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Vorwort

 Chicago X war einst eine meiner ersten Geschichten

und sie ist der erste Teil meiner BLUTKIND-Trilogie.

Band 2:

Band 3: Lebensretter beißen nicht

Kapitel 1

Die Nacht ist still und dunkel, wie seit Tausenden von Jahren, seit der erste Vampir das Licht der Welt erblickt hat.
In der Dunkelheit des einsamen Parks, durch den mich mein Weg zurück zu meiner Wohnung führt, existiert keine Hektik. Zwischen den im Wind wispernden Bäumen gibt es nur mich und mein verkorkstes Leben. Das und bunte Blätter, welche in dieser kühlen, sternenklaren Herbstnacht ihren letzten Atemzug tun, bevor sie vom Wind davon getragen werden.
Ich fröstel etwas in meiner kurzen, abgetragenen Jacke, die mir nun schon seit über drei Jahren gute Dienste leistet. Trotz der Kälte beeile mich nicht nach Hause zu kommen.
Es ist meine liebste Jahreszeit, auch wenn der bevorstehende Winter schon jetzt seine langen, klammen Finger in den Nächten ausstreckt. In kaum mehr zwei Monaten werden die herabfallenden Blätter von Schneeflocken ersetzt werden, die ganz Chicago unter einer dicken, weißen Schneeschicht begraben, genau wie ein weiteres trostloses Jahr meines Lebens.
Hier am Rande von Chicago, der freien Stadt, wie sie die Vampire nennen, ist nichts glänzend oder gar einladend. Es ist der bittere Geschmack von Freiheit, gepaart mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, die mich jeden Abend hierher zurückkehren lassen. Zurück in einen altersschwachen Wohnblock, indem die Nachbartüren stets verschlossen sind und misstrauisch von ihren Bewohnern bewacht werden. Die Anonymität der Großstadt, welche mir damals, romantisch verklärt wie ich war, wie ein Segen erschien, hat sich als Fluch erwiesen. Aber ein notwendiger, der mich von meiner Familie und meiner Vergangenheit trennt.
Mein Magen knurrt laut, als ich die Grünanlage hinter mir lasse und die verlassene Straße überquere, deren aufgeplatzter Asphalt mich in meinen billigen Schuhen schwanken lässt, während ich versuche, die Hungergefühle zu unterdrücken. Morgen ist der Erste des neuen Monats und dann habe ich wieder Geld, mir etwas anderes zu leisten als Wasser aus dem Hahn und das halbverschimmelte Brot, das noch auf der Küchenanrichte liegt.
 
Als ich schließlich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse und langsam die endlosen Treppen, zu meiner kleinen Wohnung im achtzehnten Stock erklimme, und mein Atem kleine weiße Dampfwölkchen in der kalten, abgestandenen Luft malt, versuche ich meinen Ärger über den Fahrstuhldefekt im Zaum zu halten.
 
Es ist spät geworden und ich frage mich, wie lange ich die Arbeitszeiten in der Bar noch durchhalte. Seit über drei Jahren bin ich nun auf der Suche nach Frieden und Ablenkung, doch auch hier komme ich nur schlecht über mein bisheriges Leben hinweg.
Die Bar, in der ich arbeite, ist dreckig und klein, und mein Gehalt reicht kaum um die Miete zu bezahlen, die sie für dieses klägliche Schlupfloch das sich Wohnung schimpft, verlangen.
 
Menschen sind schlechte Arbeitgeber hier in Chicago. Sie haben selbst zu wenig, als dass sie es teilen könnten, doch in die Vampirbars kann ich nicht gehen, um nach Arbeit zu fragen.
Nicht weil ich Angst hätte, gebissen zu werden - oh Gott nein. Vampire sind schon seit zweihundert Jahren nicht mehr so unzivilisiert. Kein anständiger Vampir würde einen Menschen beißen. Das wäre so, als würde ein Mensch ein lebendes Schwein essen. Es gibt längst Flaschenblut.
Bei mir liegt die Sache etwas anders.
Ich mag keine Vampire.
Das ist tragisch, denn leider bin ich von meinen Genen dazu bestimmt einer zu werden.
Ich bin ein Blutkind.
Anders als für die Menschen ist Vampirblut kein tödliches Gift für mich. Es ist für meinen Körper nur der alles entscheidende Auslöser. Ein verdammter Tropfen davon und schon habe ich die Qual eines endlosen Lebens am Hals.
Unwillkürlich fahre ich mir durchs Haar und frage mich, weshalb gerade ich die noch einzige Nachfahrin eines der mächtigsten Vampire jenseits des Atlantiks bin.
Fünfzehn lange Jahre habe ich miterlebt, wie die vampirische Oberschicht sich belauert. Eingeteilt in sechsundzwanzig Bezirke, die von ihren vornehmsten Adelshäusern geleitet werden und deren Vorsteher sich Abteilungsleiter schimpfen, haben sie in ihrem Streben nach Macht und Geltung alles andere vergessen. Sie vegetieren dahin in ihrer Tradition und ersticken beinahe an ihrem Stolz und an ihrer glorreichen Geschichte, der ich nie etwas abgewinnen konnte.
Gefangen von einem Konstrukt aus Regeln und Verboten, habe ich einem endlosen Leben entgegengeblickt, einem freudlosen, schwarzen Abgrund und bin abgehauen.
Nun, nach drei Jahren des heimatlosen Herumirrens, frage ich mich, ob das Leben als Mensch wirklich so viel besser ist. Seit knapp zwei Monaten bin ich nun hier in Chicago und wie in jeder anderen Stadt zuvor ist es schwer sich von Vampiren fernzuhalten. Sie scheinen einfach überall zu sein. Kaum ein Laden oder ein Geschäft, das nicht ihnen gehört und das ist wirklich ärgerlich, schränkt es meine Bewegungsfreiheit und mein Jobangebot erheblich ein. Aber das Risiko erkannt zu werden, oder schlimmer noch einen Tropfen ihres Blutes abzubekommen ist mir zu groß.
 
Im Treppenhaus ist es noch kälter als draußen und ich hoffe inständig, dass die Heizung, die immer wieder Aussetzer hat, heute geht.
Ich schleppe mich weiter die Stufen nach oben, im flackernden Licht der Neonröhren, welche die Graffiti an den Wänden eher schlecht als recht beleuchten.
 
Erleichtert seufzend ziehe ich die Wohnungstür hinter mir zu und werde durch eine angenehme Wärme überrascht, die in dem kleinen Raum herrscht.
Im hellen Schein der Wohnzimmerlampe fühle ich mich gleich etwas wohler und ich werfe meinen Mantel auf das alte, durchgesessene Sofa, bevor ich mir die Schuhe ausziehe und in die kleine Küche wandere, um mir ein Glas Wasser einzugießen. Der kaputte Herd, bei dem nur noch eine Kochplatte geht und der kleine, alte Kühlschrank bilden zusammen mit einer kleinen Ablage und dem Waschbecken die Küchenzeile. Zwei Hängeschränke, deren Türen leicht nach unten hängen, beherbergen mein weniges Geschirr.
Obwohl ich nicht viel besitze, macht es mich glücklich, dass ich es mir selbst erarbeitet habe.
Ich nehme einen Schluck Wasser und begebe mich dann zurück ins Wohnzimmer um die Nachrichten zu sehen und mich so von meinem Hunger abzulenken. Der alte Fernseher knistert unheilvoll, als ich ihn einschalte, bevor er mir nach ein paar Sekunden ein unscharfes Bild zeigt.
 
„Die Leiter der 26 Bezirke trafen sich heute zum alljährlichen Gipfel in Chicago. Themen waren vor allem der Austausch der Blutlinien in Mitteleuropa und die Krise zwischen dem 21. und dem 15. Bezirk, sowie der neue Vertrag zwischen der 24. und 26. Abteilung, der vorgestern in Kraft trat ...“
Ich schließe die Augen und versuche die einströmenden Erinnerungen zu unterdrücken. Der 26. Bezirk und sein Leiter. Pius. Mein Vater. Er ist also in der Stadt. Schämen würde er sich, wenn er wüsste, wie ich hier lebe. Doch damit komme ich klar. Mein Lebensziel war nie, ihn stolz zu machen. Ich konnte mich auch nie für seinen Hunger nach Macht und Ansehen begeistern. Genauso wenig wie mich Politik interessiert. Es ist mir vollkommen gleich in wie viele Regierungsbezirke die Welt aufgeteilt ist und wer diese leitet. Genauso wenig wie ich einen ihrer hochangesehenen Bosse hätte heiraten wollen und das hätte ich ohne Zweifel tun müssen, wäre ich nicht weggelaufen.
Ich erhebe mich und schalte den Fernseher wieder aus, da ich keine Lust habe über diesen Abschnitt meines Lebens nachzudenken. Stattdessen schleiche ich ins Schlafzimmer und mache das Licht hinter mir aus.
Ich mag mein winziges Schlafzimmer, das eher einem karminrot gestrichenen Hamsterkäfig gleicht und in dem auch nur ein schmales Bett und eine kleine Kommode stehen. Ich habe die Rollos herunter gelassen, um die Wärme im Zimmer zu halten und hier drin herrscht tatsächlich eine beinahe angenehme Temperatur.
Ich schäle mich aus meiner löchrigen Jeans und dem hautengen Top und schlüpfe unter die Bettdecke, die mit einem dicken Frotteeüberzug bezogen ist, genau wie das Kissen.
Ich starre an das alte Poster von den `the Doors`, einer bekannten Band aus den Sechzigern, das schon hier hing, als ich eingezogen bin und ziehe die Laken enger um mich. Ich werde noch etwas vorsichtiger sein müssen, solange mein Vater in der Stadt ist.
 
Ich schnaube aufgebracht. Was tut er überhaupt hier? Auf meiner Flucht vor ihm und der Ewigkeit habe ich einen ganzen Ozean überquert und mich mehr als einmal mit einer heruntergekommenen Wohnung zufriedengegeben. Und jetzt ist er hier und ich muss schon wieder um meine Menschlichkeit fürchten.
Wieso konnte ich nicht in eine normale Familie geboren werden? In eine, in der man nicht schief angesehen wird, weil man ein Mensch bleiben will. Nichts darauf gibt, ob man es jemals schaffen wird sich eine Tiergestalt zuzulegen oder einen reichen, einflussreichen Ehemann zu finden.
Ich muss grinsen. Sicher wäre meine Tiergestalt auch irgendetwas Klägliches gewesen. Ein Schmetterling vielleicht oder ein Glühwürmchen.
Ich unterdrücke die Tränen, die sich einen Weg an die Oberfläche bahnen wollen, und fahre mir unwirsch über die Augen.
Bloß kein Selbstmitleid. Das ist so erbärmlich!
Ich wollte dieses Leben. Frei, wollte ich sein. Ein selbstbestimmtes Leben führen. Mein Leben hier mag nicht aus Zuckerwatte bestehen, aber es ist besser als zuhause.
 
Ich mache mir noch etwas Mut, bevor ich schließlich einschlafe und von meinem Adoptivbruder träume, der mich auslacht und mir seine spitzen Zähne zeigt. Magnus.
 
Ich fühle mich wie erschlagen, als ich an diesem Abend aus dem Haus gehe, um einkaufen zu gehen. Von dem wenigen Geld, das nach dem Einzug der Miete übrig geblieben ist, kaufe ich mir eine Packung billigen Schwarztee, eine Dose Bohneneintopf und einen Sack Kartoffeln. Da es Sonntag ist und ich nicht arbeiten kann, wandere ich mit meinen Einkäufen langsam wieder nach Hause. Ein kalter Wind weht durch die leeren Gassen und ich streiche mir meine langen braunen Haare aus den Augen, die wie ein Flammenmeer um meinen Kopf fliegen und sich wild kringeln.
Ich bin gerade dabei über die Straße gehen, als ich das zornige Aufheulen eines Motors höre.
Verwirrt bleibe ich stehen. Hört sich ziemlich nah an.
Gerade will ich weiter laufen, als etwas Rotes um die Ecke rast und ich reiße erschrocken die Augen auf.
Meine Einkäufe fallen mir vor Schreck herunter und ich bin auf den Aufprall gefasst, während ein ohrenbetäubendes Quietschen ertönt.
Der Wagen kommt keine zehn Zentimeter vor mir zum Stehen.
Ich lebe noch, wow.
Meine Freude schwindet, als ich meine Einkäufe auf dem Boden entdecke. Die Teepackung ist in einer Pfütze gelandet, die Konserve ist aufgeplatzt und die rote, dickliche Suppe breitet sich auf dem dreckigen Asphalt aus, während mein Netz mit Kartoffeln zermatscht unter dem linken Vorderreifen liegt.
Vier Dollar Matsch.
Ich versuche ein Aufschluchzen zu unterdrücken, als ich mich auf die Knie sinken lasse, um zu retten, was noch zu retten ist.
„Hey! Alles okay?“, ruft jemand hinter mir. Der Stimme nach zu urteilen ein Mann. Wahrscheinlich der Fahrer des Wagens, mit dessen Kühlerhaube ich beinahe Bekanntschaft geschlossen hätte.
Ich nicke schwach mit dem Kopf zum Zeichen, dass ich ihn verstanden habe und versuche verzweifelt die Dose so zu drehen, dass nichts mehr von meiner wertvollen Suppe auf den Asphalt tropft.
„Ich hab dich nicht gesehen ...“, entschuldigt sich der Kerl halbherzig und ich wische mir über die Augen. „Dann pass besser auf!“, fauche ich mit zitternder Stimme.
„Ich- es tut mir Leid“, kommt es zurückhaltend, bevor eine schwarze Gestalt neben mir in die Knie geht und nach dem Tee greift, der in der Pfütze gelandet ist. „Ich werde dir das ersetzen.“
Ich wende mich zu ihm und zucke erschrocken zusammen, als mein Blick blutroten Augen begegnet, die mich kalt mustern.
Vampir.
Ich hole zitternd Luft und reiße ihm den Tee aus der Hand. „Das ist nicht nötig! Aber danke für Ihre Mühe“, presse ich hastig hervor und komme mit wild klopfendem Herzen wieder auf die Füße.
Am Ende handelt es sich bei ihm noch um einen Handlanger meines Vaters. Mit schnellen Schritten überquere ich die Straße und umfasse meine lädierten Einkäufe noch etwas fester.
„Hey! Jetzt warte doch!“, höre ich ihn hinter mir noch rufen, bevor ich um die nächste Ecke biege und mich beeile, nach Hause zu kommen.

 

 

 

Kapitel 2

 

Entschuldigung.
Noch nie hat mich ein Wort so aus der Bahn geworfen, wie dieser kleine, gekritzelte Ausdruck, der auf einer weißen Karte prangt. Der schlichte Karton, der unter einem Haufen Rechnungen in meinem Briefkasten liegt, wiegt schwer in meinen Händen und ich durchkämme unwillkürlich die Eingangshalle, auf der Suche nach einem Anzeichen von vampirischer oder menschlicher Präsenz. Glücklicherweise kann ich niemanden entdecken. Die tiefstehende Sonne malt lange Schatten auf die billigen, braunen Fliesen aus den Siebzigern und taucht den abgeplatzten Putz an den Wänden in warme Farben. Schwer schluckend fällt mein Blick zurück auf den Papierbogen, den meine Finger umschlossen halten.

In der Hoffnung etwas über seine Herkunft zu erfahren, klappe ich ihn schließlich auf und sehe verdattert dabei zu, wie fünf Dollarnoten zu Boden segeln. Für einen Augenblick starre ich einfach nur auf das Geld zu meinen Füßen und kann mich nicht rühren. Der Kerl von gestern muss mich tatsächlich bis hierher verfolgt haben. Und nicht nur das. Ganz offenbar hat er seine Drohung mir meine ruinierten Einkäufe zu ersetzen wahr gemacht. Hoffentlich ist das keine Finte meines Vaters. In Ermangelung einer besseren Idee, und weil ich ohnehin nichts daran ändern kann, wenn es denn so ist, bücke ich mich schließlich mit wild klopfendem Herzen um die grünen Scheine vom Boden aufzusammeln und wandere mit meiner Post wieder die endlosen Treppen nach oben. Dabei überlege ich mir, ob ich die Entschuldigung dieses Vampirs annehmen soll und wie wahrscheinlich es ist, dass mein Vater dabei seine Finger im Spiel hat. Immerhin hat der Kerl sich die Mühe gemacht und mich bis hierher verfolgt. Nicht, dass ich das Geld nicht wirklich gut brauchen könnte, aber es ist doch sehr naiv zu glauben, dass ein Vampir nur aus schlechtem Gewissen mich bis in diese Bruchbude verfolgt. Andererseits ist er wirklich wie ein wahnsinniger die Straße entlang gebrettert. Und das ich nicht zu seiner neuen Kühlerfigur geworden bin, war nur Glück.

Im Vorübergehen grüße ich eine alte Dame, die sich ans Geländer gekrallt die Treppen nach unten quält, flüchtig und lege einen Zahn zu, weil ich mich noch zur Arbeit fertigmachen muss und schon viel zu lange herumgetrödelt habe - dank der unvorhergesehenen Post.

Eigentlich ist es wirklich unglaublich, dass ich noch immer ein Mensch bin und mich bisher immer aus Pius engverwobenem Netz aus Kontakten heraushalten konnte. Meine Glückssträhne scheint mir recht ausgereizt zu sein, doch ich hoffe den Fängen meiner Familie noch ein weiteres Mal entkommen zu sein. Denn wenn es nach dem Willen meines Vaters gegangen wäre, würde ich schon seit zwei Jahren die Annehmlichkeiten des ewigen Lebens genießen, wäre längst verheiratet und auch schon mit dem ersten Blutkind schwanger, dem Erben eines fürchterlich wichtigen Hauses.

Ich schnaube entnervt. Darauf kann ich echt verzichten.
Trotzdem fühle ich mich ein wenig schuldig, meinen Vater so bitterlich zu enttäuschen und die Familienehre so in den Dreck zu ziehen. Er war immer so stolz auf mich.

Seine schöne Tochter, mit den himmelblauen Augen und dem ebenholzfarbenen Haar.
Ich lächle bitter und werfe mir mein Haar über die Schultern, das sich schon wieder wild kringelt.
Mein Aussehen habe ich von meiner exzentrischen Mutter geerbt, der ich auch meinen früheren Namen verdanke. Belladonna. Den Namen einer Giftpflanze.

Ich schnaube entnervt. Niemand sollte seinem Kind den Namen einer Giftpflanze geben. Zumindest niemand dem das Wohl seines Kindes am Herzen liegt. Mein neuer Name hingegen gefällt mir sehr viel besser. Mira Blue. Dahinter verbirgt sich keine Giftpflanze und auch keinerlei Verpflichtung. Es ist nur ein Name auf einem gut gefälschten Pass, den ich mit Leben füllen kann.

Es ist Mitte Januar und die Bar, in der ich arbeite, ist leer. Bis auf zwei heruntergekommene Gestalten direkt am Tresen hat sich heute Abend noch keinerlei Kundschaft her verirrt. Das Wetter ist mies. Schon seit Wochen liegen die Temperaturen weit unter null und der hohe Schnee kriecht durch alle Ritzen. In meiner Wohnung ist seit drei Tagen die Heizung ausgefallen und daher habe ich es auch nicht eilig nach Hause zu kommen, obgleich wir heute wahrscheinlich mal wieder keinerlei nennenswerten Umsatz machen werden. Die beiden Berufsalkoholiker hocken vor ihrem billigen Bier und kümmern sich nicht weiter um mich. Normalerweise bin ich Gegenstand ihrer stillen Bewunderung oder werde dazu genötigt mir ihre Lebensgeschichten anzuhören, die wirklich nicht gerade amüsant sind.
Heute jedoch fesselt der Fernseher, der über mir an der Wand hängt, ihre ganze Aufmerksamkeit. Es läuft gerade ein Vampir- Rugby Spiel und ich kann nur müde mit dem Kopf schütteln, als die Wiederholung eines besonders brutalen Spielzugs der `Bats` wiederholt wird. Gelangweilt poliere ich das dunkle Holz des Tresens und wundere mich einmal mehr über die Begeisterung der Menschen für dieses Spiel, das von seinen Fans nur V-Rugby genannt wird.
Ich konnte mich noch nie dafür begeistern. Rugby an sich, wie es die Menschen spielen, ist schon brutal genug. Mit Vampiren, die das ganze als Wettkampf zwischen den Bezirken und den Häusern sehen, ist es allerdings mit Krieg gleichzusetzen und schwerste Verletzungen und langjährige Sperren gehören genauso zum „Spiel“, wie Prestige und Ehre.
Meine Gäste geben ein fasziniertes Ächzen von sich und ich sehe zur Mattscheibe hoch.
Gerade zoomt die Kamera auf einen besonders riesigen Spieler der 25. Abteilung, der sich im Sprung in einen monströsen Tiger verwandelt und seinen Gegner niederstreckt, bevor er seine Zähne in sein Opfer schlägt.
Der unten liegende Spieler der achten Abteilung verwandelt sich mit einem enthemmten Fluch in einen Wolf und fletscht drohend die Zähne.
Erst ein wütender Pfiff und drei ganz in schwarz gekleidete Schiedsrichter trennen schließlich die zwei Gegner.
Die achte Abteilung bekommt einen Strafstoß zugesprochen und ein lebhaftes Gemurmel geht durch die scheinbar ausverkaufte Arena, als der Riese der Bats hochspringt und den Ball aus der Luft fischt.
Die Menge tobt und ich schüttle angeekelt den Kopf. Ewig lebende Kindsköpfe! Genau das hat der Welt schon immer gefehlt.
Trotzdem kann ich den Blick nicht vom Bildschirm losreißen. Zu spannend ist es dem lässigen Muskelspiel der Vampire zuzusehen, die gekonnt zwischen ihrer Tiergestalt und ihrer normalen Gestalt hin und her springen.
Das ist das Einzige, was mich am Vampirdasein jemals gereizt hat. Aber die Fähigkeit sich in ein Tier zu verwandeln, bleibt vielen Vampiren auf ewig verwehrt und das ist eine Tatsache, die schon für viel Neid und Missgunst gesorgt hat.
„Einen Whisky, bitte.“
Abgelenkt, wie ich bin, zucke ich erschrocken zusammen, als hinter mir plötzlich eine tiefe Stimme erklingt. Verwirrt drehe ich mich um und auch meine beiden Gäste linsen bedröppelt in Richtung des Neuankömmlings.
Ich schlucke trocken.
Blutrote Augen.
Die gleichen roten Augen wie vor Monaten.
„Wie ich sehe, hast du mich nicht vergessen.“
Ich reiße mich von den eindrucksvollen Augen los und straffe die Schultern. Der Kerl gehört wohl nicht zu den Gefolgsleuten meines Vaters. Immerhin bin ich noch hier. Und er hat sich damals entschuldigt, dass er mich beinahe überfahren hat. Kein Grund also die Nerven zu verlieren. So zucke ich nur mit den Schultern und wage es in sein Gesicht zu blicken. Er ist attraktiv. Doch nichts an ihm wirkt harmlos. Zu kräftig ist sein Kiefer, zu perfekt seine Nase, die auch einer römischen Statue hätte gehören können, während sein tintenschwarzes Haar sämtliches Licht aus der Umgebung aufsaugt und seine Augen wie flüssiges Feuer leuchten lässt.
Obgleich die schmalen Lippen zu einem Schmunzeln verzogen sind, täuschen sie nicht über seine Gefährlichkeit hinweg und ich merke, wie sich ein Schauer meinen Rücken herunterläuft. „Hat es dir die Sprache verschlagen? Oder weißt du bloß nicht mehr, wo der Whisky steht?“, grinst er und ich komme wieder halbwegs zu mir. Den Blick abwendend, gieße ich ihm mit zittrigen Fingern ein Glas Whiskey ein und stelle es ihm unter die Nase.
„Sechs Dollar“, sage ich knapp.
„Sechshundert Dollar dafür, wenn du mir verrätst, warum ein so hübsches Mädchen in so einer Bar arbeitet“, erwidert er und zieht seinen Geldbeutel aus der Gesäßtasche, aus dem er ein Bündel Scheine zieht und auf den Tresen wirft.
Ich schweige und nehme zehn Dollar aus dem Geldbündel, den Rest lasse ich unbeachtet liegen.
Er gibt einen kehligen Laut von sich, der ein gewisses Amüsement verrät, und nimmt sein Geld wieder an sich.
So ein Angeber!
Ich knalle ihm das Wechselgeld neben sein Glas und beginne die halb verstaubten Gläser, die unbenutzt in den Regalen lagern, zu spülen, um einem Gespräch mit ihm zu entgehen. Obgleich ichs einen Blick unangenehm in meinem Nacken spüre, spricht er mich nicht noch einmal an, während ich still vor mich hinarbeite. Schweigend trinkt er sein Glas aus, wozu er fast eine ganze Stunde braucht, bevor er schließlich genauso lautlos verschwindet, wie er gekommen ist.

Am nächsten Tag taucht er wieder auf. Punkt neun Uhr. Er bestellt einen Whiskey, sieht mir in die Augen, bis ich den Blick abwende, und trinkt dann schweigend sein Glas aus. Das gleiche Prozedere wiederholt sich nun schon seit fast fünf Wochen, egal ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint. Jeden Tag um neun Uhr abends sitzt er da, am gleichen Platz, im gleichen schwarzen Anzug und sieht mir bei der Arbeit zu.

Ich frage mich, ob das eine Art Zermürbungstaktik ist, oder nur ein merkwürdiges Spiel, jedenfalls wirft es mich an diesem Abend total aus der Bahn, dass am Stammplatz meines Vorzeigevampirs, wie ich ihn mittlerweile getauft habe, ein betrunkener Penner sitzt, der lautstark sein nächstes Bier fordert.
Wütend merke ich, wie mein Blick immer wieder zur Tür wandert. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Ich kann diesen merkwürdigen Kerl ja wohl nicht ernsthaft vermissen!
Ich knalle das billige Bier auf die Theke und kassiere, den betrunkenen Penner ab, der mich reichlich verstört ansieht.
Zehn nach neun. Der betrunkene Penner hat sich an einen der Tische verkrümelt. Es hat sich herausgestellt, dass er eine ganze Schar Freunde hat, die mir gerne auf den Hintern glotzen. Ich toleriere es, weil sie gutes Trinkgeld geben und keine blöden Sprüche von sich geben, während ich mir überlege weshalb mein Vorzeigevampir der Bar heute fern bleibt.
Vielleicht steht er ja im Stau, hat Probleme auf der Arbeit oder Ärger mit seiner Frau, weil er jeden Abend in einer Bar hockt und mir beim Arbeiten zusieht.
Ich schnaube, sauer auf mich selbst und schlendere in den hinteren Teil des Raumes um die Tische abzuwischen, die gerade frei geworden sind. Mit den steigenden Temperaturen ist auch die Gästezahl gestiegen, und nachdem ich die Bestellungen von drei weiteren Typen entgegengenommen habe, stelle ich erleichtert fest, dass ein mir sehr bekannter, sehr großer Kerl auf seinem Stammplatz sitzt.
Ich stecke meinen Stift weg und beeile mich hinter die Theke zu kommen. Mit einem prüfenden Blick auf seine Gestalt werfe ich den Lappen in die leere Spüle. Scheint noch alles an ihm dran zu sein.
„Entschuldige die Verspätung, ich musste mich um etwas kümmern“, begrüßt mich mein Vampir mit einem Lächeln. „Machst du mir einen Whiskey?“
Ich zucke mit den Schultern, bevor ich ihm seinen Drink mache und sechs Dollar von ihm verlange.
Wie immer gibt er mir zehn und ich gebe ihm sein Wechselgeld zurück, ohne ihn anzusehen.
Doch unser alltägliches Ritual läuft heute nicht so, wie sollte, denn ich werde von einem anderen Gast angesprochen und zwar mit Namen.
„Hey, Mira, bringst du mir noch ein Bier?“, grölt Ben zu mir herüber und grinst mich anzüglich an.
„Zehn Dollar, wenn du ihm keines gibst“, meint mein Vampir und ich sehe erbost in seine blutroten Augen. Wir reden nicht. Das ist Teil unserer stillen Übereinkunft! „Er ist jetzt schon betrunken genug“, schiebt er hinterher.
„Ben ist immer betrunken“, gebe ich kühl zurück und  beeile mich dann Bens Forderung nachzukommen.
„Du redest ja mit mir“, stellt Mr. Vorzeigevampir fest, als ich mit ein paar dreckigen Gläsern zurückkomme und diese ins Spülwasser sinken lasse. „Vielleicht ist es der richtige Zeitpunkt, um mich vorzustellen. Ich bin Rome.“
Ich halte inne und verkneife mir ein Lächeln, bevor ich weiter spüle. Rome. Was für ein überheblicher Name. Wie Rom ... die ewige Stadt oder so. Aber es passt zu diesem Mann.
„Mira Blue“, wispere ich schließlich, während ich das schwappende Spülwasser beobachte. Warum ich mich ihm vorstelle, weiß ich selbst nicht genau. Eigentlich sollte seine penetrante Art hier jeden Abend aufzutauchen nicht noch belohnt werden.
„Mira, hm? Ein schöner Name.“
Ich drehe mich zu ihm um, bevor ich es verhindern kann.
„Wir reden nicht“, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Rome zieht eine schwarze Augenbraue nach oben. „Aber das tun wir doch gerade, Mira.“
Mich überläuft eine Gänsehaut, so wie er meinen Namen ausspricht.
„Also, Mira. Was hältst du davon, mir noch einen zweiten Whiskey zu geben?“
Es gibt keinen zweiten Whisky.
Es gibt kein Reden und es gibt auch keine vertraute Anrede! Leider sieht das mein Unterbewusstsein etwas anders, denn ich kann mir selbst dabei zusehen wie ich Rome einen zweiten Drink einschenke und ihm unter die Nase stelle.
„Du musst noch die sechs Dollar von mir verlangen“, belehrt mich Rome amüsiert, als ich mich wieder davonmachen möchte.
Ich halte entnervt inne. „Sieben. Die Preise wurden soeben erhöht.“
Rome hat die Frechheit zu grinsen. „Sechs“, bleibt er hartnäckig und drückt mir das Geld passend  in die Hand.
Meine Handfläche kribbelt merkwürdig an den Stellen, an denen seine kühlen Finger meine Haut berühren.
Ich schließe perplex meine Finger um die Dollarnoten und sortiere sie schließlich in die Kasse ein.
„Was würdest du davon halten, in einer richtigen Bar zu arbeiten? Ich kenne da jemanden der jemanden kennt.“
„Rome. Trink deinen Whiskey und sei still.“
„Warum soll ich jetzt, wo wir miteinander reden, schon wieder den Mund halten?“, hakt Mr. Vorzeigevampir nach und nimmt einen Schluck von der honigfarbenen Flüssigkeit.
„Eben deswegen.“
Rome schüttelt lächelnd den Kopf und kippt seinen zweiten Drink dann in einem Zug herunter.
„Man sieht sich morgen, Mira.“
„Es wird sich wohl nicht vermeiden lassen“, seufze ich theatralisch und sehe ihm hinterher, wie er selbstverliebt aus der Bar schlendert.

In dieser Nacht habe ich Mühe Romes rote Augen zu verdrängen. Ich starre an die Decke und kann nicht einschlafen, weil es nicht sein kann, dass ich an ihn denke. Er ist ein Vampir. Ich kann ihn nicht mögen. Wir können nicht miteinander reden. Das muss wieder aufhören. So etwas wie Freundschaften kann ich mir nicht leisten. Kontakte, die über ein paar freundliche, aber nichtssagende Worte hinausgehen sind zu gefährlich. Wer mich nicht kennt, kann mich auch nicht verraten. Außerdem bereite ich so auch niemandem Kummer, wenn ich tatsächlich irgendwann gefunden werden sollte.
Das ist ganz einfach. Bisher bin ich gut mit dieser Taktik gefahren und ich werde sie nicht für einen Kerl wie Rome aufgeben.
Rome.
Wenn mein Vater wüsste, dass ich Umgang mit einem Vampir wie Rome pflege, würde er mich wahrscheinlich höchstpersönlich umbringen.
Nein.
Wahrscheinlich würde er eher Rome umbringen.
Immerhin bin ich seine Tochter. Die Familienehre würde es verbieten seine eigene Tochter umzulegen.
Gott. Ich muss Rome irgendwie davon abbringen, mich jeden Abend zu besuchen. Ich kann mir so etwas wie Freundschaft nicht leisten!

Punkt neun und Rome spaziert, gefolgt von einem älteren Herrn mit Brille, in die Bar. Seine riesige Gestalt ist heute in ein schlichtes Hemd und eine durchgewetzte Jeans gehüllt, eine erstaunliche Abwechslung zu den Anzügen, die er sonst trägt. Die ausschweifend definierten Muskeln, die man unter den Anzügen nur erahnen konnte, präsentieren sich nun in ihrer ganzen, beeindruckenden Herrlichkeit. Ich höre mich schon seufzen und beeile mich woanders hinzusehen.
Die Theke sollte ich auch mal wieder nass wischen.
„Hey Mira.“
Ich kann nicht anders als aufzublicken. Er grinst mir entgegen und lässt sich schwungvoll auf seinen angestammten Barhocker fallen. „Du erinnerst dich an den Job, den ich dir in Aussicht gestellt habe? Das ist Antonius, er würde sich freuen, wenn du bei ihm anfangen könntest. Eine seiner Bedienungen ist ausgefallen und er sucht fieberhaft nach einer Aushilfe.“
Ich sehe von Rome zu seinem Begleiter und wieder zurück.
„Rome sagte sie seien eine ganz ausgezeichnete Kellnerin“, sagt Romes Begleiter und mir fallen seine hellroten Augen auf, die von seiner Brille halb verborgen sind. „Und die Bezahlung ist hervorragend.“
Scheinbar hält Antonius die Bezahlung für den ausschlaggebenden Grund, der mich sofort überzeugen sollte mich ihm an den Hals zu werfen. Zumindest sagt das sein Blick, der bedeutungsschwer über meinen Körper gleitet. Ich fühle mich beschämt, bin mir meiner billigen, abgetragenen Klamotten nur zu deutlich bewusst..
„Nun, wie auch immer. Gibst du uns beiden einen Whiskey?“, unterbricht Rome Antonius Musterung ruppig.
Die Beiden fixieren sich kurz, bevor Antonius einen schlechten Witz reißt. Mit einem Mal scheint dieser jegliches Interesse an mir verloren zu haben. Stattdessen beginnt er Rome Honig um den Mund zu schmieren und ich kann unbehelligt meiner Arbeit nachgehen.

Als Antonius gegangen ist, stelle ich Rome ungefragt einen zweiten Drink unter die Nase.
„Ich weiß dein Angebot übrigens zu schätzen. Aber nein danke. Ich werde nirgendwo anders arbeiten“, informiere ich ihn.
Er legt den Kopf schief und fährt sich gedankenverloren übers Kinn. „Warum nicht? Hängst du etwa an dieser Bar?“
Seine Eiswürfel klirren leise in dem schweren Glas, als er seinen Whiskey schwenkt. „Sieh es dir doch einfach mal an. Wenn du Angst hast gebissen zu werden, kann ich dir versichern, dass dir keiner zu nahe kommen wird.“
„Ich werde es nicht tun, okay? Ende der Unterhaltung.“
Er gibt ein Schnauben von sich und zieht sein Portmonee aus der Gesäßtasche und schnippt mir schließlich eine Visitenkarte zu. Ich werfe sie kopfschüttelnd weg, ohne sie anzusehen.
„Nein, danke“, erkläre ich schlicht. „Wie schon gesagt. Ich habe kein Interesse.“
Rome zieht eine Augenbraue nach oben, bevor er schief zu grinsen beginnt. „Wir werden sehen.“ Plötzlich scheint er es recht eilig zu haben, kippt er doch seinen Whiskey in einem Zug herunter und wirft noch einen Zehner auf die Theke.
„Behalt den Rest und pass auf dich auf“, verabschiedet er sich beschwingt und ich wende mich augenrollend ab, verwirrt von so viel Elan.

Kapitel 3

 

Kapitel 3

Vier Tage später, in denen Rome nicht einmal in der Bar vorbeigesehen hat, bin ich wie jeden Abend auf dem Weg zur Arbeit. Ein erster Hauch von Frühling liegt in der klaren Abendluft. Die Sonne malt lange Schatten in die Häuserschluchten und die Einwohner Chicagos scheinen plötzlich alle in hektische Betriebsamkeit verfallen. Ich schlängele mich mit einem Lächeln durch die mir entgegen strömenden Passanten und beeile mich über die Straße zu kommen, denn ich bin recht spät dran.
Als ich um die nächste Ecke biege, bleibe ich befremdet stehen. Vor dem Eingang meines Arbeitsplatzes stehen zwei Lieferwagen, um die eine Horde Handwerker tollt. Zwei besonders wüst fluchende Vampire, die mit Plänen bewaffnet wild in Richtung der Bar gestikulieren, lassen mich nichts Gutes erahnen und so schiebe ich mich unsicheren Schrittes durch die geschäftige Menschenansammlung und trete schließlich durch die fehlende Eingangstür ins Innere des „Esco“.
Ich gebe ein erschrockenes Keuchen von mir, als mir ein Schwall Staub und Putz entgegen kommt und ich kann nur verblüfft dabei zusehen, wie ein Team von Handwerkern den Tresen zu Kleinholz verarbeitet und die Beleuchtung herunterreißt, während ein paar andere der Truppe, eine Wand einreißen. Wie angewurzelt stehe ich auf der Türschwelle und beobachte entsetzt, wie sich mein Arbeitsplatz vor meinen Augen in Luft auflöst.
„Was ...“, fange ich planlos an und beobachte das rege Treiben vor mir noch unter Schock.
„Ah ... Mira!“, ruft eine mir mittlerweile sehr wohlbekannte Stimme, die in den letzten Monaten zu viel Whiskey hier drin bestellt hat.
Die Kraft mich umzudrehen und zu fragen was er hier tut, habe ich nicht. Deshalb gebe ich nur ein Schnauben von mir, zum Zeichen, dass ich ihn gehört habe.
„Es ist auch schön, dich wieder zu sehen. Entschuldige bitte die Unordnung, aber die Jungs hier arbeiten einfach zu langsam. Eigentlich sollte die Renovierung schon längst abgeschlossen sein, wenn du zur Arbeit kommst.“
Ich brauche etwas, um Romes Worte zu verarbeiten. Abgelenkt, wie ich von der Zerstörung der Bar war, habe ich ihm außerdem auch nicht wirklich zugehört. „Was passiert hier und wo ist mein Chef?“.
„Südsee, denke ich. Bei dem Geld, das ich ihm für die Bar hingelegt habe, vielleicht auch in Europa“, erklärt er mir amüsiert. „Und jetzt bringen wir die Bar hier auf Vordermann.“
Ich fahre zu Rome herum, und da er die Ausmaße eines Wolkenkratzers hat, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er grinst mir entgegen und reibt sich leicht verlegen den Hinterkopf. „Ich hoffe du hast nichts dagegen, dass ich dich gleich mit übernommen habe. Dein Chef war recht besorgt um dich.“
 
Ich starre in Romes blutrote Augen und bringe kein Wort hervor, während meine Gedanken sich überschlagen.
„Ach Mira, jetzt guck nicht so. Ein bisschen mehr Dankbarkeit hätte ich mir schon erhofft.“
Ich schlucke hart, als sich Romes Pupillen tiefer in meine bohren. Was ist das für ein makaberes Spiel, das er da mit mir treibt?
Schließlich vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und atme tief durch. Meine Finger zittern und mein Herz rast.
Rome hat die Bar übernommen. Ein Vampir hat diese Bar übernommen und mich gleich mit. Das ist- Das geht einfach nicht! Ich kann nicht für einen Vampir arbeiten! Und dann überkommt mich ein schrecklicher Gedanke. Bestimmt wird er eine Bar für Seinesgleichen eröffnen. Ich kann nicht in einer Vampirbar arbeiten.
In meiner Verzweiflung balle ich die Hände zu Fäusten und funkel in zornig an. „Wieso hast du das gemacht?“, fahre ich ihn hilflos an. „Etwa wegen mir?“
Über Romes Gesicht huscht ein überhebliches Grinsen und seine Hände wandern in seine Hosentaschen seines heute dunkelgrauen Anzugs. „Jetzt übertreib mal nicht. Mein Entschluss die Bar zu kaufen stand lange fest, bevor ich entdeckt habe, dass du hier arbeitest. Ein schöner Nebeneffekt, das muss ich zugeben, aber nicht der ausschlaggebende Grund. Die Lage ist hier einfach perfekt“, meint er kühl. „Außerdem wolltest du ja nicht für Antonius arbeiten. Da dachte ich-“
„Niemand hat dich um deine Hilfe gebeten!“
„Es ist etwas Geschäftliches. Bilde dir nichts darauf ein“, murmelt er und ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Er war also nicht wegen mir jeden Abend hier? Gut zu wissen.
Ich beiße mir in die Wange und atme einmal tief durch, mir in Erinnerung rufend, dass ich nun offenbar für den Kerl arbeite. Doch es will mir nicht gelingen meine Wut auf ihn zu unterdrücken.
„Idiot!“, schleudere ich ihm schließlich entgegen und stürme an ihm vorbei, hinaus auf die Straße, von Enttäuschung und Zorn übermannt.
Dieses Arschloch!
Ich habe mir sogar Sorgen um ihn gemacht, weil er vier Tage nicht aufgekreuzt ist. Dabei war er nur damit beschäftigt, die Bar zu kaufen!
Wenig charmant vor mich hin fluchend, tragen mich meine Beine die überfüllten Straßen entlang, direkt in meine Wohnung, wo ich die Tür zweimal abschließe, die Kette vorlege und das Radio auf volle Lautstärke drehe.
Als ich auf meine Couch sinke, öffnen sich plötzlich alle Schleusen. Mein Schock über den plötzlichen Verlust meiner so lieb gewonnen Arbeit und die Tatsache, dass Rome es nicht wegen mir jeden Abend in die heruntergewirtschaftete Spelunke gekommen ist, entladen sich in diesem Augenblick.
Ich dachte wirklich er würde wegen mir kommen. Sich für mich interessieren. Aber das war offensichtlich ein Irrtum.
Dieses Arschloch! Dass ich wegen ihm heule- Das ist ja wohl das Letzte! Der Kerl hätte mich beinahe schon mal umgebracht und jetzt dankt er mir das, indem er mich auch noch dazu nötigt, seine Angestellte zu werden!
Barsch fahre ich mir über die Augen und wische mir meine Tränen weg.
Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt um sich im Selbstmitleid zu baden. Ich habe größere Probleme, als Mr. Vorzeigevampir.
Wenn das eine Vampirbar wird, und davon gehe ich aus, nachdem der neue Besitzer ja einer ist, dann werden da Leute auftauchen, die eventuell meinen Vater oder sogar mich kennen.
Kurzum: Ich bin am Arsch!
Ich fahre mir entnervt über die Stirn und streiche mir nachdenklich durch meine langen Korkenzieherlocken. Meine Finger zupfen unkoordiniert an meinen viel zu lang gewordenen Haaren herum, während ich angestrengt versuche nicht durchzudrehen. Mein Blick fällt auf die widerspenstigen Strähnen, deren Spitzen dringend einmal wieder geschnitten werden müssen und plötzlich habe ich eine ebenso geniale wie einfach umzusetzende Idee. Meinen Namen habe ich vor Jahren geändert, warum nicht auch mein Aussehen?
Ich male mir gerade meine Möglichkeiten aus, als ich es an der Tür klopfen höre.
Egal. Wer immer das ist, er kann warten.
Ich hatte noch genau hundertfünfzig Dollar und fünfundachtzig Cent auf meinem Konto, als ich das letzte Mal nachgesehen habe. Damit wird sich ja wohl etwas machen lassen!
Zeit, dass sich Mira Blue endgültig von Belladonna löst.
Vielleicht sehe ich dann sogar so anders aus, dass ich es wagen kann, mir endlich ein paar Freunde leisten zu können? Das wäre einfach spitze!
 
„Mira! Jetzt komm schon! Ich weiß, dass du da bist! Mach die Tür auf!“, höre ich Romes Stimme durch die Tür dringen.
Na klasse. Mr. Vorzeige-Vampir hat seine Nase benutzt und mich gefunden!
„Du willst mich wohl nicht rein lassen, was?“, meint er nach einer Weile, nachdem ich ihm nicht antworte.
Rome ist ja ein ganz Schlauer. Geht es mir sarkastisch grinsend durch den Kopf.
„Also hör zu. Ich lass die Sachen einfach vor der Tür stehen und verschwinde. Aber Morgen um sechs bist du an deinem Arbeitsplatz. Verstanden?“
Ich höre Rome etwas hinter der Türe murmeln und merke, wie sich ein leiser Hoffnungsschimmer in meinem Inneren ausbreitet..
Sicherlich ist es nicht das schlechteste Rome als Chef zu haben. Immerhin wäre er ganz süß, wenn er nicht so ein penetrantes Arschloch wäre.
Ich mustere meine Wohnungstür, von der an manchen Stellen schon der weise Lack abplatzt, und verschränke die Arme vor der Brust, während ich mich tiefer in die Kissen sinken lasse. Objektiv betrachtet bin ich auf diesen Job angewiesen. Ich muss die Miete bezahlen und das Essen.
Trotzdem brauche ich eine Weile, bevor ich schließlich aufstehe und mich auf den Weg zur Tür mache.
Kritisch luge ich durch den Türspion, um zu überprüfen, ob Rome seine Drohung war gemacht hat, einfach so zu verschwinden, bevor ich schließlich die Tür aufschließe und den Karton aufhebe, der im Gang auf dem Boden liegt. Auf dem Deckel ist Romes krakelige Handschrift zu sehen, die ich schon einmal bewundern durfte.
 
Hey Mira,
Hab deine Größe geschätzt
Rome
 
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, befördere den schweren Karton mit einem Ächzen in die Wohnung und schließe die Tür mit einem schwungvollen Fußtritt.
Nachdem ich die Kiste erst einmal auf den Couchtisch abgestellt habe, hole ich mir etwas zu trinken und lasse mich gegenüber der Kiste der Pandora auf den Sitzpolstern nieder.
Nach einem großen Schluck Tee überwinde ich mich schließlich und hebe den Deckel ab.
 
Perplex starre ich auf den Haufen schwarz, bevor ich mich traue hineinzugreifen.
Mir entkommt ein beeindrucktes „Wow“, als meine Finger den seidigen Stoff berühren und gespannt entfalte ich die kleine schwarze Schürze, die ganz obenauf liegt. Chicago X steht rechts in dezenter, weißer Schrift aufgestickt und mir entkommt ein hysterisches Lachen. X. Ich habe bereits von diesem elitären Club von Vampiren gehört aber bisher bin ich noch nie mit ihnen oder einem ihrer Geschäfte in Berührung gekommen.
Mein Vater hat mir von X erzählt. Die High Society der 24. Abteilung ist Mitglied in dieser Vereinigung. Jeder, der auf dieser Seite des großen Teiches etwas zu sagen hat, oder es gerne hätte, ist dort eingetreten. Gehört Rome etwa auch zu dieser versnobten Clique, oder ist er einfach nur größenwahnsinnig?
Wenn er wirklich X angehört, dann kann er mir einen Ausweg bieten,
denn kein ausländischer Vampir wird es wagen eine Stammkneipe von X zu betreten, solange er nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wird. Es wäre nahezu perfekt.
Trotzdem sollte ich auf Nummer sicher gehen und das Umstyling durchziehen, nicht dass mich doch jemand erkennt.
Ich grinse vor mich hin und inspiziere den restlichen Inhalt der Kiste.
Sie enthält noch ein paar schwarze Seidenblusen mit kurzen Puffärmeln, auf denen ebenfalls jeweils der Name der Bar aufgestickt ist, genau wie mein Name.
Mira.
Es ist schon lange her, dass ich Seide in den Händen gehalten habe und es zaubert mir entgegen aller Vorbehalte ein Lächeln aufs Gesicht.
 
Am nächsten Morgen kratze ich mein weniges Geld zusammen und suche mir für mein Vorhaben den nächsten Friseursalon. Eine ganze Stange Geld leichter, verlasse ich diesen ein paar Stunden später wieder. Obgleich ich mein Geld nicht ohne Wehmutstropfen aus der Hand gegeben habe, fühle ich mich nun regelrecht beschwingt.
An jedem Schaufenster mache ich halt und bewundere meine neue Frisur. Meine Haare reichen mir jetzt nur noch knapp an die Schultern und fallen in weichen Wellen um mein Gesicht. In den letzten drei Jahren habe ich nicht oft in den Spiegel gesehen, denn ich habe immer nur das Mädchen gesehen, das ich in der Obhut meiner Familie war. Belladonna.
Jetzt sehe ich endlich Mira und ich finde sie ist tausend mal hübscher.
Um schließlich mein Umstyling zu vervollständigen, steuere ich aufs nächste Kaufhaus zu.
 
Es ist kurz vor fünf, als ich mein kleines Bad betrete, um meinem neuen Ich den letzten Schliff zu verpassen. Es ist lange her, seit ich mich das letzte Mal geschminkt habe. Aber ich kann es noch.
Der schwarze Kajal umrundet mit altem Geschick meine blauen Augen. Die Wimpern werden von der Wimpernzange wie von Zauberhand perfekt gebogen, bevor ich sie tusche und den nudefarbenen Lippenstift schwungvoll und geschickt über meine vollen Lippen wandern lasse. Als ich mit dem Prozedere fertig bin, bin ich selbst erstaunt über die Wirkung, die ein bisschen Farbe in meinem Gesicht anrichtet.
„Oha“, entkommt es mir erstaunt.
 
Ich fühle mich angestarrt. Besser gesagt fühle ich mich angegafft.
Es ist mir unangenehm, plötzlich im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen. So ungewohnt. Trotz allem genieße ich es auch irgendwie. Hier kommt Mira Blue. Nicht Belladonna - Mira!
Ich beeile mich, über die Straße zu kommen und wundere mich, dass die Lieferwagen von gestern noch immer vor dem Eingang herumstehen.
Die gleichen zwei Handwerker, die sich gestern noch wildfluchend gestritten haben, stehen heute in stiller Eintracht nebeneinander und mustern mich mit unverhohlener Neugier. Ich sehe, dass ich weiter komme und schiebe mich durch die schwarze Holztür, die mittlerweile den Eingang der alten Esco-Bar ziert.
Das dämmrige Licht verschleiert nicht, dass die Bauarbeiten noch in vollem Gange sind und ich frage mich, was ich hier heute zu suchen habe, wo es doch offensichtlich ist, dass ich heute sicher noch keine Gäste zu bedienen habe.
„Hallo Mira“, begrüßt Rome mich plötzlich von der Seite und ich zucke erschrocken zurück.
Er lächelt. Offenbar amüsiert von meiner Schreckhaftigkeit. „Rome“, erwidere ich kühl.
Sein Blick ist nicht zu deuten, bevor er sich nach vorn beugt und mir eine Strähne aus dem Gesicht streicht. Ich wage es nicht, mich zu rühren. Zu unerwartet ist diese plötzliche Geste.
„Komm mit. Wir haben noch etwas vor“, kommt es ganz unvermittelt von seinen Lippen. Ich blinzel verdattert, als er mir eine Hand auf den Rücken legt und mich nachdraußen dirigiert.
„Wo gehen wir hin?“, will ich neugierig und ein wenig sauer wissen, weil er nichts zu meiner Frisur gesagt hat. Jeder hat sich nach mir umgedreht und Mr. Vorzeigevampir sagt kein Wort der Anerkennung!
Nur so ein doofes Grinsen.
Wir biegen in die nächste Seitenstraße ab und ich schnappe kurz nach Luft, als ich registriere, dass wir genau auf den Ferrari zusteuern, der am Hintereingang der Bar steht. Der gleiche Ferrari, mit dessen Kühlerhaube ich fast Bekanntschaft geschlossen hätte.
„Rome, wo fahren wir hin?“, möchte ich etwas energischer wissen.
„Lass dich überraschen“, brummt er und öffnet mir die Beifahrertüre.
„Nein“, wehre ich im gleichen Tonfall wie er ab. „Ich steige da sicher nicht ein. Du hast mich fast überfahren! Deine Fahrkünste finde ich nicht sonderlich vertrauenserweckend.“
Rome verdreht theatralisch die Augen. „Ich werde dich mit meinem Leben beschützen, sollte es zu einem Unfall kommen. Und jetzt steig ein. Wir haben noch viel vor heute Abend.“
Wir liefern uns ein kurzes Blickduell, bei dem ich schließlich aufgebe, da mir Romes rote Augen einen Schauer über den Rücken jagen, der ziemlich wenig mit Angst zu tun hat.
Rome verkneift sich netterweise einen Kommentar, als ich schließlich einsteige, und lässt die Autotür ins Schloss schnappen, bevor er sich auf die Fahrerseite begibt, den Motor aufheulen lässt und sich geschickt in den Straßenverkehr einfädelt.
„Also?“, frage ich, beim Anschnallen noch einmal. „Wo fahren wir hin?“
„Einkaufen“, stellt er einsilbig fest. „Eine Kellnerin, die im Chicago X arbeitet, sollte nicht mit so heruntergekommenen Klamotten herumlaufen.“
Ich übergehe die unterschwellige Beleidigung. „Ich habe aber kein Geld für super tolle Klamotten. Die sind voll okay“, meine ich schnippisch und begutachte meine verschlissene Jeans.
„'Voll okay' hat vielleicht für deinen früheren Job gereicht Kleines. Das hier ist was anderes. Das ist jetzt eine andere Kundschaft. Vampire lieben es teuer und sie lieben es stilvoll. Deswegen gehen wir jetzt einkaufen und ich bezahle. Und danach zeig ich dir dein neues Heim. Da wo du jetzt wohnst, sollte nicht mal eine Ameise wohnen müssen.“
Ich verkneife mir jeglichen Kommentar dazu. „Schön“, schnappe ich lediglich. In was bin ich da nur hineingeraten?

Kapitel 4

 

Kapitel 4

Entgegen jeder Vermutung fährt Rome eigentlich ganz vernünftig, wenn man vor der ständigen und konstanten Geschwindigkeitsüberschreitung einmal absieht. Ich sehe schweigend aus dem Fenster, an dem die Skyline Chicagos vorbeifliegt. Hier im Stadtkern pulsiert das Leben. Bunt gemischte Läden, fremde Gerüche und ein aufgeregtes, geschäftiges Summen in der Luft, lassen mich verzückt meine Nase gegen die Scheibe drücken. Von überall her leuchten grelle Werbebanner und ragen hohe Glasbauten in den Himmel und ich kann meine Faszination nicht leugnen.
Normalerweise treibe ich mich nicht so weit nördlich im Stadtzentrum herum. In letzten zwei Monaten habe ich es vorgezogen, in dem kleinsten der sieben Bezirke Chicagos zu bleiben. In dem heruntergekommenen Teil, um den die Vampire einen großen Bogen machen. Nur zum Arbeiten habe ich mich über den alten Stadtpark in das angrenzende Viertel gewagt. Viel zu gefährlich erschien es mir hier, in der freien Stadt, von einem Bekannten entdeckt zu werden. Von denen sich sicherlich mehr als einer hier herumtreibt, ist Chicago doch genau wie Helsinki, London und Moskau eine Freie Stadt, was bedeutet, dass jeder Vampir, egal welcher Herkunft innerhalb der Stadtgrenzen Unterschlupf finden kann. Ich seufze schwer, weil ich die Geschichte wie die Freien Städte und die 26. Abteilungen entstanden sind, dank meiner Lehrer auswendig kenne. Die Neueinteilung der Welt in dem Vertrag von Helsinki, 1494 durch die neun damals führenden Mächte, nachdem über einhundertfünfzig Jahre Krieg geherrscht hatten. Dort einigte man sich nicht nur darauf die Welt in 26 Abteilungen zu gliedern, sondern auch darauf, dass ihre Herrscher den schlichten Titel Abteilungsleiter tragen sollten, um eventuellen Streitigkeiten um Ansprüche zuvor zu kommen. Es sollten keine weiter Kriege mehr ausbrechen, nur weil sich der eine Fürst, der andere König nannte und einer von ihnen gar in die Fußstapfen der alten Cäsaren treten wollte. Der Vertrag betonte stattdessen sie Gleichberechtigung der einzelnen Herrschaftsstrukturen. Den vier wichtigsten Handelsstädten der damaligen Zeit, eben Chicago, London, Helsinki und Moskau sprach man das Recht zu, jedem Bürger der 26 Abteilungen uneingeschränkten Aufenthalt zu gewähren, um den Handel nicht zu gefährden und weitgehend neutrale Orte zum Zusammentreffen zu schaffen. In diesem Zuge haben sie dann noch eine Organisation zur Überwachung der dort ebenfalls zugrunde gelegten Verfassung eingerichtet. Die siebenundzwanzigste Abteilung, die der Volksmund gemeinhin nur als 'die Dunklen' bezeichnet.
Ich gebe ein Seufzen von mir, entsetzt darüber, dass all diese Fakten noch immer in meinem Kopf abgespeichert sind, wo ich sie doch im einzigen Augenblick, in dem ich sie hätte gebrauchen könne, verdrängt hatte. Stattdessen hatte ich so viel über die Wunder und Sehenswürdigkeiten Chicagos gehört, dass ich eines Abends meine Sachen packte und per Anhalter den ganzen Weg hier hoch kam. In eine, der am dichtesten mit Vampiren besiedelten Gebiete überhaupt.
Mich noch immer über mich ärgernd, wende ich mich von den vorbei fliegenden Hochhäusern ab und mustere meinen Nebensitzer neugierig, der grüblerisch auf die Straße starrt und das Gaspedal durchdrückt. Jetzt so ich ihn das erste Mal eingehend muster, stelle ich fest, dass mir sein Profil wage bekannt vorkommt, doch wahrscheinlich liegt das nur an seiner Ähnlichkeit mit den römischen Statuen. Ich schüttel den Gedanken ab und ignoriere die Tatsache, dass es unhöflich ist, ihn so anzustarren.
Rome scheint es hier jedenfalls geschafft zu haben. Immerhin kostet dieses Auto ein Vermögen, die Bar in dieser Lage zu kaufen ist auch kein Schnäppchen, heruntergekommen oder nicht und dann ist da noch die Sache mit X.
Er sieht irgendwie unglücklich aus und ich frage mich, ob er Ärger hat.
Seine blutroten Augen glänzen dunkel in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne und sind so unbewegt, dass es mir beinahe Angst macht. „Alles klar, Rome?“, hake ich leise nach und bemerke erstaunt, wie besorgt meine Stimme klingt.
„Sicher“, murmelt er abweisend und schaltet einen Gang hoch.
Ich verkneife mir die alberne Geste, ihm eine Hand auf den Arm zu legen, nach der es mich drängt, und lasse mich stattdessen tiefer in den Sitz gleiten. Hoffentlich hat er kein Ärger mit X.
 
Eine halbe Stunde später klettere ich aus dem Auto und starre den Laden an, vor dem wir halten. Die großen, blank geputzten Schaufenster stehen ein paar wenige, ausgesuchte Kleider und der mir nur allzu bekannte Schriftzug einer Edelmarke lassen mich einen Schritt zurück machen. Hilfesuchend sehe ich mich nach Rome um, der gelangweilt hinter mir auf den Gehsteig schlendert und mir mit einer simplen Handgeste zu verstehen gibt, dass ich ihm folgen soll.
„Ich weiß nicht Rome“, bringe ich verschüchtert raus. „Ist das nicht zu teuer hier?“
Er zieht eine Augenbraue nach oben. „Nein. Und jetzt komm“, meint er schlicht und hält mir galant die Tür auf. Ich folge seiner stillen Aufforderung zurückhaltend und beobachte verschüchtert, wie sich drei Angestellte auf uns zu wälzen, eine edler angezogen wie die Andere.
„Mr. Darren! Wie schön sie Mal wieder hier zu haben! Wie geht es ihnen?“, fängt eine Frau mit rot gefärbten Haaren an auf ihn einzureden. Sie ist wohl die Chefin hier, denn die anderen beiden Frauen bleiben etwas hinter ihr zurück.
„Danke, Monika. Es geht mir gut. Und jetzt kleiden sie bitte meine Begleitung angemessen ein, wie wir es besprochen haben“, meint Rome gelangweilt und setzt sich auf die Ledercouch, die freistehend in der Mitte des Raumes steht. „Und dann hätte ich gerne einen Kaffee.“
Die beiden Mädchen, welche die ganze Zeit starr hinter ihrer Chefin ausgeharrt haben, setzen sich plötzlich in Bewegung und fallen fast über ihre Füße um Romes Wunsch nach Kaffee nachzukommen.
Ich werde hingegen praktisch gar nicht beachtet, wenn man Mal von dem abwertenden Blick absieht, den mir die Chefin zuwirft. Sie ist sicherlich schon über fünfzig und hat tiefe Falten um die stark geschminkten Augen.
„Ich bezahle sie nicht fürs herumstehen“, sagt Rome warnend und ich bin ihm mehr als dankbar, als die Verkäuferin endlich aufhört mich anzustarren, als sei ich ein niederes Insekt. Stattdessen klebt ihr Blick nun sehnsüchtig an Rome, der gerade seinen Kaffee entgegen nimmt und die Zeitung aufschlägt. Auch die anderen Beiden können ihren Blick gar nicht von ihm abwenden und es dauert eine ganze Weile, bevor ich bedient werde. Als wir eine Stunde später aus dem Geschäft kommen, kann ich es nicht fassen, wie viel Geld Rome soeben ausgegeben hat. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und dann hat Rome mir den Gnadenstoß erteilt, indem er meinte. „Schicken sie es uns zu.“
 
Auch in den nächsten Läden, überschlagen sich die Angestellten beinahe um Rome zu begrüßen und ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Daran scheint mein Begleiter allerdings nicht gerade viel Interesse zu haben. Überhaupt hat Rome sehr wenig geredet. Eigentlich gar nichts. Er war die meiste Zeit hinter einer Zeitung verschwunden, hing am Telefon oder hat mich mit wild gewordenen Verkäufern und Verkäuferinnen allein gelassen. Im letzten Laden wollten wir eigentlich nur ein paar Jeans für mich kaufen. Wie es passieren konnte, dass er mir den halben Laden gekauft hat, weiß ich nicht.
Ich schwanke hinter ihm zum Auto und fühle mich verpflichtet irgendetwas zu sagen, doch mir fällt nichts ein, womit man sich für so viel bedanken kann.
Als er mir die Autotür aufhält, nehme ich schließlich all meinen Mut zusammen und strecke mich zu ihm hoch, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Da Rome sich jedoch im gleichen Moment ein wenig bewegt und seinen Kopf nach oben zieht, erwische ich eine Ecke seines Mundes, was mir fürchterlich peinlich ist.
„Danke“, bringe ich errötend heraus, bevor ich ins Auto abtauche und mich in meinem Sitz verkrieche.
Ich habe ihn geküsst. Ist das peinlich!
Rome scheint der Kuss egal zu sein, denn er sieht noch einen Tick finsterer drein, als er zu mir ins Auto steigt und den Motor startet.
„Was machen wir jetzt?“, frage ich interessiert um ihn aus seinen Grübeleien zu holen.
„Wir fahren erst mal zurück zur Baustelle, da nimmt dich Andrej dann mit. Ich ... es liegt nicht an dir, dass ich so schlechte Laune habe“, grummelt er und schenkt mir ein freudloses Lächeln.
Diesmal schaffe ich es nicht den Reflex zu unterdrücken ihm eine Hand auf den Arm zu legen, will ich irgendwie auch gar nicht mehr.
„Ist schon okay. Jeder hat mal einen schlechten Tag“, meine ich lächelnd und ziehe meine Hand wieder zurück, erschrocken über den gurrenden Unterton in meiner Stimme. Ich starre auf meine Knie und verknote meine Finger ineinander, um noch mehr merkwürdige Ausbrüche zu verhindern.
„Ich weiß nicht, wie viel du über uns Vampire weißt. Aber ich will, dass du weißt, dass ich auf dich aufpasse“, sagt er plötzlich.
Mein Blick wandert ganz automatisch wieder nach oben, doch Rome sieht mich nicht an, sondern starrt nur trübsinnig auf die Straße.
 
Als ich mich schließlich abschnalle und aus dem Wagen steige, falle ich fast über meine Füße und lande an Romes durchtrainierter, kühler Brust.
„Nicht so stürmisch“, meint er fast amüsiert und umfasst meine Oberarme, um mich wieder auf meine Füße zu stellen.
„Ich ...“
„Ich glaube du bist ein kleiner Tollpatsch“, grinst Rome und lässt mich wieder los, um lässig zu bedeuten, dass ich ihm folgen soll.
„Bin ich gar nicht“, grummle ich und folge ihm lächelnd die kleine gewundene Treppe hinauf, die direkt auf einen Balkon im ersten Stock führt. Ich war noch nie hier oben. Es ist dreckig und trostlos und ich beeile mich Rome hinterher zukommen, der zielstrebig zur Tür schreitet.
„Andrej! Wo steckst du?“, brüllt er laut und ich zucke erschrocken zusammen, als sich ein riesiger Mann durch die Tür schiebt und mir ein freches Grinsen schenkt. Sein braunes Haar scheint jedes Licht aufzusaugen und seine roten Augen mustern mich aufmerksam. „Hey“, begrüßt er mich und Rome mit einem Lächeln.
„Mira, das ist Andrej. Er bringt dich nach Hause“, erklärt mir Rome leichthin.
Andrej fährt sich durch das dicke, braune Haar und ich stelle fest, dass er wirklich gut aussieht. Er hat zwar zu viel Gel in den Haaren, aber er wirkt sympathisch. „Freut mich“, grinst er schelmisch und drückt mir einen Kuss auf jede Wange, was mich dazu bringt ihn entsetzt anzustarren, da ich es nicht gewohnt bin, so überschwänglich begrüßt zu werden.
„Hey“, bringe ich nur heraus.
„Andrej ist ein Frauenheld, also pass auf, dass du dich nicht von ihm einwickeln lässt“, stellt Rome kühl fest..
Ich zucke hilflos mit den Schultern und mustere Andrej von unten herauf. Er hat einen harten Zug um den Mund und seine reichlich gekrümmte Nase gibt ihm ein wenig das Gesicht eines Falken.
„Fahr Mira nach Hause und zeig ihr alles“, unterbricht Rome meine Musterung in dem Augenblick harsch, bevor einen Schritt auf Andrej zumacht und ihm etwas zuraunt, das ich nicht verstehe.
Andrejs Gesichtsausdruck sagt mir allerdings, dass es nichts Nettes war, denn er sieht ernsthaft erschrocken aus.
„Ich habe noch viel zu tun, man sieht sich morgen“, verabschiedet Rome sich mit einem Lächeln von mir und streicht mir übers Haar. Dann zieht er sein Handy hervor und verschwindet aus der Tür. Was sollte diese Geste von Rome gerade? Ich berühre verwirrt mein Haar und starre die leere Tür an, durch die Rome gerade verschwunden ist, bevor ich meine Arme um mich schlinge. Andrej mustert mich von der Seite. „Wollen wir fahren?“
Ich nicke schwach. „Von mir aus“, bringe ich heraus.
„Rome ist so gut wie verheiratet.“
„Bitte?“, frage ich zerstreut, bevor die Worte in mein Hirn rieseln und ich das Gefühl habe, mich übergeben zu müssen.
Andrej schweigt und wirft mir nur einen bedauernden Blick zu. „Du bist ein sehr hübsches Mädchen“, stellt er sachlich fest. „Aber bei uns zählt Herkunft mehr als alles andere.“
Was für ein Witz! Man wird wohl kaum jemanden finden, dessen Herkunft tadelloser ist als meine.
Ich schüttle schnaubend den Kopf. War ja irgendwie klar, dass auch Rome dazu genötigt ist zu heiraten. „Liebt er sie?“, hake ich daher recht kurz angebunden nach.
„Das ist nun wirklich nicht die Frage“, erwidert Andrej ernst.
Wieso zählt so etwas wie Liebe nichts in dieser Welt?
„Du sieht irgendwie angewidert aus“, sagt Andrej verwirrt.
„Wundert dich das?“
Andrej zuckt mit den Schultern. „Rome ist der Boss der 24. Abteilung. Er muss tun, was das Beste für unsere Abteilung und für sein Haus ist.“
„Er ist was?“, entkommt es mir schrill.
„Der Boss von X und der Leiter der 24. Abteilung“, schmunzelt Andrej amüsiert und ich lasse mich kraftlos auf einen der klapprigen Stühle sinken, die hier oben herum stehen.
Du meine Güte. Rome ist ein Abteilungsleiter. Ich soll für einen Abteilungsleiter arbeiten!
„Du scheinst zu wissen, was das heißt.“
„Ich bin total am Arsch“, bringe ich heraus.
„Nicht doch. Rome mag dich. Und diese Kuh aus der 26. Abteilung, meine Güte ... Niemand sagt, dass er ihr treu sein muss. “
„Sechsundzwanzigste?“, hake ich entsetzt nach. Ich kenne so ziemlich jede besser situierte Dame aus der Abteilung meines Vaters Pius.
„Ja. Sie ist Pius' Nichte. Du weißt doch, wer Pius ist, oder?“, sagt er da auch schon, bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen kann.
Ich fühle mich, als sei ich mit Schwung gegen eine Glaswand gelaufen. Das habe ich nicht kommen sehen.
„Pamela heißt sie, glaube ich. Pius hat sich lange geziert, aber jetzt ist es beschlossen, dass Rome sie heiratet“, fährt Andrej ungerührt fort.
Mein Vater lässt Pam heiraten? Er lässt sie einen Abteilungsleiter heiraten? Er lässt diese blöde Kuh Rome heiraten?
Ich ringe einen Moment nach Atem, was Andrej vollkommen falsch deutet. „Da bist du platt was? Rome ist sich der Ehre durchaus bewusst.“
Ich schaffe ein schwaches Lächeln.
Natürlich.
Was für eine grenzenlose Ehre, die Nichte des großen, fantastischen, legendären Pius zu heiraten! Pamela ist ja nun die einzige weibliche Erbin in der Familie. Meinem Vater bleibt wohl keine andere Wahl, als mit ihr zu agieren. Denn mein Adoptivbruder Magnus darf sich seine Frau selbst aussuchen, das hat er ihm vor vielen Jahren versprechen müssen und seine Tochter ist ja seit Jahren verschwunden.
Was für eine Ironie, dass Pam den einzigen Vampir heiratet, den ich nicht zum Kotzen finde. Eine Verbindung zwischen zwei mächtigen Häusern. Grandios.
„Lass uns fahren“, meine ich knapp. Über meine Gefühle zu Rome sollte ich nun wirklich nicht anfangen nachzudenken.
Er heiratet Pam!
Eine Frau, die früher meinen Puppen den Kopf abgebissen und sich meine Freunde geschnappt hat! Diese ... „Schlampe!“, murmele ich vor mich hin.
„Was hast du gesagt?“, fragt Andrej besorgt.
„Nichts“, lächele ich und erhebe mich, um nach unten zu gehen.
 
Der Vampir mit dem russischen Namen begleitet mich galant nach unten und lässt mich in seinem schwarzen BMW Platz nehmen.
„Versprich mir nichts über diese Heirat zu jemandem zu sagen, ja? Sie ist noch ein gut gehütetes Geheimnis.“
„Von mir aus.“
 
Wir schweigen die Fahrt über und ich halte die Luft an, als der Wagen vor einer dreistöckigen Villa, aus dem frühen 19. Jahrhundert zum Halten kommt, dessen wuchtige Säulen eigentlich eher in die Südstaaten passen würden, als in den Großstadtdschungel Chicagos. Der cremefarbene Anstrich und der gepflegte Garten zeugen von Geschmack und Reichtum und ich folge meinem Aufpasser leicht verschüchtert über den knirschenden Kies zum Haus.
„Hier wirst du ab jetzt wohnen.“
„Es ist wunderschön“, hauche ich entzückt.
„Das wird Rome freuen.“
„Es gehört ihm?“, frage ich entsetzt.
„Natürlich. Rome sagte dir doch, dass er ab jetzt auf dich aufpassen wird, oder?“
„Aufpassen ja, aber nicht, dass ich bei ihm wohnen werde“, stelle ich entsetzt fest.
„Es ist am einfachsten so. Außerdem wohne ich auch noch hier. Genau, wie Caleb, Viktor und Kate. Sie sind nett, du wirst sehen.“
Andrej schließt die Tür auf und tritt lächelnd vor mir ein. „Komm rein.“
Ich folge ihm staunend und drehe mich einmal um mich selbst, als ich in der luftigen Eingangshalle stehe. Der helle Marmor zu meinen Füßen, die hohe Decke und die wuchtige Steintreppe in der Mitte des Raumes erschlagen mich regelrecht und ich schnappe nach Luft.
„Ich zeige dir alles“, sagt Andrej amüsiert und nimmt mich bei der Hand um mich die Treppe nach oben zu führen.
Mein Kopf dreht sich, nachdem ich mir jeden Raum in der Villa angesehen habe. Das Haus ist modern eingerichtet und die Küche ist riesig. Und damit meine ich riesig. In ihr könnten locker zehn Köche arbeiten, ohne dass sie sich jemals berühren würden.
„So und jetzt zeige ich dir noch das wichtigste Zimmer. Deines“, meint Andrej schließlich, nachdem er mir das dritte Wohnzimmer gezeigt hat, das ganz in Schwarz und Weiß gehalten ist.
„Wow“, entkommt es mir nur, als er eine Tür rechts von mir öffnet und mich mit einem Nicken hereinbittet.
Das erste was mir auffällt, ist dieses unglaubliche Bett, das in der Mitte des Raumes steht. Dunkles Holz und ein weißer Baldachin und ebenso blütenweißes Bettzeug. Ein Frisiertisch mit einem schlichten ovalen Spiegel, ein schwarzes Ledersofa nahe dem Fenster und ein niedriger Couchtisch, der kaum höher ist, wie die Kissen am Boden, die um ihn herum verstreut liegen. Dem Bett gegenüber hängt ein gigantischer Flachbildschirm, genau wie ein vollgestelltes Bücherregal und eine Kommode, auf der ein duftender Blumenstrauß steht.
„Kate wusste nicht, was deine Lieblingsblumen sind. Also hat sie ihre hingestellt“, meint er lächelnd und streicht über die weißen Rosen, bevor er auf die Tür rechts von der Kommode zeigt. „Da ist dein Badezimmer. Und da ...“, er zeigt nach links. „Ist dein Kleiderschrank. Ich lass dich dann allein. Um eins gibt es Essen, wenn du also nachher Hunger hast - wir sind in der Küche.“
Ich sehe Andrej nach, der gelangweilt aus dem Zimmer schlendert. Vampire müssen doch gar nichts Essen.
Merkwürdig.
Ich bewundere still mein Zimmer, bevor ich die Tür zum Badezimmer aufstoße und nach Luft schnappe.
Urwald!
Noch nie habe ich ein so schönes Badzimmer gesehen. Die riesige, ovale Badewanne ist halb in den Boden gelassen und von rankenden Grünpflanzen umgeben. Im Boden sind ein paar kreisrunde Beete eingelassen, aus denen Bananenpflanzen sprießen. Hinter dem Wall aus Schlingpflanzen finde ich das Waschbecken und einen bodenlangen Spiegel, der in einem gewundenen Stamm endet, in dessen Astgabeln Orchideen platziert sind.
So etwas wie dieses Badezimmer habe ich noch nie gesehen und ich übersehe fast die Toilette, da ich von den üppigen, rosa blühenden Schlingpflanzen gefesselt bin, die baumartig in der Ecke des Zimmers hinauf ragen und die helle weiße Tür fast überwuchert haben.
Ich liebe dieses Zimmer!
Der Badewanne gegenüber ist auch noch eine Dusche, aber ich weiß schon jetzt, dass ich sie nicht ein einziges Mal benutzen werde. Diese Badewanne schlägt einfach alles!
 
Das Ankleidezimmer ist bis oben hin zugepackt mit Tüten und Schachteln und ich brauche etwas, um zu verstehen, dass man die Einkäufe von vorhin schon eingeräumt hat und das hier Klamotten sind, die ich noch nie zu vor in meinem Leben gesehen habe. Schuhe über Schuhe, Abendkleider, exquisite Mäntel und Taschen. Ich fühle mich wie eine Prinzessin und es ist mir egal ob das Bestechung ist und ob ich das lieber nicht annehmen sollte. Ich seufze verzückt, als ich das Seidenpapier zurückschlage und ein Paar Schuhe von Manolo Blahnik hervorziehe. Schwindelerregend hoch, knallrot und einfach wunderschön.
Gott, wie habe ich meinen Schuhtick verdrängt!
Ich streife mir meine abgetragenen Turnschuhe von den Füßen und ziehe mir meine Socken aus, bevor ich in die ledernen Kunstwerke schlüpfe und damit zum Spiegel wandere, der fast eine halbe Seite im Raum einnimmt.
„Ich bin eindeutig bestechlich“, wispere ich erschrocken und richte mich stolz in meinen Schuhen auf.
Wenn ich mich so ansehe, muss ich mir selbst zugestehen, dass ich jeden Mann verstehe, der sich auf der Stelle in mich verliebt.
Schließlich wende ich mich von meinem Spiegelbild ab, um die restlichen Schätze zu begutachten, die sich im Augenblick auf dem Boden türmen.
Eine Kellnerin in Schuhen von Manolo Blahnik und Jimmy Choo. So etwas gibt es wohl nur in Chicago!
Was immer das für ein Club wird, ich liebe ihn schon jetzt. Von mir aus kann Rome Pam zehn Mal heiraten. Für diese Schuhe verzeihe ich ihm alles.

 

Kapitel 5

Ich komme einfach nicht über diese wunderschönen Geschenke hinweg. Obwohl sie wohl eher so etwas wie eine Investition darstellen, kann ich das Grinsen, das sich auf meinem Gesicht ausgebreitet hat, nicht abstellen.
Andächtig räume ich jedes Paar Schuhe in den Schuhschrank und ordne sie nach Designern, dann nach Farben und schließlich nach Modellen. Das könnte ich Stunden lang machen! Immer wieder ziehe ich ein Paar heraus und streife es mir probeweise über, während ich die restlichen Klamotten einräume. Meine Finger wandern verzückt über fantastische Stoffe und weiches Leder. An meiner neuen Garderobe kann ich mich gar nicht sattsehen. Das ist wie ein Traum! Mein Vater hat mich immer an der kurzen Leine gehalten, was die Klamotten angeht. Ab und zu mal ein teures Kleid zu besonderen Anlässen, aber niemals so etwas wie das. Niemals.
Vertieft in meine neuen Sachen, fahre ich erschrocken zusammen, als es an der Tür klopft.
„Ja?“, bringe ich überrascht heraus und befingere diese unglaubliche Tasche, deren weiches, hellbraunes Leder meine Seele streichelt.
„Hey, ich wollte nicht stören, aber Andrej sagte du wärst schon da und ich wollte sehen, wie dir meine Geschenke gefallen“, plappert eine hübsche Rothaarige in einem dunkelblauen Kleid einfach drauf los und streicht sich lässig den Pony aus der Stirn. „Ich bin übrigens Kate.“
„Ich bin Mira, darf ich dich heiraten?“, stelle ich mich grinsend vor und steige über den Berg aus Tüten.
„Gerne. Leider müssen wir auf Sex verzichten. Ich stehe nicht so auf Frauen“, witzelt Kate amüsiert und gibt mir rechts und links einen Kuss auf die Wange.
„Soll mir Recht sein“, meine ich lachend. „Die Sachen sind echt einsame Spitze.“
„Schön, dass ich dich bestechen konnte“, lächelt sie und ihre hellroten Augen blitzen schelmisch auf. „Ich soll dich zum Essen holen. Natürlich kann ich dir auch noch etwas bringen lassen, wenn du deine neuen Sachen noch etwas bewundern willst.“
„Nein, ich komme mit hinunter. Die Klamotten laufen mir nicht weg. So süchtig bin ich dann auch wieder nicht.“
„Nicht? Dann sollten wir schnell daran arbeiten, dass du dem Luxus verfällst. Immerhin hat mein Bruder mir versprochen, dass du mit mir einkaufen gehen wirst.“
„Dein Bruder?“, frage ich interessiert.
„Rome. Dieser große, schwarzhaarige Typ, der dich jeden Abend besucht hat?“
„Rome ist dein Bruder?“, bringe ich perplex heraus.
Sie schenkt mir ein herzliches Lächeln und wirbelt einmal im Kreis herum. „Erschreckend. Ich weiß. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Hast du Geschwister?“
 
Magnus ist Pius Adoptivsohn, aber das zählt wohl nicht, auch wenn ich ihn meistens Bruder nenne, um ihn zu ärgern. Eigentlich ist er Leonardos Sohn, ein Lakai meines Vaters, der vor Jahren starb, als Magnus noch ein Mensch war.
Mein Vater adoptierte ihn damals, weil eigentlich keine Hoffnung bestand, dass meine Mutter schwanger werden würde, da sie unter starken Depressionen litt.
Und dann kam ich!
Nun ja. Im herkömmlichen Sinne nicht. Deshalb kommt mir, die ich so schlecht im Lügen bin, diese eine Halbwahrheit mit einem Lächeln über die Lippen. „Nein.“
Kate mustert mich wohlwollend und stemmt die Hände in die Seiten, wobei ihr hellrotes Haar dabei mit ihrem hellen Teint um die Wette leuchtet. „Du hast echt nichts verpasst.“
„Denke ich mir“, stelle ich fest und schenke ihr ein ehrliches Lächeln. „Rome als Bruder zu haben, stelle ich mir anstrengend vor.“
Kate zuckt nichtssagend mit den Schultern. „Ich hätte es schlimmer treffen können, wenn man Mal von diversen Kleinigkeiten absieht … Magst du chinesisches Essen, oder sollen wir noch etwas anderes kommen lassen?“
„Ich mag Chinesisch“, bringe ich heraus, noch etwas verwirrt von ihren Gedankensprüngen.
„Sehr gut. Viktor begeht nämlich noch einen Mord, wenn wir ihn noch länger warten lassen. Er wird immer so unausstehlich, wenn er nicht pünktlich etwas zu Essen bekommt.“
„Ihr esst?“, frage ich verdutzt, weil ich es von zuhause gewohnt bin, dass man als Vampir nur dann ist, wenn man in größerer Runde zusammen kommt, denn einen Nährstoffgehalt weißt Essen für Vampire nicht auf.
„Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt. Es ist zwar nicht so, dass wir verhungern würden, aber es fühlt sich irgendwie so menschlich an, mit der Familie am Tisch zu sitzen bei einem guten Essen.“
Was für merkwürdige Vampire. Sie überhäufen mich mit Geschenken, sind fürchterlich penetrant und essen auch noch!
„Alles in Ordnung Mira? Du siehst so nachdenklich aus.“
„Ja, ja“, meine ich schnell. „Ich war nur ... ist nicht so wichtig.“
„Gut, dann komm mit hinunter“, lächelt Kate und schiebt mich lächelnd aus der Tür meines neuen Ankleidezimmers.
 
Ich folge ihr in die Küche und erstarre in der Tür. Andrej sitzt eine Flasche Blut in der Hand auf der Küchenzeile und starrt fasziniert auf den Flachbildschirm, der an der gegenüberliegenden Wand platziert ist, während ein weiterer Riese von einem Mann halb im Kühlschrank verschwunden ist und ein paar wüste Flüche ausstößt.
Kate räuspert sich laut und schlendert an Andrej vorbei, der sie nicht einmal zu bemerken scheint.
„Wo steckt Cal?“, fragt Kate interessiert und wirft mir ein Lächeln zu. „Viktor, was treibst du da überhaupt?“, faucht sie, da sie von dem Kerl im Kühlschrank nicht weiter beachtet wird.
„Ich habe doch erst gestern einen ganzen Kasten Bier gekauft! Wer hat verflucht noch Mal schon wieder alles gesoffen?“
„Rome, du … eure Kumpels?“, stellt Kate ernst fest.
„Stimmt“, grummelt der Vampir im Kühlschrank und taucht schließlich wieder auf.
Viktor hat gewelltes, kurzes, dunkelbraunes Haar und sieht ein wenig so aus, wie Joaquin Phoenix, mit seinen stechenden roten Augen und dem merkwürdigen Lippenschwung, der ihn viel zu sexy wirken lässt.
„Hei, wer bist du denn?“, fragt er interessiert und mustert mich neugierig.
„Das ist Mira.“
„Ah. Klar. Freut mich Süße“, grinst er und schüttelt mir die Hand. „Wie gefällt dir dein Zimmer? Ich hoffe gut, denn Kate hat uns mit ihren Einkaufsorgien in den Wahnsinn getrieben.“
„Sehr gut sogar“, lächle ich. „Danke schön.“
Viktor zuckt mit den Schultern und deutet auf den Fernseher. „Stehst du auf Rugby?“
„Naja, geht so. Wer spielt denn?“
„Wir gegen die Lions.“
Mein Magen fällt gefühlte zehn Meter nach unten. Bei den Lions spielt Magnus mit und wo Magnus ist, ist meine restliche Familie nicht weit.
„Lions?“, frage ich zitternd nach und halte mich vorsichtshalber an der Arbeitszeile fest.
„Jupp. Ich bin mal gespannt ob Pius Sohn heute Abend mitspielt, oder ob er lieber die Frauenwelt beglückt.“
Ich schließe kurz die Augen und genieße den Herzschmerz, den diese Aussage bei mir zurücklässt. Wann bin ich endlich über diese lächerliche Schwärmerei für meinen Adoptivbruder hinweg?
„Wie heißt er noch gleich? Er sieht so gut aus“, bringt Kate es auf den Punkt.
Magnus. Sein Name ist Magnus!
„Magnus Casey“, hilft Andrej Kate aus und nuckelt gedankenverloren an seiner Flasche. „Ist dir nicht gut? Hast du Hunger?“, fragt Viktor fast besorgt nach, weil ich mich noch immer an der Tischplatte festhalte, und dirigiert mich nachdrücklich auf einen Barhocker, der an der Kücheninsel steht.
„Etwas“, bringe ich bedrückt und sauer über mich selbst heraus, weil ich verzückt aufseufze, als die Kamera Magnus auffällige Gestalt einfängt.
Sein helles Blondhaar, die dunkelroten Augen, die sonnengebräunte Haut seine große, austrainierte Gestalt und seine leichtfüßigen Bewegungen fesseln meine Aufmerksamkeit vollkommen.
Er ist der zweite Grund, warum ich weg musste von zu Hause. Magnus tut mir einfach nicht gut. Er ist ein Playboy, ein Verführer, ein Meister der Verlockungen aber er ist sicher nichts für mich, ein kleines Mädchen, das von der großen Liebe träumt.
Ich merke, wie meine Augen an ihm kleben, und würde am liebsten laut aufschreien. Das darf ja wohl nicht wahr sein!
Der Kameramann zoomt Magnus Gesicht in ein bildschirmfüllendes Format und ich unterdrücke das Bedürfnis aufzuspringen und wegzulaufen. Sein hochmütiger Blick, das selbstsichere Lächeln und die hochgezogene Augenbraue, zeigen mir wie immer, was ich verpasse und mein Innerstes rebelliert dagegen an.
„So eine Scheiße! Ganze zehn Minuten musste ich anstehen! Ist das zu fassen? Man könnte meinen X hätte in dieser Stadt etwas zu sagen!“ Ein Bär von einem Mann kommt in die Küche geprescht, beladen mit einer Tüte dampfendem Essen.
„Hey Caleb, bist ja doch noch rechtzeitig. Du hast nicht zufällig Bier mitgebracht?“, will Viktor interessiert wissen und nimmt dem gerade Erschienenen das Essen ab.
„Nein!“, faucht Caleb genervt. Er hat kurzes, blondes Haar und seine Wangen weisen ein paar widerspenstige Bartstoppeln auf. Groß und stämmig, mit einer breiten Nase gesegnet und mit tief liegenden Augen, kommt er mir vor wie ein Wikinger.
„Hey“, begrüßt er mich kehlig und mustert mich kühl.
„Hei. Ich bin-“
„Du bist Mira. Ich bin Caleb. Ist klar soweit“, meint er unfreundlich und Kate legt mir lächelnd eine Hand auf die Schulter.
„Hast du Hunger?“, fragt Caleb harsch nach.
Ich schaffe es zu nicken und bekomme von ihm eine Schachtel mit chinesischem Aufdruck in die Hand gedrückt.
„Dreh mal ein bisschen die Lautstärke hoch, man hört ja gar nichts“, stellt Viktor fest und Andrej tut wie geheißen, während Kate mir eine Gabel reicht, nachdem sie sich selbst schon eine aus einem der Schränke gefischt hat.
Magnus macht die Wolves mit seinen Lions mit 14 zu 36 platt und ich kann nur unglücklich und neidisch seufzen, wenn er sich im Sprung in einen Schneeleoparden verwandelt und seine Gegenspieler geschickt vom Ball befreit und niederreißt.
Die drei Jungs fluchen herzhaft und beziehen schließlich Kate und mich in die Auswertung des Spiels mit ein. Da ich bei den Fachsimpeleien nicht ganz mithalten kann, widme ich mich mehr dem Zuhören, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich an die Vier echt gewöhnen könnte.
Es ist kurz vor fünf Uhr morgens, als Rome die Bildfläche betritt. Dunkel, offenbar wütend und gefährlich.
Er wirft seine schwarze Lederjacke, auf die Arbeitsplatte und krempelt sich genervt die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben, grüßt uns alle mit einem kurzen Nicken und stürmt dann aus dem Zimmer.
„Der Boss hat schlechte Laune“, stellt Caleb treffend fest und nuckelt an seiner mittlerweile fünften Flasche Blut.
„Wundert dich das? Rome verträgt es nicht zu verlieren, vor allem wenn er selbst nichts daran ändern kann. Außerdem, wenn du mich fragst, haben die von der 26. die Schiedsrichter gekauft“, entgegnet Andrej und wirft sich ein paar Erdnüsse in den Rachen.
„Er regt sich schon wieder ab“, sagt Romes Schwester und ich gähne hinter vorgehaltener Hand.
„Hm“, bringe ich schließlich heraus.
„Du kannst ruhig ins Bett gehen. Du musst heute Mittag fit sein, für die erste Besichtigungstour im neuen Club“, meint Kate lächelnd.
Ich schenke ihr ein Lächeln. „Wenn ich noch den richtigen Weg nach oben finde, tue ich das.“
„Ruf einfach, wenn du dich verlaufen hast. Wir hören dich schon“, grinst Viktor, wobei seine Lippen noch eine Spur exzentrischer wirken und ich verabschiede mich herzlich von der Runde um ins Bett zu gehen.
 
Jeder Vermutung zum Trotz finde ich mein Zimmer gleich beim ersten Versuch und schlupfe hinein. Doch obwohl ich auf Anhieb das richtige Zimmer gefunden habe, finde ich jemanden darin vor, den ich hier nicht erwartet hätte.
„Rome?“
„Hey“, brummt es dunkel und ich sehe schemenhaft, wie Mr. Vorzeigevampir sich vom Sofa erhebt und mir beim Näherkommen ein halbherziges Lächeln schenkt. „Gefällt es dir?“
„Ja. Es ist wunderschön. Danke.“
Rome gibt ein freudloses Schnauben von sich. „Kein Problem … Wie findest du Kate?“
„Sehr nett“, lächle ich schwach, da es mir unangenehm ist in der allumfassenden Dunkelheit zu stehen, durch die ich nur schwer sehen kann und Rome dafür umso besser.
Er scheint zum gleichen Entschluss gekommen zu sein, denn er drückt auf den Lichtschalter. „Kate ist shoppingsüchtig“, informiert er mich und schiebt die Hände in die Hosentaschen.
„Das habe ich schon festgestellt.“
Rome nickt nachdenklich. „Stört es dich, wenn ich rauche?“
Ich zucke unentschlossen mit den Schultern, während er eine Schachtel Zigaretten hervor zieht. „Eigentlich schon. Aber tu dir keinen Zwang an“, bringe ich schwach hervor. „Wann wolltest du mir eigentlich sagen, dass du der Boss von X bist?“
Romes Lippen kräuseln sich zu einem eisigen Lächeln. „Gar nicht. Ändert doch nichts.“
„Und du heiratest Pius Nichte“, entkommt es mir, bevor ich es verhindern kann.
Jetzt sieht Rome ernsthaft erstaunt aus. „Woher weißt du davon?“, hakt er nach und wiegt die Kippe, die er hervor gezogen hat, abwägend in den Händen.
„Andrej war so frei, es mir bei der ersten Gelegenheit an den Kopf zu werfen.“
Rome entweicht ein Schnauben. „Andrej sollte lieber den Mund halten, wenn er seinen Kopf noch ein wenig behalten will. Und was diese Heirat angeht … Es ist notwendig. Nicht mehr, nicht weniger“, antwortet er mir kalt.
„Bist du in sie verliebt?“, frage ich verständnislos.
„Liebe vergeht, Kleine“, meint Rome so gefühllos, dass ich ihn am liebsten Schütteln würde.
„Niemand hat jemals behauptet sich die Liebe zu bewahren wäre einfach, aber sie ist doch am Ende alles, was zählt“, ereifere ich mich und sehe mit verschränkten Armen dabei zu, wie er sich seine Kippe anzündet. „Was tust du überhaupt hier?“
Rome schenkt mir ein ehrliches und müdes Lächeln. „Dein Geruch beruhigt mich.“
Ich seufze schwer und mustere ihn nachdenklich dabei, wie er zurück aufs Sofa sinkt und seinen großen Körper darauf ausstreckt. Fasziniert sehe ich dabei zu, wie sein Hemd über der Brust spannt, als er nach dem Aschenbecher, der auf dem Tisch steht, greift und ihn auf seinem Knie abstellt.
Er ist im klassischen Sinne schön. Geschaffen für die Ewigkeit.
Seine Gesichtszüge sind unbewegt, während er raucht. Nur seine blutroten Augen, deren sattes Rubinrot, alles Licht aus dem Raum zu saugen scheint, wandern langsam über meinen Körper und dann gibt er ein Seufzen von sich und fährt sich durch das dicke, schwarze Haar.
„Ich hatte eine miserable Nacht“, meint er plötzlich unwillkürlich. „Ich musste zwei meiner Prätoren aus dem Süden feuern.“
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und frage mich unwillkürlich, weshalb er mir das erzählt, erinnere mich dann jedoch daran, dass Mira Blue nur ein Menschenmädchen ist und keine Ahnung von Politik hat. „Prätoren?“, hake ich deshalb nach und verschränke die Arme vor der Brust, weil ich beinahe damit rechne, dass er meine Nachfrage als das entlarvt, was sie ist. Ein hilfloser Versuch, ihm etwas vorzugaukeln.
Doch er lächelt nur milde. „Ein Prätor ist ein Vorsitzender einer meiner Regierungsbezirke, die man auch als Reichskreise bezeichnet. Geführt wird ein solcher Reichskreis immer von zwei Leuten. Einem Prätor, den ich, oder ein vorheriger Abteilungsleiter, ins Amt auf Lebenszeit berufen hat und einem Volkstribun, der wie der Name schon sagt, von der dort ansässigen Bevölkerung auf zwölf Jahre gewählt wird. Klar soweit?“
Ich schaffe es zu nicken und Romes Lächeln wird noch etwas breiter. „Dann wage ich es jetzt dich noch weiter zu bilden und zu sagen, dass die 26. Abteilung in sechshunderteinundzwanzig Reichskreise untergliedert ist.“ Er zieht an seiner Zigarette und entlässt den blauen Rauch in akkuraten Ringen aus dem Mund. „Die Volkstribune aus allen Reichkreisen bilden unsere Volksversammlung. Sie sind für unsere Gesetze zuständig. Sämtliche Prätoren bilden unseren Ältestenrat, der die Gesetze prüft und darüber entscheidet ob er sie annimmt oder nicht. Sollte der Ältestenrat ein Gesetz nicht ratifizieren geht es zurück zur Volksversammlung, welche es dann noch einmal überarbeiten kann. Außerdem dienen die Prätoren, als Verwalter der einzelnen Reichskreise.“
Während er redet, gestikuliert er mit den Armen in der Luft und ich hänge an seinen Lippen.
Es liegt nichts Gekünsteltes in seiner Art sich zu geben, er tut nicht so als sei er der Boss, er ist es einfach. Seine Aura erfüllt den Raum unterschwellig, wie ein sehr teures Parfum, dass einem die Sinne vernebelt. Und es wundert mich nicht, dass Rome von den Volkstribunen und den Prätoren zum Boss der 26. Abteilung auf Lebenszeit gewählt wurde. Er strahlt eine natürliche Autorität aus, die einfach nur bewundernswert ist. Schließlich besinne ich mich endlich wieder darauf, dass wir eigentlich ein Gespräch führen.
„Wieso musstest du die Beiden feuern?“
„Sie haben Subventionsgelder für Washington veruntreut“, schnaubt er. „Es ging durch sämtliche Medien. Hast du das nicht mitbekommen?“
Ich schüttele benommen den Kopf. „Nein.“
„Du scheinst dich nicht für Politik zu interessieren“, tadelt er mich und ich schlucke schwer, während mein Herzschlag sich beschleunigt.
Mit einem Schulterzucken versuche ich, seinen kritischen Blick abzumildern. „Ich habe selbst dich nicht erkannt, geschweige denn zuordnen können, bevor deine Freunde mich nicht darauf hingewiesen haben.“
Rome schiebt sich die Kippe zurück in den Mund und schenkt mir ein schiefes Lächeln, das noch etwas überheblicher als sonst gerät. „Ich weiß.“
Selbst mein Vater würde nicht mithalten können, bei so viel Arroganz und Selbstsicherheit, wie Rome sie ausstrahlt und diesmal erschaudere ich, als sein Blick über mich streicht.
„Du solltest jetzt gehen“, presse ich hervor, weil mir plötzlich zu wenig Luft im Raum zu sein scheint.
„Ich ... lass mich noch ein wenig dableiben. Du wirst mich nicht Mal bemerken.“
Wie sollte ich Rome nicht bemerken? Wo er doch so aufmerksamkeitsheischend auf meiner Couch sitzt.
Benommen schüttele ich den Kopf. „Ich bemerke dich sehr wohl. Und jetzt geh.“
Er schenkt mir ein breites Lächeln, ob meiner Aussage und ascht ab, bevor er meiner Aufforderung folgt zu verschwinden. Die Zigarette im Mundwinkel trottet er an mir vorbei und verabschiedet sich mit einem schlichten Heben seiner Hand. „Schlaf gut, Kleines.“
Noch immer auf die geschlossene Zimmertüre starrend, sinke ich aufs Bett und lasse mich in die weichen Kissen fallen, während mein Herz unruhig gegen meine Brust pocht, das bei Romes letzten Worten beinahe stehen geblieben ist. Er kann mir doch nicht einfach so einen Kosenamen verpassen und den auch noch so verführerisch grollen. Meine Hände auf mein Gesicht klatschend, versuche ich mir den schwarzhaarigen Vorzeigevampir aus dem Kopf zu schlagen.
Die Bäume vor dem Haus rauschen im Wind und malen dunkle Schatten auf den Boden des Zimmers. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Fenster geöffnet sind und der Vorhangstoff sich spielerisch im Wind aufbauscht. In den Anblick versunken seufze ich schwer.
Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, seit ich mich gegen das Vampirdasein entschieden habe. Trotzdem ist meine Vergangenheit allgegenwärtig. Mein Vater, Magnus, die 26. Abteilung. Und nun ist da auch noch Rome.

Kapitel 6

Das Chicago X hat in der Stadt wie eine Bombe eingeschlagen. Der schnelle Herzschlag dieser Stadt ist hier drin beinahe spürbar. Laut und voll. Überschwänglich und alkoholgeschwängert zeigt die Stadt, was sie zu bieten hat. Frisch lackierte Gesichter, das Lächeln zu breit, die Gesten zu ausschweifend - das Spiel mit der Illusion von Schönheit ist hier drin perfektioniert. An diesem Abend ist es mal wieder so voll im Club, dass ein Durchkommen auf der Tanzfläche unmöglich ist.
Es klebt Haut an Haut, Haare werden aufreizend im Takt der Musik geschüttelt, Hände gehen auf Wanderschaft. Die Meute tanzt ekstatisch zum gleichmäßigen Beat, der aus den Lautsprechern dröhnt. Der laute Bass lässt die Körper summen und die zuckenden Lichter, die Zeit für ein paar Sekunden stillstehen. Hungrige Küsse, eng umschlungene Leiber und neckende Bisse gefrieren im Licht der aufblitzenden Laser, während ich mich durch die zappelnde Menge schiebe.
Der Schweiß rinnt zwischen meinen Brüsten herab und ich schlängele mich mit einer Reihe von Entschuldigungen und „Achtung“ Rufen den kurzen Weg von der Bar bis zum Fuß der Treppe, die zu den Tischen im Lounge-Bereich führt, der auch heute beinahe wieder überquillt und in dem Kate dringend eine helfende Hand benötigt.
Ich entdecke ein paar bekannte Gesichter, grüße Amelie, meine liebste Radiomoderatorin vom Sender ID, die viel zu häufig hier ist und heute einen blauen Glitzerfummel im Schuppenmuster trägt, der sie wie eine Nixe aussehen lässt. Ihre Aufmerksamkeit wird ganz von ihrer neuesten Eroberung beansprucht, sodass es nicht weiter stört, dass ich keine Zeit für ein Gespräch mit ihr habe. Am Nachbartisch lachen ein paar Spieler der 24. Abteilung. Die „Wolves“ scheinen ihre drei Niederlagen in Folge recht gut zu verkraften, zumindest sprechen ihr breites Grinsen und ihre blöden Sprüche dafür, ziehen sie doch lautstark über die Leistung des Chicagoer Wolfspack der Northwick Universitity her.
Ein paar Frauen am Geländer werfen ihnen aufreizende Blicke zu, wippen mit den Hüften affektiert im Takt und ich schüttele amüsiert den Kopf über ihren Versuch, die Spieler zu sich zu locken. Ich räume im Vorübergehen ein paar Gläser auf mein leeres Tablett, das ich mit nach oben gebracht habe, nehme ein paar Bestellungen auf, überhöre Anmachsprüche, das gierige Starren und auch die Zettel mit Telefonnummern und gehe zwischen den voll besetzten Tischen, die terrassenförmig von der Tanzfläche aus ansteigen, an die große Bar, hinter der Kate gerade ein Bier zapft.
Ich liebe diesen Club. Vom cremefarbenen Fußboden aus Tadelakt, der nahtlos in die gleichfarbigen Wände übergeht und in runde Sitzgelegenheiten, welche schwere, dunkle Tische umschließen, bis zum edlen schwarzen Tropenholz, das überall dort aufblitzt, wo eine Ecke, oder eine Kante entsteht und das die Bar und die Decke bekleidet. Alles wirkt schlicht aber dennoch elegant.
 
„Man könnte meinen bei den Preisen würden sich die Gäste mit dem Bestellen von Getränken zurück halten. Wenn das so weiter geht, kann ich morgen schon wieder zweihundert von den teuren Champagnerflaschen nachbestellen“, stöhnt sie, als ich die Theke umrunde.
Ich stelle das Tablett neben die große Spüle. „Schätze, die meisten hier haben ohnehin zu viel Geld und sie werfen es gerne zum Fenster heraus.“
Sie nickt seufzend. „Wahrscheinlich.“
Alles, was Rang und Namen hat, kommt mittlerweile her und die Wartelisten, um hier rein zu kommen, sind schon jetzt ebenso lang wie legendär.
Ich hacke die Bestellung in den Computer, hieve einen Eiskübel, der tatsächlich aus Eis besteht, aus dem Gefrierfach, stelle ihn auf die kleine Auffangschale und tauche dann unter die Bar ab um eine von jenen teuren Flaschen zu Tage zu fördern, die extra für das X angefertigt worden sind, lasse sie in den Kübel fallen und fülle ihn mit Eiswürfeln.
„Die Spieler sollten weniger trinken und besser spielen“, schnaubt Kate, während ich die Bestellung auf mein Tablett packe und noch zwei eisgekühlte Flaschen des teuren „Diamant Blood“ aus dem Kühlfach hole, das angeblich auch nicht anders, als normales Blut schmeckt, außer dass es mit Kirscharoma versetzt ist.
Zumindest behauptet das Kate. Und ich vertraue ihrem verwöhnten Gaumen da vollkommen. Konsumiert sie neue Lifestyle Produkte doch wie andere Leute Luft. Nicht, das ich mich beschweren würde, ist sie in den letzten Monaten doch zu meiner besten Freundin geworden, aber manchmal übertreibt sie es zu Zeiten dann doch mit ihrer Hingabe für die schönen Dinge im Leben. Aber ich würde sie für kein Geld der Welt jemals wieder hergeben wollen. Außerdem kann sie ihrer Shoppingsucht noch einer ganzen Weile frönen, solange wir weiterhin so einen Umsatz mit dem Club machen.
Anders als Kate würde ich ihren Bruder aber sehr gerne wieder loswerden. Ignoriert mich Rome doch schon seit dem Tag, an dem das Chicago X seine Pforten geöffnet hat. Es scheint beinahe so, als sei ich unsichtbar geworden, seit ich meine Chicago X Schürze umgebunden habe. Selbst zuhause werde ich nicht einmal mehr begrüßt. Stattdessen werde ich niedergestarrt oder mit einem bösen Seitenblick abgestraft, sobald ich den gleichen Raum betrete. Was für mich aber ungemein schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass Rome noch keinen einzigen Whisky bei mir bestellt hat in den zwei Monaten, in denen das X schon geöffnet hat.
 
 
Alissa, eine meiner Kolleginnen, saust an mir vorbei, beladen mit drei Flaschen Blut und flucht leise vor sich hin. Offenbar läuft etwas mal wieder nicht wie geplant, vielleicht liegt es aber auch an Rome, der finsteren Blickes zu uns an die Bar kommt und sich einfach am riesigen Kühlschrank unter dem Tresen bedient, ohne mich oder Kate zu begrüßen. Seine rubinroten Augen streifen mich kurz, dann packt er die Wodkaflasche fester.
Kate mustert ihren Bruder wütend, sagt aber keinen Ton und ich sehe betreten zu Boden. Ob er mein Geheimnis kennt und deshalb so ist?
„Ich habe einen Minovka rausgenommen, setz es auf meine Rechnung“, informiert er mich kühl und macht einen Bogen um mich..
„Es ist einfach lächerlich, was Rome abzieht“, meint Kate und nimmt einen Schluck von ihrem Wasser, das sie neben der Spüle abgestellt hat.
„Es ist mir mittlerweile egal, was ich seiner Meinung verbrochen habe“, stelle ich fest. „Ich habe nichts getan, was seine Missachtung verdienen würde. Er kann es mir ja noch nicht einmal ins Gesicht sagen, was ich getan haben soll.“
Kate tätschelt mir beruhigend die Hand und lächelt mitleidig. „Mein Bruder ist ein Idiot. Wahrscheinlich ist es etwas total Bescheuertes.“
„Wie auch immer, ich sollte weiter arbeiten“, meine ich kurz angebunden. Über Rome möchte ich ehrlich gesagt gar nicht nachdenken. Rome schafft es mich aus dem Gleichgewicht zu bringen und das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.
Wann immer sein Blick so abwertend über mich streicht wie eben, will ich sterben. Mich in eine Ecke verkrümeln und darauf warten, bis er verschwunden ist.
 
Ich zupfe mir mein Top zurecht und fahre über meine kleine Schürze, die ich über meine enge Jeans gebunden habe, bevor ich in den VIP-Bereich schreite, um die leeren Gläser einzusammeln. Rome sitzt mit seinen wichtigen Freunden am hintersten Tisch und mustert mich kritisch, während er an seinem Drink nippt. Die Mädchen, die an ihm hängen und ihn mit schmachtenden Blicken bedenken, lassen etwas in mir hochsteigen, das ich nicht näher definieren will. Sicher nimmt er auch heute mehr als eine von ihnen mit nach Hause.
Schnell wende ich mich ab und schenke einem hübschen Vampir mit asiatischem Aussehen einen verführerischen Augenaufschlag, während ich ihm sein leeres Glas wegnehme.
Er stottert etwas, das ich nicht verstehe und ich zucke entschuldigend mit den Schultern, bevor ich an den nächsten Tisch gehe.
Als ich schließlich zu Romes Tisch komme, wirft dieser mir einen finsteren Blick zu, dem ich nicht ausweichen kann. So hole ich nur tief Luft und beuge mich über den Tisch, um die leeren Blutflaschen und Romes Glas mitzunehmen.
Ich falle fast vorn über, als mir einer der Jungs auf den Hintern schlägt und anfängt zu lachen. Genervt stütze ich mich am Tisch ab. Männer in betrunkenem Zustand sind schlimmer wie jedes Kleinkind. Alles müssen sie ankrabbeln und alles scheint sie zu amüsieren. Gerade will ich dem Typen gerade meine Meinung sagen, als Rome auch schon an mir vorbei hechtet und den Kerl, wegen dem ich auf dem Tisch gelandet bin, hinter sich her zerrt. Andrej, der neben Rome saß, stürzt ihm hinterher und Caleb, der ebenfalls mit am Tisch gesessen hat, hilft mir mit einem entschuldigenden Lächeln auf. „Der Typ wird dich nicht mehr belästigen ... Übrigens hast du da einen Fleck auf dem Shirt.“
Ich verdrehe die Augen über Cales Gedankensprünge und schenke ihm ein dankbares Lächeln, als er mir ein Papiertaschentuch reicht.
„Danke“, grinse ich und wische mir über den Blutfleck, der über meiner linken Brust prangt und meinen Namen rot färbt.
„Kein Problem. Versuch das nächste Mal einfach nicht in Romes Nähe Männer dazu zu bringen dir auf den Hintern zu hauen.“
„Ich werde es versuchen“, meine ich amüsiert und stecke Calebs Taschentuch in meine Hosentasche.
„Sehr gut. Ich werde jetzt auch mal nach Romes Exgeschäftspartner sehen.“,
„Warum Ex?“, frage ich perplex.
„Denkst du wirklich Rome, würde jemandem der sein Schätzchen angrabscht noch mal etwas abkaufen?“ Damit lässt Caleb mich stehen und verschwindet sang- und klanglos in der Menge.
Schätzchen? Seit wann bin ich denn Romes Schätzchen? Caleb spinnt ja wohl!
Bevor ich darüber nachgrübeln kann, was Calebs Aussage zu bedeuten hat, werde ich auch schon vom nächsten Gast angesprochen, der etwas bestellen möchte.
Als ich mich zu dem Kerl umdrehe, der mich angesprochen hat, will ich im Boden versinken.
Magnus rote Augen wandern über meine Gestalt und er grinst anzüglich. „Ich hätte gerne einen Whiskey, einen Doppelten … und danach hätte ich gerne dich, Belle.“
Mein Magen sackt ins Bodenlose. „Was?“, presse ich hervor, während ich versuche meine Gedanken zu sortieren. Das hier ist mein Adoptivbruder. Und er nennt mich Belle - Belle ist mein Spitzname. Hat er mich etwa erkannt?
Ich bin geliefert, wenn er mich erkannt hat.
Magnus streicht sich durch das weißblonde Haar und grinst müde. „Ich hätte gerne Sex mit dir, meine Schöne.“
Okay, mein Adoptivbruder hat mich also nicht erkannt. Sonst würde er mir wohl kaum so ein Angebot machen.
„Nein, danke“, bringe ich hervor und gehe mit wackligen Beinen davon.
Oh Gott, Mag ist hier!
Mit zitternden Fingern mache ich ihm seinen Whiskey und begebe mich dann zurück zu meinem persönlichem Verderben.
Magnus wirft mir ein Bündel Scheine hin. „Den Rest kannst du behalten. Ich weiß nicht, wie viel Trinkgeld ihr hier normalerweise kriegt.“
Ich stecke die hundert Dollar weg und reiche ihm sein Wechselgeld, da wir angewiesen wurden, nichts an Trinkgeld anzunehmen.
„Dann eben nicht, Schönheit ... Ich habe gesehen, wie dein Boss ausgerastet ist. Da läuft wohl was zwischen euch?“, fragt er amüsiert.
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, aber nein“, fühle ich mich genötigt zu antworten. Immerhin ist das Magnus.
„Wie schade für ihn“, lächelt Magnus und ich weiß nicht, was er sich in seinem schönen Kopf gerade ausmalt. Aber seinem Blick entnehme ich, dass es nichts Jugendfreies ist.
„Einen schönen Abend noch“, verabschiede ich mich und verschwinde schnell aus seiner Reichweite.
 
 
Ich bin gerade dabei zwei Wodka-Martini zu mixen, als Rome vor Wut bebend hinter die Theke gestürmt kommt und mir die Getränke aus der Hand reißt.
„Hattest du etwas mit ihm, ja oder nein?“, schreit er und knallt die Gläser auf die Theke, sodass ihr Inhalt über den Rand schwappt und auf die Theke tropft.
„Wovon redest du?“, frage ich schockiert. „Mit wem soll ich etwas haben?“
„Das weißt du ganz genau!“, schnauzt er mich an und fast mich hart an den Oberarmen.
„Wovon redest du, bitte?“, frage ich erneut. „Du tust mir weh.“
Rome blinzelt verwirrt und lässt mich schließlich los. „Das ist mein Club. Und wenn du etwas mit Magnus hast, dann schwöre ich dir, dass du schneller-“
„Ich habe nichts mit ihm! Ich habe doch nichts mit Kunden! Ich bin doch keine Hure!“, fahre ich ihn an.
„Ach wirklich? Es kommt mir fast so vor. Du flirtest doch mit jedem“, schreit Rome mich an und ich hole zitternd Luft.
„Du ...“, ich starre ihn mit aufgerissenen Augen an, bevor ich aushole und ihm, bebend vor Enttäuschung und Wut, eine Ohrfeige verpasse. Das klatschende Geräusch, das meine Finger auf seiner Wange hinterlässt, wird von der lauten Musik übertönt, sodass es niemand anderes mitbekommt.
„Du verfluchtes Arschloch“, schlucke ich und mache rasch zwei Schritte rückwärts, um von ihm weg zu kommen.
„Mira...“, setzt er entschuldigend an.
„Lass mich bloß in Ruhe“, unterbreche ich ihm harsch und merke, wie mir die Tränen über die Wangen laufen.
Den Rest des Abends verbringe ich im unteren Drittel des Clubs, an der Bar neben der Tanzfläche, wo sich hauptsächlich die menschlichen Mitarbeiter von X und die weiblichen Vampire herumtreiben.
Bloß weg von Rome und Magnus, die sich dort oben herumtreiben.
 
 
Es ist fast sechs Uhr morgens, als ich endlich die Hintertreppe des Clubs empor klettere und die Tür zum Hinterhof aufstoße.
Anstatt Kate vorzufinden, die mich wie jeden Tag mit nach Hause nimmt, lehnt Rome an der Wand und stößt sich lässig ab, als er mich erkennt.
„Mira, ich – es tut mir leid.“
„Lass mich in Ruhe.“
Rome schnaubt und rammt die Hände in die Anzugtaschen. „Ich soll dich aber nach Hause fahren.“
„Ich laufe.“
„Sei nicht albern.“
„Nein, weißt du was, ich habe eine bessere Idee! Ich sollte zu Magnus gehen und es mit ihm treiben, das ist es doch, was du von mir erwartest“, stelle ich spitz fest und rausche an ihm vorbei, oder habe es zumindest vor, denn Rome versperrt mir den Weg.
„Du bleibst hier!“, knurrt er und wirft mich, bevor ich überhaupt reagieren kann, über seine Schulter.
„Lass mich runter!“, brülle ich und trommle auf seinen Rücken ein, da er meine Füße wohlweißlich fest umklammert hält. „Du verfluchtes Arschloch! Lass mich!“
Rome wandert ungerührt mit mir zum Auto und ich fange an zu heulen.
Das ist so gemein! Er beschimpft mich, er ignoriert mich und jetzt werde ich auch noch entführt!
Tränen quellen aus meinen Augen und ich schluchze laut auf. „Lass mich los!“
Rome hört mir nicht zu. Und er stellt mich erst ab, als er die Tür zu seinem schwarzen Cadillac Escalade geöffnet und mich hineingeworfen hat.
Er schwingt sich hinter das Lenkrad und mustert mich kühl. „Das mit der Hure tut mir leid.“
Ich schnäuze mich laut in Calebs blutverschmiertes Taschentuch und wische mir die Tränen weg.
„Das sollte es auch, verflucht!“, heule ich nicht sehr adrett.
„Du riechst nach so vielen Männern. Das macht mich wahnsinnig“, schluckt Rome und fährt sich durch sein tintenschwarzes Haar. „Und wenn ich dann auch noch sehe, dass dich jemand anflirtet oder dich angrabscht, dann … Heute habe ich meinen Geschäftspartner krankenhausreif geschlagen, weil er dir auf den Hintern gehauen hat.“
Ich kann Rome nur anstarren, der tödlich grinsend zu mir herüber sieht. „Weißt du noch der Typ aus Starbucks, mit dem du ausgegangen bist?“
„Ja?“, bringe ich erschrocken raus.
„Ich hab ihm gedroht ihn umzubringen, wenn er dich wiedersieht“, meint er und hört sich entgegen seiner Worte ziemlich verzweifelt an. Seine Autoschlüssel klimpern, als er sie ins Zündschloss steckt.
„Du hast ... ich dachte er wollte nichts von mir?“, sage ich perplex und Romes Grinsen erlischt. Stattdessen legt er seine Finger aufs Lenkrad, fixiert sie eine Weile und senkt den Kopf.
„Er mochte dich.“
Ich sehe ihn an und weiß nicht, ob ich lachen oder weiter heulen soll.
Und er schweigt einfach.
Seine blutroten Augen sehen mich nicht an und seine Hände umfassen das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten.
Ich hole zitternd Luft. „Fahr mich bitte einfach nur nach Hause, ja?“, bitte ich ihn, weil mir sonst nichts weiter einfällt. Außer ihn zu beschimpfen, aber das wäre sehr undankbar. Immerhin schulde ich ihm so viel.
Rome tut nach einer Ewigkeit wie ihm geheißen und startet endlich den Motor, während ich mich auf dem Beifahrersitz zusammenrolle und mich möglichst weit weg von ihm platziere.
Ich beobachte ihn, wie er kalt und emotionslos hoch schaltet und durch die Dämmerung nach Hause rast. Das Thermometer zeigt noch immer drückende 28 Grad an, während das Radio leise vor sich hin dudelt. Ich beobachte gebannt, wie sich die Gewitterwolken am grauen Himmel immer höher türmen und das erste Morgenlicht verschlucken.
Ich vernehme das erste Donnergrollen, als Rome auf die Hauptverkehrsstraße biegt, die zu dieser Tageszeit wie ausgestorben ist. Als Rome endlich vor dem Haus zum Stehen kommt, ist der Wind zu einem handfesten Orkan angewachsen und die alten Bäume biegen sich ächzend und knarrend im Wind, während die ersten dicken Regentropfen meine Haut benetzen.
Ein Blitz zuckt gleißend hell über meinen Kopf hinweg und ich hebe fasziniert meinen Kopf. Der ohrenbetäubende Donnerschlag vibriert in meinem Körper und ich recke meine Nase ein bisschen höher in den kühlen Wind, der mir endlich Abkühlung bringt.
„Mira, was tust du denn da?“ Rome nimmt mich vorwurfsvoll an die Hand und dirigiert mich ins Haus.
„Ich liebe Gewitter! Draußen ist es viel schöner“, meckere ich.
„Draußen ist es auch gefährlicher“, antwortet Rome kalt. „Wenn du eine Abkühlung willst, geh duschen.“
Wie langweilig!
„Ich muss mir von dir gar nichts sagen lassen!“, fahre ich ihn an und stürme zurück nach draußen um mich auf den Treppenstufen vor dem Haus niederzulassen.
Der Regen durchnässt mich bis auf die Knochen und der kalte Wind lässt mich in meinen dünnen Klamotten bibbern, doch es ist mir egal.
Rome soll sich zum Teufel scheren! Er ist nicht anders wie all diese anderen Vampire auch! Besitzergreifend und selbstverliebt! Ich gehöre ihm nicht! Er hat kein Recht, mich zu behandeln, als sei ich ein Eigentum, das er steuern kann!
So ein Idiot!
Das Schlimme ist nur, dass ich ihn immer noch mag.
Ich mag ihn sogar immer mehr. Und ich weiß, dass sich dieses Gefühl Schwärmerei schimpft. Je häufiger länger er mich ignoriert hat, desto schlimmer wurde es. Und nun bin ich verliebt. Ich liebe einen Vampir. Einen penetranten, dummen, fast verheirateten Vampir!
Das ist so kläglich, dass ich am liebsten schon wieder losheulen würde!
 
 
Irgendwann wird es sogar mir draußen zu kalt und ich schlüpfe durch die Tür hinein, um mich in mein Zimmer zu verkrümeln.
Meine Arme fühlen sich taub an von der Kälte und meine steifen Finger versuchen vergeblich die Knöpfe meiner Bluse zu öffnen. Ich will gerade losschimpfen, als sich lange, gepflegte Finger zu meinen gesellen und meine Bluse sanft, aber bestimmt öffnen.
Meine Augen fliegen auf und ich fahre herum, und starre Rome entsetzt an, der hinter mir steht.
„Du solltest nicht hier sein“, wispere ich erschrocken.
„Hm“, brummt er, bevor er mich gegen seine Brust drückt und mich aus meiner Bluse befreit.
„Rome“, bringe ich zitternd hervor und registriere erschrocken, wie er meine Jeans öffnet und den Reisverschluss aufzieht.
„Ich will dich. Nur einmal. Gewähr es mir, dieses eine Mal“, flüstert er gegen meine Schläfe. Etwas in mir wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Rome diese Worte sagt. Etwas anderes in mir schreit auf vor lauter Panik. Er will Sex!
„Lass mich dich verführen Mira. Du wirst es nicht bereuen.“
„Nein“, schaffe ich es herauszubringen. „Nein“, wiederhole ich und mache mich von ihm los.
Rome will eine erfahrene Frau, aber die bin ich nicht. Ich bin noch Jungfrau! Ich werde mich so dämlich anstellen, dass er mich nie wieder angucken wird.
„Geh jetzt Rome“, meine ich schwach ohne ihn anzusehen. „Bitte.“
Im nächsten Augenblick ist er verschwunden und ich bin allein im Zimmer.
Allein, fröstelnd und verzweifelt.

Kapitel 7

Seit unserem nächtlichen Zusammentreffen ist Rome noch abweisender als zuvor und ich wünschte, er wäre in jener Nacht nicht zu mir gekommen. Es schmerzt, wenn er einfach an mir vorübergeht ohne mich zu grüßen. Wirklich grausam ist es aber in den Nächten, wenn das wohlige Stöhnen von Frauenkehlen durch die Wände dringt, die ihn um mehr anflehen. Ich hasse ihn dafür, dass er mir das jeden Abend aufs Neue antut. Am liebsten würde ich nach drüben stürmen und ihn von seinen Gespielinnen zerren. Doch da ich für so etwas einfach nicht taff genug bin, gehe ich ihm, wenn möglich aus dem Weg und schlafe meist mit angeschaltetem Radio, um sein Treiben nicht mitzubekommen.
Im Club läuft es noch immer hervorragend und ich habe mir angewöhnt mein Ego etwas aufzupolieren, indem ich auf die kleinen Flirts eingehe und diese auch genieße, so gut es geht. Dabei hilft mir auch, dass Rome so gut wie nie im X ist. Manchmal ist er über Wochen verschwunden um seine Verpflichtungen als Abteilungsleiter der 24. nachzukommen. Häufig erwische ich mich dabei, dass ich den Raum nach ihm absuche und jedes Mal schäme ich mich ein wenig für mein Tun.
 
Wenn Rome aber doch einmal da ist, dann prickelt mein ganzer Körper vor Spannung. Ich merke, wie ich lauter lache, wie mein Flirten intensiver wird und mein Lächeln aufreizender, in der Hoffnung, dass er mich bemerkt. So etwas habe ich noch nie gefühlt. Mein ganzes Sein dreht sich nur um ihn. Meine Welt scheint nur dort zu existieren, wo auch er ist. Ich fühle mich lebendiger, als ich es jemals für möglich gehalten habe. Menschlicher. Aber auch verletzlicher. In ihn verliebt zu sein ist wie ein Drahtseilakt zwischen Himmel und Hölle.
 
Es ist Montag. Der einzige freie Tag in meiner Woche und den verbringe ich vor dem Fernseher, weil ich zu faul war, mit Kate auszugehen, die heute Abend ins „Neon“ wollte, einem neuen In- Restaurant, um dort einen drauf zu machen. Da ich aber anders als sie, sechs Tage die Woche im Club arbeite, war mir nicht danach in die glitzernde Partywelt der Metropole abzutauchen. Ich schlafe schon fast, als ich einen Schatten auf dem Balkon wahrnehme. Doch als ich einen zweiten Blick zum geöffneten Fenster werfe, ist nichts mehr zu sehen.
Merkwürdig.
Das fade Mondlicht erhellt spärlich das Zimmer, als ich den Bildschirm ausschalte und der sanfte Abendwind bauscht sanft die langen Vorhänge auf.
Seufzend drehe ich mich auf die Seite und ziehe die Bettdecke etwas fester um mich. Wahrscheinlich habe ich mir das Ganze nur eingebildet. Den Kopf tiefer in die Kissen drückend, gebe ich ein Seufzen von mir und schließe die Augen. Ich sollte schlafen.
Ich bin gerade dabei mir eine bequeme Schlafposition zu suchen, als ich eine Bewegung an meinem Fuß wahrnehme. Erschrocken zucke ich zusammen und öffne die Augen. Im ersten Augenblick sehe ich nur die weißen, weichen Laken, die ich um mich verteilt habe und ich will das Ganze schon als Hirngespenst abtun, als ich es leises Zischen höre.
Mit klopfendem Herzen rutsche ich ans Kopfende und will gerade panisch loskreischen, weil da etwas Schuppiges über mein Bettzeug kriecht, als sich auch schon eine schmutzige, kalte Hand auf meinen Mund presst und mich ein schwerer Körper auf die Matratze drückt.
„Arg“, höre ich mich hervor bringen, gedämpft von seiner stinkenden Hand. Die Augen weit aufgerissen, starre ich in das Gesicht des Kerls, der mich im Klammergriff gefangen hält.
Ich kenne ihn. Sein aalglattes Gesicht, mit der viel zu gekrümmten Nase, das kurze, sorgfältig geschnittene Haar, dem viele Büschel fehlen und die fahle Haut. Das ist Romes Exgeschäftspartner. Der, der mir damals auf den Hintern gehauen hat und der daraufhin von Rome krankenhausreif geprügelt wurde.
„Scht“, grinst er und lässt seine Zunge über meine Wange gleiten. „Wir wollen doch niemanden aufwecken, bevor wir fertig sind.“.
Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken, während er mich fester packt und sich enger gegen mich drängt.
Ich gebe einen erstickten Protest von mir, woraufhin er mir ein Stück Stoff in den Mund stopft. „Ich sagte, du sollst den Mund halten.“ Er reißt meine Hände nach oben. „Denkst du, ich lasse mich einfach so wegen einer kleinen Hure aus meinem Job werfen? Wenn ich mit dir fertig bin, wird der Boss dich nicht einmal mehr ansehen wollen. Er wird sehen, was du wert bist.“
Ich bekomme keine Luft. Er liegt halb auf meinem Brustkorb und der Lappen in meinem Mund trägt ebenfalls nicht zu einer Besserung bei, während er meine Handgelenke umklammert.
„Ich sehe, was sie alle an dir finden“, lacht der Schlangenmann und packt mich begierig an den Brüsten.
Ich gebe ein verzweifeltes Keuchen von mir und versuche mich mit letzter Kraft aus seinem Griff zu winden.
„Oh ja, wehr dich, das macht den Triumph nur süßer“, haucht er in mein Ohr und schiebt seine freie Hand unter mein Top, das ich zum Schlafen über gezogen habe. Seine ekelhaften Finger krallen ich in die zarte Haut meiner Brust und ich spüre die Tränen in meinen Augenwinkeln brennen. Mein Atem ist flach. Mit Entsetzen spüre ich die Beule in seinem Schritt gegen die Laken stoßen und versuche mich aus seinem Griff zu winden.
„Na komm, gib mir einen Kuss“, höre ich ihn schnarren. Die Luft, die er beim Sprechen ausstößt, stinkt nach Zwiebeln und Alkohol und ich muss würgen. Ein widerliches, beklemmendes Gefühl.
„Na, na“, tadelt er mich, weil ich versuche den Lappen auszuspucken und gleichzeitig seinen Lippen ausweichen will. „Beweg dich nicht.“ Es schwindelt mich. Seine Lippen krachen auf meine. Mir wird schwarz vor Augen. Nur kurz, dann wird der Druck auf meiner Brust plötzlich weniger und ich kann zumindest wieder Luft holen.
„Keine Sorge, so einfach mache ich es dir nicht.“
Seine Hände wandern an Stellen, die noch von keinem berührt wurden und ich gebe ein weinerliches Wimmern von mir. Grob reißt er an meinen Shorts und an meinem Top. Um Hilfe schreien kann ich nicht, und selbst wenn, würde mich ohnehin niemand hören, weil keiner im Haus ist. Verzweiflung schwappt über mir zusammen und ich schließe angewidert die Augen. Wenn ich schon von dem Typen vergewaltigt werde, ohne etwas dagegen tun zu können, muss ich mir wenigstens nicht selbst bei dieser Demütigung zusehen. Oder ihm den Triumph geben, mich heulen zu sehen.
Ich sollte einfach an etwas anderes denken, etwas das mich davon ablenkt. An den Club, an Kate, an Rome. Mich durchläuft ein Zittern, als seine Finger über meinen Venushügel gleiten und ich halte mich in Gedanken an Rome fest. Wieso habe ich nicht mit ihm geschlafen, als er es wollte? Dann wäre mein erstes Mal wenigstens mit dem Vampir geschehen, in den ich verliebt bin.
Gerade als der Kerl mein Oberteil zerreißt und seinen Kopf zwischen meinen Brüsten vergraben will, höre ich, wie plötzlich die Tür aufgerissen wird.
„Mira? Ist alles okay bei dir, du gibst so-“
Rome starrt uns an. Sieht von dem Typen, zu mir und wieder zurück. Und dann ist es plötzlich vorbei. Mit einem Satz hat er den Kerl von mir herunter geholt und schlägt ihm mitten ins Gesicht, bevor er sich auf ihn stürzt und ich hustend den Lappen zu Tage fördere und nach Atem ringe.
„Niemals fasst du sie an!“, schreit er den Typen an. „Hatte ich das nicht klar gemacht?“
„Sie hat es nicht anders verdient.“
„Ich hätte dich schon beim ersten Mal umbringen sollen!“, erwidert Rome ihm nur und greift ihm an die Kehle. Der Schlangenmann gibt ein Röcheln von sich, den man als Protest deuten könnte und dann verwandelt er sich einfach zurück in seine Tiergestalt. Zischend schlingt eine riesige Python sich um seinen Körper. Ihr schwerer Körper wickelt sich um ihn und ich kann die Muskeln unter ihrer schuppigen Haut arbeiten sehen, träge aber unaufhaltsam.
Mein Vorzeigevampir gibt einen wütenden Fluch von sich, während die Schlange ihre Zähne zeigt. „Dass du es wagst.“
Mit klopfendem Herzen bedecke ich meine entblößten Brüste und beobachte erstarrt, wie sich der Schlangenkörper fester um Romes Brust zurrt.
Das Knurren, dass aus Romes Kehle rinnt, ist tief und grollend und mich überläuft ein eisiger Schauer. Und dann ist er plötzlich verschwunden und an seiner statt windet sich ein Panther aus dem Würgegriff der großen Python, schlägt die Krallen in den schuppigen Körper und gräbt seine Zähne in das Fleisch. Schließlich packt er ihn direkt hinter dem Kopf und schüttelt sie angewidert. Der Panther lässt schließlich von der Schlange ab, bevor er ihm in die Kehle beißt und mich mit großen, wachen Katzenaugen anstarrt. Aus seinem Mund tropft dickflüssig das Blut. Der lange, schwarze Körper zittert von der Anstrengung, während sich seine Nase bebt. Offenbar versucht er, sämtliche Gerüche auf einmal zu identifizieren.
Noch immer liegt sein Blick auf mir und ich verschränke die Hände noch etwas panischer vor der Brust.
Der Panther fixiert mich noch immer und mir entkommt ein freudloses Lachen. Natürlich konnte Romes Tiergestalt nichts Niedliches sein. Oder etwas Normales, wie zum Beispiel ein Hund. Es muss natürlich eine Wildkatze sein.
Er gibt etwas von sich, das sich verdächtig nach einem Schnurren anhört, bevor er sich einfach umdreht und mit der Schlange im Maul aus dem Zimmer trottet, wobei er deren leblosen Körper über die Dielen schleift. Kaum ist Rome verschwunden, verwandelt sich mein Lachen in ein haltloses Schluchzen und ich vergrabe meinen Kopf zwischen meinen Knien. Ich zittere am ganzen Körper. Meine Kehle schmerzt, meine Handgelenke, meine Brüste … und ich fühle mich einfach nur unsagbar dreckig. Überall hat er mich angegrabscht. Ich wische mir über den Mund und spüre die Tränen über meine Wangen rollen.
Ich höre etwas Rumsen und nach einiger Zeit schließlich Romes Stimme, die leise und wütend Anordnungen gibt.
Noch immer sitze ich unbewegt auf meinem Bett, die Fingernägel in meine Oberarme gekrallt und versuche mich zu beruhigen, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Taille spüre. Ich kreische auf und versuche mich loszumachen.
„Ist schon gut, Kleines“, murmelt Rome beruhigend an mein Ohr und schiebt seinen Arm um meine Mitte. „Ich tu dir nichts.“
Mein Herz klopft mir bis zum Hals, während er mich enger an sich zieht. Seine Haut ist feucht und er riecht nach Duschgel. Offenbar hat er sich schon gewaschen und neu eingekleidet. Er trägt ein schlichtes, frisches schwarzes Hemd, das er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hat und eine ausgewaschene Jeans.
„Na komm, gehen wir dich jetzt sauber machen“, sagt er sanft und hebt mich dann einfach hoch. „Ich ...“
Romes durchtrainierte Armmuskeln schmiegen sich an mich, als er mich ins Bad trägt. „Ich werde dich nicht anfassen. Keine Sorge. Ich will nur nicht, dass du mit dem Blut in Berührung kommst.“
Ich wünschte er würde es tun, an jeder Stelle, die der andere so rücksichtslos befingert hat.
Ich hole tief Luft, als er mich auf den Badfliesen abstellt und den Wasserhahn der Badewanne aufdreht, eine halbe Flasche Badeschaum hineinschüttet und zwei Handtücher aus dem Wandschrank holt. „Ich warte draußen.“
„Nein ... bleib hier ... bitte“, bringe ich hervor, bevor ich es verhindern kann. Ich will nicht, dass er geht. In seiner Nähe ist es sicher.
„Okay“, meint er schulterzuckend.
„Nur … Kannst du die Augen zu machen?“, frage ich schüchtern.
 
Rome lacht nicht über mich, sondern tut, was ich gesagt habe und so streife ich die Fetzen meines Oberteils von den Schultern, schäle meine Shorts langsam von meinem nassgeschwitzten Körper und beobachte Romes Gesicht, dessen Lieder nicht einmal zucken, bevor ich die Dusche anstelle und mich darunter stelle.
 
Meine Haut ist rotgeschruppt, als ich aus der Dusche steige, und ich klettere schnell in die überschäumende Wanne.
Rome öffnet die Augen, als mein Körper versteckt vom Schaum im Wasser liegt, und schenkt mir ein halbes Lächeln, bevor er seine Hand ausstreckt und mir eine nasse Strähne von der Stirn pflückt. „Soll ich Kate anrufen?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich will ihr nicht den Abend verderben.“
Er verschränkt die Arme auf dem Wannenrand und legt sein Kinn auf seinem Unterarm ab. „Sie wird es wissen wollen. Und du solltest mit jemandem darüber reden.“
Ich schaffe es, den Kopf zu schütteln. „Muss ich nicht.“
Romes dunkelrote Augen streichen über mein Gesicht. „Natürlich musst du das nicht … ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert, in Ordnung?“, sagt er ganz unvermittelt.
Ein Nicken bringe ich geradeso zu Stande und Rome fährt mir über die Wange. „Tut dir irgendetwas weh?“
„Nein.“ Meine Stimme ist dünn.
Romes Fingerspitzen wandern über meine Wange zu meinen Lippen und ich kann nur wie hypnotisiert daliegen und mit stiller Faszination dabei zusehen, wie seine Pupillen dem Schwung seines Daumens folgen.
„Ich sollte jetzt gehen … Dein Zimmer macht man gerade sauber. Wenn etwas ist, ich bin in meinem Schlafzimmer“, höre ich ihn mit belegter Stimme sagen, bevor er sich erhebt und mich allein in der Wanne zurück lässt.
Ich will schon protestieren, doch dann beiße ich mir auf die Zunge, weil ich mich daran erinnere, dass er sicher noch arbeiten muss und ich kein Recht habe, nach allem, was er gerade für mich getan hat, noch weiter seine kostbare Zeit zu beanspruchen.
 
Als ich schließlich wieder in meinem Bett liege, ist es unmöglich für mich einzuschlafen. Ich wälze mich von einer Seite auf die andere und denke über die versuchte Vergewaltigung nach. Immer wieder wandert mein Blick zu dem sich aufbauschenden Vorhang und ich bemerke, wie ich schon wieder anfange zu zittern.
Obgleich ich mir einrede, wie albern das ist, tragen mich meine Beine schließlich zu Romes Zimmer. Etwas unschlüssig klopfe ich schließlich an und warte darauf, dass er mich hereinbittet.
„Komm rein Mira“, kommt es dumpf von drinnen und ich folge seiner Aufforderung auf der Stelle.
Rome sitzt vor einem aufgeklappten Laptop auf einer großen, schwarzen Ledercouch und raucht. Die blaue Rauchwolke, die er ausstößt, während er mich abwägend fixiert, wabert langsam durch den Raum.
„Kannst du nicht schlafen?“, fragt er und drückt schließlich seine gerade erst angefangene Zigarette aus. Ein Zugeständnis, das mich erstaunt.
Ich nicke. „Das auch. Ich wollte danke sagen. Für alles.“
Romes Lächeln ist ehrlich, als er sich erhebt und zwei Schritte auf mich zu macht. „Ist schon okay.“
„Nein, ist es nicht. Er hätte mich… wenn du nicht da gewesen wärst, dann hätte der Typ mich vergewaltigt“, heule ich plötzlich los und Rome zuckt erschrocken zurück, als ich mein Gesicht an seiner Brust vergrabe.
Wie ein ungelenker Fels steht er da, bevor er schließlich zögerlich die Arme um mich schlingt. „Er wird dir nie wieder zu nahe kommen, versprochen“, murmelt er.
„Ich dachte wirklich, dass er… ich habe keine Luft mehr bekommen ...“ Ich verschlucke mich an meinen Tränen und drücke mich näher an Rome.
„Sieh es positiv. Immerhin bist du keine Jungfrau mehr, sonst wäre das echt ein Trauma für dich“, stellt Rome in einem miserablen Aufmunterungsversuch fest.
Ich hole schniefend Luft. „Ich bin noch Jungfrau, du Idiot!“
„Oh!“, entkommt es Rome nicht gerade intelligent. „Ich dachte, du ...“
„Mit wem hätte ich denn bitte schön schlafen, sollen?“, fahre ich ihn an und mache mich von ihm los.
„Ist schon okay, Mira, kein Grund sauer zu werden“, brummt er entschuldigend, wobei er sich viel zu fröhlich anhört und zieht mich schließlich zurück an seine steinharte Brust. „Das macht doch nichts..“
Ich gebe ein Schniefen von mir.
„Es tut mir leid, okay. Das wusste ich nicht“, sagt er und legt seine Finger unter mein Kinn, um mich zu zwingen ihn anzusehen. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich niemals so bedrängt.“
„Rome“, schlucke ich schwer.
„Du solltest versuchen zu schlafen. Wenn du möchtest, kannst du hier bleiben. Ich passe auf dich auf“, schlägt er zutraulich vor und deutet in Richtung des großen Bettes.
„Legst du dich zu mir?“, frage ich hoffnungsvoll, doch Rome schüttelt den Kopf.
 
Ich gebe ein Seufzen von mir, als er mich loslässt. „Ich habe noch zu tun.“ Sein Lächeln ist entschuldigend. „Und leider kann ich das nicht länger aufschieben, aber bitte bleib.“
Da es mir unhöflich erscheint abzulehnen und mein Bestreben in mein Zimmer zu kommen gerade unter null erscheint, nicke ich zögerlich.
„Gut“, stellt er sachlich fest und verschwindet zurück zu seiner Couch, während ich auf sein Bett klettere und schließlich unter die Bettdecke schlüpfe, um mich in die Kissen zu kuscheln, die so verführerisch nach Romes Aftershave duften.
„Nacht“, seufze ich.
„Schlaf gut“, höre ich Romes tiefe Stimme zu mir herüber wehen.
 
Ich erwache kurz vor fünf Uhr am Nachmittag und stutze, als ich Rome entdecke, der noch immer in der gleichen Position über seinem Laptop sitzt wie gestern Nacht.
„Hey“, bringe ich schläfrig hervor und reibe mir meinen Schlaf aus den Augen.
Romes Kopf ruckt leicht verpeilt in meine Richtung, bevor er sich durchs Haar streicht und mir ein kleines Lächeln schenkt. „Na, ausgeschlafen?“
Ich nicke schüchtern. „Ja.“
„Wie geht´ s dir? Irgendwelche blaue Flecken?“, fragt er mich fast besorgt.
Verwirrt sehe ich an mir herunter und untersuche meinen Körper. „Nichts zu sehen“, meine ich schließlich erleichtert und Rome schenkt mir ein ehrliches Lächeln.
„Gut. Und ich hoffe du hast Hunger, denn meine kleine Schwester fand einkaufen gehen zu gegebenem Anlass wohl unpassend. Stattdessen hat sie sich darauf verlegt zu backen. Muffins … Berge von Zitronenmuffins“, wiederholt er mit Grabesmiene. „Unsere Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld.“
„Sie hat gebacken?“, hake ich ungläubig nach. Kate am Herd kann ich mir gar nicht vorstellen.
„Ich fürchte ja.“ Er verschränkt die massigen Oberarme hinter dem Kopf und macht den Eindruck eines zufriedenen Katers, der gerade eine Weile in der Sonne gedöst hat, anstatt zu arbeiten. „Außerdem kommt sie schon den ganzen Tag hier rein geschneit, um nach dir zu sehen und stört mich bei der Arbeit.“
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, findet er das eher amüsant als nervig. „Sie ist eine echte Nervensäge.“ Mit diesen Worten erhebt er sich von der Couch, lässt seinen Nacken knacken und grinst, als ich bei dem Geräusch das Gesicht verziehe. Die ausschweifend definierten Muskeln, unter seinem schwarzen Hemd bewegen sich bei jedem Schritt in meine Richtung aufreizend und für einen Augenblick sehe ich vor meinem geistigen Auge den Panther wieder, der mich mit Bernsteinaugen fixiert.
„Wenn ich meine Schwester richtig verstanden habe, macht sie mich kalt, wenn ich dich heute arbeiten lasse … Nicht dass ich das vorgehabt hätte“, murmelt er und reißt mich so aus meinen Gedanken. „Du kannst solange liegen bleiben, wie du willst.“
Ich blinzele ungläubig, weil er sich auf der Bettkante niederlässt und sich über mich lehnt. „Natürlich nur, wenn du willst.“
Oh, verflucht, was tut er denn da? Er ist mir so nah, dass ich nur den Kopf heben müsste, um ihn zu küssen. Einen Arm neben mir in die Kissen gestemmt verharrt er über mir.
„Ich deute dein Schweigen mal als ja“, brummt er und wickelt sich eine Strähne meines schon wieder viel zu langen Haares um den Zeigefinger. Seine blutroten Augen gleiten von meiner Haarsträhne zu meinen Lippen und dann räuspert er sich vernehmlich und bringt wieder Abstand zwischen uns. „Ich sage Kate, dass du wach bist.“
Noch bevor Rome zur Tür gehen kann, stürmt seine Schwester aber schon herein, umgeben von einer Wolke ihres roten Haares.
„Mira!“ Sie stürzt auf mich zu und Rome kann gerade noch einen Schritt zur Seite machen, bevor sie ihn umrennen kann. Kate begräbt mich in einer festen, knochenbrechenden Umarmung. „Na endlich bist du wach … Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe?“
„Hmpf“, bringe ich an ihre Schulter gepresst raus und erwidere ihre Umarmung. „Entschuldige.“
„Du kannst doch nichts dafür“, schnappt Kate. „Daran ist allein Angus Keller Schuld! Und Romes! Nicht deine, das darfst du nicht eine Sekunde glauben. Rome hätte gar nicht erst mit so jemandem zusammenarbeiten dürfen. Er hätte es wissen müssen“, redet sich Kate in Rage und ich beobachte Rome entsetzt über Kates Schulter hinweg, dessen Hände sich zu Fäusten ballen.
Er sieht wütend aus, aber vor allem unglücklich.
„Manchmal fehlt meinem Bruder jegliches Einschätzungsvermögen. Immer nur Politik, Politik- Er sollte manchmal viel härter durchgreifen.“
Rome presst die Lippen zusammen und Kate wettert weiter gegen ihn „Diese Bagage, die sich in seiner Nähe herumtreibt.“
Ein Muskel in seiner Wange zuckt bei ihrem letzten Satz und ich will irgendetwas sagen, dass es besser macht, aber mir fällt nichts Passendes ein. Rome hat schon ein schlechtes Gewissen. Sie braucht nicht auf ihn einzutreten. Er hat den Typen von mir herunter gezogen und … kurz frage ich mich, was mit dem Schlangenmann passiert ist, doch eigentlich will ich nicht wissen ob er tot oder lebendig ist. Ich will überhaupt nicht über ihn nachdenken.
„Rome sollte sich manchmal mehr wie der Boss verhalten, der er ist und weniger wie ein vergnügungssüchtiger Playboy. Er trägt Verantwortung. Wenn er seine Geschäfte in seinem Büro erledigen würde, wie jeder andere normale Abteilungsleiter, wärst du niemals in diese Situation gekommen!“
Ihr Bruder senkt den Blick, während sie weiter schimpft.
„Es ist nicht seine Schuld“, versuche ich sie zu stoppen.
„Das sagst du nur, weil du viel zu nett bist.“
„Sie hat recht Mira … Es ist meine Schuld und es tut mir leid“, entschuldigt er sich und ich fühle mich miserabel dafür. Er hat mich gerettet und nun fühlt er sich schuldig. Das geht doch nicht.
„Das macht es auch nicht besser“, fährt Kate ihn an. „Komm mit, Mira … lass uns nach unten gehen, du musst bestimmt sterben vor Hunger.“
„Aber-“, protestiere ich, noch immer von Kate umklammert.
„Na komm schon. Mein Bruder muss sicher noch arbeiten, wir wollen ja nicht, dass so etwas noch einmal passiert, nicht wahr?“
Obgleich ich Kates Zorn verstehen kann, ist er doch vollkommen in die falsche Richtung gelenkt. Der Schlangenmann war es, nicht Rome der mich beinahe vergewaltigt hätte. Und das sage ich ihr auch, kaum dass wir Romes Schlafzimmer verlassen haben. Sie gibt nur ein Schnauben von sich. „In deinen Augen kann er wohl gar nichts falsch machen."

Kapitel 8

Kate schiebt mich auf einen der Barhocker am Küchentresen und wandert in Richtung einer großen Schüssel, die inmitten eines Turmes dreckigen Geschirrs und eingesauter Arbeitsflächen steht. „Ich habe gebacken“, informiert sie mich strahlend und stellt mir die Schüssel unter die Nase. „Andrej und Caleb sagen, man kann sie essen. Und ich finde auch, dass sie nicht schlecht geworden sind.“
Sie funkelt mich mit diesem Erwartungsfrohen Blick an, den man sonst nur bei kleinen Kindern findet und so linse ich in die Schüssel, in der ein Haufen kümmerlich aussehender Muffins liegt. Vollkommen deformiert und an manchen Stellen eindeutig zu dunkel geraten, halb versteckt unter einer Haube aus Puderzucker.
„Sehen gut aus“, lüge ich und wage nicht sie anzusehen, da sie sonst weiß, dass es eine schamlose Lüge ist. Weil jeder immer gleich weiß, wenn ich lüge. Ich bin einfach nicht dafür gemacht. So stopfe ich mir ein Stück des kleinsten Zitronenmuffins in den Mund, welchen ich entdecken kann und kaue probeweise darauf herum. Er schmeckt ganz in Ordnung, wenn auch etwas angekokelt.
„Und?“
„Gut“, bringe ich mit vollem Mund hervor.
Sie strahlt übers ganze Gesicht.
 
Nachdem ich bis um zwölf Uhr nachts mit Kate in der Küche gesessen bin, werde ich langsam unruhig. Ich bin es einfach nicht gewohnt zwei Tage hintereinander nichts zu tun. Schlafen kann ich noch nicht wieder.
„Hast du Lust noch etwas raus zu gehen?“, frage ich schließlich.
Kate, die gerade dabei ist den Abwasch zu machen, hält inne. „Nein“, antwortet sie mir tadelnd. „Eigentlich nicht. Wieso?“
„Ich will noch irgendetwas machen. Hier fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich fühle mich so unnütz, wenn ich nicht arbeiten gehen kann.“
Sie lässt die Edelstahlschüssel, die sie gerade gespült hat, auf das Abtropfgitter sinken und dreht sich zu mir.
„Wir könnten einkaufen gehen.“
Mein Schulterzucken lässt sie schmunzeln. „Oder auch nicht. An was dachtest du?“
„Eigentlich wollte ich mir mal den Dollarmord ansehen.“
Kate zieht eine Augenbraue nach oben und ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht weiß von was ich rede oder sie einfach geplättet davon ist, dass ich mir etwas ansehen will, das nichts mit einkaufen zu tun hat. „ Du weißt schon, der Wolkenkratzer der nur aus Stahl und Glas besteht und in dem diese Aufzüge hoch und runter fahren … Diese Aussichtsplattform am Ufer des großen Sees.“
Kate schnalzt mit der Zunge. „Ernsthaft? Das ist doch vollkommen unnütz dort hoch zu gehen. “
„Woher soll ich das wissen, wenn ich noch nie oben war? Als ich damals hierhergekommen bin, wollte ich mir all die Sehenswürdigkeiten ansehen die Chicago zu bieten hat. Den Dollarmord, die Höhle des Styx, das Gildenhaus des faulen Zauber, die Cashcow, den Heiratsstein und das Wolfsherz- kannst du dir vorstellen, dass ich das Wolfsherz noch nie gesehen habe? Dabei ist es der Kern m… eurer Herkunft.“
Kate lässt den Spüllappen sinken. „Echt nicht? Aber jeder der hierherkommt sieht sich das Wolfsherz an. Das ist der Grund, weshalb die meisten Touristen herkommen.“
„Ich nicht“, erwidere ich beinahe trotzig. Wie hätte ich es mir ansehen sollen? Als ich damals hierher kam, habe ich es aus Angst in die Arme einer der Gefolgsleute meines Vater zu laufen, nicht gewagt eine der Sehenswürdigkeiten zu besuchen und dann, als ich angefangen habe im X zu arbeiten hatte ich entweder keine Zeit oder keine Lust etwas für meine Kultur zu tun. Bis heute.
„Okay. Das ist peinlich. Du wohnst hier schon wie lange? Das musst du dir ansehen!“, ereifert sich Kate. „Das Wolfsherz ist der Hammer. Ich meine durch diesen riesigen Rubin ist angeblich die Magie dieser Welt in jener Nacht verschwunden, als die sieben Magier das Blutritual vollzogen haben und alles schief ging und sie uns Gestaltwandler in Vampire verwandelt haben. So besagt es immerhin die Legende! Das sollte man gesehen haben. Genau wie das Gildenhaus, in dem Möchtegern Magier noch heute versuchen die Magie zurück zu bringen.“
Ich schiebe die Unterlippe nach vorn. „Also gehen wir da nun hin?“
„Wir haben kurz nach zwölf Uhr in der Nacht.“
„Ich habe bis fünf geschlafen. In meiner Zeitrechnung ist es höchstens Mittag.“
Sie wischt sich über die Stirn und schmunzelt. „Ach so rechnest du das.“
„Also? Gehst du bitte mit mir dahin? Zum Wolfsherz? Ich bin mir sicher sie haben da rund um die Uhr geöffnet und auch dort gibt es sicher einen Haufen Souvenirshops die wir danach unsicher machen können, sobald wir uns genug mit Kultur bespaßt haben“, versuche ich ihr meine Idee schmackhaft zu machen.
Kate verzieht das Gesicht und greift nach dem Geschirrhandtuch, das an einem Haken, direkt neben dem Kühlschrank hängt. „Du hältst mich wohl für eine Kulturschlampe. Sehe ich etwa so aus, als könne mich die Aussicht auf einen Einkaufsbummel dazu bringen alles stehen und liegen zu lassen?“
Den Mund geschürzt, die Hände in die Seiten gestemmt und ein Bein lässig eingeknickt, fixiert sie mich schelmisch.
„Jepp“, gluckse ich und ducke mich unter ihrem Abtrockentuch hinweg, das sie in meine Richtung schleudert, wobei ich beinahe vor Lachen vom Stuhl falle. „Aber nur ein ganz kleines bisschen!“
Das nächste Handtuch erwischt mich am Arm und ich rutsche lachend vom Hocker um in Deckung zu gehen.
„Was treibt ihr da?“, fragt Andrej perplex, der gerade in die Küche kommt, als ich mir das Geschirrtuch vom Boden schnappe und in den Angriff über gehe.
„Kate ist eine Kulturschlampe“, informiere ich ihn und pariere ihren nächsten Versuch meinen Arm zu treffen gekonnt.
„Kultur mag sie nur, wenn sie sie kaufen kann.“
Andrej, der mal wieder zu viel Gel in den dicken braunen Haaren trägt, lockert sich grinsend die Krawatte und streckt seine gekrümmte Nase prüfend über den Schüsselrand, während Kate und ich uns neben ihm Kabbeln. Noch immer weiß ich nicht, ob ich Andrej als gutaussehend bezeichnen würde, aber ich mag ihn unglaublich gerne, genau wie Caleb und Viktor.
„Kann man die Essen? Oder hebt ihr die für jemanden auf?“
„Iss so viel du magst“, strahlt Kate, während ihr Handtuch auf meinem Hintern landet.
„Cool.“ Seine Hand wandert in die Schüssel. „Und das mit der Kulturschlampe wusste ich schon immer.“
Das karierte Geschirrtuch landet in seinem Gesicht, wobei der Puderzucker von dem Muffin in den er gerade gebissen hat, sowohl in seinem Gesicht, wie auch auf seinem gesamten schwarzen Anzug und seinem dunkelblauen Hemd landet.
Andrej verschluckt sich beinahe, würgt sein Stück Zitronenteig hinunter und nimmt das Wurfgeschoss, das in so zugerichtet hat in die Hand. „Mädels, das gibt Krieg… Gleich … wenn ich … fertig gegessen habe“, droht er kauend. Der restliche Muffin landet mit einem Bissen in seinem Mund, dann stürzt er sich auf uns.
Unter lautem Gekreische, viel Wind und weichen Handtuchschlägen, tollen wir durch die noch immer vollkommen chaotische Küche, ruinieren Andrejs Anzug noch etwas mehr und quietschen vergnügt, als wir ihn gemeinsam in die Zange nehmen und er sich schließlich nicht anders zu helfen weiß, als mich an der Taille zu packen und versucht mich als Waffe gegen Kate einzusetzen, was damit endet, dass ich ihn in die Seite pieke und er versucht lachend auf den Füßen zu bleiben, während Kate sich ebenfalls auf ihn hechtet.
Am Ende liegen wir alle drei lachend auf dem Boden und ich japse glucksend nach Luft.
Kate sieht mich über Andrejs Schulter hinweg an. „Na schön ich geh mit dir das Wolfsherz ansehen, aber danach gehen wir einkaufen.“
„Deal“, schlage ich ein. „Kommst du auch mit, Andrej?“
Er lässt den Kopf mit einem Rumsen auf die Fliesen sinken. „Kann ich leider nicht. Rome und ich haben etwas zu besprechen.“
„Oh, so ein armer Mann“, witzelt Kate und streicht sich eine Locke ihres Haares hinters Ohr. „Man könnte beinahe meinen, du seist überarbeitet.“
„Das bin ich. Aber da mich keiner außer mir meinen Job machen kann, ist Urlaub einfach nicht drin.“
Kate verdreht die Augen. „Angeber.“
„Naja, das ist einer der Gründe, weshalb ich ihn zu meinen engsten Freunden zähle.“ Viktor lehnt am Tresen mit einem Stapel Aktenordnern in der Hand. „Und jetzt beweg deinen Hintern Andrej, wir haben noch zu tun … hey ihr zwei“, grüßt er uns mit einem schmalen Lächeln und dann ist er auch schon wieder verschwunden.
Andrej gibt ein lautes Seufzen von sich. „Buchhalter. Für keinerlei Spaß zu haben“, stöhnt er, kommt aber sofort auf die Füße. Sein Anzug ist über und über mit Mehl und Puderzucker bedeckt und er gibt ein frustriertes Seufzen von sich. „Jetzt darf ich mich auch noch umziehen, als hätte ich nicht schon genug um die Ohren.“
 
Kate gibt ein unwilliges Stöhnen von sich, kaum dass wir aus dem Aufzug des Parkhauses steigen und auf den außerirdisch anmutenden, verschachtelten Bau aus Glas und Beton zuhalten, der sich vor uns erhebt. „Kaum zu fassen, das wir jetzt wirklich Kultur gucken gehen.“
Sie setzt sich eine übergroße Sonnenbrille auf die Nase und greift nach einer ihrer Baseballmütze.
Ich runzele die Stirn. „Denkst du die Tarnung ist notwendig? Du bist nicht Rome.“
„Man kann nie wissen“, seufzt sie. „Man weiß nie, wer sich hier rum treibt. Vielleicht hätten wir einen der Jungs mitnehmen sollen … vielleicht werden wir am Ende auch noch entführt und das nur, weil wir uns einmal gebildet verhalten wollten.“
„Entführt? Denkst du nicht, jetzt geht deine Fantasie etwas mit dir durch?“
Kate schnalzt mit der Zunge. „Drüben in Helsinki und in der achtzehnten Abteilung verschwinden im Augenblick dauernd irgendwelche Frauen.“
„Wir sind in Chicago“, gebe ich zu bedenken. „Und diese Tarnkleidung von dir, macht dich auffälliger anstatt unauffälliger.“
Sie zieht sich die Kappe vom Kopf und schmeißt sie mit einem Fluch in die nächste Mülltonne. „Meine Sonnenbrille behalte ich aber auf.“
 
Und das tut sie auch. Mit verschränkten Armen zuckelt sie hinter mir her, während wir durch die schier endlose Kunstsammlung des Museums schreiten, die den Weg zum Wolfsherz säumt. Die hohen Räume die wir durchschreiten sind trotz der späten Stunde noch gut gefüllt, doch die Kunstliebhaber sind eindeutig mehr an den schwere Ölschinken an den Wänden, als an Kate Darren interessiert, die mit Grabesmine die alten Portraits wichtiger Menschen der 24. Abteilung über sich ergehen lässt. „Wenn die hier nur etwas Mitleid mit mir hätten, dann hätten sie mindestens die Hälfte dieser alten Schinken schon im nächsten Kaminfeuer verheizt.“
Eigentlich habe ich gute Lust ihr zuzustimmen, doch da ich sie her geschleppt habe und wir ein horrendes Eintrittspreis bezahlt haben, fühle ich mich genötigt wenigstens so zu tun, als sei das alles höchst interessant.
„Das gibt´s doch nicht. Da ist Rome“, entkommt es mir erstaunt, als sich die Menge vor mir weiter bewegt und den Blick frei gibt auf ein beinahe zwei Meter hohes Bild.
„Nee. Das ist unser Dad.“ Kate deutet auf das Schild, aus schlichten Goldlettern. “Ezra Cooper. Leiter der 27. Abteilung von 1537-1759. In erster Ehe mit Danielle Darren verheiratet. Vater von Rome und Katharine Darren. Gestorben 1997.“
„Er sieht gut aus“, entkommt es mir, während ich das Bild neugierig mustere. Die beiden haben wirklich eine verblüffende Ähnlichkeit miteinander. Der einzige Unterschied den ich ausmachen kann ist, das sich seine Augenaußenwinkel elegant nach unten ziehen und sein Blick so noch etwas überheblicher wirkt wie Romes, falls das überhaupt noch möglich ist.
Kate gibt ein entnervtes Seufzen von sich. „Glaub mir. Das wusste er. Er war ein Drecksack der herumgehurrt und gevögelt hat, bis sich die Balken bogen. Hat unsere Mutter damit das Herz gebrochen. Trotzdem ist sie bei ihm geblieben, bis sie bei meiner Geburt gestorben ist. Ezra hat danach ziemlich schnell wieder geheiratet. Konnte ihm scheinbar gar nicht schnell genug gehen, wieder eine neue Ehefrau zu finden.“
„Oh, tut mir Leid.“
„Schon gut. Du kannst ja nichts dafür. Und jetzt würde ich gerne weiter gehen, ich habe keine Lust noch erkannt zu werden.“
„Sicher“, meine ich entschuldigend.
Kate schenkt mir ein Lächeln. „Tut mir leid, das ich so kurz angebunden bin. Ich rede nur nicht gern über ihn.“
„Keine Sorge. Ich verstehe das“, beeile ich mich zu versichern.
„Da hinten geht es zum Wolfsherz.“
Wir folgen der Beschilderung gerade um die nächste Ecke, als vor uns Tumult ausbricht.
„Hierher! Sehen Sie hierher!“
Und dann bricht ein Blitzlichtgewitter über einem armen Opfer herein, das sich rechts von uns vor einer überlebensgroßen Statue eines Wolfes, der ein Lamm reißt, in die Enge getrieben wurde. „Sehen Sie hierher Magnus! Hierher!“
Kate und ich geben beide ein entsetzes Keuchen von uns. Sie, weil sie wohl fürchtet ebenfalls von den Papparazzi erkannt zu werden und ich, weil der blonde Schopf der ab und zu hinter der Mauer aus Fotographen zu sehen ist, eindeutig meinem Adoptivbruder gehört.
„Jetzt ist aber gut“, höre ich einen der Museums Wächter sagen. „Hier drin ist fotographieren nicht erlaubt.“
Unterstützt von drei weiteren herbei eilenden Vampiren, ist er dabei die wild gewordene Fotographenmeute hinaus zu komplimentieren, während Kate und ich uns beeilen weiter zu kommen.
„Was tue ich nicht alles für dich“, zischt Kate leise, als wir den nächsten Raum betreten.
„Und ich bin dir wirklich sehr dankbar dafür.“
Sie zeigt mir einen Schmollmund. „Das hoffe ich auch. Und nun sieh dir das Ding an, damit wir wieder verschwinden können, bevor ich meine derangierte Frisur morgen früh in Din A3 Format bewundern kann und noch eine Affäre mit Magnus Casey angedichtet bekomme. Und wie Rome auf eine angebliche Affäre meinerseits mit seinem größten Konkurrent im V- Rugby reagiert, will ich mir gar nicht ausmalen.“
Ich werde vorwärts geschoben.
In dem abgedunkelten Raum sitzen vier recht verschlafen aussehende Museumswächter, die auf die Touristenhorde Acht geben soll, die sich um die Glasvitrine drückt.
„Also los jetzt.“ Sie schubst mich ungeduldig in Richtung Menschenmenge, so schwungvoll, dass ich ausversehen mit einem recht pickeligen Teenager kollidiere, der gerade dabei ist den Rückzug anzutreten.
„Entschuldige.“
Der vielleicht sechszehnjährige Junge läuft krebsrot an und stammelt schließlich etwas, das ich mit etwas Mühe als „Schon gut“, identifiziere.
Ich schenke ihm ein Lächeln und Kate einen bösen Blick. Sie zuckt nur grinsend mit den Schultern. „War doch ganz süß, der Kleine.“
„Wenn man dreizehn ist, vielleicht.“
Ich höre sie Glucksen, doch ich bin zu gebannt von diesem riesigen Stein, der sich dort vor uns auftut.
Der große Klumpen aus Rubin, der in einem übergroßen steinernen Wolfsmaul umklammert wird, dessen lange spitzen Zähne aus schwarzem Speckstein die Fassung bilden, ist nur auf einer Seite geschliffen und wird von einem ganzen Bataillon von Scheinwerfern angeleuchtet. Das dunkle, satte Rot, das auf den ersten Blick beinahe schwarz erscheint, glimmt leuchtend warm im hellen Scheinwerferlicht, ganz so, als sei es von einem inneren Feuer geschürt. Die fortwehrende Bewegung, die durch das Dickicht aus Rot zu schweben scheint, übt eine beinahe magische Anziehungskraft auf mich aus und ich zucke erschrocken zusammen, als Kate mir die Hand auf die Schulter legt. „Es ist umwerfend, nicht wahr? Ich wünschte ich hätte genau diese Augenfarbe und nicht dieses stechende hellrot, das ich von meiner Mutter geerbt habe.“
Ich sehe in das schier endlose rot. Wenn man so dicht davor steht, scheint die Legende zur Entstehung unserer Spezies gar nicht mehr so albern.
Bei diesem Rubin kommt selbst Romes Augenfarbe nicht mit.
Sie grinst. „Frag mich nicht, wie oft ich Rome schon angefleht habe es mir zu schenken. Aber er sagt dauernd es sei Kulturerbe, das könne man nicht kaufen. Eine Frechheit wenn du mich fragst. Es würde sich unglaublich gut an meinem Hals machen, gleich nachdem ich es aus dieser Fassung befreit habe.“
„Sei nicht so eine Kulturschlampe, Kate. Es ist hier gut aufgehoben. Wer braucht schon so einen Klunker? Überleg wie schwer das Ding sein muss.“
„Sei doch nicht so vernünftig.“
Wir starren noch ein wenig in die rote Tiefe des Rubins und seufzen schließlich gleichzeitig.
„Ich gehe jetzt den Souvenirshop plündern. Kommst du mit, oder bildest du dich noch etwas weiter?“
„Hm. Ich weiß nicht. Gibt es denn noch mehr Portraits von Romes und deiner Familie? Gibt es vielleicht sogar ein Bild von dir?“
Kate verschränkt die Arme vor der Brust und funkelt mich über ihre Sonnenbrille hinweg an. „Das gibt es. Aber unter keinen Umständen zeige ich dir das.“
„Tja. Dann werde ich wohl noch etwas länger hier bleiben müssen, denn unter keinen Umständen lasse ich mir das entgehen.“
Kate schüttelt entnervt den Kopf. „Tu was du nicht lassen kannst. Ich bin unten. Einkaufen.“
Damit schlendert sie davon und lässt mich allein zurück.
 
Eine Stunde später habe ich das Bild noch immer nicht gefunden und langsam bezweifele ich, dass es überhaupt existiert. Außerdem muss ich zugeben, dass ich abgelenkt wurde von den fantastischen Werken William Turners, die den Betrachter beinahe mit sich in die Tiefen der aufgewühlten See ziehen. Ich schlendere gerade noch verträumt vom letzten Meisterwerk, das ein Segelschiff in erstaunlicher Schräglage zeigte durch die nächste Tür, als ich in eine großgewachsene Wand laufe.
„Oh, Entschuldigung“, sage ich verdattert und sehe auf. Sehe weiter auf und schlucke entsetzt.
Magnus. Offenbar ist er seinen Anhang los geworden. Er hält ein Telefon in der Hand und hat ein paar Ohrstöpsel in den Ohren und scheint genauso wenig wie ich selbst auf seinen Weg geachtet zu haben.
Dunkelrote Augen bohren sich in meine, während mich der Geruch von Leder und seinem altbekannten Aftershave über mir zusammenschwappt.
Seine Augen scheinen beinahe meine Netzhaut zu durchbohren und dann macht er einen Schritt zurück.
Er starrt mich noch immer an, als ich einen Schritt zurück mache und schließlich in die entgegengesetzte Richtung davon stürmend. Inständig darum betend, er habe mich nicht erkannt.

Kapitel 9

Eine knappe Woche später, habe ich meine Befürchtungen, Magnus könne mich erkannt haben schon beinahe verdrängt.
Stattdessen hat mich das Alltagsleben wieder.
Das X brummt an diesem späten Mittwochabend vor Betriebsamkeit und ich habe keine Zeit mir Gedanken um etwas anderes als “Diamant Blood“ oder Champagnerbestellungen zu machen.
Die Spieler der “Wolves“ tummeln sich auf der Tanzfläche und sonnen sich im Glanze ihres knappen Sieges vom letzen Sonntag. Ein paar versprengte Prominente aus Film und Fernsehen haben sich eingefunden, die neugierig beäugt werden und auch ein paar recht bekannte Models durchstreifen den Club auf der Suche nach Zerstreuung. Doch ich sehe nicht einen von Romes Geschäftspartnern. Auch hohe Mitglieder anderer Abteilungen suche ich heute Abend vergebens.
„Rome sagt, der Club sei ab jetzt für Geschäfte jeglicher Art tabu. Wenn er einen erwischen sollte, der sich nicht daran hält gibt es Hausverbot“, erklärt mir Kate, als ich verwundert nachhake. „Scheinbar hat er das erste Mal in seinem Leben tatsächlich auf mich gehört.“
Sie grinst und hämmert die nächste Bestellung in den PC. „Aber ich glaube auch, dass ihn die Sache mit Keller ganz schön mitgenommen hat. Mal sehen wie lange seine Vernunft anhält.“
Ich wische mir die vom Spülwasser feuchten Hände an meiner Schürze ab. „Ist mir egal, solange mich keiner mehr von denen angrabscht oder sich einbildet ich müsse vor ihm auf die Knie gehen nur weil er ein sechsstelliges Gehalt im Jahr verdient.“
Kate nickt zustimmend. „Irgendwie scheinen die meisten Männer, sobald sie mindestens einen Untergebenen haben ihr Hirn abzugegeben und es durch heiße Luft und Machosprüche zu ersetzen.“
„Du sprichst mir aus der Seele“, seufze ich und bestücke dann mein Tablett mit zwei Flaschen Bier und einer ganzen Wagenladung “Blue Ballett“ Shots und zwei “Acai Sea“. Während ich meine schwere Bestellung in Richtung der Tische hieve, kommt Kate nun ebenfalls in Bewegung.
 
Mein Shirt klebt an meinem Körper und der Schweiß rinnt über meinen Rücken, als ich gegen halb sechs die Hintertreppe nach oben steige und auf den Hinterhof des „Chicago X“ trete, dessen Kopfsteinpflaster vom Morgennebel feucht und rutschig geworden sind.
Die Parkplätze der Belegschaft des X sind wie leer gefegt und ich gebe ein tiefes Seufzen von mir, während ich den vollen Müllsack neben die Tür stelle und die Tür zum Club zweimal abschließe, bevor ich die Alarmanlage aktiviere.
Es ist die Stunde vor Tagesanbruch und die Nacht hier im Inneren des Stadtkerns seltsam ruhig. Die Gäste liegen längst in ihren Betten und schlafen ihren Rausch aus und auch die Mitarbeiter haben schon seit einer halben Stunde Feierabend.
Ich bin heute die Letzte, die den Club verlässt, denn es war heute an mir, den Kassensturz zu machen und die obligatorische Runde durch den Club zu drehen, um sicher zu gehen, dass sich keine Gäste mehr oder minder betrunken in irgendwelchen Ecken verkrochen haben, weil Kate bereits gegen drei Uhr nach Hause gefahren ist, nachdem sie vorhin mit dem Mageninhalt eines Gastes Bekanntschaft geschlossen hatte. Die Nacht im X war trotz allem angenehm ruhig und ich finde die Tatsache, dass ich heute seit einer schieren Ewigkeit einmal wieder allein nach Hause laufen muss, nicht weiter betrüblich, weckt der frische Wind und der leichte Nieselregens doch meine Lebensgeister.
Beschwingt greife ich nach dem Müll und lasse meinen Blick durch den leeren Hinterhof gleiten, der rein gar nichts über das glamouröse Innenleben des Clubs verrät.
Die alten Backsteinwände sind mit alten, teilweise zerrissenen Plakaten beklebt, hier und da bröckelt der Mörtel und auch ein paar wenig schmuckvolle Graffiti zieren das Gemäuer. Der Hof ist heruntergekommen, aber auf eine so charmante Art und Weise, dass ich nichts daran wollte.
Der erste der drei großen Müllcontainer ist schon jetzt total überfüllt, sodass nicht einmal der Schürhaken, den wir manchmal verwenden um die Säcke weiter nach hinten zu schieben noch etwas ausrichten könnte und so muss ich zum nächsten in der Reihe wandern, um die Überbleibsel des Barbetriebs vorbildlich zu entsorgen. Dabei fällt mein Blick auf eines der Plakate an der Wand. Auf dem gelben Papier, das die Dunklen stets verwenden um Vermissten Anzeigen aufzugeben, starrt mich das schwarzweiße Gesicht eines jungen Mädchens an “Misha Haest“, steht darauf in großen Lettern geschrieben. „Verschwunden.“ Unter ihrem Abbild sind ein paar Randdaten notiert und ich frage mich, ob auch von mir solche Flugblätter existieren, während ich betroffen die Daten der Kleinen überfliege.
Kaum sieben Jahre alt und Opfer eines Verbrechens geworden, wie fürchterlich.
Ich schließe den Container ab und schiebe seufzend eine widerspenstige Locke hinter meine Ohren, die ob des Nieselregens ihre ursprüngliche Form zurück verlangt und nicht länger in weichen Wellen um mein Gesicht fallen möchte.
In letzter Zeit scheinen die gelben Papiere immer häufiger aufzutauchen und ich frage mich, ob es nicht vielleicht klüger ist Rome oder einen anderen der Jungs anzurufen, um mich abholen zu lassen, so wie Kate es mir eingebläut hat. Doch irgendwie kommt mir das reichlich kindisch und paranoid vor. Wer sollte schon eine Kellnerin entführen wollen?
So beschließe ich durchaus das Risiko eingehen zu können allein nach Hause zu laufen und schlage die Krempe meines Mantels nach oben um einen kleinen Umweg über den Stadtpark zu machen, den ich schon so lange nicht mehr besucht habe.
 
Ich komme an einem, ob der Uhrzeit ausgestorbenen Kinderspielplatz vorbei und lasse mich seufzend auf der im Wind schwingenden Schaukel nieder, weil ich die Länge des Weges auf meinen hohen Schuhen doch etwas unterschätzt habe. Keine Menschenseele ist zu sehen, nur die Vögel toben schon laut lärmend in den Sträuchern. Die Ketten der Schaukel sind nass und kalt, doch meine Füße danken es mir herzlich, dass ich diese Unannehmlichkeit in Kauf nehme.
Die alten, großen Bäume rauschen im Wind und die Nebel, die aus der feuchten Wiese aufsteigen versprechen einen warmen Tag.
„Guten Abend, Mira.“
Ich falle beinahe von der Schaukel, als sich eine Gestalt aus dem dichten Nebel löst, der sich zwischen den alten Eichen verdichtet hat.
Für einen Augenblick glaube ich, Angus Keller sei zurück um sein Werk das er letzte Woche begonnen hat, fortzuführen.
Doch es ist nicht Keller.
„Magnus“, wispere ich beinahe erleichtert, als ich seinen vertrauten Kopf erkenne.
Mein Adoptivbruder schenkt mir ein eisiges Lächeln und zeigt mir kurz seine spitzen, todbringenden Eckzähne. „Du hast mich erkannt? Hervorragend … Ich dich auch, Belle.“
Ich schlucke entsetzt und umfasse die kühlen Eisenketten der Schaukel fester.
Nein. Nein, das kann nicht sein.
„Denkst wohl, ich würde dich nicht erkennen und dein Geruch bleibe unerkannt, was? … Dumme, kleine Belle. Du bist Pius Tochter … es gibt genug Leute die dich suchen. Und endlich, endlich hat dich jemand gefunden.“ Er hört sich beinahe vorwurfsvoll an und ich gebe ein wenig souveränes Keuchen von mir.
„Halt den Mund“, flehe ich.
Magnus lässt seinen Blick über den verlassenen Spielplatz schweifen. „Warum sollte ich, meine Schöne?“
Die Schaukel quietscht widerspenstig, als sich seine viel zu kräftigen Hände um die Eisenketten schließen.
„Weil ich nicht zurück will.“
„Wer will das schon“, knirscht er. „Warum denkst du spiele ich im Team der 26.?“
Ich ringe nach Atem, während sein ebenmäßiges Profil näher kommt. „Weil du es liebst dich zur Schau zu stellen … und du V- Rugby magst“, stelle ich schließlich stockend fest.
„Das auch.“ Seine dunkelroten Augen finden meine. „Doch vor allem versuche ich den Regeln deines Vaters und deiner Mutter zu entgehen … Ich verstehe dich vielleicht besser, als du denkst, Mira.“
Er lässt seine Linke unter mein Kinn wandern und verhindert so, dass ich seinem Blick ausweichen kann.
„Was willst du?“, frage ich kalt.
Magnus knirscht mit den Zähnen, während sein Daumen über meine Unterlippe reibt. „Ich will gar nichts.“
„Was willst du?“, wiederhole ich erschrocken. Es ist das erste Mal, dass Magnus mich auf diese Art berührt. In all den Jahren hat er meine Nähe gemieden und wenn überhaupt höchstens einmal unbeholfen über meinen Rücken gestrichen, wenn ich mal wieder alleine und unglücklich in einer der vielen Zimmer unseres Hauses saß.
Seine Augen schließen sich und für den Bruchteil einer Sekunde sieht er beinahe so unglücklich aus, wie ich mich einst gefühlt habe.
„Ich will dich.“
Kurz bin ich versucht zu lachen, weil er das unmöglich ernst meinen kann, doch dann sehe ich in seine dunklen Augen und weiß, dass er keine Scherze macht.
Ich schlucke schwer. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
Er macht einen Schritt zurück. „Wieso nicht, Belle? Ich weiß du warst in mich verliebt … was spricht dagegen mit mir ins Bett zu steigen? Du bist nicht verlobt und hast auch keinen Freund und ich bin ebenso ungebunden wie du.“ Sein Blick wandert in den verhangenen Morgenhimmel und ich kann nicht glauben, was er mir da sagt. „Es ist ja nicht so, als würdest du es nicht wollen. Du warst verrückt nach mir. Schon immer.“
„Ich war jung und dumm. Und du der Einzige, der mich überhaupt wahrzunehmen schien in unserer Familie.“
Magnus Schultern straffen sich und für einen kurzen Augenblick glaube ich, er würde am liebsten davon stürmen. „Das weiß ich alles.“
„Dann lass mich einfach in Frieden.“
Er schüttelt den Kopf. „Nein. Ich denke nicht … Mira Blue. Denn dafür bist du zu schön.“ Seine Worte sind ein Schlag ins Gesicht. „Du magst über einen ganzen Ozean geflohen und deinen Eltern entkommen sein … aber mir bist du es nicht.“ Er lächelt eisig. „Du bist schöner geworden, als ich es mir je hätte erträumen können. Es ist kein Wunder, dass dich niemand von den Häschern unseres Vaters erkennt. Dein Leben hier könnte unser kleines Geheimnis sein …Ich werde dir deine kindischen Träume, ein Mensch zu bleiben lassen... wenn du nur mit mir schlafen solltest.“
„Du willst mich erpressen?“
Es ist nicht Magnus Art, eine Frau zum Sex zu zwingen. Das hat er überhaupt nicht nötig. Magnus ist ein Playboy und mindestens so geschickt darin Frauen in sein Bett zu locken wie Rome.
„So würde ich das nicht nennen. Sagen wir, ich schlage dir einen Deal vor.“
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Das darf einfach nicht wahr sein! Da rettet mich Rome vor dem Schlangentypen und schon kommt der Nächste!
Das ist nicht fair!
„ Ein Deal nennst du das?“, hake ich kritisch nach und mustere den so attraktiven, faszinierenden Mann vor mir, den ich immer so bewundert habe.
„Ja.“
„Wieso?“
Er schenkt mir ein breites Lächeln, doch ich finde, er wirkt dabei irgendwie deprimiert. „Das sagte ich doch bereits. Weil du schön bist. Und ich gerne schöne Dinge besitze.“
Seine Worte wollen nicht recht zu seiner Mimik passen, doch da er mich auf nicht gerade subtile Art erpresst, weigere ich mich entschieden mir Sorgen um sein Seelenheil zu machen. „Ich glaube dir kein Wort. Aber solange du mir versprichst nichts zu verraten, tue ich es.“
Die Augen meines Adoptivbruders bohren sich in meine. Wenn überhaupt sieht er noch ein wenig unglücklich aus, anstatt nun vor Freude zu triumphieren. „Komm mit. Mein Auto steht gleich dahinten.“
Ich erstarre. „Im Auto?“
Er rammt die Hände in die Taschen seines schwarzen Wollmantels und versucht sich an einem gewinnenden Lächeln. „Natürlich nicht. Für wen hältst du mich?“
Eigentlich für einen guten Kerl. Doch weder sein fünfhundert Dollarhaarschnitt noch sein ebenmäßige Gesichtszüge, die objektivbetrachtet verflucht attraktiv sind, können etwas anderes als Furcht vor dem Kommenden in mir auslösen.
„Ein Hotelzimmer ist mir deine erste Nacht schon wert.“ Er packt mich am Arm und zerrt mich auf die Füße. „Los jetzt. Es wird schon hell. Ich habe in ein paar Stunden Training.“
Mich durchläuft ein angewiderter Schauer. Wie konnte ich ihn nur jemals bewundern? Offenbar ist nicht besser als Angus Keller, nur das der wenigstens nicht die Macht über meine gesamte Zukunft hatte. Egal wie leidend er das Gesicht verziehen kann.
Mein Herz schlägt laut in meiner Brust, als Magnus mich grob über den Spielplatz schleift und ich spüre die Tränen in meinen Augenwinkeln brennen. Wie gern ich ihm einfach sagen, er solle sich zum Teufel scheren und mich in Frieden lassen, doch meine Identität der Mira Blue aufs Spiel zu setzen, das bringe ich nicht über mich. Schon lange bin ich nicht mehr Belladonna Casey.
Ich bin Mira und die will ich auch bleiben.
 
Magnus zerrt mich weiter vorwärts und ich gebe ein lautes Keuchen von mir, als er mich gegen einen silbernen Volvo drängt und die Beifahrertür öffnet. „Rein da! Und hör auf zu heulen“, zischt er eisig.
Ich tue was er sagt und steige mit wackligen Füßen in den Wagen.
Die Autotür knallt ins Schloss und ich zucke erschrocken zusammen. So habe ich meinen Adoptivbruder noch nie erlebt.
Er schwingt sich auf den Fahrersitz und wirft mir ein Päckchen Taschentüscher in den Schoß. „Tut mir leid…ich wollte dich nicht erschrecken.“
Meine Finger schließen sich um die bunte Packung und ich starre auf meine bleichen Beine, die in den letzten Monaten so viel Bewunderung auf sich gezogen haben. Verfluche meine Füße, die in schwarzen High Heels stecken und meine Beine dadurch noch länger wirken lassen, verfluche meine Kurven und meine blauen Augen. Mein Haar und mein Gesicht.
„Hör auf so missmutig zu schauen. Niemand mag depressive Frauen. Absolut niemand.“
Ich mache mich klein und verschränke meine Arme vor der Brust. „Dann lass mich einfach gehen.“
Harte Finger greifen unter mein Kinn. „Ich habe dir gesagt, ich werde dir nicht weh tun.“
Mein Versuch seinem Blick auszuweichen scheitert, zwingen seine harten Finger meinen Kopf doch unbarmherzig in seine Richtung.
„Lass mich!“
Kurz glaube ich, er würde versuchen meinen Unterkiefer zerquetschen, doch dann kracht plötzlich sein Mund auf meinen und ein dumpfer Schmerz durchzuckt meinen Körper. Erschrocken reiße ich mich los und greife mir an die blutende Lippe. Ich habe mich gebissen. Warm rinnt es in meinen Mund. Den metallischen Geschmack meines Blutes im Mund, starre ich ihn entsetzt an. „Tu das nie wieder! Nie wieder!“
Küssen geht nicht. Küssen gehört nicht zu diesem Deal und mein Blut auch nicht. Zumindest nicht dieses.
Magnus Nasenflügel beben und kurz kann ich seine Fänge hervor blitzen sehen, als er ansetzt etwas zu sagen, doch dann schüttelt er den Kopf. „Ich… das wollte ich nicht.“
„Lass uns einfach fahren und es hinter uns bringen“, quetsche ich hervor. „Entschuldigungen brauche ich nun wirklich nicht, in Anbetracht der Lage.“
 
Das Hotel ist nicht der Standard, eines Magnus Casey. Doch ich schätze in Anbetracht der Tatsache, weshalb ich ihm nun in den Aufzug folge, wäre es falsch, so etwas wie Klasse zu erwarten. Wenn er jemals so etwas wie Klasse in meinen Augen besessen hat- nun tut er es nicht mehr. Und ich muss zugeben, es stimmt mich traurig. Ich hatte eine so hohe Meinung von ihm. Er war nett zu mir, als es niemand sonst war und nun das. Es ist wie ein Tritt in die Eingeweide. Eine traurige Erinnerung an meine fürchterliche Familie, die zwar ach so einflussreich und mächtig ist, aber unfähig und unwillig mir auch nur einen Krumen Zuneigung entgegen zu bringen.
Alles was sie jemals konnten, war mich zu verletzen und zu enttäuschen.
„Zieh dich aus“, höre ich ihn sagen, während er die Tür hinter mir ins Schloss fallen lässt.
Ich hätte mir Rome schlafen sollen, in jener Nacht. Das erste Mal mit ihm zu haben, wäre tausendmal besser gewesen, als das das hier. Egal ob es für ihn nur eine einmalige Sache gewesen wäre- wenn ich die Wahl zwischen Rome und Magnus hätte- in jeder nur erdenklichen Situation würde ich mich für meinen Vorzeigevampir entscheiden.
Meine Klamotten landen auf dem Teppichboden, ohne dass ich ihn dabei ansehe. Es ist nur Sex, rede ich mir selbst ein.
Nur Sex. Ein wenig Rumgefummele. Nichts, das mein Herz brechen wird.
Magnus sieht noch genauso gut aus wie früher, aber mein Körper schüttelt sich beim Gedanken daran mich ihm darzubieten. Auch nur von ihm angefasst zu werden.
Aber ich bin nicht aus Zucker und diese Erniedrigung ist nichts im Vergleich zu einem Leben in ewiger Nacht, das ein Leben bei meiner Familie bedeuten würde.

Kapitel 10 (noch nicht überarbeitet)

Ich liege in einer Mischung aus Champagner und Rosenblättern und starre Magnus vorwurfsvoll an, der mit einer Flasche neuem Champagner hereinkommt.
„Natürlich könnte man ihn trinken aber an dir gefällt er mir einfach besser.“, schnurrt Magnus und öffnet mit einer geschickten Handbewegung die Flasche.
„Du bist so dekadent.“, spuke ich ihm entgegen und schnappe mir eine Erdbeere, die in der dunklen Schale liegt, die am Wannenrand steht.
„Red keinen Unsinn. Champagner ist für die Reichen und Schönen gemacht. Was könnte es für diese prickelnde Dekadenz schöneres geben als über diese Haut zu fließen?“
„Mag.“, meine ich tadelnd.
„Scht.“, knurrt er grollend und neigt die Flasche, sodass sich die klebrige Flüssigkeit über meine noch verpackten Brüste ergießt und meinen Körper benetzt, bevor sie in die duftende Mischung aus Sekt und Rosenblüten läuft, in der ich liege.
„Du bist so verflucht schön.“, knurrt Magnus dunkel und trinkt einen Schluck aus der Flasche, bevor er ein feuchtes, rotes Blütenblatt aus dem Wasser zieht und mir damit über die Lippen streicht um dieses dann zu seinem eigenen Mund zu führen.
„Delikat, findest du nicht? Was darf ich dir anbieten? Noch eine Erdbeeren oder doch etwas Dekadenz?“, schnurrt er und zupft an meiner langen Modeschmuckhalskette aus Perlen, die kühl und geschmeidig um meinen Hals liegt.
„Ich bringe dir alles was du willst.“, fügt Magnus an.
Ich fixiere Magnus rote Augen und erlaube mir einen Augenblick das Ganze zu genießen. „Dunkle Schokolade und Champagner... teure Schokolade.“, antworte ich und schenke ihm einen aufreizenden Blick.
„Dein Wunsch sei mir Befehl.“, gurrt Magnus und greift hinter sich um mir eine Praline zu reichen, die ich zwischen meine Lippen gleiten lasse. Er sieht mir gierig dabei zu wie ich sie verspeise und fährt mit seinem Zeigefinger durch das exquisite Wasser.
„Du bist mein Verderben, Belle.“, stellt Magnus ergeben fest.
Verflucht es ist wirklich nicht antörnend hier zu liegen in einem Meer aus Rosen, Kerzen und teurem Champagner.
„Deine persönliche Nemesis, Baby.“, lächle ich sexy und strecke ein Bein aus dem prickelnden Badevergnügen um damit über seine Wange zu streichen.
Magnus schenkt mir ein finsteres Lächeln und wirft eine handvoll Rosenblätter über mich. „Heute Nacht gehörst du mir.“, stellt Magnus befriedigt fest und hält meinen Fuß fest um einen Kuss auf meinem Fußrücken zu setzen.
„Nana Mag, halt dich zurück.“, grinse ich berechnend. „Alles zu seiner Zeit.“
„Du hast recht. Zieh dich aus.“
Ich werfe ihm einen arroganten Blick zu. „Das hättest du wohl gern.“
„Es schickt sich nicht in dreißigtausend Dollar zu baden und dabei so einen billigen Stoff anzuhaben.“
„Ich habe noch nie etwas auf Konventionen gegeben.“, gurre ich kühl.
„Und ich wusste schon immer mit dir umzugehen.“, stellt Magnus fest und  greift mit einem geschickten Handgriff in den Rosensekt um mir meinen BH zu öffnen, sodass meine Brüste befreit herausquellen und der nasse Stoff schwer herunter hängt.
Ich seufze tief und, streiche mein Haar nach hinten und lasse schließlich den BH über den Rand der Wanne fliegen.
Magnus Blick gleitet genießerisch über mein Schlüsselbein und taxiert gierig meine Brüste.
„Der Slip, mein Herz. Zieh ihn aus.“, gurrt Magnus bedrohlich und leckt sich über seine Fingerspitze, die er ins Wasser getaucht hat.
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und streiche mir über meinen feuchten Hals. „Soll ich das, ja?“
„Du bist grausam, Belle.“, schnurrt Magnus amüsiert und sieht mir begierig dabei zu wie ich aufreizend langsam meinen Slip herunterziehe und ihn ebenfalls über den Wannenrand werfe.
„Zufrieden?“, grinse ich und nehme zufrieden wahr, wie sein Blick mittlerweile an meiner intimsten Stelle klebt.
Magnus antwortet mir nicht, sondern sieht mir nur kurz in die Augen, bevor er seine Finger um mein Halsband legt und mich daran zu sich zieht. Verzückt stöhne ich auf und lasse mir dann von ihm unters Kinn fassen um mein Gesicht kritisch zu mustern.
„Deine Schönheit ist fast unerträglich.“, grollt er, bevor er mich loslässt und mich zurück ins Wasser gleiten lässt. Seine Augen wenden sich fast andächtig ab und ich grinse überlegen.
„Du bist mir verfallen.“, stelle ich ungerührt fest.
„Oh Belle, du bist so arrogant geworden.“, lächelt Magnus gnädig.
„Ich weiß, was ich wert bin.“, lächle ich schlicht.
„Das weißt du nicht, meine Schöne.“, meint Magnus und schluckt schwer.
Ich weiß, dass er all seine Beherrschung  braucht um nicht sofort über mich herzufallen.
„Lass das!“, faucht Magnus wütend und schubst meine Finger von meinem Schlüsselbein, bevor er mich aus dem Wasser hebt und mich tropfend nass in sein Schlafzimmer trägt.
„Mache ich dich heiß?“, frage ich aufreizend und streiche im über die noch bekleidete Brust. Seine steinharten Muskeln bewegen sich faszinierend unter meinen Fingern und ich lasse meinen Kopf gegen seine Brust fallen.
„Das weißt du doch, Belle.“, knurrt Magnus und lässt mich in die Kissen sinken, bevor er sich vors Bett stellt und seinen Gürtel öffnet, ihn aus seinen Jeansschlaufen zieht und hinter sich wirft, seine Jeans öffnet und sein Muskelshirt über den Kopf zieht.
Sein braungebrannter Waschbrettbauch lässt mein Herz ein Moment aussetzen und ich rutsche etwas zurück in Richtung Wand.
Verflucht noch mal!
Was tue ich hier eigentlich? Bin ich verrückt geworden?
Ich starre Magnus an, der mich begierig mustert und ich kann die Stimme, die laut Nein! schreit nicht mehr länger unterdrücken.
„Du wirst unter mir schreien und nach mehr stöhnen.“, knurrt Magnus und streift seine Jeans ab, sodass seine langen Beine zum Vorschein kommen. Seine Erregung, die nur noch von seiner Boxershorts bedeckt ist, lässt meinen Atem schneller gehen, allerdings aus anderen Gründen als er denkt.
Rome würde mir das niemals verzeihen, dass ich mit Magnus ins Bett gegangen bin. Was denke ich denn da? Ich würde es mir niemals verzeihen!
Ich sehe Romes rote Augen direkt vor mir, wie sie mich angewidert anstarren und sich schließlich abwenden.
Verflucht!
Bevor ich selbst weiß, was ich tue, renne ich ins Bad, sammle meine Klamotten ein und suche fieberhaft nach dem Eingang meines Tops um es mir überzustreifen, bevor ich in meine Jeans hüpfe und die Unterwäsche vom Boden klaube.
„Belle? Was tust- Was wird das?“, fragt Magnus und stützt sich mit einem Arm an der Tür ab.
„Siehst du doch. Ich ziehe mich an!“, fauche ich. „Verrat mich. Verpetzt mich. Alles ist besser als das.“, ich deute auf seinen nackten Körper. „So viel bin ich mir gerade noch wert.“
Magnus Blick ist hart und überlegen. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Möchtegern wie Rome-“
„Rome ist hundertmal mehr wert als du!“, schreie ich und will an ihm vorbei stürmen, als Magnus Hand packt mich hart am Oberarm.
„Wag es nicht mich so stehen zu lassen.“, knurrt er und zeigt seine spitzen Eckzähne.
„Sonst was?! Bringst du mich um?“, lächle ich eisig.
Magnus wütendes Gesicht, glättet sich zu einer gefühllosen Maske. „Eine Schlampe der 24 Abteilung ist mir das nicht wert.“
Das überlegene Grinsen schafft es ohne Vorwarnung auf mein Gesicht. „Wenn du mich eine Schlampe nennen willst, bitte, tu dir keinen Zwang an. Wenigstens bin ich nicht deine.“, damit mache ich mich von ihm los und schlendere aus dem Zimmer.

Meine Kleidung klebt an meinem Körper, mir ist kalt und mein Haar haftet in meinem Nacken. Alles in allem sehe ich im Augenblick sicher nicht perfekt aus- aber ich fühle mich so gut wie nie zuvor.
Ich bin stolz auf mich selbst.
Himmel, egal was passieren wird, ob ich zurück muss oder nicht, solange ich mit mir selbst im Reinen bin, kann mir diese ganze Vampirscheiße gar nichts.
Die Ewigkeit erscheint mir eindeutig rosiger, als ein Menschenleben lang mit der Schande leben zu müssen, mit jemandem wie ihm geschlafen zu haben.
Meine Unterwäsche werfe ich in den nächstbesten Mülleimer und recke meine Nase in den Wind. Wie lange er sich wohl Zeit lassen wird, es meinem Vater zu sagen?
Ich schüttle angewidert den Kopf. An Morgen zu denken, sollte ich unterlassen, lieber sollte ich jetzt nach Hause gehen. Nach Hause zu Rome.
Durch die leeren Gassen fegt ein kühler Nachtwind und ich vergrabe meine Hände in meinen Hosentaschen. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang ist die schönste Zeit des Tages. Ich beobachte, wie sich der Himmel langsam grau verfärbt und schlendere langsam weiter.
Die ersten Vögel beginnen in den Bäumen zu zwitschern und ich lächle über mich selbst.  Manchmal bin ich nicht gerade die Hellste. Wie konnte ich überhaupt jemals in einen Trottel wie Mag verschossen sein? Er ist doch einfach- ugh. Mich überläuft eine Gänsehaut, als ich die hintere Gartentür zu Romes Anwesen öffne.
Mist.
Mir fällt wie schuppen von den Augen, dass ich eine Tatsache nicht bedacht habe.
Ich rieche nach ihm.
Fuck!
Fieberhaft nach einer Lösung suchend, schleiche ich mich durch den großen Garten und verstecke mich hinter einem mannshohen Rhododendron, als ich Romes Stimme vernehme.
„Halt die Klappe Cal-„, höre ich Romes Stimme amüsiert herüberwehen.
Fuck!
Ich sprinte los und renne auf das Haus zu.
„Mira?“, höre ich es laut fragen.
Ich fixiere die offne Terrassentür und verfluche gerade die Tatsache, dass ich um den Pool rennen muss, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt:
Der Pool!
Mit einem Kopfsprung tauche ich platschend in das kalte Wasser ein und schlucke schockiert über die Kälte erst einmal eine Ladung Wasser. So tauche ich prustend und hustend wieder auf und klopfe mir nach Atem ringend auf das Schlüsselbein. Das Chlorwasser brennt in meinen Augen, als ich versuche Rome zu fixieren, der mit verschränkten Armen am Rand des Swimmingpools steht und mich kritisch mustert.
„Was treibst du da?“, fragt er perplex.
„Schwimmen?“, meine ich unschuldig.
Rome zieht eine Augenbraue nach oben. „Mit allen Klamotten?“
Ich beiße mir auf die Zunge. „Ich war zu faul zum Umziehen.“, lächle ich schwach und schwimme langsam zum Rand des Pools um aus dem Wasser zu kommen. Leider misslingt der Versuch mich aus dem Wasser zu hieven, da meine Arme wie Wackelpudding unter mir nachgeben.
Ich versuche es noch mal, doch ich rutsche schon wieder zurück in Richtung Pool. Bevor ich jedoch wieder im Wasser lande umfangen mich zwei starke Arme und ziehen mich geschickt zu sich nach oben.
Rome stellt mich vor sich ab und grinst schelmisch. „Warum du keine Unterwäsche trägst, will ich nicht wissen, oder?“
Ich starre ihn an. Woher weiß er das denn?
Perplex sehe ich an mir herunter und stoße einen spitzen Schrei aus. Mein Brustwarzen stehen durch die Kälte wie kleine Eisberge ab und zeichnen sich obszön unter meinem Shirt ab.
Ich ziehe mein Shirt von meinem Körper weg und  lege meine Arme beschützend auf die harten Knospen.
„Oh tu dir bitte keinen Zwang an. Es ist nichts, was ich mir nicht gerne ansehen würde.“, knurrt Rome amüsiert.
„Agh!“, bringe ich genervt raus und drehe mich um ins Haus zu verschwinden.
Romes anerkennendes Pfeifen begleitet mich, als ich patschend ins Haus gehe und versuche meine Jeans daran zu hindern, dass sie über meinen Hintern rutscht.
Dieser Idiot!
Ich fluche ein wenig vor mich hin, während ich eine nasse Spur vom Erdgeschoss bis in den ersten Stock ziehe und  sehr unladylike die Nase hochziehe, in der sich ebenfalls Chlorwasser gesammelt hat.
Da ich für meinen Geschmack in den letzten zwei Tagen oft genug geduscht, gebadet oder sonst was habe, werfe ich nur meine nassen Klamotten in die Badewanne und mich selbst ins Bett.
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt liege ich da und reflektiere  über meine Zukunftsaussichten als Mira Blue.
„Scheiße.“, entkommt es mir frustriert. „Scheiße, scheiße, scheiße!“
Man muss keine Wahrsagerin sein, um zu kapieren, dass es sich ausgemirat hat. Spätestens wenn Pius hier auftaucht oder einer seiner Lakaien. Die Frage ist nur wie lange sich Magnus Zeit lässt mit der Berichterstattung.
Wie sehr ich diesen Vampirmist hasse!
Noch kann ich mich an die kleine, fast nicht vorhandene Option klammern, dass mein Vater mir meinen Wunsch gewährt und ich ein Mensch bleiben darf, auch wenn ich hier weg muss.
England.
Wie fürchterlich kühl es im Sommer dort ist! Und das restliche Jahr über ist es einfach nur sterbenslangweilig trist. Und das schlimmste ist da drüber gibt es keine Kate, keinen Caleb, keinen Viktor, keinen Andrej und erst recht keinen Rome!
Es gibt nur versnobte, verstaubte, Uraltvampire, die denken meinem Vater irgendetwas sagen zu können, eine depressive Mutter, falsche Freunde und gelangweilte Erben. Da kann ich mich gleich zum Sterben auf den nächsten Friedhof legen, wenn ich zurück muss. Das einzig Positive wäre wohl, dass ich mich dann endlich in ein Tier wandeln kann. Ich hoffe nur es wird keine Schlange. Mittlerweile sind mir die etwas unsympathisch geworden!

Kapitel 11 (noch nicht überarbeitet)

„Mira?! Mira, schläfst du?“
Ich gähne  verschlafen und drehe mich auf die andere Seite.
„Mira! Aufstehen!“, faucht mir eine grelle Stimme ins Ohr und ich öffne meine Augen einen Spalt breit.
„Was ist los, Kate?“, grummle ich, als ich Kate erkenne, deren rotes Haar wirr vom Kopf absteht und deren Locken ziemlich zerzaust aussehen, ganz so, als sei sie selbst aus dem Bett geschmissen worden.
„Rome! Er dreht vollkommen am Rad!“
„Und was soll ich da tun?“., frage ich mittlerweile etwas wacher.
„Mit ihm reden, ihm sagen dass es eine Scheißidee ist!“, fordert Kate inbrünstig.
„Was denn?“
Kate seufzt theatralisch. „Du erinnerst dich an den Schlangentyp?“
„Selten so gelacht.“, stelle ich sarkastisch fest.
Kate schenkt mir ein kleines Lächeln. „Rome will ihn in ein Terrarium im Club stecken!“
Bitte? Die Idee ist so ausgefallen, dass ich einen Moment gar nichts sage, bevor ich loslache. Der Stalker wird selber zum Opfer der Schaulustigen, einfach perfekt, Rome.
„Mira!“, faucht Kate vorwurfsvoll.
„Entschuldige, dass ich kein Mitleid empfinden kann. Wenn Rome das tun will, hat er meinen Segen.“
Kate springt schnaubend auf und streckt die Hände hilflos in den Himmel. „Wieso ist nie jemand auf meiner Seite?“, faucht sie genervt.
„Das nächste Mal bin ich wieder auf deiner.“, meine ich lächelnd und sehe auf den Wecker. Zu spät um noch mal einzuschlafen. „So eine Scheiße!“, murmle ich genervt und lasse meinen Kopf zurück ins Kissen plumpsen.

Als ich in die Küche komme, laufe ich direkt in Rome, dessen blutrote Augen mich amüsiert anfunkeln. „Ausgeschlafen?“
„Naja“, meine ich und zupfe an meinem T- Shirt herum, als ich an ihm vorbei zur Kaffeemaschine gehe um mir meinen ersten Kaffee zu gönnen.
„Du hast nicht zufällig Lust noch einmal in den Pool zu hüpfen, oder?“, hakt Rome lächelnd nach.
„Zufällig nicht, nein.“, grinse ich und verbrenne mir erst einmal meine Zunge an der koffeinhaltigen Brühe.
„Wirklich sehr schade. Bei einem Wet- T-Shirt- Contest, hättest du ohne Zweifel gewonnen.“, schnurrt Rome. „Wahlweise könntest du natürlich auch gar nichts tragen, nur um sicher zu gehen, dass du auch gewinnst.“
„Macho.“, gurre ich und versuche, das leichte Brennen auf der Zunge zu ignorieren, ebenso wie meine Schmetterlinge im Bauch.
„Du könntest meinen Tag echt noch retten.“, grinst Rome.
„Ich bin mir sicher es wird sich ein anderes hübsches Ding finden, der ihn dir retten kann.“, feixe ich, „ich bin dazu nicht unbedingt von Nöten.“
„So geht das nicht, Mira. Ich flirte und du blockst ab, so kommen wir nie weiter!“, knurrt Rome beleidigt.
„Ich stehe nun mal nicht so auf Vampire.“, stelle ich kalt fest.
Rome sieht leider überhaupt nicht beeindruckt aus, eher belustigt.
„Ach wirklich? Dann ist der schwärmerische Blick, den du mir immer zu wirfst also eigentlich ein angewiderter? Interessant.“
Ich unterdrücke das Bedürfnis meinen Kopf gegen etwas Hartes zu knallen und nehme wahlweise einen Schluck Kaffee. „Exakt.“, entgegne ich schließlich nach einer melodramatischen Pause.
Rome zieht eine Augenbraue hoch und grinst selbstverliebt. „Lügnerin.“
„Und du bist ein Angeber.“, stelle ich nonchalant fest.
Rome macht zwei große Schritte auf mich zu und sieht mir in die Augen, bevor er sich zu mir herunterbeugt und mir kurz seine Lippen auf den Mund drückt und sich wieder zu voller Größe aufrichtet und den Kopf schief legt. „Angeber, hm? Nun, ich denke, du bist alles andere als angewidert. Ich kann deinen Herzschlag bis hierher hören und der sagt mir eindeutig, dass du gleich ohnmächtig wirst, wenn ich nicht gleich einen Schritt zurück mache oder dich richtig küsse. Ich entscheide mich hiermit für Option zwei.“, schnurrt Rome und zieht mich besitzergreifend an sich.
Ich schnappe empört nach Luft, bevor ich von seiner überwältigenden Aura niedergestreckt werde, mich hilflos an ihn schmiege und meinen Kopf an seiner Brust vergrabe.
„Mira…“, seufzt Rome genervt.  „Kannst du mir mal verraten, wie ich dich so küssen soll?”, fügt er an und drückt mich etwas fester an seine Brust. Ich genieße den unwirklichen Moment mit jeder Faser meines Herzen und sauge seinen Geruch in mich ein.
„Rome!“, höre ich da Kate brüllen und ich mache mich schnell von ihm los. „ Rome, vor dem Haus steht Cal mit deinen dummen Freunden.“
Romes Blick ruht auf meinen Lippen, während Kate mit Gepolter um die Ecke kommt.
„Ja, ja.“, entgegnet Rome ihr geistesabwesend, während seine blutroten Augen sich auf mein Gesicht konzentrieren.
Schließlich schüttelt mein Vorzeige- Vampir den Kopf und schenkt mir ein Lächeln. „Einen schönen Abend noch, euch beiden.“, grollt er und schlendert an uns vorbei.
„So ein Arsch.“, stellt seine Schwester genervt fest und wirft mir einen auffordernden Blick zu, doch auch etwas zu sagen, doch ich bringe kein Wort heraus.
„Wollen wir dann auch los?“, seufzt Kate nach einer Weile und ich zucke gleichgültig mit den Schultern.  Rome hat so wundervoll gerochen!
„Mira? Alles klar? Du siehst so abwesend aus.“, hakt Kate nach.
„Was? Ja, ja..“, stottere ich gedankenverloren und Kate schnaubt genervt, bevor sie mich mit sich zieht.

Im Club ist es voll, laut und heiß und ich hole schwer Luft, während ich zwei leere Bierkästen die Hintertreppe hinauf schleppe. Oben angekommen, lasse ich meinen Ballast auf den Boden knallen und streiche mir über die verschwitzte Stirn, während ich die Tür aufschließe und nach draußen trete, um die leeren Kästen hinter dem Haus zu stapeln.
Ich bin gerade dabei den zweiten Kasten auf einen mannshohen Stapel zu stellen, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung ausmache. Bevor ich jedoch dazu komme mich umzudrehen, fällt mir der Bierkasten aus den Händen und schlägt mit einem ohrenbetäubenden Splittern auf dem Boden auf.
„Scheiße.“, grummle ich leise vor mich hin und bücke mich um die größten Glasscherben zusammenzulesen.
„Da gefällst du mir am besten.“, höre ich plötzlich Magnus Stimme von der Seite zu mir herüberwehen. „Auf den Knien.“, fügt er bezeichnend an.
„Was immer du hier tust Magnus - verschwinde.“, stelle ich gelangweilt fest und hebe eine große, grüne Scherbe auf.
„Sammelst du dein Leben auf?“, fragt er gehässig und lacht leise vor sich hin.
„Mein Leben liegt nicht in Scherben.“, stelle ich gleichgültig fest und mache einfach weiter. „Die einzige Frage, die sich mir stellt ist, warum bist du hier Magnus? Du solltest längst in England sein und meinem Vater gesagt haben, wo ich bin. Stattdessen kommst du hierher. Angekrochen zu jemandem, der deine Ehre in den Dreck gezogen hat. Wieso?“, fahre ich ihn wütender an, als ich sollte, denn die Familienehre geht mich schon längst nichts mehr an.
Magnus schenkt mir ein freudloses, abweisendes Lächeln. „Ich bin kein Casey. Eure Familienehre geht mir am Arsch vorbei!“, faucht Magnus und ich erhebe mich, von seiner plötzlichen Gefühlsregung alarmiert.
Magnus Lippe zuckt kurz, bevor er seine Hand hervorschnellen lässt und mich hart am Hals packt und mich gegen die rau verputzte Backsteinwand knallt. Der Aufschlag ist hart und ich sehe kurz Sterne vor meinen Augen tanzen.
„Jetzt bist du wohl nicht mehr so vorlaut, was?!“, faucht Magnus kaltblütig und drückt etwas fester  um meine Kehle. „Also Belle, Zeit für die harten Bandagen. Wir können das entweder nett oder kaltblütig über die Bühne bringen. Entweder du lässt mich so ran oder ich mach dich kalt und tu es.“
Ich schlucke schwer und versuche die Finger von meinem Hals zu kriegen, doch sie sind festgezurrt wie ein Schraubstock.
„Überleg es dir.“, gurrt er und grinst dreckig.
„Nein.“, entkommt es mir kraftlos.
„Oh, ich glaube du hast mich falsch verstanden. Mit umbringen meinte ich, Mira umzubringen. Du wirst sicher die schönste Vampirin, die je auf Erden gewandelt ist.“
„Wahnsinniger.“, quetsche ich heraus. „Das würdest du nicht überleben.“
„Hör endlich mit dem kläglichen Versuch auf, dich zu wehren. Dein Daddy kann dich hier nicht retten!“, schnurrt er  eisig.
„Mein Vater…“
„Dein Vater ist nicht mehr länger mein Herr!“, knurrt Magnus und ich lasse meinen Blick über den Boden gleiten. Hier muss doch irgendwo dieser verfluchte Schürhaken rumliegen, über den ich immer stolpere! Hier hinten macht doch niemand sauber.
Als ich schon fast die Hoffnung aufgegeben habe, merke ich dass der gesuchte Gegenstand direkt neben mir liegt.
„Lass mich los.“, bringe ich schwach heraus, weil mir langsam die Luft ausgeht, während ich versuche mit meinem Fuß den kurzen Teil des Schürhaken zu erreichen um seinen Stiel zu mir herauf zu drücken.
„Sag Belle, wusstest du dass dein Vater niemals vorhatte mich zu seinem Nachfolger zu machen?“
Was? Wen sollte er denn sonst zu seinem Nachfolger machen? Es muss immer ein Kerl sein.
„Dein Gesichtsausdruck sagt mir, dass du genauso wenig wie ich davon wusstest.“, gurrt Magnus und ich halte kurz inne, als meine Hand den hölzernen Griff des  Hakens erreicht.
„Das ist mir egal, Mag.“, grinse ich schließlich und hole aus, um ihm so fest wie ich kann eine über zu ziehen.
Magnus taumelt verwirrt zur Seite und löst seinen Griff ein wenig, sodass ich  die Möglichkeit habe mich los zu machen.
Ich renne zur Hintertür und verschließe sie zwei Mal, bevor ich hinunter in den Club eile und mich hinter der Bar verschanze.
Kate, die am Tresen sitzt, mustert mich kritisch, doch sie sagt nichts, worum ich ihr sehr dankbar bin.
Luft zu holen ist schmerzhaft, vor allem in einem so verrauchten Club wie dem Chicago X. Meine Füße zittern und meine Finger sind klebrig vom Schweiß, während ich meinen Bardienst erledige. Doch solange Kate neben mir sitzt, wird selbst der wahnsinnig gewordene Magnus nicht hereinkommen und mich umbringen wollen. Nein, eigentlich will er mich dazu bringen mit ihm zu schlafen.
Was die Frage aufwirft wieso?
Wieso sollte er mit mir schlafen wollen, wo ich seine Ehre mehr als nur angekratzt habe?
Ich unterbreche meine Gedankengänge erst als Rome direkt vor mir steht.
„Machst du mir einen Whisky, Mira?“, fragt er grinsend und setzt sich neben seine Schwester.
„Sicher.“, krächze ich und streiche mir mein Haar nach vorne, sodass mein Hals verdeckt wird, der sicher langsam beginnt sich zu verfärben.
„Wirst du krank? Du hörst dich gar nicht gut an.“, stellt Rome kritisch fest und mustert mein Gesicht. „Vielleicht hat dir der kalte Pool nicht gut getan?“
Ich verdrehe pflichtschuldigst die Augen und stelle ihm seinen Drink unter die Nase. „Du bist so blass um die Nase, Mira. Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragt Rome fast besorgt und streckt seinen Arm aus um Kates Schal, den sie um ihre Schultern trägt, herunter zu ziehen und mir zu reichen.
Kate lässt es mit einem Lächeln geschehen und nickt mir zu. „Mit Erkältungen ist nicht zu spaßen, Mira. Am Ende wirst du noch ernsthaft krank und dann muss Rome sich seinen Whisky von einer anderen bringen lassen, das wäre einfach unverantwortlich.“, meint Kate sarkastisch, an ihren Bruder gewandt und wackelt mit den Augenbrauen. Was Rome einfach ignoriert.
Da ich eine rettende Idee erkenne, wenn ich sie sehe , greife ich zu und wickle den Schal um meinen lädierten Hals. „Danke.“, krächze ich schwach und Rome schenkt mir ein Lächeln.

Die nächsten Tage schlafe ich mit geschlossenen Fenstern, halte mich nur in Kates Gegenwart draußen auf und versuche meine riesigen blauen Flecken am Hals so gut wie möglich unter meinem Schal zu verstecken, was mir gut gelingt.

Jetzt, zwei Wochen später, sind die Würgemale ganz abgeklungen und ich muss endlich keine Erkältung mehr vortäuschen. Ich hüpfe die Hintertreppe nach oben um endlich nach Hause zu kommen. Rome nimmt mich heute mit, da Kate noch im Club zu tun hat und ich freue mich darauf endlich wieder unbeschwert mit ihm reden zu können, da ich die letzten Tage immer Angst hatte, er könnte misstrauisch werden und mir meinen Schal herunter ziehen. Was er Gott sei Dank, nicht getan hat.
Ich öffne die Hintertür und blicke direkt in Romes blutrote Augen.
„Hey, Mira.“, grinst er dunkel und ich merke wie mein Herz unregelmäßig unter seinem Blick gegen meine Brust hämmert.
„Hey.“, bringe ich raus und streiche mir mein Haar zurück.
„Hey, mein Auto steht zwei Blöcke weiter.“, schnurrt er amüsiert und dreht sich um, um loszulaufen. Wir schweigen und ich erkenne sein Auto schon von weitem.
„Schönen Abend gehabt?“, fragt mich Rome grinsend.
„Er war wohl kaum ein Vergleich zu deinem.“, stelle ich kühl fest.
„Auch so kann man-“, plötzlich bricht er ab und bleibt keine drei Schritte vom Wagen entfernt stehen, bevor er mich zu Boden stößt.
Ich schreie erschrocken auf, als ich auf den Boden knalle und will ihn schon zusammen stauchen.
Das Nächste, was ich wahrnehme ist das ohrenbetäubende Knallen einer Explosion und Romes Aufstöhnen, während irgendwelche Trümmerteile durch die Luft wirbeln.
Oh Gott! Geht es mir nur durch den Kopf. Als ich Rome nach hinten fallen sehe, direkt auf mich. Mir kommt es vor, als  würde er in Zeitlupe fallen und ich registriere das heraus züngelnde Feuer panisch, das aussieht als würde es ihn auffressen.
Rome liegt auf mir.
Bewegungslos und schwer. Und ich unterdrücke die aufsteigende Panik. Ich robbe unter ihm hervor und drehe mich zu ihm, bevor ich erstarre.
„Oh Fuck!“, stelle ich mechanisch fest.

Kapitel 12 (noch nicht überarbeitet)

Romes Gesicht ist verbrannt. Seine linkes Auge liegt merkwürdig frei in der Augenhöhle, weil seine Wimpern und Teile seines Augenlieds schlichtweg verbrannt sind. Der Nase fehlt ein großes Stück an der rechten Seite, während sein schönes schwarzes Haar verkokelt am Kopf hängt.
Ich schlucke schwer und registriere seine fehlende Unterlippe, bevor ich das schwarze Metallteil entdecke, das in seiner Halsschlagader  steckt. Aus der Wunde fließt ein feiner Blutrinnsal, der sich zu seinen Füßen in einer großen, roten Pfütze sammelt.
Bei genauerer Betrachtung stelle ich fest, dass der Blutsee nicht von der Verletzung am Hals herrührt, sondern von einem riesigen Loch in der Schulter, das schlichtweg fehlt. Langsam und dickflüssig quillt das Vampirblut heraus und tränkt seinen schwarzen Anzug.
Verflucht!
Das Blut ist Gift für mich. Wenn auch nur ein Tropfen in meine Blutbahn gelangt, bin ich tot. Und sehr bald darauf ein Vampir.
Verflucht! Er braucht Blut!
Es sieht alles andere als gut für ihn aus. Er blutet zu viel. Viel zu viel.
Eigentlich dürfte er schon längst nicht mehr am Leben sein.

Ich taste nach meinem Handy und gebe mit zitternden Fingern die Notrufnummer ein. Als ich den Anruf beendet habe, rufe ich Cal an und sage ihm er solle her kommen, ohne überhaupt zu sagen wo wir sind, da ich es schlicht und einfach vergesse.
Was soll ich nur tun?
In mir kämpfen zwei mächtige Gefühlwallungen gegen einander. Am Leben zu bleiben oder Rome zu retten und dabei zu riskieren selbst zur Vampirin zu werden.
Ich sitze eine ganze Weile da und mustere meinen Retter, der normalerweise immer wie aus dem Ei gepellt aussieht.
„Halt durch Rome.“, presse ich verzweifelt hervor. Er reagiert nicht, da er wohl in einer all umfassenden Ohnmacht gefangen ist, die ihn zumindest von den Schmerzen befreit, wie ich hoffe.
Er sieht fürchterlich aus. Näher als dem endgültigen Tod kann er wohl nicht mehr sein und in mir legt sich ein Schalter um. Das ist Rome. Was wäre mein Leben ohne ihn?
Ich suche mich kurz nach Schnittverletzungen ab, oder sonst einer Wunde die blutet, doch ich habe nur einen Kratzer an der Stirn, die normalerweise nicht in seinem Blut landen wird.
„Halt durch Rome.“, seufze ich gebrochen. „Wag es ja nicht schlapp zu machen.“, und lasse mich auf die Knie neben ihn sinken.
Als ich Rome aufstöhnen höre, bin ich alarmiert. „Hey, Schätzchen.“, bringt er leise hervor. „Tut mir Leid, ich hätte es früher bemerken müssen.“
„So ein Quatsch!“, brülle ich ihn an. „Du hast mir das Leben gerettet.“
Rome versucht ein Grinsen, was echt zum Davonlaufen ist, so ramponiert, wie er im Augenblick aussieht. „Danke. Und jetzt solltest du verschwinden.“, schluckt er.
„Ich gehe nicht weg.“, lächle ich und schiebe meine Knie unter seinen Kopf.
„Mira, du verstehst nicht-“, fängt er schwach an.
Oh doch, ich verstehe. Er braucht Blut und seine Gier danach wächst mit jedem Tropfen, den er verliert.
„Mira.“, grollt Rome verzweifelt. „Geh weg. Geh doch endlich weg!“, faucht er aufgebracht und versucht meinen Arm wegzuschieben, was ihm schon nicht mehr gelingen will.
„Scht. Ist alles okay. Trink.“, säusle ich und halte ihm mein Handgelenk genau vor den Mund, sodass er nur noch seine Zähne ausfahren muss.
Ich höre Rome knurren, doch der erwartete Biss kommt nicht. Ich stupse mit meinem Handgelenk an seine verbrannte Lippen um es ihm einfacher zu machen. „Komm schon!“, gurre ich.
Er stirbt fast und trotzdem schafft er es noch seinen Blutdurst unter Kontrolle zu halten. Er ist der unglaublichste Vampir, den ich kenne.
Das ist so verflucht standhaft, dass es ihn umbringt!
Ich sehe verzweifelt auf Romes verunstaltetes Gesicht herab und seufze tief. „Mach es mir nicht so schwer, beiß endlich zu!“
Rome dreht seinen Kopf von meiner Hand weg und schließt sein nicht verbranntes Auge.
Nein! Er kann sich ja jetzt kaum noch regen. Er braucht das Blut!
Bevor ich weiß, was ich tue, greife nach einem spitzen Trümmerteil und ritze mein Handgelenk auf, sodass ein paar Blutstropfen aus meiner Pulsader rinnen.
Das muss ihn einfach weich kochen! Kein Vampir kann dem Blutgeruch entkommen, wenn er so nah am Tode ist. Nicht wenn das rettende Frischblut so nah ist!
Ich lege meine blutende Hand an seinen Mund und endlich beißt er zu.
Ich unterdrücke den Schmerzensschrei und halte das Handgelenk so, dass er besser heran kommt.
Ich spüre wie sich seine Nasenflügel aufblähen und mich ein leichter Lufthauch am Unterarm streichelt, bevor er mich frei gibt.
„Komm schon, Rome!“, fordere ich unbarmherzig und drücke ihm mein Handgelenk zurück an den verstümmelten Mund. Das darf doch nicht wahr sein!
Seine kühlen Lippen sind voll von meinem Blut und Rome zuckt zurück.
„Mira, nein!“, faucht er.
„Du hast Hunger, mein Schatz.“, gurre ich und drücke seinen Kopf zurück an mein Handgelenk. Ich spüre spitze Zähne an meinen Pulsadern, bevor er sie erneut in meinen Arm versenkt und zu saugen beginnt.
Ich unterdrücke das schmerzhafte Aufstöhnen und lasse ihn weiter an mir nuckeln.
Ich beobachte den hilflosen Vampir unter mir aufmerksam, während er zaghaft an mir saugt und auf meine Lippen schleicht sich ein seliges Lächeln.
Er trinkt!
Rome beobachtet mich kritisch, während er an mir saugt und ich streiche ihm über die Wange. „Trink bitte mein törichter, mutiger Vampir.“, flüstere ich und Rome beginnt etwas kräftiger zu saugen.
Erst als mir leicht schummrig wird, löse ich seinen leichten Biss und lasse ihn zurück auf meine Knie gleiten.
Wo um alles in der Welt ist dieser Scheißnotarzt und wo steckt Cal?!
„Ist schon gut Rome, es kommt wieder alles in Ordnung.“, seufze ich und wickle ein Stück seiner zerfetzten Kleidung um mein Handgelenk, um den Blutgeruch nicht ganz so unerträglich für ihn zu machen.

„MIRA!“, höre ich es laut rufen und schließlich sehe ich Caleb aus dem Auto springen, der auf uns zu hetzt. „ROME! Was ist passiert?“
Bevor ich weiß was los ist, ist eine Horde von Anzugträgern, allesamt Vampire, um uns herum versammelt und ich werde sanft aber bestimmt weggezogen.
„Rome... er braucht Blut.“, fange ich an, als ich mich von Romes Anblick lösen kann.
„Ich weiß, Mira.“, höre ich Andrej an mein Ohr wispern. „Cal, Viktor und die anderen kümmern sich darum. Bist du verletzt?“, fragt er ruhig und streicht mir mein Haar zurück. Er hat wohl meinen kleiner Kratzer entdeckt.
„Nein.“, meine ich schnell. Es gibt jetzt wirklich Wichtigeres als meine lächerliche Verletzung.
„Du hast ihm dein Blut gegeben.“, stellt Andrej erstaunt fest und betrachtet mein Handgelenk, das ich nachlässig verbunden habe.
„Natürlich!“, meine ich verständnislos.
„Er blutet.“, stellt Andrej erschrocken fest. „Wenn du auch nur einen Tropfen seines Blutes-“
„Ich weiß es, okay!“, fahre ich ihn an und sehe ihm in die Augen.
Und wie ich weiß, dass ich dann gestorben wäre, wenn ich sein Blut abbekommen hätte, nur um die Augen als Vampir wieder zu öffnen.
Das Tolle daran ist, es war mir egal.
„Du bist verrückt.“, stelle Andrej lächelnd fest und ich sehe über seine Schulter hinweg endlich den Krankenwagen kommen. Das Blaulicht erhellt die noch immer brennenden Frackteile gespenstisch und ich lehne meinen Kopf gegen Andrejs heile Brust.
Endlich. Ich stoße erleichtert die Luft aus und starre auf die breiten Rücken der Anzugträger, die um Rome herum stehen und mir die Sicht nehmen.
„Wahrscheinlich hast du ihm das Leben gerettet.“, meint Andrej sanft. „Du kannst stolz auf dich sein.“
Das ist für lange Zeit das letzte Wort, das mit mir gewechselt wird. Während Rome ins Krankenhaus gebracht wird, sitze ich auf Andrejs Beifahrersitz und habe die Hände um mein Knie geschlungen. Andrej hat mir sein Sakko um die Schultern gelegt und schenkt mir hin und wieder einen aufmunternden Blick.
Obwohl ich es nicht für nötig erachte, bekommt mein kleiner Kratzer an der Stirn ein  Pflaster und mein Handgelenk eine enganliegende Bandage, während Rome operiert wird. Die Bandage ist überhaupt nicht notwendig. Meine Hand tut überhaupt nicht weh und es blutet auch fast gar nicht.
Trotzdem sitze ich auf einem dieser Krankenhausbetten und lasse mich von dem Doktor begaffen, während Rome operiert wird. Als ich endlich fertig eingewickelt bin, begleitet mich Andrej schließlich zu den anderen, die im Wartesaal sitzen oder stehen, weil kein Platz mehr ist.
All die schwarzgekleideten Vampire sehen mich neugierig an und Andrej nickt mir aufmunternd zu. „Du hast ihrem Boss das Leben gerettet. Sie stehen in deiner Schuld.“
„Mira!“, kreischt Kate plötzlich, die zwischen zwei besonders großen Vampiren eingequetscht da steht, bevor sie auf mich zu rennt.
„Oh Gott, dir ist nichts passiert!“, seufzt sie  erleichtert und drückt mich so fest, dass ich meine Knochen knacken höre.
„Ja.“, bringe ich gepresst hervor.
„Ich werde euch nach Hause bringen. Rome kommt sofort nach, wenn er einigermaßen stabil ist.“, meint Andrej von der Seite.
„Aber-“, fangen wir beide gleichzeitig an zu protestieren.
„Keine Wiederrede.“, meint Andrej unwirsch. „Rome würde nicht wollen, dass ihr beide zwischen all seinen Bezirksleitern herumsitzt.“
„Das sind seine-“, fange ich erstaunt an und mustere jeden einzelnen kritisch. Das sind die Bezirksleiter Chicagos? Es sind so viele!
„Komm Mira.“, meint Andrej bestimmt und nimmt mich am Oberarm.
Kate und ich sehen uns an und folgen Andrej schließlich mit hängenden Köpfen.

Kurz nach Sonnenaufgang bringen sie Rome nach Hause, vollgepumpt mit Blut und Schmerzmitteln und wie eine Mumie eingewickelt.
Eine Horde Anzugträger hat sich seitdem um das Haus positioniert und zwei Ärzte und drei Krankenschwestern eilen immer wieder in sein Zimmer. Kate und ich werden nicht zu ihm durchgelassen und so gehe ich schließlich gegen halb acht in mein Zimmer.
Ich schließe die Tür hinter mir und halte erstaunt inne, als ich mir des Messers gewahr werde, das in der Tür steckt.
Ich drehe mich langsam um und mache einen Schritt zurück um das Ganze genauer in Augenschein zu nehmen.

Wirklich tragisch, nicht wahr?
Ich warte.

Ich reiße das schwere Papier herunter und schließe meine Augen, während ich meine Hand fest um den Papierfetzen klammere.
Jetzt ist er zu weit gegangen!
Magnus ist tot! Dieser verfluchte Möchtegern-Lover!
„Mira?“, höre ich es plötzlich vor der Tür rufen. „Wir dürfen jetzt zu ihm.“
„Ich komme gleich!“, antworte ich laut und sehe den Zettel an. Was mache ich mit dem? Ich starre Magnus schreckliche Schrift an.
„Verbrennen. Ich sollte ihn verbrennen.“, murmle ich vor mich hin und wandere zum Tisch, auf dem ein Aschenbecher steht, seit ich verstanden habe, das Rome einfach überall raucht.
Ich greife mir das Feuerzeug, das neben dem schweren Aschenbecher liegt und zünde eine Ecke des Papiers an.
Ich halte es ein wenig in der Hand und sehe ihm beim Brennen zu. Als es mir langsam zu heiß wird, lasse ich es in den Aschenbecher segeln und verbrenne mir dabei meine Fingerkuppe.
„Au.“, meine ich genervt und stecke mir meinen Finger zum kühlen in den Mund.
„Aua!“, meckere ich etwas lauter und starre den letzten brennenden Rest des Zettels an.
So ein Scheißtag!

Da Kate seine Schwester ist lasse ich sie erst einmal vor und gehe mich solange umziehen. Ich entscheide mich für ein hübsches Top aus blauer Nassseide, das die Farbe meiner Augen zur Geltung bringt, was vollkommen hirnrissig ist, da Rome im Augenblick wohl kaum daran denken wird mich zu küssen.
Rome ist mehr tot als lebendig!
Und ich bin Schuld!
Ich lasse meine Haarbürste fallen und betrachte mich im Spiegel. Verflucht!
Magnus hat ihn fast umgebracht! Und das alles ist nur meine Schuld. Ich sacke auf meinem Bett zusammen und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. So ein Mist!

Mein schlechtes Gewissen begleitet mich in den nächsten Tagen ständig und ich bringe es einfach nicht über mich den im Delirium liegenden Rome zu besuchen.
Und ich warte schon seit Tagen darauf, das Magnus endlich aufkreuzt, damit ich ihn eigenhändig umbringen kann.
Leider tut er mir den Gefallen einfach nicht!

Ich lenke mich durch die Arbeit ab und schmeiße den Laden zusammen mit Caleb recht anständig, da Kate sich um ihren bewusstlosen Bruder kümmert.
Ich zapfe gerade drei Bier, die ich an einen der wichtigen Tische tragen muss, als Alissa neben mir hingerissen aufseufzt. „Da hinten sitzt ein Spieler der 26zigsten.“
„Was!?“, fahre ich sie an und lasse das Bierglas fallen. Wo einer aus dem Team ist, kann der Rest nicht weit sein. Und der Rest heißt Magnus!
Ich lasse meinen Blick durch den Raum gleiten, auf der Suche nach der Gestalt, welcher der endgültige Tod droht.
„Mira, alles klar?“, fragt Alissa besorgt und bückt sich um die Scherben aufzuheben, da ich wohl Löcher in die Luft gestarrt habe.
„Jaja.“, lächle ich. „Könntest du bitte kurz die Stellung halten? Ich mach das nachher weg.“
„Sicher.“, meint sie perplex. „Wo willst du hin?“
„Etwas erledigen.“, lächle ich eisig und mache mich auf den Weg zu dem großen Spieler, der zwischen zwei hübschen Blondinen sitzt.
„Entschuldige.“, fange ich an. „Kannst du mir sagen, wo Magnus steckt?“
Der nicht gerade gutaussehende Typ wirft mir einen gierigen Blick zu und grinst dreckig. „Sicher. Er ist oben vor dem Club. Hat etwas zu regeln.“, schnurrt er. „Wol-“
„Danke.“, meine ich schlicht und stürme davon. Jetzt reicht´s!
Er greift Rome an! Er will mich ins Bett zerren! Und jetzt regelt er auch noch seine Angelegenheiten in Romes Gebiet?!
Er ist so was von tot!

Kapitel 13 (noch nicht überarbeitet)

Ich nehme die Hintertreppe und krame schon mal nach dem Schlüssel in meiner Schürze, während ich sie hoch sprinte. Ich schließe die Tür auf und lasse den Schlüssel stecken, bevor ich sie aufreise und mich umsehe.
Magnus.
Oh, hervorragend!
Er steht keine zwei Schritte von einem riesigen Kerl in schwarzem Anzug entfernt und scheint mich nicht mal zu registrieren.
Ganz fantastisch! Der verlassene Hinterhof liegt im Halbdunkeln und ich trete hinaus ins Freie.
Ich beschleunige meine Schritte und der leichte Nieselregen benetzt meine erhitzte Haut.
Die unregelmäßig behauenen Pflastersteine des Hofes lassen mich auf meinen hohen Schuhen leicht schwanken, doch ich überbrücke den Abstand schneller, als ich es je für möglich gehalten hätte, bevor ich den Typen leicht zur Seite schubse im Gehen und aushole um Magnus mitten ins Gesicht zu schlagen.
Der Schmerz, der mich durchfährt, ist einfach unbeschreiblich und ich umschlinge meine Hand erschrocken.
„Fuck!“, brülle ich laut, als ich feststelle, dass ich dieses Arschloch tatsächlich von den Füßen geholt habe. Ich muss ihn wirklich überrascht haben, denn er starrt mich schockiert an.
„Das war für den dummen Spruch an meiner Tür!“, meine ich spuckend und deute abfällig auf ihn. „Und das!“, ich trete ihm so fest ich kann in den Magen. „Ist dafür, dass du dich auf Romes Gebiet wagst!“
Magnus sieht mich eisig an und ich grinse. „Komm schon, Mag! Du bist ein Vampir! Bist du wirklich so eine Lusche, dass du nicht mal gegen ein Mensch ankommst?!“
Ich höre ihn knurren und ich lege den Kopf schief. „Du blöde-“
„Du hast meine Freunde angegriffen. Dafür mach ich dich fertig!“, wispere ich kalt hole aus um ihm so fest zwischen die Beine zu treten, dass meine Schuhspitzen verdächtig knacken.
Ich sehe verschwommen wie er ein Satz nach oben macht und selbst ausholt um mir eine zu knallen, doch der Schlag kommt nicht.
Ich öffne meine Augen ungläubig und sehe Magnus Finger keine fünf Zentimeter vor meinen Augen schweben.
„Was hat das zu bedeuten?“, höre ich eine tiefe, melodische Stimme von der Seite herüberwehen und ich schlucke schwer, als ich der Hand gewahr werde, die sich um Magnus Handgelenk geschlossen hat.
Mein Blick wandert von Magnus zu dem Fremden, der mich und Magnus kritisch mustert.
Er hat dunkelbraunes Haar und ein kantigen Unterkiefer, der perfekt zu seiner römischen Nase passt, auf der eine teure, schwarze Sonnenbrille sitzt. Ich bin wie gefesselt von der riesigen Gestalt neben mir, die Magnus wie eine lästige Fliege auf Abstand hält und mir ein abweisenden Gesichtsausdruck zeigt.
„Danke.“, meine ich, zu meiner alten Höflichkeit zurück findend. „Aber das ist eine Sache zwischen mir und ihm.“
Der Vampir neben mir schüttelt unmerklich den Kopf. „Das denke ich nicht. Was immer er getan hat, es ist auch meine Sache.“
Bitte?
„Wieso-„
„Ich bin sein Boss.“, meint der Kerl schlicht.
„Was?!“, entkommt es mir und die Lippen meines Gegenübers kräuseln sich zu einem überheblichen Lächeln.
„Magnus. Magnus. Was hast du dem wunderschönen Mädchen nur angetan, dass sie so wütend auf dich ist?“
Ich höre Magnus aufkeuchen, bevor er losgelassen und zur Seite gestoßen wird.
„Ich bin Christobal.“, höre ich ihn sagen. „Und du bist?“
„Ich bin Mira. Mira Blue.“, meine ich schnell und strecke die Hand aus und werfe ihm einem beschwörenden Blick zu.
Ich sehe wie mein Gegenüber in seiner Bewegung stutzt, bevor er lächelnd den Kopf schüttelt und mir die Hand hinhält. „Es freut mich sehr, Mira.“
Ich ergreife seine Hand nach kurzem Zögern und erschaudere unter seinem festen Händedruck.
„Kann ich dich irgendwo hin begleiten? Oder dir sonst irgendwie behilflich sein?“
„Könntest du ihn für mich umbringen?“, lächle ich aufreizend.
„Oh, ich fürchte das kann ich nicht. Aber ich werde ihn bestrafen.“
„Danke.“, meine ich trotzdem und grinse. „Möchtest du etwas mit mir trinken gehen? Ich spendier dir einen.“
„Ich fürchte ich habe dafür keine Zeit, aber es hat mich sehr gefreut.“, lächelt mein dunkles Gegenüber.
Ich nicke fast enttäuscht und sehe Christobal dabei zu wie er Magnus hochzieht. „Auf Wiedersehen.“, meine ich fasziniert und er schenkt mir ein ehrliches Lächeln.
„Eine schöne Nacht noch.“, knurrt er dunkel und ich blicke ihm hinterher wie er im Nieselregen verschwindet, gemeinsam mit Magnus.

Es  ist fast halb sechs als ich nach Hause komme, da ich Cal gebeten habe, allein vorzufahren und mich nach Hause laufen zu lassen. In Ermangelung an Gefahr bin ich noch eine Weile durch die Gegend gestreift und wundere mich, dass ich einer aufgebrachten Kate gegenüberstehe.
„Da bist du ja endlich! Wo hast du gesteckt! Rome dreht da oben durch, weil du bis jetzt nicht nach Hause gekommen bist!“, faucht sie  verzweifelt.
„Ich habe Cal doch-“
„Rome wurde von einer Bombe fast in Stücke gerissen! Es ist gefährlich da draußen!“, schreit Kate und tastet mich nach Verletzungen ab.
„Mir geht es gut. Entschuldige bitte, dass ihr euch Sorgen gemacht habt.“, meine ich schlicht und Kate sieht mich seufzend an.
„Na schön. Aber geh zu ihm, bitte. Er wartet schon die ganze Woche darauf.“, flüstert sie leise und streicht sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu, bevor ich die Treppe nach oben steige und vor seiner Schlafzimmertür stehen bleibe um mich zu sammeln. Mit jedem Schritt ist mein Herzschlag lauter geworden und ich zittere leicht, als meine Hand auf die Türklinke lege.
Schließlich öffne ich die Tür und sehe mich um. Das Licht im Zimmer ist gedämpft und ich schließe die Tür sachte hinter mir. In der Luft liegt der schwere Geruch von Blut und abgestandener Luft und ich stürme zum Fenster um es aufzureißen, wobei ich mich erst einmal in den schweren Vorhängen verirre.
„Lass sie zu und komm her.“, höre ich Rome abweisend sagen und ich drehe mich zu seinem Bett um.
„Ich ersticke.“, meine ich sanft, bevor ich es endlich schaffe ein Fenster reinzuklappen.
„In Ordnung so?“, hake ich schlicht nach und überbrücke den letzten Abstand zwischen uns. „Es tut mir Leid, ich konnte einfach nicht früher kommen.“, schlucke ich, als ich direkt vor seinem Bett stehe.
Romes Gesicht ist verheilt. Nur der kahl rasierte Schädel zeugt noch von seiner Begegnung mit der Bombe. Das, und die noch immer verbundene Schulter.
„Ich war kein schöner Anblick. Ich verstehe es, dass du nicht herkommen wolltest.“
„Nein! Rome, ich- es lag nicht daran, dass ich deinen Anblick nicht ertragen konnte. Ich war wütend auf mich.“, meine ich und lasse mich auf die Bettkante nieder. „Du bist fast gestorben und ich habe dich nur angestarrt, bevor ich-“
„Macht es dir Spaß mich zu demütigen?!“, faucht Rome plötzlich und seine rote Augen glühen im dämmrigen Licht.
„Nicht doch.“, meine ich verzweifelt. „Ich habe mir noch nie solche Sorgen um jemanden gemacht.“
„Du hast mich gezwungen dich zu beißen! Dich.“, höre ich Rome sich ereifern. „Wie konntest du mir das antun? Du hättest sterben können!“, brüllt er mich an.
„Das bin ich aber nicht.“, meine ich lächelnd und lehne mich zu ihm herunter um mich auf dem Kissen abzustützen und ihm über die Wange zu streichen.
„Ja, das bist du nicht.“, meint Rome leise und lässt seinen Kopf in meine Richtung rucken. „Aber fast. Ich hätte es früher merken müssen.“, knurrt er vorwurfsvoll und vergräbt sein Gesicht in meiner Handfläche.
„Rome, deinetwegen bin ich noch am Leben!“, ereifere ich mich. „Wehe, du machst dir Vorwürfe, du dämlicher Idiot!“
Rome schenkt mir ein klägliches Lächeln und schließt die Augen. „Danke.“
„Ich habe zu danken.“, meine ich lächelnd und lehne mich zu ihm herunter um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Seine Haut ist kühl und rosig und ich will nicht wissen wie viel Blut sie in ihn gepumpt haben um ihn so schnell heilen zu lassen.
Rome seufzt und ich sehe wie sich seine Nasenflügel aufblähen. „Du riechst nach Männern!“
„Wie ungewöhnlich.“, lächle ich und setze mich wieder auf.
„Ja.“, meint Rome. „Nach genau zwei, vor allem deine Hand, die... übel aussieht! Himmel, Mira! Was hast du gemacht?!“
„Nichts.“, lächle ich nicht sonderlich überzeugend. „Bin wo gegen gefallen.“
„Du kommst zu spät nach Hause und willst mir nicht sagen was passiert ist? Muss ich mir Sorgen machen?“
„Nein.“, grinse ich ehrlich und betrachte Rome, der den Geruch meiner Hand in sich aufsaugt.
„Läuft etwas zwischen dir und Magnus?“, knurrt Rome leise und bedrohlich.
„Spinnst du?!“, entkommt es mir geschockt und ich stehe auf vor Empörung.
„Nein!“, schreit Rome entnervt und hechtet plötzlich aus dem Bett um mich gegen die Wand zu drängen. „Du stinkst nach ihm, als hättet ihr euch Nächtelang in den Betten herumgewälzt! Hat es dir Spaß gemacht?! Dich mit ihm zu vergnügen, während ich unfähig herumlag  und darauf gewartet habe, dass du endlich zu mir kommst?!“
„Rome.“, schlucke ich schwer. „Da war gar nichts.“
„Ach ja?!“, faucht er und lässt seine Hände rechts und links von mir gegen die Wand donnern. „Wie kommt es dann nur, dass man deine Unterwäsche im Mülleimer gefunden hat. Voll von Champagner, Rosenduft und Magnus beißendem Geruch?!“, knurrt er. „Antworte mir, verflucht!“, schreit er und ich sehe ihm in die blutroten Augen.
„Da war nichts.“
„Hör auf zu Lügen, Mira! Natürlich ist da etwas! Warum sonst sollte er mich aus dem Weg räumen wollen?!“, stellt Rome eisig fest und ich sehe ihn erschrocken an.
„Da war nichts! Ich bin vorher abgehauen!“, entgegne ich mit Tränen in den Augen und Rome stößt sich von der Wand ab um angewidert einen Schritt zurück zu gehen.
„Wieso?“, meint er so eisig, dass ich das Bedürfnis unterdrücken muss, nicht die Arme beschützend um mich zu schlingen.
„Er ist ein Arschloch.“
„Das meinte ich nicht! Wieso bist du mit ihm mitgegangen?!“, fragt Rome unnahbar und ich schließe kurz die Augen.
Er hat es verdient, es zu wissen. Er hat mir das Leben gerettet und ich liebe ihn.
„Erpressung.“, meine ich schließlich schlicht.
Rome verzieht den Mund zu einem überheblichen Lächeln. „Mit was sollte man dich erpressen können?“
Ich schlucke schwer und deute aufs Bett. „Willst du dich nicht setzen?“, frage ich mit einem schwachen Lächeln.
„Ich denke ich stehe lieber.“, knurrt Rome. „Also mit was hat er dich dazu gebracht?“
„Versprich mir nicht auszurasten.“, flüstere ich.
„Mal sehen.“, stellt er schlicht fest.
„Magnus weiß zu viel über mich.“, meine ich schnell und Rome starrt mich perplex an.
„Was?!“
„Ich bin von zu Hause abgehauen als ich fünfzehn war. Ich will nicht wieder dahin zurück.“, meine ich verzweifelt. „Er hat gesagt er würde mich verraten, also dachte ich so schlimm kann es nicht sein, seine Forderungen zu erfüllen.“
„Geh.“
„Was?!“
„Raus! Verschwinde!“, brüllt er und will mich am Oberarm packen.
„Nein, Rome.“, presse ich verzweifelt hervor. „Ich hatte nichts mit ihm! Als ich auf dem Bett lag und gesehen habe wie er sich auszieht, da hab ich dich gesehen und wusste, dass ich es nicht tun konnte. Also bin ich abgehauen. Dass er... ich wusste nichts von dem was er vor hat.“
Ich schlinge meine Arme um Rome, der sie wegschieben will. „Bitte, glaub mir!“, flehe ich ihn an. „Bitte!“
„Warum?“, fragt er kalt.
„Guten Abend, Mr. Darren.“, höre ich es plötzlich kalt von der Tür herüberwehen und ich drehe mich um.
In der Tür steht mein Retter von heute Nacht. Christobal.
„Mira, wie schön dich wieder zu sehen.“, gurrt er zutraulich in meine Richtung.
Anstatt mich von sich zu stoßen, zieht Rome mich an sich und sieht Christobal abwertend an.
„Was macht ein Sprössling der 26 in meinem Haus?!“, fragt er eisig, woraufhin ich Christobal anstarre. Ein Sprössling? Ist er etwa- das kann nicht sein! Ich habe keine Geschwister!
„Ich wollte Ihnen nur meine Aufwartung machen.“, lächelt Christobal eisig und Rome sieht ihn kalt an.
„Hat man ihnen nicht beigebracht zu klopfen?“, fragt Rome fast amüsiert und verschränkt seine Arme vor der Brust, was seine Muskeln auf seinem Rücken in Bewegung bringt und mich verzückt aufseufzen lässt.
„Oh, ich habe geklopft.“, grinst Christobal und  schenkt mir ein kleines Lächeln.
„Hören sie auf Mira anzumachen und kommen Sie mit!“, faucht Rome wenig begeistert. „Ich bin gleich wieder da. Warte hier.“, knurrt Rome gnädig in meine Richtung und ich starre den beiden hinterher.

Kapitel 14 (noch nicht überarbeitet)

Ich lasse mich auf Romes Matratze fallen und seufze tief, während ich auf die geschlossene Tür starre.
Meine Gedanken schwirren und ich wünschte jemand könnte mir erklären, wo dieser Christobal plötzlich herkommt!
Was ist er? Mein Bruder? Halbbruder? Mein Cousin? Ich zupfe an Romes Bettdecke herum und seufze schwer.

Es dauert genau zwei Stunden und sechsundvierzig Minuten, bis Rome zurückkommt und ich kurz davor bin einzuschlafen.
Rome steht wie eine wütende Statue in der Tür, welche hinter ihm ins Schloss fällt und mustert mich eingehend, sodass ich mich auf der Stelle aufsetze.
Er ist noch immer sauer.
„Ich habe nachgedacht und ich habe beschlossen dir zu glauben.“, knurrt Rome. „Ab jetzt wirst du Magnus nicht mehr sehen. Christobal hat mir versichert, dass Magnus seine Strafe erhalten wird. Außerdem hat er mir erzählt, dass du ziemlich beeindruckend warst.“
„Oh.“, meine ich nicht sonderlich intelligent.
„Sieh nicht so bedröppelt drein. Du lebst noch. Ich bin stolz auf dich.“, meint Rome kalt. „Dass du so etwas nie wieder tust, versteht sich wohl von selbst.“
Ich senke den Blick und verknote meine Finger ineinander. Wenn er nicht mehr sauer ist, wieso sieht er dann so sauer aus?
„Mira, ich bewundere deinen Mut. Aber versteh, dass ich nicht zulassen kann, dass du dich umbringst, weil du dich mit einem Vampir prügeln musst.“
Ich linse unter meinen Augenliedern zu ihm hoch und blicke schnell wieder nach unten, als mir seine roten Augen, keine zehn Zentimeter entfernt entgegen sehen. „Ich weiß.“, bringe ich kleinlaut hervor.
„Gut.“, höre ich ihn sagen und sehe auf, um ihn unmerklich lächeln zu sehen. „Und wenn du das nächste Mal denkst, jemand erpresst dich oder du hast das Bedürfnis jemanden zu verprügeln, sag es mir. Ich tu es gern für dich.“
Mein Herz schmilzt dahin wie Eis in der Sonne und ich kann ihn nur seufzend anschmachten. „Danke, das weiß ich zu schätzen.“, murmle ich schwach.
„Erwarte aber nicht, dass ich mich selbst vom Dach stürze, wenn dir danach ist mich umzubringen.“, grinst er amüsiert.
„Das würde ich niemals-“
„Das war ein Scherz, Mira.“, meint Rome offensichtlich gutgelaunt.
„Oh. Ja natürlich, tut mir Leid. Ich bin nicht ganz auf der Höhe.“
„Das merke ich.“, schnurrt er zutraulich. „Ist alles in Ordnung?“
Rome sitzt in der Hocke vor mir und sieht mich mit schief gelegtem Kopf an, so wunderschön und unzerstörbar wie eine dieser griechischen Götterstatuen. Und ich ertrage es nicht, dass ich ihn fast verloren hätte, wegen meiner Blödheit.
Meine Arme schlingen sich fest um seinen Nacken, als ich mich gegen ihn fallen lasse und vergrabe meinen Kopf in seiner Halsbeuge, während sich ein Schluchzen aus meiner Kehle rinnt.
Er riecht so wunderbar. So männlich, so gut. Nach frischem Blut und Adrenalin. Testosteron und Rauch.
Rome sitzt starr da, und legt seinen Kopf scheinbar verwirrt in den Nacken.
Ich drücke meine Nase gegen seine kühle Haut und schließe die Augen, die verräterisch zu tränen beginnen. Bevor ich meine Arme nach unten gleiten lasse um sie bedächtig auf seinen Brustkorb zu legen.
„Mira?“, fragt Rome besorgt und nimmt mein Gesicht sacht in beide Hände und trennt mich so von der beruhigenden Nähe, die mich noch eben in ihren Bahn geschlagen hatte.
„Wieso weinst du?“, hakt er nach und ich sehe, von Tränen verschleiert, wie sich seine wundschönen Augen in meine bohren.
„Tut mir... ich weiß selbst nicht was los ist.“, schniefe ich und versuche seinem Blick auszuweichen. „Ich hatte so eine Scheißangst um dich.“, wispere ich schließlich kleinlaut.
Romes Reaktion darauf kommt zögerlich, doch sie kommt. Er schenkt mir ein winziges Lächeln.
„Du solltest dich hinlegen.“, schniefe ich.
„Es geht mir gut.“, meint er überzeugend und fährt mir sacht über die Wange.
Ich nicke, noch immer heulend und schenke ihm ein Lächeln, als er seine Hände von meinen Wangen gleiten lässt.
„Ich sollte dann wohl besser gehen. Ich störe dich schon viel zu lange.“
„Du kannst hier bleiben, wenn du willst.“, knurrt er.
„Nein. Ich muss endlich mal wieder schlafen.“
„Na schön. Erhol dich gut.“, brummt Rome und steht auf, wobei seine Muskeln sich aufreizend langsam bewegen.
„Rome?“, meine ich leise und lege meinen Kopf in den Nacken.
„Hm?“, knurrt er leise und sieht zu mir herunter.
„Danke.“, hauche ich atemlos. „Danke für alles.“
„Schon gut.“, grinst er und seine Augen blitzen im dämmrigen Licht der Nachttischlampe.
Sein Blick fesselt mich und ich bleibe bewegungsunfähig auf dem Bett sitzen.
„Du solltest jetzt gehen, wenn du nicht willst, dass wir beide im Bett landen.“
„Vielleicht will ich es aber.“, schlucke ich schwer und wende mich von ihm ab.
„Mir reicht kein vielleicht, Mira.“, höre ich Rome unbarmherzig sagen.
Ich sehe hoch und schlucke schwer, als mich mein Vampir mit den blutroten Augen abwartend ansieht.
„Du machst mir Angst, Rome.“, presse ich hervor, da er sich nicht einen Millimeter bewegt.
„Dann solltest du wohl jetzt besser gehen.“
„Ja.“, bringe ich schließlich hervor und erhebe mich unsicher. „Das sollte ich wohl tun.“
Ich stoße gegen Romes Schulter, als ich an ihm vorbei gehen will und sehe ihn erschrocken an. „Es...“, die Worte verstummen auf meinen Lippen, als sich unsere Augen treffen und ich merke wie mein Herz schnell und ungleichmäßig gegen meine Brust hämmert.
Die Luft scheint zwischen uns zu vibrieren und die kleinen Härchen auf meinen Armen richten sich erwartungsvoll auf. Romes Gesicht kommt wie von Zauberhand näher und ich sehe wie paralysiert auf seine Lippen, die meinen immer näher kommen.
Ich habe das Gefühl gleich umzukippen und registriere am Rande wie meine Lieder flattern, bevor ich sie endgültig schließe.
Zuerst habe ich das Gefühl ins Nichts zu fallen, doch dann streifen Romes große Hände über meine Wangen, im gleichen  Augenblick, wie sein Mund meinen findet. Seine kühlen, festen Lippen berühren sacht meine und lassen sie kurz wieder frei, bevor er sie hungrig und besitzergreifend erobert und seine Finger sich in meinen Haaren vergraben.
Ich schnappe nach Luft, als sich seine Zunge in meinen Hals schiebt und lasse meine Hände haltsuchend gegen seinen Körper fallen, während er mich fest an meinen Oberarmen an sich zieht.
Mein Kopf ruckt leicht nach hinten, um ihm besseren Zugang zu gewähren und ich wimmere fast, als er von mir ablässt.
„Das ist die letzte Chance zu gehen, Mira.“, knurrt er  tief und ich spüre unter meinen Fingern die angespannten Muskeln, die sich erregend fest unter seiner Haut abzeichnen.
„Ich verzichte.“, wispere ich atemlos und lasse meine Finger fasziniert über seine Brust gleiten.
Rome sieht an sich herunter und beobachtet meine Finger, bevor er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht und sich nach vor lehnt um mich zärtlich am Hals zu küssen. Seine Lippen lassen mich erbeben und die kühle, feuchte Spur die er auf meiner Haut hinterlässt, jagt mir einen Schauer nach dem anderen durch den Körper.
Und ich werde mir der Tatsache bewusst, dass Rome mich ganz unauffällig aufs Bett drückt und über mich steigt.
„Rome.“, wimmere ich dahingeschmolzen und schlinge meine Arme um seinen Nacken, als er von meinem Hals ablässt und mir ins Gesicht sieht, bevor er mir ein dunkles Grinsen schenkt und meine Lippen erneut in Beschlag nimmt. Er schmeckt nach Blut, nach Rauch und nach Gefahr und ich klammere mich wie eine Ertrinkende um seinen Hals, damit er nie wieder damit aufhört mich zu küssen.
Seine Zunge stellt Dinge an, von denen ich nicht wusste, dass sie das in deinem Körper auslösen können und ich keuche verzückt auf, als er sich auf mich legt und ich seinem Ständer gewahr werde, der gegen den Stoff meiner Jeans drückt.
Romes Hände sind überall und ich werfe meinen Kopf unruhig hin und her unter der süßen Qual, die er mir bereitet.
Seine kräftigen Finger fahren über meinen flachen Bauch, hoch zu meinen Brüsten und ich stöhne erschrocken auf, als er sie sanft in seinen Händen knetet, bevor er beginnt meine Bluse aufzuknöpfen.
Wie oft er das wohl schon getan hat? Mit anderen?
„Nein.“, hauche ich. „Lass bitte.“, wispere ich fest.
Ich höre Rome nach Luft schnappen, bevor er seine Hände von mir nimmt und ich schlage die Augen auf.
„Tut mir-“, fange ich an, doch Romes Gesichtsausdruck lässt mich verstummen.
„Du solltest jetzt gehen.“, presst Rome hervor. Seine Augen wenden sich verletzt von mir ab und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
Ich stehe mit wackligen Beinen auf und werfe ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Rome?“
„Geh jetzt. Wir haben uns nichts zu sagen.“, sagt Rome mit einem eisigen Hauch in der Stimme und wendet sich von mir ab.
„Es ist nicht so, dass ich es nicht will- aber ich bin nicht bereit dafür.“, wispere ich verzweifelt und stürme aus dem Zimmer.
Ich zittere wie Espenlaub, als ich durch den Gang zu meinem Zimmer laufe und mein Körper bebt so stark, dass ich Mühe habe die Türklinke herunterzudrücken.
„Lass mich das tun.“, höre ich es plötzlich hinter mir sagen und ich sehe wie ein kühler, durchtrainierter Arm an mir vorbeigreift und meine Finger von der Türklinke schiebt.
„Es tut mir Leid.“, haucht es mir dunkel ins Ohr und ich drehe mich erschrocken um. „Doch dein Geruch bringt mich um den Verstand, seit du mir dein Blut gegeben hast. Du bist so süß, so unschuldig. Alles in mir sehnt sich danach dich zu besitzen... Ich wurde noch nie von jemandem abgewiesen.“
Seine Lippen sind so nah an meiner Ohrmuschel, dass die Luft unter einer unsichtbaren Spannung vibriert und mir so fast das Gefühl gibt, sein Mund würde meine Haut berühren, doch das tut er nicht. Er schwebt dicht über meiner dünnen Haut des Halses und verursacht eine wohlige Gänsehaut, während seine Augen abwärts gleiten und dem feuchten Weg des Schweißes folgen, der langsam meinen angespannten Hals herunterrinnt und über mein Schlüsselbein fließt, hinunter in die versteckte Spalte zwischen meinen Brüsten.
Rome knurrt erregt und streicht mit seiner Zunge genießerisch über meine Haut und entlockt mir so ein Stöhnen, bevor er mir einen Kuss in meine Halsbeuge drückt und seine Nase dann in meinem Haar vergräbt.
„Rome, ich möchte ins Bett, bitte.“, flehe ich mit wild schlagendem Herzen. Er macht mich wahnsinnig und ich weiß nicht, wie lange ich ihm noch stand halten kann, oder wie lange er noch seine Gier nach mir unterdrücken kann.
„Ich will dich.“, knurrt er düster und drängt mich gegen die Tür. Ich spüre seinen Ständer an meinem Rücken und stöhne auf.
„Nein.“, wimmere ich. „Bitte Rome, tu uns das nicht an.“
„Ich bin verrückt nach dir.“, grollt Rome und vergräbt seinen Kopf in der Kuhle zwischen meinen Schulterblättern. „Ich weiß, du willst es auch. Lass mich dich lieben.“
Ich lehne meinen Kopf resignierend in den Nacken. Es wird nicht für immer nur uns beide geben. Er glaubt nicht an die Liebe und ich bin nicht mehr so kindisch zu glauben, dass die Liebe alles überwindet. Pamela wird die Frau an seiner Seite werden und ich werde gehen müssen.
„Mira, du fühlst dich so unglaublich an.“, schnurrt Rome verzweifelt und ich höre ihn schwer einatmen, was bei einem Vampir nicht alle Tage passiert, bevor er mich zu sich umdreht und mich einfach am Hintern packt, hochhebt und meine Beine auseinander treibt.
Ich starre ihn verschreckt an, als sein Ständer direkt an die Stelle meiner Jeans drückt unter der es auch bei mir verräterisch angefangen hat zu pochen.
„Oh Gott, Rome.“, schlucke ich heißer. „Nicht. Bitte nicht.“
„Was soll ich dir versprechen, damit du es endlich zulässt?“, knurrt er lusttrunken. „Sag mir, was?“
„Lass mich die Einzige für dich sein.“, schluchze ich weggetreten und drücke mich näher an ihn.
„Oh das wirst du sein heute Nacht. Glaub mir.“, stöhnt er zufrieden in mein Ohr und fährt langsam meine Wirbelsäule entlang, nach oben, bevor er mich durch die Tür trägt und sich samt mir aufs Bett legt.
Seine Hand gleitet genießerisch über meine Brüste und ich sehe ihn unter Tränenschleiern flehend an. Ich will ihn ganz. Ihn. Nicht den puren Sex, den er gerade im Sinn hat.
Rome schenkt mir einen Blick auf seine ausgefahrenen Reißzähne. Eine nicht gerade sehr subtile Art, zu zeigen, dass er mich will, aber sie macht mich an.
„Boss?! Boss wir- oh, Entschuldigung!“, brummt Cal, der plötzlich mitten in der offenen Tür steht und mich und Rome wie erstarrt betrachtet.
Rome knurrt erbost gegen meinen Hals und betrachtet mich kurz mit zusammengekniffenen Augen, bevor er wütend vom Bett springt und aus dem Zimmer stürmt.
Ich liege mit gespreizten Beinen da und breche in Tränen aus, ohne das ich etwas dagegen tun kann.
Er ist einer anderen versprochen und alles in mir verzehrt sich nach ihm. Was habe ich in meinem letzten Leben nur getan, um so ein schlechtes Karma zu haben, dass ich so ein Schicksal haben soll?
Ich schlucke heulend und fahre verschreckt auf, als die Tür erneut geöffnet wird. Rome steht bebend vor Wut vor mir und reißt sich seinen Verband von der Schulter. „Bleib hier. Ich komme so schnell wie möglich zurück. Ich muss nur etwas erledigen, dann bin ich wieder ganz bei dir.“, sagt er kurz angebunden und wendet sich um, um zu verschwinden.
„Rome?“, rufe ich ihm leise hinterher.
„Hm?“, fragt er schlecht gelaunt und sieht mich abwartend an, während er sich ein schwarzes Hemd über die Schultern streift und es mit flinken Fingern zuknöpft.
„Pass auf dich auf.“, meine ich mit einem traurigen Lächeln und Rome schenkt mir ein schlichtes Nicken, bevor er sicheren Schrittes davon geht.

Verliebt in einen Vampir. Unsterblich verliebt in einen schon vergebenen Vampir! In einen verfluchten Vorzeige-Vampir!

Kapitel 15 (noch nicht überarbeitet)

Es ist jetzt drei Tage her, seit Rome gegangen ist und ich mache mir Sorgen. Er wollte schnell wieder zurück sein.
Ich streife durch die Straßen und versuche meine Ängste als unbegründet abzuhaken, doch als ich nach Hause komme und die Anzugträger herumstehen sehe, fällt mein Magen ins Nichts.
„Wo ist er?“, bringe ich panisch heraus und schiebe mich an ihnen vorbei.
„Oben.“, höre ich einen von ihnen lautlos sagen und ich hechte an ihnen vorbei, die Treppe nach oben.
Zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, sprinte ich mit bangem Gefühl im Magen in sein Schlafzimmer. Meine  Sicht wird mir von schwarzen Anzügen versperrt und ich kämpfe mich durch den Wald aus Körperteilen und teurem Stoff.
Als ich es schließlich bis vor Romes Bett geschafft habe, sehe ich einen älteren Herrn im weißen Arztkittel über ihn lehnen und schnappe erschrocken nach Luft.
Blut. Aufgeschürfte Haut, blauschwarze Prellungen, tiefe Schnitte in seinem Brustkorb und den Oberschenkeln. Eine Platzwunde, an der Schläfe und eine ausgerenkte Schulter, die soeben wieder eingerenkt wird.
Rome gibt keinen Ton von sich, ich allerdings schon, als ich sehe, dass der Arzt ohne jede Betäubung in seinen Wunden herumdoktert.
Romes Blick ist hart, als er mich ansieht und ich senke meine Augen auf den Fußboden. Nicht weinen.
„Lasst uns allein. Alle.“, höre ich Rome langsam sagen und ich sehe auf. Romes Blick haftet an meinem Körper und ich sehe ihn trotzig an. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber ich weiß, dass er  mir eine Erklärung schuldet.
„Hi, Mira. Entschuldige, dass ich erst jetzt komme.“
„Rome…“, fange ich an.
„Mir geht´s gut, Schätzchen.“, grinst er und schenkt mir ein freudloses Lächeln.
Ich schlucke schwer und betrachte das Operationsbesteck, das benutzt auf dem Nachttisch liegt und schüttle den Kopf. „Natürlich.“, gebe ich sarkastisch zurück. „Was ist passiert?“
Romes Grinsen wird hart und abweisend. „Ist doch egal. Ich lebe noch.“
Ich schnaube. „Ja. Das meinte ich aber nicht, als ich sagte: Pass auf dich auf!“, schreie ich ihn an.
Er sieht mich erstaunt an und schenkt mir ein schiefes Grinsen. „Ich weiß. Ein Motorrad kam mir dazwischen.“
„Ein Motorrad?!“, fahre ich ihn an.
„Ich wollte einfach nur nach Hause nach dem Mist.“, sagt er sanft. „Ohne den Unfall, hätte ich nicht ganz so ramponiert ausgesehen.“
„Du hattest einen Motorradunfall?!“, entkommt es mir entsetzt.
„Mira…“
Ich sacke am Ende seines Bettes zusammen und vergrabe mein Gesicht in meinen Handflächen.
„Du hättest sterben können.“, stelle ich schockiert fest. „Schon wieder.“  Aber es geht ihm gut. Mein Problem wird bald nicht mehr sein, dass er eine andere heiraten wird, sondern dass er tot ist!
Ich hebe den Blick und  krabble ungelenk zu ihm hoch, um mich an seine Brust zu werfen und meine Arme um seinen Nacken zu schlingen, oder es zumindest zu versuchen, denn Rome hält mich an den Schultern fest und sieht mich starr an.
„Mira! Das geht nicht.“, faucht er alarmiert.
„Aber-“
„Siehst du all das Blut etwa nicht, du dummes Mädchen?! Das ist- das geht nicht. Du könntest- bleib einfach weg von mir!“, schreit er mich verzweifelt an.
„Nein.“, sage ich schlicht und lasse mich trotz seiner Gegenwehr auf seine Brust sinken. Er ist zu schwach um sich dagegen zu wehren. Es ist mir egal, ob ich verwandelt werde.
„Du dummes Ding!“, knurrt er in Panik und vergräbt seinen Kopf gleichzeitig in meinem Haar. „Geh.“, wispert er.
„Nein.“
„Du könntest sterben.“, haucht er verzweifelt.
„Nein, das kön-“
„Mira!“, brüllt er wütend.
„Scht… Es ist mir egal.“
Nein. Eigentlich stimmt das nicht. Es ist mir nicht egal. Ich will es. Keine Ahnung wie lange es her ist, seit mir ein Leben als Vampir keine Heidenangst einjagt, doch es ist so.
„Aber mir nicht!“, entgegnet er mir ruppig und mein Herz schwillt an vor lauter Liebe.
„Ich liebe dich.“, seufze ich resignierend und sehe ihm tief in die blutroten Augen.
Ich sehe ihn schlucken. „Liebe ist nur ein Wort. Wenn sie dich dazu bringt, so einen Unsinn zu machen, dann-„
„Du nennst das eine Dummheit? Das hier?“, frage ich erstaunt und lege meine Hand auf den Platz seines toten Herzens, über dem eine tiefer Schnitt klafft. „ Ich sag dir jetzt mal was: Ich bin lange genug davor weggelaufen! Wenn es nötig ist, dass du mich endlich an dich ran lässt- bitte!“, meine ich verzweifelt und greife nach dem noch unbenutzten Skalpell, das neben dem Bett liegt und  mache den Schnitt, der mein Leben für immer verändern wird: Die Halsschlagader nach unten.
Viel zu einfach.
So oft habe ich zugesehen. Ich weiß, wie es geht.
Ich höre Rome entsetzt aufstöhnen und grinse, als seine Zähne sich in mein heißes Fleisch schlagen.
Der Biss hat ihn zum Raubtier werden lassen und Schluck für Schluck saugt er mein altes Leben aus mir heraus.
Als ich nicht mehr kann, löse ich mit letzter Kraft seinen Biss und lasse meine Lippen gegen seine Brust sinken und beginne zu saugen.
Vier Sekunden.
Schmerz.
Qual.
„Mira! Nein! Nein!“, höre ich Rome von weit weg und ich schaffe es, einen letzten Blick auf seine schreckensgeweiteten Augen zu werfen.

Schwarz.
Kälte.
Dunkelheit.
Stille.
Einsamkeit.

Ich spüre den Kampf. Den wechselnden Strom zwischen Lebenskraft und Todesstarre. Höre das sanfte Wispern von Millionen von Stimmen, oder vielleicht auch nur einer Einzigen. Der Tod ist für mich nicht das Ende, das wusste ich immer, doch ich fürchte mich vor dem Weitergehen.
Hände.
Sanfte Berührungen.
Kehlen.
Bisse.
Stimmen.
Und immer wieder sehe ich Romes Gesicht vor meinem geistigen Auge auftauchen, nur kurz wie der flüchtige Schlag eines Schmetterlings.
Die Abstände, in denen ich klar bin, werden langsam kleiner und vor meinen Augen spielt sich ein Film wie in einem Zeitraffer ab, dem Bilder fehlen, sodass er abgehackt und verwirrend für den Zuschauer erscheint.
Und immer wieder Rome, wenn ich schlafe. Blutrote Augen, im Schrecken geweitet. Seine verzweifelten Schreie. Was habe ich getan?
Ich schrecke aus meinem Albtraum hoch und starre in rote Augen. Sie sind so unvertraut. So fürchterlich fremd und ich schnappe nach Luft.
„Guten Morgen.“, weht eine tiefe, melodische Stimme zu mir herab und die Bewegungen, des Mundes vor mir verraten mir, dass wohl mein Gegenüber mit mir gesprochen haben musste.
„Du hast dir Zeit gelassen, Schwester.“, höre ich den Mund sagen und fahre zurück.
Ich kenne dieses Gesicht, dem meines Vaters nicht unähnlich.  Christobal. Sein starker Unterkiefer schiebt sich nach vorne, als er amüsiert lächelt und er seine Hand ausstreckt um mir über die Wange zu fahren.
„Endlich bist du wach. Ich konnte es kaum erwarten.“, grinst er liebevoll und ich kneife meine Augen zusammen, um ihm einen kritischen Blick zu zuwerfen.
„Wo bin ich? Und vor allem wer ist du?!“, frage ich misstrauisch nach und rutsche von ihm weg.
„Nicht so schnell, kleiner Vampir. Du hast lange geschlafen. Die Nacht hat sich sehr viel Zeit gelassen dich einzufangen. Du solltest deine neuen Kräfte noch nicht so bald in Anspruch nehmen.“
Ich blinzle verwirrt.
„Ich war so frei dich aus deinem Sarg zu holen. Für eine Casey schickt es sich nicht, sich durch das Erdreich zu wühlen.  Vor allem nicht, nachdem du solange auf dich hast warten lassen. Vater hatte schon begonnen sich Sorgen zu machen.“
„Vater?“, frage ich alarmiert.
„Keine Sorge. Er ist nicht hier. Er dachte sich schon, dass du ihn nicht sehen willst.“
„Ab er, wer-“, fange ich verwirrt an.
„Wer ich bin? Dein Bruder. Halbbruder, um genau zu sein. Doch das ist jetzt erst einmal Nebensache. Du musst Hunger haben.“, meint er sanft und beugt sich über mich. Er präsentiert mir seinen Hals vertrauensvoll und ich höre das Blut in seinen Adern atmen. Er riecht fantastisch. Es ist, als hätte ich über Nacht eine neue Welt betreten. Ich rieche mich, seinen herben Geruch, einen Hauch Kaffee, Sex, Meerwasser, Zitronengras, neue Klamotten, teures Leder, Schweiß, Tabak, und eine frische Brise Nachtluft. Feuchte Erde, Blütenstaub, Frauen.
Meine Nase schwebt fasziniert ein paar Zentimeter über seiner Kehle und ich höre mich selbst seufzen, während ich seinen Geruch in mich einsauge.
„Greif zu.“, höre ich Christobal sagen, bevor kräftige Finger meinen Kopf umfassen und meinen Mund sanft an die Halsschlagader führen.
Ich fühle mich wie ein Säugling, als er eine Hand in meinen Nacken legt und seinen Hals so dreht, dass die Ader deutlich unter seiner Haut pocht.
„Ist okay. Ich habe genug davon.“, knurrt er zutraulich und ich schlage vom Verlangen überwältigt meine Zähne in seinen Hals.
Ich spüre das Blut über mich schwappen und kann mich seinem Sog nicht erwehren. Ich versuche mehr zu bekommen und stöhne zufrieden, als er mich fester an sich drückt.
Mehr, mehr, mehr!
Die Blutgier beherrscht mein ganzes Denken und ich schlage meine Zähne tiefer in sein Fleisch.
„So ist es gut, mein Schatz. Trink.“, meint Christobal sanft und ich presse mich näher an ihn. Mehr.
Ich bin eine Süchtige. Süchtig nach seinem Gift. So anziehend. Ich kann mich dem Sog nicht erwehren.
Seine Hände streichen über meinen Kopf und durch mein Haar und ich lasse mich fallen. Mehr, viel mehr. Ist alles was ich noch denken kann und Chritstobal lässt mich gewähren. Nach ihm, schlage ich meine Zähne in viele fremde Kehlen. Alle vampirisch. Alle Gift für mich, alle stark, alle fantastisch.
Verwandelte brauchen unglaublich viel Blut, denn der Körper stellt sich  in dieser Zeit von einer Art der Energiegewinnung auf die Andere um. Vampirblut lässt das Ganze am Schnellsten von Statten  gehen.

Kapitel 16 (noch nicht überarbeitet)

„Mira, es ist Zeit.“, höre ich eine kühle Stimme sagen, bevor mir der überwältigende Geruch eines mir mittlerweile vertrauten Mannes in die Nase steigt. Christobals Geruch.
Ich spüre wie sich eine kühle Hand auf meinem Mund legt und ich versuche meine Blutgier, die wie ein Peitschenschlag auf mich herabfährt zu unterdrücken. Meine Fänge pochen, beim Versuch sie zurück zu halten schmerzhaft in meinem Zahnfleisch und ich stöhne frustriert auf, als sie hervorschnellen und sich tief in Christobals Handgelenk graben und ich gierig zu trinken beginne.
„Langsam kleine Schwester. Du bekommst genug.“, knurrt er amüsiert und ich versuche die Augen zu öffnen, was nicht gelingen will.
„Du hast die Wandlung fast hinter dich gebracht. Noch ein oder zwei Tage und du hast das Schlimmste überstanden.“, sagt er fast andächtig, bevor er meine Fänge aus seinem Arm pflückt und ich zurück in die Dunkelheit gleite.

Seitdem ist eine Woche vergangen, sieben Tage, in denen mein gesamtes Weltbild zusammengebrochen ist. Und als ich jetzt auf dem Weg zu Christobals Arbeitszimmer bin, versuche ich es einfach zu akzeptieren und zu lernen die zu sein, die ich nun sein kann.
Ich habe mich für die Ewigkeit entschieden. Jetzt will ich wissen was sie zu bieten hat.
Das mit dem Verwandeln klappt immer noch nicht. Meine Tiergestalt will sich einfach nicht zeigen. Er sagt, ich werde mich verwandeln, wenn ich etwas beschützen will oder wenn ich wütend werde. Etwas muss in mir so starke Gefühle auslösen, dass es meinen Körper dazu bringt zerspringen zu wollen. So hat er es mir zumindest erklärt.

Wie sehr ich es hasse hier zu sein. Helsinki.
Wie sehr mich diese trostlose Jahreszeit anödet.
Den ganzen Tag über ist es klamm und kalt, der Nebel kriecht durch die Gassen wie ein unheimliches, lebendiges Geisterwesen.
Ich vermisse Chicago. Den Wind, der frisch durch die dunkle Stadt weht. Den Anblick der sich spiegelnden Lichter im großen See. Und ich vermisse den Geruch meiner geliebten Stadt. Romes Geruch.

„Verfluchte Scheiße, Mira!“, höre ich Christobal ungehalten schreien, als ich einfach in sein Arbeitszimmer schlurfe.
Schon klar.
Die Leute, mit denen er zu tun hat, sind gefährlich. Natürlich. Immerhin ist er der Boss der Jäger. Einen Institution, die schon genauso lange existiert wie die Vampire. Somit ist mein Bruder wohl das, was man einen mächtigen Mann nennt. Vielleicht sollte ich ihn lieber den Herrn der Profikiller nennen. Aber egal. Deswegen bin ich nicht hier.
„Du wolltest mich doch sehen. Deswegen hast du doch durchgeklingelt.“, gebe ich gelangweilt zurück und lasse mich vor ihn auf den breiten, alten Stuhl nieder, auf dem jeder sofort jede einzelne Sünde bereut, die er jemals begangen hat, so unbequem wie er ist. Doch leider habe ich keine Wahl, da ich noch nicht fit genug bin, lange zu stehen.
„Ich dachte eigentlich daran nachher zu dir zu kommen. Wie hast du überhaupt hergefunden?“, grollt Christobal und setzt seine Sonnenbrille ab. Seine blauen Augen sind stechend und ebenso ungewöhnlich für einen Vampir, wie meine, die ebenfalls ihre blaue Farbe behalten haben.
„Vampir.“, sage ich seufzend und deute auf mich. „Dein Aftershave ist unverkennbar.“
Christobal zieht eine Augenbraue nach oben. „Das lässt du in Zukunft. Ich bin dein Bruder. Ich trage Verantwortung.“
Ich rolle mit den Augen.
Der trägt nicht nur Verantwortung, er blüht in ihr richtig auf. Ich bin bis auf diesen kurzen Spaziergang herunter zu seinem Büro noch nicht einmal aus meinem Zimmer gekommen. Und das, wo wir in Finnland hocken, nach seiner Auskunft. Mitten in Helsinki. Ich habe nur den Schnee gesehen, der vor meinem Fenster Tag ein, Tag aus dicht aus den Wolken fällt und die leere Straße verschleiert.
„Ja.“, gebe ich höflich zu. „Also?“
„Ich weiß nicht, ob dir das gefällt, aber ich war so frei dein altes Ich, Belladonna Casey sterben zu lassen.“
„Was?!“, entkommt es mir entsetzt.
„Ich dachte mir, du möchtest vielleicht lieber Mira Blue bleiben. Also habe ich Pius an den ein oder anderen Gefallen erinnert, den er mir schuldet und siehe da, Belladonna wurde offiziell für tot erklärt. Übrigens lässt er dich herzlich grüßen.“
„Wie nett.“, gebe ich noch immer schockiert zurück. „Und wie hast du dir das so gedacht?“
Christobal legt seine Fingerspitzen aufeinander und sieht mich grinsend darüber hinweg an. „Ich bin jetzt dein offizieller Vormund, kleine Schwester. Und ich denke, damit fährst du besser als mit Pius. Denn der hat sich deine Ehemänner schon zurechtgelegt gehabt.“
„Und du nicht?“, hake ich kritisch nach.
„Nein.  Ich denke das kannst du selbst, wenn die Zeit gekommen ist.“
„Werde ich Profikiller?“, meine ich schwach lächelnd.
„Vergib mir, Schwester. Aber ich fürchte, das können andere viel besser als du. Außerdem ist das keine Option. Deine Ausbildung hätte viel früher beginnen müssen.“
Ich verschränke die Arme vor der Brust. Also irgendwie ist das frustrierend. Nicht das ich Jägerin werden wollte, aber angeblich nicht das Zeug dazu zu haben ist kränkend.
„Zuerst einmal wirst du dich erholen und dann dachte ich daran, dass du die Schule zu Ende machst.“
„Schule?“, meine ich kritisch.
„Ja. Ich denke, das ist eine gute und sinnvolle Beschäftigung für dich. Außerdem lernst du so deine Intelligenz  richtig einzusetzen. Kellnern mag für eine Menschenfrau in Ordnung sein, aber nicht für meine Schwester.“
„Ich mag es aber.“, gebe ich spitz zurück und lehne mich nach hinten.
„Dann darfst du mir gerne meine Drinks mixen.“
„Darf ich dann wenigstens deine Jungs kennenlernen?“, schmolle ich genervt.
„Wir werden sehen.“, knurrt er amüsiert und fixiert mich abschätzend. „Am Montag fängst du an. Du scheinst fit zu sein.“
Ich wiege den Kopf hin und her. „Hoffen wir es.“
„Gut. Dann hätten wir das geklärt. Ich begleite dich noch nach oben.“
„Danke, das ist nicht nötig. Es ist doch keiner deiner Killer da, oder?“, hake ichvorsorglich nach.
„Das nicht. Doch nachher habe ich ein Treffen angesetzt. Nicht hier. Keine Sorge.“, sagt er sofort. „Bitte bleib trotzdem zu Hause. Hier.“, meint er eindringlich, da ich ihm schon mehr als einmal erzählt habe, wo mein persönliches zu Hause liegt. Einen Ozean weiter, in einer stürmischen Stadt, in der ich mich selbst und einen Vorzeige- Vampir gefunden habe.
„Gute Nacht.“, schmunzelt Christobal und drückt mir einen kratzigen Kuss auf die Stirn.
„Pass auf dich auf.“, murmle ich hinter ihm her, obwohl diese Ermahnung noch nie viel gebracht hat.

In dieser Nacht schlafe ich schlecht. Ich mache mir Sorgen um Christobal, höre dem Schneesturm zu, wie er ums Haus pfeift und denke an Rome, der mich noch immer für tot hält. Wahrscheinlich hat er längst Pam geheiratet. Ich war für ihn ja nur ein Menschenmädchen.

Kapitel 17 (noch nicht überarbeitet)

„Aufgeregt?“, will mein Bruder neugierig wissen, als ich gehetzt in die Küche renne und nach meiner brandneuen Strickjacke greife, die wir am Samstag mit den anderen Schuluniformstücken gekauft haben.
„Merkt man das so sehr?“, meine ich unglücklich, während ich mich in die enge, dunkelblaue Jacke fummle und versuche meine akkurat gebügelte Bluse nicht zu sehr zu verknittern.
Mein Bruder grinst nur schlicht und greift nach seinem Kaffee. Seine Augen beobachten mich amüsiert, als ich meine Strickjacke zuknöpfe und sie zurecht zupfe, bevor ich mir zum vierten Mal an diesem Tag meinen Pferdeschwanz neu binde.
„Beruhige dich, Mira. Sie werden dich mögen. Um den Stoff musst du dir keine Sorgen machen. Du bist ein kluges Köpfchen. Das hast du schnell wieder eingeholt..“, redet er mir gut zu und mustert mich wohlwollend. „Diese Schuluniform steht dir.“
„Ich will nicht in eine Mädchenschule! Es wird sicher furchtbar. Ich kann nicht mit Frauen. Die sind immer so zickig. Ich werde die einzig Neue sein und ich bin nicht mal verlobt! Sie werden Angst haben, dass ich ihnen die Männer ausspanne und mich hassen!“
Christobal schenkt mir ein schiefes Grinsen. „Mira. So schlimm wird es nicht. St. Andrews ist zwar eine Mädchenschule mit dem Ruf, besonders eigene Schülerinnen hervorzubringen, doch jede Familie, die etwas auf sich hält, schickt ihre Töchter dorthin.“
Ich lächle schwach. „Irgendwie überzeugst du mich nicht recht. Gib mir einen Kaffee.“
Das Grinsen meines Bruders ist erschreckend, als er nach einer Kaffeetasse greift und sie unter den Automaten stellt. „Soll ich dir ein paar Jungs als Begleitschutz zur Seite stellen?“
Ich beiße mir auf die Lippen, denn ich bin versucht das Angebot anzunehmen, das nicht ernst gemeint war.
„Du könntest mich wenigstens zur Schule fahren.“, schlucke ich Mitleid erregend, als er mir den dampfenden Kaffee reicht.
„Ich sagte doch schon, dass dich Semjon mitnehmen wird. Es liegt auf seinem Weg.“, lächelt mein Bruder entschuldigend.
„Ich will doch aber gar nicht in die Schule. Ich bin klug genug.“, stelle ich mit bebendem Kinn fest und merke wie meine Augen langsam feucht werden.
„Ich gebe zu, du bist gut.“, knurrt mein Bruder amüsiert. „Doch leider hast du einen hartherzigen Mistkerl vor dir, der sich von so etwas nicht beeindrucken lässt.“
„Ich will doch einfach nur nach Hause.“, wispere ich leise in meinen Kaffee.
„Sei nicht so kindisch. Ich habe dir schon einmal erklärt, dass das nicht geht. Es war Pius einzige Bedingung dich gehen zu lassen, dass du Rome Darren nie wieder siehst und er in dem Glauben bleibt, du seist tot.“
„Ich lie-“, fange ich schwach an, werde jedoch von Christobal unterbrochen.
„Das tut mir Leid. Doch es liegt nicht in meiner Macht das zu ändern.“
„Christobal. Sag mir nur eins. Es- er wird Pam heiraten. Er muss es. Darf er deswegen nichts von mir wissen? Hat Pius Angst, dass Rome mich wollen könnte?“, frage ich tief durchatmend.
„Ich kenne die Gründe unseres Vaters nicht. Und es ist zur  Zeit auch vollkommen unbedeutend. Du musst los.“
„Noch eines, bevor ich gehe. Gilt die Regel noch, das fünf Jahre Trauerzeit in einem Haus herrschen, wenn eines der Mitglieder der engen Familie stirbt und in dieser nicht geheiratet werden darf?“, will ich wissen und stelle meinen halb ausgetrunkenen Kaffee in die Spüle.
„Natürlich. Und diese Zeit wird eingehalten.“, lächelt mein Bruder spitzbübisch. „Und jetzt verschwinde endlich.“
Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und er starrt mich perplex an, während ich aus der Küche verschwinde. Er steht wohl unter Schock.
„Viel Spaß in der Schule.“, höre ich ihn leise sagen, als ich die Tür hinter mir zuziehe.
„Witzbold.“, schnaube ich etwas besser gelaunt und drehe mich um.
Wow. Was für ein Wagen!
Dieser Semjon fährt ein Auto, das Andrej Tränen in die Augen treiben würde. Einen schwarzen SLR Mercedes McLaren. Das weiß ich so genau, weil ein Bild von diesem Wagen in Andrejs Zimmer hängt und er keine Gelegenheit auslässt von diesem Auto zu schwärmen.
612 PS, tiefer gelegt, die lange Schnauze elegant nach unten gezogen, die verdunkelten Scheiben grazil gebogen. Der Stern prangt stolz und riesig auf dem Kühler.
Ich gebe zu, jetzt verstehe ich Andrej ein wenig. Dieses Auto ist wirklich schön.
Ich gehe die aus Naturstein geschlagenen Stufen zur geschotterten Auffahrt hinunter und öffne mit mulmigem Gefühl die Beifahrertür.
Mir dringt der überwältigende Geruch von teurem Leder, Zigarettenqualm und einer unterschwelligen Note Aftershaves in die Nase und ich überwinde mich den Kopf ins Innere des schwarzen Monsters zu stecken.
„Morgen.“, lächle ich unbeholfen. „Ich bin Mira.“, ergänze ich, als ich ohne wirklich etwas zu sehen einsteige und die Schultasche zwischen meinen Beinen abstelle.
„Semjon.“, grollt es dunkel vom Fahrersitz und ich wage es ihn anzusehen, als ich bedächtig die Beifahrertür geschlossen habe.
Ich schlucke unbewusst, als mein Blick über ihn streift. Sein pechschwarzes Haar ist streng nach hinten gegelt und kurz geschnitten, sodass es nicht von seinem erschreckend männlichen Gesicht ablenken kann. Breit, kantig und von schnörkelloser Attraktivität, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe.
„Freut mich.“, bringe ich krächzend hervor um nicht unhöflich zu erscheinen, obwohl ich das Gefühl habe nicht atmen zu können. Seine Anwesenheit lässt keinen Platz für so etwas Banales wie Luft.
Er schweigt und wendet sein Gesicht ganz in meine Richtung.
Müsste ich atmen, wäre das wohl der perfekte Moment um zu ersticken. Diese Augen gehören keinem Lebewesen. Sie sind vollkommen schwarz. Leblos. Doch sie bewegen sich fast unmerklich.
„Das bezweifle ich.“, knurrt er so tief und samtig, dass es mir kalt den Rücken herunter läuft und er den Schlüssel im Schloss herumdreht.
Seine Worte dringen zwar in meine Gehirnwindungen vor, doch ich bin noch immer vollkommen paralysiert von diesen Augen, dass ich nichts sagen kann.
Wenn man von diesen Augen loskommt. Dann würde man ihn als unanständig attraktiv abstempeln. Doch so macht er einem Angst.
Er ist riesig. Sicher noch größer als Rome. Sein Körperbau ist der eines Raubtieres: sehnig bemuskelt ohne ein Gramm Fett. Lange, kräftige Finger mit kurzen, gepflegten Nägeln. Seine Haut ist dunkel für einen Vampir. Kein milchiges weiß, keine Porzellanhaut, sondern ein helles, ledriges  Braun, wie es Spaniern oder Türken zu eigen ist.
Seine Kleidung ist schwarz. Der Anzug, die Augen, die Haare.
Schwarz.
Alles an diesem Mann ist schwarz.
Seine schmalen Lippen sind in Missfallen gekräuselt und seine glattrasierten Wangen wölben sich nach innen, was wohl daher rührt, dass er darauf beißt.  Sicher fragt er sich, warum er hier ist. Er hält es für unter seiner Würde und damit hat er ohne Zweifel recht. Ich bin nur die Schwester seines Bosses.
Ich sehe wie sich seine Finger ums Lenkrad  krallen und seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Plötzlich ist er so angespannt, dass ich Angst habe, dass er mich gleich aus dem fahrenden Auto stößt.
Ich habe doch gar nichts gesagt, oder getan.
„Du bist zu nah.“, sagt er plötzlich lautlos.
„Entschuldige.“, meine ich erstaunt und greife nach dem Gurt. „Aber ich kann nicht weiter nach außen rutschen, ich sitze schon fast auf der Tür.“
Der Rest der Fahrt herrscht eisiges Schweigen und ich atme erleichtert auf,  als wir vor einem Efeu umranktem Gebäude halten, dessen U-förmige Gestalt einen gepflasterten Hof umschließt und dessen schwere, schwarzen Eisentore weit offen stehen.
„Danke, fürs fahren.“, hauche ich schlicht und öffne die Tür.
Jetzt muss ich nur noch das Büro des Direktors finden, mich vorstellen und mich in meine Klasse bringen lassen und den Gang über den Schulhof überleben.
Ich werde angestarrt. Toll.
Von über dreihundert Augenpaaren verfolgt, schlendere ich über den von alten Bäumen gesäumten Hof und setze eine Pokermine auf.
Alle stehen in Grüppchen herum, feinsäuberlich getrennt. Und je weiter ich laufe, desto gestylter werden die Grüppchen. Und dann sehe ich sie. Meine Cousine. Pamela Casey. Blond, vollbusig, groß mit dem Gesicht eines missgelaunten Engels. Um sie herum hat sie drei hübsche, aber glanzlose Gestalten im Vergleich zu ihr drapiert und mustert mich mit einem hochmütigen Gesichtsausdruck.
Sie hat sich kein Stück verändert, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ja, sie steht nun über mir. Ist mit dem Mann verlobt, in den ich mich verliebt habe und ist damit wohl eine sehr geschätzte Freundin. Für alle. Doch nicht für mich. Sie ist ein weinerliches, selbstsüchtiges Ding, deren einzige Fähigkeit darin besteht hübsch auszusehen und sich an die Regeln zu halten.
Mir entkommt ein abfälliges Schnauben, obwohl mein Magen sich umdreht. Mein Bruder ist ein Masochist! Jetzt darf ich sie mir also jeden Tag ansehen wie sie mit dem dicken, fetten Verlobungsring unter meiner Nase hin und her wedelt. Zumindest weiß sie nicht, wer ich tatsächlich bin. Sie weiß auch nicht, dass ihr Verlobter mich in seinen Bann gezogen hat oder dass ich ihr am liebsten die Augen auskratzen würde.
Ich wende den Blick ab und gehe die Stufen nach oben, als ich eine letzte Gruppe ausmache, die zwischen den weißen Säulen sitzt und sich leise unterhält.
„Entschuldigt bitte, könnte mir jemand von euch sagen, wie ich zum Büro des Direktors komme?“, frage ich an sie gewandt, bevor ich es mir anders überlegen kann.
Die vier mustern mich schweigend. Ein großes, burschikos aussehende Mädchen, dessen fransiger Haarschnitt ihre ganze Augenpartie bedeckt und deren weiße Bluse lasch in eine schwarze, faltenschlagende Hose steckt, die ebenfalls zur Schuluniform gehört, erhebt sich mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck.
Sie sieht vollkommen derangiert aus, trotzdem habe ich sofort Respekt vor ihr. Oder vielleicht gerade deswegen. Bei näherem Hinsehen könnte man sie auch für einen Jungen halten und ihrem Gang nach zu urteilen hält sie sich auch für einen.
„Kleine, nerv mich nicht am frühen Morgen.“, murrt sie genervt und streicht sich durch das verstrubbelte Haar, das daraufhin noch ein wenig mehr aussieht, als sei sie frisch aus dem Bett gekommen.
Ich sehe sie schmunzelnd an. „Wenn ich klein bin, dann bist du es auch. Die fünf Zentimeter machen keine Kleine aus mir.“, entgegne ich schlicht.
Sie neigt abwägend den Kopf, bevor sie die Hände in die Hosentaschen steckt und mir ein Lippenkräuseln schenkt.
„Wie heißt du?“, will sie wissen und zückt plötzlich ihr Handy, das zu klingeln angefangen hat und stellt es mit einem kurzen Blick auf den Display wieder zurück in die Hosentasche.
„Ich bin Mira Blue. Und du?“, meine ich amüsiert über ihr Verhalten.
„Victoria. Vic für meine Freunde.“, sagt sie schlicht. „Ungewöhnliche Augen.“, stellt sie fest.
„Deine kann man schlecht beurteilen. Man sieht sie ja nicht.“. gebe ich lächelnd zurück. „Kannst du mir nun zeigen, wo das Büro ist?“, will ich endlich wissen und tippe auf die Uhr. „Ich habe keine Lust schon am ersten Tag zu spät zu kommen.“
„Nein.“, knurrt sie gelangweilt. „Ich bin beschäftigt. Jules soll dich hinbringen. Ich muss ein wichtiges Gespräch führen. Man sieht sich, Kleine.“
Ich verdrehe die Augen. Sie ist ja so cool, ein Wunder, dass sie überhaupt mit mir gesprochen hat.
Plötzlich steht vor mir eine hübsche, karamellblonde Schülerin, die mich mit großen dunkelroten Augen interessiert taxiert. „Vic ist immer etwas unterkühlt, wenn sie jemanden nicht kennt. Mach dir nichts draus. Ich bin Juliana. Aber nenn mich bloß nie so. Ein schrecklicher Name. Ich bin die Schülersprecherin hier und eine gute Freundin von Vic. Die anderen beiden heißen Tess und Dani. Tess ist die Schwarze und Dani ist der punkige Intelligenzprotz, der wie eine Musterschülerin aussieht.“
„Ich bin die Quotenschwarze der Gruppe, oder was?“, grinst Tess berechnend. „Was sollte das für ne Vorstellung sein, Jules?!“
„Na schön. Mira. Das ist Tess. Die Zicke.“, grinst Jules leichthin und Tess streckt uns die Zunge raus. „Tess, Dani, kommt ihr mit?“, hakt Jules nach und schenkt den Beiden einen auffordernden Blick.
Keine zwei Minuten später, klettere ich mit den dreien die Treppen hinauf und unterhalte mich schon gut mit ihnen. Wir haben festgestellt, dass wir im gleichen Jahrgang sind und  jetzt bin ich dabei, wie über meine anderen Mitschülerinnen auszufragen.
„Ist Victoria auch im gleichen Jahrgang wie wir?“, möchte ich interessiert wissen.
„Sicher. Stehst du auf sie?“, will Tess frech wissen.
„Nein. Ich bin nicht lesbisch und ich bin schon unglücklich verliebt.“, gebe ich zurück.
„Dann können die Mädels ja wieder aufatmen. Gerade vorhin kam nämlich schon der erste Kontrollanruf. Deswegen hat Vic nämlich jetzt auch keine Zeit mit uns mitzukommen.“
„Wer ist ihre Freundin?“, will ich gespannt wissen.
Dani wirft mir einen misstrauischen Blick zu, bevor sie sich stumm mit Tess und Jules beratschlagt.
„Kommt schon. Ich bin neugierig. Wer ist es? Ich kenn die Leute ja sowieso nicht.“, drängle ich neugierig.
Ich höre Tess durchatmen. „Eigentlich ist es ein Geheimnis. Doch verflucht, sollte es dir raus rutschen, hätte ich keine Probleme dabei zuzusehen, wie sie Ärger kriegt.“
Jules wirft Tess einen bösen Blick zu. „Das ist nicht lustig. Sie ist verlobt. Verlobt mit einem sehr mächtigen Kerl.“
„Okay. Dann sagt mir wenigstens mit wem sie verlobt ist, Victorias Freundin, meine ich.“
„Rome Darren.“, quietscht Dani plötzlich von der Seite in mein Ohr und ich kann die drei nur anstarren.
„Pamela Casey.“, bringe ich ungläubig hervor, bevor sich ein abartig breites Grinsen in mein Gesicht schiebt.
„Das ist doch noch überhaupt nicht öffentlich!“, faucht Tess laut. „Woher-“
„Ich bin die Schwester von Pams Cousin.“, lächle ich schlicht.
Daddy, du bist erledigt, wenn Rome das erfährt. Und die Hochzeit gleich mit. Das ist der beste Tag seit langem.
„Du bist-“, stammelt Jules.
„Ich bin Christobal Caseys Schwester Mira.“, schnurre ich. „Keine Sorge, ich erzähls nicht weiter.“

Naja. Christobal werde ich es schon erzählen. Das wird er sehr amüsant finden, genau wie ich.

Kapitel 18 (noch nicht überarbeitet)

Mittlerweile ist eine Woche vergangen und ich habe mich eigentlich relativ gut in mein neues Leben gefunden. Semjon verhält sich mir gegenüber immer noch seltsam distanziert und merkwürdig. Doch ich glaube so ist er einfach. Mein Bruder ist fast nie zu Hause und in der Schule läuft es eigentlich ganz gut. Bis auf die Tatsache, dass Pam mich hasst. Da ich den Witz dahinter zum Totlachen finde, kann ich das Ganze leider nicht mit dem nötigen Ernst betrachten.
Ich dachte immer sie würde mich früher oder später hassen, weil ich Rome liebe. Dass sie denkt ich will ihr Victoria ausspannen und mich deswegen als persönliche Ausgeburt des Teufels ansieht finde ich toll.
Sicher, ich bin dabei mich mit Tess und der restlichen Clique anzufreunden, aber nicht jeder steht auf Frauen. Die restliche Clique sieht sie ja auch nicht als Gefahr an. Mein Bruder sagt, ich soll sie einfach machen lassen und den Witz genießen.
Nun ja. Das würde ich ja gerne. Leider ist das beim Sport schwierig. Vor allem wenn man Hockey spielt und Pam in der gegnerischen Mannschaft im Sturm ist und man selbst in der Verteidigung spielt.
Ich versuche wirklich ihrem Schläger so gut es geht auszuweichen, doch wenn ich das geschafft habe, kommt mir entweder ein Fuß dazwischen oder ihr Körper, sodass ich jetzt schon zum siebten Mal hintereinander auf dem Boden lande und mir das Knie aufschürfe.
„Au! Verflucht!“, schreie ich und sehe mir meine blutende Platzwunde an. Ein Vampir zu sein, heißt zwar, dass Verletzungen schnell heilen, aber nicht, dass es nicht weh tut.
Ein scharfer Pfiff von unserer Sportlehrerin unterbricht das Spiel. „Pamela Casey! Lass Mira endlich in Ruhe. Sie hat dir nichts getan. Also spiel anständig, oder du sitzt ab jetzt auf der Bank!“, ereifert sich Miss Davenport und deutet drohend auf sie.
„Ja, Mam.“, schnurrt Pam mit einem abfälligen Lächeln auf den Lippen, während ich mich wieder hoch rapple, indem mir Tess die Hand reicht.
„Kleine Schlampe.“, zirpt Tess in Pams Richtung und grinst. „Kommst du nachher mit in die Windjammerbar? Ich treffe mich da mit meiner Schwester. Sie will shoppen gehen.“
„Gerne.  Ich hoffe mal, bis dahin ist das Andenken verheilt.“
Tess schenkt mir ein amüsiertes Lächeln. „Du siehst aus wie ein gerupftes Huhn. Überall hängt Dreck, Gras und Blut.“
„Oh, danke. Wusstest du noch nicht, dass das der neueste Trend ist?“, mache ich mich über mich selbst lustig.
„Ernsthaft? Vielleicht sollte ich mir auch eine Feindin zulegen.“
„Darüber solltest du nachdenken. Falls du keine findest, darfst du dir meine leihen.“, grinse ich belustigt.
Ich sehe verwirrt auf Pam, die angeprescht kommt und mit ihrem Schläger ausholt und gehe vorsorglich einen Schritt zur Seite, bevor sie mich noch Köpft. Tess hingegen zieht genau in dem Augenblick, als Pam an uns vorbeistürmen will den Fuß aus und fällt sie kaltschnäuzig. Von der plötzlichen Attacke überrascht, knallt sie mit voller Wucht auf den Boden.
Ich verziehe schmerzhaft das Gesicht. Das hat sicher wehgetan.
„Keine Sorge, Mira. Ich schaff das auch alleine.“, lacht Tess und zieht mit Unschuldsmine in Richtung vorderes Mittelfeld davon.
Trotz Tess Manöver verlieren wir haushoch und stören uns nicht weiter daran, als wir in Richtung Umkleidekabinen davon gehen und beobachten Pam, die sich bei Victoria über mich und Tess beschwert. Da Victoria keinen Finger bei der ganzen Sache krumm gemacht hat, ist es mir ziemlich egal, was sie dazu zu sagen hat.
Tess und ich jedenfalls verstehen uns prächtig und auch Jules und Dany könnten gute Freundinnen werden.

„Hey, Mira, geht’s dir gut?“, höre ich plötzlich Victoria nach dem Duschen zischen, als ich mich gerade anziehen möchte und sie an mir vorbei läuft.
„Sicher. Halt nur deine Freundin von mir fern. Sie ist wie ein tollwütiges Biest, dass sich demnächst in meiner Wade verbeißt.“
„Wie poetisch.“, meint Jules schlicht lächelnd und bindet sich einen kurzen Pferdeschwanz, neben uns, während sie in den Spiegel starrt.
„Mach dich nicht über sie lustig!“, faucht Victoria drohend und ich tue mir schwer, ihre Drohung ernst zu nehmen. Auf diesen Mist kann ich echt verzichten.
„Schätzchen. Pam ist mir scheiß egal.“, sage ich nur kalt und schlupfe in meinen Schulrock.
Victoria wendet sich beleidigt ab und ich schließe meinen BH, während Tess halbnackt durch die Umkleide hüpft um sich in ihre hautenge Hose zu quetschen.

Da Semjon mich nur morgens mit zu Schule nimmt, muss ich niemandem Bescheid sagen, dass ich noch shoppen gehe und so ziehen Tess und ich unbehelligt los. Es ist relativ warm und die Sonne scheint wolkenlos vom Himmel, während wir den kurzen Weg von der Schule zum Hafenbecken laufen. Ein paar Jungs starren uns hinterher und Tess kann es sich nicht verkneifen, ihnen ein „Mund zu!“, zuzurufen.
„Ist deine Schwester sehr viel älter als du?“, will ich neugierig wissen.
„Nein. Dreißig Jahre. Unsere Eltern wollten es wohl auf einen Aufwasch hinter sich bringen. Mo ist echt cool. Du wirst sie mögen.“
„Mo?“, hake ich nach.
„Monique. Aber alle nennen sie Mo. Nur unsere Eltern bestehen auf das Monique.“, sagt Tess abwertend. „Genauso wie sie mich immer Therese nennen. Das ist so altmodisch.“
Ich nicke verstehend, als wir die Windjammerbar betreten und sehe mich neugierig um. Vertäfelte dunkle Wände, viele Bilder von Schiffen, eine auf Hochglanz polierte Bar und ein Seebär hinter dem Dresen. Der altmodische Charme, der nur durch die bodenlangen Fenster aufgelockert wird gefällt mir. Es ist voll an den kleinen Tischen, aber Tess steuert zielsicher durch die Bar und dann fällt auch mir die große, dunkle Frau auf, die an einem der hinteren Tische direkt am Fenster sitzt.
Sie ist unglaublich hübsch. Das schwarze Haar fällt in seidigen Locken auf ihre Schultern und das weiße Kleid schmiegt sich eng an ihren schmalen Körper. Ihr Gesicht ist markant mit den vollen Lippen, den hohen Wangenknochen und den betonten Katzenaugen, die dunkelrot auf uns sehen.
„Hey Mo!“, begrüßt Tess ihre Schwester herzlich lächelnd und umarmt sie, als sie aufsteht.
„Hey Kleine. Wer ist deine Freundin?“, fragt ihre Schwester und mustert mich durchdringend.
„Mo, dass ist Mira. Sie begleitet uns.“, stellt Tess uns nonchalant fest und setzt sich.
„Ah. Die berühmte Mira. Freut mich. Meine kleine Schwester hat schon viel von dir erzählt.“
„Hat sie das. Was sie erzählt hat, will ich eigentlich gar nicht wissen.“, lächle ich und folge Tess und Mos Beispiel.
„Och eigentlich nur Gutes. Sie sagt Pam hasst dich und Victoria steht auf dich.“, schmunzelt sie und greift nach der Karte. „Ich denke wir trinken einen Kaffee und dann geht es los.“
„Äh… was? Victoria steht auf mich?“, meine ich entsetzt und sehe hilflos zu Tess, die mit den Schultern zuckt.
„Sie hat zu mir gesagt, du seist heiß. Und dass sie dich nicht von der Bettkante schubsen würde.“, lächelt sie schwach. „Ich kann auch nichts dafür.“
„Na wunderbar. Kein Wunder, dass Pam mich hasst.“, stelle ich gefrustet fest.
„Ach Vic ist schon immer eine untreue Socke gewesen. Pam sollte sich mittlerweile daran gewöhnt haben. Und da du so offensichtlich nichts von ihr willst, gibt sich das schon irgendwann.“, meint Mo tröstend.
„Wie lange sind die Beiden schon zusammen?“, hacke ich neugierig nach und sehe der Kellnerin zu, wie sie sich zu uns durchkämpft.
„Ein Jahr oder so.“ Tess  schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung. Jedenfalls wird Pam Rome Darren heiraten und dann ist das Thema sowieso gegessen. Nach allem was er hört ist er tausendmal schlimmer als Vic. Er soll jeden Abend eine andere mit ins Bett nehmen. Und laut dem Klatsch und Tratsch der letzten Wochen, soll er in letzter Zeit mehr an Alkohol und Drogen interessiert sein, als sich auf seine Hochzeit zu freuen.“
„Drogen?“, stottere ich entsetzt.
„Du bist aber überhaupt nicht informiert. Ja doch. Rome Darren wurde letzte Woche mehr tot als lebendig aus seinem Club getragen. Gott, ich würde alles dafür tun um einmal ins X zu kommen! Es soll so cool sein.“, seufzt Tess hingerissen.
„Geht es ihm gut?“, bringe ich unter Schock stehend hervor.
„Ich… du siehst gar nicht gut aus, Mira. Geht´s dir gut?“ Mo legt mir eine Hand auf die Stirn.
„Ja. Erzählt ruhig weiter.“
„Was ich euch jetzt sage, bleibt unter uns, verstanden. Kein Wort zu Vic.“, wispert Mo leise und wir nicken gespannt. „Ein Freund von mir wohnt bei Rome Darren. Sein Name ist Andrej, ich hab ihn kennengelernt, als ich für ein Jahr in Chicago gearbeitet habe, jedenfalls sagt er, dass er so ist, seit er eine seiner Kellnerinnen umgebracht hat. Sie hat bei ihm gewohnt und er hat so einiges für sie empfunden. Krass oder?“
„Allerdings.“, antworte ich getroffen, während Mo drei Kaffee bestellt.
Den ganzen Nachmittag kompensiere ich meine Schuldgefühle gegenüber Rome mit Klamotten und doch kann nichts mich aufheitern. Tess und Mo sind toll und ich will nichts mehr als ihnen die Wahrheit sagen.
Als ich Zuhause aus dem Taxi steige und gemeinsam mit den Beiden meine Einkäufe auslade kommt mir ein Gedankenblitz. Pius hat gesagt ich dürfe Rome nicht sagen, dass ich noch am Leben bin. Was aber, wenn er es selbst herausfindet. Durch einen dummen Zufall?
„Mo?“, frage ich leise, als sie schon wieder ins Taxi steigen möchte, wo Tess schon sitzt.
„Ja?“
„Versprichst du mir keine Fragen zu stellen, wenn ich dich jetzt um etwas bitte?“, fange ich tief durchatmend an.
„Solange es nichts Illegales ist.“, meint sie amüsiert und zwinkert mir zu, bevor sie mich etwas vom Taxi wegzieht. „Also?“
„Du sagtest doch, dass du mit Andrej bekannt bist. Telefoniert ihr häufig?“, will ich wissen.
Mo zuckt lässig mit den Schultern. „Ja. Relativ oft. Warum?“
„Ich will, dass du ihm etwas ausrichtest. Aber du darfst ihm nicht sagen, von wem du das hast.“
Mos Augen fixieren mich abschätzend, bevor sie nickt. „Okay.“
„Sag ihm, er soll auf den Vorzeige Vampir acht geben.“
„Das ist alles?“ Mo sieht mich verständnislos an.
„Ja. Sag es ihm exakt in diesem Wortlaut. Das ist alles worum ich dich bitte.“
Sie schüttelt lachend den Kopf. „Ich ruf ihn noch heute Abend an und sag es ihm. Vorzeige Vampir. Ha! Du bist der Knüller Mira. Ich werde kein Wort sagen, wer meine Souffleuse war.“
„Danke.“, meine ich begeistert. „Und wenn ich dir irgendwann mal einen Ge-“
„Jaja. Dann werde ich es sagen. Keine Sorge. Jetzt solltest du aber rein gehen. Es ist schon spät und morgen ist Schule. Sonst macht mich dein Bruder um einen Kopf kürzer.“
„Ja. Kommt gut nach Hause!“, rufe ich an Beide gewandt und umarme Mo herzlich. „Danke für den schönen Tag und den Gefallen.“
Sie winkt ab. „Gute Nacht.“
„Nacht.“, bringe ich nachdenklich raus und sehe ihr dabei zu, wie sie ins Taxi steigt. Hoffentlich versteht Andrej den Wink mit dem Zaunpfahl.

Kapitel 19 (noch nicht überarbeitet)

Es ist Mittwoch und ich habe verschlafen. Was Semjon erstaunlich gelassen hin nimmt, mich jedoch merkwürdig intensiv mustert, als ich einsteige.
„Morgen.“, meine ich leicht verwirrt und schnalle mich an.
„Hat dein Bruder schon mit dir gesprochen?“, fragt er mich unvermittelt und ich sehe ihn verplant an.
„Nein. Über was? Ich habe verschlafen.“, antworte ich und stelle meine Schultasche zwischen meinen Füßen ab.
„Hmt.“, räuspert er sich sichtlich unwohl und kratzt sich am Kopf. „Du  könntest… Könntest du mir einen Gefallen tun?“, fragt er leise.
„Dir? Was ist das für ein Gefallen?“, hake ich mit einem blöden Gefühl nach.
„Es geht um einen Job. Wir bräuchten eine schöne Frau, die eine Weile die Aufmerksamkeit auf sich zieht, während wir den Rest erledigen.“, grummelt er und ich muss bei seiner leidenden Mine lächeln.
„Ich soll jemanden becircen? Habt ihr keine Killerin, die das erledigen kann?“
Semjon schnaubt ungehalten und ich grinse ihn unschuldig an. „Niemanden, der die Aufmerksamkeit des Mannes so lange auf sich ziehen könnte.“, knurrt er in einem Tonfall, der wohl jede weitere Frage unterbinden soll.
„Du fährst mich also jeden Morgen zur Schule, weil du meine Hilfe brauchst?“, hake ich neugierig nach.
Semjons Blick ist so böse, dass ich lachen muss. „Das ist also tatsächlich der Grund. Wie kommst du darauf, dass es bei mir funktionieren wird?“, zirpe ich unschuldig.
„Hast du dich in letzter Zeit schon mal im Spiegel gesehen?“, knurrt er resigniert. „Du bist wahrscheinlich die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Wenn es mit dir nicht funktioniert, wird es nie klappen.“
Über das überraschende Kompliment vollkommen aus dem Konzept gebracht, schüttle ich den Kopf. „Komplimente aus deinem Mund sind erschreckend.“, meine ich abwehrend und sehe ihn schüchtern an.
„Das war kein Kompliment. Es war eine Feststellung. Machst du nun mit?“. Grollt er drohend du ich fühle mich etwas wohler, da ich nun wieder einen so mürrischen Semjon wie sonst vor mir habe. Und er nicht mehr mit seiner samtig, rauchigen Stimme Sachen sagt, die mich verlegen machen.
Ich seufze. „Ja?“, wispere ich fragend.
„Sehr gut. Ich hol dich mit den Jungs gegen sieben ab. Zieh dir etwas an, an dem man nicht vorbeisehen kann. Hast du sowas, oder brauchst du noch Geld?“, fragt er sachlich und zückt seinen Portmonee.
„Kannst du´s denn als Spesen absetzen?“, hake ich lachend nach und winke ab. „Ich finde bestimmt etwas Umwerfendes in meinem Schrank. Lass mal gut sein. Werde ich auch verkabelt?“
Semjon grollt leise etwas vor sich hin, bevor er anfährt und ich grinse vor mich hin. Manchmal finde ich es hier ganz amüsant.


Der Tag verfliegt ohne Zwischenfälle und sogar Pam scheint heute einmal nicht auf mich losgehen zu wollen. Sie hängt nur gurrend an Victoria und wirft mir hin und wieder im Flur einen bösen Blick zu.

Kurzum, mein Tag ist richtig gut. Das ändert sich auch nicht, als ich um kurz vor sieben die letzten Handgriffe an meinem Outfit mache und mich zufrieden im Spiegel mustere. Wenn das nicht seinen Zweck erfüllt, dann weiß ich nicht weiter. Es ist klassisch sexy. Kurz. Schwarz, aufreizend . Ich verzichte auf Schmuck, oder aufwendiges Make-up. Nur sündhaft teure High Heels und das schwarze, trägerlose enganliegende Kleid, in dem meine Beine endlos wirken. Es wird reichen um jeden Mann um den Finger zu wickeln. Dazu trage ich mein Haar offen und in Naturwellen, die sanft auf meine Schultern fallen.
Mein Bruder starrt mich an, als sei ich ein Ausstellungsstück, als ich die Treppe nach unten komme, bevor er zu einem Cognac greift und den Kopf schüttelt. „Wenn die Jungs nicht auf dich aufpassen, dann Gnade ihnen Gott.“
„Wird schon.“, lächle ich und gehe zur Tür, als es klingelt.
Semjons Blick ist unbezahlbar. In diesem Augenblick weiß ich, dass egal was sie heute Abend vorhaben, funktionieren wird.
„Hast du es dir so vorgestellt?“, frage ich neckend, weil er mich so durchdringend mustert.
„Komm mit. Wir müssen dich noch verkabeln.“, murmelt er leise und ich folge ihm lächelnd zu dem schwarzen Transporter.
„Wie passend.“, grinse ich amüsiert, als er die Schiebetür öffnet und mir drei Vampire in schwarzen Klamotten entgegen blicken.
„Jungs, das ist Mira. Mira das sind Nikita, Matt und Youri.“
Ich nicke ihnen freundlich zu und steige behände ein. Nikita trägt einen schwarzen, dicken Zopf unter dem eine Menge Tatoos hervorragen. Er ist schmächtig und sehnig und sieht aus wie ein Punker. Youri hingegen sieht aus wie der typische Gelehrte mit Hornbrille, aschblondem Haar und fahler Haut. Seine roten Augen sind wässrig und unruhig. Er scheint aufgeregt zu sein und etwas schüchtern.  Matt, der Dritte im Bunde ist ein Berg von einem Mann. Sein Haar ist kurzgeschoren, der Hals kräftig und seine Muskeln aufgepumpt. Doch sein Lächeln ist sanft, als er mir die Hand reicht um mich in den Transporter zu ziehen.
„Du bist also Ristos kleine Schwester. Siehst viel besser aus als er.“, meint Nikita mit einem frechen Grinsen und fixiert mich abschätzend.
„Und?“, gurre ich und setze mich neben ihn.
„Mira. Lass das.“, knurrt Semjon warnend, als ich Nikita einen ebenso durchdringenden Blick zuwerfe und mir eine Locke nach hinten streiche.
„Heb dir das für nachher auf und mach die Jungs nicht verlegen.“
„Ich tu überhaupt nichts! Das ist nur die Kellnerin, die da in mir durchkommt. Ich flirte gerne. Das gab immer gutes Geld.“, schmunzle ich und klopfe  Nikita aufs Knie.
„Schön zu hören, dass du dich wohl fühlst.“, grollt Semjon und klopft gegen die Fahrerkabine. „Wir können los, Cash!“
„Verkabelt die Kleine und dann nichts wie raus mit ihr.“, sagt Semjon kurz angebunden.
Matt sieht mich leicht überfordert an, als sein Blick über das Kleid streicht. „Vielleicht machst du das selbst fest- ich will keinen Ärger mit Risto.“
„Keine Sorge, ich sag´s nicht weiter. Wo soll´s denn hin?“, hake ich nach, als er mir das kleine Mikro reicht.
„Lass es einfach weg. Gebt ihr einfach ein Handy und gut. Sieh dir das Bild an. Er heißt Dylan. Wahrscheinlich hat er zwei drei Lakaien dabei. Bodyguards. Halt ihn so lange hin wie möglich und ruf uns an, wenn er verschwindet. Matt wird vor der Bar auf dich warten. Sollte etwas sein.“
Ich habe mit meinem Bruder vorhin darüber gesprochen, was sie tun werden. Dass heute Nacht wohl mehr, als einer sterben wird. Dieser Dylan und jeder der mit ihm zu tun hat, verdient es ohne Zweifel. Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sind Grund genug um mich dazu breit schlagen zu lassen Semjon zu helfen.


Der Auftrag ist zu einfach. Wie mein Bruder mir schon sagte, hängt dieser Dylan an mir, sobald ich an die Bar trete und umgarnt mich mit schönen Worten und spendierten Drinks. Er ist keine Schönheit. Noch nicht mal besonders finster, oder gar bösartig. Eher wirkt er auf mich wie ein Mann, der sich durch seine Geschäfte alles leisten kann und dadurch zu seinen Frauen kommt. Deswegen spiele ich genau die Frau, die so jemanden wie ihn nehmen würde. Eine geldgeile Frau, die sich umschmeicheln lässt und aushalten. Nicht sonderlich klug, aber dafür schön.
Diese Masche wirkt nunmehr schon seit vier Stunden und sollte Matt demnächst nicht herein kommen und mir zu verstehen geben, dass sie fertig sind, wird mein Spiel auch noch länger funktionieren. Doch den Anschein zu erwecken, ich würde an seinem Mund kleben ist anstrengend. Ihm dabei zuzuhören wie er mir von seinen Häusern erzählt, seinen Autos und den Berühmtheiten die er kennt nervend und ihm halbwegs interessante Fragen dazu zu stellen wirklich entwürdigend. Vor allem wenn man bedenkt, dass seine Augen ihm fast aus dem Kopf fallen und seine Zunge immer wieder hingerissen über seine Lippen leckt.
Ich streiche mir berechnend über den Hals, als ich mein Haar zurückwerfe und schenke ihm ein bewunderndes Lächeln. „Sie sind ein Charmeur, Dylan!“, zirpe ich und nippe an meinem Drink, als plötzlich ein  Mann herein kommt, den ich nie wieder sehen wollte.

Pius. Ganz allein.
Und er hat mich erkannt. Er lächelt kühl und setzt sich mit einem Nicken an die Bar. Ich bin für einen Moment so aus dem Konzept gebracht, dass ich das Vibrieren meines Handys erst gar nicht wahrnehme.
Ich sehe Dylan gespielt unglücklich an, als ich es endlich kapiere. „Entschuldigen sie, da muss ich ran gehen … mein Freund.“, sauge ich mir eine Erklärung aus den Fingern und fische mein Handy aus der Tasche.
„Wo steckst du? Wir warten draußen.“, knurrt Semjon kalt.
„Ich bin gleich da. Ich muss nur noch ein kurzes Gespräch führen.“, antworte ich mit einem Blick auf Pius und lege auf, bevor ich mich von meinem Hocker gleiten lasse. „Es hat mich gefreut, Dylan.“, sage ich noch in Richtung meines Jobs und gehe zu Pius herüber.
„Was für eine Überraschung dich hier zu sehen.“, fauche ich und stelle mich neben ihn.
„Belladonna. Sehr hübsch bist du geworden. Verzeihung. Mira. Es ist mir auch eine Freude dich wieder zu sehen. Was hast du mit Dylan Moor zu schaffen?“
„Nichts.“, sage ich wütend. „Und es geht dich überhaupt nichts an! Wie der Rest meines Lebens.“
„Wir reden hier also über Mr. Darren. Findest du nicht eine Tochter sollte ihrem Vater  einfach folgen, wenn er sagt, du sollst dich von ihm fern halten?!“
„Nein. Denn ich kenne dich. Du brauchst eine Allianz und die siehst du durch mich gefährdet. Lass dir gesagt sein, dass nicht ich es bin, die diese Allianz mit Füßen tritt, sondern du. Du schneidest dir selbst ins Fleisch, wenn du glaubst Pamela wäre die Richtige dafür Rome an dich zu binden. Denn lass dir gesagt sein: Ein Drogenabhängiger und eine Lesbe geben ein schlechtes Ehepaar ab.“
Pius mustert mich kalt und seine roten Augen fixieren mich so fest, dass ich bemerke, wie ich ins  Schwarze getroffen habe.
„Was Rome und der Rest der Welt wohl davon halten wird, wenn bekannt wird, dass du es warst, der mich vor der Welt verstecken wollte um eine Heirat auf keinen Fall zu gefährden. Eine Tochter, die ihn hasst und der es lieber wäre, er sei tot. Ein großer Anführer, der wohlwissend dem Boss der 24 eine lesbische Ehefrau andrehen möchte.“, gurre ich abfällig.
Ich weiß, wie hoch ich spiele, doch es gibt nur diesen Weg. Ich will zurück. Dann muss ich an ihm vorbei.
„Das wagst du nicht.“, grollt er eiskalt.
„Ich habe es gewagt wegzugehen. Offiziell zu sterben. Zur Vampirin von einem gemacht zu werden, der nicht meines Blutes ist. Ich wage es.“, entgegne ich ebenso böse und lege den Kopf in den Nacken.
„Du- denk an deine Mutter.“
„Ich habe keine Familie. Nur noch einen Bruder. Hast du das vergessen? Weißt du, das ist das schöne, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. Es wird alles bedeutungslos, bis auf die Flucht. Also sag es: Rome Darren ist frei.“
Ich höre die Tür gehen und Semjon herein stürmen, doch ich halte meine Augen auf meinen Vater fixiert.
„Er gehört dir.“, knurrt er und ich könnte vor Glück platzen.
„Gut gemacht, Tochter.“, höre ich ihn leise sagen und ich grinse in mich hinein.
Es ist Respekt, der aus seiner Stimme spricht und ein gewisser Stolz.
„Diese Gene sollten für etwas gut sein, oder?“, meine ich im Gehen und umarme Semjon aus purer, überschwänglicher Freude.
Er verkrampft sich sofort und ich lasse ihn wieder los. „Alles gut gegangen?“, hake ich nach.
„Ja. Was macht-“
„Lass uns gehen. Ich muss mit ein paar Leuten reden, wo ich gerade so in Schwung bin.“, antworte ich nur grinsend und trete auf die Straße.

Kapitel 20 (noch nicht überarbeitet)

Pius die Meinung zu sagen, war eindeutig einfacher als das hier. Daran hängt mein Herz, mein ganzes Sein. Alles was ich jemals wollte ist wieder zum Greifen nah und doch nicht.
Ich liebe sie und das macht es so schwer. Wie kann ich verlangen, dass sie mir verzeihen, nach allem was sie wegen mir durch machen mussten? Wieso konnte ich ihnen nicht die Wahrheit sagen?
Es ist Samstagabend und ich bin tatsächlich in Chicago. Christobals einzige Bedingung mich zurückkehren zu lassen, war das ich die Schule fertig mache und ihn ab und zu besuche und das tue ich auf jeden Fall. Einen Bruder wie ihn zu haben ist zu gut um wahr zu sein. Und auch seine Jungs sind auf ihre Art toll.
Doch das alles ist im Augenblick unwichtig. Alles in mir ist zum Zerreißen gespannt und von Angst und Vorfreude durchdrungen.
Mein Weg zum X ist ein Gang, den ich ohne zu übertreiben als Tortur bezeichnen kann. Meine Nerven flattern und ich überlege fieberhaft was ich sagen soll wenn ich sie wieder sehe.
Die geschäftigen Straßen in der Innenstadt sind hell erleuchtet und die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein. Vor den Clubs warten endlose Schlangen, doch eine ist länger und härter umkämpft wie jede andere. Ihr Ende sehe ich schon, als ich um die nächste Straßenecke biege und ich bleibe stehen.
Sie stehen vier Blocks weit und ich werde nie vorne ankommen. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Das hat keinen Sinn. Seit zwei Tagen bin ich vom Glück gesegnet und jetzt soll ich hier stehen und warten? Nein. Das geht einfach nicht.
Ich drehe um und biege in die nächste Seitenstraße ein. Die Hintertür müsste ich noch immer aufbekommen. Immerhin weiß ich wo sie liegt und auch, dass man nur ein bisschen ruckeln muss.
In den Seitenstraßen ist es dunkel und das rote Kopfsteinpflaster ist in den Schuhen eine wirkliche Herausforderung. Es hat leicht zu regnen angefangen und der Himmel ist pechschwarz über mir.
Als ich in den Hinterhof komme, bleibe ich wie angewurzelt stehen.
Im dämmrigen Licht der schwachen Glühbirne, die als Außenbeleuchtung dient, sehe ich eine hochgewachsene Gestalt an der alten Backsteinwand lehnen. Den Kopf gesenkt steht er in Lederjacke, schwarzem Hemd und dunkler Hose da und zieht an seiner Zigarette. Sein tintenschwarzes Haar ist vom Regen durchnässt und seine Lippen blass und zu einem harten Gesichtsausdruck verzogen.
Ich kann mich nicht bewegen, während Rome sich plötzlich an der Wand nach unten rutschen lässt und in die Hocke geht um eine Jackyflasche aufzuheben und einen großen Schluck zu nehmen und sie wütend von sich zu schleudern, sodass sie an der gegenüberliegenden Wand mit einem dumpfen Aufprall in tausend Scherben zerbricht.
Ich sehe ihm schockiert zu, als er seinen Kopf gegen die Wand schlägt und die Augen schließt, bevor er sich seine Kippe zwischen die Lippen klemmt und still dasitzt. Sein schönes Gesicht ist ausgemergelt und eingefallen. Und die tiefen Augenringe tun ihr übriges um ihn einfach nur fertig wirken zu lassen. Ausgebrannt.
Doch dann regt er sich plötzlich. Seine Nasenflügel blähen sich auf und seine geschlossenen Augen öffnen sich unvermittelt. Er sieht mich direkt an.
Der Regen benetzt meine nackten Arme, durchnässt meine Locken, lässt mein Make- up verschwimmen und vermischt sich mit meinen Tränen. Ich höre mich selbst schlucken und kann mich nicht rühren.
Und er sieht mich einfach nur an. Seine blutroten Augen fixieren mich regungslos und ich bemerke, wie sich seine Muskeln anspannen.
„Wann hörst du auf mich zu verfolgen? Ich bin am Boden. Wieso trittst du jede Nacht auf mich ein?“, höre ich ihn laut fragen.
Ich schlage die Augen nieder. Er hält mich für ein Hirngespinst? Einen Traum?
Der Regen wird stärker und prasselt mir direkt ins Gesicht und ich beiße mir auf die Lippen, bevor ich mit zitternden Knien auf ihn zugehe. „Es tut mir Leid Rome. Ich bin sicherlich nicht hier um auf dich einzutreten. Genauso wenig wie ich wollte, dass ich euch verlassen musste.“
Rome schüttelt abwehrend den Kopf. „Ich habe echt Glück. Ich werde tatsächlich endgültig verrückt. Jetzt redet sie schon.“, lacht er entsetzt, als ich direkt vor ihm stehe und ich sehe seinen Körper zittern.
„Ich rede nicht nur Rome.“, bringe ich mit bebendem Kinn hervor, als ich mich vor ihm auf die Knie sinken lasse und ihn ansehe. Sein Blick geht durch mich hindurch, als sei ich Luft und ich spüre endlich so etwas wie Mut in meinen Körper zurückkehren.
„Ich kann auch das.“, sage ich mit fester Stimme und umfasse sein Gesicht mit beiden Händen. Seine Haut ist eiskalt und seine Bartstoppeln kratzen auf meinen Handflächen, während meine Finger zärtlich. „Ich bin ein Vampir, Rome.“
Sein Kiefer spannt sich unter meinen Händen an und plötzlich kommt Regung in seinen Körper. Er springt so schnell auf, dass ich entsetzt nach hinten falle.
„Au!“, bringe ich schmerzhaft aufstöhnend raus, als sich die spitzen Pflastersteine in meine Haut bohren und ich mich unbeholfen aufrapple.
Rome steht über mir und mustert mich eiskalt. „Was soll das für ein kranker Scherz sein?! Mira ist tot! Wer glaubst du, dass du bist!“
Das ist doch wohl nicht sein Ernst! Etwas, Wut nicht unähnlich regt sich in meiner Brust und ich baue mich vor ihm auf. „Ich wünschte, es wäre ein Scherz Darren! Ich wünschte, mein Vater hätte mir nicht verboten euch zu sagen, dass ich noch lebe und dass ich mich aus deinem Leben raushalten soll! Ich wünschte ich hätte euch die ganze Geschichte erzählt. Also nein verflucht! Es ist kein Scherz. Ich bin Mira Blue und ich bin eine Vampirin. Und es tut mir Leid, was ich dir  angetan habe. Aber das ist kein Grund Drogen zu nehmen oder sich so gehen zu lassen. Du bist Rome Darren, verflucht nochmal! Du bist mein Vorzeige Vampir!“
Und dann passiert etwas so Unglaubliches, dass ich es selbst nicht begreifen kann.
„Du bist es tatsächlich.“, knurrt er, bevor sich sein Gesicht verzieht und er einen Schritt zurück macht. „Verschwinde. Geh und lass mich in Frieden.“
Meine Welt liegt mit einem Satz in Trümmern und ich schließe die Augen. „Das war es? Ich bin zurück gekommen und du wirfst mich aus deinem Leben?“,  schlucke ich entsetzt. „Das habe ich wohl verdient.“
Rome blickt mich eiskalt an und ich versuche nicht in Tränen auszubrechen, bevor ich mich umgedreht habe.
Ich  bin gerade bis zur Schwelle des Hinterhofs gekommen, als ich plötzlich gegen etwas Schwarzes laufe. Als ich meinen Kopf hebe, habe ich plötzlich Romes Kiefer vor mir. „Bleib. Kate und die Anderen wollen dich sicher sehen.“, höre ich ihn sagen, bevor er mir einen Schlüssel in die Hand drückt und an mir vorbei geht.
„Ich liebe dich.“, bringe ich raus und ich sehe Rome kurz in seinen Bewegungen stoppen, bevor er weiter läuft, als sei nichts gewesen.
„Vorne geht´s rein. Du bist nicht mehr hier angestellt.“, knurrt er nur noch, bevor er die Hintertür öffnet und im Inneren verschwindet.
Himmel. Was war das? Heißt das ich darf bleiben, obwohl er unsagbar wütend auf mich ist? Gibt es noch Hoffnung?!
Ich bin gewillt mich an diese Hoffnung zu klammern, als ich an der wartenden Menschenmenge vorbei gehe und direkt auf die Türsteher zusteuere. Sie sehen mich kalt an, bevor sich ihr gelangweilter Blick in einen ungläubigen wandelt und dann in einen bestürzten. „Miss Blue?“, höre ich einen der Beiden total verwirrt sagen.
„Mira. Das habe ich dir schon tausend Mal gesagt Max.“, bringe ich mit einem Lächeln heraus und die Beiden weichen mir augenblicklich aus.
„Danke.“, sage ich gerührt und trete ein. Als aller erstes fällt mir das Terrarium ins Auge in dem noch immer der Schlangenmann steckt. Ich werfe den zwei Jungs an Kasse und Gadarobe ein Lächeln zu, als sie mich ohne zu murren einlassen und atme tief den Geruch von Schweiß, Rauch und abgestandener Luft ein, während ohrenbetäubender Bass in meinen Ohren hämmert.
Ich stehe am oberen Ende der Treppe und überblicke das X verzückt. Die tanzende Menschenmenge, das wilde Spiel von Lasern, Scheinwerfern und Dunkelheit. Die große Lounge und die gutbestückte Bar, hinter der ich einen mir wohlbekannten Rotschopf ausmache.
Kate.
Meine Beine streben langsam vorwärts, hinunter ins Getümmel, während meine Augen an Kate kleben. Sie sieht so fertig aus. Abgearbeitet. Unglücklich. Sie trägt ihr Haar in einem losen Pferdeschwanz und ihr blasses Gesicht ist von Sorgenfalten und Augenringen gezeichnet. Als sie die Augen niederschlägt um sich um einen Drink zu kümmern, streift mein Blick Caleb, der an der Bar sitzt und den Kopf ebenfalls gesenkt hält. Es kostet mich nicht viel Überwindung die letzten Schritte zu machen und mich neben Caleb an die Bar zu stellen.

Ich weiß, ich rieche anders, doch sonst habe ich mich nicht verändert. Wenn man davon absieht, dass ich jetzt eine Vampirin bin.
„Ich hätte gerne einen Wodkatonic.“, sage ich laut und zwei Menschen starren mich wie vom Blitz getroffen an. Caleb neben mir fängt sich wohl als erster, den er packt mich hart am Arm und wirft mich gegen sich, nur um mein Gesicht festzuhalten und mir in die Augen zu sehen.  Plötzlich wird sein Griff sanfter und er legt langsam seine Arme um mich. „Wie auch immer das möglich ist, danke. Sollte ich träumen, ist das der beste Traum, den ich jemals hatte.“, wispert er an mein Ohr.
„Ich bin wirklich hier Cal. Es ist eine lange Geschichte.“, antworte ich ebenfalls mit belegter Stimme und drehe mich mit nassen Augen zu Kate, die mit bebendem Kinn dasteht und sich eine Hand vor den Mund hält. „Es tut mir Leid.“, wispere ich in ihre Richtung. Sie schüttelt abwehrend den Kopf und springt mit einem Satz über die Bar um mich so fest zu umarmen, dass meine Knochen knacken.
„Mira! Mira, oh mein Gott, wie ist das möglich?“, heult sie haltlos und klammert sich an mich. Ich umarme meine Freunde und gehe fast in die Knie unter ihrem Gewicht.
„Ich bin so froh euch wieder zu haben.“, bringe ich raus. „Habt ihr kurz Zeit? Es wird wohl Zeit euch alles zu erzählen. Auch wenn ihr mich danach wahrscheinlich hasst.“, bringe ich schluckend raus.
„Natürlich.“, heult Kate an meine Schulter und nimmt mich bei der Hand. Ihr Blick der mich streift ist ungläubig, als sie sich wohl meines fehlenden Pulsschlags bewusst wird.
Im Hinterzimmer packe ich schließlich aus und ich erzähle ihnen alles von Anfang bis Ende. Als ich fertig bin und sie schuldbewusst ansehe, erhebt sich Kate plötzlich und knallt mir rechts und links eine. „Wieso hast du Pius nicht vorher die Meinung gegeigt?! Verflucht nochmal! Oder uns wenigstens gesagt, dass du ein Blutkind bist! Das waren die Schlimmsten vier Monate meines Lebens!“, schreit sie mich an und umarmt mich dann heulend. „Aber du bist da. Du bist da und du gehst nicht mehr weg. Sag dass du nicht mehr weg gehst.“, wispert sie und ich nicke sprachlos an sie gelehnt.
„Was mich angeht Mira, ich bin zwar unglaublich sauer, aber viel zu erleichtert, dich wieder zu haben um dir einen Strick aus deiner Herkunft zu drehen. Du lebst!“, sagt er und streicht mir über den Kopf. „Fuck Mira! Hast du schon mit Rome gesprochen?!“
„Ja. Er hasst mich. Und das kann ich ihm nicht mal verübeln.“, gebe ich resigniert zurück.
„So ein Quatsch. Rome hasst dich nicht. Er muss damit nur erst einmal zurecht kommen, dass er vier Monate umsonst in Selbstvorwürfen und Trauer verbracht hat und dass du tatsächlich hier bist.“, lächelt Kate. „Und wahrscheinlich auch damit, dass du ihn in seinem Zustand gesehen hast. Er hasst es Schwäche vor anderen zu zeigen. Er ist zur Zeit nicht zurechnungsfähig. Du willst nicht wissen, wie seine Sexpartnerinnen  aussehen, wenn die Jungs sie aus seinem Zimmer tragen. Ich weiß nicht, was er tut, wenn er dich sieht. In seinen Wahnvorstellungen hat er schon mehr als eine Frau für dich gehalten und sie regelrecht  im Bett zerfetzt. Ich weiß nicht, was ihn jedes Mal so ausrasten lässt, aber komm ihm nicht zu nahe. Dass er dir vorhin nichts getan hat ist schon ein Wunder.“, bringt sie raus.
Ich sehe sie unglücklich an. „Und wo sind Andrej und Victor?“
Kate grinst. „Andrej hat einen komischen Hinweis von einer Freundin bekommen. Er ist vor zwölf Stunden los.“, lächelt sie schelmisch und die ersten Züge der alten Kate kommen wieder hervor.
„Ja. Ich habe Mo gesagt, sie soll euch das ausrichten. Da wusste ich noch nicht, dass ich Pius treffen würde.“, grinse ich ehrlich.
„Das ist mein Mädchen!“, sagt Cal noch im Gehen und Kate und ich halten uns fest im Arm.
„Ich mach jetzt hier Schluss und bring dich nach Hause. Ich will dir soviel erzählen. Wo ist dein Zeug!“, meint Kate aufgeregt und packt mich  an einer langen Strähne. „Du riechst übrigens nach Männern.“
„Ich weiß. Nach meinem Bruder, Semjon und noch ein paar anderen. Im Hotel, wir können sie morgen holen.“, antworte ich überfordert.
„Du musst dich unbedingt duschen, bevor du Rome nochmal triffst.“, sagt sie ernst und lässt mich los. „Also falls er- komm.“, unterbricht sie sich selbst und winkt mir zu.
Kate redet wie ein Wasserfall und ich höre nur fasziniert zu, während wir nach Hause fahren. Ich kann mein Glück kaum fassen. Nach Hause!
Als wir durch die Tür kommen, höre ich ein verzweifeltes Wimmern von oben kommen und Kate sieht mich an. „Scheiße.“, knurrt sie leise.
„Bitte! Hör auf, oh Gott, lass mich- lass…“, höre ich eine verzweifelte Frauenstimme schreien und ich blicke zu Kate. Ich habe mir schon oft anhören müssen, wie Frauen in Romes Bett bei ihm gelegen haben und ihre Lust kund getan haben. Doch nie waren es Schreie der Verzweiflung oder des Schmerzes.

„Mira, lass es gut sein. Geh duschen und lass ihn einfach.“, bringt sie schwer über die Lippen und nimmt mich bei der Hand, als ich beim nächsten Schrei auf der Treppe stehen bleibe und mir an den Kopf fasse.
„Ich fürchte, das geht nicht.“, stelle ich schlicht fest und stürme die Treppe nach oben auf Romes Schlafzimmer zu.
„Er ist doch schon vollkommen durchgedreht! Mach es nicht noch schlimmer! Geh ins Bett.“, faucht Kate ungehalten.
Ich folge ihrer Aufforderung widerstrebend. „Schlaf gut.“, wispere ich geknickt.

Kapitel 21 (noch nicht überarbeitet)

Ich sitze allein auf meinem Bett und starre die weiße Wand an, durch die Laute der Lust, der Verzweiflung kommen. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde. Dass ich hier bin und nichts tue und nur der Frau lauschen kann, die in Romes Bett vielleicht die Hölle auf Erden erlebt, oder  dass Rome mich von sich gewiesen hat.
Ich wollte in dieser Nacht alles. Ich habe ihn gezwungen mich zu beißen, weil ich gierig geworden bin. Weil ich dachte, es würde alles gut werden, wenn ich nur auch endlich von seiner Art bin.
Doch das war kindisch und grausam. Ich ließ mich von ihm wandeln. Ohne ihm zu sagen, was ich bin. Ich dachte immer, ich könnte abmessen, was ich ihm angetan habe, doch das stimmt nicht. Ich weiß nicht, wie es ist in dem Glauben zu Leben einen Menschen getötet zu haben.
Aber ich weiß auch, dass das was er gerade da drüben tut falsch ist. Egal was ich ihm angetan habe.
Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das Recht habe jetzt hinüber zu gehen und ihn anzuschreien. Ich bin plötzlich in sein Leben zurückgekehrt, ohne Vorwarnung. Man hat mich zurück in sein Haus gelassen, aber das Recht Romes Lebenswandel zu beurteilen habe ich nicht. Genauso wenig wie jemandem aus dem Haus zu werfen.
Ich stehe auf und gehe zur Balkontür um sie zu öffnen und mich nach draußen zu stehlen. Es hat sich eingeregnet und das schwarze Metallgeländer ist eiskalt und klatsch nass. Hier hört man das Gejammer und Gestöhne noch lauter und ich schließe die Augen.
Verflucht nochmal! Soll mich der Teufel holen, aber ich werde nicht tatenlos zusehen. Hals über Kopf stürme ich ins Haus und reiße die Zimmertür auf um nach drüben zu eilen.
Als ich die Tür zu seinem Schlafzimmer öffne dringt mir der schwere Geruch von frischem Blut entgegen und von süßem Rauch. Ich sehe nur spärlich durch die dicke, abgestandene Luft, die durch gedämpfte Lampen erleuchtet wird. Rome kniet auf dem Bett über und über mit Blut bedeckt und stößt hart in eine dunkelhaarige Frau, die erschreckende Ähnlichkeit mit mir aufweist. Ihr Körper ist von Schnitten, Kratzwunden und Bissen bedeckt und ihr Kopf ist merkwürdig nach hinten gerollt, was wohl von Romes hartem Griff um ihr Haar herrührt. Plötzlich knurrt er dunkel und vergräbt seine Fänge in ihrer Brust. Ich höre sie aufschreien und Rome fauchen.
Bevor ich weiß was ich tue stürme ich zum Bett und stoße Rome zur Seite, sodass er mit einem dunklen Knurren auf die Laken fällt und die Frau vor mir entblößt daliegt. Aus ihren blutroten Augen laufen Tränen, die ihr Make up mit sich nehmen und ihr Blut tränkt die weißen Laken.
„Verschwinde.“, höre ich mich selbst sanft sagen.
„Nein! Nein, das wird sie nicht! Du wirst gehen!“, schreit mich Rome an, der sich wütend aufrichtet und dabei ein Laken mit sich zieht und die intimen Stellen bedeckt, um zu verhindern, dass ich ihn vollkommen nackt sehe.
Das was ich sehe reicht mir eigentlich schon um sprachlos zu werden. Seine schweißnasse Haut, an der frisches Blut klebt, die Fingernägelspuren auf seiner Brust und die harten Muskeln, die sich  unter seiner Haut drohend anspannen.
Entgegen Romes Forderung stürmt seine Sexpartnerin davon, und schnappt sich nur ihren Mantel, während ich da stehe und ihn einfach nur anstarren kann.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, schlägt Rome mit der Hand wütend in die Kissen.
„Ich sagte, du sollst gehen!“, knurrt er drohend und fixiert mich böse.
Erst jetzt fallen mir die Handschellen auf, die kaputt an den eisernen Bettpfosten hängen und Romes blutige Handgelenke, an denen die Knochen schon sichtbar sind.
„Was zum Teufel hast du getan?!“, schreie ich ihn an und hechte zu ihm um mir die Misere anzusehen. Als ich nach seiner Hand greifen will, zuckt er zurück und präsentiert mir knurrend  seine Fänge.
„Lass mich.“, bringt er hervor.
„Rome. Es reicht jetzt.“, bringe ich leise raus und strecke ein Hand nach ihm aus. „Lass es jetzt gut sein. Du hast genug.“, wispere ich.
Er reagiert überhaupt nicht auf mich.
„Rome, bitte.“, ereifere ich mich und lege ihm eine Hand auf die hebenden Muskeln. Eiskalter Schweiß bedeckt ihn und plötzlich beginnt er zu zittern und rollt sich zur Seite weg.
Ich kann nur da sitzen und seinen Anblick in mich aufsaugen. Gott. Selbst jetzt ist er so wunderschön. Seine Muskelstränge glänzen unter der Anstrengung, sein schwarzes Haar leuchtet im Licht und sein breiter Rücken lädt dazu ein, sich an ihm festzukrallen.
„Rome.“, bringe ich liebevoll raus und werfe das vollgeblutete Laken aus dem Bett, bevor ich mich zu ihm lege und es wage ihm noch einmal anzufassen. Er zuckt unter meiner Berührung zusammen und knurrt drohend, doch er bleibt ansonsten still liegen.
Ich wage es, meine Hand von seiner Schulter weiter nach unten wandern zu lassen und streiche andächtig über den Arm nach unten zu seiner Talje.
„Es tut mir Leid. Ich hatte kein Recht dazu, sie aus dem Haus zu werfen. Aus deinem Bett, aber du hast ihr weh getan.“, wispere ich leise.
„Nein.“, höre ich ihn düster grollen. „Sie hat mich gefesselt. Angebunden wie ein Tier und wollte mich reiten, wie einen räudigen Köter und mein Sperma klauen. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben. Ich bin vielleicht betrunken und high, aber nicht schwach oder blöd!“, faucht er wütend, bevor er sich zu mir umdreht. „Ich habe es ihr heimgezahlt. Das war alles. Und jetzt lass mich verflucht nochmal los! Denn meine blutigen Handgelenke sind im Augenblick das Einzige das mich davon abhält, dich zu besteigen und mich von meiner Geilheit ablenken!“
Ich fahre erschrocken zurück. „Oh. Ich… das wusste ich nicht.“, stottere ich erschrocken.
„Ja. Also hättest du die Güte zu verschwinden?! Denn sonst kann ich für nichts garantieren.“
Ich blicke auf seinen Rücken und kann mich für einen kurzen Augenblick nicht rühren. Was würde passieren, wenn ich einfach da bleiben würde? Wenn ich es drauf ankommen lasse?
„Mira, hast du es an den Ohren?! Geh!“, schreit er mich an und fährt zu mir herum.
„Ich, ich weiß nicht.“, murmle ich überfordert.
„Ich bin nicht in der Stimmung sanft zu sein! Also bitte. Geh jetzt rüber und lass mich eiskalt duschen, oder mir einen runter holen und dieses scheiß Kondom loswerden!“
Ich senke schüchtern den Blick und nicke betroffen. „Gute…, gute Nacht.“

Es ist kurz vor zehn Uhr Morgens, als ich Schritte vernehme und sich plötzlich neben mir die Matratze senkt.
„Hey.“, höre ich Kate leise wispern, bevor ich eines meiner Kissen geklaut bekomme und die Augen öffne.
„Hi, alles okay?“, schmatze ich schlaftrunken.
„Du hast dich gestern nicht an meinen Rat gehalten.“, sagt sie tadelnd. „Ich hab es von Caleb gehört. Rome hat scheinbar irgendetwas vor sich hin gegrummelt, dass du bei ihm warst.“
„Ich hab sie rausgeworfen. Das war alles.“, seufze ich peinlich berührt.
„Ich wusste, dass du nicht auf mich hören wirst. Und insgeheim habe ich es auch gehofft. Du warst schon immer die Einzige auf die er Rücksicht genommen hat, oder von der er sich etwas hat sagen lassen.“
„Wieso war dir das klar?“, hake ich verwirrt und verschlafen nach.
„Na, du bist Mira Blue. Unsre Mira. Du erträgst es nicht, Leute leiden zu sehen und noch weniger, wenn Rome mit anderen schläft.“
„Ist das so offensichtlich?“, frage ich schluckend.
„Mira. Du hattest Tränen in den Augen.“, lächelt sie milde.
„Wirklich?“
„Allerdings. Du hast wie Espenlaub gezittert. Was denkst du, warum ich dich nicht aufgemuntert habe zu ihm zu gehen, sondern duschen? Du standest unter Schock.“
„Ich liebe ihn. Und ich habe ihn so sehr vermisst, dass ich an jedem einzelnen Tag dachte, mir würde mein Herz herausgerissen werden. Dass es ihm nicht so geht, ist mir erst da bewusst geworden.“
„Ich denke, du irrst dich. Rome ist fast wahnsinnig geworden, als er dachte… du weißt schon. Du hättest ihn heute Morgen sehen sollen. So ramponiert wie er auch beim Frühstück aussah… Mira, er hat gelächelt. Das hat er seit deinem angeblichen Tod, nicht einmal getan. Deswegen bin ich hier. Ich wollte dir danken.“
Ich schüttle  träge den Kopf und werfe die Bettdecke zurück. „Du dankst mir für etwas, das ich euch auch eingebrockt habe.“
„Ja. Aber du bist wieder da. Du machst es wieder gut und gehst nicht mehr weg.“
Ich lächle schwach. „Das habe ich zumindest vor, ja.“
„Das ist gut. Und jetzt werde ich dich allein lassen.“, grinst sie fröhlich. „Mein Bruder ist übrigens schon weg, aber er meinte du solltest heute Abend deinem alten Job nachgehen.“
Ich muss über die unausgesprochene Forderung nicht lange nachdenken. Das würde ich nur zu gern wieder tun. Kellnern im X.

So kommt es, dass ich kurz vor sechs in schwarzem Rock, Schürze und X- Shirt die Treppen zum Hinterhof empor klettere und die leeren Bier und Whiskyflaschen im Container entsorge und hinter der Bar aufräume. Ich bin mit Kate allein im Club, da wir knapp drei Stunden vor den Öffnungszeiten an alte Gewohnheiten anknüpfen und alles auf Hochglanz bringen. Der Club ist unser Baby und ich hasse es, wenn nicht alles da steht wo es sollte. Und nach knapp vier Monaten meiner Abwesenheit gibt es eine Menge, das mir hier nicht in den Kram passt.
Ich bin gerade dabei die Tische auf Hochglanz zu polieren und die Sitzgelegenheiten zurechtzurücken, als Kate welche bis gerade eben noch den Kassensturz des letzten Abends überprüft hat, neben mich tritt.
„Sag schon, wir haben den Club sträflich vernachlässigt.“, lächelt sie amüsiert, als ich mir gerade einen dabei abbreche das Sofa exakt hinter dem Tisch zu positionieren.
„Nein. Ich bin nur… ich will dass es perfekt ist.“
„Ich weiß. Das X ist nicht umsonst der Kultladen Chicagos. Weißt du eigentlich, dass mittlerweile sogar Romes Geschäftspartner extra darum bitten, hier rein zu dürfen? Hier drücken sich mittlerweile fast jeden Tag irgendwelche Vertreter der Abteilungen die Klinke in die Hand und sie nehmen dabei nur zu gerne ihre Angebeteten mit, oder sonst jemanden den sie beeindrucken wollen. Laut ihnen sind wir mittlerweile der angesagteste Club des Planeten.“
Ich grinse schwach, als ich geschafft auf die Lehne der Ledercouch sinke. „Wenn ich mir die neuen Preise ansehe wundert mich das nicht im Geringsten. Das ist ja schon fast obszön.“
Kate grinst. „Angebot und Nachfrage. Wenn jemand hier für eine Nacht weniger als fünftausend ausgibt, hat er entweder einen verdammt spendablen Sugardaddy oder etwas falsch gemacht.“
„Sag ich doch. Obszön. Aber ich fürchte das wird erwartet. Es war ja noch nie billig hier zu feiern.“, seufze ich und erhebe mich dann um hoch zum DJ Pult zu gehen und die Musik aufzudrehen.
Als mein alter Mix durch den Club tönt und Kate lachend ihr Haar fliegen lässt, während ich hinter dem Pult zu tanzen beginne, ist es wieder genau wie früher.
Wir tanzen beim Spülen und singen beim Auffüllen der Bar, als ich plötzlich einen großen Schatten auf der Empore sehe, der lässig am Geländer lehnt und mich fixiert.
Rome. Er sieht fantastisch in seinem weißen Hemd aus, das lässig aus der Jeans hängt und das bis zu den Ellbogen hochgekrempelt ist. Sein schwarzes Haar ist noch feucht vom Regen draußen und seine ganze Haltung drückt pures Selbstvertrauen aus.
„Hey! Du bist schon hier?!“, ruft Kate über die Schulter hinweg. „Willst du was trinken, oder siehst du uns nur beim tanzen zu?“
„Ich wollte euch eigentlich nur informieren, dass wir heute Abend die gesamte Mannschaft der 26 an der Backe haben. Und dass ich nicht will, dass Mira heute Abend oben bedient.“, knurrt er dunkel.
„Ach ja? Und wo soll sie dann-“
„Du wirst heute unten bedienen. In meinem Bereich.“, grollt er in meine Richtung.
„Hör zu, wenn das wegen Magnus ist- ich denke ich komm damit klar.“, bringe ich  stockend raus.
Rome strafft die Schultern und stößt sich vom Geländer ab. „Tu was du nicht lassen kannst.“, faucht er scharf und stürmt davon.
„Bist du wahnsinnig?! Stoß ihn nicht so vor den Kopf! Du weißt genau, dass er ihn hasst, seit er denkt dass ihr Beide… du weißt schon. Ganz zu schweigen von der Bombe. Ich weiß, dass Pius Rome damals einiges zugestehen musste, damit er ihn am Leben ließ. Aber sollte er heute auch nur einen falschen Zucker machen, wird er ihn aus dem Club prügeln und sehr wahrscheinlich beenden, was er damals nicht getan hat.“
Ich blicke Kate ruhig an. „Ich werde mich nicht vor ihm verstecken und Rome muss nicht glauben, er muss mich herumkommandieren. Ich liebe ihn vielleicht, aber ich entscheide selbst was ich tue.“
„Das weiß ich verflucht nochmal! Aber –“
„Hör zu, ich weiß dass Rome im Augenblick meistens dicht oder high oder Beides ist, aber deswegen werde ich nicht tun was er möchte, nur um zu verhindern, dass er heute Nacht nicht ausrastet und jemanden tötet.“
„Mira.“, meint sie entsetzt. „Ich sag das nicht, weil ich es gut finde was er da tut, oder weil ich nicht will dass Magnus stirbt. Ich sag das, weil es hier um Rome geht. Und auch wenn er das nicht zugeben wird, du hast ihm wirklich weh getan. Vielleicht sagt er nichts dazu, aber er hat sich solche Vorwürfe gemacht. Er saß tagelang in deinem Zimmer und hat sich eingeschlossen. Was ich heute Morgen gesagt habe stimmt. Er hat nicht einmal gelächelt. Wir durften ja nicht mal deinen Namen erwähnen, ohne dass er total ausgerastet ist. Also sei nicht so streng mit ihm. Gesteh ihm heute Abend zu, dass du bei ihm bist und nicht auf Konfrontationskurs mit Magnus.“
Ich schenke ihr ein entschuldigendes Lächeln. „Ich fürchte, das kann ich nicht. Es wäre nicht meine Art und ich habe noch jede Zeit der Welt um Rome zu zeigen, dass es mir Leid tut.“
Kate schüttelt nur den Kopf und ich weiß, dass sie sauer ist. Sie hat genau die gleiche abwehrende Haltung wie Rome und wendet sich ab.
Doch das ist mir gleich. Von Christobal weiß ich nämlich, dass Magnus damals trotz allem den Mund gehalten hat und nichts über mich hat verlauten lassen. Und er war es auch nicht, der die Bombe gelegt hat, sondern einer seiner Lakaien, die sich von ihm geprellt gefühlt hat. Christobal hat mir außerdem gestanden, dass er es war, der das mit Pius geklärt hat. Magnus stand nämlich nur damals neben ihm herum, weil er ihm sagen wollte, dass jemand aus seinem Umfeld ihm den Anschlag anhängen wollte um ihn zu töten. Und jetzt muss ich ihn tatsächlich um Verzeihung bitten. Deswegen kann ich mir diese Chance heute Abend nicht entgehen lassen. Ich muss das los werden. Ich will nicht in seiner Schuld stehen. Doch ich muss zugeben, dass ich Magnus Mut bewundere wieder herzukommen. Ich hätte das nicht gebracht.

Im X ist es schon kurz nach zehn so voll, dass ich beinahe bei jedem zweiten Schritt jemandem auf den Füßen stehe, als ich mich durch die Tanzfläche kämpfe. Obwohl ich mittlerweile nicht mehr so leicht ins Schwitzen komme, strömt der Scheiß über meinen Körper, als sei ich noch immer ein Mensch. Mein Shirt klebt an meinem Körper, das Blut rauscht in meinen Ohren und ich versuche krampfhaft Magnus auszumachen. Anstatt dessen lande ich plötzlich an einer breiten Brust, deren Geruch ich über die letzten vier Monate kennengelernt habe.
Entsprechend verwirrt sehe ich hoch in Semjons schwarze Augen, der mich verwirrt ansehen. „Was tust du denn hier?“, höre ich ihn perplex fragen.
„Arbeiten. Was zum Teufel treibst du hier?!“, schreie ich über die Musik hinweg.
Semjons Blick ist drohend, als er sich umsieht. „Wir kennen uns nicht, merk dir das. Du hast mich noch nie vorher gesehen.“
„Was soll der Mist?!“, fahre ich ihn an. „Wenn du-“
„Ich muss zu Rome. Entschuldige mich.“, grollt er fast lautlos und lässt mich einfach stehen.
Also ich muss zugeben, jetzt bin ich total verwirrt. Semjon ist hier in Chicago. Er will zu Rome und wir kennen uns nicht? Irgendwas läuft heute Abend gewaltig schief.
Ich hänge noch meinen Gedanken nach, als ich am Tisch ankomme und die Mädels abkassiere.
Und als ich schließlich den ersten Spieler der sechsundzwanzigsten ausmache, dauert es nicht lange bis auch Magnus auftaucht. Ich gebe zu, er ist noch immer verflucht gutaussehend. Doch nichts im Vergleich zu Rome.
Trotzdem kämpfe ich mich nach oben in die hintere Lounge um die Bestellungen entgegen zunehmen. Alissa kommt mir grinsend entgegen. „Sexgötter auf zwölf Uhr.“, schnurrt sie im Vorbeigehen und ich verkneife mir ein Glucksen. Es gibt wohl kaum jemanden, der so besessen von gutaussehenden Männern ist, wie sie.
„Hey Jungs, kann ich euch was bringen?“, lächle ich in die Runde, als ich bei Magnus Tisch ankomme und sehe ihn direkt an.
Ich bemerke, wie seine Pupillen kleiner  werden, doch sonst zeigt er keine Reaktion, während die Anderen unter Gejohle und blöden Sprüchen bestellen.
„Magnus?“, hake ich deswegen nochmals nach.
Er fixiert mich kalt. „Whisky.“, knurrt er schließlich angefressen und ich gehe zufrieden davon. Lief doch gar nicht so schlecht. Er wollte mich nicht umbringen, er hat keinen Spruch abgelassen und auch ansonsten nichts getan.
Ich bin gerade dabei die Getränke aufs Tablett zu stellen, als Kate plötzlich von der Seite angehüpft kommt. „Rat mal wer hier ist?!“, ruft sie fröhlich und ich sehe sie Achselzuckend an. „Unser Bruder! Ich kann es noch gar nicht fassen! Ich habe ihn schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen! Taucht einfach so auf! Naja, jedenfalls wollte ich nur fragen, ob du unten für mich übernehmen könntest?! Ich hab ihn so lange nicht gesehen.“
In meinem Kopf rastet irgendwo ein Zahnrad ein, als ich nach dem Whisky greifen will, der mir prompt aus den Händen gleitet und in tausend Scherben am Boden landet.
Es gibt heute Abend nur einen Kerl, der vielleicht das Zeug hätte Romes Bruder zu sein.
„Ähm, äh… zehn Minuten, dann bin ich bei euch.“, bringe ich mit schummrigen Gefühl in der Magengegend heraus, während ich mich bücke um die Sauerei aufzuwischen.
„Dank dir!“, flötet Kate bevor sie wieder davon rauscht.
Als ich wieder hinter der Theke auftauche und meinen Lappen ausringen will, sehe ich mich plötzlich Magnus gegenüber der am Dresen lehnt und mich ansieht. „Also? Gibt es etwas, dass du mir mitteilen willst? Oder hatte der auffordernde Blick gerade nichts zu bedeuten?“, grummelt er genervt und ich atme aus Gewohnheit erst mal tief durch.
„Ich hatte Unrecht mit meiner Annahme und es tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe.“
„Das ist alles?“, fragt er kalt nach.
„Also bitte. Ich werde mich jetzt nicht für deine Erpressung entschuldigen. Doch wir sind quitt. Ich danke dir, dass du trotzdem den Mund gehalten hast und eure Bestellung kommt gleich.“, antworte ich aufgebracht und gebe ihm einen Schubs gegen die Schulter, zum Zeichen dass er verschwinden soll.
Eigentlich hatte ich wirklich vor, mich angemessen zu entschuldigen, aber im Grunde genommen hat er das gar nicht verdient. Er ist ein Arschloch. Und auch wenn es nicht seine Schuld war, wie ich mittlerweile weiß, regt er mich einfach auf.
Magnus knurrt etwas vor sich hin, dass ich nicht verstehe und es ist wohl auch besser so, als er davon dampft.
Glücklicherweise kann ich Alissa, die Getränke ohne Gewissensbisse  aufdrängen, da sie sowieso nach dem Tisch der Spieler giert. Sie ist auch alles andere als sauer, als ich mich nach unten verdrücke.
Mit dem Triumpf in der Tasche, es wenigstens versucht zu haben mich zu entschuldigen betrete ich den nicht öffentlichen Bereich und grüße Jane, die zweite Kellnerin, die heute Abend hier unten bedient.
Sie nickt in Richtung rechter Ecke, bevor sie zu mir rüber kommt. „ Romes Bruder ist hier. Du musst ihn dir ansehen. Er sieht so fantastisch aus. Fast so gut wie Rome. Versuch seine Nummer zu kriegen, ja?“, wispert sie leise und dreht sich dann weg, um unauffällig ihre Haare zurecht zu zupfen und mich allein zu lassen.
Ich sehe meine Befürchtung bestätigt, als ich Semjon direkt neben Rome sitzen sehe, der gemeinsam mit Caleb, Kate und zwei anderen am Tisch platzgenommen hat.
„Das darf ja wohl nicht wahr sein.“, sage ich leise, als ich mit einem aufgesetzten Lächeln zu ihrem Tisch herüber gehe.
Kate strahlt mir entgegen, während Rome und Semjon mit dem gleichen versteinerten Gesichtsausdruck mein Näherkommen beobachten.
„Hi, kann ich euch noch was bringen?“, frage ich höflich lächelnd und sehe dabei Rome an, da ich weiß, dass ich sonst Semjon einen bösen Blick zuwerfen würde.
„Nein, danke. Mira, dass ist Semjon. Unser Bruder.“, strahlt Kate übers ganze Gesicht und macht eine einladende Handbewegung, sodass wir praktisch gezwungen sind uns anzusehen.
Ich nicke freundlich in seine Richtung und versuche krampfhaft den Eindruck zu erwecken mich ehrlich zu freuen, den Unbekannten kennenzulernen. Das Problem ist nur, dass ich fürchterlich schlecht im Lügen bin und so sehe ich schnell wieder weg, als Semjon und ich uns kurz zugenickt haben.
„Mira wohnt bei uns.“, fängt Kate an zu erzählen und ich kann nicht verhindern, dass mein Blick zu ihm wandert. Natürlich hat Semjon keine Probleme damit den anderen etwas vorzuspielen. Er sieht mich scheinbar neugierig an und wendet sich dann Rome zu. „Hübsch.“, grollt er dunkel, bevor er mir ein wölfisches Grinsen schenkt und eine Augenbraue nach oben zieht. „Er?“, formen seine Lippen lautlos und ich kann ihn nur böse anstarren.
Dass habe ich ihm damals nur gebeichtet, weil niemand anderes da war und ich nicht dachte, dass die Beiden sich jemals über den Weg laufen oder gar miteinander verwandt wären. Eigentlich hat er im Grunde genommen ja nur ein Gespräch von mir mit Tess mitbekommen und gefragt ob ich Liebeskummer hätte.
Deswegen schüttle ich nur abwehrend den Kopf und sehe wieder Rome an, dessen Blick misstrauisch auf mir ruht. „Ist er da?“, hakt er nach und ich nicke zögernd.
„Hat er-“
„Mira ist doch jetzt hier.“, wirft Kate ein und lächelt gekünstelt, um Rome zu beruhigen.
Semjon wirft mir einen dunklen Blick aus seinen pechschwarzen Augen zu und ich atme tief durch. „Du willst doch sicherlich was trinken.“, sage ich an ihn gewandt, da er kein Getränk auf dem Tisch stehen hat.
„Nein.“
Ich zucke mit den Schultern und will schon gehen, als Romes Stimme mich plötzlich zurückhält.
„Bring uns noch eine Flasche Whisky und dann setz dich.“
Nein. Nein. Nein.
„Ich muss arbeiten.“, sage ich entschuldigend. „Außerdem will ich nicht stören.“
„Setz dich!“, knurrt Rome eisig und ich recke den Kopf, bevor ich davon gehe um eine Flasche zu holen.
Er ist wirklich sauer auf mich und genau deswegen werde ich mich jetzt nicht neben ihn setzen und auch noch riskieren, dass er auch noch auf die Idee kommt, dass ich auf Semjon stehen würde. Bei meinem Talent bekäme ich das nämlich auch noch hin.

Ich stelle die Flasche auf den Tisch und wende mich dann gleich den nächsten Gästen zu. Ich höre ihn dunkel hinter mir einen ungehaltenen Fluch grollen, doch ich lasse mich davon nicht beirren und nehme die Bestellungen mit einem Lächeln entgegen.
Es ist schon fast halb zwei, als ich gerade von der Toilette wieder komme und Semjon hinter der Bar stehen sehe. „Man hat mir gesagt, ich darf mir nehmen was ich will.“, grollt er erklärend und greift sich eine Flasche Bourbon. „Du bist wirklich verflucht schlecht darin vorzugeben mich nicht zu kennen.“
„Wieso darf ich eigentlich-“
„Hör zu, sie wissen was ich tue. Aber sie wissen nicht wo, mit wem oder sonst irgendetwas. Deswegen kennen wir uns nicht. Verstanden?!“
Ich stehe mit dem Rücken zur Wand und versuche so zu tun, als würde ich nur die Menschenmenge betrachten. „Na schön. Aber wie du festgestellt hast, bin ich ziemlich ungeschickt darin so zu tun, als kenne ich jemanden nicht. Also überzeug Rome irgendwie davon, dass ich nicht zu eurem Tisch kommen kann.“
„Ich fürchte, das geht nicht. Ich will ja jetzt nicht unnötig gemein sein, aber er kocht wirklich vor Wut und ich bin mindestens so schlecht darin Menschen zu beruhigen, wie du darin sie anzulügen.“
„Ich sehe es jetzt schon kommen. Er wird denken, dass wir eine Affäre haben.“, murmle ich genervt in seine Richtung.
„Wo sind die Gläser?“, fragt er nur und ich deute nach links.
„Kannst du nicht einfach dein Haar zurückwerfen, auf seinen Schoß sitzen und ein bisschen mit ihm… ich weiß nicht- rummachen?“, knurrt er ebenso angepisst.
„Wir haben nie… rumgemacht. Das wäre doch sehr merkwürdig, so plötzlich.“
„Dann mach irgendwas, solange du nur den Mund hältst.“, faucht er fast lautlos. Semjon greift an mir vorbei zu den Gläsern. „Kate ist schon am bedienen. Jetzt geh schon.“
Ich schnaube genervt und tue aber was er sagt, weniger wegen ihm als vielmehr wegen Rome, der gerade aufstehen will, den Blick fest auf Richtung Tanzfläche gerichtet.
„Es tut mir Leid, okay?“, bringe ich ehrlich raus, als ich zu ihm komme. „Ich habe mich wie ein Miststück aufgeführt.“
Rome wirft mir nur einen bitterbösen Blick zu und setzt sich aber wieder.
„Ich war noch wegen der Frau sauer. Das hatte nichts mit ihm zu tun.“, entschuldige ich mich nochmals. Das stimmt sogar zur Hälfte. Und ich werde den Teufel tun ihm die andere Hälfte zu verraten.
Ich sehe ihn Platz machen und nehme die stille Aufforderung an mich zu ihm zu setzen, bevor sein Arm auf der Rückenlehne des Sofas landet und er nach seinem Drink greift. „Wir reden später darüber.“
Ich nicke nur und Rome zieht mich plötzlich an sich, als Semjon wieder auftaucht und ich lasse ihn widerstandslos gewähren. Ich habe es genau in dem Moment verstanden, als er mich an sich gezogen hat. Er hat genug. Es ist zulange her, als dass er mir im Augenblick auch nur bei einem einzigen Mann traut. Und jetzt ist da heute Abend plötzlich Magnus. Ich weigere mich bei ihn zu bedienen und dann will ich mich nicht mal zu ihm setzen.
Diese Erkenntnis macht mich mal wieder so richtig wütend auf mich selbst. Manchmal bin ich wirklich blind!
„Willst du noch irgendetwas?“, frage ich.
Rome schüttelt nur mit harter Mine den Kopf und ich könnte mich selbst für meine Blödheit schlagen.
Seine Hand ruht an meiner Schulter und ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, als ich meine langsam nach oben gleiten lasse und meine Finger schüchtern seine berühren. Er sieht mich erstaunt an, und lässt es ohne ein Zeichen von irgendwelchem Missfallen geschehen, sodass ich es wage seine Hand zu meiner Talje zu führen. Er knurrt leise und zieht mich plötzlich auf seinen Schoß.
„Spiel nicht mit mir.“, höre ich ihn an mein Ohr grollen und ich lehne mich gegen ihn.
„Das tu ich nicht.“, wispere ich und lehne mich gegen seine breite Brust. Scheiß auf Semjon! Mir egal was er zu verbergen hat, oder nicht. Der Einzige der hier etwas zählt, ist der Mann auf dessen Schoß ich gerade sitze und der ziemlich sauer auf mich ist und noch wütender auf einen Typen, der mir so gar nichts bedeutet.
„Du weißt doch, dass ich das nicht tue.“, murmle ich verzweifelt.
„Und wieso stinkst du dann schon wieder nach ihm?!“, schreit er mich plötzlich an und wirft mich von seinem Schoß herunter, bevor er davon stürmt.
Ich sehe Semjon, der perplex neben mir sitzt, entsetzt an. „Ich kann überhaupt nicht nach ihm riechen. Er stand mindestens ein Meter von mir entfernt.“, bringe ich raus.
Er fixiert mich kurz. Springt dann ebenfalls auf und schüttelt den Kopf. „Doch. Tust du. Zwar wahrscheinlich nur ziemlich schwach, aber  wenn jemand einmal einen Geruch im Kopf hat, erkennt man ihn aus Millionen wieder heraus.“
Dann ist auch er verschwunden und ich blicke ihm  verschüchtert nach. Was habe ich getan?

Kapitel 22 (noch nicht überarbeitet)

Ich sehe wie sich die Lücken in den Menschenmassen langsam wieder schließen, die Rome und Semjon auf ihrem Weg nach oben hinterlassen haben und vernehme ein Knurren, das tief grollend den ganzen Club zum Erstarren bringt.
Mein Blick wandert erschrocken zu Caleb, der sich von uns Beiden zuerst fängt und mich mit sich nach oben zieht.
Die ziemlich verschüchterten Frauen in ihren kurzen Kleidern und hohen Schuhen drücken sich erschrocken an die Seite der Treppe, als Caleb wie ein Berserker an ihnen vorbei rauscht und jeden der aus Versehen in seinem Weg steht umrennt. Ich lasse mich mit flauem Gefühl in der Magengegend mitziehen und folge ihm bis zur Gardarobe, wo er plötzlich stehen bleibt und ich verwirrt in ihn laufe, wobei mich ein beherzter Griff in seine Lederjacke davon abhält zu Boden zu gehen. Meine Finger Halt suchend in den weichen, kühlen Stoff gekrallt, ziehe ich mich aus eigener Kraft wieder nach oben und linse hinter Calebs breitem Rücken hervor.
Semjon steht zu meinem Erstaunen keine zwei Schritte von uns entfernt, an der Wand gelehnt. Ich folge seinem aufmerksamen Blick und entdecke Rome und Magnus, die sich ineinander verkeilt auf dem Boden wälzen und sich ineinander verbissen haben.
Im Halbdunkeln des Eingangsbereichs herrscht um diese Urzeit kein reger Betrieb mehr, da um drei Einlasssperre ist und so sind wir wenigstens die Einzigen die sich das ansehen müssen.
Romes weißes Hemd ist blutverschmiert und in seinem rechten Ärmel klafft eine großes, ausgefranstes Loch, das die darunter liegende Fleischwunde mehr schlecht als recht verdeckt. Magnus sieht nicht besser aus. Sein Shirt hängt in Fetzen von seinem Körper und sein Hals blutet so stark, als hätte jemand seine Halsschlagader durchtrennt.
Ich kralle mich tiefer in Calebs Lederjacke und hisse erschrocken auf, als Rome Magnus mit sich hoch zerrt und ins Gesicht schlägt, sodass dieser rücklings ins Terrarium des Schlangenmanns fällt, das unter ihm in tausend Teile zerbricht. Die scharfen Glasscherben bohren sich in Magnus Handflächen, in seinen Rücken und in seine Oberschenkel und ich nehme den überwältigenden Geruch frischen Blutes war, als er sich mit einem schmerzverzerrten Stöhnen aufsetzt und seinen Nacken knacken lässt.
Ich höre Semjon gelangweilt seufzen und sehe zu ihm, wie er sich seine Brust abtastet. „Na das dauert ja wohl noch eine Weile.“, meint er genervt in Richtung seines Bruders, bevor er mit zwei Fingern ein Päckchen Zigaretten aus seiner Jacke hervor zieht und eine Schachtel Streichhölzer.
Ich sehe entnervt zurück in Richtung des Kampfes, meine tauben Finger noch immer im Leder von Calebs heiß geliebten Motorradjacke vergraben, als die Schlange sich plötzlich hinter Magnus zu bewegen beginnt und zischend über die letzten Überreste seiner gläsernen Zelle davon kriecht.
Doch der flüchtenden Schlange schenken weder Rome noch Magnus Beachtung, als dieser halb verwandelt zum Sprung ansetzt und seine Fänge dunkel knurrend in Romes Halsschlagader rammt. Romes wütendes Aufheulen hallt in meinen Ohren wieder, bevor er den blonden Vampir wie eine Fliege von sich schleudert und diesen gegen die Wand donnert, während er auch schon ausholt um ihm seine in eine Pranke verwandelte Hand quer übers Gesicht und den Oberkörper zu ziehen.
Romes Krallen durchschneiden Magnus Haut wie Messer und Magnus sinkt blut spuckend an der Wand herunter.
Die Beiden verwandeln sich in der gleichen Sekunde wieder vollständig zurück, als sie einen guten Meter Abstand zwischen sich haben.
Blutend, mit bebenden Muskeln und geschwollenem Auge ist Rome ein erschreckender Anblick. Ich sehe ihn konzentriert die Nasenflügel blähen, bevor sein Kopf wieder in Richtung Magnus ruckt und er ihm drohend seine Fänge zeigt.
Dann geht alles sehr schnell: Magnus ist plötzlich wieder auf den Beinen und schubst Rome zur Seite. Ich sehe ihn fallen und sich im letzten Moment an der Wand abfangen, bevor er dem flüchtenden Magnus hinterher hechtet und die Tür hinter sich zu schlägt.
Von der Aktion überrumpelt, stolpere ich hinter Cal hervor und öffne die Tür. „Wir müssen sie finden!“, fahre ich Semjon an, der in aller Seelenruhe weiter raucht und sich überhaupt nicht von den Geschehnissen beeindruckt zeigt.
„Das geht uns nichts an.“, stellt er  eisig fest. „Weder du noch ich haben das recht den Boss der 24 von etwas abzuhalten.“
„Das ist mir so was von egal!“, schreie ich aufgekratzt und stürme allein nach draußen.

Ich finde die Beiden schneller als gedacht. Sie wälzen sich vier Seitenstraßen weiter auf dem asphaltierten Boden, welcher von Mülltüten, Dreck und Pfützen übersäht ist. Es stinkt nach verwestem Müll und Blut und ich bleibe am Ende der schmalen Gasse stehen. In sicherem Abstand zu den Beiden und beobachte ihren Kampf besorgt.
Der rissige Asphalt schluckt immer wieder die lautesten Geräusche ineinander krachender Körper, doch das frische, dickflüssig klebrige Blut bildet im vor Dreck starrenden Boden tiefrote Schlieren genau wie auf den rauen Häuserwänden, von denen der Putz abblättert.
Auf der rechts von mir gelegenen langen, grauen Rauputzwand zieht sich eine Blutspur über drei Meter im Halbkreis, an dessen Ende der Schlangenmann in dem überdimensional großen Müllberg liegt und dort regungslos verharrt. Scheinbar hat einer der Beiden die Zeit gefunden, sich den Schlangenmann vorzuknöpfen, denn die tiefe Wunde am Hinterkopf sieht nicht so aus, als würde sie noch einmal heilen. Er ist tot.
Ich habe den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als der Schneeleopard plötzlich seine Reißzähne in Romes Nacken schlägt,dieser sich mit einem Fauchen in den Panther verwandelt und ihm mit der Vorderpfote erneut eine wischt. Ich sehe Magnus fallen, während er sich zurück verwandelt und Rome wankend auf allen vieren, bevor auch eher seine Tiergestalt ablegt und halb ohnmächtig nach vorn taumelt und sich an der Wand Hilfe suchend abstützt.
Dieser Kampf hat sich soeben selbst beendet. Ich sehe Semjon und Caleb hinter mir auftauchen und höre mich selbst sagen, dass wir sie ins Krankenhaus bringen sollten. Da sie so ausgeblutet sind, dass ihre Selbstheilung nicht funktioniert.

Rome hat es die Füße weggezogen, kaum dass wir den halbtoten Magnus in den ankommenden Krankenwagen buxiert hatten. Doch selbst da hat er noch darauf bestanden selbst zum Auto zu gehen und nach Hause zu fahren.
Rome kann manchmal ein uneinsichtiger Mistkerl sein. Trotzdem lasse ich ihm seinen Stolz und nicke nachgiebig, während ich selbst mit Magnus in den Krankenwagen steige, da ich scheinbar die Einzige in ganz Chicago und der 24 Abteilung bin, die sich um den Gegner von Rome zu kümmern wagt.



Es ist kurz nach fünf Uhr morgens und ich sitze allein vor Magnus Krankenzimmer, kämpfe mit Tränen, mir selbst und meiner allumfassenden Wut.
Das kalte Neonlicht offenbart, was all die Monate unter der Oberfläche gelegen hat und was ich nicht wahr haben wollte. Vielleicht bin ich weggelaufen, habe tausende Kilometer zwischen mich und meine Vergangenheit gebracht, aber heute muss ich erkennen, dass Familienbande nicht reißen.
Ich schlucke schwer und kann mich nicht bewegen, obwohl alles erneut danach schreit wegzurennen. Doch ich bleibe starr auf meinem unbequemen Plastikstuhl sitzen, mit zusammengepressten Beinen und zitternden Muskeln.
„Miss Blue? Mr. Casey ist über den Berg. Vielleicht möchten sie jemanden anrufen?“, höre ich den Arzt sagen, von dem ich nur die hellblauen Hosenbeine und die Enden seines weißen Kittels sehe, da ich auf den grauen Linoleumboden fixiert bin. Ich nicke schwach und greife mir an die Stirn, bevor ich nach meinem Handy greife und auf das Display blicke.
Meine Finger krallen sich um das kleine Gerät und ich tippe mit schweren, sich wiederstrebenden Bewegungen eine Nummer ein, von der ich nie gedacht hätte, dass ich sie noch einmal wählen würde.
Das Tuten tönt schmerzhaft in meinen Ohren und ich will nichts lieber als auflegen. Doch dann ist es zu spät. Ich höre eine dröge Stimme verkünden, dass ich in Pius Haus gelandet bin, bei Slevin Slade. Einem treu ergeben Gefolgsmanns meines Vaters.
„Verbinden sie mich bitte mit Pius Casey. Hier ist Mira Blue.“, bringe ich mit fester Stimme heraus.
„Der Boss ist nicht zu sprechen.“, antwortet es mir gelangweilt und in mir kommt die brodelnde Wut hoch.
„Es geht um Magnus. Sie sollten zu sehen, dass er ans Telefon geht, ansonsten könnte es böse für sie enden.“, fauche ich. „Und falls sie noch einen kleinen Anstoß brauchen, sagen sie ihm seine Tochter ist am Telefon.“
„Warten sie einen Augenblick. Ich verbinde sie.“, höre ich es nach einer kurzen Pause sagen. Dann herrscht Ruhe, bevor ich es erneut durchklingeln höre.
„Ja?“, höre ich es sagen.
„Guten Abend, Vater.“, presse ich es hervor. „Hier ist Mira.“
Pius  schweigt bedeutungsschwer.
„Magnus ist im Krankenhaus. Er und Rome Darren hatten eine Auseinandersetzung. Er hat einiges abbekommen. Doch nun ist er über den Berg.“
Pius  schweigt noch immer und ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.
„Magnus, hm? Und dein Freund Mister Darren. Wieso rufst du mich an?“, antwortet er mir kalt.
„Er ist dein Adoptivsohn. Und niemand ist hier, der sich um ihn kümmert. Nicht einer deiner Gefolgsleute. Nur ich, verflucht! Und sie haben mich gefragt, ob ich die Familie kenne. Und das tue ich.“
Mein Vater schnaubt, bevor ich es knistern höre. „Du bist im Krankenhaus?“
„Wo zum Teufel sollte ich sonst sein?! Er ist mein Bruder!“, schreie ich außer mir.
„Das war sehr anständig von dir. Aber solltest du nicht lieber bei Mister Darren sein?“, knurrt er kühl.
„Das geht dich nichts an. Willst du nicht jemanden zu Magnus schicken?“
„Das werde ich.“, sagt er nur kurz angebunden.
„Ich sollte dann jetzt-“
„Warte… Belladonna.“, murmelt es plötzlich.
„Bitte. Nenn mich nicht so. Ich hasse es wie eine Giftpflanze zu heißen.“, gebe ich schluckend zurück.
„Sie steht für ein Schönheitsideal, nicht für Gift. Deswegen heißt sie ja auch schöne Frau.“
„Wieso sagst du mir das?“, will ich unglücklich wissen.
„Weil dieser Name nicht von mir, sondern deiner Mutter stammt. Es schien ihr damals wichtig zu sein dir einen Namen zu geben. Wenn es dich beschwichtigt, er hat mir nie gefallen. Ich liebe deine Mutter, aber ich bin froh, dass du nicht so bist wie sie dich haben wollte.“
„Was wird das? So etwas wie ein Gespräch?“, lache ich freudlos.
„Vielleicht. Kommt darauf an, ob einer von uns Beiden auflegen wird.“, grollt er kalt.
„Bis jetzt tue ich es nicht. Denn ich will dich noch etwas fragen: Wieso hast du einfach klein bei gegeben? Wieso hast du einfach deine Pläne aufgegeben, die du dir so schön zu recht gelegt hattest?“, will ich ehrlich interessiert wissen.
„Ich habe in deine Augen gesehen. Nie hätte ich gedacht, dass jemand mich nochmal erstaunen kann, aber du hast es getan. Sie schwappen regelrecht über von der Sehnsucht nach Leben, die darin gefangen ist. Und da ist mir klar geworden dass ich dir in all den Jahren noch nie zuvor in die Augen geblickt habe. Ich wollte nicht riskieren zu sehen, dass meine Tochter den gleichen uninteressierten, abwesenden Blick wie Eudoxia hat. Nicht feststellen, dass ich mit zwei solcher Augenpaare leben muss in denen sich nur totales Desinteresse spiegelt.“
„So wie es aussieht wird es ein Gespräch.“, schlucke ich entsetzt.
„Ja. Bist du glücklich, Mira?“
Ich lächle schwach. Nie hätte ich gedacht, so eine Frage aus dem Mund meines Vaters zu hören. „Gerade nicht so sehr. Ich bin wütend. So wütend, dass gerade jedes andere Gefühl, das Nachsehen hat. Aber nicht so sauer, dass ich mir keine Sorgen machen würde.“
„Ist es das Leben, dass du wolltest, als du weggelaufen bist?“, will er wissen.
„Ich bin damals weggelaufen, weil ich nicht so enden wollte wie meine Mutter, die nicht ein Wort in all den Jahren mit mir gewechselt hat. Es schien mir immer so, als sei ich für euch nicht mal existent. Ich war nichts weiter als ein ungebetener Gast in meinem zuhause. So habe ich mich immer gefühlt. Deswegen war es für mich nicht wie ein weglaufen. Sondern das Einzige, das ich tun konnte um nicht für immer dort festzusitzen und zu einer Marionette eines Spiels um Macht und noch mehr Macht zu werden. Ich wollte lieber als Mensch leben, als die Ewigkeit damit zu verbringen unglücklich zu sein und mir auszumalen, wie das Leben hätte sein können. Das wäre Selbstmord gewesen. Also ja. Es ist das Leben, das ich wollte und noch mehr. Und wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich es sofort wieder tun.“
„Ich denke, das darf ich dir nicht einmal übel nehmen.“
„Nein.“, antworte ich tief durchatmend. „Dazu hättest du wirklich kein Recht. Aber für die Auflösung der Verlobung danke ich dir.“
„Ich denke das war ich dir schuldig.“, brummt er. „Wo genau liegt Magnus?“
„Im Chicago Hospital. Ich werde jetzt gehen. Ich muss Rome suchen.“
„Dabei werde ich es belassen. Von Folgen für unsere Bezirke werde ich absehen.“, sagt er fast amüsiert.
„Danke… Dad.“, murmle ich mit brüchiger Stimme und lege auf.
Über dieses Gespräch werde ich noch lange nachzudenken haben, doch nicht heute Nacht. Heute Nacht muss ich Rome suchen und finden. Ihn anschreien und aufhören mir vor Sorge um ihn gleich die Nägel abzukauen.


Als ich nach Hause komme, ist das Haus hell erleuchtet und Kate und Caleb stürmen mir schon entgegen, als ich zur Haustüre hereinkomme.
„Lebt er?“, meint Kate aufgelöst.
„Ja. Er ist über den Berg und mit Pius ist alles geklärt. Wo ist Rome?“, hake ich nach.
„Rome ist oben.“, meint Kate unglücklich. „Er ist gerade gekommen.“
Ich beiße mir auf die Lippe und sehe nachdenklich nach oben. Ich muss duschen gehen, sonst dreht er gleich wieder durch. Oder auch nicht. Wenn ich duschen gehe, denkt er nur ich hätte etwas zu verbergen.
Kate legt mir eine Hand auf die Schulter und nickt schweigend in Richtung Treppe. „Sie haben ihn mit Blut voll gepumpt. Er dürfte schon vollständig geheilt sein. Sei vorsichtig.“
Ich sehe seine Schwester mit einem traurigen Lächeln an. „Ich versuch es.“

Ich entdecke Rome in der Mitte seines Schlafzimmers. Er geht im Zimmer auf und ab wie ein Raubtier im Käfig und sieht höchst unzufrieden aus. Als er mich entdeckt bleibt er stehen und zieht seine Lefzen nach oben, sodass seine Fänge mir entgegen springen.
An ihm ist kein Kratzer mehr zu sehen. Die Bisswunden sind verheilt, genau wie die blauen Flecken. Alles was übrig  ist von dieser Nacht, ist die schier grenzenlose Wut in seinen Augen.
„Ich habe nichts zu verbergen. Deswegen stinke ich nach ihm, wie du mir sicherlich damit sagen möchtest. Und was diese Aktion heute Abend angeht. Was sollte das? So wütend habe ich dich noch nie gesehen. Und so unkontrolliert.“, plappere ich erschrocken drauf los.
„Was geht es dich an?!“, schreit er mich an. „Was geht es dich an, was ich tue?! Du hast gelogen. Du kommst und gehst, wie es dir passt!“
Ich weiß, dass ich ihn verdattert ansehe. „Was?“
Rome steht mit bebendem Körper vor mir und zieht den Kopf nach oben. Er holt so schnell Luft, dass er schon fast hyperventiliert, während seine Nasenflügel weit aufgebläht sind. Wäre er noch ein Mensch, würde er demnächst umkippen, doch so macht er einfach den Eindruck eines in die Ecke gedrängten Raubtieres.
Rome tritt einen Schritt zurück, als ich auf ihn zugehe und knurrt drohend.
„Ich weiß, dass es nicht fair ist, hier einfach wieder so aufzutauchen und auch noch Ansprüche zu stellen.“, rede ich leise auf ihn ein und strecke die Hand nach seiner stoppeligen Wange aus.
„Lass mich in Frieden.“, murmelt Rome und zieht seinen Kopf weg, sodass ich ins Leere greife.
„Rome.“, presse ich hervor und lasse meine zitternden Hände sinken.
„Nichts Rome! Ich brauche das nicht. Ich brauche deine falschen Liebesbeteuerungen nicht, genauso wenig wie dich. Ich kann auf kleine, unerfahrene Mädchen in meinem Bett verzichten!“, herrscht er mich an.
„Was soll der Mist? Glaubst du etwa, was du da sagst?! Liegt Magnus deswegen im Krankenhaus ohne einen einzigen ganzen Knochen im Leib?“, schreie ich ihn an und verschränke die Arme schützend vor der Brust.
„Magnus tut hier nichts zur Sache! Du spielst mit mir und das ist kindisch.“, schnaubt er angewidert und schüttelt den Kopf.
„Ich bin kindisch? Ich?! Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Als Dank dafür schlägst du ihn zusammen. Das war unreif. Du warst eifersüchtig und bist an die Decke gegangen ohne überhaupt zu wissen was passiert ist.“
„Ich war nicht eifersüchtig.“, schnappt Rome mit einer Miene die man bestenfalls als feindselig bezeichnen kann. Obgleich seiner Worte und seiner abwehrenden Körperhaltung bin ich mir sicher, dass er es war und immer noch ist.
Ich beiße mir auf die Lippen und betrachte ihn aufmerksam. Er steht da wie eine Statue. Gottgleich unter den vor Dreck starrenden Klamottenfetzen, die noch an seinem Körper hängen. Romes blutverklebtes Haar hängt ihm in dicken Strähnen in die Stirn, während seine frisch verheilten Wunden auf seiner Haut hellrote  Striemen hinterlassen haben, die unter dem Dreck und den letzten Hemdfetzen hervorblitzt.
„Na schön.“, sage ich sanft und wende meinen Blick von meinem Vorzeige- Vampir ab. „Dann war diese Annahme du seiest eifersüchtig wohl meiner kindlichen Unwissenheit geschuldet.“
Rome verzieht den Mund, bevor er sich über die Augen fährt. „Du warst tot verflucht noch mal! Du warst tot und ich hatte Schuld daran! Kate hat mich angesehen, als sei ich der lebendige Teufel. Genau wie alle anderen in dieser verfluchten Stadt! Du weißt nicht wie es war! Und dann tauchst du hier auf und benimmst dich als seiest du nie weg gewesen! Hast du auch nur eine Ahnung, was sie durchgemacht haben?!“, brüllt er mich an. Sein Adamsapfel hüpft wild auf und ab und ich weiß nicht was ich sagen soll. „Hast du eine Ahnung, was ich durchgemacht habe?“, schiebt er mit brüchiger Stimme hinterher und wendet sich ab.
Seine Worte hallen in meinem Kopf wieder, während ich auf seinen breiten Rücken starre und entrückt seinen Nacken betrachte, der mit frischer rosiger Haut überzogen ist.
Und dann rieche ich plötzlich Tränen. Nur schwach zuerst, als würden sie noch unbemerkt in den Augenwinkeln stehen, doch dann ergießt sich vor mir ein tiefblaues Band aus Salz, Trauer und Verzweiflung, das immer durchdringender in meine Nase steigt, bevor ich merkwürdig verwirrt feststelle, dass es von mir ausgeht.
Ich fasse mir abwesend auf die tränennassen Wangen während ich fasziniert zusehe, wie er still da steht und versucht sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Ich gebe zu, es war nicht gerade gut durchdacht. Oder gar umsichtig von mir. Ich hätte vorher mit dir darüber sprechen sollen. Es tut mir wirklich Leid, wie es gelaufen ist.“, schlucke ich betrübt und wage es einen Schritt in seine Richtung zu machen.
„Geh einfach. Lass mich heute Nacht in Frieden.“, knurrt er abweisend und hebt den Kopf stolz und unnachgiebig. Rome wird es niemals zulassen, die Kontrolle zu verlieren. Nicht vor sich selbst und schon gar nicht vor anderen.
„Es tut mir Leid.“, sage ich langsam, während ich ihn mit umrunde und direkt vor ihm zum Stehen komme. „Verzeih mir.“, wispere ich unglücklich. Seine blutroten Augen streifen meine kalt, bevor er seine Hand ausstreckt und scheinbar fasziniert meine Tränenspuren nachfährt.
„War ich das?“, fragt Rome und betrachtet seine nassen Fingerspitzen mit unverhohlener Neugier.
Ich zucke mit den Schultern, während mein Kinn unkontrolliert zuckt. „Es tut mir wirklich Leid, Rome.“, bringe ich hervor.
„Geh jetzt, Mira.“, murmelt er ohne mich anzusehen. „Geh oder bleib. Aber mach keine halben Sachen mehr.“
Mein Kopf ruckt nach oben und ich betrachte Romes dunklen Haarschopf indem dicke Dreckkrusten hängen. Sein Gesichtsausdruck ist noch immer eisig und seine Hochgewachsene Gestalt ruft mir wieder in Erinnerung, dass Rome kein Kuscheltier ist.
„Ich weiß nicht.“, stelle ich schüchtern fest. „Ich weiß nicht, was das Bleiben beinhaltet.“
Romes dunkelrote Augen sehen mich direkt an, bevor ich ihn die Nasenflügel aufblähen sehe und er eine Hand an meinen Nacken legt. „Bleiben beinhaltet mich, dich und dieses Bett.“
Ich schlucke unsicher, senke den Blick und versuche nicht überfordert zu wirken. Was mir wohl kläglich misslingt, da Rome mich loslässt.
„Tut mir Leid.“, murmle ich niedergeschlagen. „An meiner Erfahrung hat sich nichts geändert und es macht mir Angst.“
Rome sieht zu Boden, bevor er sich auf die Lippen beißt und sich an die Stirn greift. Er wirkt, als würde er mit sich selbst einen Kampf ausfechten, den er schon verloren hat, denn er grinst unglücklich und schüttelt den Kopf.  „Das ist…gut.“, murmelt er durchatmend, als hätte er mit einem Mal keine Lust mehr jeden an mir klebenden Geruch zu analysieren.
„Rome, ich-“
Doch anstatt mich ausreden zu lassen, zieht er mich mit einer schnellen, bestimmten Bewegung an sich und legt seine Lippen sanft und vorsichtig auf meine. Sie sind kalt und hart und auch ein wenig spröde, als sie meine berühren. Sie brennen wie Feuer in meinem Inneren und ich fühle mich, als würde ich fallen. Doch das tue ich nicht, denn er hält mich fest umschlossen und presst mich noch näher an sich, als er meinen Kopf in den Nacken legt und seinen Kuss mit Nachdruck fordernder werden lässt. Ich versuche nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren und glücksselig in Ohnmacht zu fallen, doch als Rome mich zwischen die Wand und sich selbst einklemmt, bin ich kurz davor.
Sich wohl selbst zur Raison rufend, löst Rome den Kuss und sieht mich mit Lust verhangen Augen an.
„Wir sollten duschen gehen.“, murmle ich unsicher was ich sagen soll.
„Nein.“, knurrt Rome unvermittelt harsch. „Ich sollte duschen gehen. Du wirst hier warten.“
Ich starre ihn mit aufsteigender Panik an, als er mir noch einen Kuss gibt. Diesmal ist es nicht mehr als ein Streicheln meiner Lippen, doch Rome grinst wie eine zufriedene Katze. „Ich werde jeden anderen Geruch mit meinem übertönen. Bis du meinen Geruch nie wieder los wirst.“
„Rome -“, setze ich an.
„Nach dieser Nacht, wird kein anderer es je wieder wagen dich anzusehen. Nicht einer.“, knurrt er dunkel und verschließt meine Lippen erneut mit einem verlangenden Kuss.

Kapitel 23 ( noch nicht überarbeitet)

Ich höre sein tiefes, wohliges Grollen seiner Kehle entrinnen, als er mich enger an sich zieht und seine Finger in meinem langen Haar vergräbt.
Seine zornige Eifersucht, welche den ganzen Abend in ihm gebrodelt hat, verwandelt sich in dem rauen, wilden Kuss zu düsterer Begierde, die mich vollkommen niederstreckt. Auf meinen Zehenspitzen stehend, kralle ich mich in die Überreste seines Hemdes, das nur noch  locker über  den breiten Muskelbändern seiner Brust hängt um seine Lippen zu erreichen.
Er ist so riesig. Seine Arme umschlingen meinen Körper besitzergreifend, um mich fest an sich zu pressen und ich spüre sein Verlangen hart und groß gegen meinen Bauch drücken, während sein Mund meinem, brennend heiße Male aufdrückt.
Seinen Kopf tiefer zu mir herab beugend, streicht er mir mit einer Hand über die Kurven meiner Hüfte und lässt einen kehligen, erstickten Laut von sich hören.
„Du schmeckst fantastisch.“, murmelt er gegen meine Lippen, bevor er mich ohne Vorwarnung hochhebt und gegen die Wand drängt. Sein dunkles Knurren, vermischt sich mit meinem erschrocken, verzückten Aufstöhnen ist ein überwältigendes Geräusch und ich lasse meine fast tauben Hände, über die harten Muskeln zu seinem Nacken gleiten, dessen angespannte Sehnen ich hungrig umwickle und versuche mehr von ihm zu fühlen.
So etwas habe ich noch nie empfunden. Es ist, als wäre mein Körper nur dort vorhanden, wo auch seiner ist. Mein Innerstes pocht sehnsüchtig, wo die Beule in seiner verdreckten Jeans auf den hoch gerutschten Saum meines Rockes trifft und lässt mich unruhig werden.
„Rome.“, wimmere ich verzweifelt stöhnend und nehme mit Faszination seine ausgefahrenen Fänge war, die hungrig über die dünne Haut meines Halses kratzen, bevor er seine Lippen zurück zu meinen wandern lässt und sich von der Wand abstößt.
Er trägt mich mit drei schnellen Schritten ans Ende des Bettes und schenkt mir ein diabolisches Grinsen, bevor er mich rücklings mit sich in die Kissen des riesigen Bettes fallen lässt und mich vollständig unter seinem Gewicht begräbt.
Meine Finger wandern erschrocken in sein Haar, als er meine Lippen mit seiner Zunge auseinander schiebt und seine Hände meinen Oberkörper hinab gleiten. Sie hinterlassen prickelnde Spuren auf meinen Seiten und Hüften, bevor er sie noch weiter gleiten lässt und mich an meinen Schenkeln mit einer ebenso raubtierhaften wie wilden Geste an seine Lenden zieht.
Seine Fingerkuppen schieben meinen Rock fachkundig nach oben und suchen frech das Ende meiner halterlosen Strümpfe. Das dunkle, kehlige knurren als er die nackte, seidige Haut streift lässt mich dahin schmelzen und ich lasse mich tief in die Kissen sinken. Mein lautes Stöhnen hallt in meinen Ohren wieder, als er den feinen, schwarzen Spitzenstoff meiner Dessous erreicht, während sein Mund sich einen heißen, feuchten Weg über meinen Hals nach unten zu meinem Schlüsselbein küsst und schließlich den Ansatz meiner Brüste findet.
Es fühlt sich so gut an, trotzdem überkommt mich ein Gefühl der Panik.
„Rome… ich habe keine Übung in so etwas.“, hauche ich unsicher und schenke ihm ein entschuldigendes Lächeln.
„Das werde ich ändern.“, knurrt er fast zärtlich und legt seine Lippen erneut auf meine.

Rome hat die Führung übernommen, wie in allem was er tut und ich habe dem nichts entgegen zusetzen. Er ist nicht sanft. Er ist eine Naturgewalt. Abartig groß und muskulös.
Er küsst mich gierig. Seine Zunge erforscht meinen Mund hungrig und zügellos. Drei Jahrhunderte Erfahrung treffen auf absolutes Unwissen und ich verharre vollkommen regungslos und panisch in seinen Armen.
„Sag mir dass du es willst.“, grollt er rau und finster, gegen meine weichen Lippen und löst sich soweit von mir, dass er mir in die Augen sehen kann. „Ich brauche eine Antwort. Denn sollte sie noch immer nein lauten, solltest du schleunigst in dein Zimmer verschwinden und die Tür abschließen.“
Sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er kein Erbarmen haben wird, sollte ich es mir zwischendurch anders überlegen und dass er schon jetzt fast keine Kontrolle mehr über sich hat.
Doch er hat sie noch. Seine blutroten Augen mit den dichten, schwarzen Wimpern fixieren mich still, bevor er mich langsam frei gibt und einen Schritt zurück macht.
„Ich wollte duschen gehen.“, murmelt er  und pflückt meine Finger sanft von seinem Nacken, als hätte ich ihm meine Antwort schon längst mitgeteilt.
Wir liegen erstarrt da, während er meine Finger mit seinen Handflächen umschlossen hält.
„Du wolltest duschen gehen.“, stimme ich ihm mit träger Zunge zu. „Aber nein habe ich noch nicht gesagt.“, wispere ich und wage es ihn an zu sehen.
Meine Vernunft schreit danach endlich zu verschwinden und Abstand zwischen mich und diesen riesigen, unberechenbaren Vampir zu bringen, doch eine andere Stimme bettelt darum bleiben zu dürfen. Eine wilde, sich vor Liebe verzehrende Stimme, die mich anbrüllt nicht so feige zu sein und auf Risiko zu spielen. Die Selbe, die immer zur Stelle war, als ich abgehauen bin, zur Vampirin wurde oder als ich meinen Vater angeschrien habe. Die waghalsige, ehrliche Regung meines Herzens, die bis jetzt immer das Richtige erkannt und getan hat, gegen jeden Vorbehalt und Widerstand zum Trotz fordert wie immer ihr Recht ein und ich merke wie ich nachgebe.
Ich spüre wie sich ein Arm um meine Mitte legt und er mir einen Kuss auf die Schläfe drückt. „Überleg es dir und sei dir sicher.“, murmelt er, bevor er aus dem Zimmer geht und die Tür hinter sich schließt.

Als er längst verschwunden ist, höre ich das Wasser nebenan rauschen und schlinge die Arme um mich, während ich meine Schuhe von den Füßen streife und am Kopfende des Bettes eine halbwegs bequeme Sitzposition einnehme. Die Füße halb unter meinem engen Rock versteckt, versuche ich mich von der Tatsache abzulenken, dass ich in Romes Schlafzimmer auf dem Bett sitze und darauf warte, dass er zurückkommt.
Ich kaue unruhig auf meiner Unterlippe herum. Ich sollte… ich weiß nicht, was ich tun sollte. Ich weiß nur, dass ich bleiben will. Ich habe überhaupt keine Erfahrungen in solchen Sachen. Vielleicht sollte ich mich schon mal ausziehen oder ein paar Knöpfe öffnen oder…
„Verflucht!“, presse ich hervor. Ich nehme ja nicht mal die Pille. Was wenn das Kondom reißt, oder so? Ich meine davon hört man doch immer wieder! Was wenn ich genau dann meine fruchtbaren Tage habe?!
In meine aufsteigende Panik vertieft, bemerke ich Rome erst, als er direkt vor mir steht und mich mit schief gelegtem Kopf mustert.
Er ist bis auf eine Boxershorts nackt und ich schlucke unwillkürlich. Seine Haut und sein Haar sind noch feucht und er riecht nach einer Prise Chicagoer Morgenluft: Rasierschaum, Rauch, Kaffeeblütenpollen aus dem angrenzenden Park, Korianderduft aus dem Garten und Aftershave gemischt mit einer unterschwelligen Note Seeluft.
Einfach und wundervoll.

Draußen bricht die Morgendämmerung an, doch hier drinnen im Dunkeln der zugezogenen Vorhänge scheint die Welt stehen geblieben zu sein. Ich kann mich nicht rühren unter seinen roten Raubtieraugen, während er scheinbar prüfend meinen Geruch inhaliert.
„Du bist ja noch hier.“, stellt er erstaunt grinsend fest.
Romes Bewegungen sind langsam und geschmeidig, als er sich nach vorn beugt und seine Nase über meine Wange und meinen Hals schweben lässt, bevor er ohne mich aus den Augen zu lassen aufs Bett steigt und mich zurück in die Kissen drückt.
„Ja.“, bringe ich mit brüchiger Stimme hervor, als Romes Daumen sanft über meine Lippen streicht.
Vier Grad, zehn Liter Blut und ein verändertes Verdauungssystem trennen mich vom Mensch sein, trotzdem fühle ich mich in diesem Moment wie einer. Es ist egal, dass Essen für mich genauso Energie bringend ist, wie Diatcola, dass unser Herz so schnell schlägt, dass wir nur ein Rauschen wahrnehmen und die Menschen es für tot halten. Ich verspüre das ganz und gar alte, menschliche Gefühl von Panik vor dem Kommenden.

Ich wage es meine Hände langsam aus ihrer verkrampften Position zu lösen und lasse sie fasziniert über seine Schultern hinauf zu seinem Hals wandern, bis zu seinem Haaransatz, der meine Haut kitzelt. Er fühlt sich so gut an, unter meinen Fingern. Seine glatte Haut, das tiefschwarze Haar, die Muskelstränge, die seinen Körper formen. Ich kann nicht damit aufhören ihn zu erkunden und Rome lässt es geduldig geschehen, als ich seine Brust hinab fahre und über seinen harten Bauch streiche. Als sich sein Bizeps unter mir in Bewegung setzt, halte ich andächtig inne und sehe fasziniert zu, wie seine Muskeln sich heben und senken.
„Rome?“, will ich mit unsicherer Stimme wissen.
„Was?“, fragt er fast sanft nach und streich mir über die Rippen  nach oben zu meinen Brüsten, nur um mir einen Kuss auf den empfindlichen Brustansatz zu drücken seine Hand sanft auf sie zu legen.
„Können wir langsam machen?“, schlucke ich und sehe ihn unter halb geschlossenen Liedern an.
Romes gequältem Stöhnen zu urteilen, findet er das eine furchtbare Idee, trotzdem bringt er mit einem eingefrorenen Gesichtsausdruck ein Nicken zu Stande und murmelt etwas Unverständliches vor sich hin.
„Ich brauche nur mehr Küsse.“, meine ich schnell. „Ich-“
„Mira!“, schnaubt Rome und hält mich an den Handgelenken fest. „Beruhig dich. Das weiß ich. Das weiß ich doch.“, knurrt er und zieht mich an sich, bevor er seine Lippen erneut auf meine legt. „Ich werde langsam machen.“, schnurrt er. „Aber ich fürchte, ich werde dir trotzdem weh tun. Ich bin groß. Und du hast keinerlei Erfahrung.“
Ich schlucke, während er mir ein paar verschwitze Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. „Bitte verzeih mir, wenn ich dich verletze.“, murmelt er.
„Wirst du nicht.“, seufze ich, bei seiner schuldbewussten Mine.
„Es ist zutiefst kindisch und eifersüchtig.“, murmelt Rome, mehr zu sich selbst als zu mir. „Ich weiß, dass ich dir weh tue. Und ich wünschte es wäre nicht so, aber es bringt mich um, wenn ich daran denke, dass du dein erstes Mal mit einem anderen als mir hast.“
„Rome…“, bringe ich gerührt raus.
„Du hast keine Ahnung, was ich getan habe.“, höre ich ihn sagen und sehe ihm in die Augen. „Ich habe mich fesseln lassen wie ein Tier, um niemanden zu verletzen. Ich habe sie regelrecht angefleht mir weh zu tun, doch sie alle waren zu schwach. Stattdessen habe ich mich losgerissen und sie sind davon gerannt, nachdem ich mich nicht kontrollieren konnte. Verflucht! Ich habe mich betrunken, ich habe Drogen eingeworfen und darauf gewartet, dass du endlich zurück kommst. Nur für einen kleinen Augenblick. Doch du kamst nicht. Nicht einmal in den letzten fünf Monaten… Und jetzt  liegst du hier.“

Ich rutsche etwas von ihm weg und grinse schwach. „Das bin ich. Und ehrlich gesagt habe ich Angst davor, was jetzt gleich passiert.“
Romes Gesichtsausdruck nach zu urteilen ist er nicht sonderlich überrascht. „Kleines. Wenn du nicht willst passiert gar nichts. Verflucht nochmal! Ich-“, Rome beendet sich selbst indem er sich fahrig ins Haar greift und seufzt. „Küssen ist okay.  Es kann sein, dass ich heute Abend dann noch mehr wie sonst durchdrehe wenn jemand dir zu nahe kommt, aber das würde ich auch wenn ich mit dir schlafen würde. Deswegen verzeih mir, wenn ich dir Angst gemacht habe. Es widerspricht zwar allem was ich jemals von mir gegeben habe, aber lass dir so viel Zeit wie du magst.“
„Rome.“, bringe ich überrascht und überwältigt hervor.
„Ist das okay?“, fragt er fast bettelnd und es schnürt mir die Kehle zu.
„Natürlich.“, bringe ich heißer hervor und will ihm einen Kuss aufdrücken, doch er hält mich auf Abstand.
„Verflucht, Mira. Ich will dich. Ich bin die meiste Zeit so eifersüchtig, dass ich nicht denken kann, wenn ich sehe wie sie dich alle anstarren.“
„Rome, was wird das?“, will ich wissen, als er sich auf die Seite dreht und mich ansieht. Seine Augen sehen mich mit einem Ausdruck an, den ich noch nie zuvor gesehen habe. So liebevoll. Ja, fast verliebt.
„Ich werde die anderen sein lassen.“
„Was?!“, entkommt es mir regelrecht entsetzt.
„Du bist zurück. Ich lass dich nicht mehr gehen. Auf keinen Fall. Also sieh es als Versprechen. Ich will dich ganz und ich weiß, dass ich dir mit allem anderen weh tue. Also werde ich es richtig aufziehen.“
„Heißt das-“
„Wenn du willst.“, sagt er langsam.
Ich nicke perplex und grinse dämlich. „Du bist verrückt geworden. Ganz eindeutig. Rome Darren und eine jungfräuliche Kellnerin. In beinahe so etwas wie einer Beziehung. Das ist verrückt.“
Rome stimmt mir mit einem schelmischen Grinsen zu. „Ich glaube, das nennt man generell anders. Aber ehrlich gesagt will ich darüber nichts hören. Sagen wir einfach, ich hätte den Verstand verloren.“
Ich kann es nicht fassen. Rome Darren hat mir praktisch gestanden, dass er in mich verliebt ist! Und was noch erschreckender ist, er scheint es sich selbst eingestanden zu haben.
Und als Romes schwere Arme sich um mich legen und er mir einen Kuss auf die Lippen drückt, könnte ich Platzen vor Glück.


Wir liegen knutschend in den Kissen, die Bettdecke über uns ausgebreitet im Halbdunkeln des Zimmers und ich fühle mich einfach nur glücklich. Romes riesige Arme sind um mich geschlungen und ich benutze sogar einen als Kopfkissen, während meine Finger noch immer über seinen Oberkörper wandern und verzückt seine Muskeln nachfahren. Rome nimmt viel Platz im Bett ein und ich finde es umwerfend, so von ihm eingehüllt zu sein zwischen weichen Decken und kratzigen Bartstoppeln.

Kapitel 24 (noch nicht überarbeitet)

„Rome, du willst immer noch Sex, oder?“, frage ich, als er über meinen Bauch streicht und meinen Brustansatz küsst.
„Sag mir einen Mann, der keinen will.“, schnurrt er und hebt seinen Kopf um mich schief anzugrinsen. Seine Haare sehen total derangiert aus, sein ist Blick lustgetrübt mit riesigen Pupillen und seine Fänge blitzen hervor während er spricht.
„Richtig.“, lächle ich, während er seine Lippen auf meine presst und mich noch etwas näher an sich zieht.
„Was machst du heute Abend?“, fragt er mit rauer Stimme, als er kurz von mir lässt und mir eine Haarsträhne von der Stirn pflückt.
„Ich weiß nicht. Schlafen?“, seufze ich zufrieden.
„Du wirst ihn nicht besuchen?“, wechselt er das Thema und fixiert mich nachdenklich.
„Dürfte ich denn, ohne dass du ausrastest?“, hake ich nach und fahre ihm über die Wange.
„Nein.“, stellt er schlicht fest und sieht mich misstrauisch an. „Willst du ihn besuchen?“
„Ich habe dort nichts zu suchen. Aber wenn ich das Bedürfnis hätte, würde mich deine Eifersucht nicht aufhalten.“, grinse ich und beiße mir auf die Lippen.
„Ich weiß.“, knurrt Rome und sieht unzufrieden drein.
Gerade als er ansetzen will noch etwas zu sagen, klopft es an der Tür und Rome lässt ein dunkles, kehliges Knurren hören, das puren Missfallen ausdrückt. Er taxiert mich abwägend, schnappt sich die Enden der Bettdecke und bedeckt meinen Körper damit vollständig.
„Komm rein Semjon.“, durchbricht er die Stille und die Tür öffnet sich leise, aber schnell.
„Du wirst verlangt, Rome.“, gibt er schlicht von sich und lässt seine Augen auf seinem Bruder ruhen. Semjon scheint kein Interesse daran zu haben noch etwas hinzu zufügen, denn er verschwindet ebenso schnell wie er gekommen ist.
Mein Vorzeige- Vampir steht ohne ein Wort auf und geht zum Schrank. Er braucht kein extra Zimmer für seine Anzüge und sonstigen Klamotten. Er kauft sie und er zerstört sie ebenso schnell.
„Ich werde mal gehen. Kate und ich wollten heute eigentlich noch shoppen gehen.“, sage ich seufzend und schiebe meine Füße unter der Decke hervor.
„Kauf nicht so viel. Das muss ich alles ausziehen.“, murmelt er ins Innere seines Schrankes und ich muss grinsen.
„Wenn ich im X zu wenig anhabe wirst du dich als Erster beschweren.“, erwidere ich amüsiert und quietsche erschrocken auf, als er mich an sich reißt.
„Darauf kannst du wetten. Und jetzt geh, bevor ich dich einsperre.“, sagt er gespielt drohend und drückt mir einen letzten Kuss auf den Mund.
Als er im Bad verschwunden ist, beeile ich mich aus seinem Schlafzimmer zu kommen, da ich Angst habe, sonst im Bett zu warten, bis er zurück ist und wir da weiter machen, wo wir stehen geblieben sind.
Dank meinem überstürzten Abgang, falle ich prompt auf meinen Hintern, als ich in mein Zimmer rennen will und Semjon am Ende der Treppe im Weg steht.
„Verflucht.“, stelle ich frustriert fest und rapple mich schnell wieder auf. „Denk dir einfach gar nichts dabei.“, bringe ich hervor, als er eine Augenbraue nach oben zieht und seine Hände in die Hosentaschen steckt. Ich finde er sieht merkwürdig aus, in den Jeans und dem Sweatshirt. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich ihn nur in schwarzen Klamotten kenne, jedenfalls kann ich nicht anders, als ihn anzustarren.
„Du reichst ziemlich beeindruckend.“, knurrt Semjon und legt den Kopf schief.
„Ich weiß.“, gebe ich schlicht zurück und wandere im großen Bogen um ihn herum. „Einen schönen Tag noch.“
Ich höre ihn schnauben und grinse amüsiert. Semjon wird bestimmt keinen schönen Tag haben. Es ist ihm zu laut, es sind zu viele Leute um ihn und er muss auch noch so tun, als sei er ausgeglichen und normal. Ich beiße mir auf die Lippen. Ein Scharfschütze der Spezialeinheit der Dunklen spielt braves Familienmitglied. Das ist wirklich sehr „Faszinierend“, entkommt es mir, als ich die Zimmertür ins Schloss fallen lasse um mich für Kates Einkaufsorgie vorzubereiten.


Kates Begeisterung über Rome und mich ist scheinbar grenzenlos, was sich dadurch äußert, dass sie mich nach vier Stunden exzessivstem Einkaufens zur Frauenärztin schleift, damit sie mir die Pille verschreibt. Danach bin ich etwas befremdet, da die Ärztin mich doch glatt fragte, ob er mir eine Bescheinigung über meine Jungfräulichkeit ausstellen soll.
„Fandest du das nicht krank?“, will ich schockiert wissen, als wir auf die sonnige Straße treten und den Desinfektionsgeruch hinter uns lassen.
„Jupp.“, entgegnet sie mir nur. „Da fragt man sich manchmal, wie die anderen Familien drauf sind, nicht?“
„Allerdings.“, bringe ich raus.
Plötzlich lacht Kate los und ich bleibe verwirrt stehen. „Was ist los?“
„Denkst du, du kannst die Ärztin überreden dir eine Entjungferungsurkunde auszustellen, wenn Rome und du es getan habt? So wie ich meinen Bruder kenne, würde er darauf abfahren.“
„Kate!“, bringe ich pikiert raus. „Das würde er sich glatt einrahmen lassen.“
„Oh ja.“, kichert sie albern und hakt sich bei mir unter. „Das Ganze noch mit Siegel und Unterschrift und du hast sein Geburtstagsgeschenk!“


Ich sehe Rome erst am Dienstagmorgen wieder. Er hängt über einer Tasse Kaffee und stinkt abartig nach Rauch, Alkohol und Frauenparfum.
„Ich hatte fast vergessen, warum ich eingewilligt hatte Pius Nichte zu heiraten. Es fängt wieder an.“, meint er brummend und greift nach seinem Kaffee, als ich in die Küche komme.
„Von was redest du?“, will ich erstaunt wissen und lehne mich gegen ihn.
„Der Basar ist wieder eröffnet, Kleines. Mit dem Unterschied, dass ich viele verzweifelte Anbieter habe, aber kein Interesse.“, schnaubt er und lässt mich los.
„Oh.“, stelle ich leicht schockiert fest.
„Egal. Dein Bruder hat mich angerufen wegen deiner Schule. Wir haben uns auf St. Andrews geeinigt, ich hoffe das ist okay.“, sagt er langsam und sieht von seinem Kaffee auf. Seine Augen sagen mir eindeutig, dass es für ihn gar nicht okay ist, doch ich nicke verdattert.
„Ich-“
„Also ja. Gehst du heute Abend mit mir aus? Ich gebe dir frei. Du wirst ja dann sowieso höchstens noch in deinen Ferien im Club arbeiten.“, grollt er dunkel. „Und die nächsten zwei Wochen gehörst du mir ganz allein.“, stellt er noch fest, bevor er mir einen kratzigen Kuss auf den Mund drückt und mich auf seinen Schoß zieht.
„Na schön. Dann haben wir heute Abend also ein Date.“, erwidere ich perplex, als er von mir ablässt und einen kräftigen Schluck Kaffee nimmt. Er will scheinbar nicht über die Abmachung sprechen, die Christobal und er getroffen haben, deswegen akzeptiere ich sein Schweigen darüber ersteinmal. Vor allem aber, weil ich nichts dagegen habe mit Tess und den anderen die Schulbank zu drücken, solange ich hier her zurück darf, wann immer ich will und kann.
„Gut. Neun Uhr. Ich würde dich ja zu gerne mit in mein Bett nehmen, aber ich muss duschen und weiter arbeiten.“, murmelt er schläfrig. „Und irgendwann, in nicht allzu fernen Zukunft, werde ich mir eine Mütze Schlaf genehmigen.“
„Viel zu tun?“, seufze ich besorgt und schlinge meine Arme um seinen Hals.
„Ja. Aber ich bin ja nicht umsonst der Boss.“, knurrt er an meine Wange und lehnt seine Stirn gegen meine Schläfe. „Du riechst gut.“
Er verharrt eine Weile in der Position, bevor er sich losmacht und mich allein lässt.

Ich bin zwar nicht gerade eine Koryphäe was V- Rugby angeht, aber selbst ich sehe, dass das Chicagoer Wolfpack der Northwick Universitity mal eine Niederlage einfahren wird. Die Gäste aus New Orleans liegen mit vierzehn Punkten vorn und landet gerade den nächsten Versuch. Rome, der neben mir auf der fast leeren Tribüne sitzt, seufzt leicht genervt und öffnet sich die nächste Bierdose. Ich weiß nicht recht, was er damit bezweckt mich herzuschleppen, wo wir doch auch im Bett hätten bleiben können und uns dort ganz gepflegt weiter dem Zeitvertreib des Herummachens widmen könnten.
„Willst du auch eins?“, fragt Rome und hält mir die frisch geöffnete Dose unter die Nase. Sein schiefes Grinsen wird noch ein wenig breiter und ich nehme es schließlich an mich. Er scheint zufrieden, denn er streckt sich genüßlich über drei Holzbänke aus, die notdürftig auf die altersschwache Tribünenkonstruktion geschraubt sind. Das älteste Stadion der Stadt liegt so weit außerhalb, dass sich eigentlich fast nie jemand hierher verirrt. Hier ragen die Bäume des angrenzenden Waldes fast bis aufs Spielfeld, das dringend mal wieder einen Rasenmäher bräuchte und jemand der die Linien wieder auffrischt. Die Flutlichtanlage summt in meinen Ohren, während unten auf dem Platz die Trainer und Spieler wild durcheinander rufen. Es ist ganz interessant zuzusehen, wie die Jungs immer wieder kurz in ihre Tiergestalt wechseln, um den Ball in die Finger bekommen. Und wäre unsere Mannschaft etwas weniger damit beschäftigt sich selbst anzufauchen, hätten sie eine Chance, doch so sieht es eher nach Einzelschlacht aus.
Rome macht den Anschein, als sei ihm das herzlichst egal, was mich doch sehr verwundert. Normalerweise rastet er bei Spielen immer total aus.
„Was treiben wir hier eigentlich?“, will ich langsam wissen, als ein riesiger Bär plötzlich einen der New Orleansspieler zu Boden wirft und sich schnell zurück verwandelt um den Ball nach hinten zu einem Teamkamarad zu passen.
„Ich überlege ob ich ihn ins Juniorteam aufnehme.“, sagt Rome und verfolgt den Bären mit den Augen. „Hab ihn schon lange nicht mehr spielen sehen. Er war für zwei Jahre gesperrt.“
„Du stellst dir heute also ein Team zusammen?“, will ich leicht genervt wissen. „Gibt es für so etwas nicht Trainer?!“
„Ich hab mehr Ahnung als die meisten Trainer. Wenn ich meine Sperre los bin, kannst du mich auch auf dem Feld bewundern. Ich bin gut.“, grinst Rome dreckig und wirft die leere Bierdose hinter sich.
„Aha.“, bringe ich wenig begeistert hervor. „Und wieso bist du gesperrt?“
„Hab dem ersten Schiri die Kehle aufgerissen, als er mich nach einer kleinen Rauferei vom Platz schmeißen wollte und naja, dann kam eins zum Anderen noch ein paar Mitglieder der Gegnerischen Mannschaft mussten ebenfalls ins Krankenhaus. Jedenfalls muss ich nur noch vier Jahre absitzen, dann darf ich wieder!“, meint er dunkel und grinst wie ein kleiner Junge an Weihnachten.
„Wie lange-“
„Fünfundzwanzig Jahre.“, erwidert er schlicht und legt mir einen Arm um die Schultern. „Übrigens wollte ich dir noch was zeigen.“, murmelt er und kramt in seiner Jackentasche. Die schwere Lederjacke knarzt und quietscht, bevor er ein winziges Fläschchen mit klarer Flüssigkeit hervorzieht und es zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her wiegt. „Hat Andrej entwickelt, als du weg warst. Die Herstellungskosten sind verflucht hoch, aber ich kann mir vorstellen, dass die Frauen sich darum reißen werden.“
„Und was ist es?“, frage ich ehrlich interessiert, da Andrej eigentlich immer bei seinen Forschungen echte Errungenschaften erzielt.
„Es bringt die frühere Augenfarbe zurück.“, grinst er fröhlich. „Zwar nur für drei Stunden, laut seinen letzten Versuchen, aber die Frauen werden es lieben.“
„Cool. Und was ist da drin?“
„Alles Mögliche. Vor allem aber du.“, grollt er und sieht mich schmunzelnd an. „Das Zeug gefällt mir dadurch immer besser.“
„Könntest du das bitte erklären?“, will ich verwirrt wissen und nehme ihm das Fläschchen aus der Hand.
„Na, Belladonna. Ziemlich viel davon sogar.“, sagt er und nimmt es mir wieder aus der Hand. „Ich denke, so nennen wir es auch.“
„Na wunderbar.“, seufze ich, bevor ich meine Hand um das kleine Phiole schließe und Rome anlächle. „Und ihr habt es auch getestet? Zeig es mir.“, fordere ich, während Romes Pupillen meinen Mund fixieren und er sich langsam herab beugt um mich zu küssen. Ich rutsch etwas weg und halte ihm stattdessen das angebliche Wundermittel vor die Nase.
„Nein. Ich mag meine Augenfarbe.“, knurrt er und hält abwehrend die Hände hoch. „Ich brauch so einen Unsinn nicht.“, schnappt er harsch und reißt mir das Fläschchen wieder weg um es sicher in seiner Jacke zu verstauen und ich kapiere langsam, was diese Aktion soll. Rome Darren versucht mich zu beeindrucken. Zuerst das “Date“ am Waldrand bei dem er mir nicht nur unter die Nase reibt, wie gefährlich und stark er ist sondern auch was er mir alles bieten kann. Und jetzt ist er offensichtlich enttäuscht, dass ich keinen Freudensprung mache.
„Du bist süß.“, entkommt es mir flapsig und greife nach seiner riesigen Hand. Seine Finger sind lang und meine reichen nur knapp bis zu seinem ersten Glied, als ich ausprobiere wie sie zueinander passen. „Und ich liebe deine Augen. Es sind deine. Die Farbe ist mir gleich.“, lächle ich und sehe ihn von der Seite an.
Romes Mine ist unbewegt, doch sein Händedruck sagt mehr, als er vielleicht Preis geben möchte.
Der schallende Pfiff, der das Ende des Spiels bedeutet, stört uns in unserer Welt nicht. Und als das Flutlicht ausgeschaltet wird und auch die letzten Zuschauer verschwinden, erkenne ich was er an diesem Ort findet. Die Sterne leuchten hell in dieser Mondlosen Nacht. Der weiße Schleier der Milchstraße liegt wie ein feines Band zwischen ihnen und lässt das dunkle Blau des Himmels nur umso kräftiger leuchten.
„Es gefällt mir hier.“, seufze ich glücklich und drehe mich zu ihm, als er ohne Vorwarnung nach hinten kippt und mich mit sich zieht.
„Mir auch. Hat es schon immer. Früher war hier der einzige Platz an dem ich frei sein konnte. Es ist ein guter Platz zum Nachdenken.“, murmelt er und legt sein Kinn auf meinen Kopf. „Und es ist ein toller Platz fürs erste Date.“, fügt er noch an.
„Ist es.“, bestätige ich und kuschle mich an seine breite Brust und sehe hoch ans Firmament.
Manche Dinge sind für die Ewigkeit. Es ist oft nur ein kurzer Augenblick, nicht länger als der Flügelschlag eines Schmetterlings, doch genau hier und jetzt ist alles vollkommen. Die harte Kante der Bank im Rücken, den Kopf auf Rome Brust und die Nase voll von der kühlen Nacht um uns herum.
Wir reden nichts kaputt, es gibt keine gesäuselten, geflügelten Worte, keine Forderungen. Nur er und ich.

Der Wind rauscht in den Bäumen und zerrt an den Ästen, als der Morgen langsam graut und die Sonne aus dem Dunst langsam empor klettert und sich einen Weg in den Himmel bahnt. „Ich brauch das alles nicht, Rome.“, bringe ich mit träger Zunge hervor, während ich den glühend roten Ball auf seinem Weg nach oben beobachte. „Ich liebe dich. Und wenn ich eins weiß, dann ist es, dass man nur unglücklich wird, wenn man sich verbiegt und sich an etwas klammert, das nicht von Bedeutung ist. Es ist mir gleich mit vielen du schläfst, es ist etwas mit dem ich leben kann.“
Rome sieht mich lange an, bevor er lächelnd den Kopf schüttelt. „Wenn es noch irgendeinen Zweifel gegeben hat, dass du es wert bist, dann ist der hiermit ausgeräumt... Du bist die Eine.“
„Sag das nicht.“, schlucke ich mache mich von ihm los um aufzustehen. „Sonst fange ich an es zu glauben.“
„Ich bin bereit das Risiko einzugehen. Vielleicht musstest du erst sterben, damit ich es endlich kapiere.“, ruft er mir hinterher, als ich über die Holzbänke nach unten schlendere.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und falle fast Rücklinks von der Tribüne, als er im fahlen Licht hinter mir her kommt und mich mit einer sicheren Bewegung vom Fallen abhält, indem er mich an sich zieht. Seine Augen sehen mich verzweifelt an und ich beiße mir auf die Lippen.
„Ich will dich noch eine Weile behalten. Sei etwas vorsichtiger.“, knurrt er.
„Du bist total durchgeknallt.“, lächle ich strahlend und lege meine Arme auf seine Schultern. Da ich noch auf der Bank stehe, sind wir sogar halbwegs auf Augenhöhe. „Du bist total durchgeknallt Rome Darren und ich liebe dich.“
„Hm. Ich denke damit kann ich leben.“, lächelt er und zieht mich fester an sich.
„Ich auch.“, wispere ich leise und schließe die Augen, als seine Lippen sich sanft auf meine legen und mich weit davon tragen. Mein ganzer Körper kribbelt sehnsüchtig und ich stöhne verzückt auf, als er seine Zunge sich zwischen meinen Zähnen hindurch schiebt und meine spielerisch anstupst. Seine kühlen, spröden Lippen auf meinen, den schalen Biergeschmack im Mund und sein riesiger Körper an meinem lassen mich fast vergehen und ich sinke mit weichen Knien gegen ihn. Rome zieht seine Zunge zurück und verstärkt den Druck auf meine Lippen, bevor der Kuss fast hauchend wird und ich mich in den Kragen seiner Jacke kralle. „Du machst mich fertig.“, seufze ich, als er mich hochhebt und meine Beine um seine Hüfte legt.
„Ich weiß.“, knurrt er tief und rau, bevor er eine Hand in mein Haar gleiten lässt und meine Lippen erneut mit seinen verschließt. Sein Kuss ist drängend und verschlingend und ich merke wie mein Körper mit Gänsehaut überzogen wird. Unsere Zungen umschlingen sich in wildem Spiel und ich versuche höher zu rutschen um noch mehr von ihm zu schmecken und zu spüren.
„Okay, wir sollten nach Hause.“, meint Rome schließlich mit einem unglücklichen Stöhnen. „Sonst nehm ich dich hier auf der Stelle.“
„Ich glaube, das ist mir Gleich.“, entkommt es mir stöhnend.
„Mir nicht. Du bist keine meiner Schlampen.“, sagt er ernst. „Und dein erstes Mal wirst du nicht auf dem harten Erdboden haben.“
„Rome-“
„Komm. Die anderen werden sich schon Sorgen machen.“, grollt er und stellt mich auf dem Boden ab. „Außerdem habe ich noch einiges zu organisieren.“
Damit nimmt er mich an der Hand und schlendert mit der lässigen Eleganz eines Raubtieres die Treppe herab.
"Manchmal bist du höchst merkwürdig, Rome Darren.", murmle ich, während ich ihm folge.

Kapitel 25 (noch nicht überarbeitet)

Nachdem wir den restlichen Tag und einen Großteil des Abends damit verbracht haben, das X auf Vordermann zu bringen, bin ich froh, als wir endlich öffnen und die Gäste sich wieder laut lärmend in den Club  ergießen. Die Arbeit hier ist einfach wundervoll.

„Wer ist das?“, will ich von Alissa wissen, als sie neben mir zum Stehen kommt und dem riesigen Mann, der an der Bar sitzt mit einem irren Lächeln bedenkt, dass sie etwas unterbelichtet aussehen lässt, auf das die Männer aber angeblich immer anspringen.
„Qendrim Morris. Aber alle nennen ihn nur Amsterdam.“, wispert sie, ohne dass sie das Lächeln abstellt und stemmt sich die Hände in die Hüften, bevor sie noch ein Bein einknicken lässt und ihm einen kecken Augenaufschlag schenkt. „Sieht er nicht gut aus?“
Ich lasse meinen Blick über ihn schweifen und registriere sein unordentliches Haar, das in dunklen braunen Locken bis zu seinen Ohren fällt und im Nacken zusammengebunden ist. Ich habe ihn schon einmal gesehen, aber ich erinnere mich nicht wo. Er ist kräftig gebaut und groß und macht den Anschein, als könnte er Alissa mit einer Hand zerquetschen.  Ein echter Bär. Irgendwo rastet ein Zahnrad ein und ich verschränke zufrieden die Arme, bevor ich zu ihm gehe. Rome hat ihn mir gestern gezeigt. Der Bärenmann, den er sich gestern angesehen hat.
Er sieht erstaunt aus, als er sich mir gegenüber sieht.
„Qendrim, richtig?“, stelle ich fest. „Kann ich dir weiter helfen?“, will ich wissen und  stelle ihm ein Bier hin.
„Danke, aber nein. Ich warte auf den Boss.“, erklärt er mir schlicht und mustert mich aufmerksam. Seine roten Augen gleiten über meinen Körper und ich sehe, wie er schluckt.
„Einen angenehmen Abend noch.“, meine ich nur und wende mich dann wieder Alissa zu, die ihn noch immer fixiert, als sei er ein Weihnachtsgeschenk, das sie gleich auspacken darf.
„Ich bin unten und löse Kate ab.“, informiere ich sie. „Viel Spaß noch.“
„Danke. Werde ich haben.“, schmunzelt sie.
Unten sitzt Rome mit ein paar seiner Geschäftspartner und scheint sich angeregt zu unterhalten, während sie ein Glas nach dem anderen von dem starken Schnaps leeren, den Andrej mitgebracht hat.
Als ich hinter die Bar schlendere und Kate bedeute, dass sie nach oben verschwinden kann, schenkt sie mir einen dankbaren Blick und macht sich schnell davon. Kate hasst es im Bereich ihres Bruders zu arbeiten, wohingegen ich es liebe.
Romes Arme sind provokant wie Flügel auf der Lehne der Ledercouch ausgestreckt, seine Augen fixieren mich durchdringend und sein Gesicht ist unbewegt. Er sieht anbetungswürdig aus und ich merke wie ich unter seinem Blick unruhig werde.
„Hi Mira, setz dich zu uns!“, ruft Andrej mir zu und ich setze mich langsam in Bewegung. Der ganze Tisch starrt mich an, als ich mich neben Rome setze und die Hände in den Schoß lege, unsicher was ich sagen oder tun soll. Doch mein Vorzeige- Vampir scheint keinerlei Probleme damit zu haben, dass ich am Tisch sitze. Im Gegenteil. Der Arm, der  hinter mir auf der Rückbank gelegen hat, wandert um meine Schultern und zieht mich noch ein Stückchen näher, sodass ich an seine Seite gedrückt werde.
„Ich denke wir können es verantworten für heute den Ausschank einzustellen, Kleines. Es ist schon kurz nach vier.“, sagt er leise und schenkt mir ein schiefes Lächeln.
„Oben wartet übrigens ein gewisser Qendrim auf dich.“, erinnere ich mich, während Andrej mir ein Glas einschenkt.
„Er wird noch ein paar Minuten warten können. Ich habe ihm gesagt, ich werde ihn um fünf Uhr treffen.“, erwidert Rome nur und stößt mit mir und den anderen an.
Wir sitzen gemütlich zusammen und lachen über Caleb, der versucht sich mit einer Hand eine Kippe anzuzünden und mit der anderen gleichzeitig eine SMS zu schreiben und sich dabei die Augenbraue versenkt, da eine riesige Stichflamme empor schießt.
„Du bist nicht für Multitasking geschaffen, Kumpel sieh es endlich ein!“, lacht Viktor schadenfroh, während Rome die Stirn runzelt.
„Was hast du da für ein Feuerzeug?“, schüttelt er den Kopf und nimmt es ihm aus der Hand. „Das ist ja ein Flammenwerfer.“, meint er verzückt und erprobt es gleich nochmal.
„Das sollte es aber eigentlich nicht sein!“, schnappt Caleb und reibt sich über die verbrannte Hautstelle. „Das ist nicht witzig!“, fährt er Andrej an, der sich daraufhin vor Lachen nicht mehr halten kann. Plötzlich kräuseln sich seine Lippen ebenfalls und er fällt ebenfalls in das schallende Gelächter seines besten Freundes ein.
Die Jungs scheinen irgendetwas genommen zu haben, denn sie liegen fast unter dem Tisch vor Lachen.
„Geht´s oder soll ich einen Eimer Eiswasser holen?“, frage ich verwirrt und sehe Rome an, der Caleb das Feuerzeug zurück wirft.
„Geht schon… scheiße, wieso weiß ich eigentlich immer, was du denkst, du verfluchter Hurensohn!“, meint Caleb schnaubend und unterdrückt ein Glucksen mit ernster Miene.
Andrej zuckt mit den Schultern und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. „Wo steckt eigentlich Semjon? Er wollte vorbei kommen, oder irre ich mich?“, meint er nachdenklich.
„Woher soll ich wissen, was mein Bruder treibt? Nicht dass ich es wissen will,  es wird sowieso etwas sein, das ich als Boss unterbinden sollte.“
„Du denkst, er ist nur hier, weil er einen Auftrag hat?“, hakt Viktor von der Seite nach und ich gebe mein Bestes unwissend auszusehen und den Mund zu halten.
„Semjon hasst es unter Leuten zu sein. Wieso also sollte mein Bruder plötzlich den Wunsch verspüren, einen auf Familie zu machen?“, antwortet Rome nur knapp und ich verwebe konzentriert meine Finger miteinander, um nicht in Versuchung zu kommen, etwas Verräterisches zu sagen.
„Alles okay, Kleines?“, bemerkt Rome aufmerksam und ich will meinen Kopf gegen die nächste Wand rumsen lassen und mein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellen, damit man mich nicht lesen kann, wie ein offenes Buch.
„Ja. Ich habe gar nicht zugehört. Um was geht es?“, lüge ich unmotiviert.
„Um nichts. Allerdings solltest du Semjon wenn möglich aus dem Weg gehen.“, antwortet Viktor mir für die anderen.
Ich zucke mit den Schultern und merke im gleichen Augenblick, dass ich mich soeben verraten habe. Ich zucke nicht die Schultern, wenn man mir etwas verbieten will. Ich frage immer wieso und beschwere mich dann darüber, dass man mich bevormunden will.
„Mira, du spukst jetzt lieber aus, was los ist!“, schnappt Rome und ich schlage die Hände vors Gesicht.
„Nichts. Ich- ich… überlege nur gerade, wie ich… die Zeit bis zu den nächsten Ferien überstehen soll.“, sauge ich mir eine Erklärung aus den Fingern und hoffe Semjon hat eine gute Ausrede parat, wenn ich ihn anfahre, weil ich wegen ihm meine Freunde schon wieder anlügen muss.
„Es gibt Wochenenden und Handys. Du wirst es schon überstehen.“, meint Andrej aufmunternd.
„Wir werden sehen.“, wirft Rome ein und lässt seinen Handrücken unter mein Kinn gleiten. „Bis jetzt bist du hier.“ Seine Fingerkuppen ziehen einen  aufreizenden Kreis über meine Unterlippe, als er seinen Zeigefinger aufreizend unter meinem Kinn hervorzieht. Sein Blick sagt mir eindeutig, dass er noch Dinge mit mir vor hat, die keinen Aufschub dulden.
„Rome, wir sind noch anwesend.“, räuspert sich Viktor, als Rome mir seine Fänge präsentiert.
„Und das ist gut so.“, grollt er mit spröder Stimme, bevor er von mir ablässt und nach seinem Glas greift. Er stürzt den stark alkoholhaltigen Inhalt so schnell herunter, dass mir nur vom Zusehen schon die Kehle brennt.
„Hast du Angst dich nicht kontrollieren zu können?“, lacht Caleb und hört sofort wieder damit auf, als er Rome ansieht, weswegen ich ihn ebenfalls anstarre.
Er sieht erbost, beinahe wütend aus und hat die Kiefer aufeinander gepresst, während seine Augen lodernde Funken sprühen.
„Entschuldige, das geht mich nichts an.“, entschuldigt sich Caleb ehrlich erschrocken.
„In der Tat.“, knurrt Rome und schenkt sich nochmals nach. „Ich kümmere mich kurz um Qendrim, dann können wir nach Hause.“, meint er etwas sanfter in meine Richtung, als er aufsteht und sich zu voller Größe aufbaut und sein Glas mit sich nimmt.
„Bei dir versteht er keinen Spaß, das verdränge ich immer. Entschuldigung.“, lächelt Cal, als Rome verschwunden ist.
Ich schüttle leicht pikiert den Kopf und linse zu Andrej und Viktor, die ziemlich ernst dreinblicken und es scheinbar für ein ziemlich witzfreies Thema halten. „Lasst uns noch einen trinken, bis dahin dürfte Rome dann auch fertig sein.“, murmelt Viktor



Der kühle Wind fegt zärtlich über meine nackten Arme um umspielt mein Haar, als ich neben Rome zum Wagen gehe. Rome war die ganzen zwei Wochen über ein Gentleman wie er im Buche steht. Er hat mich zum Essen ausgeführt, er ist nicht ein einziges Mal ausgerastet oder hat sich sinnlos betrunken. Kurzum, er ist nicht wiederzuerkennen. Ganz zu schweigen davon, dass er nicht einen Versuch gestartet hat mich ins Bett zu bekommen, was mich mehr als alles andere verwundert.
Er umarmt mich im Gehen und reibt mir über den Oberarm. „Willst du meine Jacke?“, fragt er langsam.
„Nein. Wir sind doch gleich am Auto.“, erwidere ich verdutzt und sehe zu ihm hoch, während er mich dichter an sich zieht. Sein Blick ist sanft und ich lasse mich gegen ihn sinken. Er ist manchmal fast perfekt.
„Kleines. Du weißt schon, dass du gleich nach Helsinki fliegst. Du solltest dringen eine Jacke mitnehmen.“
„Sie liegt schon im Wagen.“, erwidere ich lächelnd. „Du musst nicht mit zum Flughafen kommen. Ich werde mir die Augen aus dem Kopf heulen, ich hoffe das weißt du.“, füge ich unglücklich an.
„Rede keinen Schwachsinn. Natürlich komme ich mit.“, sagt er brüsk und hält mir die Wagentür der langen Strechlimousine auf.
„Ist es wirklich notwendig in diesem Ding zu fahren? Wieso können wir nicht wenigstens mit einem deiner Autos fahren?“, füge ich betrübt an und rutsche auf die Rückbank.
„Also erstens hätte ich sonst nicht die Hände frei, zweitens ist das auch mein Wagen und drittens hasse ich stinkende Taxis mit unhöflichen Fahrern.“, erwidert er knapp als er die Tür schließt und dem Fahrer ein Zeichen gibt loszufahren. Als die Trennwand hochfährt sehe ich erstaunt zu meinem Vorzeige- Vampir und verknote die Finger im Schoß.
„Dein Bruder hat mir versprochen, dass er auf dich Acht gibt. Also bitte versuch dich nicht in Lebensgefahr zu begeben.“, meint er unwirsch und ich sehe verblüfft zu ihm auf.
„Ich werde es versuchen.“, schlucke ich unter seinem prüfenden Blick.
Romes Gesichtsausdruck wirkt wie versteinert und sein Wangenmuskel zuckt angespannt. „Komm einfach zurück, okay.“, meint er mit spröder Stimme und ich schaffe es zu nicken.
„Natürlich werde ich das.“, entkommt es mir flapsig. „Wie kommst du auf die Idee, dass mich irgendetwas davon abhalten könnte?!“, ereifere ich mich und versuche in seinen Augen irgendeinen Hinweis zu entdecken, was ich noch sagen könnte.
„Komm einfach wieder.“, wiederholt er in einer Stimmlage, die mir Gänsehaut verursacht, bevor er mich an sich reißt und mir einen brennenden Kuss auf die Lippen drückt. In ihm liegt so viel Feuer und Leidenschaft, soviel Sehnsucht und Verzweiflung, dass ich meine Arme um ihn schlinge und mich bereitwillig auf seinen Schoß ziehen lasse.
„Ich werde deinem Bruder sagen ich hätte es mir anders überlegt. Ich kann dich nicht weglassen.“, grollt er an meine Lippen und drückt mich näher an sich. Ich spüre die Beule, die gegen seine Anzughose drückt und lehne mich noch etwas vor um mehr von ihm zu fühlen. Es ist wie ein Zwang. Ich muss mehr von ihm berühren, sonst würde ich auf der Stelle vergehen, während seine Zunge sich einen Weg in meinen Mund bahnt und seine Hände sich in meinem Haar vergraben und es durchwühlen.
„Du weißt, dass würde meinem Bruder das Herz brechen. Er freut sich schon so darauf.“, erwidere ich heißer, als Rome damit beginnt meinen Hals zu küssen und seine großen Hände meinen Rücken herunter gleiten.
Ich höre ihn etwas Murmeln, von dem ich nur Bruchstücke verstehe. Doch das, das ich höre, lässt mich erstarren.
„Was hast du gesagt?“, will ich zitternd wissen und schließe die Augen.
„Nichts.“, entgegnet er mir und ich beiße mir auf die Lippen. Ich habe doch den Anfang gehört! Er sagte „Und meines…“
„Rome, bitte. Rede mit mir.“
„Ich will nicht reden. Wir werden in den nächsten Wochen noch genug reden.“, knurrt er und küsst meinen Brustansatz gierig. Ich liege schon fast auf der Rückbank, als Rome stöhnend von mir ablässt und uns Beide wieder in Senkrechte bringt.
„Verflucht, ich will dich.“, schluckt er und fährt sich durch das kurze Haar. Seine Augen sind vor Lust geweitet, beinahe vollkommen schwarz.
„Das ist gut, dann hast etwas auf das du dich freuen kannst.“, entgegne ich nicht halb so gelassen, wie ich gerne klingen würde.
„Nur weil wir theoretisch ewig leben, heißt das nicht, dass das Warten nicht grausam ist.“, kontert er schnaubend und ich versiegele seine Lippen mit einem Kuss.

Kapitel 26 (noch nicht überarbeitet)

Romes Küsse brennen noch immer auf meinen Lippen, als ich in Helsinki aus dem Flieger steige. Es scheint mir so unwirklich, ihn für so lange Zeit nicht zu sehen, ihn nicht küssen zu können, oder einfach nur in seinen Armen zu liegen.
Gott, ich vermisse ihn schon jetzt fürchterlich.
„Hi, kleine Schwester!“, höre ich Christobal freudig rufen, der am Ende der Wartehalle steht und lässig an der Wand gelehnt dasteht. Ich umarme ihn fest, was er zögernd erwidert.
„Deine Freundinnen warten schon sehnsüchtig auf dich. Tess hat mich mit ihrem Telefonterror wahnsinnig gemacht.“, sagt er mit einem kleinen Lächeln und nimmt mir meine zwei Koffer ab, die ich hinter mir her gezogen habe. „Schön, dass du wieder da bist.“, fügt er an und grinst dabei breit.
„Ich finde es auch schön, wieder hier zu sein. Allerdings hättest du mir ruhig sagen können, dass Semjon Romes Bruder ist. Die Überraschung ist dir echt gelungen.“, bemerke ich mit einem tadelnden Seitenblick.
„Das sagtest du schon am Telefon. Und meine Antwort ist noch immer die Selbe. Es ändert doch nichts.“
Ich seufze und folge ihm zu seinem Wagen. Einem brandneuen, schweren Audi, der matt glänzend im Licht der Straßenlaterne steht.
„Du hast noch immer ganz rote Augen. Hast du den ganzen Flug über geweint?“, fragt mein Bruder vorsichtig, scheinbar unsicher darüber, ob er mit mir darüber reden soll.
Ich nicke langsam, während er die Koffer im Kofferraum verstaut. „Ja. Bis kurz vor der Landung. Rome hat mir den Abschied wirklich verdammt schwer gemacht. Und er hat die ganze Zeit davon geredet, dass ich bloß wiederkommen soll. Es war schrecklich. Am Liebsten wäre ich wieder mit ihm nach Hause gefahren.“
Christobal nickt kurz angebunden. „Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dass er dich tatsächlich gehen lässt. Es braucht viel, um einen Mann wie ihn zu so etwas Selbstlosem zu bringen.“
Damit ist für meinen Bruder das Thema gegessen. Er steigt in den Wagen und wartet darauf, dass ich seinem Beispiel folge. Was ich auch nach kurzem Zögern tue.

„Ich will sterben.“, bringe ich übermüdet raus und taumle zur Küchentür herein. Ich hatte einen fürchterliche Nacht. Noch so ein grauenvoller Traum und ich werde nach Chicago schwimmen um zu Rome zu kommen.  Wenn es ihm nur halb so schlecht geht, wie mein Unterbewusstsein ausmalt, dann werde ich mir selbst das Herz rausreißen.
„Wieso? Sitzt deine Frisur nicht richtig?“, grummelt Christobal hinter seiner Zeitung.
„Nein.“, fauche ich schlecht gelaunt und greife mir eine große Kaffeetasse. Koffein ist alles was ich jetzt ertrage.
„Ich habe dich heute Nacht gehört.“, sagt Christobal schlicht und legt die Zeitung weg. „Ich wusste nicht, ob du darüber reden willst.“
Ich lehne meinen Kopf gegen die Tür des Hängeschranks und atme tief durch. „Nein. Will ich nicht.“
„Jetzt beeil dich ein wenig. Semjon hat vorhin angerufen, dass er vorbei kommt. Willst du ihm so unter die Augen treten?“, unterbricht Christobal meine Gedankengänge unwirsch.
Ich sehe an mir herunter. Ich stecke noch in meinem Schlafanzug. Einem ausgeleierten T-Shirt und einer kurzen Hose, die unter meinem Shirt verschwindet.
„Wenn er so früh auftaucht, dann wird er das ertragen müssen.“, entgegne ich schlicht.
„Wir haben sieben Uhr. Früh ist etwas anderes.“, meint mein Bruder tadelnd und verschanzt sich erneut hinter seiner Zeitung. „Außerdem ist es ungewöhnlich, dass Semjon freiwillig vorbei kommt.“
„Was will er überhaupt hier?!“, seufze ich schwer und lasse mich auf den Stuhl zur linken meines Bruders sinken.
„Er fährt dich zur Schule. Er kommt gerade von einem Auftrag zurück, und der ist nicht gut gelaufen. Also bitte sei höflich.“
„Ich war noch nie unhöflich zu ihm. Ich mag ihn.“, erwidere ich schärfer, als ich es beabsichtigt hatte.
Christobal lächelt amüsiert. „Offensichtlich. Und er scheint dich ebenfalls zu mögen. Immerhin ist er dir noch nie an die Kehle gesprungen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Semjon jemals die Beherrschung verliert. Er ist so kontrolliert.“, gebe ich schlicht zurück.
„Tatsächlich? Du scheinst jemand anderen als ich zu kennen. Semjon ist nicht im Geringsten kontrolliert. Er verliert leicht die Contenance. Nein, eigentlich ist es eher so, dass bei ihm eine Handbewegung ausreicht, um ihn dazu zu veranlassen, dich einen Kopf kürzer zu machen.“
Ich zucke mit den Schultern. „Davon habe ich noch nie etwas bemerkt. Mein Unterricht beginnt doch heute erst um halb neun. Ich habe noch über eine Stunde Zeit mich in etwas Ansehnliches zu verwandeln. Also bitte schieb keinen Stress. Das ist wirklich das Letzte, das ich heute Morgen gebrauchen kann. Außerdem bin ich noch nicht einmal zwölf Stunden zurück. Mein Hirn ist noch irgendwo zwischen Chicago und Helsinki.“
Mein Bruder sieht wenig beeindruckt aus, schnalzt mit der Zunge und greift nach seiner Kaffeetasse. „Mach dich bitte fertig, du kannst deinen Kaffee mit nach oben nehmen.“
Ich will gerade etwas erwidern, als es schellt und beschließe, dass Christobal vielleicht recht hat.
Gewaschen, mit Make-up und geglätteten Haaren fühle ich mich schon deutlich besser, als ich die letzten Griffe an meiner Schuluniform anlege und mich im Spiegel betrachte. Mein Haar fällt mir mittlerweile wieder bis über die Schulterblätter, unglaublich wie schnell es gewachsen ist, aber es gefällt mir so lang. Ich grinse mich halbherzig im Spiegel an, bevor ich nach meiner Schultasche und der leeren Kaffeetasse greife um sie mit nach unten zu nehmen.
Semjon und Christobal sitzen am Küchentisch und schweigen einträchtig, während sie ihren Kaffee trinken und ich krampfhaft nach einem Gesprächsthema suche. Da mir nichts einfällt, außer Semjon wegen seinem Überraschungsbesuch in Chicago anzuschnauzen, rühre ich gelangweilt in meiner Kaffeetasse und schweige ebenfalls.
„Am Samstag ist übrigens Dark Vision. Hast du schon eine Begleitung?“, will Christobal plötzlich an Semjon gewandt wissen und sieht über seine Zeitung.
„Du?“, murmelt er als Gegenfrage und mein Bruder schenkt uns Beiden ein hochmütiges Lächeln.
„Oh ja. Arabella Devon. Heiße Frau, gute Familie.“, meint er selbstzufrieden.
Semjon zieht eine Augenbraue nach oben, bevor er seinen Kopf zu mir wendet und seine Augen über mich wandern. „Mira, hättest du Lust mich am Samstag zu begleiten?“
Ich bin so verdattert, dass ich nichts rausbringe. Bevor ich zaghaft nicke.
Semjon sieht zurück zu Christobal und grinst. „Heißere Frau, bessere Familie.“
Mein Bruder scheint leicht pikiert, bevor er mir einen bösen Blick zuwirft und sein Portmonee auf den Tisch knallt, bevor er ihm hundert Dollar reicht. „Das nächste Mal warn mich vor, dass du ein Eisen bei meiner Schwester im Feuer hast. Die Wette war nicht fair.“
„Die Firma dankt. Mit wem hätte ich Arabella Devon, sonst toppen sollen?“ grinst er beinahe amüsiert und sieht mich an.
Christobal schnaubt. „Damit entfällt wohl Wette Nummer zwei für dich.“
Semjon legt den Kopf schief und mustert meinen Bruder lange, bevor er den Kopf schüttelt. „Wir werden sehen.“
„Ja, werden wir.“, knurrt mein Bruder und sieht mich scharf an.
Nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, grinse ich breit. „Was genau ist der Wetteinsatz für Wette Nummer zwei? Und was genau ist Wette Nummer zwei?“
Christobal beißt sich auf die Zunge, ich kann es regelrecht in seinem Gesicht ablesen, dass er krampfhaft versucht sich eine Erklärung aus den Fingern zu saugen.
„Semjon?“, hake ich mit einem Engelsgleichen Lächeln nach.
„Eine Regel des Spiels ist nichts darüber zu verraten. Also wirst du abwarten müssen. Und wir sollten jetzt los.“
Aus Semjon ist nichts heraus zubekommen. Er schweigt sich die Fahrt über aus und  mich beschäftigt die ominöse Wette noch immer, als ich längst die Schulbank drücke. Habe ich das letzte Mal noch am Gang neben Victoria sitzen müssen, sitze ich nun zwischen Tess und Dany in der letzten Reihe. Tess hat eine Klatschzeitschrift auf dem Tisch vor sich und betrachtet gedankenverloren, die neuen Spieler der Lions, die in einem Close up halbnackt mit Steckbrief abgelichtet sind. Nachdem wir die gesamte Englisch und Chemie Stunde damit zugebracht haben uns über die letzen Wochen auszutauschen geben wir bei Miss Budge zumindest vor ihrem Unterricht halbwegs zu folgen. Zumindest solange, bis Tess plötzlich die Zeitschrift zu mir schiebt und auf einen Artikel deutet.
Zuerst bin ich schockiert, als ich das Foto von Rome entdecke, das die ganze Doppelseite einnimmt. „Lies.“, zischt Tess leise und trommelt mit dem Zeigefinger auf den Artikel, der auf der rechten Seite in schlichtem schwarzweiß in den unteren Teil des Fotos eingebettet ist. Ich bin noch von Romes Anblick gefesselt, der sich auf dem Bild wohl mitten in einem V-Rugbyspiel befindet, denn er trägt die pechschwarze Mannschaftstrikot der Lions und springt gerade vom Boden ab, um den Ball aus der Luft zu fischen.

Die Legende bald zurück?
Die Gerüchte häufen sich, dass Rome Darren, Leiter der vierundzwanzigsten Abteilung bald wieder auf den Platz zurückkehren wird. Angeblich soll Darren nicht nur eine Aufhebung seiner Spielsperre beantragt haben, er wurde auch schon wieder auf dem Feld gesehen. Die Fans werden sich ohne Zweifel über diese neueste Entwicklung freuen, haben doch die Lions in den letzten acht Spielen keinen Sieg mehr einfahren können.
Nachdem Rome Darren zuletzt mehr durch seine Eskapaden im Nachtleben Chicagos (wir berichteten) auf sich aufmerksam gemacht hat, statt durch seine politischen Erfolge scheint er nun wieder fest im Sattel zu sitzen. Leider wollte er keinen Kommentar zu den sich hartnäckig haltenden Gerüchten um eine vorzeitige Rückkehr zum Profisport abgeben, doch aus seinem Umfeld ist zu hören, dass er sich bereits ein neues Team aus Talenten zusammen stellt, das ihn bei einer baldigen Rückkehr unterstützen könnte. Drücken wir also die Daumen, dass wir den „Boss“ bald wieder live erleben dürfen!
„Er ist wirklich heiß!“, flüstert Tess und streicht über das Foto.
„Ja, das ist er.“, lächle ich und betrachte verträumt sein Bild. „Ich vermisse ihn schon jetzt.“
„Miss Blue! Kommen sie doch bitte nach vorn an die Tafel und lösen sie die Gleichung, wenn sie sich von der Unterhaltung mit ihrer Nebensitzerin losreißen können.“, zetert Miss Budge genervt und schiebt sich ihre Brille mit dem Zeigefinger nach oben,  während Tess mit einem Seufzer das Magazin zuschlägt und unschuldig nach vorn lächelt.
Ich murmle ein Stoßgebet in Richtung Decke, bevor ich mich erhebe und der Forderung unserer Mathelehrerin nachkomme.
„Nullstellen berechnen!“, schnappt die alte Budge und drückt mir die Kreide in die Hand. Sie ist eine der ältesten Vampirinnen, die ich je gesehen habe und irgendwie unheimlich, dadurch dass sie erst so spät gewandelt wurde. Ihre Haut ist knittrig, Papierdünn und durchscheinend, was ihr das Aussehen eines Gespenst gibt. Im krassen Gegensatz dazu stehen ihre stechend roten Augen und ihr drahtiger Körper, der in einem knallengen Rock und einer hautengen schwarzen Bluse steckt. Ihr silbernes Haar ist auf Kinnlänge gekürzt und mit Tonnen von Haarspray zu einem unbeweglichen Helm gestylt. Irgendwie scheint sie nicht von dieser Welt zu sein, geht es mir durch den Kopf, während ich mich der Aufgabe zuwende.
„Bitte, wir warten Miss Blue.“, meint sie tadelnd, als ich unsicher die erste Zeile anschreibe.
„Vergessen sie die komplexen Nullstellen nicht!“, schnappt sie und ich versuche mich krampfhaft an die Rechenregeln zu erinnern, doch leider war das vor den Ferien.
„Setzen sie sich.“, faucht sie, als ich hilflos mit den Schultern zucke und die Kreide in den Fingern drehe. „Und holen sie den Stoff nach!“
„Ja, Miss Budge.“, murmle ich und beeile mich, aus ihrer Reichweite zukommen.
„Victoria, lösen sie bitte die Aufgabe.“
Natürlich löst diese die Aufgabe im Hand umdrehen, während ich mich zurück auf meinen Stuhl fallen.
„Immerhin hat sie mir kein Nachsitzen aufgebrummt, wenigstens etwas Positives.“, meine ich an Tess gewandt.
„Ja und in fünf Minuten haben wir schon Schluss.“, lächelt sie zufrieden. „Was machst du nach der Schule?“
„Ehrlich gesagt, hatte ich vor mich nach diesem Dark Vision umzuhören.“
„Bist du etwa eingeladen worden?!“, quietscht Dany plötzlich von der Seite.
Ich nicke leicht verdattert. „Ja. Und ich habe zugesagt, aber ich würde wirklich zu gerne wissen, was genau-“
„Dark Vision, ist der einzige Ball der Sommersaison. Er findet am Wochenende der Sommersonnenwende statt. Um an eine Karte zu kommen würde ich Morden!“, quasselt Dany los und fixiert mich abschätzend. „Hat dein Bruder dich eingeladen?“
„Nein. Ein Freund.“, erwidere ich langsam, was zur Folge hat, dass mich drei Augenpaare gespannt ansehen. „Er hat mich damit überfahren. Was seht ihr mich so an?“
„Wer ist es? Kennen wir ihn?“, will Tess neugierig wissen.
„Sein Name ist Semjon und er ist derjenige, der mich jeden Morgen zur Schule fährt. Und ich könnte dringend Hilfe gebrauchen, denn ich weiß weder, worum es dabei geht, noch habe ich etwas Passendes zum Anziehen.“
Gerade als der Gong das Stundenende einleitet, klatscht Jules in die Hände. „Zeit einkaufen zu gehen! Wir beraten dich gerne.“

Kapitel 27 (noch nicht überarbeitet)

„Christobal? Kann ich so gehen?!“, frage ich bekümmert, als ich Samstagabend ins Wohnzimmer trete. Fertig gestylt und aufgeregt.
Mein Bruder gammelt auf der Couch herum, in Anzug und Krawatte und sieht gelangweilt die Nachrichten. Er sieht wirklich gut aus, wenn auch sein Gesichtsausdruck nicht recht zu seiner Aufmachung passen will.  Er wirkt angepisst, als er sich zu mir umwendet und mich kritisch mustert. Mein Kleid ist lang und von vorne so züchtig, dass es regelrecht prüde wirkt. Doch die Rückenansicht, ist alles andere als das. Außerdem ist es aus einem Stoff gefertigt, den man unmöglich beschreiben kann, rauchblau, von metallischem Glanz überzogen, und so raffiniert geschnitten und an den richtigen Stellen gerafft, dass ich keinerlei Hemmungen hatte ein Vermögen dafür auszugeben. Und von den tiefgrauen Highheels, bis hin zu den mit dem Glätteisen gelockten Haaren, die ich locker nach oben gesteckt habe gar nicht zu reden. Ich hoffe wirklich, es ist annehmbar. Ich trage nur silberne Ohrringe, die herrlich zum Rest meines Outfits passen, ganz zu schweigen davon, dass sie von Rome sind. Schon allein deswegen, will ich sie unbedingt tragen. Wir haben in der letzten Woche nur drei Mal telefoniert und jedes Mal, wurden wir von Andrej oder einem anderen unterbrochen, sodass unsere Gespräche nicht gerade ergiebig waren. Ich denke er ist ziemlich im Stress, auch wenn er kein Ton in die Richtung hat verlauten lassen.
Christobal schnaubt. „Du siehst gut aus. Wie immer, aber auch sehr zugeknöpft.“, murmelt er und ich grinse verschmitzt, bevor ich mich umdrehe.
Daraufhin, höre ich meinen Bruder einen Fluch ausstoßen und weiß, dass es perfekt ist. Es wird die Männer umhauen.
„Zwei Zentimeter tiefer und ich würde dich nicht aus dem Haus lassen.“, knurrt er. „Das ist-“
„Das Kleid ist der Hammer, oder?“, grinse ich, jetzt überzeugt davon, dass ich meine Sache äußerst gut gemacht habe.
„Verflucht. Ja.“, gibt er zu und verschränkt die Arme vor der Brust. „Du siehst umwerfend aus.“
„Danke.“, freue ich mich ehrlich. „Was genau ist jetzt Wette Nummer zwei?“
Christobal zieht nur eine Augenbraue nach oben und schenkt mir ein wissendes, regelrecht sadistisches Lächeln. „Das wirst du merken.“
„Kannst du nicht-“
Gerade als ich ihn anflehen will, es mir doch endlich zu verraten, klingelt es an der Tür.
„Na los, das wird Semjon sein. Äußerst pünktlich, ziemlich ungewöhnlich, wenn ich das sagen darf.“
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, bevor ich zur Tür gehe und froh bin, dass ich nicht mehr auf das Atmen angewiesen bin. Semjon ist einfach, mir fällt nicht wirklich ein, wie ich ihn beschreiben kann. Außer, atemberaubend. Das schwarze Haar gekürzt, ohne Tonnen von Gel nach hinten gekämmt und in Form gehalten, macht er den Eindruck, eines Supermodels, das gerade von einem Auftrag eines Edeldesigners zurückkommt. Sein Lächeln, lässt mich regelrecht verschüchtert zurücktreten, denn es spricht von Dingen, an die ich in Verbindung mit ihm noch nie gedacht habe. Eindeutig unangebracht für den Bruder meines Vorzeige- Vampirs. Ich knirsche mit den Zähnen, noch nicht einmal in Gedanken, wage ich es bisher Rome tatsächlich als meinen Freund zu benennen, denn darüber haben wir noch nie direkt besprochen.
„Du siehst gut aus.“, meint Semjon galant, bevor er meinen Bruder mit einem Handschlag begrüßt und sie ein paar Floskeln austauschen.
„Können wir gehen?“, fragt er dann wieder an mich gewandt und ich nicke zaghaft.
Er scheint zufrieden, denn er bietet mir seinen Arm an. So höflich und zuvorkommend behandelt zu werden, ist ungewohnt. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um Semjon handelt. Als er mich zu seinem Wagen führt und die Tür öffnet, bin ich vollkommen perplex. Zumindest solange, bis er ein Pfeifen von sich gibt.
„Heiß. Wirklich heiß. Wirklich zu schade.“, meint er leichthin und ich sehe ihn misstrauisch an.
„Was soll das heißen?“, hake ich nach, doch er zuckt nur amüsiert mit den Schultern und bedeutet mir in den Wagen zu steigen.
Da ich nicht recht weiß, was ich antworten soll, steige ich schließlich in den Wagen und warte darauf, dass er ebenfalls einsteigt.
„Semjon, was hast du vor? Jetzt rede endlich. Was ist Wette Nummer zwei?“, schnappe ich aufgebracht, als wir aus der Ausfahrt auf die Straße biegen.
„Darf ich nicht sagen. Nur so viel, dass ich sie an jemand anderen abgetreten habe.“, murmelt er, während er sich in den Straßenverkehr einordnet.
Ich schweige, noch etwas misstrauischer geworden und verschränke die Arme vor der Brust. Und was genau, haben wir Beide heute Abend dann vor?“
Semjon schenkt mir einen scheelen Seitenblick, bevor er den Kopf schüttelt. „Wir Beide haben heute Abend gar nichts vor. Ich sollte dich nur abholen.“
„Wie bitte?!“, meine ich entsetzt und bin kurz davor an die Decke zu gehen, weil hier irgendetwas läuft, das ich nicht mitbekommen habe.
„Reg dich nicht auf. Mir wurde versichert, dass es dir gefallen würde. Deswegen musste ich mir eine andere Partnerin besorgen. Was lästig war, aber so ist es für alle Beteiligten besser, glaub mir.“
Ich suche nach Worten, doch in meinem Kopf herrscht Chaos. Deswegen begnüge ich mich mit einem einfachen: „Was?!“
Semjon grinst nur, was mir irgendwie vollkommen surreal vorkommt.  Semjon ist nicht begeistert, oder fröhlich. Nie. Also was geht hier vor sich?!
„Warte es ab.“, meint er nur und schaltet zwei Gänge nach oben und überholt den vor ihm fahrenden Wagen.
Als wir vor dem Hazec Tower halten, dem teuersten Hotel der Stadt, sehe ich ihn entsetzt an. „Was tun wir hier?“
„Ich tue hier gar nichts, aber du wirst drinnen erwartet. Steig schon  aus.“
Nachdem ich ihm einen letzten bösen Blick zugeworfen habe, tue ich wie geheißen und trete auf den Teppich, der unter dem Vordach der Hotels  ausgelegt ist und gehe unsicheren Schrittes in die Lobby. Als ich dort zwei mir bekannte Gestalten im Anzug ausmache, huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Das sind zwei Jungs aus Romes Armada von Gefolgsleuten. Könnte es sein, dass er hier ist?
„Miss Blue!“, höre ich einem der Beiden sagen. „Bitte folgen sie mir, sie werden bereits erwartet.“
Überrumpelt, verwirrt und vollkommen aus der Bahn geworfen folge ich ihm und finde mich schließlich im Restaurantteil des Hazecs wieder. Dort ist es dunkel, bis auf einen Tisch inmitten des Raumes, wo ein paar Kerzen brennen. An diesem sitzt mein Vorzeige- Vampir und er sieht atemberaubend aus. Im Vergleich zu ihm, ist jeder andere Mann Durschnitt. Selbst Semjon kann ihm nicht das Wasser reichen. Rome ist einfach, Rome. Die Luft um ihn herum scheint zu vibrieren und seine Aura erfüllt den Raum bis in die letzte Ecke.
Er grinst wie ein Schuljunge, als ich wie angewurzelt stehen bleibe.
„Hey Kleines.“, knurrt er herrlich tief, was in meinem Körper einen unbeschreiblichen Wiederhall findet. Mir wird heiß und kalt und meine Haut prickelt erwartungsfroh, während meine Knie sich in Wackelpudding verwandeln. Ich bin nur froh, dass er nicht so sehr auf Semjons Geruch geprägt ist und dieser deswegen scheinbar auch keinerlei Bedenken gehabt hat.
Rome scheint kapiert zu haben, dass ich nicht wirklich in der Lage bin mich zu rühren, denn er kommt auf mich zu und breitet die Arme aus. Wie sein Bruder trägt er Abendgarderobe, allerdings die Uniform der vierundzwanzigsten Abteilung. Ich habe ihn noch nie zuvor darin gesehen, doch er sieht darin einfach zum niederknien aus. Bis jetzt wusste ich nicht, dass ich ein Mädchen bin, dass auf Uniformen steht, aber wer sollte nicht darauf abfahren, wenn Rome Darren, hochdekoriert, in schwarzer Uniform mit silbernen Beschlägen sich die Ehre erweist zu einem Überraschungsbesuch vorbeizukommen.
Ich schlage mir die Hand vor den Mund und überbrücke den letzten Abstand der noch zwischen uns ist, indem ich mich einfach nach vorn fallen lasse und er mich in eine feste Umarmung zieht.
„Du bist verrückt.“, stelle ich mit Kloß im Hals fest.
„Und du siehst fantastisch aus.“, sagt er amüsiert, bevor er sich zu mir herunter beugt und mir einen Kuss auf die Stirn drückt. Ich blicke zu ihm auf und sehe direkt in seine blutroten Augen, in der Erwartung, dass er mich richtig küssen möge.
Doch er streicht mir nur eine der gelockten Strähnen aus dem Gesicht und bietet mir seinen Arm an.
Ich folge seiner Aufforderung verblüfft und lasse mich zum Tisch führen. Wo er mir den Stuhl zu Recht rückt und sich dann ebenfalls setzt.
„Ich habe uns schon mal Champagner bringen lassen.“, stellt Rome galant fest und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, während er die Flasche aus dem Kühler nimmt und eine Hand fest um den Korken legt, während er mit der anderen die Flasche dreht.
Ich vernehme ein leises “Plopp“, bevor er den Korken zur Seite legt und die hohen Tulpengläser die vor uns stehen füllt.
„Seit wann bist du hier? Ich meine-“
Rome schenkt mir ein breites Grinsen. „Seit ungefähr zwei Stunden. Entschuldige dass ich die Woche über keine Zeit zum reden hatte, aber ich musste mir Zeit frei schaufeln für dieses Wochenende.“
„Du hast das geplant, seit ich in den Flieger gestiegen bin?“, wispere ich entsetzt.
„Ja.“, entgegnet er nur und reicht mir mein Glas und nickt in Richtung des Kellners, was ich misstrauisch registriere.
„Und wie hast du denn weiteren Verlauf dieses Abends geplant?“, hake ich nach, bevor ich gar nichts mehr heraus bringen kann.
„Wir werden hier eine Kleinigkeit essen und falls du noch Lust hast, gehen wir Beide danach auf den Dark Vision. Dein Bruder meinte, du würdest schon die ganze Woche dafür einkaufen.“
„Du weißt davon?“, erwidere ich matt.
„Natürlich.  Mein Bruder hat mich um Erlaubnis gefragt, ob er dich bitten darf ihn zu begleiten, denn er ist zur Zeit auch hier, wie du sicherlich bemerkt hast. Natürlich habe ich nein, gesagt, aber er musste mir den Gefallen tun, dich trotzdem zu bitten.“
„Rome? Sei ehrlich. Es gibt keine zweite Wette, oder?“, seufze ich frustriert.
„Nein. Es gab noch nicht einmal Wette Nummer eins. Aber ich kenne dich. Ohne Anreiz, hättest du Semjon nicht begleitet. Ich musste deine Neugier wecken. Cheers!“
Ich bin kurz versucht, ihn unter dem Tisch zu treten, doch ich entscheide mich dagegen und erhebe mein Glas. „Du kennst mich zu gut.“
In Romes Augen flackert der Übermut und sein Grinsen ist breit. „Tatsächlich? Das glaub ich nicht.“
Im Gegensatz zu seiner Aussage erscheinen zwei Kellner mit einer riesigen, steinernen Platte, auf der Sushi-Kunstwerke angerichtet sind.
„Ich fürchte, ich glaube das schon. Es sieht traumhaft aus.“, meine ich kopfschüttelnd während ich am Champagner nippe.
Mein Vorzeige- Vampir lehnt sich zufrieden zurück, sich wohl bewusst, dass er meinen Geschmack zu hundert Prozent getroffen hat und die Kellner mit schnellen Fingern eindecken.
„Auf dich Kleines.“, knurrt er dunkel und nimmt noch einen Schluck, bevor er sein Glas abstellt und die Stäbchen zückt.
„Du bist verrückt.“, bringe ich nur raus.
„Das sagtest du schon. In diesem Falle bin ich stolz darauf.“
Manchmal ist das Leben einfach wundervoll. So wie jetzt. Rome ist witzig, weltgewandt und ein bisschen verrückt und ich liebe ihn so sehr, dass es schon fast weh tut.

Es ist kurz nach elf, als wir die Stufen des alten Asberg-Tell Herrenhauses nach oben gehen, begleitet vom opulenten Duft, des angrenzenden Rosengartens, der zu uns herüber weht. Romes Blick wandert währenddessen immer wieder zu meiner Kehrseite, scheinbar nicht ganz sicher ob er mir etwas überwerfen oder einfach die Aussicht auf meinen Rücken genießen soll. Das ändert sich auch nicht, als wir ins Foyer treten, das sich vollkommen in Weiß verhüllt vor uns erstreckt. Die Beiden Damen, die an der Garderobe abgestellt sind, bedenken uns mit neugierigen Blicken, während Rome mich noch immer mustert.
„Ist alles in Ordnung, Rome?“, will ich amüsiert wissen.
„Solange du vor mir gehst und die anderen Augenbinden tragen, ja.“, grollt er und legt mir eine Hand auf den Rücken. Rome lässt sich von seiner Meinung den ganzen Abend über nicht abbringen. Weder beim Sektempfang, bei dem wir bei Christobal und Semjon stehen, die höchst zufrieden mit sich aussehen, noch beim späteren Eröffnungstanz. Der mir entgegen meiner Befürchtungen, als Rome es erwähnt hat, sogar sehr leichtfüßig und ohne  Fehler gelungen ist. Was vor allem wahrscheinlich daran liegt, dass ich das erste Mal überhaupt jemandem die Führung überlassen habe, ohne nachzudenken. Rome weiß immer was er tut, so auch auf dem Parkett und wie immer sieht es bei ihm auch noch souverän und elegant aus. Das Merkwürdige ist, es hat mir auch noch Spaß gemacht. Tanzen war für mich früher immer eine Qual, jede verfluchte Stunde, die ich als Kind bekommen habe, endete stets damit, dass meine Füße blau und geschwollen waren und ich der Lehrerin versichert habe, dass ich nie wieder kommen würde.
Tja, scheinbar hatte ich ein klein wenig Unrecht. Tanzen kann durchaus Spaß machen. Doch ich will mein Glück nicht überstrapazieren, deswegen bitte ich Rome danach uns doch etwas zu trinken zu holen.
„Ihr saht toll zusammen aus.“, höre ich Semjons Begleiterin sagen, die soeben von der Tanzfläche zurückgekommen ist und sich affektiert die Luft zufechert. Sie ist dünn, schon fast dürr und hat den ganzen Abend noch kein Wort gesprochen, bis auf eine kurze Vorstellung ihrerseits. Emily von Asberg-Tell, heißt sie soviel ich weiß und Semjon meinte, sie sei die Tochter der Hausherrin dieses Anwesens.
Sie trägt ein hellblaues Kleid, in das sie eingenäht wurde, wie es aussieht, so eng liegt es an und nur den durchsichtigen, einreihigen Volant, der über ihre Schultern fällt und über ihre fast nicht vorhandene Brust. Dazu trägt sie eine fürchterlich biederen, schweren Silberschmuck, die zwar ein Vermögen gekostet haben dürfte, der aber einfach nur albern aussieht. Sie will wohl besonders chic aussehen, doch neben Semjon ist sie glanzlos, mit ihrem hochgesteckten, weißblond gefärbten Haar und den blassroten Augen. An Semjons Seite gehört eine Frau, die ihn aus seiner Lethargie reißt und keine, die ebenso lustlos und gelangweilt ist wie er selbst.
„Danke.“, entgegne ich und sehe Rome dabei zu, wie er mit zwei Wodkalemon durch die Menge auf uns zu kommt.
„Wie haben sie Beide sich kennengelernt?“, versucht Emily Konversation zu machen.
„Das ist eine lange Geschichte, zu lange um sie ihnen hier zu erklären.“, meine ich mit einem Lächeln. „Möchten sie nicht zurück zu ihrem Begleiter? Er wartet sicher schon auf sie.“
Sie wirft mir einen erbosten Blick zu, bevor sie zustimmt und verschwindet. Kurz bitte ich Semjon in Gedanken um Vergebung, dass ich sie auf ihn gehetzt habe, bevor Rome auch schon neben mir steht.
„Gib es zu. Du kannst sie nicht ausstehen.“, knurrt er an mein Ohr und sieht ihr hinterher.
„War das so offensichtlich?“, lächle ich ertappt und greife nach dem Glas.
„Ja. Denn wenn du willst kannst du so charmant sein, dass die Leute den ganzen Abend an deinen Lippen hängen.“
„Versuchst du gerade mit mir zu flirten?“, erwidere ich mit einem Schmunzeln.
„Nein. Damit habe ich noch nicht mal Ansatzweise angefangen.“, schnurrt er und legt einen Arm um meine Talje. „Aber ich kann gerne damit anfangen.“
Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. „Das ist nicht notwendig.“
„Tatsächlich? Ich denke doch.“, grollt er und legt seine Hand auf meinen Bauch. „Komm mit nach draußen, dann zeig ich dir etwas.“
Ich folge ihm in den Garten des Anwesens und sehe mich verwundert um, als wir inmitten der blühenden weißen Rosen stehen bleiben. „Hübsch.“, meine ich leicht enttäuscht.
Rome tritt einen Schritt von mir zurück und grinst selbstgefällig. „Siehst du, du erwartest etwas mehr von mir. Und ich auch. Also sag nicht, es wäre nicht notwendig.“
„Nein, ich meine nur…“
Romes grinsen wird breiter, bevor er sein Glas auf eine der Bänke abstellt und mir meines ebenfalls aus den Händen nimmt um es weg zu stellen.
„Rome, was-“
Doch da liegen schon seine Lippen auf meinen und seine Hände liegen fest um mein Gesicht, während das dreckige Grinsen auf seinen Zügen langsam im Kuss dahin schmilzt. Ich höre ein leises Zischen um uns herum, doch meine Augen sind fest geschlossen, während er mich näher an sich zieht und ich in unserem Kuss versunken, die Finger in die Seiten seiner Uniformjacke kralle.
Als er sich langsam dem Kuss entzieht, blinzle ich leicht verwirrt, doch mein Vorzeige- Vampir sieht begeistert aus.
„Überraschung.“, lächelt er und dreht sich zur Seite, sodass ich ein freies Blickfeld auf den Garten habe, der plötzlich in Flammen steht. „Glaub nie, dass etwas nicht noch besser werden kann.“
Ich stehe vollkommen überrumpelt da, während ich die tanzenden Flammen beobachte, die auf allen Steinmauern des Rosengartens tanzen und die Nacht mit einem Mal erhellen.
„Was-“
„Wir haben Mittsommernacht, Kleines. Und der Dark Vision ist eigentlich nur ein riesiges Freudenfeuer, zu Ehren des längsten Tages.“
Ich drehe mich einmal im Kreis und versuche die wilden Muster, die das Feuer beschreibt in mich aufzusaugen. Es sieht auf erschreckende Weise, einfach bombastisch aus. „Die Meisten waren schon so oft hier, dass ihnen das Feuer herzlich egal ist. Und die Anderen sehen lieber aus sicherer Entfernung zu.“
„Nur wir stehen mitten in einem Meer aus Feuer.“, seufze ich. „Das ist ja mal wieder typisch.“, bringe ich überwältigt raus und recke mich hoch zu ihm, um ihm einen Kuss aufzudrücken.
Doch Rome streicht nur mit dem Daumen über meine Lippen und legt schließlich die Hand unter mein Kinn.
„Mir ist etwas klar geworden, Kleines. Du hast damals die richtige Entscheidung getroffen, auch wenn ich es damals nicht verstanden habe, wie du mir das antun konntest. In meinen Armen, durch mein Blut zu sterben. Aber mittlerweile bin ich glücklich darüber. Egal was für eine zwischenzeitliche Qual es für mich bedeutet hat. Ich bin bereit es zu glauben. Ich bin bereit dafür zu glauben, dass es Dinge gibt die für die Ewigkeit halten. Ich liebe dich. Und die Zeit wird nichts daran ändern. Niemals.“
Ich höre seine Worte, doch was sie bedeuten wird mir erst in dem Augenblick klar, als er vor mir auf die Knie sinkt. „Mira Blue, ich liebe dich und wenn du mir die Ehre erweisen würdest, mich als deinen Freund zunehmen, wäre ich ein-“
„Komm vom Boden hoch, du Idiot!“, bringe ich mit Tränen in den Augen heraus, während er mich entsetzt und enttäuscht ansieht.
„Jetzt steh schon auf!“, schnaube ich und schüttle den Kopf, während er wie ein Häufchen Elend langsam aufsteht. Seine Augen sehen mich mit grenzenloser Verzweiflung an. Und als er sich den Staub von der Hose klopfen will, falle ich ihm um den Hals.
„Die Antwort ist ja, du Dummkopf. Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein!“, meine ich gerührt. „Aber wehe du fällst nochmal vor mir auf die Knie.“
Rome der sich unter mir versteift hat, schlingt die Hände so fest um mich, dass ich froh bin, keine Luft zu benötigen. „Wirklich?“
„Ja, du dummer Vorzeige- Vampir. Was ist an ja so schwer zu verstehen?“, lache ich.
Zur Antwort küsst mich Rome, wie er mich noch nie zuvor geküsst hat. Mit so viel Feuer und Leidenschaft, aber auch so zärtlich, dass mein Herz vor Glück zerspringen will. Ich spüre die scharfen Spitzen seiner Fänge, die voll ausgefahren über meine Unterlippe kratzen, während meine eigenen nach seiner Zunge schnappen.
„Rome, ich weiß wir sind erst vor einer Stunde gekommen, aber ich würde jetzt gerne nach Hause.“, wispere ich heißer in unseren Kuss.
„Bist du sicher?“, will er wissen, während er mich noch ein wenig fester umschlingt.
„Ja.“, stöhne ich wohlig. „Und damit meine ich zu dir. Ins Bett.“

Kapitel 28 (noch nicht überarbeitet)

In Romes Augen spiegelt sich der Schein des Feuers, das um uns herum gen Himmel schlägt, während sein Mund sich unmerklich zu einem Lächeln verzieht. „Bist du dir sicher?“
„Lass uns von hier verschwinden.“, meine ich leise und greife nach seiner Hand. „Denkst du dir eine Ausrede für die da drinnen aus?“
Rome sieht an mir vorbei in Richtung des Hauses und grinst dann amüsiert. „Das wird nicht nötig sein.“, schmunzelt er und umfasst meine Finger fest, bevor er mich in den Garten zieht , weg von dem versammelten Partyvolk.
„Gönnen wir ihnen die Mutmaßungen und Gerüchte, die unser Verschwinden mit sich ziehen wird. Sie werden im Grunde genommen alle zum Gleichen Schluss kommen.“
„Du meinst also wir können einfach so verschwinden?“
„Kleines. Wir können nicht nur, das werden wir auch.“, knurrt er und führt mich über den knirschenden Kiesweg weiter. Hier ist der angelegte Garten wilder, ja beinahe verwahrlost, die Bäume nicht beschnitten, die Hecken und Sträucher naturbelassen. Es gibt hier nur noch vereinzelte Feuerstellen und ein paar Fackeln die den Wegesrand schmücken.
„Rome der Wagen steht in der anderen Richtung.“
„Für wie langweilig hältst du mich eigentlich? Ich bin Rome Darren. Wenn ich etwas tue  dann richtig.“, grollt er und nun entdecke ich den zwei Meter hohen, schmiedeeisernen Zaun vor uns.
Damit nimmt er mich auf die Arme und spring behände mit mir im Arm auf die andere Seite. „Außerdem ist es nicht notwendig mit zu fahren, wir sind gleich bei mir.“, schnurrt er und trägt mich leichtfüßig über den Rasen.
„Was meinst du da-“
Romes breites Lächeln unterbricht mich in meiner Frage, als er mich plötzlich auf dem Boden abstellt und mir über die  Wange streicht, bevor er seinen Blick an mir herunter wandern lässt und zur Seite tritt und die Hand durch die Luft schwenkt.
„Willkommen in meiner bescheidenen Behausung.“, lächelt er stolz und ich schnappe überwältigt nach Luft. Vor uns erhebt sich aus der Dunkelheit eine Villa, deren gesamte Front verglast ist, das tief herunter gezogene schwarze Dach lässt sie trotz der offenherzigen Einblicke gemütlich wirken lässt.  Das Wasser des Pool der in die Terrasse eingelassen ist, spiegelt sich unter den dunklen Balken des Vordachs und strahlt etwas beruhigendes aus, als ich einen Schritt näher trete.
„Es ist unglaublich.“, wispere ich.
„Freut mich, dass es dir gefällt. Viktor hat es damals  als Abschlussarbeit entworfen und es hat bis jetzt als gelegentlicher Wohnsitz für meine Schwester zur Ballsaison gedient. Doch da es im Grunde genommen mir gehört, war ich so frei es mir für dieses Wochenende auszuborgen. Solltest du in nächster Zeit Ärger mit deinem Bruder bekommen, oder eine ausgelassene Party mit deinen Freundinnen feiern wollen darfst du dieses Haus gerne nutzen. Ich werde dir einen Zweitschlüssel anfertigen lassen.“
Ich starre ihn entsetzt an. „Das-“
„Versteh mich nicht falsch Kleines. Natürlich wirst du weiterhin bei deinem Bruder wohnen. Dich allein wohnen zu lassen würde mir niemals in den Sinn kommen. Ich will dich in Sicherheit wissen wenn ich nicht da bin um notfalls einzugreifen. Aber als Notlösung ist es ganz annehmbar.“, fügt er an.
„Du bist süß.“, meine ich leicht errötend und sehe zu Boden.
„Süß? Das ist mir neu. Eher berechnend würde ich  sagen.“, korrigiert er mich nachdenklich.
„Wieso kannst du es nicht ertragen, wenn man gut von dir spricht?“, seufze ich amüsiert. „Immer musst du es so drehen, das dein Charakter durchtrieben und gefühlskalt empfunden wird.“
„Ich kann nicht aus meiner Haut. Gefühle werden in meiner Welt als Schwäche erachtet. Schwäche macht einen angreifbar. Und gut über den Boss zu denken ist der erste Schritt, ihn für schwach zu erachten.“, bei seinen Worten umspielt seinen Mund ein eiskalter Zug, der nichts mit dem Mann zu tun hat, der sich vor wenigen Minuten noch vor mir auf den Boden geworfen hat.
„Du willst also, dass-“
„Ich will dass du dir im Klaren darüber bist, dass das was zwischen uns ist allein bei uns bleibt, egal wie sehr du dir wünscht deinen Freundinnen davon zu berichten. Das hat nichts damit zu tun, das ich dir weh tun will. Im Gegenteil. Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass ich nur dich und den Rest meiner Familie damit beschützen will.“
Ich beiße mir auf die Lippen. „Natürlich bin ich mir dessen bewusst. Das war ich schon immer. Außerhalb der Familie redet man nicht über solche Dinge. Genau deswegen werde ich dich wenn wir alleine sind weiterhin als süß bezeichnen, so oft ich will und du hast nicht das Recht mich vom Gegenteil zu überzeugen.“, lächle ich unbekümmert.
Romes Lippen gräuseln sich tadelnd, doch er nickt knapp. „Tu was du nicht lassen kannst Frau.“
„Keine Sorge, das werde ich Mr. Vorzeige- Vampir.“, entgegne ich neckend.
Rome reißt mich an sich und überwältigt mich mit einem stürmischen Kuss, bei dem ich den Boden unter den Füßen verliere.
„Es sei dir versichert, dass ich damit vollkommen einverstanden bin.“, knurrt er und befördert mich ohne viel Federlesens ins Haus, allerdings ohne den Kuss noch einmal zu unterbrechen.
Als er mich rückwärts durch die offene Glastür schiebt und seine Hände dabei auf meinen Hüften zum Liegen kommen, spüre ich ein wohliges Zittern durch meinen Körper huschen. Um den Größenunterschied zu überbrücken, der ihn dazu zwingt sich tief zu mir herab zu beugen, schlingen sich meine Arme um seinen Nacken, während er mein Kleid nach oben rafft und mich hoch hebt. Zufrieden schlinge ich meine Beine um seine Hüfte und werde im nächsten Augenblick schon gegen die Fensterfront gedrückt.
„Ich bin keine Schmusekatze Mira. Sei dir dessen bitte bewusst. Ich werde dir weh tun.“, grollt er während seine Hand in meinem Nacken an den Verschluss meines Kleides herum nestelt und er schließlich mit einem frustrierten Laut auf den Lippen das wunderschöne Kleid einfach auseinanderreißt.
Da nichts den Stoff mehr an Ort und Stelle hält, liegen meine Brüste mit einem Mal vor ihm entblößt da und verhärten sich unter der kühlen Brise die über meine nackte Haut streicht. Romes Finger fahren meine Schulterblätter herunter, als hätten sie nie etwas anderes getan und finden schließlich nach vorn zu meinen Brüsten, welche er zärtlich in die Hände nimmt und sie mit einem Stöhnen beginnt zu streicheln und zu kneten.
„Wir sollten nach oben gehen. Ich will dich in mir spüren.“, bringe ich heißer hervor, während seine Lippen sich rau über meine Wange hinunter zu meinem Hals bewegen und er mit seinen ausgefahrenen Fängen über meine Haut kratzt. Ich spüre ein leichtes Brennen an den Stellen, an denen seine Fänge mich aufgekratzt haben, doch seine Zunge verschafft mir sofort wieder Linderung, welche die kleinen roten Blutstropfen in seinem Mund verschwinden lässt.
„Du schmeckst so gut.“, knurrt Rome dunkel, ja beinahe finster. „Ich will so viel mehr von dir.“
Leicht verschüchtert lege ich meine Handflächen auf seinen Brustkorb und schließe die Augen, während seine Finger sich in meinen Rücken und Seite graben. Als er sich von meinem Hals losreißen kann und mir kurz in die Augen blickt, sehe ich es auf seinem Gesicht. Etwas das da noch nie war. Pure Gier. Etwas zutiefst animalisches, dessen Ausmaß mich erschrocken zurück fahren lässt. Oder besser zurückfahren lassen will, denn ich bin zwischen ihm und dem Fenster eingequetscht.
Doch bevor ich deswegen in Panik ausbrechen kann, stößt er sich auch schon von der Wand ab und wandert mit mir eine lange freistehende Wendeltreppe nach oben, an deren Ende sich der erste Stock und zwei einladend geöffnete Flügeltüren da liegen, hinter denen sich ein riesiges Schlafzimmer erstreckt.
„Ich will dich. Ich will diesen grässlichen  Gestank der anderen Männern von dir abwaschen. Ich will, dass du heute Nacht nur mir allein gehörst.“, knurrt er, reißt die Schublade, des Nachttisches, der neben dem Bett steht auf und zieht ein Kondom heraus, welches er auf die Bettlaken wirft, bevor er mich enger zu sich zieht und seinen Kopf in meine Halsbeuge legt und mit mir in die Kissen sinkt.
Ich bin dabei zu verglühen, ist der einzige Gedanke, der noch in meinem Kopf wiederhallt, als Rome sich aus seiner Jacke schält und sich erneut auf mich stürzt. Mit zitternden Händen versuche ich die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, was nicht ganz funktionieren will.
Rome geht mir zu Hand indem er das Designerhemd aus dem Bund seiner schwarzen Hose zieht und sein Hemd entlang der Knopfleiste einfach auseinanderreißt. Ein paar Knöpfe fallen dabei auf mich, doch Rome scheint sich nicht mit so etwas unwichtigem wie dem Erhalt seiner Klamotten beschäftigen wollen, als er mir einen gierigen Kuss auf die Lippen drückt und seine Finger in meinem Haar vergräbt. Seine Hände gleiten aus meinen Haaren hinab zu meinen Armen, führen sie leicht nach oben und finden schließlich meine Handflächen, bevor sich unsere Finger miteinander verweben und er mich gefangen nimmt, indem er mich auf Bett pinnt und seinen Lippen hinab wandern  lässt zu meinen Brüsten. Sein Mund fängt spielerisch meine  von der kühlen Luftbrise verhärten Knospen ein und seine weit ausgefahrenen Fänge beißen sanft in mein weiches Fleisch. Lust und Schmerz vermischen sich zu einem erregenden Verlangen, das ich kaum zu bändigen weiß. Meinen Lippen entrinnt ein Stöhnen, welches heißer in meinen Ohren wiederhallt.
Romes lange, kräftige Finger entwinden sich meinem zittrigen Griff,  fahren meinen Körper hinab und nehmen ihn rücksichtlos, beinahe grob in Besitz. In trunkener Leidenschaft, kralle ich mich in seinen vollen, schwarzen Schopf  und versuche ihn zu mir nach oben zu ziehen. Ich will ihn küssen, in ganz auf mir spüren, doch er lässt sich nicht davon abbringen, sich langsam tiefer zu küssen, und jeden Zentimeter meiner Haut mit seinem eigenen Körper irgendwie zu erreichen.
Als er sich zwischen meinen Beinen aufsetzt und  mich mit einem heißglühenden Blick bedenkt, den ich in seinem Gesicht zum ersten Mal sehe kann ich mich nicht rühren. Rome ist für meine Begriffe perfekt. Seine breite, muskulöse Brust glänzt wie flüssige Bronze, als er mit fahrigen Händen seinen Ledergürtel öffnet und seine Augen von unten langsam zu meinem Kopf wandern. Er hält kurz inne in seinem Tun, bevor sein Bizeps sich plötzlich wieder in Bewegung setzt und seine Gürtelschnalle inklusive seiner Hose öffnet und sie mit einer geschickten Bewegung einfach von sich streift.
Und dann beugt er sich plötzlich nach vorn und steigt über mich. Seine blutroten Augen halb gesenkt, erkenne ich die riesigen Pupillen, die unter seinen Liedern ruhig auf mir ruhen. Die schweren Arme recht und links meines Kopfes in die Kissen gestemmt, betrachtet er mein Gesicht. Als ich die Distanz zwischen uns glaube, nicht mehr ertragen zu können und schon beinahe die Luft knistern höre, fange ich seine Lippen ein und umschlinge seinen Nacken.
„Berühr mich. Liebe mich.“, wispere ich verzweifelt und wage es das erste Mal über das muskelbepackte Kunstwerk seines Rückens zu fahren. Fahre die Kuhle die sich zwischen seinen Schulterblättern gebildet hat nach und gewähre meinen Händen sich langsam entlang der Wirbelsäule nach unten zu tasten. Je mehr ich von ihm berühre, desto schlimmer wird mein Verlangen nach mehr von ihm. Es ist eine Sucht, die niemals gestillt werden kann. Ich berühre eine Stelle und sehne mich nach all den anderen, an denen ich ihn noch berühren kann. Ein bisschen ist es wie ertrinken. Man braucht die Luft so sehr, doch alles was man bekommt ist noch mehr Wasser. Rome der mein hungriges Sehnen bis jetzt still mitangesehen hat, umschlingt mich plötzlich hart. Seine Lippen finden meine, bitten gierig um Einlass und werden von mir Widerstandslos hereingebeten. In wildem Spiel versuchen wir Beide von dem hungrigen Sehnen erlöst zu werden, doch Linderung gibt es für uns Beide nicht. Mein Körper schreit nach ihm. Mir wird heiß und kalt, ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Und in meiner Mitte hat etwas zu pulsieren begonnen, das mich flattrig werden lässt.
Ich stöhne auf, als er noch ein Stückchen höher rutscht und ich etwas Hartes gegen meine unverhüllte Scham stoßen merke. Erschrocken beiße ich mir auf die Lippen und registriere dass meine Fangzähne sich in mein Fleisch gebohrt haben. Romes Nasenflügel blähen sich auf und sein Mund saugt das hervor quellende Blut gierig auf.
„Rome.“, entkommt es mir verzweifelt.
Mein Vorzeige- Vampir husch ein kleines Lächeln über die blutverschmierten Lippen bevor er mir über die Wange streicht.
„Wir haben noch nicht mal richtig angefangen Kleines.“, grollt er sanft und wischt eine Locke meines Haares aus meiner Stirn. „Noch nicht mal ansatzweise.“
Das dies die pure Wahrheit ist, wird mir klar, als er seine Boxershorts abstreift und mich in die Arme nimmt. „Ich liebe dich.“, beschwört er mir leise. „Wenn ich dir weh tue, sag es.“
„Du tust mir bestimmt nicht weh. Ich will dich spüren. Alles.“, wimmere ich verzweifelt. Und lasse meine Finger über seinen Nacken zu seinen Schultern wandern.
Rome drückt den Rücken durch und greift nach dem Kondom, das verweist auf der linken Seite des Bettes liegt.
Ich zucke zusammen, als sich etwas Kühles, Hartes gegen meinen Unterleib drückt und Rome gibt ein unzufriedenes Grummeln von sich, bevor er meine Beine mit einem gezielten Griff auseinandertreibt und sie sich um die Hüften legt.
„Keine Geduld.“, seufzt Rome rau und gibt mir wie zur Entschuldigung einen verlangenden Kuss auf den Mund. „Ich habe solange auf Sex verzichtet. Verzeih mir.“
Erneut verlieren wir uns in einem alles verschlingenden Spiel unserer Lippen, unserer Zungen und stöhnen Beide gleichzeitig auf.
„Ich würde dir heute Nacht alles verzeihen. Wenn du mir nur endlich zeigst, was ich all die Jahre verpasst habe. Liebe mich, wie du all die anderen vor mir geliebt hast. Ich brauche deine Rücksicht nicht.“, erwidere ich leise.
Romes Kehle entrinnt ein tiefes, animalisches Grollen, bevor er mich hart aufs Bett pinnt mit seinen Armen und sich in mir versenkt.
Ich schreie erschrocken auf und versuche mich aus seinem Griff zu winden, doch Rome hält meine Arme weiterhin über dem Kopf zusammen und stöhnt auf. Erst als er sich zu mir herunter beugt und seine Lippen sanft meine finden, schaffe ich meinen Schock zu überwinden. Mein Inneres brennt wie Feuer und es tut einfach nur weh, während er langsam seinen Griff weicher werden lässt und mich schließlich wieder frei gibt.
„Verzeih mir Kleines. Ich verspreche dir, es wird nie wieder so weh tun.“, sagt er sanft und streicht mir über die Seiten.
Gegen meinen Willen spüre ich, wie dicke Tränen sich aus meinen Augenwinkeln lösen und Rome wischt sie mit zärtlichen Fingern hinweg. „Lass dir Zeit.“, presst er hervor.
Seine Hände beginnen mir erneut süße Qualen zu bereiten und ganz langsam wird das brennende Gefühl durch ein anderes ersetzt, das mich immer unruhiger werden lässt. Von einer inneren Unruhe befallen bäume ich mich gegen ihn auf und seufze verzweifelt. Romes Lippen streifen meine Schläfe, als er beginnt sich zu bewegen.
Langsam, geschmeidig und ohne Hast oder Ungeduld. Nur seine bebenden Muskeln zeigen mir, dass es ihm schwer fällt an sich zu halten. Fast so, als würde seine pure Willenskraft dazu benötigen mich nicht zu überwältigen und Dinge mit mir anzustellen, die ich mir nicht einmal vorstellen kann.
Meine Fingernägel krallen sich in seine Schultern und ich spüre durch Romes Körper ein Schaudern gehen. Romes Knurren hallt in meinem Körper wie ein Donnergrollen wieder, bevor er  mich mit sich nieder reißt und seine Fange in meinem Hals vergräbt. Hinter meinen geschlossen Liedern bin ich nicht mehr in der Lage klar zu denken. Ich höre das Blut in meinen Adern rauschen und spüre ihn so tief in mir. Die Welt fällt auseinander und setzt sich mit einem Schlag wieder zusammen, als er in mich stößt. Wild und hemmungslos, lässt er die geballte Urgewalt seines Körpers auf mich herniedergehen und mit jedem Stoß und jedem Schluck den er von mir nimmt hungere ich nach mehr davon. Meine Mitte pocht sehnsüchtig und meine Finger versuchen ihn dazu zu bekommen noch tiefer in mich zu rutschen. Mir noch mehr von ihm zu geben. Seine Muskeln beben unter meinen Handflächen und ich glaube zu vergehen zu müssen.
„Bitte.“, wimmere ich. „Ich glaube ich muss sterben.“
Romes Fänge geben meinen Hals frei, finden meinen Mund und lassen mich mein eigenes Blut schmecken. Und dann spüre ich plötzlich Erleichterung, überwältigend schwer meinen Körper überziehen und stöhne verzückt. Die flackernden Lichter vor meinem inneren Auge streicheln meine Seele und bevor ich weiß was ich tue, gleitet mein Mund zu seinem Nacken und ich vergrabe meine Fänge in seinem Hals. Das Blut, das in meine Mundhöhle schwappt ist pures Leben. Saftig süß, ein volles Bukett der erlesensten Sorte. Es ist Hochgenuss, Dekadenz und pures Vergnügen noch mehr davon zu trinken.
Ich höre Rome aufstöhnen, spüre das Zittern seinen gesamten Körper hinauf laufen, bevor er auf mir zusammensackt und seine Arme um mich schlingt.
„Das war fantastisch.“, stellt er nach einer Weile fest, als ich noch immer an seinem Hals knabbere und die letzen Überreste der Blutspuren beseitige, die ich gemacht habe.
„Wie lange muss man warten, bis man das wiederholen kann?“, hake ich neugierig nach. „Man kann das doch wiederholen, oder?“, wispere ich und Rome grinst mich mit einem Ausdruck an, der sowohl Unglauben als auch Begeisterung in einem darstellt.
„Oh, nicht lange. Ganz und gar nicht lange und so oft du willst.“ , gurrt er.
Und das ist für sehr lange Zeit das letzte, das wir reden.

 

~+~+~+~+~ENDE~+~+~+~+~

 

 

 

So. Hiermit sind wir am Ende von Chicago X angelangt.

Ich hoffe euch hat die Geschichte gefallen und nun bleibt mir eigentlich nur noch, euch viel Spaß zu wünschen, bei allem was ihr nun treibt und euch vielleicht um eine Rückmeldung zu bitten,

wenn es nicht zu viele Umstände macht.


Liebe Grüße

eure Shatiel

 

 

Dieses Buch ist Teil der Blutkind-Reihe :

 

1. Chicago X                    

2. The Devil's Playground 

3. The Paper Dirt             

Impressum

Texte: Im Orginal von mir, Shatiel von 2008-2010 geschrieben; Überarbeitet 2012; und gebetat von der wundervollen mondlicht
Tag der Veröffentlichung: 02.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für euch.

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