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Ein Wildschwein im Badezimmer

Ein Wildschwein im Badezimmer

Es war ein Freitag der Dreizehnte wie er im Buche stand. In einem Horrorbuch!
Die schwarze Katze, die heute Morgen von rechts nach links an mir vorbeigelaufen war, hatte ich noch ignoriert. Ich glaubte nicht an schlechte Omen oder irgendeinen anderen Hokuspokus. Es war einfach nur eine Katze, an einem Freitag, den Dreizehnten.
Dass mein Auto nicht ansprang, schrieb ich ebenfalls einem Zufall zu. Oder nein, es war die Strafe dafür, dass ich die gelbe Warnleuchte seit Wochen ignoriert hatte. Natürlich kam ich deshalb zu spät zur Arbeit, aber für gewöhnlich war mein Chef eine Seele von Mensch, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte. An diesem Freitag schien er jedoch ebenfalls mit dem falschen Bein aus dem Bett gestiegen zu sein, denn ich bekam eine Standpauke, wie ich sie noch nie gehört hatte. Einen Moment befürchtete ich sogar, gefeuert zu werden. Zum Glück geschah nichts dergleichen, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.
Dafür wartete die schlimmste Schmach auf mich im Konferenzraum. Ein neuer Geschäftskunde ... ich wusste, wie wichtig der Kunde für die Zukunft der Firma war. Ihn an Land zu ziehen bedeutete, unser aller Existenz für die nächsten Jahre zu sichern. Wir waren perfekt vorbereitet. Ich war zuversichtlich, dass nichts schiefgehen konnte. Das Schicksal hatte jedoch andere Pläne. Für einen Augenblick hoffte ich, dass ich mich in einem bizarren Paralleluniversum befand oder noch zu Hause im Bett lag und der Wecker mich möglichst bald von diesem Alptraum befreien würde.
Die Wahrheit sah jedoch so aus: Dieser wichtige Geschäftskunde war ausgerechnet der Kerl, mit dem ich vor wenigen Tagen den schlechtesten Sex aller Zeiten hatte. Bei ihm hatte ich, zum ersten Mal in meinem ganzen Leben, einen Orgasmus vorgetäuscht, damit es endlich vorbei war. Bis zu jenem Zeitpunkt glaubte ich nicht daran, dass Männer so etwas nötig hatten. Ein Loch war ein Loch, ein Schwanz ein Schwanz und im Darkroom verschwammen ohnehin die Konturen. Es ging schließlich nur um die eigene Befriedigung und Druckabbau. Ein bisschen Spaß unter Männern.
Dieser Kerl hatte mir gezeigt, dass es nicht stimmte. Es war nicht ausschließlich seine Schuld. Mittendrin bemerkte ich, dass ich mich furchtbar langweilte und einfach nicht auf Touren kam. So etwas passierte mir mit Sascha nie. Der Gedanke erschien mir wie eine Offenbarung. Ich musste mir, nach dem peinlichen Akt des ungefüllten Gummientsorgens, eingestehen, dass Sex mit niemanden so viel Spaß machte, wie mit Sascha. Wir waren Freunden mit Bonus, aber mir wurde bewusst, dass dieser Bonus sich allmählich ausgeweitet hatte und in etwas verwandelte, das tiefer ging. Dadurch verschoben sich die emotionalen Ebenen und das große Wort mit L trat deutlich hervor. Ich hoffte inständig, dass Sascha ähnlich empfand, aber bisher war das Thema nicht zur Sprache gekommen.
Das Meeting war jedenfalls die Hölle. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst, denn es gab keinen Zweifel, dass er wusste, wer ich war. In der ersten Pause begegneten wir uns auf dem Klo. Er drängte mich in eine Kabine, riss an meinem Gürtel und versuchte, mir einen Blowjob zu verpassen. Das ging so schnell, dass ich gar nicht reagieren konnte. Obendrein wollte ich auch kein unnötiges Aufsehen erregen. Allerdings fühlte sich sein Mund um meinen Schwanz ebenso falsch an, wie der Sex im Darkroom, sodass ich nicht mal hart wurde.
Es war peinlich ... so furchtbar unangenehm, als mein Gegenüber endlich bemerkte, dass seine Bemühungen keinen Erfolg zeigten. Mit ihm danach im gleichen Raum zu sitzen und über Verkaufszahlen zu diskutieren und Vertriebswege aufzuzeigen, war ein einziger Alptraume. Ich befürchtete, jeden Augenblick in Flammen aufzugehen und konnte mich kaum konzentrieren, was wiederum meinem Chef auffiel.
Als der Kunde jedoch darauf bestand, ausschließlich von mir betreut zu werden, platzte all der Frust aus mir heraus. Im Nachhinein konnte ich nicht mehr mit Gewissheit sagen, was geschehen war oder ob es trotz meines Ausrasters einen erfolgreichen Abschluss gab, aber eine Tatsache ließ sich nicht verdrängen: Ich musste mich nach einem neuen Job umsehen.
Auf der Straße vor meiner nun ehemaligen Arbeitsstätte rief ich Sascha an, der nicht ans Telefon ging. Ich klagte mein Leid lediglich auf seine Mailbox. Für einen Moment zog ich in Erwägung, nach Hause zu gehen, aber ich wollte nicht allein sein. Außerdem fühlte ich mich inzwischen auch längst viel wohler bei ihm als bei mir.
Es bestand also die Möglichkeit, dass ich vor verschlossener Tür stand und dann den ganzen Weg wieder zurückgehen musste. Trotzdem lief ich los und ignorierte die dicken, unheilverkündenden Wolken.
Ich hätte mich nicht gewundert, wenn im nächsten Moment ein gewalttätiger Clown mit einem roten Luftballon um die Ecke käme oder die apokalyptischen Reiter die Straße entlang reiten würden.
Seufzend schüttelte ich den Kopf. Anstatt dem Auftauchen von Horrorclowns oder gruseligen, Tod- und Verwüstung bringenden Reitern, fing es an zu regnen. Natürlich war es kein leichter spätsommerlicher Nieselregen. Zuerst fielen vereinzelte dicke Tropfen, die dunkle Flecken auf meiner Jeansjacke hinterließen, dann schüttete jemand quasi einen Eimer Wasser über mich aus. In Sekundenschnelle war ich nass bis auf die Unterwäsche. Meine teuren Lederschuhe verwandelten sich in Badewannen und machten bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Karo Stein
Bildmaterialien: 123rf, pixabay
Cover: via Bookbrush: Kathrin Funke
Korrektorat: Bernd Frielingsdorf
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2021
ISBN: 978-3-7487-9704-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Albert Einstein Für K.R. Cat, Louisa C.Kamps, Nele Betra, Bianca Nias und Elisa Schwarz ... für ein wunderbares Schreibwochenende! In der Hoffnung, dass wir es irgendwann, demnächst wiederholen können!

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