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Every day the same...




Es wurde langsam Zeit, loszugehen. Ich musste meinen Job erledigen, und hoffte inständig, dass es heute besser laufen würde als die letzten Wochen.
Sonst würde es mit meiner Stelle knapp werden. Es gab schon viele neue Bewerbungen, und ich war die nächste, die dann fliegen würde…
Leider würde ich mit meiner Ausbildung nicht schnell wieder einen so gut bezahlten Job bekommen…
Also musste heute alles klappen.
Ich fasste noch mal kurz in meine Hosentasche- gut, alles war da, also konnte es losgehen.
Ein voller Club war, was ich suchte. Mein Arbeitsort wechselte von Nacht zu Nacht. Ich ging dorthin, wo es mich hinzog.
Gleich der dritte Club war prall gefüllt und ich stürzte mich ins Getümmel.
Bis jetzt hatte ich nur Menschen entdeckt, aber irgendwo musste doch auch…-da, ich spürte ein Kribbeln in meiner rechten Hand. Hier musste ganz in der Nähe einer sein.
„Komm her, du Monster! Mein Opfer! Du entkommst mir nicht!“
Wundert euch nicht, ich führe öfters Selbstgespräche, aber ich kanns mir nicht abgewöhnen.
Da, da war er.
Wie ein Schatten folgte ich ihm unauffällig. Es war besser, wenn ich meine Opfer überraschte. Er setzte sich auf ein Sofa und blickte unauffällig durch den Raum. Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben, also checkte ich ihn kurz durch: kurze, lockige, braune Haare, groß, nicht muskulös, freundliches Gesicht. Er hatte etwas Außergewöhnliches an sich, da er nicht so blass war, wie Vampire es nun mal waren, aber er würde einfach zu überwältigen sein.
Langsam schlich - ja, es ähnelte wirklich dem eleganten Gang einer Katze - ich auf den Jungen zu. Erst, als ich vor ihm stand, bemerkte er mich anscheinend, aber das war nur gespielt, da war ich mir sicher.
„ Guten Abend, junges Fräulein. Was macht denn ihresgleichen um diese Uhrzeit an solch einem Ort?“ Oh mein Gott, was hatte der Typ denn für eine Ausdrucksweise? Na ja, einfach mitspielen.
„ Ich sollte eher Sie fragen, wieso Sie noch ALLEINE dasitzen.“
Natürlich kannte ich den Grund: Er hatte noch kein passendes Opfer gefunden. Doch bald würde er zuschlagen wollen, und wenn ich ein bisschen Glück hatte, würde er mich bald nach draußen bitten, wo er unbemerkt zuschlagen könnte.
„Allein bin ich ja jetzt, dank Ihnen, nicht mehr. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?“
Natürlich, es klappte einfach alles perfekt! So stimmte ich zu, und saß kurze Zeit neben ihm an der Bar. Als wir unsere Gläser leer getrunken hatten - ich wunderte mich, dass er so was trank- fragte er mich endlich: „Ich finde es hier drinnen ein wenig stickig. Wenn Sie mich nach draußen begleiten würden…<<
Ich nickte kurz und folgte ihm zur Tür. Er hielt sie lächelnd für mich auf. Wahrscheinlich freute er sich schon auf seine Mahlzeit. Aber da würde ich ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Unwillkürlich musste ich grinsen. „ Was amüsiert euch so, Fräulein?“ . „Ihr werdet es gleich selbst erfahren, seid unbesorgt.“ Er schaute mich verwirrt an, doch dann kam er langsam näher. Er hatte also mein Blut gerochen, dass aus meinem Finger tropfte. Das war der richtige Zeitpunkt, um einen Schluck >Magyc< zu nehmen. Vorsichtig holte ich die Flasche aus meiner Tasche. Kaum hatte der erste Tropfen meine Lippen berührt, spürte ich, wie sich meine Finger in Krallen verwandelten, auf meinem Rüchen zwei gezackte Flügel wuchsen und wie kräftig ich wurde. Der Vampir sah mich ungläubig an und ich nutzte den Moment der Überraschung. Blitzschnell stürzte ich mich auf ihn, in einer Hand den Holzpfahl, die andere bereit, seine Haut aufzuschlitzen.
Mit einem lauten Knall fiel er zu Boden. Ich trat mit meinem Fuß gegen seinen Kopf, sodass er fast ohnmächtig wurde. Das tat ich immer, da ich es nicht mochte, wenn die Vampire schrieen, während ich sie mit dem Pfahl durchbohrte. So war es auch weniger schmerzhaft. Mit voller Wucht stieß ich das Stück Holz in sein Herz. Er stöhnte kurz, sackte dann aber leblos in sich zusammen. Ich riss ihm sein T-Shirt vom Körper und setzte mit meinen Krallen mein Zeichen in seine Brust. So konnte der Chef sehen, wer wie viele Vampire getötet hatte. Wie immer begann das Zeichen zu leuchten und wie immer löste sich der tote Körper dann in Luft auf. Das war aber mal einfach gewesen, nichts besonders, nicht mal ein Kratzer für mich. Schade, ich mochte längere Kämpfe. Meine Krallen und Flügel verschwanden wieder und ich kehrte aufs Neue zurück in den Club.

-Cyril-




-Cyril-

Erschrocken fuhr ich hoch. Ich keuchte und war schweißgebadet. Wieder so ein Alptraum! Sie verfolgten mich beinahe jede Nacht. All das Blut, die furchtbaren Schmerzen…
So schlimm wie dieser waren die anderen allerdings nicht gewesen. Zum Glück war es nun vorbei. Ich drehte meinen Kopf und spitzte meine Ohren – Moment mal…wieso war ich in meiner Wolfsgestalt? Seltsam. Warum hatte ich so ein komisches Gefühl? Irgendetwas war hier faul.
Ich schien allein zu sein, also stand ich auf und schaute mich um. Es war dunkel, doch dank meiner Wolfsaugen erkannte ich die hohen Bäume, das weiche Moos, die toten Äste auf dem Boden, die nach mir zu greifen schienen. Von fern drang das leise Plätschern einer Quelle in meine guten Ohren und Düfte verschiedener Kräuter stiegen in meine feine Nase.
Doch das war alles. Weder Fledermäuse, noch Dachse, Füchse oder andere Tiere der Nacht konnte ich wahrnehmen. Ich stieß ein Heulen aus – nicht laut, aber es zerriss die Stille, wie ein Messer mit einem Ruck ein Papier zerschneidet. Es war eindeutig zu ruhig für einen Wald.

Entführung. Im Sommer. Am Badesee. Im ernst ?!




Am nächsten Morgen weckte mich der Wecker unsanft. Widerwillig stieg ich aus dem Bett, zog mich an und putzte mir die Zähne. Kaum hatte ich gefrühstückt, stand Mell an der Tür. „ Cat, wo bleibst du denn? Ich warte schon seit einer halben Stunde und du lässt dich nicht blicken!“
„ Was? Ich versteh nicht ganz….“
Ich hatte keinen blassen Schimmer, was Mell dazu veranlassen würde, so früh am Morgen hier zu stehen.
„ Jetzt sag nicht, dass du unsere Verabredung verpennt hast! Oh Mann, ich glaub echt, du solltest dich mal früher aufs Ohr haun.“
Oh nein, das hatte ich vollkommen vergessen. Ich wollte heute doch mit Mell zum Baggersee.
„ Sorry Mell, ich bin zur Zeit echt völlig verpeilt und in meinem Viertel gibt’s kaum noch Beute. Das macht mich echt fertig. Bei dir gibt’s ja noch reichlich! Könntest du nicht in ein paar Vampire mein Zeichen ritzen? Das wäre echt hilfreich. Aber der Boss würde das sowieso merken…
Warte kurz, ich bin in fünf Minuten wieder da.“
Ich rannte die Treppe hoch und zog mich hastig um. Dann warf ich noch kurz einen Blick in den Spiegel. Meine langen, blonden Haare waren leicht gewellt und passten perfekt zu meinen türkis-blauen Augen. Für die Vampire wirkte ich harmlos, da ich ein wenig klein geraten war, doch das störte mich nicht wirklich. Ich hatte an mir nichts auszusetzen und war mit mir und meinem Leben ziemlich zufrieden.
Mell jedoch hatte immer was zu meckern. Meistens fand sie sich zu dick. Sie hieß eigentlich Melanie, war um einiges größer als ich, jedoch nicht ganz so sportlich. Sie hatte kurze, braune Haare und haselnussfarbene Augen. Immer lustig und optimistisch – das war meine beste Freundin und wahrscheinlich auch die beste, die man haben konnte.
„ Cat, wo bleibst du denn?“
Ich warf noch kurz einen Blick über meine Schulter und spurtete dann schnell die Treppe hinunter.


Am Baggersee fanden wir, wie sooft keinen Platz zum hinlegen, und so mussten wir heimlich unseren Lieblingsplatz von einem anderen Handtuch befreien. Wir cremten uns ein, setzten unsere coolen Sonnenbrillen auf und schlenderten zwischen den Leuten umher. Mit Mell hatte man einfach überall und immer was zu lachen.
Plötzlich spürte ich ein Kribbeln in meiner rechten Hand, doch so sehr ich auch kratzte, es wollte nicht aufhören. Aber ein Vampir am Baggersee? Das konnte doch wirklich nicht sein. Oder doch?
„ Oh mein Gott“ kreischte Mell neben mir und kurz danach sah ich den Grund ihrer Aufregung: Ein Vampir, ich schätzte ihn auf ca. 16, mit mittellangen, blond-braunen Haaren, sehr muskulös und mit unbeschreiblichen schwarzen Augen.
„ Den können wir nicht umbringen, Cat! Die ganze Zeit, die der im Fitnessstudio verbracht haben muss, das wäre reine Verschwendung, das alles zunichte zu machen.“
Ich verdrehte die Augen. Na toll, Mell hatte öfters Probleme damit, Vampire zu beseitigen. Aber eines fragte ich mich trotzdem…
~Was macht denn so ein Vampir am Baggersee? ~
Plötzlich schaute der Vampir mich an.
~Woher weißt du, was ich bin? ~
Hää? Was war das? Hat der Vampir gerade…? Nein, das kann nicht sein. Ich muss mir das alles nur eingebildet haben. Aber da war doch wirklich… Und er schaut mich auch die ganze Zeit so komisch an.
~ Woher weißt du von unserer Existenz? ~
Er kam auf uns zu. Ganz langsam. Und bei jedem weiteren Schritt klammerte sich Mell noch fester an mich. „ Jetzt sei doch mal ruhig“
~ Du bist weder eine Jägerin, noch eine von uns. ~
Ich schaute ihn verwirrt an. Keine Jägerin? Was sollte das denn heißen? Der Vampir irrte sich aber gewaltig, ich war eine waschechte Jägerin. Okay, ich was etwas anders, ich bekam als einzige Flügel und Krallen und meine Augen leuchteten grünlich, aber ich war wie Mell und die andern.
~ Antworte! ~
Der redete wirklich in Gedanken mit mir. Okay, dann denk ich eben zurück.
~ Ich bin eine Jägerin, du musst dich geirrt haben. Und ich weiß von euch, da ich euch jage, was dir ja wohl klar ist. ~
Mehr viel mir nicht ein. Was sollte man auch schon mit einem Vampir denken?
~ Du glaubst vielleicht, du wärst eine Jägerin, aber so ein Geschöpf wie dich habe ich noch nie getroffen. Jägerinnen können auch nie Gedanken lesen. ~
Ich dachte kurz nach.
~ Was willst du eigentlich? Und wenn ich keine Jägerin wäre, was, denkst du, was bin ich dann? Es stimmt ja, dass ich anders bin, aber es gibt doch immer Ausnahmen! Wieso redest du eigentlich immer in Gedanken mit mir? Kannst du nicht sprechen? ~
Ich erschrak, als ich plötzlich neben mir ein Knurren hörte.
„ Natürlich kann ich sprechen, doch ich ziehe es vor, nicht allzu nahe bei einer Jägerin zu sein.“
Ich war unfähig, zu sprechen.
„ Was ich bin, weißt du ja, und wer ich bin, ist unwichtig. Ich muss dich leider bitten, mit mir zu kommen. Es ist nämlich meine Aufgabe, fremde Kreaturen zu meinem Chef zu bringen. Deine Jägerfreundin muss hier auf dich warten oder nach Hause gehen.“
„ Niemals! Zu den Vampiren in die Gruft! Da soll ich freiwillig mitgehen? Hier kannst du mich sowieso nicht entführen. Alle Menschen würden es mitbekommen.“
Ich hatte riesige Angst, doch ich versuchte, mutig zu wirken.
Plötzlich war um uns herum alles wie erstarrt.
„Eine weitere Fähigkeit von mir“ er grinste mich an. „ Entweder du folgst mir freiwillig, oder ich muss dich zwingen. Einen Kampf könntest du sowieso nicht
gewinnen.“
Schon wieder dieses Grinsen. Das hielt ich einfach nicht aus! Kampflos würde ich da sicher nicht mitgehen, soviel war sicher. Ich spürte, wie sich meine Finger krümmten, meine Flügel wuchsen. Erschrocken blickte ich auf. Ich verwandelte mich gerade ohne Trank!
„ Wow! Ich wusste es doch.“ hörte ich den Vampir murmeln.
Ich hatte mich schnell wieder im Griff, und schoss schneller als je zuvor in die Luft. So konnte ich mich von oben auf ihn stürzen, doch er schien diesen Schritt vorausgesehen zu haben und wich geschickt aus und ließ im richtigen Moment seine Hand vorschnellen, sodass sie mit voller Wucht meinen Magen traf. Ich stolperte rückwärts, doch ich konnte mich im letzten Moment noch in die Luft retten. Mir war zwar immer noch etwas schwindlig, aber ich versuchte sofort, ihn zu täuschen. Ich flog vor ihn, tat, als versuchte ich, ihn mit dem Fuß zu treten, ließ dann aber kurz danach meine Krallen hervorschnellen. Treffer! Der Vampir fiel hin und ich wollte die Chance nutzen, doch plötzlich hielt mir jemand von hinten die Hände zusammen. „ Halte still, dann passiert dir nichts“ flüsterte mir dieser jemand ins Ohr. Nein, den hatte ich gar nicht kommen sehen! Was war nur mit meinen Instinkten los? Ich versuchte ihm, mit meinen Krallen den Arm aufzuschlitzen, aber es gelang mir nur halb. Der Typ hinter mir stöhnte zwar, aber er lockerte seinen Griff dennoch nicht. Langsam kam der blonde Vampir wieder zu sich und baute sich vor mir auf.
„ Kleine Kratzbürste! Eindeutig keine Jägerin.“
Ich zischte ihn an.
„ Vielen dank, Seth, ohne dich wäre die Giftnudel hier nicht zu stoppen gewesen.
Folg mir, wir müssen sie zum Chef bringen.“
Demonstrativ stellte ich meine Füße in den Boden und fauchte.
Die beiden Vampire fingen an zu lachen, was mich nur noch mehr anspornte. Meine Krallen bohrten sich in das Fleisch von diesem Seth.
„ Verdammt! Wir schneiden der hier naher die Krallen, sonst sind meine Arme nicht mehr zu retten.“
„ Wenn es nicht anders geht, dann flöß ihr das Zeug halt ein. Wir haben nicht ewig
Zeit.“
Plötzlich spürte ich kalten Atem an meinem Hals. Ich verspannte mich total, weil ich nicht wusste, was die beiden mit mir vorhatten.
„ Schau mal Seth, jetzt sieht unsere kleine Giftnudel gar nicht mehr so mutig aus“ lachte der Blonde.
Ich spürte, wie eisige Lippen an meinem Hals eine passende Vene suchten. Panik überfiel mich, und ich konnte mich nicht mehr bewegen, doch ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich spürte einen kurzen Schmerz, dann fiel ich in Ohnmacht.

Kapitel 3




Ich konnte es nicht glauben! Hatte mich vorhin wirklich ein Vampir gebissen? Mich, Catherie Lindfield? Werde ich mich nun in einen Vampir verwandeln? Ich, eine Jägerin? Wer redete da immer? Wo war ich überhaupt? Und wo war Mell? War ich alleine? Hatten sie mich etwa alleine hier gelassen? Was war passiert? Was hatten diese Vampire mit mir vor? Und wieso waren das so unglaublich viele Fragen?
Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Es war dunkel und ich war alleine, womit eine Frage schon mal geklärt wäre. Ich hing, an Händen und Füßen gefesselt, an der Wand und fror, da ich nicht gerade winterlich gekleidet war. Was fiel diesen Vampiren eigentlich ein? Die Fesseln bohrten sich in mein Handgelenk. Erst jetzt fiel mir auf, dass meine Finger immer noch Krallen waren.
„ Hey, ihr Vampire! Wo seid ihr? Wollt ihr mich hier vergammeln lassen oder was? Ich hab echt kein Bock, hier rumzuhängen!“
Wo waren die nur? Hatten sie mich hier allein gelassen? Das konnte echt nicht sein.
Ich stöhnte genervt.
Doch dann konnte ich sich nähernde Schritte hören. Na, es wurde ja auch langsam Zeit.
Kurz darauf traten Blondie, Seth und ein anderer Vampir in den Raum. Erst jetzt konnte ich Seth richtig sehen. Er war etwas kleiner als der Blonde, hatte dunkelbraune, mittellange Haare und smaragdgrüne Augen. Wow, die waren einfach der Hammer! Ich konnte meinen Blick einfach nicht mehr von ihnen abwenden.
„ Na, wie geht’s Schätzchen?“ Blondie schaute mich verspottend an. „ Es könnte mir besser gehen, wenn ich nicht immer dich sehen müsste,“ gab ich zurück.
„ Schaut, Chef, ich habe euch nicht zu viel versprochen. So was habt Ihr noch nie gesehen. Und wie sie kämpft, das ist unglaublich. Ich wette, sie ist ein Mischling aus verschiedenen Kreaturen, da sie auch nach Mensch riecht. In den Büchern steht auch nichts, was sie sein könnte. Aber schauen Sie sich mal ihre Augen an!“
Ich fauchte Blondie an. Wieso machte er mich nur immer schlecht?
Er kam auf mich zu und fasste an ein Mal an meinem Arm.
Ich wehrte mich und zischte, aber er grinste wieder nur mal und redete auf seinen Chef ein: „ Schauen Sie sich dieses Mal an. Sie hat eindeutig was von einem Vampir in sich, aber ich glaube, hauptsächlich ist sie ein Flemon, wegen ihren Krallen und Flügeln. Die Augen könnten von einer Melive sein, was auch das Gedankenlesen erklären würde.“
„ Wetten, wenn sie nur ein bisschen mehr Vampir wäre, wäre sie fast unschlagbar. Was sollen wir mit ihr tun?“ Seth richtete seine wunderbaren Augen auf mich. „ Wenn wir sie gehen lassen, wird sie noch mehr von uns töten. Doch wenn wir sie, wie die anderen Jägerinnen töten, wäre das sicher eine Schande, so mächtig, wie sie ist.“
„ Du hast Recht, Seth. Wir werden sie aufnehmen und sie wird uns helfe, die Blume zu finden. Aber zuvor müssen wir noch mehr über sie erfahren und morgen wird sie einigen Tests unterzogen werden. Ich gehe nun essen, doch ihr beide werdet noch hier bleiben und sie ausfragen. Wenn ihr soviel wisst, wie ihr braucht, dann gebt ihr was warmes zu anziehen und legt euch schlafen. Sie wird bei euch im Zimmer schlafen und wird in nächster Zeit unter eurem Schutz stehen.“
Nach dieser tollen Rede drehte sich der noch tollere Obervampir um und ging. Ich gähnte gelangweit.
Blondie lachte: „ Beantworte einfach alle Fragen, Püppchen, und dir wird nichts passieren. Wenn du dich aber weigerst, wirst du deine Nacht hier verbringen.“
„ Sam, wir müssen sie nur ausfragen. Sie wird schon antworten.<<
Sam…so hieß Blondie also…
„ Na gut, fangen wir an.“ Sam kam auf mich zu. So nah, dass ich beinahe seinen Körper spüren konnte. Mein Arm kribbelte ohne Pause.
„ Name?“
„ Freundlichkeit oder so was gibt’s bei Vampiren wohl nicht, oder?“ Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, die beiden herauszufordern.
Sam zeigte die Vampirzähne, was wohl eine Art Zähnefletschen sein sollte.
„ Also, wie heißt du, Schätzchen?“
„ Cat,“ brachte ich angewidert hervor.
„ Der Name passt wie angegossen, Kätzchen.“ Sam konnte nicht aufhören zu grinsen.
Doch da fiel ein Blick auf meine rechte Seite. „ Seth, komm mal!“ Er fuhr mit zwei Fingern an meiner Bauchseite entlang. Mein Bauch zog sich krampfhaft zusammen.
„ Schau dir mal die Narbe an! Was hast du da gemacht?“
Das hätte er nicht sagen sollen, weil es schrecklich schmerzhafte Erinnerungen in mir weckte. Ich konnte es ihnen unmöglich erklären, auch wenn ich dann hier unten gefesselt schlafen müsste. Mir standen Tränen in den Augen, und da meine Hände angekettet waren, konnte ich sie nicht einmal wegwischen. Wie peinlich! Ich hatte mir doch vorgenommen, vor den Vampiren keine Schwächen zu zeigen. Toller Plan.
Plötzlich stand Seth direkt vor mir. Er schaute mir in die Augen und sagte: „ Du weinst ja fast! Tut die Narbe weh oder sind es die Erinnerungen?“
Ich konnte nicht antworten, weil ich sonst hundertprozentig losgeflennt hätte, und schaute zu Boden.
„ So kennen wir unser kleines Giftkätzchen ja gar nicht! Möchte es zu seiner Mama?“ Das Kommentar von Sam hatte gerade noch gefehlt. Ich schaute ihn mit grün leuchteten Augen hasserfüllt an. Wie konnte man nur so gefühlskalt sein? Ich spürte meine Kraft, meine Krallen und Flügel. Mit lauter Wucht riss ich meine Arme nach vorne und die Fesseln gaben einfach nach. Ich stürzte mich sofort auf Sam, der mich ungläubig ansah. Ich spürte das warme Blut in meinen Krallen und wusste, wie stark ich war. So schnell würde Sam mich nicht mehr beleidigen, das würde ich ihm jetzt klarmachen. Meine Krallen trafen ihn mitten ins Gesicht und er schrie schmerzerfüllt auf.
„ Du Biest! Hör auf!“
„ Niemals, du bescheuerter Mistkerl!“
Ich holte noch mal aus, doch bevor ich meine Krallen noch mal benutzen konnte, schrie er: „ Ich schwöre dir, ich bringe deine Freundin um! Hör auf, und du darfst sie noch ein letztes Mal sehen. Sie ist hier, ihr bleiben noch fünf Tage zu leben, wenn sie das Rätsel nicht löst.“
Sofort erstarrte ich. Mell, meine beste Freundin! Ich konnte nicht mehr stehen und sackte in mich zusammen. Doch ich landete nicht hart, sondern weich in Seths Armen.

-Cyril-




- Cyril -


Wohin sollte ich gehen? Ich wusste nicht, ob ich geradeaus oder im Kreis lief, aber die Anspannung trieb mich voran. Was war passiert? Was ging hier vor sich?
Auf einmal stieg mir der Geruch in die Nase. Feuer!
Sofort hinderten mich meine Fluchtinstinkte daran, weiterzugehen. Mir fiel sofort auf, dass das Feuer anders war. Es roch zu aggressiv, als wäre es wütend auf den Wald…sehr wütend. Ich musste Hilfe holen, aber wie?
Als Wolf konnte ich unmöglich weiterlaufen, die nächste Stadt musste, den Abgasen nach zu urteilen, hinter der Feuerwand liegen, und gegen Wolfsinstinkte konnte man sich nicht durchsetzen. Als Mensch war ich allerdings zu langsam, um die Stadt noch heute zu erreichen. Würden die Leute den Brand selbst bemerken, oder würde er den halben Wald zerstören?
Nein, die Wälder waren mein zweites Zuhause. Ich konnte jetzt unmöglich weglaufen. Ich stellte mich auf die Verwandlung und ihre Schmerzen ein, bevor ich dachte: „ Eu sunt un lup, eo sunt om.“
Ich schloss die Augen…und nichts passierte. Was? Das konnte nicht sein, ich hatte noch nie Probleme mit meiner Verwandlung gehabt. Was war da los?
Na gut, dann musste ich es eben noch einmal versuchen.
„ Eu sunt un lup, eo sunt om.“
Aber als das Kribbeln erneut ausblieb, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sie hatten mich geholt!
Die Flemonen hatten mich diminuiert!

Vampir - eine Ausnahme ?




Es war früher Morgen, als ich die Augen aufschlug. Ich war in einem Saal mit mindestens zwanzig Vampiren, rechts und links neben mir lagen Sam und Seth. Irgendjemand musste mir ein Nachthemd angezogen haben, aber ich wollte lieber nicht wissen, wer.
„ Na, ausgeschlafen, Kätzchen?“ Erschrocken drehte ich mich um und blickte in Seths grüne Augen. „ J-ja, danke,“ stotterte ich und strich mir schnell eine Strähne hinters Ohr.
„ Du warst hundemüde nach dem Zwischenfall mit Sam. Entschuldige, aber er ist nun Mal so unausstehlich.“
„ Geht es ihm denn wieder besser?“ brachte ich zerknirscht hervor.
„ Weißt du, bei Vampiren heilen die Wunden immer übernatürlich schnell. Ich schätze, ja, aber frag ihn besser selbst. Das mit den Fesseln gestern hab ich echt nicht geglaubt! Die hat noch nie jemand oder etwas durchbrochen, und dann kommst du und machst das so ohne weiteres.“
Ich senkte, rot angelaufen, meinen Blick. „ Ja, ich weiß auch nicht, wie ich das geschafft habe.“
„ Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du mir den Grund deiner Wut verraten würdest, aber wenn du nicht willst, werde ich dich nicht zwingen.“
Seth schaute mich aufmerksam an. Wie süß!
„ Na gut… es gibt eigentlich zwei Gründe. Meine Eltern sind bei einem Autounfall umgekommen. Mein Vater hatte die Kontrolle über den Wagen verloren und wir sind die Klippen hinuntergestürzt. Ich konnte ja fliegen und habe versucht, meine Eltern mit zutragen. Aber sie zogen mich in die Tiefe und wir alle wussten, dass wir bald alle sterben würden. Mein Vater wollte uns retten, indem er sich von mir löste und in die Tiefe stürzte. Er…meine Mutter und ich haben gesehen, wie er uns das letzte Mal angeschaut hat. In seinem Blick war keine Angst, er wollte uns retten, auch wenn es ihn sein Leben gekostet hat. Aber ganz ging sein Plan eben doch nicht auf…leider. Meine Mutter war nämlich immer noch zu schwer für mich. Sie schrie, ich solle sie loslassen, sonst würden wir beide abstürzen. Aber alleine weiterzuleben, und immer zu wissen, dass wir, wenn ich stärker gewesen wäre, noch glücklich zusammen leben könnten, wollte ich nicht. Also hielt ich sie so fest ich nur konnte und strengte mich so sehr an, doch wir konnten nicht an Höhe gewinnen. Dann… sie nahm ein Taschenmesser… sie ritzte mir damit in die Seite, damit ich sie vor lauter Schmerz losließ und ich überleben konnte…Es gelang ihr, obwohl ich ihr hinterher flog, doch ich konnte nichts sehen. Ich musste alleine zurückkehren und damit fertig werden, dass ich an allem Schuld war…“
Die Tränen rannen mir nur so über die Augen und ehe ich mich versehen konnte, lag ich in Seths tröstenden Armen. Er wischte mir mit seinen Fingern die Tränen weg und ich fühlte mich sicher. „ Der zweite Grund…<< weiter kam ich nicht, weil er mir den Finger auf den Mund legte. „ Psst…mehr musst du mir nicht erzählen. „ Er strich mir mit einer Hand durchs Haar. „ Es war sicher schwer für dich.“

Eine brilliante Idee - Achtung: Ironie




Kurze Zeit später saß ich mit Sam und Seth am Frühstückstisch. Sam hatte nur noch ein paar Kratzer, die an die vorherige Nacht erinnerten, aber er schaute mich immer feindselig an. Seine blöden Kommentare wurden mir trotzdem nicht erspart, doch ich befolgte Seths Rat und ging nicht auf sie ein. Die anderen Vampire (und das waren nicht wenige) beobachteten mich aufmerksam, flüsterten, grinsten und pfiffen wenn ich kam, also mussten alle hier von meinem Aussetzer gestern Nacht gehört haben.
Ich fragte mich, was es hier wohl zu Essen geben würde, doch allzu große Hoffnungen, satt zu werden, machte ich mir nicht. Meine Befürchtungen bestätigten sich kurz darauf, und da ich keine Lust hatte, Blutsauger zu spielen, fiel das Frühstück für mich heute (und wahrscheinlich noch ein paar Tage länger) für mich aus.
„ So mutig bist du wohl auch wieder nicht, Kätzchen, aber ein Glas Milch haben wir leider gerade nicht da, „ spottete Samwieder laut. Alle Vampire brachen in Gelächter aus.
Ich wusste, dass das Monster in mir heraus wollte, dass ich mich gleich verwandeln würde. Nein, ich konnte nicht schon wieder in der Öffentlichkeit jemanden verletzen. Ich musste mich einfach zusammenreißen. Ich musste einfach!
„ Miez, miez!“
Wieso konnte der Typ mich einfach nicht in Ruhe lassen? Ich fuhr einmal mit meiner Pranke seinen Arm hinunter, sodass sie und der Arm blutbefleckt waren, und flog dann so schnell ich konnte hinaus in den Garten.
Das war einfach zu viel für mich. Ich sackte auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Nicht weinen, Cat! Nicht schon wieder losheulen.
Samwar ein Loser, er konnte sich nicht anders als mit Worten wehren.. Wenn ich nun nachgab, hätte er sein Ziel erreicht.
Nein, ich musste einfach stark bleiben!
Wenn ich nur…
Plötzlich wurden meine Hände von hinten gepackt und eine Hand legte sich um meinen Hals. Als ich versuchte, mich zu winden, wurde mir nur die Luft abgedrückt, sodass ich keine Chance hatte, zu entkommen. Dann trat ein großer Vampir vor mich, der Aussah, als würde er jeden Tag im Fitnessstudio verbringen. Warum sahen eigentlich alle Vampire so gut aus? Schienen sie nur für Nicht-Vampire so oder lag das einfach an ihrer Rasse?
„ Es wird Zeit, dass du dich den Tests des Chefs unterziehst. Wir bringen dich zu
ihm.“ Die beiden hinter mir fesselten mir die Hände, zogen mich auf die Beine (was nicht gerade angenehm war) und führten mich endlose Gänge entlang, bis wir vor einer riesigen Tür standen. Der Große klopfte an und trat ein. Die hinter mir drängten mich in den Raum und ich stolperte hinein. Als ich mich umblickte, staunte ich. Der Raum war wirklich wunderschön, ganz anders, als man sich das Zimmer eines Obervampirs vorstellte. Die Wände waren kirschrot (ja, blutrot kommt mir zu passend vor), die Möbel waren so ziemlich alle schwarz, wie auch die Vorhänge, die vor den Fenstern hingen.
Na ja, okay, ich gebs ja zu, genau in den Farben stellt man sich ein Vampirzimmer vor, aber das hier wirkte nicht so…es war zu groß, und trotz den Vorhängen und dem schwarz wirkte es hell.
Der Chef saß in einem (schwarzen)Sessel hinter seinem riesigen (schwarzen) Pult. Links von ihm stand Sam, rechts Seth. Mein Blick fiel auf Sams Arm, auf dem nur ein paar rote Stricher zu erkennen waren. Wieso heilten Vampire nur so verdammt schnell? Samentdeckte meinen Blick und grinste mich an. Am liebsten hätte ich mich direkt wieder auf ihn gestürzt und ihm gezeigt, dass ich gefährlicher war, als mein Spitzname schließen ließ, aber leider standen hinter mir die freundlichen Vampire und hielten mich zurück.
„ Chef, hier ist sie. Wir haben sie gut gefesselt, sie kann nicht abhauen.“
„ Vielen Dank, Kiril. Ihr könnt nun gehen.“
Der Mann – ähm Vampir - nickte, und er und die anderen zwei verließen den Raum.
„ Nun, Catherie, lass und wissen, wieso du unsere Artgenossen tötest.“
Was? Konnte sich das der Alte nicht selber denken?
„ Ähm… es ist nun mal mein Job und ich bekommen Geld dafür…“
Mehr viel mir nicht ein, ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht. Wieso hätte ich auch? Der Vampirchef nickte. Als ob der eine Ahnung hätte. Vampire tun immer so, als ob sie die Engel auf Erden wären. Pah! Wie viele mussten sterben, damit Vampire ihr leckeres Blut bekamen? Hatte das ihnen einer mal gesagt? Na ja, eher nicht…
„ Du tötest Lebewesen für Geld?“
Was war das denn für eine Frage?
„ Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich wurde dafür geschaffen, ich bin eine Jägerin.“
„ Catherie, du bist keine Jägerin und wurdest auch nicht geschaffen, um uns umzubringen. Du bist zu etwas wichtigerem bestimmt. Du wirst es nicht wissen, aber zwischen uns, den Flemonen und den Meliven herrscht Krieg. Wir brauchen eine Blume, die nur im Land der Flemonen wächst, um Frieden zu schaffen. Den genauen Ort wissen wir nicht, da wir noch nie in diesem Land waren, doch wir haben eine Karte, die in zweihundert Stücke zerrissen wurde. Das ist immer die Aufgabe der gefangen genommenen Jäger und Jägerinnen. Sie müssen versuchen, diese Karte zusammenzusetzen. Bisher hat es noch nie jemand geschafft, doch deine Freundin scheint der Lösung schon sehr Nahe zu sein. Wenn sie die Karte fertig hat, wirst du dich mit Samund Seth in das Land der Flemonen begeben und die Blume zu mir bringen. Dann seid ihr beide – du und deine Freundin – frei.“
„ Mell schafft das! Wieso muss ich eigentlich mit zu den Flemonen-Dingern? Ihr habt doch genug Blutsauger, die das machen können. „
Ich hatte echt keinen Bock, mich mit meinen zwei Lieblingsvampiren tagelang durch die Wildnis schlagen zu müssen. Doch leider ließ sich der Vampirchef nicht so leicht von seiner tollen Idee abbringen.
„ Du bist nun mal zum Teil Flemon und darfst in ihr Land eindringen. Sam und Seth werden dich nun zu deiner Freundin bringen.“
Der Chef nickte mir kurz zu, dann ging er aus dem Zimmer.
„ So, dann wollen wir dich mal zu deiner Freundin bringen, Katzie“ Sam kam grinsend auf mich zu.
„ Und immer schon bei mir bleiben.“
Ich knurrte ihn an. „ Cat, beeil dich, sonst kommt für deine Freundin jede Hilfe zu
spät.“ Ich starrte Seth erschrocken an. Wieso klang er denn so abweisend? Es bemerkte meine Verwunderung, doch seine Miene blieb unverändert. Seth kam auf nicht zu und zog mich an den Fesseln hinaus auf den Gang. Wie auch vorhin stolperte ich wieder ihm hinterher. Sam konnte natürlich wieder seinen Mund nicht halten: „ Tja, Püppchen, gegen uns beide kommst du doch nicht an.“ Ich schaute ihn wütend an. „ Trotzdem hab ich dich schon zwei Mal fertig gemacht… und heute dir Morgen den Arm aufgeschlitzt.“ Nun grinste ich ihn an. Aber auf einmal zog Seth so stark an meinen Fesseln, dass ich hinflog. „ Verdammt, kannst du nicht aufpassen? Ihr habt kein Recht, mich so zu behandeln!“
Schwungvoll drehte Seth sich um und zischte: „ Dann heul doch! Oder sollen wir dich zur Arena tragen?“
Ich blickte ihn verwirrt an. Was war nur mit ihm los? Umständlich rappelte ich mich auf.
„ Zur Arena? Ich dachte, wir würden zu Mell gehen?“ Ich verstand nicht. Was wollte er in der Arena? War das einer dieser Tests? Sollte ich kämpfen? Und was war mit Mell?
Seth drehte sich plötzlich wieder um und eilte, meine gefesselten Hände im Griff, den Gang weiter (diesmal stolperte ich nicht), bis wir vor einer Türe standen, die sehr schwer aussah. Ich bekam furchtbarer Panik, als ein Schrei zu hören war. „ Mell?“ Ich rief so laut ich konnte. Hätte Seht mich nicht zurückgehalten, wäre ich sofort in den Raum gestürzt. „ Wir können nicht mit dir in die Arena, also hör gut zu. Das ist ein Test, damit der Chef um deine Kampffähigkeiten weiß. Dort drin ist deine Freundin, aber auch ein Monster. Töte das Biest, dann hast du bestanden. Doch es ist nicht einfach, das Monster hat es auf deiner Freundin abgesehen.“
Sam löste meine Fesseln, doch das nahm ich gar nicht war.
„ Geh und zeig, was du drauf hast, Schätzchen!“
Ich konnte immer noch nicht fassen in welch großer Gefahr Mell gerade schweben musste. Wie in Trance schlich ich in die Arena.

Cat, die Retterin in Not




Das erste, was ich sah, was Mell, die wie ein verängstigtes Kaninchen in der Ecke saß. Ihre Augen waren weit aufgerissen, doch als sie mich erblickte, sah ich einen Hoffnungsschimmer.
Ich wollte auf sie zugehen, aber ein lautes Brüllen ließ mich zurückschrecken. In der Mitte der Arena stand das Monster: Es war ungefähr 8mal so groß wie ich, hatte einen Löwenähnlichen Kopf mit beachtlichen Zähnen, zwei kräftige Beine mit mächtigen Krallen, grüne Flügel und einen Schwanz, der wie eine Peitsche wirkte.
Es näherte sich Mell, ich breitete meine Flügel aus und erhob mich in die Luft.
Nur keine Sorge Cat, du kannst das!
Ich klammerte mich an den Rücken des Biestes, es hatte mich zum Glück nicht bemerkt, doch ich wusste, dass ich nun schnell handeln musste. Einen Plan hatte ich zwar schon, doch er ekelte mich so an, dass ich mich anstrengen musste, mich nicht zu übergeben.
Komm schon, Cat, du bist Mells einzige Hoffnung! Ich versuchte mir Mut zuzureden und kroch langsam den Hals der Bestie hinauf. „ Beeil dich, Cat!“ schrie Mell zu mir.
Ich hatte die Stelle, die ich suchte, schon fast erreicht. Nur noch ein kleines Stück. Das Untier machte einen unerwarteten Hüpfer nach rechts, und ich konnte mich nur mit größter Mühe an ihm festhalten. Ich warf einen schnellen Blick auf meine Krallen.
Bring es zu Ende, Cat! Jetzt oder nie!
Mit aller Kraft stieß ich sie in die Halsschlagader des Monsters, aber die Haut war einfach zu dick. Verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Was sollte ich nun tun? Ich versuchte es noch ein zweites Mal, doch wie beim ersten Mal war es zwecklos. Na ja, nicht ganz, denn das Monster hatte mich inzwischen schon bemerkt. Es versuchte, mich abzuschütteln und schnappte nach mir, aber da ich auf seinem Hals saß, erwischte es mich nicht. Okay, also, ich brauchte einen neuen Plan. Ich kroch mit größter Mühe noch weiter den Hals hinauf, bis ich auf dem Kopf des Biestes saß. Ich schluckte noch einmal. Nein, ich konnte das einfach nicht tun, wenn ich nur schon daran dachte, bekam ich eine Gänsehaut. Aber ich musste. Na dann, Augen zu und durch. Ich schaute noch ein letztes Mal auf Mell, dann schloss ich meine Augen und stieß meine Krallen tief in die Augen des Monsters. Dieses stieß einen schrecklichen, schmerzerfüllten Schrei aus, als ich meine Hand mit voller Wucht nach unten zog. Es sackte zu Boden, aber ich war noch nicht fertig. Jetzt, wo ich schon dabei war konnte ich es auch richtig fertig machen. Ich ließ mich wieder zu seiner Halsschlagader hinuntergleiten und fand sofort die richtige Stelle. Ich stieß meine beiden Krallenhände gleichzeitig in den Hals, dann flog ich nach oben, um die Wunde größer zu machen. Ja, es klappte! Ich konnte das Blut schon riechen, also konnte es nicht mehr weit bis zur Ader sein. Ich stieß meine Krallen noch ein letztes Mal in seine Ader, dann zog ich sie nach unten und flog wieder in die Luft. Ja, das Blut spritzte aus dem Hals. Ein sehr schöner Anblick war das ja nicht gerade, aber ich war so erleichtert, dass ich mich erschöpft wieder auf den Hals des Monsters sinken ließ. Aber leider hatte ich vergessen, dass das Tier noch nicht tot war, und so schleuderte es mich gegen die Wand. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Fuß, doch ich kümmerte mich nicht darum, denn Mell kam schon auf mich zu gerannt.
„ Oh Cat, du weißt nicht, wie schrecklich es war, nicht zu wissen, wie es dir geht! Ich bin so froh, dich zu sehen! Das komische Kartenpuzzle ist fertig, und ich weiß, dass du die Blume finden wirst. Ich warte auf dich, und wenn wir wieder zu Hause sind, dann feiern wir ne Party!“
Ich sah meine Freundin verständnislos an. Wir beide waren soeben nur knapp dem Tod entgangen, und schon laberte sie mich mit Zeugs voll, dass noch so weit weg lag.
Zum Glück rettete mich der Chef, der gerade mit Sam und Seth auf mich zukam, vor noch mehr Gebabbel.
„ Catherie, wie geht’s die? Das sah echt fantastisch aus, wie du da gekämpft hast!“ Der Boss war außer sich vor Freude.
Na ja, es schien so, als würde er auf ausgekratzte Augen und aufgeschlitzte Halsschlagadern stehen.
„ Morgen werdet ihr drei losziehen, um die Blume zu finden. In spätestens vier Tagen solltet ihr zurück sein.“
Ich stöhnte auf, als ich versuchte, aufzustehen, weil mein Fuß sofort wieder weggeknickt war. Mir wurde übel und ich sackte zu Boden. Kein Wunder, er war bestimmt gebrochen, so wie ich gegen die Wand geflogen bin.
„ Sam, bring Melanie wieder in ihr Zimmer und lass ihr etwas zu essen bringen. Seth, begleite Catherie bitte zum Arzt, er soll ihr Bein untersuchen. Er soll dafür sorgen, dass ihr morgen aufbrechen könnt. Danach soll sie etwas frisches Anziehen und dann schlafen. Sie ist müde vom Kampf und hat sicher große Schmerzen.
Der Obervampir nickte mir zu, Mell umarmte mich kurz und Sam grinste mich wie immer an, bevor sie gingen. Verunsichert blickte ich zu Seth auf.
„ Ähm… ich kann nicht alleine aufstehen.“ Er schaute mich abschätzend an, dann beugte er sich über mich und zog mich an der Taille auf die Beine. Verlegen schaute ich zu Boden. Seth hielt mich immer noch fest, sodass ich mein Gewicht nur auf meinen gesunden Fuß lagerte.
„ Geht es so?“ Es schwang nicht viel Besorgnis in seiner Stimme und ich wusste, dass er nur seinen Job erledigte, wenn er sich um mich kümmerte. Ich nickte stumm, da ich wahrscheinlich vor Schmerzen losgeheult hätte (was mir sicher nicht allzu viel Ehre gebracht hätte).
So humpelte ich, auf Seth gestützt, zum Heilervampir.
Sehr gesprächig war er ja in letzter Zeit wirklich nicht gewesen, doch da er es sogar vermied, mich anzusehen, ging es echt zu weit. Ich mein, was hab ich denn getan? Mir fiel beim besten Willen nichts ein, wieso er versuchte, mich zu ignorieren. Okay, so
richtig konnte er mich auch gar nicht ignorieren, weil ich ja praktisch an ihm dranhing.
Trotzdem fand ich es deprimierend, so behandelt zu werden. Ich spielte mit dem Gedanken, einfach stehen zu bleiben und ihm meine Meinung direkt ins Gesicht zu sagen, aber da es meinem Fuß kaum wohltuend entgegenkommen würde, hielt ich einfach mal meine große Klappe.
Hey, das war gar nicht mal so eine schlechte Idee- wie du mir, so ich dir; Auge um Auge, Zahn um Zahn. So zu tun, als existiere Seth gar nicht, würde kaum sehr schwer sein. Aber- wenn er schon so tat, als würde es mich nicht geben, dann würde es sowieso nichts nützen, wenn ich ihn ignorierte. Dann täten wir ja beide so, als wäre der andere nicht da und er würde gar nicht merken, dass ich ihn ignorierte. Wenn es ihm aber dann doch nicht ganz gelingen würde, mich zu ignorieren, würde er wissen, dass ich versuchte, ihn zu ignorieren. Doch wenn es dann so wäre, dass er vergessen würde, mich zu ignorieren und merkte, dass ich ihn ignorierte, da er mich genauso ignoriert hatte, wie würde ich dann merken, dass er herausgefunden hatte, dass ich ihn ignorierte, weil er mich zuerst ignoriert hatte? Ich ignorierte ihn ja schließlich auch…
Oh mein Gott, war das alles kompliziert, wenn ich mal so nachdachte. Okay, Cat, nicht denken, einfach machen…

Gedanken über Gedanken




Der untote Wundenheiler hatte mir nur einen Verband um meinen Fuß gewickelt und mir eine Flüssigkeit eingeflößt, von der ich jetzt einen Ausschlag am meiner linken Hand bekam- ja, an meiner HAND!
Aber der Vampir meinte, dass er die Nebenwirkungen bei mir nicht voraussehen hätte können, da ich ja nicht so ein beneidenswerter Vampir wäre. Tja, ich würde nicht direkt sagen, dass ich eifersüchtig auf die Blutsauger wäre, aber ich hatte dem Vampirdoktor einfach zugenickt.
Mit dem Problemchen mit Seth kam ich sehr gut voran...nein, eigentlich ja nicht, da ich ihn ja ignorierte, aber da das ja mein Plan war, kam ich doch so gesehen weiter, oder?
Ach, scheiß drauf! – Ich hatte im Moment noch viel größere Probleme z.B. dass ich, seit Seth und ich uns anignorierten, ich immer so komisch dachte. Vielleicht lag das ja an der Einsamkeit, da man ja mit niemandem reden konnte. So musste man sich halt mit sich unterhalten, und das ging eben besser in Gedanken…Na ja, sehr glaubwürdig klingt meine Theorie ja nicht gerade, aber ich wollte nicht wissen, wie die Gedanken meiner Oma wohl aussahen, da sie ja praktisch den ganzen Tag im Schaukelstuhl verbrachte und niemanden um sich herum hatte.
Und schon wieder fing ich an zu denken…
Tja, so lag ich nun auf meinem Bett und dachte über den Sinn des Lebens - und was es sonst noch alles gab - nach.
Seth und ich hatten uns die ganze Zeit angeschwiegen, dass es beinahe schon wehtat. Wie konnte er heute Morgen nur so nett sein, und nun so tun, als ob ich nicht existieren würde. Hoffentlich würde das nicht die ganze Woche so gehen. Davor hatte ich echt Schiss; Mit Seth und Sam allein zu sein. Wer weiß, was denen noch alles einfiel. Kreativ waren sie ja allemal. Das musste sogar ich ihnen lassen.

Kätzchen auf geheimer Mission




Es war Sommer! Ja, ich konnte echt nicht glauben, dass ich in meiner langen Jeans und der Winterjacke fror! Sam hatte mir ja erzählt, dass die Welt der Vampire und andern Wesen nicht mit der der Menschen verbunden war, aber ich dachte, man würde keinen Unterschied spüren. Die warme Kleidung hatte der Obervampir mir gegeben und ich hoffte, dass alles gewaschen war (wer möchte schon Vampirkleidung anziehen, die vor kurzen noch mit dem Tod in Berührung gewesen war). Danach hatte er Seth, Sam und mich verabschiedet und einen Rucksack in die Hand gedrückt. Er war nicht allzu groß und ich wunderte mich, wie der Vampir da alles hineingestopft hatte. Wir liefen nebeneinander her, okay, eigentlich trottete ich hinter Sam und Seth her. Seth hatte mich heute wieder ignoriert und ich ihn, aber Sam hatte mich natürlich angegrinst und keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu ärgern. Inzwischen konterte ich aber sofort mit einer Gemeinheit, was ihm allerdings zu gefallen schien.
„ Kätzlein, komm mal bitte her.“
Das war Sam…
Ich stöhnte übertrieben. „ Willst du mich foltern?“
Er lachte. „ Nein, diesmal nicht. Obwohl ich tierisch Lust darauf hätte.“
Das konnte ich glauben.
Ich lief schneller, bis ich neben ihm war.
„ Also, was ist?“
„ Halte naher einfach dir Klappe, wenn wir am Tor sind. Und versuche, dich normal zu verhalten.“
„ Was soll das denn jetzt heißen? Dass ich mich nicht normal verhalte? Wenn ich in deiner Haut stecken würde, wäre ich jetzt ganz schnell leise! Außerdem, wieso soll ich da nichts sagen?“ Als ob Sam mir was befehlen könnte! Ich mach, was ich will und wenn er ein Problem damit hat, soll er woanders hingehen.
„ Cat, tu einfach, was er sagt. Wir können es uns nicht leisten, wenn du alles versaust.“
Ich starrte Seth an. Er hatte wieder mit mir geredet!...Okay, er hatte mich dabei nicht angesehen, aber immerhin.
„ Genau, Kätzchen, mach was ich sage. Es kann ein bisschen schwer sein, in das Flemonenland zu kommen. Und da du keine Ahnung hast, sollst du einfach still sein.“ Grins.
„ Wenn du aufhörst, mich immer so dumm anzugrinsen, dann überleg ichs mir vielleicht.<<
Daraufhin streckte er mir die Zunge heraus und wir lachten beide los.

Ich konnte mich kaum noch bewegen als wir am Tor ankamen. Die Kälte hatte mich starr gemacht und ich hätte keine weitere Stunde mehr durchgehalten. Die Mauer war riesig, sie schien endlos und kaum überwindbar. Sie war mindestens 200m hoch, sodass ich sie sicher nicht überfliegen hätte können. Also nicht, dass ich das vorgehabt hätte. Ich blickte schnell zu Seth, der im Rucksack nach irgendetwas suchte. Anscheinend konnte er es nicht finden, weil Sam ihm den Rucksack aus den Händen riss.
„ Lass mich schauen, so verschlossen, wie du zur Zeit bist, kommst du einem nicht sehr hilfsbereit vor. Wenn du ein Problem hast, dann dreh um; So, wie du die Stimmung verdirbst, hab ich echt keinen Bock, mich weiter mit dir herumzuschlagen.“
Seth schaute Sam plötzlich böse an. „ Wenn du wüsstest! Sei froh, dass du nicht in meiner Haut steckst!“
Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, aber als Seth ihn bemerkte, drehte er sich ruckartig weg. Innerlich seufzte ich. Was war nur mit ihm los? Es musste ja wirklich schlimm sein, aber er könnte uns doch sagen, was er hat...
Sam hatte seine Rucksacksuche erfolgreich beendet und hob nun stolz ein kleines Säckchen hoch. „ War doch gar nicht so schwer. Keine Ahnung, wie blind Seth sein musste, um dich zu verfehlen.“
„ Jetzt bin ich aber beeindruckt, Sam. Hätte nicht erwartet, dass du heute noch fertig wirst. Was ist denn in dem Beutel?“
Ich wollte Sam das Säckchen wegnehmen, doch er warf es schnell zu Seth, der es, obwohl er gerade noch weggeschaut hatte, problemlos auffing. Vampirische Reflexe…
„ Nix für kleine Kätzchen“ Sam grinste, aber er genoss, dass er was hatte, was ich wollte. Ich boxte ihn in die Rippen. „ Wenn ich mit euch fertig bin, würdet ihr euch wünschen, ihr hättet es mir lieber gleich gegeben.“ Und als kleinen Vorgeschmack krallte ich mich in seinen Oberarm.
„ Aah, Katzie, lass das! Spars dir für die Flemonen.“
Klar, sich immer Ausreden suchen! So konnte man sich auch vor dem Kämpfen drücken.
„ Gut, dann kannst du mir ja jetzt hoffentlich etwas über die Funktion dieses Säckchens erzählen. Das wäre mir sehr entgegenkommend, Blutsauger.“
Sam überlegte nicht lange. „ Na ja, es hilft den Flemonenwächtern. Dadurch sollte ihnen ihre Entscheidung leichter fallen, ob sie uns durchlassen. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Also komm, das Beutelchen brennt schon auf seinen neuen Besitzer.“

...




Kurz darauf standen wir an der Holztür> Tor wäre zu übertrieben gewesen. Eigentlich war nur die Mauer groß, sonst nix.
„ Das Tor.“ Ich schaute abschätzend an dem Türchen entlang. „ Hättest du mir nicht gesagt, dass das hier das Tor wäre, hätte ichs wahrscheinlich übersehen. Wie kann man eine Holztüre Tor nennen? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Da ist ja noch meine Haustür größer. Gut, dann hab ich eben ab jetzt ein Haustor…wie bei einer Burg“
Ich grinste Sam an. „ Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Wahrscheinlich ist das hier nur eine Hintertür und das richtige große Tor ist hundert Meter weiter.“
Sam deutete zur Antwort nur mit dem Kinn über den Türrahmen. Irgendwie kam ich mir veräppelt vor. Über der Tür stand in großen roten Buchstaben ‚Tor’.
Ich schnaubte. „ Na gut, dann lass uns mal an das Tor anklopfen.“
Ich ging vor und wollte klopfen, doch Sam zog mich nach hinten.
„ Hey, was ist los?“ Sam drehte sich zu mir um.
„ Denk mal stark darüber nach, was ich vorhin zu dir gesagt habe. Wenns dir wieder einfällt, informiere mich bitte darüber.“
Dann schlug er mit dem Fuß gegen das Tor. „ Pass auf, sonst bricht die Tür noch ein.“ Er grinste mich an und meinte: „ Ich pass schon auf unser Türchen auf. Ihm passiert nichts, dafür werde ich sorgen.“
Kaum hatte er sich wieder umgedreht wurde die Tür geöffnet. Ich fragte mich, warum ich mir noch nie Gedanke über das Aussehen der Flemonen gemacht hatte, wo ich doch selbst zum Teil einer war.
Auf alle Fälle sah der Wächter, bis auf die Flügel, aus, wie ein gut gebräunter Mensch. Er wäre vielleicht ein etwas größerer Bürger gewesen, aber sonst hatte er nichts Magisches an sich, bis auf die Rüstung, die ihn aussehen ließ, als käme er direkt aus dem Mittelalter.
„ Was wollt ihr?“ Also sehr freundlich und interessiert schien er ja nicht gerade. Außerdem war er bestimmt schon seit Wochen nicht mehr unter der Dusche gewesen, ich konnte den Geruch bis hier hin riechen. Auch Seth schien ihn nicht für sehr gepflegt zu halten, denn er drehte sich weg. Aber er schien nicht nachgedacht zu haben, denn so stand er mir direkt gegenüber. Ich zog eine Augenbraue hoch, als er sich schnell in die andere Richtung drehte. Was hatte er nur gegen mich? Ich nahm mir vor, ihn in den nächsten paar Tagen mal zur Rede zu stellen. So konnte das wirklich nicht weitergehen.
„ Wir sind auf der Suche nach Cats Vater und müssen euer Land durchqueren. Sie müssen wissen, Cat hat Flemonenblut in sich und hat so das Recht dazu.“
Mir blieb der Mund offen stehen, als ich hörte, wie leicht Sam diese Lüge gelang. Na ja, er konnte ja schlecht sagen, dass Vampire abergläubisch waren und eine Blume brauchten, die den Krieg beenden würde.
„ Wir hätten hier auch etwas, was Ihnen gehört, wenn Sie uns durchlassen.“ Sam hielt das Säckchen hoch, doch der Blick des Wächters war immer noch auf mich gerichtet. Langsam wurde mir das unheimlich, schließlich hatte ich noch ein Wort gesagt. Ach soo, jetzt fiel mir wieder ein, was Sam meinte, als er mich von der Tür weggezogen hatte: Ich sollte meine Klappe halten.
„ Sorry, Wächter, aber ich darf eigentlich nichts sagen…
Sam hat mir das vorhin verboten, und mir ist das gerade wieder eingefallen. Aber bitte, könnten Sie mal woanders hinschauen? Es macht mir echt Angst, wenn ich immer so angestarrt werde.“
Der Wächter warf mir einen fragenden, Sam und Seth einen ziemlich wütenden Blick zu. Ich musste grinsen, das war einfach zu komisch, wie ich im Mittelpunkt stand. Aber plötzlich sprach der Wachmann zu mir.
„ Die Augen und diese Haare…dein Name und dann auch noch die Stimme. Das kommt mir alles bekannt vor.“
Hä? Wie bitte? Na ja, der musste sich täuschen, denn ich war definitiv zum ersten Mal in dieser Fabelwesenwelt.
„ Ist dein Nachname nicht zufällig Lindfield?“
„Äähm….<< Das konnte nur ein Zufall sein…Ein dummer, sehr zufälliger Zufall. Die halbe Welt hieß doch schließlich Lindfield, oder nicht? Okay, nicht wirklich…
Aber seien wir doch mal ehrlich. Es kann doch nicht sein, dass ein Flemonenwärter, der ein mickriges Tor zum Flemonenland einer andern Welt bewacht, meinen Nachnamen kannte. Hmm…ich könnte ihn ja auch einfach mal fragen.
„ Okaay, das ist ein wenig unheimlich. Woher weißt du das denn? Ich meine, ich bin dir noch nie begegnet und führe auch keine Brieffreundschaften, durch die du meinen Namen kennen würdest.“
„ Du bist Catherie Lindfield, die Vampirjägerin, die Tochter meines besten Kumpels Christian. Ich hab ihm ja oft genug gesagt, dass es ein Fehler war, dich in dieser Menschenwelt alleine zurückzulassen, aber er wollte dich einfach nicht zu sich holen. Er meinte, es wäre so besser für dich.“
„ Momentchen mal. Also bevor du fremde Leute veräppelst, solltest du wissen, dass nicht alle einen Vater haben. Mein Dad ist vor sieben Jahren bei einem Autounfall in der Menschenwelt ums Leben gekommen, genau wie meine Mum.“
„ Hm…wenn du aber weißt, dass dein Vater tot ist, wieso hat dein Freund dann vorgegeben, ihr würdet ihn suchen?“
Verdammt, ich hätte doch lieber meine Klappe halten sollen.
„ Ich…ähm…Ja, wir suchen nicht meinen leiblichen, sondern meinen Pflegevater.“
Puuh, das war knapp, aber ich hatte das Problem perfekt gelöst. Ich schaute stolz zu Sam, aber verdrehte nur die Augen.
„ Na dann…wenn du aber denkst, dass dein Vater tot wäre, dann muss sein Schutzzauber perfekt funktioniert haben. Weißt du, Flemonen können durch einen Schutzzauber vorgeben, etwas anders zu tun, als sie in Wirklichkeit machen. Dein Dad ist also nicht dir Klippe hinuntergestürzt, wie du dachtest, sondern ist weggeflogen.
Er hat es nur durch seinen Schutzzauber euch vorbehalten.
„ Du…du meinst das ernst? Also das mit meinem Vater? Und woher weißt du das mit der Klippe?“
Natürlich meine ich das alles ernst. Christian hat mir den Unfall mindestens zwanzig Mal genau geschildert, das hat echt genervt. Aber ich bring dich sofort zu ihm. Und wage es ja nicht, mich daran zu hindern.“
Ich schaute unsicher zu Sam, der sich daraufhin auch mal zu Wort meldete.
„ Entschuldigung, aber wir müssen in vier Tagen wieder zu Hause sein und können uns keine Verzögerungen leisten.“
Shitt, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wir mussten uns wirklich beeilen. Aber ich konnte doch nicht so nahe an meinem Vater sein, den ich sieben Jahre lang für tot gehalten hatte und dann einfach weitergehen, ohne ihn auch nur einmal gesehen zu haben. Und wenn ich nun die Chance hatte, meinem Vater zu begegnen, dann werde ich sie nicht vergehen lassen, nur um so eine Blume zu finden. Ich werde nämlich sicher nicht so schnell wieder ins Flemonenland kommen.
„ Gut, dann bring mich zu ihm.“
„ Cat, was soll das? Willst du ns mit Absicht Ärger machen? Komm, dafür haben wir jetzt wirklich keine Zeit.“
Cool, in Seth scheint langsam wieder Leben gekehrt zu sein. Komisch, man braucht nur die richtigen Dinge zu sagen, und schon redet ein Vampir wieder mit einem.
Sam schaut mich wütend an, doch das war mir so ziemlich egal.
„ Hey, kommt schon. Könnt ihr es denn nicht verstehen, dass ich nicht einfach so an meinem Vater vorbeilaufen kann, den ich zum letzten Mal vor sieben Jahren gesehen habe, als er in den Tod stürzte? So gefühlskalt könnt doch selbst ihr Vampir nicht sein.“
„ Kätzchen, wir sind nicht gefühlskalt, aber wir haben einen Auftrag, den wir schnell erfüllen sollen. Ich versteh dich ja, aber wir brauchen jede Stunde, die wir haben.“
„ Och Sam…nur ein paar Minütchen. Ich werde mich kurz halten.“
„ Catherie, vielleicht wäre es besser, wenn ihr Vampirfreunde hier vor dem Tor warten würden. Es wäre wesentlich besser für uns alle.“
„ O nein, das können sie gleich vergessen. Cat geht da nicht alleine rein. Wenn ihr was passiert, sind wir schuld.“
„ Genau, wir gehen mit. Unser kleines Kätzchen braucht doch seine Bodyguards.“
Ich schaute die beiden verwirrt an, da ich nicht erwartet hätte, dass sie immer noch zu mir halten.
„ Na gut, dann kanns ja losgehen.“
Der Wächter ging voraus und so blieb uns nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Vaterliebe




Der Wächter führte uns in ein Haus, na ja, eher in eine Villa. Mit einem riesigen Garten und mindestens fünf Stockwerken sah es wirklich aus wie ein kleines Schloss. Die Auffahrt zur Haustür war ziemlich lang und sorgfältig gepflastert und vor der Tür plätscherte ein Springbrunnen.
Ich weiß, es war dumm von mir, dass ich vorhin dachte, dass sich mein Vater nicht verändert hatte, aber wer kommt schon auf den Gedanken, dass sich sein Dad zu den Millionären gesellt hat?
Mir schossen auf einmal tausend Fragen in den Kopf. Würde er mich sofort wieder erkennen? Mich gleich freundlich empfangen und mir sagen, wie sehr er mich vermisst hatte?
Oder würde er auf mich herabschauen, als ob er mich damals loswerden wollte?
Ich muss zugeben, dass ich wirklich Angst hatte. Kaum zu glauben, dass sich mein Leben binnen ein paar Tagen so verändert hatte. Früher hatte ich Vampire gejagt und mein Leben gelebt, ohne an die Vergangenheit zu denken. Und jetzt war ich hier mit zwei Vampiren um meinen Vater zu besuchen. Na toll…
„ Cat, denk daran, dich nicht allzu lang da aufzuhalten.“
„ Ja klar, ich sag nur kurz > Hallo, ich bins, deine Tochter < und dann können wir sofort wieder abhauen.“
„ Schauen wir mal, ob du das wirklich schaffst, Katzie.
Das bezweifle ich nämlich stark.“
Wir hatten inzwischen die Eingangstür erreicht und der Wächter klingelte. Keine zehn Sekunden später wurde dir Tür geöffnet und ein Butler stand und gegenüber.
„ Wie kann ich ihnen helfen?“
Ich hatte schon meinen Mund geöffnet, um etwas zu sagen, aber der Wächter war schneller. „ Wir wollen Mr. Lindfield sprechen. Sagen sie ihm, seine Tochter ist da.“


Als wir das Haus betraten war ich geschockt. Mein Dad war bestimmt kein Millionär, eher ein Milliardär!
Der Eingangsbereich war riesig, sodass hier bestimmt ein Tyrannosaurus-Rex locker hereinspazieren hätte können. Alles war grau, und das sah so edel aus, dass man am liebsten in der Mitte des Raumes ging, nur, um nicht die –grauen- Wände zu berühren.
An denen hingen übrigens Gemälde, bei denen es mich nicht gewundert hätte, wenn ein paar echte Da Vincis oder Van Goghs dabei gewesen wären.
Zwischen den Bildern standen Palmen und andere Bäume in –grauen- Töpfen und in der Mitte des Bereiches war ein –grauer- Brunnen, in dem das Wasser an den Steinen hinunterfloss, wie bei einem kleinen Wasserfall. (Flemonen schienen Wasser sehr zu mögen).
Der Butler war stehen geblieben, damit wir auch wirklich alles bewundern konnten, aber der Wächter, der das hier wahrscheinlich schon öfters betrachtet hatte, drängte ihn.
„ Bitte, wir haben nicht allzu lange Zeit. Die drei müssen weiter, um Catherines Pflegevater zu finden und haben dazu nur vier Tage Zeit.“
„ Gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob es dem Herrn gefallen wird, wenn seine Tochter mit zwei Vampiren hier auskreuzt. Es ist eine Schande, dass solche Kreaturen dieses Haus überhaupt betreten, und dann gibt sich so ein edles Mädchen auch noch mit ihnen ab. Das wird kein gutes Licht auf unser Haus werfen.“
„ Passen Sie auf, was Sie sagen, Butler. Wir sind Kätzchens Beschützer und da, um aufzupassen.“
Ich konnte es mir vorstellen, dass es Sam nicht gefiel, wenn er beleidigt wurde, aber wir waren hier nicht im Vampirland, sondern in dem ihrer Feinde. Wenn das nur gut ging…
„ Ich glaube wohl kaum, dass eine Vampirjägerin in dem Haus ihres Vaters und ihrem Heimatland den Schutz zweier Vampire benötigt, die sie ohne Probleme beseitigen könnte. Mir ist es ein Rätsel, wieso sie das nicht schon längst getan hat.“
„ Sicher könnte sie uns umbringen und ich weiß nicht, ob sie da vorhat, aber solange sie uns hilft, bleiben Seth und ich bei ihr und das kann ein Flemonenbutler auch nicht ändern.“ „ So so…Sie hilft euch, Ich dacht ihr helft ihr bei der Suche nach ihrem Pflegevater.“ Der Butler schaute Sam prüfend an. Oh oh, nur nicht verplappern Sam. „ Es ist so, dass wir von ihrem Pflegevater provitieren können. Wir helfen und quasi gegenseitig.“
„ Könnten wir jetzt dann bitte weitergehen? Ich möchte meinen Vater heute noch sehen.“
Der Butler nickte. „ Gewiss, Miss Lindfield.“
Er lief voraus und Sam und Seth stellten sich neben mich, was wirklich den Anschein von zwei Bodyguards erweckte und mich die Augen verdrehen ließ. Sam bemerkte das und unterdrückte ein Lachen, weil ich ihm meinen Ellbogen in die Seite rammte.
Wir liefen ewig durch die Villa, vorbei an noch mehr Brunnen und Bildern und Palmen, riesige Treppen nach oben, bis ich dachte, höher ginge es nicht mehr, bis wir an einer Tür ankamen, die torhafter als das Tor wirkte.
Der Butler klopfte dreimal und die Tür wurde von einem weitern Diener geöffnet. Der Butler trat beiseite und deutete uns, in das Zimmer zu gehen. Da wir nicht alle drei nebeneinander durch die Tür passten, bestand Sam darauf, dass er vor und Seth hinter mir lief. Ich fand das ziemlich übertrieben, aber im Moment hatte ich andere Probleme. Zum Beispiel, dass mir, als ich das Zimmer betrat, so viel Macht entgegenkam, dass ich auf die Knie fiel. Dann ging alles ganz schnell. Sam und Seth wollten mir helfen, aber vier Wächter stürzten sich auf die beiden und hielten sie an die Wand gedrückt.
Der Wächter vom Tor stand lächelnd neben einem Mann, von dem die Macht auszugehen schien. Dieser lächelte ebenfalls und sagte: „ Catherie, wie lange habe ich nach dir gesucht und jetzt kommst du freiwillig zu mir. Was für ein Glück! Erkennst du mich wieder? Oder muss ich es dir sagen? In solchen Filmen errät das Opfer immer, wer der Böse ist, das macht das alles viel dramatischer. Also musst du jetzt ganz erstaunt meinen Namen flüstern und dann sag ich: > Ja, genau Schätzchen, ich bins. < Gut, dann leg los, Catherie.“
Äähm…okay, also der hatte irgendwie keine Teetassen mehr im Schrank. Aus alle Fälle musste ich ihm die >Rate-mal-wer-ich-bin-Nummer

-Cyril-




- Cyril -

Blitzschnell wich ich den Bäumen aus, die auf mich zurasten – oder eher andersrum, da ich durch den Wald rannte.
Die Stimme in meinem Kopf war lauter geworden. Sie drängte mich in diese Richtung, ich wusste nicht, wieso, und was mich dort erwartete. Immer weiter, immer schneller…ich was zu langsam und bald am Ende meiner Kräfte.
Nein, dieses Mal musste ich durchhalten, nicht schon wieder aufgeben. Ich rannte, als ob eine Herde Flemonen hinter mir her wäre, nahm nichts mehr um mich herum wahr, vertraute nur auf Bruder Wolf, dass er uns sicher dorthin führte – dorthin, wo die Stimme uns hetzte..

Byebye, Leben




Dunkelheit – der Sinn des Wortes veränderte sich schlagartig für mich. Vor der Dunkelheit hatte ich mich nie gefürchtet, nein, schon als kleines Mädchen liebte ich die Nacht. Sie bedeutete Sicherheit, Geborgenheit für mich. Einsamkeit. Ich konnte nichts sehen, mich konnte niemand sehen. Niemand, dem ich ins Gesicht schauen musste, niemand der mich beobachtete, niemand, vor dem ich mich korrekt verhalten musste - niemand, vor dem ich mich fürchtete.
Die Dunkelheit war lange Zeit mein bester Freund gewesen.
Doch diese Dunkelheit war anders. Kalt, sie verschlang mich, sie war unendlich. Sie machte mir Angst, sie beobachtete mich. Ich drehte mich, doch ich schien stillzustehen. Es war leise, zu leise. War ich taub? War ich blind? Moment – war ich tot? Ich atmete nicht mehr!
Verzweifelt rannte ich. Rennen? Wo was denn der Boden?
Ich stolperte – keine Zeit, nachzudenken, worüber – und fiel. Ich fiel ins Unendliche.


- Cyril -

Eine Lichtung. Die Stimme war unerträglich laut, ich verdrängte den Instinkt, die Pfoten über dem Kopf zu verschränken, denn ich musste weiter.
Ich sah sie – zwei Personen, nein, Vampire. Sie knieten vor etwas. Ich bremste, schlich mich an die Gruppe heran, nicht, weil ich es wollte, sondern weil die Stimme es mir befahl. Ich umkreiste sie, zog die Bögen aber immer enger.
Sie bemerkten mich nicht, waren zu beschäftigt.
Endlich könnte ich einen Blick auf es erhaschen. Es lag zwischen den beiden Vampiren, die sich anschrien.
Wieso wurde mir das erst jetzt bewusst?
Auf dem Boden lag ein Mädchen, ein totes Mädchen.

Ich schlich nun nicht mehr, sondern lief direkt auf die Personen zu.
Als sie mich bemerkten, schauten sie mich wütend an, stellten sie vor die Tote.
Ich senkte unterwürfig meinen Kopf.
Wieso tat ich das?
Die Stimme. Sie kontrollierte mich vollkommen, ich konnte mich nicht wehren.
Die Vampire schenkten mir noch einen letzten traurigen Blick, einer senkte ebenfalls kurz den Kopf – ein flüchtiges Nicken – bevor sie sich wieder zu dem Mädchen knieten.
Ich schaute sie mir genauer an, schnupperte an ihr. Sie roch stark nach Flemonen, doch sie war keines dieser Monster.
Seltsam.
Ich spürte die Blicke ihrer Begleiter auf mir, sie waren verwundert.
An was war das Mädchen gestorben? Ich konnte keine schwere Verletzung feststellen.
Ihr Handgelenk! Es roch so stark nach Flemonen, dass mir davon übel wurde.
Gift tropfte aus der Wunde, Flemonengift.
Es tötete schon nach wenigen Minuten. Oder fast. Genaugenommen war das kein Tod, es war schlimmer.
Genau gewusst habe ich das nicht, aber im Rudel erzählte man Geschichten, schauerliche, die mich in meinen schlimmsten Träumen verfolgten.
Doch es gab eine Möglichkeit, die Opfer zurückzuholen – wenn ihr Tod noch nicht zu lange zurücklag.
Für mich war das Gift nicht tödlich, mein Blut enthielt ein Gegenmittel.
Da ich nicht mit den Vampiren reden konnte, beschloss ich, es einfach zu versuchen.
Noch ein letztes Mal schnupperte ich an der Wunde - dann biss ich hinein.




Plötzlich zog mich etwas nach oben. Ganz sicher war ich mir nicht, aber es fühlte sich schrecklich an.
Ich wollte wieder fallen, das war angenehmer. Ich war müde, wollte endlich schlafen, mich ausruhen.
Ich wollte diesen Schmerz in meiner Hand nicht mehr spüren, ich wollte alleine sein.
Ich ließ die Augen zu, wartete einfach ab, was passierte.
Der Schmerz wurde immer schlimmer, mein Körper fühlte sich kaputt an, er war nicht mehr so schön leicht wie vorher.
Stimmen? Ich konnte wieder hören! Doch sie waren leise, als ob ich tausende von Kilometern entfernt wäre. Sollte ich antworten? Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt einen Ton zustande bringen würde.
Aber jetzt, da ich wusste, dass ich weder tot noch taub war, konnte es gut sein, dass ich wieder schreien konnte.
Mein Mund öffnete sich wie von selbst. Und ich schrie.


- Cyril -

Die Vampire erstarrten, als sie es hörten. Sie schauten mich verwundert an.
Ich hatte es schon lange bemerkt, doch meine Ohren waren auch um einiges besser.
Ihr Herz schlug wieder.
Es war schwer, Bruder Wolf sehnte sich nach mehr Blut, und ich musste ihn zurückhalten, dass er sich nicht zu viel nahm, nur das vergiftete.
Das Mädchen fing an zu zittern, sie musste große Schmerzen haben, doch ich konnte nichts dagegen tun.
Sie würde es überleben.
Einer der Vampire nahm ihre Hand, er konnte ihren langsam zurückkehrenden Puls spüren.
Der andere stand auf und lief hin und her, bis er sich schließlich wieder neben mich setzte, er schien unentschlossen.
Das Mädchen atmete wieder, zu schnell, zu heftig – aber sie atmete.
Ich ließ von ihrem Handgelenk ab, das Gift müsste jetzt alles aus ihrem Körper sein.
Erst jetzt fiel es mir auf: Die Stimme war weg. Sie wollte das Mädchen retten, keine Frage, aber wieso? Wer war dieses und was war besonders an ihr?
Ich konnte die Vampire schlecht fragen…wie sollten sie mich verstehen?
Hoffentlich fiel mir noch etwas ein, denn aus der Sache konnte und wollte ich nicht so schnell wieder verschwinden.
Das Mädchen hatte eine Aufgabe, vielleicht konnte sie mir auch helfen, meine menschliche Gestalt wiederzugeben.
Ich musterte sie genau. Ich wusste immer noch nicht, was für ein Wesen sie war, aber wie sollte ich das herausfinden?
Nachdenklich schaute ich den Wald, als ein Schrei ertönte.
War die Stimme wieder zurück? Hatte ich etwas falsch gemacht?
Ich schüttelte meinen Kopf.
Nein, diesmal klang es realer, nicht nur in mir drin.
Ich schaute zu dem Mädchen und erstarrte.
Sie saß aufrecht, verschwitzt, sie schrie – und ihre Augen leuchteten grün.




Lärm.
Schwindel.
Todesschmerzen.
Mehr gab es in diesem Moment für mich nicht.
Hände legten sich auf meine Schultern und schüttelten mich.
Noch mehr Schwindel.
Übelkeit.
Und Schmerzen.

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich saß und die Augen geöffnet hatte.
Ich blinzelte und schüttelte meinen Kopf, meine Schmerzen ließen etwas nach.
Die Hände ließen von mir ab und zwei Gestalten traten in mein Blickfeld – Seth und Sam.
Beide schauten erschrocken zu mir herab, Sam ging neben mir in die Hocke und fasste mir an die Stirn.
„Du hast sehr hohes Fieber. Und deine Augen leuchten.“
Mehr nicht?
Hey, ich war gerade eben fast gestorben und sie bemerkten nur meine Augen?
Meine Schmerzen, meine schrecklichen Erlebnisse in der Dunkelheit, das interessierte sie nicht?
Ich stand etwas zu schnell auf und taumelte, doch als ich sicher stand, entdeckte ich den Wolf am anderen Ende der Lichtung – er blickte mich direkt an.


- Cyril -

Die grünen Augen richteten sich auf mich, das Mädchen sah mich verwirrt an.
Ich ging näher an die Gruppe heran und stellte mich neben die Vampire.
Der Blonde schaute mich an, als ob er mich vergessen hätte – was er wahrscheinlich auch hatte. Dann kniete er sich vor mich und es schien, als würde er nach den passenden Worten suchen, bevor er schließlich sagte: „ Danke. Ich schätze, du bist einer der Werwölfe, die sich hierher verirrt haben. Wenn du dich verwandeln würdest, wäre das hier sicher einfacher und du könntest uns antworten.“
Und nun? Das war doch das Problem: Ich konnte mich nicht zurückverwandeln und so nicht mit ihnen reden.
Ich winselte, damit sie wussten, dass ich sie verstanden hatte, dann stellte ich mich auf die Hinterpfoten, sodass ich aufrecht wie ein Mensch stand und schüttelte den Kopf.
Hoffentlich würde sie das verstehen.
Ich schaute zuerst zu dem Mädchen – es zog die rechte Augenbraue hoch – dann zu dem kleineren Vampire, der die Stirn runzelte und schließlich zum blonden Blutsauger, der mich nachdenklich musterte.
Wieder winselte ich, was sollte ich sonst tun?
„Verwandle dich doch einfach zurück“ Der Blonde schaute leicht genervt.
Ich schüttelte den Kopf und stellte mich wieder auf.
Das Mädchen kam näher und stellte sich neben den Vampir. „Heißt das, du kannst dich nicht wieder in einen Menschen verwandeln?“
Erfreut nickte ich und setzte mich hin, der schwierigste Teil war geschafft.
Sie blickte nun die Vampire an und fragte: „Wer ist das? Könnt ihr mir vielleicht zuerst mal sagen, was mit mir passiert ist und wieso ich jetzt wieder bei Bewusstsein bin? Ich hatte nämlich stark bezweifelt, dass ich die Welt noch mal wiedersehen würde.
Gerade eben bin ich so knapp dem Tod entgangen und steh nun schon vor einem Wolf, der uns in Zeichensprache etwas mitteilen möchte. Das ist etwas verwirrend.
Außerdem leide ich unter tierischen Schmerzen, bin am verhungern und todmüde, was meine Stimmung nicht gerade hebt.“
Das Mädchen – ihre Augen leuchteten immer noch – verschränkte die Arme vor der Brust und sah ziemlich verärgert aus, obwohl man unter der Fassade auch Schmerzen, Müdigkeit und Verwirrtheit erkennen konnte.
Der blonde Vampir nickte, doch dann schaute er noch zu mir herab. „Du kannst mit uns mitkommen, wenn du möchtest. Doch vielleicht möchtest du erst einmal wissen, mit wem du es zu tun hast. Das da“ - Er zeigte auf den anderen Vampir – „ist Seth, aber zur Zeit ist er etwas seltsam.“ Seth schenkte dem Vampir einen gespielt bösen Blick. „Das hier ist Catherie“ Ich schaute zu dem Mädchen, das mich daraufhin angrinste und meinte: „Wenn du wieder reden kannst, darfst du mich Cat nennen“, worauf sie wiederum einen warnenden Blick von dem großen Vampir erntete.
„Nimm sie nicht immer erst, meistens will sie dich nur ärgern. Nun, ich bin Sam. Aber…wie heißt du?“
Ich schaute mich um, lief dann zu einer Stelle, an der die Erde locker war nahm einen Stock in den Mund und wartete, bis die anderen neben mir standen, bevor ich meinen Namen in den Boden ritzte.
„Cyril?“ Catherie schaute mich an, worauf ich nickte.
„Na gut, Cyril, dann lass uns mal einen geeigneten Rastplatz suchen.“ Sam drehte sich um und wir folgten ihm in den Wald hinein.

...




Etwas Warmes kitzelte mich an der Nase und weckte mich, da ich niesen musste. Ich drehte mich zur Seite, doch das führte nur dazu, dass mir etwas Hartes in meinen Arm stach und ich mich wieder auf den Rücken legte. Ich stieß einmal die Luft aus, bevor ich begann, die verschiedenen Schmerzen zuzuordnen. Mein rechter Fuß tat zwar weh, aber da war nichts Ernsthaftes. Schlimmer sah es mit meinem Handgelenk aus, von dem immer noch brennende Hitze auszugehen schien, die meinen ganzen Arm verbrennen wollte. Mein Schädel brummte gewaltig und mein Rücken war verspannt, was wahrscheinlich an dem harten Boden lag, auf dem ich diese Nacht geschlafen hatte.
Gestern hatten wir noch Stunden nach einem geeigneten Schlafplatz gesucht, doch…was war dann passiert? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich hierher gekommen war, die Erinnerungen hörten plötzlich auf, bestimmt war ich einfach zu müde zum Denken gewesen.
Jetzt lag ich jedenfalls hier und versuchte mühsam, meine Augenlider zu heben, die mir so schwer wie Steine vorkamen. Ich war todmüde, doch als ich ein Winseln hinter mir hörte, schreckte ich hoch, sodass ich saß. Meine Augen weit aufgerissen, wurde ich von einem derart hellen Licht geblendet, dass ich sie gleich wieder schloss und mich umdrehte, in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
Erneut öffnete ich vorsichtig meine Augen, die sich nun langsam an die Helligkeit gewöhnten und mir den mir gegenübersitzenden Wolf zeigten.
Wir saßen zu zweit in einer Höhle, die nur ungefähr fünf Meter lang und breit, dafür aber mindestens doppelt so hoch war. Der Stein war seltsam dunkel mit einem merkwürdigen Muster von weißen Linien, die sich verschnörkelt über die ganze Höhle erstreckten.
Eine Seite unseres Schlafplatzes war offen, sodass ich erkennen konnte, dass wir uns am Fuß eines Berges befanden, kaum höher als der Fluss, der vor der Höhle verlief.
Der Fluss faszinierte mich vom ersten Augenblick an: Er verlief in kleinen Kurven, sein Wasser war türkis und glitzerte so stark, dass es mich blendete, mich jedoch fesselte, sodass ich meinen Blick nicht abwenden konnte. Libellen segelten über den Bach, ihre Flügel reflektierten die Sonne und wirkten wie kleine Diamanten, die man diesen keinen Wesen angeklebt hatte.
Der Fluss hatte etwas Magisches an sich.
Ich riss mich von seinem Anblick los und wandte mich wieder dem Wolf zu.
„Guten Morgen, Cyril. Weißt du, wo Sam und Seth sind?“
Der Wolf nickte und zeigte dann seine Zähne, mit denen er sich in seine Pfote kniff.
Aha. Sie waren also jagen, daran hatte ich nicht mehr gedacht. Natürlich brauchten sie Blut. Schaudernd musste ich wieder an die Situation mit dem Herz im Hause meines Vaters denken, wie mir ebenfalls solche Vampirzähne gewachsen waren und ich das Blut getrunken hatte. Verwandelte ich mich nun in einen Vampir? Seth hatte mich schließlich am Baggersee gebissen. Ein eiskalter Schauer überlief mich, als ich diese Möglichkeit in Erwägung zog. Ich war eine Jägerin, ich durfte nicht zu einem Blutsauger werden. Aber ich hatte auch schon seit meiner Geburt Vampirblut in mir, wenn man Sam glauben durfte. Vielleicht kam diese Seite nur stärker zum Vorschein, wenn ich mich lange mit Vampiren abgab. Ich beschloss, dass ich diese Theorie mehr mochte und entschied mich dafür, dass sie stimmte.
Noch immer nicht ganz wach rappelte ich mich auf, streckte mich, sodass jeder einzelne Knochen zu knacken schien und lief aus der Höhle. Es war angenehm warm und ich setzte mich in der Sonne ans Ufer, ließ das kühle Wasser meine Füße umspielen. Dankbar genoss ich die Wärme. Waren solche Temperaturschwankungen hier normal? Gestern wäre ich in der Winterjacke noch fast erfroren und heute wünschte ich mir, eine kurze Hose dabeizuhaben. Meinen Pullover streifte ich mir ebenfalls ab, sodass ich nun in einem Top in der Sonne meine Arme bräunen konnte. Ich stützte mich mit meinen Armen hinter mir ab, legte meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

„Was zum Teufel...!“, schrie ich erschrocken auf, als etwas Kaltes mein Gesicht berührte. Ich riss meine Augen auf und fasste mir mit den Händen an den Kopf. Für einen kurzen Moment hatte sich mein Gehirn anscheinend verabschiedet, aber nach einem Blinzeln realisierte ich, dass es nur Wasser war, was mein Gesicht kühlte. Und als ich ein Lachen hinter mir hörte, wurde mir sofort klar, dass es nur Sam gewesen sein konnte, der mich nassgespritzt hatte. „Na warte...!“, drohte ich, während ich aufstand und mich umdrehte. Mit immer noch grünen Augen, die sich seit dem Schock gerade eben verfärbt hatten, ging ich auf Sam zu und bohrte ihm meinen Zeigefinger in die Brust – was nicht sehr weit war, denn sein muskulöser Oberkörper war steinhart. Ich erntete nur ein amüsiertes Grinsen. „Du bist ja ganz nass, Kätzchen“, meinte er und strich mir ein Paar nasse Strähnen aus dem Gesicht. Mit einem Blick in seine rabenschwarzen Augen trat ich noch einen Schritt näher an ihn heran. „Fass mich nicht an.“ Ich betonte jedes Wort einzeln, sie tropften beinahe vor Gift. „Schon gut, schon gut“, sagte er beschwichtigend, hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. Wirklich beeindruckt wirkte er allerdings nicht. Mein Blick fiel auf Seth, der sich abgewandt hatte. Der Anblick ließ mich zögern. „Ist irgendetwas passiert?“, fragte ich verunsichert. Als weder Sam noch Seth mir antworteten, legte ich eine Hand nachdrücklich auf Seths Schulter. Dieser schüttelte sie ab und ignorierte mich weiterhin. „Sam!“, wandte ich mich an den anderen Vampir. Er seufzte und zuckte die Achseln. „Die Wälder scheinen wie tot, es gibt kein einziges Tier.“ Verwundert blickte ich zum Fluss. „Fische gibt es genug.“ Zu meiner Überraschung folgte kein bissiger Kommentar, sondern eine ernste Antwort. „Fische sind keine Nahrung für uns Vampire. Vermutlich haben die Flemonen die Wälder absichtlich ausgerottet. So kann kein Vampir hier lange überleben und keiner zu einer Gefahr für diese Mistkerle werden. Allein nach einem halben Tag ohne frisches Blut lassen die Vampirkräfte nach, somit können sie einem Angriff innerhalb des Landes verhindern.“
„Schon nach einem halben Tag?“, fragte ich mit Unglauben. „Das heißt, ihr braucht dringend Blut, wir sind seit knapp einem Tag unterwegs.“
“Wie aufmerksam von dir“, zischte Seth. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Nur nicht gleich so bissig, Lady!“, gab ich zurück. Allerdings war ich nicht ganz bei der Sache, denn mein Inneres versuchte gerade, die einzige Möglichkeit, die wir laut meines Verstandes hatten, zu akzeptieren. Nach kurzem Zögern siegte mein Verstand und ich legte meine Haare alle über meine linke Schulter. „Nun, dann bleibt uns nichts anderes übrig“, ich deutete auf meinen nackten Hals. „Im Gegensatz zu euch kann ich durch die Fische und Früchte wieder zu Kräften kommen.“
Zwei Augenpaare starrten mich überrascht an. Sam ergriff zuerst das Wort. „Bist du dir sicher ?“ Nein, war ich nicht. Aber es blieb mir keine Zeit zum Antworten, denn sofort meldete sich Seth zu Wort. „Das ist eine lächerliche Idee. Zuerst einmal reicht dein Blut nicht für uns beide. Außerdem bist du ein Mischling, wahrscheinlich wird dein Blut grauenvoll schmecken.“
Mir blieb der Mund offen stehen. Was für eine Unverschämtheit! „Du kannst auch einfach ablehnen, es ist nicht nötig, mich zu beleidigen!“, zischte ich. Dann wandte ich mich an Sam. „Ich habe keine Lust, zwei halbtote Vampire mit mir herumzuschleppen. Also bitte tu mir den Gefallen und trink das Blut.“ Sams Blick hing an meinem Hals, während er mit mir redete. „Versteh mich nicht falsch, ich brauch das Blut und habe kein Problem damit, von dir zu trinken, aber ich fürchte, dass du das später sehr bereuen wirst.“ Ungeduldig trat ich von einem Bein aufs andere. „Ich bin mir sicher, dass das die richtige Entscheidung ist. Solange du mich nicht vollkommen leer trinkst oder mich wieder ohnmächtig werden lässt, habe ich kein Problem damit.“ Das sagte mir zumindest mein Verstand. „Keine Sorge, du bist damals ohnmächtig geworden, weil Seth dir Gift eingeflößt hat, nicht weil er dein Blut getrunken hat.“ Ich nickte. „Dann bin ich einverstanden.“ Sam stand unmittelbar vor mir, strich mir die Haare noch einmal aus dem Gesicht und über die Schulter und legte meinen Kopf auf die linke Seite. Ich zitterte leicht, anscheinend war mein Körper ebenfalls anderer Meinung als mein Verstand. Mein Atem ging flach und ich schloss meine Augen. Ein sanftes Lachen kam von Sam, ich konnte spüren, wie er sich zu mir herunterbeugte. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dir nicht weh tun“, flüsterte er an mein Ohr. Ich nickte, mir blieb kaum Zeit, mich über seine Sanftheit zu wundern. Mit einer Hand stützte er meinen Kopf, den anderen Arm schlang er einmal um meine Taille. Überrascht zuckte ich zusammen, doch gleichzeitig beruhigte mich diese Stütze. Ich fühlte mich sicherer und bemerkte, dass ich nicht mehr zitterte.
Im nächsten Augenblick konnte ich die Kälte von zwei Spitzen an meinem Hals spüren - Sams Zähne. Ich krallte eine Hand in Sams Schulter, während er anscheinend eine geeignete Stelle zum Beißen suchte. Und dann biss er zu – na gut, ich gebe ja zu, dass es nicht vollkommen unerwartet kam, aber dennoch zuckte ich zusammen. Als wollte er mich beruhigen, strichen seine Finger an meinem Kopf entlang. Dann drückte Sam mich plötzlich an die nächste Höhlenwand. Ich schnappte nach Luft, meine noch freie Hand hielt sich an dem kalten Stein fest und gab mit zusätzlich Halt. „Sam“, stieß ich hervor, meine Bedenken kehrten zurück. Aber der Vampir ignorierte mich - und fing an zu trinken.
Es war anders. Es tat nicht weh. Es war – angenehm. Ich konnte es nicht abstreiten. Das Gefühl, das mich überkam, als Sam mein Blut trank, gefiel mir. Genau einordnen konnte ich es nicht, aber es fühlte sich an, als stünde ich am höchsten Punkt einer Achterbahn. Das Kribbeln in meinem Bauch, ob es nun an Adrenalin lag oder nicht, war überwältigend. Mein Atem beschleunigte sich, ich öffnete die Augen – und starrte direkt in Seths. Ich wusste, dass meine eigenen grün leuchteten, dass Sams geschlossen waren, und dass Cyrils mich interessiert musterten. Aber was Seths Augen ausstrahlten, konnte ich nicht deuten. Verwirrt schloss ich die meinen wieder, das überwältigende Gefühl vervielfachte sich, meine Hände suchten nach mehr Halt, krallten sich stärker in das, was sie umschlossen. Sam veränderte seine Position. Er hob mich etwas höher als zuvor, was allerdings nicht um vieles anstrengender sein dürfte, weil meine Beine sich schon spätestens seit dem Biss in Pudding verwandelt hatten. Seine Zähne gruben sich nun tiefer in meinen Hals, er schluckte gieriger. Ich konnte nur hoffen, dass er wusste, wann er aufhören musste und dass er das dann auch tat, denn ich war nicht in der Lage, ich von mir loszureißen. Dass er nicht vorhatte, innerhalb der nächsten paar Sekunden von mir abzulassen, merkte ich, als er sich stärker an mich drückte. Ich bekam kaum Luft, aber ich konnte mich nicht wehren. Es wird alles gut, redete ich mir ein. Und dann ließ ich mich einfach fallen. Ich konzentrierte mich auf das Gefühl, auf den Moment, auf mich und den Vampir. Wie viel Zeit verging, konnte ich nicht sagen.
Und dann bekam ich plötzlich wieder Luft. Ich spürte, wie Sam seine Zähne zurückzog, seinen Kopf hob und mich nicht mehr an die Wand drückte. Meine Füße berührten den Boden, doch sie knickten ein, und hätte Sam mich nicht immer noch gehalten, wäre ich wie eine Schachfigur umgefallen. Ich spürte seinen Atem in meinem Haar, als würde er leise lachen. Er ließ meinen Kopf los und strich mir noch einmal einige Strähnen aus der Stirn. „Du darfst deine Augen wieder öffnen, du lebst noch“, sagte er leise, mit einem amüsierten Unterton. Allerdings könnte ich schwören, dass sich seine Stimme eine Nuance rauer anhörte. „Ich glaube, du hast mich fast leer getrunken“, murmelte ich etwas benommen und blinzelte. Meine Arme hingen um Sams Hals, der mich mit einem seltsamen Blick bedachte. „Schau mich nicht so an, das ist gruselig.“ War ich high? Ich fühlte mich zumindest so. Oder redete ich immer so komisches Zeug? Ich legte meinen Kopf auf die andere Seite. „War mein Blut so ekelhaft wie Seth befürchtet hat?“, fragte ich, obwohl ich das meiner Zunge nicht befohlen hatte. Sam verkniff sich erfolglos ein Grinsen. „Keine Sorge, es war köstlich. Obwohl – vielleicht wäre das gerade ein Grund zur Sorge.“ „Untersteh dich!“, warnte ich ihn etwas lauter, aber höchstwahrscheinlich hörte sich meine Drohung nicht sehr ernst an. „Wenn du mich heimlich noch einmal beißt, dann schneide ich deine Zähne ab!“ Ich nahm meine Hände von seinen Schultern, doch er hielt mich immer noch um die Taille. Mit aller Kraft, die ich im Moment aufbringen konnte, drückte ich gegen seine Brust, damit er mich losließ – ich bezweifelte, dass er überhaupt merkte, was ich mit meinem Kraftaufwand bezwecken wollte. „Kätzchen, beruhig dich. Du kannst nicht alleine stehen und du bist ziemlich durch den Wind. Seth ?“, er drehte sich um, doch als ich seinem Blick folgte, bemerkte ich, dass Seth nicht mehr in der Höhle war. Sam seufzte und zuckte die Schultern. „Dann eben nicht.“ Er trug mich nach draußen in die Sonne und setzte mich vorsichtig an den Felsen. Der Vampir ließ sich neben mir nieder und schaute mich interessiert an. Da ich nichts mit dem Blick anzufangen wusste, amte ich seinen Blick nach. „Was?“, fragte ich mit einem abwehrenden Ton. Sam lehnte sich an den Stein in seinem Rücken, legte seinen Kopf zurück und drehte ihn zu mir. „Du hast noch keinen Anfall bekommen“, stellte er fest. Ich schnaubte und lehnte mich ebenfalls zurück. „Ich bin keine Schneeflocke, die schmilzt, wenn man sie anfasst.“ Sam grinste und starrte in den blauen Himmel. Der Nebel in meinem Innern verzog sich allmählich und ich konnte endlich wieder klar denken. „Sam! Ich kann es nicht leiden, wenn du etwas denkst, was du mir eigentlich sagen solltest, es mir dann aber verschweigst!“ Daraufhin hatte ich Sams ungeteilte Aufmerksamkeit. „Es hat dir gefallen.“ Wieder eine Feststellung. Diesmal allerdings mit einem breiten Grinsen. Ich boxte ihn in die Schulter, um nicht antworten zu müssen. Den Schlag ignorierte er einfach und beugte sich zu mir hinüber. „Du hattest anfangs ganz schön Angst“, sagte er wohlwissend. „Und du wärst umgekippt, schon bevor ich getrunken hatte, wenn ich dich nicht gehalten hätte. Du warst mir vollkommen ausgeliefert, es hat mich gewundert, dass du das zugelassen hast. Aber – es hat dir gefallen“, wiederholte er und schaute mich amüsiert an. Ich vermied den direkten Blickkontakt und seufzte. „Nenn es, wie du willst. Bild dir ein, was du möchtest. Aber ich habe einen Mordshunger.“ Sam grinste und rappelte sich auf. „Dann werde ich ein paar Früchte für das Kätzchen suchen gehen.“ Kaum hatte er den Satz beendet, war er auch schon weg.
Genaugenommen war ich froh, ein paar Minuten für mich alleine zu sein. Das Ereignis zuvor hatte mich aufgewühlt und erschöpft zugleich. Mein Körper wollte nur noch schlafen, meine Gedanken konnten dagegen keine Ruhe finden. Wieso hatte ich das Angebot überhaupt aufgegeben? Warum hat es mir gefallen, wie Sam mein Blut getrunken hatte? Konnten alle Vampire ihre Opfer so manipulieren, dass diese sich wohlfühlten, während sie sich von ihnen nährten? Nachvollziehbar wäre das zumindest.
Meine Hand streifte durch das Gras, welches meine Fingerkuppen kitzelte. Erneut schloss ich die Augen. Ich würde mir nur eine kurze Ruhepause gönnen, denn schließlich mussten wir weiterziehen. Wo Seth wohl war? Ich hatte nicht mitbekommen, wann er gegangen war. Das letzte Mal, als ich ihn sah, hatte er diesen komischen Ausdruck auf dem Gesicht. Vielleicht war er ja doch noch einmal auf Beutesuche gegangen, nachdem er nicht von mir trinken wollte. Zugegeben, es hatte mich verletzt, als er meinte, mein Blut würde höchstwahrscheinlich grauenvoll schmecken, und selbstverständlich war ich sauer auf ihn. Aber das alles hätte mich nicht davon abgehalten, auch ihm etwas von meinem Blut zu geben. Schließlich musste auch er mit uns reisen, und wie ich vorhin laut ausgesprochen hatte, konnten wir uns einen schwachen Gefährten nicht leisten.
Es waren kaum 10 Minuten vergangen, bis meine Ohren ein Rascheln wahrnahmen, was sich in Schritte verwandelte und dann immer näher kam. „Aufwachen, Kätzchen!“, riss mich Sams Stimme aus meinen Gedanken. Ich öffnete meine Augen und sah ihn, vollbepackt mit Obst, auf mich zukommen. Er setzte sich gegenüber von mir auf den Boden und legte die Früchte vor sich. Ich zog meine Knie an den Körper und schaute interessiert die ‚Beute’ an. Neben Äpfeln und Bananen – ich konnte mir nicht erklären, wie die bei diesem Klima überhaupt in freier Wildbahn wachsen konnten – lagen unidentifizierbare andere Dinge. Die Farben reichten von lila bis zu türkis mit rosa Punkten, die Formen von rund zu quadratisch. Ich streckte meine Hand aus und griff vorsichtshalber nach einem Apfel. „Wo hast du denn die alle aufgetrieben?“, fragte ich Sam, während ich meine Auswahl näher unter die Lupe nahm. Da ich nichts seltsames an dem Apfel bemerkte, biss ich hinein. Entgegen meinen Erwartungen schmeckte er fruchtig. Aber im ernst, wer vermutete denn, dass die Früchte hier so reiften, wenn tags zuvor noch Minustemperaturen herrschten? „Obstsammeln ist um einiges leichter als lebende Beute zu jagen. Schließlich verstecken sich Früchte nicht und rennen auch selten davon“, meinte Sam, während er anscheinend interessiert zuschaute, wie ich in den Apfel biss. Ich drehte ihn einmal in der Hand. „Bin ich vorhin etwa geflüchtet? Das würde deine These widerlegen, denn du musstest dich nicht anstrengen, um an Blut zu kommen.“ Aufmerksam wartete ich auf seine Reaktion. Er kämmte sich lediglich mit einer Hand durchs Haar und stützte sich nach hinten ab. „Damit hättest du meine These widerlegt“, stimmte er zu. „Allerdings ist das keine natürliche Situation, nur in den seltensten Fällen bieten sich Lebewesen als Blutquelle an, ob aus dem Nervenkitzel oder einfach aus Dummheit. Schließlich verliert das Opfer jegliche Kontrolle, ist dem Vampir völlig ausgeliefert. Wer würde das freiwillig zulassen?“, meinte er mit einem fragenden Blick auf mich. Ich nahm einen weiteren Bissen, um Zeit zum Nachdenken zu bekommen. Er fragte mich indirekt, wieso ich ihn trinken lassen hatte. „Es war notwendig. Außerdem habe ich keine Angst vor dir.“ Dabei sah ich ihn nicht an, spürte aber, dass es sich nach vorne beugte. „Cat, ich weiß dass du Angst hattest. Ich weiß auch, dass du Seth und mir nicht vertraust, weil wir Vampire sind. Das mag jetzt abgedroschen klingen, aber wir sind nicht durch und durch böse. Wir sind zwar keine Menschen, aber das macht uns nicht zu blutrünstigen Monstern.“ Ich schnaubte und blitzte ihn an. „Ach ja? Hätte ich denn einen Grund zur Angst?“ Schwäche zeigen wollte ich auf keinen Fall. „Schließlich kann ich kämpfen und mich selbst schützen. Außerdem seid ihr blutrünstig, du konntest nicht ablehnen, als ich dir mein Blut angeboten habe. Macht euch das nicht zu Monstern?“ Zugegeben, ich hatte übertrieben, was ich spätestens bemerkte, als ich die kantige Oberfläche des Felsens in meinem Rücken spürte. Blitzschnell war Sam aufgestanden, hatte mich nach hinten an die Wand gedrückt, meinen Kopf zur Seite gelegt, und drückte mit seinen Fangzähnen so auf meine Haut an meinem Hals, dass sie gut zu spüren waren, mich aber nicht verletzten. Meine Finger krallten sich in seine Oberarme und ich stieß einen erstickten Schrei aus. „Lass mich los, du Schwein!“, zischte ich ihn an. Daraufhin hob er den Kopf etwas und sah mich an. „Damit wären deine Aussagen widerlegt“, meinte er in einem zufriedenem Ton. „Zuerst einmal hast du Angst, du zitterst.“ Das hatte ich gar nicht bemerkt, doch nun hörte ich meinen Kiefer klappern. „Zweitens“, fuhr er fort, „ hast du keine Chance, mich davon abzuhalten, dein Blut erneut zu trinken.“ Sam machte eine kurze Pause, in der er seine Zähne über meinen Hals gleiten ließ und mich damit schaudern ließ. „Drittens kann ich deinem Blut widerstehen, ansonsten wäre dein Teint längst nicht mehr so frisch. Und viertens und somit letztens“, bemerkte er mit einem Blick auf seine Arme, „Hast du deine Triebe längst nicht so gut unter Kontrolle wie ich. Ob man das nun als ‚Monster’ bezeichnen kann, ist fraglich, doch anscheinend hast du in der Aufregung gar nicht bemerkt, wie du meine Arme aufgeschlitzt hast.“ Verwirrt warf ich einen Blick auf sein Shirt – und erschrak, als ich meine Hände sah. Meine Finger hatten sich zu spitzen, langen Krallen verformt, die den Stoff und die darunter liegende Haut durchlöchert hatten. Als hätte ich mich verbrannt, ließ ich seine Arme los und starrte auf das Blut an meinen Krallen.
„Es... es tut mir so leid“, stammelte ich, nach den richtigen Worten suchend. „Das ist mir wirklich noch nie passiert.“ Seinen Angriff hatte ich schon wieder vollkommen vergessen. „Ich wollte nicht...“, mit meinen wieder normalen Fingern strich ich vorsichtig über eine der Löcher, „Das war nicht meine Absicht.“ Wieso hatte ich plötzlich so ein Schuldgefühl? Am Tag zuvor hatte ich noch Herzen aus lebendigen Körpern gerissen und jetzt wurde ich sentimental wegen zehn kleinen Löchern? Was war nur mit mir los?
Sam trat einen Schritt zurück und bedachte mich mit einem ruhigen Blick. „Vergiss die kleinen Kratzer. Ich wollte dir lediglich zeigen, dass du uns weder unterschätzen noch verurteilen sollst. Natürlich warst du wegen des Blutverlustes geschwächt, aber wir müssen das hier zusammen durchstehen, und das geht nur, wenn wir einander vertrauen. Hast du wirklich gedacht, dass ich so hinterlistig über dich herfalle, nachdem ich bereits vorher von deinem Blut getrunken habe?“, fragte er mich, seine Stimme fast schon zu ruhig. Ich schaute auf die zerrissenen Ärmel des Shirts. Tatsächlich hatte ich ihm zugetraut, dass er meine momentane Schwäche ausnutzte, dass er ohne Erlaubnis von mit trank, sich einfach nahm, was er sich nehmen konnte. Was ich antworten sollte, wusste ich dagegen nicht. „Kätzchen...“, täuschte ich mich oder schwang in seiner Stimme ein Hauch Enttäuschung mit?
„Habt ihr vor, hier Wurzeln zu schlagen, oder wäre es in Ordnung, wenn ich euch hier unterbreche und wir uns weiter auf den Weg machen?“ Seth. Gut gelaunt wie immer. Aber ausnahmsweise war ich froh, dass er aufgetaucht war. Ich nickte in seine Richtung, schaute kurz zu Sam, bevor ich in die Höhne ging, um Cyril zu holen.

Die unendliche Reise




Stundenlang waren wir nun unterwegs. Meine Füße schmerzten allmählich und mein Magen knurrte schon wieder. Die Sonne knallte unbarmherzig vom Himmel und erschwerte den Weg zusätzlich. Die Winterjacke trug ich um meine Schultern gelegt, am liebsten hätte ich sie einfach liegengelassen. Auch Sam und Seth hatten ihre Jacken ausgezogen, Seth trug den Rucksack auf dem Rücken. Wir liefen querfeldein, laut Sam immer der Karte nach, und überquerten gerade eine Wiese. Cyril war im Wald verschwunden, wahrscheinlich um zu jagen, er würde sich uns wieder anschließen, wenn er satt war. Seth lief mit einigem Abstand hinter mir, Sam hielt einige Meter vor mir das Tempo hoch. Es wurde nicht geredet, die Stimmung war ziemlich mies, wobei ich zugeben muss, dass meine Laune nicht unbedingt zu einer Besserung beigetragen hätte. Meine Haare klebten an meiner Stirn und meinem Nacken, meine Füße wurden taub, ich hatte Hunger und meine Hand kribbelte ohne Unterbrechung – ich verfluchte in diesem Moment meine einstige Hilfe zum Aufspüren von Vampiren. Alles in Allem hielt ich meine schlechte Laune für gerechtfertigt.
„Wie lange ist es denn noch?“, rief ich genervt zu Sam. Heute war der zweite Tag, wenn wir dieses verdammte Blümchen heute noch finden würden, hätten wir die Hälfte unserer Zeit für den Rückweg, was sicher ein Vorteil wäre. Sam drehte sich zu mir um und lief nun rückwärts, trotzdem war er mir noch einige Meter voraus. „Wenn du weiter so trödelst, kommen wir in einer Woche nicht an!“ Ein Grinsen – das ihm schlagartig verging, als er mit einem Fuß irgendwo hängen blieb und stolperte. Er hatte sich gerade wieder aufgerichtet, als ich an ihm vorbeischritt. Nun machte er ein paar große Schritte und ging neben mir hier. „Es ist nicht mehr allzu weit, aber ich fürchte, wir müssen die Nacht durchlaufen, damit wir in der vorgegebenen Zeit wieder zu Hause sind.“ Sam hielt die Karte vor mich und zeigte mit einem Finger auf etwas Blaues, was das durchgängige Grün unterbrach. Wie konnte er sich hier nur orientieren? „Da ist der Fluss, den wir überqueren müssen. Ich weiß nicht, wie breit und tief er ist, aber ich wette fünfzig Liter Blut darauf, dass wir nass werden.“ Sein Finger wanderte weiter, nun durch ein geschmackloses Moosgrün, bis zu einem kalten Grau. „Durch den Wald besteigen wir den Berg, auf dem wir in einigen Metern Höhe ein paar dieser Blumen finden sollten.“ Sam faltete die Karte zusammen und steckte sie in die Hosentasche. Die Hand ließ er gleich mit dem Papier darin verschwinden, mit der anderen strich er sich die nassen Haare aus der Stirn. Als ich das sah, legte sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. Sam bemerkte es und zog fragend die Augenbrauen nach oben. „Was?“, fragte er resigniert, anscheinend beunruhigte ihn mein Stimmungswandel.
. Ich zuckte nur die Achseln und grinste weiter. Natürlich wollte ich ihn damit nur auf die Palme bringen, denn er hasste es, nicht über alles Bescheid zu wissen. Als Dankeschön stieß er mich mit dem Ellbogen in die Schulter. Und ja, es tut weh, wenn ein Vampir dich auch nur zum Spaß in die Seite boxt. Ich zog eine Grimasse und hielt eine Hand auf die Schulter, das würde sicher einen fetten blauen Fleck geben. Grinsebacke hatte selbstverständlich wieder einen amüsierten Ausdruck auf dem Gesicht, den ich mit einem beleidigten erwiderte. Aber anstatt sich zu entschuldigen, steckte er beide Hände in die Hosentaschen und ging fröhlich weiter. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ich gewettet, dass er jeden Moment anfing zu pfeifen – obwohl, selbst jetzt, da er ja ein Vampir ist, rechnete ich jeden Augenblick damit. Soweit kam es aber nicht, denn bereits nach ein paar wenigen Minuten stoppte er abrupt, und ich mit ihm. Vor uns war der Bach. Oder Fluss. Oder sollte ich sagen, der OZEAN? Auf jeden Fall war da ziemlich viel Wasser. Und es floss reißend schnell. Wahrscheinlich lebten da drin Krebst, Piranhas, Haie und Wale, die sich alle auf uns freuten.
Dürfte ich servieren? Die Vorspeise trägt heute den Namen ‚saurer Vampir’, kann ich vor allem den Hungernden empfehlen, die Bitteres mögen und von dieser blutleeren Mahlzeit nicht zurückschrecken. Etwas ganz anderes ist die Hauptspeise. ‚Grinsebacke mit Lacherbsen’ sollte für jeden Geschmack etwas sein – heute im Sonderangebot. Zum Schluss das Dessert ...


Nein, soweit würde ich es nicht kommen lassen. Bevor ich als Nachtisch endete würde ich hier warten, bis die beiden Blutsauger auf dem Rückweg hier vorbeikamen.
Sam schien sich keinerlei ähnliche Gedanken gemacht zu haben, denn er schaute zwar konzentriert an das andere Ufer, das man kaum am Horizont erkennen konnte, zog sich aber bereits das Shirt aus. Seine Jacke hatte er im Gras abgelegt, genau wie Seth, der mittlerweile zu uns aufgeschlossen hatte. Er stand neben Sam, war aber nicht damit beschäftigt, sich auszuziehen. „Leute, wollt ihr hier noch übermorgen stehen? Wir müssen da rüber, und wie simpel es auch klingt, wir müssen schwimmen, etwas anderes bleibt uns nicht übrig“, Sam stand nun oberkörperfrei und in Boxershorts am Ufer – und nur damit ihr euch dessen bewusst seid, meine Augen taten nicht, was ich wollte, sondern hatten ihren eigenen Willen ! Sie wanderten über die muskulöse Brust und den Sixpack, der nicht unecht wie der eines Anabolikers aussah, sondern perfekt zu ihm passte. Moment – perfekt ? Seit wann benutzte ich dieses Wort in einem Satz mit Sam? Meine Augen schien das nicht zu kümmern, sie wanderten seine Arme hinauf, bis zu seinem Bizeps. Ich musste den Drang unterdrücken, ihn anzufassen, starrte nur auf den straffen Muskel, der nicht zu groß ... Stop, Stop, Stop ! Was in aller Welt tat ich denn da ? Ich schüttelte meinen Kopf, um meine Augen von Sams – wirklich leckeren – Körper zu reißen und um meine Gedanken wieder zu sortieren. Als mir das gelang, bemerkte ich zwei Augenpaare auf mir. Unangenehm. Hatten sie meinen verschlingenden Blick bemerkt? In Gedanken schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel. „Erde an Cat! Würdest du uns bitte antworten?“ Sams ungeduldige Stimme holte mich endgültig zurück in die Realität. Ich schaute ihn verständnislos an, da ich anscheinend eine Frage verpasst hatte. Der Vampir seufzte und trat ein paar Schritte näher. „Kannst du auf die andere Seite fliegen?“ Er betonte jedes Wort, als würde er mit jemandem reden, der eine andere Sprache spricht und machte dabei mit seinen Armen Flatterbewegungen. „Mit deinen Flügeln“, fügte er hinzu.
„Ich bin nicht schwer von Begriff“, sagte ich in einem meiner Meinung nach viel zu gelassenem Ton. Was war nur mit mir los ? Der Apfel von heute Morgen, er war hundertprozentig vergiftet! Das musste es sein. Ich ging also an Sam vorbei, stellte mich ans Ufer und zog mein Top aus, damit meine Flügel es nicht zerrissen, wenn sie aus meinen Schulterblättern wuchsen. Dann konzentrierte ich mich. Noch nie hatte ich versucht, meine Flügel absichtlich zum Vorschein kommen zu lassen, noch nie ohne den Zaubertrank. Ich stellte mir vor, wie es sich anfühlte, wenn sie wuchsen; wie es sich anfühlte, zu fliegen, der Wind auf der Haut, die Schwerelosigkeit. Ich dachte an Vögel, die mit ihren Flügeln schlugen, an Schmetterlinge. Und dass ich nun ebenfalls Flügel bekommen würde.
Nur leider passierte rein gar nichts. Frustriert drehte ich mich zu den Vampiren um und zuckte die Achseln. „Es funktioniert nicht auf Knopfdruck. Bis jetzt habe ich mich nur mithilfe des Zaubermittels oder in einer Stresssituation verwandelt. Wahrscheinlich ist es so etwas wie ein Abwehrmechanismus meines Körpers.“
Ich bekam keine Antwort. Stattdessen bemerkte ich, dass sowohl Seth als auch Sam mich musterten. Ich kam mir nackt vor, doch anmerken lassen würde ich mir das nicht. „Das lässt sich leicht erfüllen“, meinte Sam – bevor er sich auf mich stürzte und mich mit sich nach hinten in den Fluss warf.


Mein Schrei war ohrenbetäubend laut, bis er plötzlich abbrach. Das Wasser erstickte meine Stimme – und war eiskalt. Ich wusste nicht, wie weit es bis zur Oberfläche war, ich wusste nicht einmal, wo sie war. Das einzige, was ich spürte, war diese Kälte. Und Sam, der meine Oberarme festhielt. Mein Gehirn hatte anscheinend einen Kälteschock, denn ich war so perplex, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Also starrte ich Sam mit aufgerissenen Augen an. Er drückte mich nach unten, ich sah, wie es um uns herum dunkler wurde, aber ich konnte mich nicht rühren. Sams Blick konnte ich nicht definieren, aber er grinste definitiv nicht. Aus den Augenwinkeln erhaschte ich eine Bewegung in seinem Gesicht. Aus seinem Mund ragten zwei weiße spitze Zähne. Ich glaube, ich brauchte einige Sekunden, bis ich das realisierte und mein Gehirn wieder in Schwung brachte. Als ich versuchte, mich von dem Vampir loszureißen, dessen Kopf sich mittlerweile nicht mehr allzu weit von meinem Hals befand, verstärkte er den Griff und seine Hände schlossen sich wie ein Schraubstock um meine Arme. Ich zappelte und zog meine Beine an, sodass ich mit den Füßen gegen seine Brust drücken konnte. Somit hatte ich schon mal etwas Abstand zwischen seine Beißerchen und meine Ader gebracht. Dennoch ließ er mich nicht los, in seinem Blick entdeckte ich ein Glitzern, als wurde er nichts lieber tun als .. na ja, das hier eben. Wahrscheinlich war das auch so, schließlich hatte ich ihn nicht darum gebeten, mich zu ertränken. Denn so langsam wurde mir wirklich die Luft knapp, ich musste wieder an die Oberfläche. Ich tat alles mir mögliche – treten, kratzen, beißen – um mich zu befreien, aber seine Hände waren wie Stahlfesseln. Verärgert stieß ich einen Schrei aus, was unter Wasser nicht ratsam ist, wie ich danach feststellen musste. Ich brauchte Luft ! Und zwar sofort. Mein Körper schien das auch zu merken, und endlich verwandelte ich mich. Meine Finger wurden zu Krallen und auch meine Flügel konnte ich spüren. Eine Hand ließ ich über Sams muskulösen Arm gleiten, auf dem fünf Streifen anfingen zu bluten. Sofort ließ er mich los, doch ich hatte keine Chance mehr die Oberfläche zu erreichen. Die Schwärze, die mich überkam, war schneller.

Help me !



Ich ließ ihnen keine Zeit, sich erst einmal wieder zu erholen oder sich auch nur abzutrocknen. Kaum war Sam auf dem Fluss gestiegen, stampfte ich zu ihm, stellte mich direkt vor ihn und bohrte meinen Zeigefinger in seine Brust. „Was fällt dir eigentlich ein?!“ Klang ich etwas hysterisch? Meine Stimme war außer Kontrolle voller aufgestauter Wut. „Du kannst mich doch nicht einfach in den Fluss werfen und mich dann ertränken! So etwas tut man einfach nicht! Und schon gar nicht mit mir! Was hättest du getan, wenn du mich nicht rechtzeitig noch aus dem Wasser hättest ziehen können? Was, wenn da unten Haie gewesen wären? Wenn der Fluss nicht so tief gewesen wäre und ich auf den Boden geknallt wäre? Dann wäre ich jetzt tot!“ Oh ja, ich war außer mir und schrie ihm direkt ins Gesicht. „Kätzchen“, versuchte Sam mich zu beruhigen, doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Dann wäre ich jetzt tot!“, wiederholte ich mich. „Aber das bist du nicht“, meinte Sam gelassen und strich sich die tropfenden Haare aus der Stirn.
Im nächsten Moment ertönte ein Klatschen und Sams starrte mich erstaunt an. Erst als ich einen Schmerz in meiner Hand spürte, merkte ich, dass ich ihn geohrfeigt hatte. Ich sollte mich also in Zukunft mehr auf meine Reflexe verlassen, bemerkte ich. Besagte Hand ballte ich zu einer Faust, was Sam bemerkte, aber nicht kommentierte.
„Hast du mich gerade eben geschlagen?“, fragte er mich immer noch mit einem ungläubigen Unterton. Ich wich nicht zurück, obwohl ich es am liebsten getan hätte. Meine Krallen waren wieder verschwunden und ich konnte mich ohne sie nicht gegen den Vampir durchsetzen. Langsam verschwand die Verwirrung in seinem Blick und machte einem wütendem Funkeln Platz. „Jetzt hör mir mal zu“, war da etwas bedrohliches in seiner Stimme? Sam machte langsam große Schritte auf mich zu, aber er hielt nicht vor mir an. Ich lief rückwärts, dass er mich nicht berührte, aber er hielt den Abstand gering. „Dir ist nichts passiert.“ Noch ein Schritt. „Du hättest keine bessere Idee gehabt, weil du nicht schwimmen konntest bei der Strömung.“ Ich trat wieder zurück. „Wir hatten keine Zeit zu verlieren, da sind wir uns sicher einig.“ Schritt. „Und es hat funktioniert.“ Verdammter Ast! Er lag direkt hinter mit und natürlich stolperte ich über ihn und wäre im Normalfall auf dem Rücken gelandet. Dank seinen unmenschlich schnellen Reflexen fing Sam mich aber an der Taille und hielt mich so fest. Er beugte sich zu meinem Gesicht, dass mein Blick sofort zu seinen Zähnen zuckte. Keine Vampirzähne, ich atmete erleichtert auf. Dann schaute ich wieder in seine schwarzen Augen, die mich immer noch verärgert musterten. „Also tu mir bitte den Gefallen und halt dich zurück. Du hast keinen Grund rumzuzicken, denn du bist diejenige, die sich am wenigsten anstrengen musste und am trockensten ist.“
Was bitteschön war mit mir los? Eigentlich sollte ich den Vampir anschreien, mich wehren oder einfach wegrennen.
Stattdessen stand ich stumm da, er hielt mich fest und wollte mir etwas vorschreiben.
Stattdessen bewegte ich mich nicht, hielt meine Hände vor meiner Brust.
Stattdessen hingen meine Augen an seinen Lippen, an denen ein Wassertropfen entlang rann.
Stattdessen fühlte ich nichts, konnte nur ein Gefühl erahnen, aber nicht zuordnen.
„Hast du mich verstanden?“, riss er mich drohend aus meinem Trancezustand. Mein Blick wanderte zu seinen Augen, zu den zwei rabenschwarzen Löchern. Wie konnte etwas nur so dunkel sein?
Irgendwie brachte ich ein Nicken zustande, das Sam mit einem Grinsen quittierte. „So ists brav.“ Er strich mir eine nasse Strähne, die sich zwischen meinen Lippen verfangen hatte, aus dem Gesicht. „Übringens hatte ich die Vermutung, dass du mit nassen Haaren sexy aussehen würdest.“
Daraufhin stellte er mich wieder aus meine Beine, drehte sich um und ging zu unseren Kleidungsstücken und dem Rucksack, die ich mit an dieses Ufer geflogen hatte.
Immer noch verwirrt folgte ich ihm. „Und, hat sie sich bestätigt? Deine Vermutung, meine ich?“ Moment – kann ich das bitte wieder rückgängig machen? Wieso um alles in der Welt sagte ich das? Das konnte nicht mein ernst gewesen sein. Wahrscheinlich stand ich immer noch unter dem Schock von vorhin. Nun war ich auf jeden Fall wieder bei vollem Bewusstsein. Ich kaute nervös an meinem Fingernagel und suchte mein Top in dem Durcheinander von Klamotten, während ich hoffte, Sam hatte meine Frage nicht gehört. Muss ich extra erwähnen, dass das Glück nicht auf meiner Seite war? Kaum hatte ich nämlich mein Oberteil gefunden, bemerkte ich das Grinsen auf den Lippen des Vampirs, der dich gerade die Hose zuknöpfte. „Ich würde sagen, dass ich zu dem Entschuss gekommen bin, dass ich dich öfters im BH ins Wasser werfen sollte.“ Sein Blick wanderte dabei über meinen Körper, was mir furchtbar unangenehm war. Ich würde doch nicht rot werden, weil ein Vampir versucht, ... . Ja was wollte er damit eigentlich erreichen? Ich hatte keinen blassen Schimmer, was er damit bezwecken wollte.
Schnell zog ich das Top über meinen Kopf und befreite meine Haare. Sam grinste mich immer noch an. „Die nächste Gelegenheit beim Rückweg werde ich nutzen, bereite dich besser schon darauf vor.“ „Vergiss es“, zischte ich zurück.
Als sich die Vampire wieder ganz angezogen hatten, Seth den Rucksack trug und wir weitermarschierten, war ich froh, dass wir die Jacken auf der anderen Flussseite gelassen und dort versteckt hatten.Es war viel bequemer so zu laufen.

Die darauffolgenden Stunden redeten wir kaum miteinander. Der Grund dafür war, dass ich schlicht und einfach keine Lust darauf hatte. Es war bereits dunkel und wir liefen –bzw. ich stolperte – schon seit einer Ewigkeit durch den Wald. Mir war kalt und ich war von dem Vorfall am Fluss noch immer ziemlich mitgenommen. Mein Top hatte ein Loch, weil ich einige Äste übersehen hatte, und mein Knie war aufgeschürft, weil ich über einen Stein gefallen war. Außerdem war ich todmüde.
Das Tempo, das meine Begleiter vorgaben, war nicht schlecht, ich hatte langsam Probleme, mit ihnen mitzuhalten.
Erschöpft ließ ich mich abrupt auf einen Baumstumpf plumpsen. Blitzschnell drehten sich die Vampire um, angriffsbereit. Als sie sahen, dass ich das Geräusch verursacht hatte, entspannten sie sich. Eine Augenbraue nach oben gezogen, warf mir Sam einen fragenden Blick zu. „Was soll das werden?“
Bevor ich antwortete, atmete ich einmal tief durch. „Ich bin fertig. Ich kann nicht mehr.“ Das war so überhaupt nicht meine Art, normalerweise hätte ich diese Schwäche nicht so ohne weiteres zugegeben. Ich musste wirklich erschöpft sein.
Das schien auch Sam zu merken, denn er kam ohne eine spöttische Bemerkung zu mir, kniete sich vor mir auf den Boden und inspizierte die Wunde an meinem Bein. Er schien sie allerdings nicht als lebensgefährlich einzustufen und schaute mir stattdessen ins Gesicht. „Tut mir leid, aber wir müssen weiter, Kätzchen“, seufzte er, stand auf und hob mich plötzlich hoch. Das ging alles so schnell, dass ich mich nicht einmal wehren konnte. Als er dann anfing weiterzulaufen, begriff ich, dass er vorhatte, mich zu tragen. Hm, nicht die schlechteste Art zu reisen ! „Danke“, war wohl angebracht. Er schenkte mir ein kurzes Lächeln, woraufhin ich mich zurücklehnte und die Augen schloss.

Pläne über Pläne.


Als ich das nächste Mal zu mir kam, saß ich an einen Baum gelehnt, neben mir ein Lagerfeuer und ein Haufen Früchte. Sam saß mir gegenüber und hielt etwas, was wahrscheinlich ein Fisch war, in die Flammen. Ich hatte mich nicht bewegt und musterte ihn, solange er mich noch nicht bemerkt hatte. Die tanzenden Flammen ließen sein Gesicht warm erscheinen, allerdings hoben sie auch die Schatten hervor. Seine Wangenknochen waren deutlich zu sehen, seine Augen dagegen waren nur dunkle Höhlen. Die Haare waren unordentlich, wie immer, aber dennoch wurde mir ausgerechnet in diesem Augeblick klar, dass auch Sam nicht immer stark sein konnte. Er wirkte im Schein der Flammen, wo er sich unbeobachtet glaubte, verletzlich.
Und das brachte mich durcheinander. Natürlich wollte ich es nicht zugeben, aber selbst ich konnte nicht vertuschen, dass ich auf ihn angewiesen war. Ich mochte zwar stark sein, aber dennoch hätte ich das hier nicht alleine überleben können. Ob ich es nun zugeben wollte oder nicht: Sam war derjenige gewesen, auf den Seth und ich uns verlassen hatten. Er hatte uns angeführt, sich um uns gekümmert. Er war immer stark gewesen und hatte gewusst, was zu tun war – oder hatte es zumindest so aussehen lassen.
Der Sam, der hier am Feuer saß, sah ganz anders aus.
Wahrscheinlich hatte ich zu laut ausgeatmet, denn er hob in diesem Moment den Blick und schaute mich direkt an. Ich konnte einige Sekunden etwas in seinen Augen erkennen, das mich an Schwäche und Traurigkeit, aber auch an eine Bitte erinnerte. Doch dann blinzelte er, und alles war wie immer.
Er stand auf und kam zu mir um das Feuer herum. „Ich hab dir was zu essen besorgt, denn ich fürchte, dass du nachher eine kleine Blutspende geben solltest. Ob Seth will oder nicht, er braucht eine Stärkung.“
Ich nahm den Fisch und nickte. „Bin bereit.“

Es kostete Sam einige Minuten Überredung, aber schließlich setzte sich Seth direkt vor mich. Ich bin mir nicht sicher, ob es nur Einbildung war, aber sein Gesicht wirkte schmaler, seine Wangen waren leicht eingefallen. Er brauchte dringend Blut.
Ich versuchte, ihn mit einem leichten Lächeln zu ermutigen, aber er beugte sich einfach nur zu meinem Hals. Mit seinen Händen stützte er sich am Boden ab, er hielt so viel Abstand von mir wie er nur konnte. Dass mich das etwas verletzte, ließ ich mir nicht anmerken. „Ich mache so schnell, wie ich kann“, versprach er mir, bevor er zubiss.
Es war anders. Nicht ansatzweise zu vergleichen mit Sams Biss. Zuallererst kam er plötzlich, ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet und schnappte nach Luft.
Außerdem trank er schnell, zu schnell ! Ich hatte das Gefühl, als würde alles Blut aus meinem Körper gezogen, mir wurde eisig kalt und alles wurde schwarz.
Und außerdem war ich alleine. Ich erinnerte mich zwar, an einen Baum gelehnt zu sein, aber ich fühlte mich, als würde ich in einem leeren Raum stehen. Nein, nicht stehen – fallen. Mir fehlte jeglicher Halt, jede Orientierung.
Ich fühlte mich hilflos und wurde panisch. Mein Herz schlug schnell. Mein Atem raste.
Als meine Hände endlich etwas Hartes fanden, lehnte ich dankbar meine Stirn dagegen. Zwar konnte ich immer noch spüren, wie Seth mein Blut viel zu gierig nahm, aber wenigstens hatte ich einen Halt.
Die Zeit schien stillzustehen, ich weiß nicht, wie lange ich meine Augen geschlossen hatte, wie lange ich fror, wie lange Seth seine Zähne in meinen Hals grub.
Ich weiß nur, dass die Stimme, die ich als erstes hörte, nicht dem Vampir gehörte, der mich gebissen hatte. „Es ist vorbei, Kätzchen.“ Als ich meinen Kopf hob, blickte ich in Sams Gesicht. Verwirrt schaute ich mich um und erkannte, dass es seine Schultern waren, an denen ich mich festgehalten hatte. „Wieso ... ?“ Er schüttelte den Kopf und löste vorsichtig meine Hände von seinem Shirt. „Eigentlich weiß jeder Vampir, wie man ... richtig beißt. Man muss dem Opfer eine Stütze sein und es vorsichtig behandeln.“ Er machte einige Gesten, als wäre es selbstverständlich, dass man das weiß. „Aber Seth hatte dich einfach gebissen, dich nicht einmal berührt. Natürlich war es grausam für dich! Und das sollte er eigentlich wissen. Eigentlich hätte ich ihn am liebsten einfach von dir losgerissen, aber ich weiß, dass er das Blut brauchte. Ich hoffe, dass du ihm das verzeihst“, sagte er in einem Tonfall, der klar machte, dass er wütend auf Seth war, aber auch, dass er sich für sich entschuldigte. Er strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Er ist sofort verschwunden, nachdem er von dir abgelassen hat. Wenn er in einer halben Stunde nicht da ist, müssen wir ohne ihn weiter. Solange hast du noch Zeit, dich wieder aufzuwärmen und etwas auszuruhen.“
Da war sie wieder – die Seite von Sam, auf die ich vorhin schon einen Blick erhascht hatte. Als er aufstehen wollte, hielt ich ihn an seinem Shirt fest, woraufhin er mich fragend ansah. Da ich nicht wusste, was genau ich sagen sollte, schaute ich zuerst nach unten. „Danke“, war das einzige, was mir einfiel. Sam seufzte und setzte sich dann neben mich, stützte sich nach hinten auf die Hände ab. „Ich werde versuchen, solange wie möglich durchzuhalten, aber es wird unumgänglich sein, dass ich noch einmal dein Blut brauche, bevor wir zu Hause ankommen.“ Er schaute ins Feuer, woraufhin ich grinsen musste. Er hasste es einzugestehen, dass er Hilfe brauchte, dass er auf andere angewiesen war. Irgendwie kam mir das bekannt vor.
„Schon in Ordnung“, versicherte ich ihm und stieß ihn spielerisch mit der Schulter an. „Wenn du versprichst, mich nicht wieder in den Fluss zu werfen“, schlug ich ihm einen Deal vor. Sam lachte und lehnte sich weiter zu mir. „Das, Kätzchen, wirft meine ganzen Pläne über den Haufen“, grinste er mit einem Funkeln in den Augen, das mein Herz einen Satz machen ließ. Ich setzte mich wieder aufrecht hin und verschränkte die Arme, während ich den Funken zuschaute, wie sie in der Nacht tanzten. „Wir alle müssen hin und wieder unser Leben neu planen“, meinte ich und dachte darüber nach, wie unmöglich meine Vorhaben nun waren, die ich noch vor einer Woche hatte.

Mondschein


Seth kam zurück, als wir gerade aufbrechen wollten. Ich ignorierte ihn bewusst, Sam warf ihm nur einen fragenden Blick zu. Wir setzten unseren Marsch fort, wobei ich mich dicht hinter Sam hielt, um so viel Abstand wie nur möglich zwischen Seth und mich zu bringen. Ich hatte keine Angst vor ihm, aber das Gefühl, das mich überkam, wenn ich auch nur an ihn dachte, war unangenehm. Wieso war es so schrecklich gewesen, als er mein Blut getrunken hatte ? Was hatte er anders gemacht als Sam?
~Er hat sich keine Mühe gegeben.~ Fast wäre ich gestolpert, so unerwartet erschien die Stimme in meinem Kopf. „Was?“, fragte ich perplex, bis ich merkte, dass ich gerade nur ein Schweigen unterbrochen hatte. ~Was hast du gesagt?~ , fragte ich nun in Gedanken Sam. Er drehte sich nicht um, er ließ sich überhaupt nicht anmerken, dass er gerade mit mir kommunizierte.
~Ich sagte, dass sich Seth keine Mühe gemacht hat, als er von dir getrunken hat. Wir Vampire haben die Möglichkeit, unsere Opfer zu beruhigen. Wir können ihre Hormone beeinflussen, sodass sie verschiedene Gefühle empfinden. Je nach dem, was wir sie fühlen lassen wollen, empfinden sie zum Beispiel Glück oder Müdigkeit. Wenn wir allerdings nichts tun, dann ... Naja, ich denke, dass du das vorhin mitbekommen hast.
Natürlich ist es anstrengender für uns, die Hormone unserer Opfer zu beeinflussen, aber normalerweise ist es selbstverständlich, dass wir das tun. Schließlich ist das wenigstens eine kleine Geste der Dankbarkeit.~
Wow. Okay, das musste ich erst einmal verdauen. Meine Gefühle konnten einfach so beeinflusst werden. Und Vampire hatten so etwas wie Anstand.
~Du hast also vorhin meine Gedanken belauscht~, stellte ich fest. Sam nickte, damit war unser Gespräch beendet.

Ich konnte nicht mal annähernd sagen, wie spät es war. Nacht. Es war Nacht, als wir die Lichtung erreichten. Zuerst sah ich nur ein schwaches Licht, das mit jedem Schritt weiter in die Richtung zu mehreren Lichtern wurde. Als wir schließlich auf die freie Fläche traten, war der Anblick überwältigend! Die Wiese war übersät mit tausenden Blumen, die wie der Mond leuchteten. Ich hörte ein zufriedenes Lachen von Sam, als er die Wiese betrat und sich zu einer der Blüten hinabkniete. „Die Blume“, sagte er kurz, aber darauf wäre ich auch selbst gekommen. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht, wir hatten die Blüten gefunden. Seth blieb am Rande der Lichtung stehen, die Hände in den Hosentaschen und kein erfreuter Gesichtsausdruck.
Ich selbst lief über die Wiese, ließ die Schönheit dieses Augenblicks auf mich wirken. Es schien, als wären die Sterne vom Himmel gefallen, und wurden dort nun um mich herum tanzen. Ich versuchte, alles in mich aufzunehmen: Den Duft der Blumen, die Geräusche der Nacht, die Schönheit dieses Moments.
Als ich die Augen wieder öffnete, schaute Sam mich von der anderen Seite der Wiese an. ~Wunderschön~, meinte er nur, und ich lächelte, denn mir selbst fiel kein besseres Wort ein, um diesen Anblick zu beschreiben.
Und dann geschah alles auf einmal.
Der Wald war plötzlich lebendig, und auf einmal waren wir nicht mehr allein auf der Wiese. Flemonen, ich konnte sie kaum zählen, kamen aus dem Wald. Und sie waren eindeutig nicht in Plauderstimmung. Ihre Schwerter glänzten im Mondlicht, ihre Flügel waren weit gespreizt.
Sofort spürte ich, wie meine Verwandlung begann und konnte mir noch im letzten Moment das Top über den Kopf ziehen, bevor meine Flügel es zerrissen hätten.
Keinen Moment zu früh, denn schon war der erste Flemon bei mir.
Ich hielt mich leicht in der Luft, sodass ich etwas größer war als er. Von oben konnte ich besser angreifen, und wehrte ihn mit meinen Krallen ab. Ich trat mit meinem Fuß nach seinem Schwert, das er daraufhin verlor. Sofort schnappte ich es mir und rammte es in seinen Körper. Natürlich war er sofort tot.
Die kleine Pause, die mir das verschaffte, nutzte ich, um einen Überblick über die Lage zu bekommen. Auf der Lichtung befanden sich um die zehn Flemonen, die sich momentan aber eher auf Sam und Seth konzentrierten. Woher sie kamen, wusste ich nicht, aber ich vermutete, dass sie uns schon länger beobachtet hatten.
Mit dem Schwert bewaffnet knöpfte ich mir einen anderen vor, der allerdings sofort Verstärkung von zwei anderen Artgenossen bekam. Sie umringten mich und ich war damit beschäftigt, sie auf Abstand zu halten. Der erste Angriff kam bald, einer der Flemonen stürzte sich von hinten auf mich, erwischte mich dabei mit dem Schwert etwas am Flügel. Als ich nach oben hin auswich, knurrte ich ihn an und stürzte mich von oben auf ihn. Er taumelte, was mir die Möglichkeit gab, ihn fertig zu machen – wären da nicht die zwei anderen Biester gewesen. Ich wurde zu Boden gerissen, und an einem Flügel festgehalten. Dass ich das Schwert allerdings auch werfen konnte, daran hatte anscheinend niemand gedacht. Den Flemon, der zuvor das Gleichgewicht verloren hatte, erdolchte ich damit. Die anderen waren überrascht und für einen Moment – viel zu lange – abgelenkt. Ich nutzte die Gelegenheit und grub meine Krallen dem einen in den Bauch, mein Fuß holte den anderen von den Beinen. Als ich beiden gleichzeitig das Herz aus der Brust riss, atmete ich bereits schwer. Ich war nicht in guter Verfassung.
Allerdings bekam ich keine Pause, denn plötzlich riss mich ein Flemon von hinten zu Boden. Er nutzte meine Schrecksekunde aus und rammte sein Schwert durch meinen Flügel hindurch in den Boden. Ich schrie auf, das tat höllisch weh! Außerdem konnte ich jetzt nicht mehr aufstehen, und trat mit den Beinen nach meinem Angreifer. Dieser grinste nur und holte einen weiteren Dolch hervor. „Du wirst eine hübsche Leiche sein, so leicht bekleidet“, meinte er nur und zeichnete mit der Klinge meine alte Narbe am Bauch nach. Ich vermutete, dass sie wieder blutete, konnte es aber nicht sehen. Als er die Klinge in der Mitte unter meinen BH schob und Anstalten machte, ihn dort aufzuschneiden, schlug ich ihn mit meinen Krallen ins Gesicht. „Du perverses Arschloch!“
Er grinste nur noch breiter, doch dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich. Und kaum eine Sekunde später kippte er nach vorne und blieb bewegungslos auf mir liegen. „Alles in Ordnung, Kätzchen?“, fragte Sam, der mit einem Schwert über mir stand und die Leiche von mir herunterschob. Er hatte einige Kratzer im Gesicht, sah ansonsten aber nicht verletzt aus. Ich nickte nur, denn ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu schreien, als Sam das Schwert aus meinem Flügel zog.
Schwer atmend setzte ich mich auf und strich mir die blutverklebten Haare aus dem Gesicht. Sam stand vor mir, ich konnte sein Gesicht nicht sehen.
„Wir müssen zurück in den Wald, dort sind wir sicherer.“


„Ich verstehe immer noch nicht, wie sie uns so kalt erwischen konnten!“ Sam schüttelte den Kopf, während er meinen Flügel untersuchte. Ich saß mit angezogenen Knien auf dem Waldboden. Wir hatten kein Feuer gemacht, das wäre zu auffällig, meinte Sam. Ich fror, aber das unterdrückte ich. Viel schlimmer waren die Schmerzen an meinem Bauch und meinem Flügel. Seth saß einige Meter weiter an einem Baum und hatte die Augen geschlossen. Neben ihm lagen einige der Blumen.
Ich atmete heftig ein, als Sam eine schmerzende Stelle berührte und drehte mich zu ihm um. Er hatte anscheinend nicht gemerkt, dass er mir wehgetan hatte.
Ich hatte gedacht, der Vampir war mit einem Kratzer im Gesicht davongekommen, aber als ich das Handgelenk sah, das nun vor meinen Augen war, bemerkte ich, dass es aufgerissen war. Es blutete immer noch, und das faszinierte mich mehr als es sollte.
Meine Augen folgten von alleine der roten Linie, die sich durch die braune Haut zog. Die Flüssigkeit glitzerte wie Diamanten, und ich konnte beinahe den süßlichen Duft riechen, der von ihr ausgehen musste.
Meine Hände hatte ich nicht mehr unter Kontrolle, als sie blitzschnell das Handgelenk packten und es an meinen Mund zogen. Wie meine Zähne gewachsen waren, hatte ich nicht mitbekommen, erst als ich sie in seine Haut grub, fiel es mir auf.
Es war unglaublich! Ich hatte schon zuvor Blut getrunken – man erinnere sich an den netten Besuch bei meinem Daddy - , aber das hier war definitiv anders. Die Flüssigkeit streichelte meine Zunge, füllte mich mit Wärme und fühlte sich an, als wäre es das einzig richtige, als wäre sie nun im richtigen Körper. Sie war süß und voll, ich konnte nicht genug bekommen. Nur am Rand bekam ich mit, wie Sam zuerst erschrocken seine Hand zurückziehen wollte, sich dann aber doch hinsetzte, hinter mich. Sein einer Arm befand sich an meinem Mund, der andere hielt mich um die Taille, als müsse er mich stützten. Tatsächlich hatte ich mich aber schon lange nicht mehr so stark gefühlt wie in diesem Moment. Ich konnte förmlich spüren, wie mein Flügel heilte und der Schmerz in meinem Bauch nachließ.
Was um mich herum geschah, bekam ich nicht mit, ich war völlig abgetaucht. Erst als ich Sams Stimme an meinem Ohr hörte, schaltete sich mein Verstand langsam wieder ein. Zuerst konnte ich zwar nur einzelne Silben erkennen, doch dann verstand ich, was er mir sagte. „Cat, du solltest bald wieder aufhören, sonst trinkst du mich noch leer.“
Ich gab ein Geräusch von mir, das nach einem protestierenden Grunzen klang. Ans Aufhören wollte ich nicht denken!
Als ich spürte, wie Sam versuchte, mir seine Hand zu entziehen, grub ich meine Krallen fester in die Haut und hielt sie so an meinem Mund, damit ich weiterhin trinken konnte.
Plötzlich umgriffen zwei weitere Hände meine Arme, lösten sie von Sams Handgelenk, das er daraufhin zurückzog. Aufgebracht schaute ich nach oben und erkannte Seth, der mich von Sam losgerissen hatte. Ich sprang auf und meine Augen funkelten wütend. Wie konnte er sich das erlauben !
“Kätzchen“, hörte ich Sam hinter mir, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte. Er saß auf dem Boden und hielt sich seine Hand. Ich erwischte einen Blick darauf und kam wieder zu klarem Verstand. Sie sah einfach schrecklich aus. Die Haut war zerfetzt, fast der komplette Unterarm blutverschmiert und die Wunde schien tief.
Geschockt von dem, was ich getan hatte, verschränkte ich die Arme vor der Brust, zog die Schultern nach oben und biss mir auf die Unterlippe. Dabei bemerkte ich noch einen Tropfen Blut, den ich gierig ableckte.
„Geht es dir gut ?“ Wahrscheinlich hätte ich diejenige sein sollen, die das fragte, aber mir war die gesamte Situation so peinlich, dass ich kein Wort herausgebracht hatte.
Also war es Sam, der das unangenehme Schweigen unterbrochen hatte. Ich trat von einem Bein auf das andere, schaute überall hin, nur nicht in seine Augen, und nickte.
Sam stand auf, immer noch seinen Arm an die Brust haltend, und kam zu mir.
„Sicher? Du wirkst verwirrt, verängstigt und verstört. Unter ‚gut’ verstehe ich etwas anderes.“ Ich spürte seinen Blick auf mir, aber ich schaute zur Seite, musste nur seine Augen vermeiden. Allerdings zwang er mich durch seine Frage zum Reden. „Ich habe Blut getrunken“, war das einzige, was ich herausbrachte. Daraufhin zuckte Sam nur die Schultern. „Du bist zum Teil Vampir, und das ist es nun einmal, was Vampire tun – Blut trinken. Natürlich war es etwas ungünstig, dass du von einem Verletzten getrunken hast, aber ich kann es dir nicht verübeln, denn du hattest ebenfalls Wunden und Blutverlust.“
Ich nickte zwar, aber ich hatte ihm nur mit einem Ohr zugehört.
„Kätzchen, schau mich an“, sagte er, legte mir die Finger seiner unverletzten Hand unter das Kinn und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Anders, als ich erwartet hatte, konnte ich dort weder Wut noch Schmerz oder Enttäuschung entdecken. Er schien die ganze Sache ziemlich locker zu nehmen. „Es hat dir gut getan, und mir hat es nichts ausgemacht. Können wir es als Gefallen unter Freunden abhaken?“ Ich nickte wieder, obwohl ich mich noch immer ziemlich mies fühlte. War ich nicht Vampirjägerin? Ich sollte diese Wesen töten, nicht wie einer von ihnen sein!
„Wie hat es geschmeckt?“ Sams Frage kam unerwartet, ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Seine Augen musterten mich interessiert, ich konnte nicht ausweichen. „Es war ... schon okay“, untertrieb ich. Schließlich wollte ich nicht zulassen, dass er sich etwas darauf einbildete, dass ich nach seinem Blut süchtig werden könnte.
Er grinste, anscheinend merkte er, dass meine Aussage nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Es ist nur so, dass Vampire normalerweise nicht von Vampiren trinken, unser eigenes Blut reizt uns nicht, es ist eher ekelhaft. Wahrscheinlich liegt das daran, dass du ein Mischling bist.“ „Wahrscheinlich“, stimmte ich ihm etwas atemlos zu, denn ich wollte nur noch Abstand zwischen mich und ihn bringen. Anscheinend hatte er dies bemerkt, denn er ließ mein Kinn los. Ich trat einige Schritte zurück.
„Das einzige Problem ist nur, dass mir keine andere Möglichkeit bleibt, als früher wieder von dir zu trinken. Schließlich hast du mir mein Blut gestohlen“, grinste er. Ich inspizierte meinen Flügel, der mittlerweile wieder völlig gesund aussah, und nickte. „Das werde ich wohl über mich ergehen lassen müssen.“
Ein Schnauben hinter mir erschrak mich, Seth hatte ich ganz vergessen. Er hatte sich die Blumen genommen und wartete nun anscheinend. „Können wir weiter ? Sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig zurück.“ Damit drehte er sich um und begann, bergabwärts zu laufen. Ich folgte ihm sofort, wenn auch mit etwas Abstand, und bemerkte Sam direkt hinter mir.

Die nächsten Stunden verliefen ohne irgendwelche Zwischenfälle, aber die Stimmung war sehr kühl, keiner redete auch nur ein Wort. Ich hatte unendliche Energie und fühlte mich, als könnte ich tagelang weiterlaufen. Dennoch konnte ich kaum an etwas anderes denken als an das Blut, das ich zuvor getrunken hatte. Sollte ich es für mich behalten oder Mel nach Rat fragen, wenn ich sie wieder sah. Würde sie von mir enttäuscht sein, mich nicht mehr wiedererkennen ? Für meinen Teil fühlte ich mich, als hätte ich meine beste Freundin schon seit Woche nicht mehr gesehen, und ich vermisste sie. Seltsamerweise war mir das zuvor nicht aufgefallen, was wahrscheinlich aber schlicht und ergreifen daran lag, dass die letzten Tage so ereignisreich gewesen waren.
Auch den Fluss überquerten wir ohne Probleme, ich konnte meine Verwandlung mühelos herbeirufen und wartete nun schon am anderen Ufer darauf, dass auch die Vampire es erreichten. Seth steig als erster aus dem Wasser, als ich mir gerade wieder meinen Pullover über den Kopf zog. Es war immer noch dunkel, aber ich konnte förmlich spüren, dass der Sonnenaufgang schon in der Luft lag. Seth würdigte mich keines Blickes, was wieder Wut in mir aufkochen ließ. Ich verstand immer noch nicht, wieso sich sein Verhalten gegenüber mir so drastisch geändert hatte. Entschlossen drehte ich mich von ihm weg und ging näher ans Ufer. Sam hatte sich gerade aus dem Wasser gezogen, saß aber noch auf seinen Knien und stützte sich auf seinen Händen ab. So fertig hatte ich ihn noch nie gesehen.
„Sam, können wir endlich weiter oder brauchst du noch eine Schlafpause?“, Seths Stimme hatte einen ironischen Unterton und war drängend. Sams Antwort darauf war nur ein Schauben, er atmete heftig. Ich spürte, dass etwas nicht in Ordnung war und setzte mich neben ihn, legte ihm eine Hand auf den Rücken. „Was ist los? Ist etwas passiert?“, fragte ich, bekam nur aber ein Kopfschütteln als Antwort. Sein Gesicht war kreidebleich und ich konnte erkennen, dass seine Arme zitterten.
„Wen wir weiterhin so viele Pausen machen, werden wir vergammeln, bis wir zu Hause wieder ankommen!“, drängte Seth weiter.
„Seth, jetzt halt doch mal deinen Mund! Sam geht es nicht gut, und als sein Kumpel sollte dich das interessieren!“, gab ich wütend zurück. Sam hatte sich weiter aufgesetzt und ich konnte das Zittern nun am ganzen Körper erkennen.
„Tut es aber nicht. Lass ihn dich einfach leer trinken, dann sind wir gleich zwei Probleme los“, kam von Seth, woraufhin er sich die Blumen schnappte und weiterging.
Ich hatte nicht gemerkt, wie ich die Hände zu Fäusten geballt hatte, bis Sam mich ansprach. „Kätzchen, lass dich nicht darauf ein, er hat es nicht verdient.“
Mit einem Seufzen wandte ich mich wieder ihm zu. Seine Blässe machte mir Angst, ich legte eine Hand an seine Wange und spürte, dass sie eisig kalt war.
„Du brauchst das Blut wieder zurück, das ich dir vorhin gestohlen habe“, versuchte ich, nicht allzu ernst zu sagen. Sam quälte sich zu einem Grinsen, das etwas misslang. „Ich habs dir gerne gegeben“, antwortete er nur, aber sein Blick heftete sich schon wieder an meinen Hals. Ich rutschte näher, und ja, ich muss zugeben, dass ich das nicht ganz unwillig tat, denn letztes Mal hatte es mir gefallen, als Sam von mir getrunken hatte. Aber als ich bereits auf seinen Knien saß und seinen kalten Atem spürte, überkam mich wieder das Gefühl, das mich fast erdrückt hatte, als Seth mein Blut getrunken hatte.
Sam schien mein Zögern zu bemerken, legte einen weißen, zitternden Arm um mich und kratzte schon mit den Zähnen an meinem Hals. „Keine Angst, ich tu mein Bestes“, flüsterte er, kaum mehr hörbar, bevor er zubiss. Diesmal war es anders. Ich konnte seine Schwäche förmlich spüren. Während ich beim ersten Mal Halt bei ihm gefunden hatte, war es nun eher so, als sei ich seine Stütze. Allerdings veränderte sich das schnell, denn er wurde augenblicklich stärker und verstärkte den Griff um meine Taille, trank kräftiger. Ich merkte, dass er ausgehungert war, sich aber mit der Zeit ein gewisses Sättigungsgefühl einstellte, denn er wurde ruhiger und trank genüsslicher. Außerdem veränderte sich auch das Gefühl, das er mir übermittelte. Während er zu beginn noch schwach wirkte und mich stark fühlen ließ, war die Situation jetzt umgekehrt – und um Welten deutlicher. Irgendwann hatte ich die Augen geschlossen und komplett die Orientierung verloren. Erst als er sich von meinem Hals löste und ein „Dankeschön“ flüsterte, öffnete ich ein Auge. Sein Gesicht war direkt über mir. Unter mir war Boden. So weit konnte ich gerade denken, aber seine Nähe vernebelte meinen Verstand. Er stützte sich mit den Händen über meinem Kopf ab, seine Knie waren links und rechts von mir auf dem Boden. Ich spürte, wie mein Atem heftiger wurde. Nähe war noch nie meine Stärke gewesen, und er war einfach nur zu nah ! Seine rabenschwarzen Augen hielten meine gefangen, ich konnte meinen Blick nicht lösen. Irgendetwas funkelte in ihnen, aber deuten konnte ich es nicht. Dann wurde mir plötzlich bewusst, wie nah seine Lippen meinen waren. Er wandte seinen Blick ab, hielt seinen Mund knapp über meinem, wie eine stumme Frage, als würde er mir die Entscheidung überlassen. Natürlich war das nur Schein, denn er hatte mich völlig in seinem Bann. Entschlossen, wenn auch durch das Durcheinander in meinem Kopf völlig verwirrt, hob ich den Kopf ein klein wenig und schloss den Abstand zwischen uns. Seine Lippen waren erstaunlich sanft, streichelten meine regelrecht, als würden sie mich tragen, als wären sie nur für mich da. Ich nahm einen kleinen, aber heftigen Atemzug, als hätte ich mich verschluckt, woraufhin ich ein leises Lachen hören und an seinen Lippen spüren konnte. Er drückte mich wieder zu Boden und sein Kuss wurde eindeutig fordernder, er hatte wieder die Führung übernommen. Das war mir in diesem Moment nur Recht, denn das Kribbeln in meinem Bauch machte mich verrückt. Seine eine Hand spielte mit Strähnen meiner Haare, die andere hatte er um meine Taille geschlungen und zog mich an ihn. Er war einfach überall. Ich spürte seine Zähne an meiner Unterlippe knabbern, aber als ich bemerkte, wie lang wie waren, wurde ich wieder zurück in die Realität geworfen.
Hilfe, was machte ich denn hier ? Das da über mir war ein Vampir ! Gut, ich muss zugeben, dass ich überreagierte, aber ich befand mich in diesem Moment einfach nur in Panik. Ich stemmte meine Arme gegen Sams Brust und versuchte mich zu befreien. Sam bemerkte meinen Widerstand und zog sich zurück. Er starrte mich wortlos an, aber ich konnte seine Augen wütend blitzen sehen. Natürlich hatte er in meinen Gedanken lesen können, was mit mir los war.
Ich rappelte mich auf, sodass ich saß, und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Mein Atem ging zitternd, ich wollte am liebsten im Boden versinken. Sams eiserner Blick durchbohrte mich, aber ich konnte nicht aufschauen. „Hab ich dir jemals etwas angetan? Etwas Schlimmes, was ein Mensch nicht auch tun könnte?“, fragte er mich mit einem bedrohlichen Unterton. Es war offensichtlich, dass er sehr, sehr wütend war.
„Ich habe dir keinen einzigen Grund dazu gegeben, meine vampirische Seite zu fürchten. Außerdem hast du selbst Vampirzähne, was unterscheidet dich von mir?“ Ich konnte seinen Zorn fast körperlich spüren.
Aber was sollte ich darauf antworten? Ich wusste doch selbst nicht, wieso ich so heftig reagiert hatte. „Du warst voller Vorurteile Vampiren gegenüber, als du in unsere Welt kamst, aber ich dachte, du hättest sie mittlerweile wenigstens teilweise abgelegt. Aber anscheinend habe ich mich in dir getäuscht.“ Im letzten Satz schwang eindeutig Enttäuschung mit, was mich aufblicken ließ. Er saß mir gegenüber und beobachtete mich stumm. Natürlich hatte er Recht, mit Allem. Aber wenn ich jetzt nicht handelte, würde ich wahrscheinlich alles zerstören. Er hatte den ersten Schritt gemacht, ich hatte ihn aufgehalten. Nun war ich an der Reihe, denn mir war klar geworden, dass ich ihn nicht gehen lassen wollte.
Ich lehnte mich zu ihm und küsste ihn vorsichtig. Er schien überrascht, doch dieser Zustand hielt nicht lange an. Sam hob mich auf seinen Schoß, seine Finger fanden auf meinem Rücken wieder ihren Weg zu meinen Haarspitzen, während ich meine Arme um seinen Hals gelegt hatte. Vor seinen Zähnen schreckte ich nicht zurück – zumindest versuchte ich, nicht den Eindruck zu Erwecken, sie würden mich stören. Das taten sie auch eigentlich nicht, aber es war eben doch anders.
Als seine Hand auf meinem Rücken abwärts rutschte – ganz unbeabsichtigt – zog ich an seinen Haare, ohne dabei den Kuss zu unterbrechen. Sam kniff mich mit besagter Hand kurz in die Seite, was mich zusammenzucken ließ, weil es kitzelte. „Lass das!“, ich musste lachen, wodurch ich meine Lippen von seinen lösen musste. Er bedachte mich nur mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und hielt mich weiterhin.

Impressum

Texte: Mäddey März
Bildmaterialien: Model, Fotographie, Bearbeitung: Mäddey März
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch all den verrückten Lesern, die wie ich nie genug von fremden Welten bekommen. Auf eine Reise in eine weitere unbekannte Dimension!

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