du bist jetzt selbstständig Micha. Hast du dann überhaupt noch Lust dich mit uns zu treffen?“ Fragt Johann provozierend. Angela hat er nicht mitgebracht, sie ist noch zu schwach und müde. Als ich sie besuchte, schliefen sie uns ihre Tochter.
„Hätte ich euch sonst angeboten das wir uns im Winter immer hier treffen?“
„Nein hättest du nicht“, sage ich. Merkwürdigerweise bin ich sehr schlecht gelaunt. Meine Stimmung ist schon den ganzen Tag gereizt. Seitdem ich aus dem Bett bin und ich fürchterliche Kopfschmerzen hatte. Beim Kochen hatte ich mich verbrannt und im Stall sind mir erst vier Junghengste entwischt und dann hat eine der Stuten auf meinem Fuß gestanden. Ich scheine wie vom Pech verfolgt!
„Elain? Hörst du mir überhaupt zu?“ Erschrocken blicke ich auf. „Tut mir leid, Leona. Ich war gerade in Gedanken.“
„Ich habe es gemerkt. Schau einmal, wer in der Tür steht!“ Ich wende den Kopf und sehe Conni im Türrahmen stehen. Er lächelt mich an, senkt leicht den Kopf, so das ihm ein paar Strähne ins Gesicht fallen.
Mein Magen zieht sich zusammen vor Freude und ich kann nur mit ganz viel Mühe verhindern aufzuspringen und ihm um den Hals zu fallen. So ruhig, wie möglich stehe ich auf und laufe zu ihm. Kurz, bevor ich vor ihm stehe, stolpere ich über meine eigenen Füße und wäre beinahe hingefallen. Das Gelächter missachtend, gehe ich weiter und ziehe ihn hinter mir her, auch sein Lachen missachtend.
Ich schließe die Tür von Mechthild und Jakobs altem Zimmer hinter uns und drehe mich zu ihm um. Wir stehen einfach da und sehen uns an, bevor er das Wort ergreift.
„Ich habe von den Todesfällen gehört. Die Armen. Was passiert jetzt mit Alfons?“
„Der kommt zu uns. Das hat meine Mutter so entschieden und Micha hat es einfach hingenommen. Wo warst du? Alles in Ordnung bei dir?“
„Ich habe Aufträge ausgeführt und mir geht es gut. Ich muss, wenn der Morgen hereinbricht wieder weg sein.“
„Oh nein! Nur so kurz?“ Er lacht leise auf.
„Ja, nur so kurz. Die nächsten Besuche werden nicht länger. Ich werde dich so oft wie möglich besuchen kommen. Versprochen.“
„Das wird nicht oft genug sein...“ Er seufzt und drückt mich an sich.
„Ich weiß. Ich sehe das genauso. Du hast mir schon in den letzten sieben Tagen unendlich gefehlt. Ich musste ständig an dich denken.“
„Und ich an dich. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht... Guck nicht so belustigt! Ich weiß, dass das sinnlos ist. Ich konnte nicht anders.“
„Ist ja in Ordnung. Lass uns rausgehen und uns irgendwohin setzen, wo uns niemand stört.“
„Da kenne ich einen guten Platz!“


Das Tor fällt hinter uns krachend ins Schloss. Er murmelt ein paar Worte und kurz darauf brennt die Kuppe seines Daumens. Die kleine Flamme ist stark genug, um die ganze Scheune zu erhellen. Das trockene Stroh liegt ganz hinten und ich steuere direkt darauf zu, dort angekommen, zaubere ich eine Höhle hinein und krabbele durch das Loch hinein. Conni hinterher. „Machst du das öfters?“ „Immer, wenn ich meine Ruhe möchte. Hier sucht mich niemand.“
Er lehnt sich zurück und seufzt. „Ein spitzen Versteck. Nahezu perfekt. Ich hätte es mir nicht gezeigt, denn notfalls musst du es jetzt des Öfteren teilen.“
„Es wäre perfekt, wenn man die Sterne sehen könnte...“ Er lächelt und zieht mich zu sich heran, sodass ich auf seinem Brustmuskel mit meinem Kopf zum Liegen komme. „Schließe die Augen... und öffne sie wieder.“ Als ich die Augen öffne, sehe ich nicht mehr Heu über uns, sondern die Sterne. Erschrocken schaue ich mich um. Um mich herum sind immer noch die Heuwände, dass heißt er hat irgendetwas mit der Decke gemacht. „Wie wunderschön“, flüstere ich und dann verfallen wir in andächtiges Schweigen und genießen die Gegenwart des Anderen.
Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffne sind die Sterne schon fast ganz verblasst. „Du musst los“, seufze ich.
Ich liege immer noch auf ihm, so wie ich gestern eingeschlafen bin. Auf der Seite, den Kopf auf seiner Brust und das linke Bein zwischen seinen. Als er nicht reagiert, gehe ich von ihm runter, stütze mich auf einen Ellenbogen und sehe ihn an. Er schläft tief und fest. Seine Brust senkt und hebt sich im Takt seiner Atemzüge. Er muss sehr erschöpft gewesen sein als er bei mir ankam. Eigentlich möchte ich ihn nicht wecken, aber er wird sicher sauer sein, wenn er verschläft. Also zwicke ich ihm leicht in die Seite. Es zeigt sofort Wirkung, denn er zieht ruckartig ein Messer aus seinem Gürtel und hält es mir an die Kehle. Als er mich erkennt, nimmt er es fluchend weg und lässt sich wieder auf den Rücken fallen. „Nette Begrüßung, muss man dir lassen, dass kriegt nicht jeder hin. Das Alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass du los musst.“
„Tut mir leid, das war einfach eine Reaktion. Das ging nicht gegen dich.“
„Ich weiß.“
„Ich muss los.“
„Ich weiß.“
„Begleitest du mich noch mit zu Nugur?“ Ich beiße mir auf die Lippe, eigentlich bin ich schon viel zulange weg. Mein Vater ist sicher sauer, weil ich nicht nach Hause gekommen bin mit Derek und Fabio. Noch dazu, dass niemand weiß, wo ich bin... „Na gut. Ich komme mit. Lass uns gehen.“ Schweigend machen wir uns auf den Weg.
Als er auf Nugur steigen will, hält er inne, dreht sich zu mir um und küsst mich. Erst nur auf die Wange, doch dann finden sich unsere Lippen. Mein Gehirn ist nicht wieder funktionsfähig und mein Verstand hat immer noch ausgesetzt, als sich auf Nugur schwingt und mit ihm losfliegt. Ohne ein weiteres Wort.
Ich schnappe nach Luft. Ich hatte tatsächlich vergessen zu atmen! Noch total bedeppert drehe ich mich um und mache mich auf den Weg zu Leona. Dabei war es doch nur ein kurzer Kuss!

„Kann ich meinen Vater sagen, ich hätte hier geschlafen?“ Begrüße ich Leona.
Connis schlechte Manieren scheinen auf mich abgefärbt zuhaben.
„Ja, natürlich. Wir haben ja ein freies Zimmer, da glaubt er dir schon und Michael wird auch nichts dagegen haben. Alfons war heute Nacht auch nicht hier.“
„Danke Leona. Ich muss jetzt schnell zu Mutter, aber ich hole dich dann zum Ausreiten ab.“ „Einverstanden, ich möchte ja schließlich erfahren, wo du warst und vor allem was war.“
„Nichts besonderes war. Später alles weitere!“

„Schön das du auch einmal nach Hause kommst.“ Meine Mutter nimmt den Umstand, das ich gestern nicht zurückkam ziemlich gelassen auf. Hoffentlich reagiert Vater ähnlich. „Ich habe bei Leona geschlafen.“
„Ist ja in Ordnung. Ich wollte doch gar nicht wissen, wo du warst. Ich glaube, ich hatte ein wenig Angst vor der Antwort. Hilf mir jetzt bitte, dann kannst du meinetwegen wieder in den Stall verschwinden. Dein Vater ist nicht da, er ist schon früh aufs Feld.“
„Dann ist ja gut. Ist er sauer?“
„Nein, er hat sich ein wenig gesorgt, aber er kam relativ schnell zum Schluss, dass du bei Leona warst. Ich persönlich zweifle daran, oder hat Conni auch bei Leona geschlafen?“ Ich laufe puderrot an. „Nein, hat er nicht. Stell nicht so dumme Fragen!“
„Ach, mein Mädchen. Ich will doch nur, dass du auf dich aufpasst. Außerdem bin ich deine Mutter ich habe den Wunsch, so etwas zu wissen.“
„Keine Angst, Mutter. Es passiert mir schon nichts.“
„Ich mache mir doch nur Sorgen, immerhin bist du mein Kind. Außerdem jung und unerfahren. Ich habe halt das Gefühl, dass er mehr von dir will als nur Freundschaft, ich habe kein Problem damit, solange du anständig bleibst. So und jetzt gehst du zum Bach und wäschst die Wäsche.“

„Also, was ist gestern passiert?“ „Nichts ist gestern passiert. Wir haben uns unterhalten und ich bin dann irgendwann eingeschlafen.“
„Mehr nicht? Ich hätte schwören können, dass mehr passiert ist.“ Eine leichte Röte steigt mir ins Gesicht, bevor ich antworte.
„Wir haben uns geküsst, aber erst beim Abschied.“ Quetsche ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus.
„Wusste ich es doch! Ich habe es die ganze Zeit geahnt. Seitdem Tag an dem ihr euch vertragen habt. Ich meine das war absehbar. Gestern haben alle Witze über euch gemacht, als ihr gegangen seid. Jeder denkt das ihr ein heimliches Paar seid. Seid ihr jetzt zusammen und geht das überhaupt?“
„Nein, wir sind nicht zusammen. Was sollte den schief gehen? Er ist halt selten da und um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob ich was mit ihm anfangen will. Das würde fürchterlich kompliziert sein. Wenn er ein Mann wie jeder andere wäre, dann wahrscheinlich schon, aber er ist es nicht. Er reist durch die Welt und setzt sein Leben Tag täglich aufs Spiel. Wenn ihm dann mal wirklich etwas zustößt, bleibe ich als arme Witwe mit einem Stall Kindern zurück. Außerdem habe ich dir von dieser komischen Sitte der Drachenreiter erzählt. Ich würde niemals zulassen, dass meine Kinder bis auf eines weggegeben werden und dafür müssten wir es geheim halten und das ist nahezu unmöglich. Ich müsste da mit unfairen Mitteln agieren, das wirklich jeder den Mund hält. Das will ich nicht.“
„Du hast Probleme! Ja, ich würde das auch nicht wollen. Und jetzt? Eure Beziehung kann nicht ewig auf der Kippe stehen und wenn ihr euch liebt...“
„Ich weiß! Du weißt gar nicht wie gut du es hast...“
„Ich habe es sehr gut. Ich finde schon, dass ihr euch eine Chance geben solltet. Wie küsst er eigentlich?“
„Leona! Das sage ich dir doch nicht.“
„Bitte?“ „Du treibst mich noch in den Wahnsinn! Er küsst gut. Zu gut! Diese Tatsache macht es mir fast unmöglich mich von ihm fern zuhalten.“
„Dann tue es doch nicht! Ich meine, es ist nicht nett die Menschen mit Magie zumanipulieren, aber solange es ihnen nicht schadet, ist das schon in Ordnung. Außerdem wird dein Leben dann niemals langweilig.“
„Ja, aber auch niemals friedlich. Was ist es denn für eine Ehe, wenn man sich einmal in zwei Wochen sieht und dann immer nur kurz und den Rest der Zeit alleine da steht und sich um die Kinder kümmert?“
„Keine rosigen Aussichten, dafür den Mann den du liebst und keinen alten Säufer oder ein Mann der dich nur zum... Ach du weißt schon was will.“
„Ja, du hast vollkommen Recht. Ich denke darüber nach. Lass uns Ausreiten, danach sage ich dir meine neusten Erkenntnisse.“
„Weshalb danach? Sag es mir doch, wenn du es weißt, ich verstehe deine Bedenken, aber lass dich doch einfach von deinem Herz leiten. Wie wäre es, wenn ihr heimlich heiratet? Nur deiner Familie und deinem engsten Freunden Bescheid sagst? Oder...zieh weg und behaupte du würdest zu ihm ziehen, dabei lebst du versteckt, sodass niemand dir die Kinder wegnehmen kann? Und wenn ihr euch so selten seht, ist es doch gar nicht sicher, ob du wirklich schwanger wirst oder mehr als ein Kind bekommst. Vielleicht darfst du sie auch behalten, weil du keine Reiterin bist, sondern ein gewöhnlicher Mensch mit besonderen Fähigkeiten, die niemand mitkriegen muss also auch nicht die Meister von Cornelius. Es gibt verschieden Möglichkeiten.“ „Ich kann das nicht alleine entscheiden, er hat ein Recht dazu mitzureden, aber noch ist es nicht einmal klar, ob es vielleicht nur ein Abschiedskuss war oder selbst wenn nicht, ob er überhaupt eine feste, anhaltende Beziehung eingehen möchte. Er ist ein Vagabund, er braucht seine Freiheit.“ „Die würdest du ihm doch nicht nehmen! Er könnte doch immer noch durch das Land ziehen. Außerdem schätze ich ihn nicht so ein, dass er an jedem Ort etwas mit einer anderen anfängt.“
„Ich auch nicht, aber Kinder sind etwas bindendes.“
„Sag mal, man kann mit Magie doch so viel machen, kannst du dann nicht dafür sorgen, dass du nicht schwanger wirst?“
„Nicht das ich wüsste, aber vielleicht kann Conni da etwas machen. Ich meine er hat viel mehr Wissen und Macht über seine Kräfte, wenn es mal soweit kommen sollte, rede ich mit ihm darüber.“
„Na dann, such schon einmal die richtigen Worte.“
„Nicht so voreilig! Es gibt noch eine Hürde, die nennt sich mein Vater. Denkst du, der würde unsere Beziehung erlauben? Ich zweifle sehr daran, immerhin ist Conni fast nie hier und kommst dann seinen Pflichten nicht gut genug nach und... du kennst doch die Ansichten meines Vaters!“
„Ja, das tue ich und..., was ich jetzt sage, könnte dir hartherzig vorkommen, aber dann müsst ihr halt heiraten, wenn dein Vater tot ist oder ohne Erlaubnis. Oder ihr heiratet nicht, sondern lebt nur so zusammen.“
„Du hast den Verstand verloren! Das würde mich aus der Gesellschaft befördern! Ich würde eine Hure geschimpft werden. Das wäre total anstandslos, da heirate ich doch lieber ohne Erlaubnis und verspaße es nur mit meiner Familie.“
„Es ist alles nicht schön, aber was willst du machen? Deine Gefühle ignorieren? Manchmal musst du deinen Verstand ausschalten und auf dein Herz hören. Als mich Michael fragte, ob ich ihn heiraten möchte, hat mein Kopf auch `nein’ gesagt. Ich habe es trotzdem getan, trotz aller bedenken, ob das gut geht, ob ich damit klar komme, dass er so einen starken Beschützerinstinkt hat. Es kann ziemlich anstrengend mit ihm sein, ich weiß, du kannst dir das gar nicht vorstellen, weil er immer so höflich zu allen ist, so zuvorkommend, aber er kann auch anders sein.“
„Beschützerinstinkt ist doch etwas gutes.“
„Natürlich ist es das, aber es kann auch zu viel werden.“
„Dann sag’ es ihm! Du bist doch immer zu allen ehrlich und vertrittst deine Meinung, zumindest wenn keine fremden Menschen dabei sind, dann bist du immer ein schüchternes kleines Mädchen und genau in solchen Momenten kannst du doch froh sein, das Michael auf dich aufpasst, stell dir vor er hätte nicht Rückgrad genug um dich zu verteidigen!“
„Ich kann mich selbst verteidigen! Mit Waffen umgehen ist kein Problem für mich.“
„Das habe ich doch gar nicht gemeint!“
„Ach so. Du meintest, dass alleine seine gute Absicht genügt?“
„Natürlich! Sehe es doch positiv.“
„Ich werde es versuchen und jetzt habe ich genug vom Gerede! Lass und noch ein paar Meter galoppieren, bevor wir anfangen müssen, die Tiere trocken zureiten.“

Kapitel 6


Erschöpft liege ich in meinem Bett. Da es schon kalt ist, habe ich ein dickes Wollkleid unter den drei Decken an. Mein Bruder, Fabio und Alfons liegen in der anderen Hälfte des Dachzimmers und schlafen schon. Trotz meiner Müdigkeit finde ich keine Ruhe. Meine Gedanken streifen ständig um das selbe Thema. Was, wenn Leona recht hat und er in mich verliebt ist? Was soll ich dann nur tun? Ständig die gleichen Fragen und ähnliche Antworten. Wie ein Karussell das sich wieder und wieder dreht. Ich hatte mal eins gesehen. Mein Vater hat mich und meinen Bruder mal mit in die Stadt genommen, weil dort ein großer Pferdemarkt war, der dort alle fünf Jahre stattfindet. Im Frühling ist er wieder. Es kommen Händler von überall her, man kriegt die verschiedensten Dinge zusehen und angeboten. Das bunte Volk mit ihren Kunststücken, Verkaufsstände aller Art, sehr viele unterschiedliche Menschen. Reiche und Arme, Hellhäutige und Menschen mit dunkler Haut, das letzte mal bin ich sogar einem Liliputaner über dem Weg gelaufen und natürlich das Karussell. Ich hatte die ganze Zeit zugesehen und mir geschworen, dass ich das nächste Mal Conni mitnehme um ihm alles zuzeigen aber ein Jahr später war er verschwunden, nur um jetzt wieder aufzutauchen und mein Leben durcheinander zubringen! Entnervt stoße ich die Luft aus und beobachte, wie die weiße Atemwolke sich langsam auflöst. Es ist richtig kalt geworden. Die ganze Woche war es schon kalt, aber dieser Tag hat alle vorherigen Tage in seinen Schatten gestellt. Als ich von draußen hineinkam, begangen mein Finger so zuschmerzen, dass mir vereinzelte Tränen die Wange hinabliefen. Ich mochte den Winter nicht, die einzige warme Stelle ist dann die Küche und das Zimmer meiner Eltern, weil dort Holzofen stehen. Außerdem kann man weder aus dem Tal hinaus, noch können andere hinein, wenn es erst mal richtig zuschneien begonnen hat, was wiederum bedeutet, das Conni mich nicht besuchen kommen kann, weil sonst die anderen Verdacht schöpfen würden. Allein bei dem Gedanken wird mir flau im Magen. Wäre er doch nur nie zurück gekehrt! Ich hatte doch gerade mein Leben in Griff bekommen...
Noch einmal drehe ich mich um und schaffe es endlich einzuschlafen.

„Guten Morgen Elain!“ Begrüßt mich mein Vater, als ich schlaftrunken in die Küche komme. Ich fühle mich wie gerädert, mein Hals schmerzt und meine Lunge brennt bei jedem Atemzug. Entweder kommt das von meiner Nacht in der Scheune oder an dem Temperaturenumschwung, da ich sehr empfindlich bin, ist das wahrscheinlich der wirkliche Grund.
„Wie siehst du denn aus?“ Kommt es aus der Richtung meines Bruders, der schon komplett fertig ist und gleich zur Schmiede gehen wird, sowie Alfons zu Adolf. „Bist du krank?“ Fragt meine Mutter.
„Wenn dann bleibst du heute zuhause und Fabio und dein Vater müssen ohne dich auskommen.“
„Ich bin nur ein wenig erkältet, wie jedes Mal bei Winteranfang. Mach dir da keine Gedanken, gib mir lieber was zutrinken, dann wird es schon wieder besser gehen.“ Meine Familie kann ja nicht ahnen, dass ich mich teilweise mit Hilfe von Magie heilen kann. Nicht ganz, dafür langt meine Energie nicht und danach werde ich sehr müde sein, aber wenigstens fast gesund. „Willst du dich noch mal hinlegen, mein Mädchen?“
„Gerne, Mutter.“ Das kommt mir sehr gelegen, dann heile ich mich jetzt gleich und lege mich dann hin und schlafe, dadurch kann ich auch den verlorenen Schlaf der Nacht nachholen.

Wenige Stunden später wache ich durch Stimmen wieder auf. Meine Eltern haben Besuch. Von mindestens zwei Personen. Neugierig schäle ich mich aus den Decken und strecke mich erst mal. Ich fühle mich viel besser als heute Morgen, die Schmerzen in der Lunge sind ganz weg und das Kratzen im Hals ist so schwach, das ich es schon fast nicht mehr wahr nehme. Vorsichtig kämme ich mir die Haare und flechte sie in einen Zopf, den ich dann nach oben stecke. Werfe noch einen flüchtigen Blick in den Handspiegel und klettere die Leiter hinunter. Im Flur angekommen, lausche ich aus welcher Richtung die Stimmen kommen und gehe zu ihnen in die Küche. Es sind Heinrich und Sieglinde, die sich mit meinen Eltern unterhalten. Fabio steht in der anderen Ecke des Zimmers und trinkt warme Milch, wie ich am Geruch des Raumes erkenne.
„Hallo!“ Begrüße ich unsere Gäste. „Hallo Elainai.“
„Was macht ihr hier? Es sieht irgendwie geschäftlich aus. Für einen Besuch der alten Zeiten wegen fehlt das Bier.“ Alle lachen, bevor Heinrich antwortet.
„Du hast recht. Wir sind hier um uns zu verabschieden. Wir ziehen zu Marcus in die Stadt und brechen gleich morgen früh auf, weil wir noch vor dem richtigen Winteranfang dort sein wollen. Johann hat die Bäckerei inzwischen sowieso übernommen und Angela schafft es auch ohne uns das Haus sauber zuhalten und da jetzt für Nachwuchs gesorgt ist, können wir ganz beruhigt gehen. Das Leben hier ist viel anstrengender als in der Stadt, dort kann ich in den Bäckerladen von Marcus einsteigen, um genug Geld zum Überleben zuverdienen, ohne die anstrengende Arbeit auf dem Feld. Außerdem will Sieglinde schon länger wegziehen, um Marcus’ Frau zuhelfen. Sie ist seit der Geburt ihres dritten Kindes nicht mehr ganz zu Kräften gekommen und kann Hilfe gut gebrauchen in Gegensatz zu Angela. Außerdem haben sie dort genug Platz und, wenn Angela noch ein Kind kriegt, wird es zu eng im Haus.“
„Kommt ihr uns manchmal besuchen?“
„Natürlich und du bist bei uns immer herzlich willkommen, wenn du uns besuchen kommen willst.“ „Vielen Dank für die Einladung. Ich wünsche euch einen guten Start in euer neues Leben und vergesst uns nicht.“
„Mach dir da mal keine Gedanken!“

Krachend fällt die Tür ins Schloss, als ich nach draußen gehe. Ich gehe über den Hof zu den Stallungen um Tahlim zuputzen, da er mir gehört, pflegen Fabio und mein Vater ihn nicht. Um ihn muss ich mich ganz alleine kümmern. Ich trete vor die Box und schaue hinein. Aber anstelle mein Pferd zusehen sehe ich in zierliches Gesicht, das von langen honigblonden Haaren umrahmt ist. Es ist Katharina, die jüngste Schwester von Leona. Sie scheint sich mindestens so erschrocken zuhaben, wie ich, da ihre runden Augen noch größer sind und jetzt viel zu groß wirken für den Kopf. Da sie so klein und zierlich ist, wirkt das generell schon so.
„Nicht böse sein! Ich wollte Tahlim nur eine Kante trockenes Brot vorbei bringen.“
„Schau mich nicht so panisch an. Ich weiß, dass du ihm nichts böses wolltest.“ Wie konnte so ein nettes Mädchen denn denken, dass ich ihr böse bin? Ich war ihr noch nie böse, im Gegenteil durch ihre lustige Art hat sie mich schon oft zum Lachen gebracht. Katharinas türkise Augen mustern mich. „Du siehst traurig aus.“ Stellt sie daraufhin fest. „Ist es, weil Cornelius wieder weg ist?“
Verblüfft schaue ich zu ihrer dünnen Gestalt hinunter. Solche Fragen stellt sonst nur Miranda. „Wie kommst du denn darauf?“
„Ich bin doch nicht blöd! Nur, weil ich nicht so extrovertiert, wie Miranda bin, heißt das noch lange nicht, dass ich weniger intelligent bin.“
„Stimmt deine Schwestern sind beide intelligent. Aber das beantwortet mir nicht die Frage. Außerdem hat das nichts mit Intelligenz zutun.“
„Das ganze Dorf redet darüber, wie ihr euch anseht. Außerdem, nur weil ich erst zwölf bin, heißt das noch lange nicht, dass ich so was nicht erkenne. Falls du es vergessen hat, habe ich zwei ältere Schwestern, die beide in ihre Männer verliebt sind.“ Innerlich seufze ich auf. Das ganze Dorf? Na toll! Dabei haben die uns höchsten zwei Mal miteinander gesehen. „Wo ist Alfons?“ Fragt sie mich plötzlich in unser Schweigen hinein. „Der ist mit seinem Bogen vorhin zu Michael gegangen. Ich glaube, die sind jagen oder so.“
„Aha.“ Nach einem weiteren kurzen Schweigen, sagt sie, dass sie mit keiner Art von Waffe umgehen kann und Leona darum beneidet und ehe ich etwas erwidern kann, ist sie aus der Box geschlüpft und nach draußen verschwunden. Was mich nicht weiter wundert, da sie sehr fleißig ist und wahrscheinlich noch etwas erledigen muss.
„Na Tahlim? Hast du mich vermisst? Wir machen jetzt deine Box und dich für die Nacht fertig.“
„Du redest mit ihm, wie mit einem Menschen.“ Vernehme ich Maximilians Stimme hinter mir.
„Er ist für mich auch ein Freund, außerdem hört er mir immer zu.“
„Wir hören dir doch auch immer zu“, sagt Michael.
„Was macht ihr eigentlich hier?“
„Dein Bruder hat gesagt, dass es dir nicht so gut geht und wir wollten mal vorbei schauen, ob alles in Ordnung ist“, erklärt Leona.
„Wie lieb von euch! Mir geht es wieder gut. Ich weiß auch nicht, was mit mir los war, halt ein wenig erkältet. Katharina war vorhin hier und hat mich gefragt, ob ich traurig bin, weil Conni weg ist. Verrückt, oder? Machen wir heute noch etwas zusammen?“
„Eigentlich ist nichts geplant. Sophia und Fabio sind schon den ganzen Abend bei Angela und Johann. Ich glaube, sie helfen packen. Da Sophia jetzt hier ist, können Heinrich und Sieglinde sich endlich ihren Wunsch von einem Leben in der Stadt erfüllen. Wir können ja auch dazu gehen. Das Baby wird nächste Woche außerdem getauft. Die Kleine soll Hanna heißen“, berichtet Michael.
„Hanna? Schöner Name. Die Kleine ist wirklich süß, ich freu mich wahnsinnig für die beiden, vor allem, da ihr Kind so gesund ist. Wir könnten auch zu mir gehen. Natascha sitzt mit Alfons, Derek und Miranda bei uns in der Küche. Ich glaube, sie spielen Karten.“
„Also, ich gehe jetzt sowieso zu Miranda“, erklärt Maximilian.
„Und wir beide gehen nach Hause. Möchtest du mit kommen?“ Fragt mich Leona.
„Nein, danke. Ich mache erst Tahlim fertig und außerdem will ich euch nicht stören. Geht jetzt besser, bevor ihr noch krank werdet.“
„Weißt du eigentlich, wie sinnlos es von dir war zu fragen, ob wir uns alle noch treffen, wenn du keine Zeit hast?“
„Nein, Maximilian, dass ist mir noch nicht aufgefallen, aber jetzt da du es sagst...“ Mit schiefgelgetem Kopf gebe ich vor nachzudenken.
Amüsiert schüttelt er denn Kopf, klopft Michael noch einmal auf die Schulter und verlässt gemächlichen Schrittes den Stall, dicht gefolgt von Michael, der sich, ohne Leona, schon einmal auf den Weg nach Hause macht.
„Katharina wurde wahrscheinlich von Eduart dazu angestiftet dich das zu fragen. Sie war heute morgen bei ihm. Eduart ist richtig glücklich seitdem Conni wieder aufgetaucht ist. Er ist wieder viel rücksichtsloser. Heute morgen beim Bäcker zum Beispiel. Ich stand an, weil Burghar vor mir war und er kommt rein und drängelt sich einfach vor! Mit den Worten <Alter vor Schönheit>. Jedenfalls vermutet auch er, dass du und Conni eine sehr enge... Freundschaft habt.“
„Eduart hat solche Dinge schon immer gemerkt. Er ist da sehr feinspürig. Ich würde zu gerne wissen, wo Conni diesmal ist...“
„Hat er dir das nicht gesagt?“
„Nein, hat er nicht. Ich weiß rein gar nichts! Ich weiß nicht, wo er ist, was er macht und wie es ihm geht. Geschweige denn, wann er wieder kommt!“
„Oh, dass ist hart. Da musst du halt warten. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Wie du gestern schon festgestellt hast: Er ist ein Vagabund. Das war er schon als Junge, wenn man versucht ihn zu halten, flieht er. Du musst ihn machen lassen, wie er will, sonst geht er... Er braucht die Möglichkeit so zu agieren, wie er will.“
„Genau das hatte ich gemeint. Er ist wahrscheinlich Beziehungsunfähig.“
„Jetzt mal langsam! Wenn man ihm genug Freiraum lässt, ist er sehr wohl fähig eine Beziehung einzugehen. Außerdem geht er nicht freiwillig, er muss immer noch seinem Meister dienen.“
„Und das wahrscheinlich für immer. Selbst wenn er es nicht tun würde, wäre dieses einfache Bauernleben nichts für ihn. Darum ist es ganz gut, dass er Aufträge hat, dann kommt er auf keine dummen Gedanken, aber es ist schon Schade, dass er so selten Zeit hat, vielleicht wird das besser mit den Jahren. Es gibt ja noch genug andere Drachenreiter.“
„Mhm, ich muss jetzt los. Komm morgen einfach einmal vorbei, wenn du die Zeit dafür findest.“
„Ja, mache ich. Bis bald!“
„Gute Nacht.“

Das ganze Dorf ist eingeschneit, meterhohe Schneewehen versperren einem die Sicht. Die Pferde sind alle schon unruhig, durch die angestaute Energie und den anhaltenden Schneesturm. Es ist jetzt der vierte Tag in Folge, an dem es ununterbrochen schneit. Der Lebensmittel, Holzfeuer und Stroh Vorrat auf unseren Hof geht rasant zur Neige. Wir kommen nicht mehr mit dem Wagen zur Scheune durch und deshalb haben wir noch keinen Nachschub geholt, was wir jetzt aber ändern müssen.
Mein Vater holt gerade die Leinensäcke aus der Sattelkammer, in den Säcken transportieren wir dann alles was wir holen. Mutter bleibt im Haus. Ich habe Leona seit unserem Gespräch im Stall nicht mehr gesehen, deshalb begleite ich die Männer. Ich möchte nachsehen, wie es ihr geht. Meine Mutter macht sich auch noch Sorgen um Heinrich und Sieglinde, da sie die Stadt wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig erreicht haben. Meine Gedanken gelten eher Cornelius, ich mache mir keine Sorgen, ob der Winter zu hart ist, er hat die letzten Jahre auch unbeschadet überstanden. Sondern wann er wieder kommt. Ich hatte gehofft, das er zu meinen Geburtstag kommt, aber wenn es so weiter schneit, kann er nicht kommen, wegen den Dorfbewohnern.
Geburtstage werden nie gefeiert, aber trotz allem ist es für jeden ein bedeutsamer Tag. Conni wusste nie, wann er Geburtstag hat. Ich hoffe für ihn, dass er es inzwischen weiß, meiner Meinung nach hat er ein Recht dazu.
Normalerweise schneit es nicht zu Zeit meines Geburtstages, da Oktober noch zum Herbst zählt und ein früher, harter Winter bedeutet, dass ein langer, heißer Sommer folgt, was auch nicht gut ist, weil dann die Felder zu schnell austrocknen und der kleine Bach nicht genug Wasser führt und der Wasserspiegel der Brunnen so tief sinkt, dass das Wasser eine braune Farbe hat.
Dafür wird unser Tal im kurzem Frühling, außerhalb des Weges, einem Sumpf gleichen. „Kommst du Elain?“ Fragt mich Alfons und unterbricht somit meinen Gedankenstrom.
„Ja, einen Moment noch.“ Schnell wickele ich noch ein Tuch um meinen Kopf und trete dann neben meinen Bruder um auch zwei Leinensäcke von Vater entgegen zunehmen. „Lass uns gehen. Und trödelt ja nicht rum! Umso schneller wir zurück sind, desto besser. Allzu lange hält man es in dieser Kälte gar nicht aus“, sagt mein Vater noch, bevor er die Tür aufreist und als erstes das Haus verlässt. Die Flocken fallen so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht mehr erkennen kann. Am liebsten würde ich Magie einsetzten, aber das würde auffallen, wenn ich plötzlich durch den Schnee laufe, wie als wäre er nicht da, so kann ich mich nur mit Hilfe von ihr warm halten.
„Beeilt euch!“ Dringt es zu mir durch, der Schnee dämpft wirklich jede Art von Geräuschen. Der Wind reist an unseren Kleidern und mein Rock wickelt sich um meine Beine. Ich gerate ins Stolpern und strecke die Arme aus, um mich abzufangen, bevor ich der Länge nach hinfalle.
Mitten im Sturz umschließen mich zwei Arme von hinten. An sich müsste ich mich erschrecken, weil niemand hinter mir lief, aber ich tue es nicht.
Schon als die Arme mich nur an den Seiten berührten, wusste ich, wer es ist. Ich habe es einfach gespürt. Langsam und behutsam stellt er mich wieder auf die Füße, nimmt mir die Säcke aus der Hand und geht an mir vorbei. Schnell folge ich ihm zur Scheune.
„Guten Abend Derek, Alfons, Horst.“
„Cornelius? Was machst du denn hier?“ Fragt mein Vater misstrauisch. Ich hörte in seiner Stimme eine Spur von Feindseligkeit, was mich sehr verwunderte. Reflexartig nahm ich ihn in den Schutz.
„Er hilft mir tragen, was sonst?“
„Das meine ich nicht. Ich wundere mich nur, wie er hier im Dorf sein kann.“
„Ich kam noch vor dem Sturm bei Eduart an“, erklärte er.
„So ist das“, murmelt mein Vater, dreht sich um und füllt weitere Holzscheite in den Sack. Conni sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Hilflos schüttle ich den Kopf und hebe die Arme. Woraufhin er anfängt seinen Sack zu füllen.
„Meine Säcke sind voll!“ Tönt es aus der Ecke und Fabio tritt aus dem Schatten.
„Oh! Tag Fabio. Ich hatte dich gar nicht gesehen“, behauptet Conni.
„Das dachte ich mir.“
„Beeilt euch Jungs!“ Unterbreche ich die Unterhaltung, bevor sie sich überhaupt warm reden können. „Ist ja gut“, murmelt Fabio und Conni wendet sich schmunzelnd wieder um. „So, haben wir alles? Kartoffeln, Dörrfleisch, Mehl, Trockenfrüchte... Fabio, was ist in deinen Säcken?“
„Heu.“ „Heu? Das langt gerade für zwei Pferde an einem Tag... Na ja, was sollen wir tun? Lasst uns zurück gehen.“
„Vater, warum borgen wir uns nicht drei weitere Säcke von hier und füllen sie mit ein wenig Stroh? Ich dachte da an Rosenblüte.“ Rosenblüte wurde immer schnell krank, wenn sie fror und wenn wir ihre Box besonders dicht auslegen, bleibt sie länger warm. „Hmmm... an sich ist das eine gute Idee, aber wer soll das durch den Sturm noch dazu tragen? Wir müssen sowieso mehrmals gehen!“ „Ich helfe euch tragen. Mir macht der Sturm nicht viel aus“, antwortete Conni auf die unausgesprochene Frage.
Ich bin ziemlich verwundert über das benehmen meines Vaters. Er ist ja immer Recht mürrisch, aber auf mich wirkt es, wie als ob er etwas speziell gegen Conni hat oder das er ihn testen möchte. Bevor ich mir weitere Gedanken mache, die eh zu nichts führen werden, schaue ich mich nach weiteren Säcken um und beginne sie leise summend zu füllen.


„Kommst du mit ins Haus?“ Fragt mich Elain. Sie lehnt sich über die Tür der Box, in welcher ich stehe. Das weiße Kopftuch liegt jetzt auf ihren Schultern und gibt mir den Blick auf ihr kunstvoll aufgestecktes Haar frei. „Das Knie der Stute ist leicht angeschwollen. Soll ich es heilen?“ Gebe ich zurück.
„Du kannst heilen?“ Fragt sie mich neugierig.
„Ich habe es einmal versucht, aber ich bin kläglich gescheitert. Ich kann nur mich selbst heilen“, teilt sie mir mit.
„Das liegt wahrscheinlich daran, das du dich nicht genug konzentriert hast“, erwidere ich rechthaberisch.
„Hey! Was soll das denn heißen?“ Ihre Stimme klingt belustigt und als ich sie ansehe, lächelt sie mich freundlich an.
„Du hast schon ganz blaue Lippen. Komm mit mir mit ins Haus. In meinem Zimmer können wir ungestört reden.“
„Lass mich noch schnell meine Arbeit zuende bringen.“ Resignierend zuckt sie mit den Schultern und dreht sich um, damit sie ein anderes Pferd streicheln kann.
„Lass uns gehen“, fordere ich sie wenige Augeblicke später auf. Sie sieht mich an und hebt ihre Hand. Auf halben Weg zu meinem Gesicht lässt sie ihre Hand wieder sinken. „In Ordnung.“ Schnell wickelt sie das Tuch um ihren Kopf.

„Conni! Wie schön das du uns einmal besuchen kommst“, begrüßt mich ihre Mutter.
„Hallo, Jimena.“
Derek, Alfons und Fabio sitzen um das Feuer herum und trinken Bier. Horst sitzt am Küchentisch und poliert sein Schwert. Er ist immer noch der schmale, muskulöse Mann von früher nur die grauen Strähnen verraten sein Alter. „Möchtet ihr etwas zuessen oder zutrinken?“
„Ich kümmere mich schon um unseren Gast, Mutter“, sagt Elainai zickig. Beruhigend lege ich meine Hand auf ihre Schulter, lächle Jimena kurz an und schiebe Elain auf den Flur. „Ich habe inzwischen meine eigene Kammer“ teilt sie mir mit.
„Ach ja?“
„Ja, oben schlafen die drei Jungs und ich habe jetzt mein Zimmer im Erdgeschoss. Das ehemalige Arbeitszimmer meiner Eltern. Es ist genau richtig für mich. Nicht zu klein und nicht zu groß“, erzählt sie mir fröhlich.
Vorsichtig schließt sie die Tür hinter uns und lässt sich auf ihr Bett fallen. Der einzige Stuhl ist voller Kleider und aus ihrer offenen Truhe ragen auch Kleiderecken hervor. Ihr Bett steht unter dem einzigen Fenster des Zimmers. Während ich mich umsehe, spüre ich ihren Blick auf mir ruhen. Mit angezogenen Beinen sitzt sie da und sieht mich unverwandt an. Auffordernd klopft sie auf das Bett neben sich. Vorsichtig setze ich mich neben sie. Als sie mein Zögern merkt, fängt sie an zu lachen. „Mensch Conni, was stellst du dich so an?“
„Ich weiß nicht, aber der Gedanke, dass ich allein mit dir in einem Zimmer bin, macht mich irgendwie befangen...“
Wieder lacht sie. „Vor zwei Tagen haben wir noch nebeneinander geschlafen und jetzt mache ich dich nervös? Was ist los mit dir?“
„Och, weiß nicht.“ Mit einer entschlossenen Bewegung ziehe ich sie zu mir heran und lege meine Arme um sie. Sie rutscht ein wenig hin und her damit sie bequemer liegt. „Ist dein Auftrag gut verlaufen?“
„Ja, alles ist gut gegangen.“
„Wie lange bleibst du?“
„Bis der Sturm vorbei ist. Dann muss ich weiter reisen.“
„Aha. Dann hoffe ich, dass der Sturm noch länger anhält.“ Ich kann nicht anders, ich muss einfach über ihre Offenheit lachen. Man trifft viel zu selten direkte Menschen.
„Hey! Hör auf mich auszulachen.“ Sie schlägt mir leicht auf den Arm mit dem Ergebnis, dass sie sich selbst verletzt hat, anstelle mir weh zu tun. Ich muss nur noch lauter lachen. Böse schaut sie mich an und öffnet ihren Mund um mir eine Strafpredigt zu halten, als an ihre Zimmertür geklopft wird. „Herein“, ruft Elainai nach einem weiteren bösen Blick auf mich und setzt sich gerade auf. Jimena steckt lächelnd ihren Kopf zur Türe hinein.
„Du kannst selbstverständlich heute Nacht hier schlafen Cornelius. Allerdings bei den Jungs oben.“ Ich schenke ihr ein dankbares Lächeln. „Vielen Dank für das Angebot, ich nehme es sehr gerne an und ist es nicht selbstverständlich, dass ich getrennt von Elainai schlafe?“ Füge ich mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck hinzu. Daraufhin zieht Jimena sich kopfschüttelnd zurück.
„So ist das. Bei meiner Mutter schleimst du dich ein und bei mir kommen dann ganz andere Seiten zu Tage?! Wie kommst du dazu mich auszulachen. Ich habe mir ernsthaft weh getan.“ Sie streckte schmollend die Lippe hervor. „Weißt du eigentlich, wie unglaublich süß du aussiehst, wenn du sauer bist oder schmollst, wie im Moment?“
„Lass das Conni. Bei mir zieht das nicht!“
„Das ist mein voller Ernst“, versuche ich ihr Bedenken weg zuwischen. „Sei nicht mehr beleidigt Elain. Ich habe das nicht böse gemeint. Ich bin nur froh wieder hier bei dir zu sein.“
Eine leichte Röte überzieht ihr Gesicht und sie senkt den Kopf. Ich hebe die Hand und lege sie vorsichtig unter ihr Kinn um ihren Kopf langsam anzuheben. Sie beist sich auf die Lippe. Diese kleine Geste löst in meinem Körper eine Reihe von Reaktionen aus, auf die ich gut verzichten könnte. Im Moment zumindest. Damit sie es nicht sieht, zieh ich sie näher an mich heran und küsse sie wieder auf den Mund. Doch diesmal fordernder. Ein leises, unglaublich süßes Stöhnen entfährt ihr und sie öffnet ihre Lippen leicht. Ich nehme das als Aufforderung und teile ihre Lippen weiter mit der Zunge. Einige Zeit später, mir kommt es wie eine Ewigkeit und doch zu kurz vor, löse ich meine Lippen von ihren und lächle sie zaghaft an. Ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren wird. Langsam hebt sie den Blick und sieht mir in die Augen.
„Wofür war der Kuss?“ „Er war für nichts, einfach so.“
„Warum?“ Ich sehe sie fest an. Soll ich ihr wirklich sagen, dass ich sie liebe? Wird das nicht alles zerstören? Wie würde sie es auffassen. Kann das überhaupt etwas werden?
„Weil ich dich liebe.“ Zu spät. Jetzt haben die Wörter meine Lippen verlassen und ich kann es nicht mehr rückgängig machen.
Erschrocken sieht sie mich an und weicht ein Stück zurück. Bis sie die kalte Wand im Rücken hat. „Wieso tust du das? Warum sagst du so was zu mir?“ Fragt sie mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck. Jetzt darf ich nichts falsches antworten. „Was meinst du?“ Versuche ich Zeit zu schinden, damit ich mir eine Antwort zurecht legen kann. Sie verdreht genervt die Augen.
„Ich meine, was denkst du dir dabei mich zu küssen und was erhoffst du dir mit deinem Liebesgeständnis?“
„Wie schon gesagt, ich habe mir rein gar nichts gedacht als ich dich geküsst habe.“ Ich wäre ja schön blöd, wenn ich ihr den Grund verraten würde, dann hätte ich sie ja ganz umsonst geküsst. Obwohl... sie zu küssen ist nie umsonst. „Und gesagt habe ich das, weil du mich gefragt hast und ich dich nicht anlügen will.“ Nach kurzem Überlegen, fällt mir der zweite Teil ihrer Frage wieder ein. „Ich weiß nicht, was ich mir davon erhoffe. Vielleicht, dass du mir sagst, das du genauso empfindest?“
„Selbst wenn ich das tue, Conni. Eine Beziehung wäre so gut, wie unmöglich! Du bist ein Drachenreiter und so gut wie nie im Dorf und ich möchte nicht weg von hier! Ich liebe meine Freunde und generell alle Dorfmitbewohner. Selbst Eduart..., auch wenn er mich richtig reizt. Wie stellst du dir das vor? Außerdem, was würden die anderen denken, wenn ich eine Beziehung mit dir eingehe? Unsere Freunde würden sich freuen, die Älteren uns skeptisch beäugen und meine Eltern darauf bestehen das wir heiraten und das wäre ja noch hirnrissiger.“
Ich verstehe ihre Bedenken. An ihrer Stelle würde ich wahrscheinlich genauso denken. Mit Ausnahme... „Was wäre so schlimm daran mich zu heiraten?“
„Was so schlimm daran wäre? Du wärst nur sehr selten da. Wahrscheinlich käme ich damit noch zurecht, immerhin kann ich selbst arbeiten und ans Warten habe ich mich ja schon einigermaßen gewöhnt. Aber die ständige Sorgerei würde mich in den Wahnsinn treiben! Stell dir vor du würdest sterben und ich hätte keine Ahnung, wo du steckst, wann du eigentlich wiederkommen wolltest, was passiert ist? Ob unsere Kinder ohne Vater aufwachsen müssten?“
„Das Risiko besteht immer! Denk nur mal an Alfons. Er hat gleich beide Elternteile verloren. So etwas kann immer passieren, nicht nur mir und ich mache den Beruf jetzt schon länger und mir ist noch nie etwas Gravierendes passiert. Ich könnte dich mit in unser Dorf in die Berge nehmen, wenn du willst. Das wärst du immer auf den Laufenden und nicht die einzige Frau, die mit einem Reiter zusammen ist und selbst keine ist. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Elain... Elainai... Sieh mich an!“ Langsam hebt sie den Kopf. Einzelne Tränen laufen ihre Wange hinunter. Ich sehe ihr an, dass sie mit der Situation überfordert ist, aber die Dinge müssen gesagt werden. Sie liegen mir schon länger schwer im Magen. Hoffentlich bringt mich meine Zielstrebigkeit nicht in Schwierigkeiten, dass hat sie nämlich schon öfters.
„Ich weiß, dass alles kommt so plötzlich und unvorhergesehen, aber wir müssen darüber sprechen und warum nicht jetzt?“ Vorsichtig wische ich ihr die Tränen von den Wangen. „Elain...“ Mit einem erstickten Laut lässt sie sich gegen meine Brust sinken und lässt ihren Tränen freien Lauf. Dabei halte ich sie einfach nur fest und sage nichts mehr, bis sie sich gefangen hat.
Langsam und vorsichtig löst sie jeden Finger einzeln von meinem Hemd, in das sie sich gekrallt hat. Sie presst ihre Lippen so fest zusammen, dass die ganze Farbe ihnen entweicht.
„Du musst heute, die nächste Zeit, überhaupt nichts mehr zu diesem Thema sagen. Lass es dir durch den Kopf gehen. Wir würden eine gemeinsame Lösung finden. Nur eins noch...“ Fragend sieht sich mich an und hört auch auf ihre Lippen zu malträtieren. „Fühlst du... Empfindest du genauso wie ich? Liebst du mich?“
„Ja verdammt! Ich liebe dich! Dich. Meinen besten Freund und Beschützer. Gerade deshalb mache ich mir doch Gedanken. Denkst du ich würde mir Sorgen um unsere Kinder machen, wenn ich dich nicht lieben würde?“ Da die Frage eher rhetorisch wirkt, ziehe ich sie einfach komplett auf meine Schoß und küsse sie hemmungslos.


„Spinnst du?“ Frage ich Conni währendem ich nach Luft schnappe. Dieses Gespräch hat mich endgültig verwirrt und gleichzeitig mir geholfen mich selbst besser zu verstehen. Als er mir seine Gefühle gestand, wurde mir klar, dass ich genauso fühle. Das ist doch zum Mäuse melken! Ich muss dringend mit Leona reden, sonst drehe ich durch. Aber selbst sie kann mir nicht sagen, wie es weiter geht. Gott sei dank erwartet er noch keine Antwort von mir.
Seine eisblauen Augen mustern mich auf eine merkwürdige Art und Weise. Belustigt, neugierig und etwas, was ich nicht zu ordnen kann. Beziehungsweise konnte. Als sein Blick unterhalb meines Halses hängen bleibt, wird mir sofort klar, was in seinem Kopf noch vor sich geht. Oder in seiner Lendengegend. Um ihn nicht anzustarren, stehe ich auf und beginne leise summend ein wenig Ordnung in mein Reich zu bringen. Sonst würde ich niemals mein Schaffell finden, dabei ist mir richtig kalt. Als ich bei Conni saß, ist mir das überhaupt nicht aufgefallen... „Moment mal! Hast du mich gerade mit deiner Magie warm gehalten?“ Er lacht leise auf. „Erwischt!“ „Die ganze Zeit?“ Ich werfe einen prüfenden Blick aus dem Fenster, was mir nicht viel bringt, da es immer noch schneit. Im Sommer ist dieses Fenster fantastisch, jetzt im Winter aber nur eine Qual. Die ganze Zeit dringt die Kälte dort ein, noch stärker als an den Wänden. Am liebsten würde ich mich auch die ganze Zeit mit Magie warm halten, aber es kostet mich einfach zu viel Energie. „Ist das nicht zu anstrengend für dich?“
„Elain... wo denkst du hin? Was sollte daran den anstrengend sein. Das wäre genauso, wie wenn du mich fragen würdest, ob es schwer ist einen Drachen zu fliegen. Ich bin, im Gegensatz zu dir, für die Magie gemacht, sie kostet mich fast keine Energie und so ein kleiner Wärmezauber so wenig, dass ich nicht einmal nach Tagen merken würde, dass ich ihn immer noch aktiviert habe. Es sei denn ich bin weit von dem Ort entfernt, wo ich die Magie wirke. Wenn du dich wieder ins Bett setzt, wird dir wieder warm. Ich halte auch die ganze Nacht das Bett für dich warm.“ Er sieht mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an.
Mein Beschützer... diese Rolle hat er schon immer in meinem Leben eingenommen. Zumindest früher, bevor er verschwand. Verschmust schmiege ich mich wieder an seine Seite. Er legt die Arme um mich und fängt an mir eine Geschichte zu erzählen. Muss wohl eine aus seinem neuen Zuhause sein, denn von Eduart kann sie nicht kommen. Doch bevor ich das Ende mitbekomme, schlafe ich ein.


An ihrem gleichmäßigen Atem erkenne ich, dass sie eingeschlafen ist. Meine kleine Schmusekatze muss wohl sehr erschöpft gewesen sein. Vorsichtig befreie ich mich von ihr, lege sie hin und decke sie zu. Ich verstärke den Zauber, damit er sie auch warm hält, wenn ich dann schlafe. Im Schlaf werden die Zauber schwächer. Wie im Energiesparmodus, aber sie verschwinden nicht ganz ohne meine Erlaubnis. Nun stehe ich vor ihrem Bett und betrachte sie. Ich versuche mir alles genau einzuprägen für die Zeit, wo ich nicht da bin. Der Gedanke versetzt mir einen leichten Stich. Sie ist ein Teil von mir, dass war sie schon immer. Ich verlasse ihr Zimmer und setzte mich zu den Jungs ans Feuer und unterhalte mich mit ihnen noch eine Weile, bevor wir nach oben gehen.


Als ich aufwache, ist mir mollig warm. Ganz anders als in den letzten Tagen. Conni muss sein Versprechen wohl eingehalten haben. Beim Gedanken an ihn muss ich lächeln, sein Geständnis gestern kam zwar ziemlich plötzlich, aber ich bin ihm dankbar für seine Ehrlichkeit. Er hat es mir gesagt, ohne zu wissen, wie ich zu ihm stehe. Obwohl meine Gefühle wahrscheinlich ziemlich offensichtlich waren...
Ich wünsche mir, dass der Sturm sich endlich legt, damit ich mit Leona reden kann und gleichzeitig auch nicht, da Conni dann wieder geht. Immer diese Zwickmühlen! Aber am Wetter kann ich nichts ändern, dafür beherrsche ich nicht genug Magie. Langsam schäle ich mich aus der Decke hervor und beginne mich umzuziehen. Ich wähle ein dunkelblaues Wollkleid, kämme mir die Haare und flechte sie zu einem Zopf. Jetzt muss ich mich nur noch waschen. Also nehme ich die Schale vom Boden, öffne lautlos die Tür, schlüpfe durch die Haustür und fülle die Schale mit Schnee. Wieder in meinen Zimmer angekommen, schmelze ich ihn mit einem kurzen Zauber und wasche mich. Schnell in meine hölzernen Schuhe schlüpfen und den Raum, diesmal geräuschvoll, verlassen. In der Küche angekommen, finde ich nur Jimena vor. „Mutter? Wo sind die anderen?“
„Die schlafen noch Elainai. Der Hahn hat noch nicht gekräht, es scheint ihm zu kalt zu sein. Verständlich. Ich bin auch nur wach, weil ich gefroren habe. Jetzt sind die Feuer neu geschürt. Hilfst du mir Frühstück machen?“ Sie wirft mir einen fragenden Blick zu. „Natürlich, was kann ich denn machen?“
„Stell die Schalen schon einmal auf den Tisch und wecke die Männer. Der Haferbrei ist fertig.“
„Bis gleich.“

Nach kurzem Anklopfen betrete ich leise den Raum, in welchem mein Vater schläft. „Vater?“ Unwillig dreht er sich auf die andere Seite. „Vater, das Frühstück ist fertig. Außerdem hat es aufgehört zu schneien.“ Leider, wie ich in Gedanken hinzufüge. Conni geht wieder. Schon wieder nur kurz gesehen, knapp einen Tag. Aber vielleicht, ist das auch ganz gut, immerhin kann ich dadurch Abstand zu dem gestrigen Geschehen nehmen und logisch darüber nachdenken. Mein Vater setzt sich im Bett auf und scheucht mich mit einer herrischen Handbewegung aus dem Zimmer.
Dann klettere ich die Leiter hoch. Zumindest zur Hälfte. Denn dort angekommen, steht mir plötzlich mein Bruder im Weg und grinst mich frech an. Er zieht eine Augenbraue hoch und macht eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf, damit ich Platz mache. Ich unterdrücke ein genervtes Seufzen und steige wieder nach unten. „Sind die anderen schon wach Derek?“
„Alfons zieht sich gerade an und Fabio sucht sein Messer. Conni schläft.“ Bevor ich etwas erwidern kann, kommt mein Vater aus der Tür. „Sind alle schon in der Küche? Wir haben heute viel zu tun!“ „Nein, Vater noch nicht“, antworte ich, während Derek in die Küche huscht und Alfons auf der Leiter erscheint.
„Beeilt euch“, murmelt mein Vater noch als er hinter Derek in der Küche verschwindet, dicht gefolgt von Alfons, der die letzten Stufen einfach überspringt. „Morgen Elain“, erklingt die Stimme von Fabio hinter mir. „Schneit es noch?“
Mit einem Kopfschütteln verneine ich und er geht mit einem warmherzigen Lächeln in die Küche. Mit dieser warmherzigen, ehrlichen Art hat er sich auf Anhieb in die Herzen der Dorfbewohner geschlossen und wird inzwischen genauso behandelt, wie jeder andere im Dorf. Ähnlich ist es bei Sophia. Die beiden sind schon ein schönes Paar. Hoffentlich hält es und sie heiraten eines Tages. Auch wenn das bedeuten könnte, dass sie das Dorf verlassen. Die kleine, blasse Sophia und der „dunkle“ Fabio. Selbst optisch machen die beiden etwas her. Mit diesen Überlegungen klettere ich die Leiter von neuem hoch, bis ich im Zimmer stehe und auf Conni hinab sehe. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, während ich mich hinabbeuge und ihn sacht küsse. „Conni. Aufwachen. Es schneit nicht mehr und es gibt viel zu tun!“ Mit einem Grummeln dreht er sich um.
„Conni! Wenn du nicht sofort aufstehst, erzähle ich Eduart, dass du ihm die Lesebrille geklaut hattest!“ Mit einem Ruck setzt er sich auf und schleudert mir sein Hemd, das er aufgehoben hat, ohne dass ich es gemerkt habe, ins Gesicht. „Das wagst du nicht! Elain! Ich warne dich.“ Am Schluss klingt seine Stimme drohend und dunkel. Aber ich lasse mich nicht beeindrucken. Dafür kenne ich ihn zu gut. „Was dann? Willst du ein kleines Mädchen schlagen?“ Er grinst.
„ Nicht ganz meine Liebe. Ich habe andere Methoden.“ Sein freches Grinsen wird anzüglich und er steht auf. Er trägt nur seine Hose. Sein Oberkörper ist komplett nackt und ich kann meine Augen von seinem durchtrainierten Körper nicht lassen. Er sieht unverschämt gut aus! „Zieh dir was an“, stoße ich hervor und zwinge mich dazu ihm ins Gesicht zu sehen. Ich fange sein selbstbewusstes, fast arrogantes Lächeln auf. Mit einem Schritt stand er direkt vor mir. Es passte keine Hand mehr zwischen uns. Wie aus Reflex heraus beginne ich seine Bauchmuskeln abzutasten. Mit einem wilden Knurren hebt er meinen Kopf an, krallt sich mit einer Hand in meinen Haaren fest und küsst mich bedingungslos.
„Du Tier!“ Zische ich ihn an und weiche einen Schritt zurück. „Warum bist du immer so besitzergreifend? Ich laufe dir schon nicht davon! Sei doch einmal vorsichtiger mit mir.“ Entschuldigend schaut er mich an, zieht sich an und nimmt mich diesmal vorsichtig in den Arm. „Tut mir leid, Kleines. So bin ich nun mal, aber ich versuche mich zu bessern. Versprochen!“
„Schon gut. Ich war nur erschrocken.“
„Elain... gib mir Zeit, dann bessere ich mich bestimmt.“
„Du hast normalerweise alle Zeit der Welt, aber heute nicht. Vater wartet auf uns.“
„Dann lass uns gehen!“
Nach einem recht schweigsamen Frühstück, einem harten, kalten und schweißtreibenden Vormittag, dem Mittagessen und weiteren Stunden Stallarbeit, sind Conni und ich „frei“. Was uns leider nicht viel bringt, da er weiter muss. Wir verabschieden uns mit einem Kuss, einer Umarmung und Worten, die ein schnelles Wiedersehen herbeiwünschen, voneinander.
Anschließend gehe ich zu Leona. Ich kämpfe mich durch den hohen Schnee zu ihr. Als ich dann endlich auf den geräumten Platz ankomme, sind meine Klamotten total durchweicht. Schnellen Schrittes laufe ich zu Leona. Sie steht vor ihrer Haustüre und unterhält sich mit Angela, die ihre Tochter im Arm hat. Ich habe Hanna seit ihrer Geburt nicht mehr gesehen und bin total verwundert, dass die Kleine schon so groß geworden ist. Der erste Flaum bedeckt den Kopf und sie hat die Augen geschlossen. Kleine Kinder schlafen so friedlich, als gäbe es kein Übel auf der Erde. Mit der Zeit wird man eines Besseren gelehrt. Den einen trifft es härter, den anderen weniger hart, aber dass kann man nie vorher wissen.
„Hallo Elain! Schön das du mich besuchen kommst, dieser Sturm war schrecklich! Man konnte nirgends hin!“ Jammert Leona los und nimmt mich in den Arm.
„Kommt rein, sonst erfrieren wir noch. Elain! Du bist ja ganz nass. Dieser nervige Schnee! Man kann nichts machen.“ Ich muss schmunzeln, Leona ist nur selten so aufgedreht. Irgendwas ist im Busch. Angela mustert meinen nassen Rock kritisch mit ihren grünen Katzenaugen.
„Du musst dringend aus diesem Rock raus. Sonst holst du dir den Tod!“ Mit einer energischen Bewegung streicht sie eine honigblonde Strähne aus ihrem Gesicht, die sich aus ihrer Frisur gelöst hat und setzt sich ihr Baby auf den Schoß. Sie hat sich sehr gut erholt und man sieht ihr fast gar nicht mehr an, dass sie erst vor ein paar Wochen entbunden hat.
„Leona? Hast du einen Rock für mich?“
„Natürlich! Einen Moment.“ Während Leona geschäftig nebenan rumkramt, beobachte ich Angela, wie sie ihre Tochter stillt und leise vor sich hin summt. Sie ist echt eine Schönheit, alabasterfarbene Haut, weiblich, mandelförmige Augen, ein wenig größer als ich, dickes, gewelltes, schulterlanges Haar. Dazu strahlt sie Selbstbewusstsein und Gelassenheit aus. Zwei Charakterzüge von ihr, die am stärksten Auftreten, seitdem sie mit Johann zusammen ist. Unbewusst seufze ich und wende meinen Blick ab. Es kratzt ganz schön am Selbstbewusstsein, wenn man so schöne Freundinnen hat.
Wie zu Bestätigung meiner Gedanken kommt Sophia rein. Ihr dunkelbraunes Haar zu einen Zopf geflochten, ihre zierliche, aber trotzdem schöne Figur, nur ihr leichtes Schielen stört das Bild, aber dass fällt nur beim genauem Hinsehen auf.
„Na ihr beiden?“ Vernehme ich ihre weiche Stimme und werde aus meinen Gedanken in die Realität zurück geholt. Ist wahrscheinlich besser so, sonst würde ich vor Selbstzweifel noch zerfliesen. Dabei bekomme ich selbst oft genug Komplimente, aber eine Frau kann nie genug davon kriegen!
„Wir haben erst Oktober und schon so ein schrecklich kaltes Wetter“, sagt Sophia.
„Ja und der Schnee ist ziemlich nass“, erwidert Leona mit einem Augenzwinkern in meine Richtung und drückt mir einen alten, braunen Rock in die Hand. Dankbar lächle ich sie an und verschwinde aus dem Raum. Nach dem Kleidungswechsel laufe ich direkt Michael in die Arme, der gerade von draußen kommt. „Na Elain. Mal wieder zu Besuch? Das Wetter ist doch schrecklich, nicht wahr?“ Ich bringe nur ein Nicken zustande, so erschrocken bin ich. Ich habe überhaupt nicht mit ihm gerechnet. In Gedanken schlage ich mich für meine Verwirrtheit gegen die Stirn. Immerhin wohnt er hier mit Leona, da ist es doch selbstverständlich, dass die Möglichkeit besteht, dass ich ihm über den Weg laufe. Mit einem sachten Kopfschütteln kehre ich zu meine Freundinnen zurück.
„War das gerade Michael?“
„Ja, aber er ist schon draußen.“ Ich setze mich wieder neben Angela. Leona räuspert sich und sieht uns der Reihe nach an. „Ich bin schwanger.“ Nach kurzem Schweigen, kreischt Sophia los.
„Ohhhh! Wie toll. Ich freue mich so für dich. Für euch. Ist das toll. Noch ein Baby!“ Lachend fällt sie ihr um den Hals. Angela und ich strahlen um die Wette.
„Seit wann weißt du das?“ Fragt Angela.
„Weiß es Michael schon?“ Frage ich ungefähr zur gleichen Zeit. Leona gibt schmunzelnd Antwort. „Ich weiß es sicher seit ein paar Tagen und ich ahne es schon seit einigen Wochen. Ungefähr sechs. Meine Blutung ist nicht gekommen und ich hatte ständig Hunger auf verrücke Sachen. Außerdem wurden... meine Kleider... Obenrum... immer enger...“ Sie läuft rot an. Plötzlich muss ich schallend los lachen. Alle schauen mich verwirrt an, was mich aber nur noch mehr zu Lachen bringt. Eigentlich habe ich keine Ahnung, warum ich angefangen habe zu lachen, aber ich kann damit nicht mehr aufhören.
Nach einigen Minuten, wische ich mir die Lachtränen weg und halte mir die stechende Seite. „’Tschuldigung Leona. Ich lache nicht wegen dir. Obwohl dein Gesichtsausdruck alles verschlimmert hat.“ Ich zwinkere ihr zu und atme tief durch.
„Weiß es Michael jetzt?“ Wiederholt Sophia meine Frage. „Nein, aber ich will es ihm heute noch erzählen. Lange könnte ich es eh nicht mehr verstecken, wenn ich wollte.“
„Ich glaube er wird sich freuen“, meint Sophia.
„Auf jeden Fall wird er ein großartiger Vater!“
„Ja, er wird gut auf euch aufpassen“, stimme ich Angela zu.
Gut eine Stunde später klopft es an der Haustür. Sophia öffnet und lässt Johann rein. Mit einem Lächeln auf den Lippen fährt er sich mit seiner Hand durch seine stoppelkurzen Haare und geht zu Angela und ihrem Baby rüber. „Hallo mein Schatz“, sagt er leise, küsst Angela kurz und nimmt dann Hanna auf den Arm. „Na Kleines?“
„Sie hat deine strohblonden Haare und deine schmalen Augen“, teile ich ihm mit.
„Sie sieht ihm generell ähnlicher als Angela“, sagt Sophia.
„Stimmt, aber sie hat grüne Augen, wie die Mama“, meint Leona mit einem Grinsen im Gesicht. Angela versucht ihr Lachen zu unterdrücken, da der sonst so extrovertierte und freche Johann nicht genau weiß, was er erwidern soll und stumm den Mund aufklappt. „Ähm. Sehr witzig Mädels. Angela kommst du mit mir nach Hause? Gudrun war vorhin da und hat mir was zum Essen gebracht, weil sie was übrig hatten, aber es ist so viel, dass ich es nicht allein essen könnte... und da dachte ich mir, dass ich euch hole.“ Hanna fängt an zu quengeln und darum legt er sie sich anders in den Arm.
Bevor er weiter spricht. „Außerdem ist das Haus so still ohne meine beiden Hübschen.“ Mit einen Blick, der jedem Hund Konkurrenz macht, sieht er Angela an. „Meinetwegen.“ Sie erhebt sich, umarmt jede von uns kurz und geht mit ihrem Mann, der uns zum Anschied zunickt, raus.
„Also, Leona. Du bist schwanger. Vermutlich im zweiten Monat und dein Mann weiß von nichts“, fasst Sophia zusammen. Leona nickt. Ich seufze. „Warum weiß er von nichts?“
„Weil ich mir nicht ganz sicher bin und ihm keine falschen Hoffnungen machen möchte. Stell dir vor ich bilde es mir nur ein oder ich verliere es in den nächsten Monaten.“ Ich schaue ihr lang und intensiv in die Augen. Sobald ich sie in meinen Blick gefangen habe, beginne ich den Raum magisch abzutasten. Nach Leben. Ich kann nun Selbst das Herz einer Kopflaus schlagen hören und sie genau orten. Leona hat ihren normalen ganz gleichmäßigen Herzschlag. Aber aus ihrem Leib kommt ein Geräusch, dass dem Schlagen der Flügel eines Schmetterlings ähnelt. Neues Leben. Das ist der Herzschlag ihres Babys.
„Oh, Leona. Du wirst Mutter! Ich freu mich so für dich.“ Ich springe auf, renne um den Tisch herum und falle ihr um den Hals. „Da ist Fabio! Er geht gerade zu Gesa. Entschuldigt mich Mädels. Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen.“ Sophia stürzt aus dem Raum raus und rennt über den Platz direkt in Fabios Arme, der sie lachend auffängt.
„Sie sind so perfekt“, flüstert Leona.
„Ja, so wie du und Michael.“ Ich lächle sie an.
„Jetzt aber zu dir Elain. Du bist nicht grundlos hergekommen.“
„Ich wollte dich mal wieder sehen und wissen, wie es dir geht“, antworte ich ausweichend.
„Natürlich wolltest du mich sehen. Aber das meine ich nicht. Ich kenne dich seit Jahren, denkst du, da merke ich nicht, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt?“ Ertappt schaue ich wieder die Tischplatte an. „Elain, soll ich dir alles aus er Nase ziehen oder sagst du es mir auch so?!“
„Sind alle Schwangeren so ungeduldig? So kenne ich dich gar nicht!“ Ich lache über ihren genervten Gesichtsausdruck.
„Gut, ich sag es dir...“ Ich erzähle ihr die komplette Geschichte von gestern Abend und heute Morgen und breite dann auch noch meine Gefühle vor ihr aus. Die ganze Zeit hört sie mir schweigend zu und sieht nur manchmal besorgt aus. Letztendlich musste sie Grinsen.
„Ich wusste es! Ich habe es von Anfang an gewusst! Ich freue mich so für dich. Du liebst ihn, er dich. Und wie er schon so schön gesagt hat, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Nach einigem Hin und Her steh ich und laufe nach Hause.


Seit Connis letztem Besuch, sind zwei Monate vergangen und zu meinem Geburtstag ist er auch nicht erschienen. Um ehrlich zu sein, war ich ziemlich enttäuscht und deprimiert an dem Tag, aber inzwischen mache ich mir nur noch unendlich viele Sorgen. Außerdem fehlt er mir fürchterlich... Meine Freunde lenken mich zwar sehr gut ab, aber es ist kein Ersatz für ihn. Vor allem abends vermisse ich ihn, wenn ich im Bett liege und versuche einzuschlafen.

Kapitel 7


„Entschuldigt mich, aber ich muss eure Pause leider beenden.“ Nugur und ich haben eine Truppe Lichs aufgespürt, die gerade gerastet haben, als ich bei ihnen ankam.
Ein Lich ist ein Untoter, besteht nur noch aus seinem Skelett und damit sie nicht auffallen sind sie in einen dunkelbraunen Mantel gehüllt. Ihre Schwerter sind Magie gefüllt, da sie selbst keine herstellen können. Auch sie dienen Fenodor. Fenodor ist der Herrscher über alle Dämonen und somit der Grund, dass es Drachenreiter gibt. Drachenreiter existieren nur, weil die Welt sonst dem Chaos der Dämonen ausgeliefert wäre.
Der Trupp der vor mir steht, ist relativ groß, wenn man bedenkt, dass sie normalerweise nur zu zweit reisen. Klirrend ziehe ich mein Schwert und gehe in Angriffsstellung. Nugur taucht auf der anderen Seite der Lichs auf. Sie greifen mich alle gleichzeitig an, keiner hat bis jetzt Nugur realisiert. Das verschafft Nugur die Möglichkeit, einem nach den anderen aus dem Hinterhalt anzugreifen. Um eine Lich zu töten musst du jeden Knochen von den anderen ab trennen und einzeln vergraben. Klirrend treffen die Schwerter auf einander. Dem ersten habe ich den Kopf abgeschlagen, aber sein Torso kämpft weiter. Nugur zerlegt derzeit seinen Ersten.
Mit einem gezielten Tritt schleudere ich den Kopflosen aus dem Kreis der Angreifer heraus, direkt in Nugurs Klaue. Dieser Moment der Verzögerung nutzt einer der Lichs aus und trifft mich mit seinem Schwert am Arm. Den Schmerz missachtend kämpfe ich weiter.
Es sind nur noch Fünf übrig, aber ich spüre das sich meine körperlichen Kräfte dem Ende zu neigen. Einen weiteren zerstöre ich mit Magie und einen krallt sich Nugur, den sie inzwischen auch bemerkt und attackiert hatten. Da ihre Schwerter magisch sind, konnten sie ihm sogar leichte Verletzungen zu fügen.
Nur noch zwei sind übrig. Ich pariere einen frontalen Hieb und diesen Moment, wo meine Seite ungeschützt ist, nutzt der andere Lich und trifft mich an der Seite.
„Mist!“ Quetsche ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, bevor mir schwarz vor Augen wird.


„Na, auch wieder wach?“ Begrüßt mich Nugur. Ich liege in meinem Bett im Drachendorf und er liegt auf seiner Decke neben dem Bett. Da auch die Drachen im Haus ihrer Reiter wohnen, sind diese richtig groß und die Tür ähnelt eher einem Scheunentor. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“ „Knapp sechs Wochen, hier ging es zu, wie im Taubenschlag. Deine Familie kam täglich, wenn sie nicht unterwegs waren, dein Meister zweimal täglich und dann halt die Mediziner. Die ersten vier Wochen hattest du sogar eine rund um die Uhr Bewachung.“
„Ich höre Belustigung in deiner Stimme, möchtest du mir verraten weshalb?“
„Nun ja, die kleine Karla war auch täglich da.“ Ich stöhne genervt auf und schließe wieder die Augen. „Das kann doch nicht wahr sein! Hat sie es immer noch nicht verstanden?“
„Ach weißt du, sie ist der Meinung, dass du schüchtern bist und ihr deshalb aus dem Weg gehst.“ „Nicht ernsthaft! Das Mädchen bringt mich noch um. Ich muss Elain endlich dazu bekommen, dass sie zu mir zieht.“
„Das wäre eine Möglichkeit. Denkst du, dass du sie dazu bekommst?“
„Ich hoffe es. Wahrscheinlich muss ich ihren Vater erst um Erlaubnis bitten und ihr versprechen, dass wir sie so oft wie möglich zu Leona fliegen...“
„Das ist wohl das geringste Problem, stell dir vor ihr Vater würde verlangen, dass ihr heiratet.“ Nugur beginnt zu lachen. Ich allerdings kann ihn nur ansehen, er scheint noch nicht ganz verstanden zu haben, wie wichtig Elain für mich ist.
„Moment. Du meinst es ernst mit dem Mädchen? Conni, dass kann doch nicht dein Ernst sein, denkst du ernsthaft, dass sie Verständnis dafür hätte, wenn du monatelang weg bleibst oder das ihr Vater das erlaubt?“
„Bis jetzt hatte sie immer Verständnis und mit ihrem Vater kriege ich das schon geregelt.“
„Junge, du spinnst, aber versuch dein Glück. Rede mit ihr, mit ihrem Vater, mit unserem Meister. Ich persönlich bin gespannt, wie das ausgeht.“
„Was denn? Wünscht mein Lieblingsdrache mir kein Glück?“ Frage ich gespielt empört.
„Doch, doch! Hab’ ich doch schon. Ich wünsche dir alles Glück der Welt und wenn du dafür diesen Menschen brauchst...“ Mit einem Lächeln schließe ich die Augen und schlafe augenblicklich wieder ein.


„Guten Morgen Gesa!“
„Oh, hallo Elainai! Schön dich mal wieder zusehen, wie geht es dir?” Mit einem freudigen Lächeln schließt sie mich in ihre zierlichen Arme. „Ich wollte ein paar Kräuter kaufen und wenn du da hast, Salz.“
„Ja ja, habe ich alles hier. Salz muss ich allerdings holen, dass habe ich in der Scheune gelagert. Warte hier einen Augenblick, bitte.“ Gesa huscht aus dem Raum und rennt dabei fast ihren Mann um, der gerade herein kommt.
„Morgen Siegfried.“
„Tag Elain.“ Er greift nach seinem Bogen und verlässt den Raum wieder ohne ein weiteres Wort. Ein schwaches Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, der gute, alte Siegfried. Immer stumm, wie ein Fisch. Bei dem Gedanken wird mein Lächeln noch breiter. „Was ist denn so unterhaltsam, Kind?“ „Dein Mann war hier.“
„Soso, stumm wie immer nehme ich an.“ Sie zwinkert mir zu. „Gut erkannt!“ Nun muss ich richtig lachen. „ Wie viel bekommst du denn Gesa?“
„Diesmal nichts, ich habe deiner Mutter noch Geld geschuldet.“
„Ach so, dass wusste ich nicht. Bis bald.“
„Wiedersehen!“
Mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse ich das Häuschen. „Elain!“ Ertönt Leonas Stimme.
Sie ist inzwischen im dritten Monat und man sieht es ihr inzwischen an. Michael behandelt sie, wie ein rohes Ei und lässt sie kaum aus den Augen. So auch im Moment. Er steht keine zwei Schritte hinter ihr und beobachtet sie mit Argusaugen. Ich an ihrer Stelle würde verrückt werden. „Leo, na wie geht es euch?“
„Spitze! Ich bin immer noch topfit und warum auch nicht? Es dauert ja noch ewig, bis das Baby auf die Welt kommt.“
„Fünf Monate ungefähr“, sagt Michael.
„Wie die Zeit vergeht“, lächele ich.
„Das kannst du laut sagen“, bestätigt Leona. „Was macht ihr beide heute noch?“ Erkundige ich mich und binde mir mein Tuch enger um den Hals. Wir haben Mitte Februar und es ist immer noch eiskalt. Glücklicherweise liegt wenigstens kein Schnee. „Micha geh doch schon mal ins Haus, ja?“ Zögernd nickt er und dreht sich noch einige Male zu uns um, bevor er die Tür hinter sich schlißt. „Um Himmels Willen, was ist denn in den Gefahren?“
„Er will halt nicht, dass mir etwas passiert“, verteidigt Leona ihren Mann.
„Ich würde an deiner Stelle durch drehen.“ Verwundert schüttele ich den Kopf. Wie kann sie das nur so einfach hinnehmen?
„Was von Conni gehört?“ Fragt sie mich.
„Nein, immer noch nichts. Ich gehe davon aus, dass er viel zu tun hat oder das er nicht mehr kommt.“ „Warum sollte Conni nicht mehr kommen?“ Wundert sich Leona. Ratlos zucke ich mit den Schultern.


Nach zwei weiteren Wochen Genesung und einem kleinen Auftrag bin ich mal wieder auf dem Weg zu Elain. Ich habe sie seit zehn Wochen nicht mehr gesehen und freue mich richtig, obwohl ich mir gleichzeitig Sorgen mache, wie sie auf meine Frage reagiert.
Nugur uns ich landen wieder im Wald und er macht sich auf die Jagd.
Als erstes mache ich mich auf den Weg zu ihrem Zuhause, dort teilt mir ihre Mutter mit, dass sie im Dorf ist. Also mache ich mich auf den Weg ins Dorf.
Dort angekommen sehe ich sie mit Leona vor dem Haus von Adolf dem Sattler stehen. „Warum sollte Conni nicht mehr kommen?“ Höre ich Leona fragen. Elain zuckt nur mit den Schultern, aber mich würde es auch interessieren, warum sie denkt, dass ich nicht mehr komme, obwohl sie weiß, dass ich sie liebe.
„Genau. Warum sollte ich nicht mehr kommen?“ Frage ich.
Keine der beiden hatte mich bemerkt und deshalb zucken sie synchron zusammen. „Seid wann so schreckhaft?“ Frage ich und lege meine Arme von hinten um Elains Taille. Als Leona bemerkt, wie selbstverständlich, dass für mich ist und das Elain sich zurücklehnt, an mich lehnt, lächelt sich glücklich. „Ich wusste doch, dass ihr eines Tages zusammen kommt. Habt euch ja genug Zeit gelassen!“ Um vom Thema abzulenken, spreche ich sie auf ihre Schwangerschaft an.
„Was ist das Leona? Hast du Frustfressen veranstaltet oder warum bist du in den letzten Wochen so in die breite gegangen?“ Necke ich sie.
„ Ich bin schwanger und nicht dick!“ Empört sie sich und schnaubt, wie ein Pferd. „Jetzt hättest du nur noch mit dem Fuß aufstampfen müssen und das Szenario wäre perfekt.“ Wütend funkelt sie mich an. „Du bist schrecklich Conni!“
„Ich doch nicht“, verteidige ich mich.
„Aber herzlichen Glückwunsch zu deinem Baby. Du bist im dritten Monat oder?“
„Ja, bin ich.“ Langsam beruhigt sie sich wieder, auch wenn ich noch ein wütendes Glitzern in ihren Augen sehe.
„Tut mir leid, Leo. Ich wollte dich nicht ärgern. Aber ich habe einfach gute Laune und da bin ich nun mal so!“ Freundschaftlich zwinkere ich ihr zu. „Ich hoffe du leihst mir Elain mal aus, sonst muss ich sie dir mit Gewalt entreisen.“
„Mach doch, was du willst“, zickt sie, dreht sich um und läuft zu sich nach Hause.
„Leona! Lauf doch nicht weg!“ Ruft Elain ihr nach, aber Leona reagiert schon nicht mehr. „Seitdem sie schwanger ist, ist sie total kompliziert! Ein falsches Wort und sie fängt an zu weinen oder rumzuschreien.“ Genervt schüttelt Elain den Kopf, windet sich aus meiner Umarmung und sieht mich kopfschüttelnd an.
„Wo warst du die ganze Zeit?“ Mit einem Seufzen nehme ich ihre Hand und ziehe sie zwischen en schmalen Gang zwischen der Schmiede und der Sattelei. Sehnsüchtig küsse ich sie und drücke sie gegen die Hauswand. Sie öffnet ihre Lippen einen spaltbreit, was ich als Aufforderung sehe, ein wildes Spiel unserer Zungen zu beginnen.
Nach wenigen Minuten löse ich mich keuchend von ihr. „Es tut mir leid, Kleines. Ich konnte nicht früher kommen. Ich... Ich hatte einen Unfall und war danach wochenlang ans Bett gefesselt. Dann musste ich noch einen kleinen Auftrag ausführen und jetzt bin ich ja hier.“ Sachte streiche ich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Warst du sehr schlimm verletzt?“ Fragt sich mich mit schwacher Stimme und mustert mich besorgt. „Es wäre nicht der Rede wert gewesen, wenn es keine magische Verletzung gewesen wäre.“ Ich zucke mit den Schultern. „Mich würde immer noch interessieren, warum ich nicht wieder kommen sollte.“ Sie errötet leicht und senkt den Blick. „Ich weiß auch nicht, ich dachte mir nur, dass du vielleicht nicht kommen darfst oder so...“
„Selbst wenn ich nicht dürfte, würde ich es noch tun. Sag mal Elain, würdest du mit mir mitgehen?“ „Mit dir wohin mitgehen?“
„Ins Drachendorf. Dann würden wir uns viel öfter sehen und du wärst auch immer auf dem Laufenden, würdest meine Familie und meine neuen Freunde kennen lernen.“ Geschockt sieht sie mir in die Augen. „Und was ist mit meiner Familie und meinen Freunden?“
„Die dürftest du so oft wie du willst und es geht besuchen. Entweder du reitest selbst her oder ich oder jemand anderes bringt dich.“
Sie nickt. „Und was ist mit meinem Vater? Ich gehe nicht ohne seine Erlaubnis!“
„Das habe ich auch nicht erwartet, aber ich wollte erst dich fragen, ob du überhaupt möchtest, bevor ich ihn um Erlaubnis bitte.“ Wieder nickt sie.
„Dann lass uns fragen gehen!“


„Vater?“ Ruft Elain quer über den Hof. „Geh ins Haus Elain, ich regle das mit deinem Vater allein.“ Zögerlich nickt sie und verschwindet aus meinem Blickfeld. Ich laufe über den Hof und betrete den Stall. „Horst?“


Es kommt mir so vor, wie als würde ich schon ewig auf meinen Vater und Conni warten. Alle paar Sekunden schaue ich aus dem Fenster und werde nervöser. Ich wünsche mir so sehr mit ihm mitgehen zu dürfen.
Meine größte Angst ist ihn zu verlieren. Selbst, wenn wir uns nicht absichtlich entfremden würden, die Entfernung ist ein vermeidbares Risiko und ich will ihn nie wieder verlieren. Nie wieder.
Ich bin mir dieser Sache so sicher, dass ich sogar das Verbot meines Vaters missachten würde. An sich ist die Bitte reine Formsache.
Auch wenn ich dann nie wieder zurück kehren könnte. Er wäre es mir wert.
DA! Da kommen sie. Oh oh, mein Vater sieht nicht gerade glücklich aus. Was ist denn jetzt passiert? Ist es für ihn so schlimm, dass ich zu Conni ziehen will?
„Elainai?“ Mein Vater betritt dicht gefolgt von Conni den Wohnraum.
„Vater?“ Gebe ich zurück. „Hol’ deine Mutter. Ich glaube, es könnte sie interessieren.“ Ich werfe Conni noch einen fragenden Blick zu, den er lächelnd erwidert.
„Mutter? Jimena?“
„Was ist Elain?“
„Vater sucht dich. Komm bitte mit in die Küche.“
„Ich komme gleich, lass mich noch schnell die Vase wieder zurückstellen.“
„Natürlich, ich gehe vor.“
Wieder zurück saßen die beiden Männer schweigend am Küchentisch. Vorsichtig setzte ich mich neben Conni und werfe meinem Vater scheue Blicke zu.
„So da bin ich.“ Geräuschvoll schiebt meine Mutter einen Stuhl zurück und lässt sich darauf plumpsen. „Was ist denn los, Horst.“ Mein Vater zeigt auf Conni und sieht meine Mutter an.
„Er hat um Elains Hand an gehalten.“ Geschockt sehe ich ihn an. Er hat was? Er hätte mir ruhig erzählen können, was er vorhat. Jetzt bin ich vollkommen überrumpelt. Heiraten? Will ich denn heiraten? „Du möchtest unsere Tochter heiraten?“ Hakt meine Mutter nach. „Ja.“
„Ich hab’s doch gewusst. Schon als ihr kleine Kinder wart. Ich freue mich so für euch!“ Ich starre sie verplüft an. Conni nimmt mit einem strahlenden Gesichtsausdruck meine Hand und drückt mir einen Kuss auf die Fingerknöchel. Ich lasse Alles kommentarlos geschehen. „Elain willst du ihn denn nicht heiraten?“ Fragt mein Vater verwundert.
„I- Ich...“ Mehr bekomme ich nicht raus, aber damit keine Missverständnisse aufkommen, falle ich Conni um den Hals, der mich lachend in seine Arme schließt. Selbst meinem Vater huscht ein kleines Lächeln über die Lippen. „Wieso hast du mir nicht gesagt, was du vor hast?“
„Verzeih mir Elain. Ich wollte dich damit überraschen, oder dachtest du, dass ich dich wie eine Hure mit nach Hause nehme?“ Er schaut mich gespielt entsetzt an.
„Ich habe gar nichts gedacht!“ Antworte ich mit einem überglücklichen Lachen.
„Lass uns ausreiten!“ Mit diesen Worten stürme ich aus dem Haus. Nicht ohne meinem Vater noch einen Kuss auf die Wange zu drücken.


Kopfschüttelnd trete ich hinter ihr aus dem Haus und schließe sie in die Arme. „Meine Elain. Meine Kleine.“ Sie dreht sich um ohne die Umarmung zu lösen und küsst mich stürmisch, was Fabio dazu bringt zu pfeifen, als er mit einem der Pferde auf den Hof geritten kommt. Elain lässt sich davon nicht beirren und zieht mich nur noch näher zu sich runter.
Ich genieße es richtig sie küssen zu dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Als ich merke, das sich mein kleiner Freund in der Hose aufrichtet, schiebe ich sie von mir weg und schließe die Augen, damit ich mich besser konzentrieren kann. Als ich mich wieder komplett unter Kontrolle habe, öffne ich die Augen wieder und sehe Elains freches Grinsen. „Na, löse ich unerwünschte Reaktionen bei dir aus?“ Erkundigt sie sich.
Ich erwidere ihr freches Grinsen. „Ich habe damit eher weniger ein Problem, aber ich weiß nicht, wie dein Vater reagiert, wenn ich hier und jetzt über dich herfallen würde.“ Ein leichter Rotschimmer überzieht ihr Gesicht. Um sie aus der Verlegenheit heraus zu holen, nehme ich sie an die Hand und ziehe sie mit in den Stall. „Welches Pferd überlässt du mir?“
„Medlak, der bricht unter deinem Gewicht nicht so schnell zusammen!“
„Willst du damit sagen ich sei dick?“
„Nicht doch, wir wissen beide das du es nicht bist. Ich wollte lediglich sagen, dass du nicht klein bist!“ „Ah ja. Und woher willst du das wissen?“ Mit einem Grinsen verschwindet sie in der Box.


Knapp eine Stunde später halten wir unter einer alten Eiche, wo noch vereinzelt braune Blätter hängen, an. Geschmeidig gleite ich aus dem Sattel und stelle mich neben ihr Pferd, damit sie mir in die Arme rutschen kann. Anstelle sie herunter zu lassen, trage ich sie bis zu Baumstamm und setzte sie mir auf den Schoß. Vorsichtig legt sie ihren Kopf auf meiner Schulter ab und schiebt eine ihrer Hände unter meinen Mantel und streichelt meine Brust. „Elain, willst du mich eigentlich heiraten? Du sahst so entsetzt aus.“
„Das war ich auch, ziemlich sogar. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass du mich heiraten willst. Ich dachte, du nimmst mich nur so mit.“
„Warum denkst du so schlecht von mir?“
„Ich denke doch gar nicht schlecht von dir! Aber ich kann doch nicht erwarten, dass ein Mensch, wie du sich binden möchte.“
„Ich will mich nur an dich binden, denn du verstehst meinen Hang an die Freiheit und würdest niemals versuchen mir diese zu nehmen, außerdem liebe ich dich.“ Sie setzt sich auf und fängt wieder an mich zu küssen.
Sie presst sich enger an mich und krallt sich mit einer Hand in meinen Haaren fest und mit der anderen an meinem Hemd.
Ich baue eine magische Schutzwand um uns auf, damit uns oder die Pferde niemand sieht und es bleibt unter der magischen Kuppel warm. Hektisch beginnt sie mir den Mantel auf zuknöpfen. „Nein. Elain nicht. Wir sollten das nicht tun“, versuche ich sie auf zuhalten. Als sie nicht reagiert, greife ich nach ihren Händen und halte sie fest. „Elain, dein Vater würde mich umbringen, wenn ich mit dir vor der Hochzeit schlafe.“
„Er muss es ja nicht erfahren.“ Währendem ich ihr versucht habe zu erklären, warum es nicht geht, habe ich ihre Hände wieder losgelassen. Sie beugt sich nach vorne und küsst mich wieder. Gleichzeitig schiebt sie ihre Hand unter mein Hemd und schiebt es hoch. Ihre Fingerspitzen lösen kleine elektrische Schläge auf meiner Haut aus. Mit einem Knurren beuge ich mich über sie, sodass sie auf dem Boden liegt und ich über ihr knie. „ Elain, wenn wir noch weiter gehen, weiß ich nicht, ob ich wieder aufhören kann.“
„Das ist mir egal Conni, bald bin ich sowieso dein.“ Spätestens jetzt, wo sie beginnt die Beule in meiner Hose zu streicheln, ist es um meinen Wiederstand geschehen.
Langsam schnüre ich ihren Mieder auf und ziehe es aus, dann streife ich ihren Rock ab. Sie trägt nur noch eine Bluse und ich nur noch die Hose. Vorsichtig fahre ich mit einer Hand unter die Bluse und umfasse ihre rechte Brust. Streichle, knete sie. Ihr entfährt ein leises Stöhnen. Ihre Hand fährt in meine Hose und umfasst mein Glied. Elain streicht auf und ab, wenn ich noch Jungfrau wäre, würde ich jetzt wahrscheinlich nur dadurch kommen, sosehr begehre ich sie. Ich öffne meine Hose, ziehe ihre Hand raus, damit ich sie ausziehen kann.
Zart umkreise ich ihre Klitoris mit dem Daumen, die anderen Finger gleiten ihre feuchte Spalte entlang. Ein Zittern läuft durch ihren Körper. Langsam schiebe ich meinen Zeigefinger in ihr erhitztes Fleisch, ihr leises Aufkeuchen, nehme ich als Aufforderung einen zweiten Finger hinzuzunehmen. Ihr Becken hebt sich mir entgegen und sie stöhnt rau auf. Es kostet mich alle Selbstbeherrschung noch nicht in sie einzudringen, aber ich möchte sicher gehen, dass sie bereit ist. Ich spüre die Zuckungen ihrer Muskeln, höre ihr Herz und weiß, dass sie jeden Moment kommt. „Lass dich gehen, Süße. Komm schon!“ Ihre Muskeln ziehen sich um meine Finger zusammen, ihr Körper zuckt und ihr durchdringender Lustschrei gellt in meinen Ohren.
Ich lege ihre Schenkel auf meine Schultern, setze meine Spitze an ihren Eingang und sehe ihr tief in die Augen, währendem ich langsam, Stück für Stück, um alles ganz genau zu fühlen, in sie eindringe. Das sie pure Lust empfindet und keinerlei Schmerzen ist mein Geschenk an sie, um wenigstens einen Teil der Vergangenheit wieder gut zu machen. Meine Stöße werden immer schneller und härter, ich treibe sie stetig einem zweiten Orgasmus entgegen. Als dieser sie ergreift und ihre Muskeln sich um mich fest schleißen, reist es mich mit. Mit einem leisen Aufschrei breche ich auf ihr zusammen.


Erschöpft liegen wir nebeneinander. Langsam drehe ich den Kopf und sehe sie an, sie lächelt glücklich zurück. „Wieso friere ich nicht?“ Ist das Erste, was sie sagt. „Magie.“
„Wir sollten uns anziehen und aufbrechen. Du musst wieder mit Nugur zurück und ich muss Leona erzählen, dass ich heirate.“ Sie grinst mich schief an und greift nach ihrer Bluse. Ich setzte mich auf und ziehe mich auch an. Dann schnüre ich ihr Kleid wieder zu. „Ist alles in Ordnung Elain?“
„Was sollte denn nicht stimmen?“ Sie strahlt mich an und alle Bedenken, dass sie es bereut, sind wie weggeblasen, dass einzige, was übrig bleibt, ist ein warmes Gefühl in der Brust. Sachte ziehe ich sie an mich heran und streiche über ihr Haar. „Ich werde jetzt mit Nugur zum Dorf fliegen und alles notwendige in die Wege leiten, damit ich dich heiraten kann. Ist es dir wichtig, dass wir im Dorf heiraten?“ „Wenn es nicht möglich ist, komme ich damit zurecht. Aber im Dorf ist es mir am Liebsten.“ Ich nicke nur kurz, bevor ich sie hoch hebe und zu den Pferden trage. Dort beginnt sie zu zappeln. „Lass mich runter, Conni! Ich komm immer noch gut allein aufs Pferd.“ Ich drücke ihr eine Kuss auf den Scheitel und gebe ihr einen Klaps auf den Po, bevor ich sie endgültig runter lasse. Sie steigt kommentarlos aufs Pferd, wendet und trabt an.
„Beeil dich!“ Ruft sie mir zu, was ich mir nicht zweimal sagen lasse, sobald ich auf dem Pferd sitze, galoppiere ich los und hole sie ein.

Kapitel 8


Jemand klopft stürmisch an unserer Tür an, da Micha im Moment außer Haus ist, muss ich wohl den Brotteig neben hinlegen und erst mal öffnen. Wie ein geölter Blitz schießt Elain neben mir ins Haus. Noch bevor ich überhaupt kapiere, was gerade los ist, schließt sie mich in die Arme und fängt an zu quietschen. „Elain! Was ist denn mit dir los?“ Verwirrt blicke ich in ihr gerötetes Gesicht. Freudig hüpft sie auf und ab. „Himmel! Elain, was ist denn in die gefahren? Seit wann bist du denn so... überdreht?“
„Wir heiraten!“
„Was?“
„Wir heiraten!“
„Hä?“
Sie verdreht ansatzweise die Augen. „Conni und ich werden heiraten!“ „Nicht wirklich, oder?“ „Doch!“ „Oh Mann! Das ist ja Wahnsinn! Wie kommt’s?“ „Überraschend?“ Jetzt liegt es an mir, die Augen zu verdrehen.
„Ja, das auch, aber das meine ich nicht.“ „Ich weiß.“ Sie grinst mich schelmisch an. „Na schön, dann eben anders. Wir gehen jetzt gemeinsam in die Küche, und du erzählst, währendem ich weiter backe.“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, gehe ich los.
In der Küche angekommen, blicke ich sie fragend an, bevor ich meine Hände wieder in den Teig vergrabe. „Auf Elain, ich will alles hören.“ Sie läuft rosa an. Verwundert halte ich inne. „Elain?“ „Alles?“ Fragt sie mit zittriger Stimme. „Meine Güte Elain! Du tust ja fast so, wie als hättest du was verbotenes getan.“ Ich zwinkere ihr zu, aber als ich sehe, dass sie sich auf die Unterlippe beist, verfliegt meine Belustigung so schnell, wie sie gekommen war. „Elain!“ „Was?“ „Du hast doch nicht...“ Entgeistert blicke ich ihr ins Gesicht.
„Na, dann erzähl mal. Jetzt will ich es noch genauer wissen!“
„Muss das sein?“
„Diesmal lass ich mich nicht von diesem... diesem... Hundeblick ablenken! Das bist du mir schuldig. Ich habe dir auch alles erzählt. Ich dachte du vertraust mir.“
„Natürlich tue ich das.“ „Dann kannst du es mir ja auch erzählen.“ Ich lasse den Brotteig auf den Tisch klatschen. „ Also, gut. Nachdem du beleidigt abgezogen bist...“
„Ich war nicht beleidigt. Ich war nur...“
„Willst du das ich erzähle, oder wollen wir über deine Gefühlsregungen von vorhin diskutieren.“ „Erzähl“, seufze ich.
„Also, nachdem du weg warst, hat er mich gefragt, ob ich mit ihm ins Drachendorf ziehen würde. Nach kurzem Überlegen und der Bedingung, das er die Erlaubnis von meinem Vater holt, habe ich zu gestimmt.“
„Hä? Ich dachte ihr wollt heiraten.“
„Leo! Lass mich halt mal ausreden!“
„’Tschuldigung.“
„Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei mir zuhause, ist er dann zu meinem Vater gegangen. Ich wartete in der Küche. Bei allen Heiligen! Du glaubst mir gar nicht, wie nervös ich war! Na ja, als sie dann reinkamen, sollte ich Jimena holen. Als Mutter dann da war, erzählte Horst, dass Conni um meine Hand angehalten hätte. Ich war so geschockt! Er hätte mich ja vorher fragen können, aber nein! Er rennt lieber zu meinem Vater. Auch gut. Meine Mutter hat sich total gefreut und ich bin ihm auch um den Hals gefallen, also Conni nicht meinem Vater. Als Conni und ich dann im Hof standen, fragte ich ihn, warum er mich nicht selbst gefragt hat. Er wollte mich überraschen. Überraschen nennt er das! Ich hoffe, er will mich nicht mehr all zu oft überraschen.“
„Das ist doch voll süß!“
„Was ist daran süß?“
„Ich weiß nicht, aber es klingt so lieb. Ich meine, ihr werdet heiraten. Ihr wart als Kinder befreundet und dann hast du ihn gehasst und jetzt heiratet ihr! Das nenn ich Ironie des Schicksals!“
„Nenn’ es, wie du willst. Aber soll ich jetzt weiter erzählen?“
„Unbedingt! Micha kommt jeden Augenblick wieder nach Hause.“ „Oh, dann kriegst du eine Kurzfassung. Wir sind dann ausgeritten.“ „Mhm.“
„Klappe! Du weißt gar nicht, wie schwer es mir fällt, dir das alles zu erzählen! Nun gut, unter dem Baum, wo ich ihn vor ein paar Monaten zum ersten Mal sah. Haben wir angehalten und sind abgestiegen...“ „Und weiter?“ „Muss ich das erzählen?“ Ich forme den Teig in die richtige Form, lege ihn auf ein Blech und hänge es über den Ofen. „Ja musst du.“ Ich setzte mich ihr gegenüber und ziehe eine Augenbraue hoch. „Ach Mensch! Wir haben... uns geliebt...“ „Das habe ich mir schon im Flur gedacht, aber ich will mehr wissen.“ „Bitte nicht! Das ist sooo...“
„Also, bitte, du hattest mich auch gezwungen!“ „Er war so... zärtlich und vorsichtig. Er hat die ganze Zeit darauf geachtet mir nicht weh zu tun. Es war so anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Klar, ich wusste schon einiges von dir, aber das ist wieder was ganz anderes, als es selbst zu erleben. Ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll...“
„Du hast dich mit ihm eins gefühlt, dass Gefühl gehabt, dass es keine Geheimnisse und Probleme mehr zwischen euch gibt?“
„Ja! Und noch so vieles mehr... Sag mal, war Micha noch... na ja... Jungfrau?“ „Äähhhmmm... wie kommst du auf die Frage?“ „Na ja, weil ich daran zweifle, dass ich seine Erste war.“
„Ach Elain, ist das so schrecklich für dich?“ „Wer behauptet denn das? Ich finde es nicht schlimm. Um ehrlich zu sein, würde es mich anders total verwundern.“ „Mich auch.“ Wir grinsen uns beide an. „Frag ihn doch einfach!“ Schlage ich ihr vor. Ihre Augen weiten sich ein wenig, bevor sich ihr Grinsen vertieft. „Weißt du was, dass mache ich!“ Wir reden noch eine Zeit lang über belangloses Zeug, doch dann kommt Micha nach Hause und Elain verabschiedet sich. „Willst du dich nicht hinlegen Leo?“
„Nicht doch, dazu habe ich später noch genug Zeit, außerdem würde ich mich so nutzlos fühlen.“ „Leo, du bist niemals nutzlos. Du bist das Beste, was mir passieren konnte.“
„Ohhh.“ Von Glücksgefühlen überwältig, falle ich ihm um den Hals. Woraufhin er mich stürmisch küsst.


Wieder zu Hause angelangt, fällt mir Natascha um den Hals. Da mich das völlig überrumpelt hat, taumeln wir gemeinsam gegen die Tür, die mit einem lauten Krachen ins Schloss fällt. „Natascha! Lass Elain los!“ Der Stimme meines Bruders nach, findet er irgendetwas reichlich amüsant.
„Jesses Mädchen! Was ist denn mit dir los?“
„Du heiratest, oh du heiratest!“
„Meine Güte Natascha, lass Elain los.“ Mein Bruder zieht sie von mir weg und schleift sie zurück in die Küche, wo er sie sich auf den Schoß zieht und mir lächelnd zuzwinkert.


Mitte März ist es endlich soweit. Über drei Monate habe ich auf diesen Tag hingefiebert. Meine –Unsere - Hochzeit. Alles ist schon vorbereitet, das ganze Dorf ist aus dem Häuschen. Meine Mutter wuselt um mich herum und zupft ständig an meiner Frisur herum, so langsam glaube ich, sie ist nervöser als ich. „Mutter! Jetzt lass das. Geh schon mal vor, Vater kommt mich sicher gleich holen.“

Langsam schreite ich an der Seite meines Vaters an den Bänken vorbei. Mein Herz schlägt so schnell und laut, dass ich fürchte, dass es aus meiner Brust springt. Als ich Conni vorne erblicke schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen.
Die Zeremonie rauscht an mir vorbei und das einzige woran ich mich bis ins hohe Alter erinnern soll, ist das glückliche Strahlen in Connis Augen und der kurze, fordernde Kuss.

Impressum

Texte: Shigeko (Alle Urheberrechte liegen bei mir.)
Bildmaterialien: Anni's Art
Lektorat: Shigeko
Tag der Veröffentlichung: 23.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Das Buch widme ich meiner besten Freundin, für alles, was sie für mich getan hat und dafür, dass sie mich immer wieder ermutigt weiter zu schreiben. Und Gott, der immer zu mir hält.

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