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*** Der Käfig ***

Hast du jemals das wahrhaftig Böse gesehen? … Glaub mir - es lächelt dich an mit einem Engelsgesicht.

Es lächelt neben dem Kreuz auf deinem Grab und neben der letzten flackernden Kerze.
Hat dich jemals der Flügelschlag des Gefallenen berührt? Trotz seiner eisigen Kälte verbrennt er dein Blut zu Asche. Er lässt dich nicht atmen – er lässt dich niemals los.
Hast du jemals den Klang der Finsternis gehört? Wenn alle Schatten fliehen ist ihr letztes Gebet vernichtend - aber du darfst weder leben noch sterben.
Siehst du das Licht am Ende des Tunnels?
Ich sehe es. Jeden Tag. Ein Licht der Hoffnung und Vergebung – aber nicht für mich.
Sag mir, was ist wenn du nach draußen schaust, und dich fragst, was verbirgt sich hinter dem Horizont?
Sag mir, was ist wenn du nach draußen schaust, und dich fragst, habe ich diese Luft jemals geatmet?
Sag mir, was ist wenn du nach draußen schaust, und dich fragst, bin ich der einzige Mensch der jemals solches Leid ertrug?
Ich spüre noch mein Herz, es sehnt sich nach Wärme. Geduldig schlägt es und lauscht deinem Flüstern: „Warum bist du nur so weit entfernt? Wo ist dein sanfter Blick, deine liebevolle Geste?“

Nun, ich bin zurück.

Doch wandele ich auf grauen Wegen durch eine farblose Landschaft aus Trauer und Furcht. Hass tötet mein Herz. Liebe holt es wieder zurück. Aber nie werde ich eine Seite erreichen.
Ich stehe vor den Trümmern meiner Menschlichkeit mit dem grausamen Wissen diesen Kampf niemals zu beenden.
Jeder Schritt ist eine Qual. Tage ohne Sonnenschein, Tage ohne Licht reihen sich endlos aneinander. Ich bin gefangen im Schatten meiner Bestimmung.
Allein zitterte ich in der eisigen Kälte meines Herzens und wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du verstehst.
Sag mir, was ist, wenn du nach draußen schaust, und dir genau in diesem Moment bewusst wird, dass es die Augen der Bestie sind, die dich sehen lassen?
Doch ich werde nicht brechen. In den verwüsteten Räumen meiner Seele gibt es einen Grund warum ich mich weiter quäle.

„Es ist okay, Dean. Alles wird gut. Ich hab ihn.“

Ein schöner Gedanke – ein edler Satz – letztendlich eine Illusion! Die letzte Illusion! – Der mühsam ergriffene Strohhalm in den tosenden Fluten meines Lebens, um dem Wahnsinn einen Sinn zu geben.
Kein getrunkener Liter Dämonenblut befähigt mich diese drei Worte zu ertragen: „ICH HAB IHN.“
Es sind einzig, jene kostbaren Erinnerungen die mir nun erscheinen wie ein Traum: Vertrauen, Liebe und Menschlichkeit.
Wir haben Seite an Seite gekämpft: Nicht gegen Dämonen und Geschöpfe der Nacht. Wir kämpften gegen Vergangenheit und Zukunft – gegen Lügen und Schicksal – und zuletzt gegen uns selbst.
Doch alle Pfade führen zum gleichen Ziel.
Nichts war jemals Zufall: Der Körper des stärksten Jägers für den ersten Engel. Jetzt begreife ich es!
Engel fallen immer zuerst.

Du sagtest einmal die Hölle besteht aus klirrenden Ketten und Folter. Aus Staub, gebrochenem Willen und verbranntem Fleisch.
Nun … es war deine Hölle …
Du fragst mich nach meiner Hölle? - Jetzt wo ich vor dir stehe und sich deine Fassungslosigkeit in meinen Augen spiegelt?
Ich vermag dir keine Antwort zu geben.
Versuch nicht mich zu retten, denn ich bin nicht gebrochen.
Ich darf niemals brechen.
Ich stürzte mich nicht in einen brennenden Käfig und nahm die Abscheulichkeit mit um zu sterben!

ICH BIN DER KÄFIG …
… ein Verlies aus Fleisch und Blut … verdammt ewig zu leben um gegen die Bestie, die ich in meiner Brust verschloss, zu kämpfen.

Hast du jemals das wahrhaftig Böse gesehen? … Glaub mir - es lächelt dich an mit einem Engelsgesicht.

*** ENDE ***

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.09.2010

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