Cover

Über dieses Buch:

 

Richard und Leon sind seit vier Jahren liiert, sogar von Hochzeit war schon die Rede.

Eigentlich ein ziemlich glückliches und zufriedenes Paar.

 

Doch plötzlich drängt sich eine Frau in die traute Zweisamkeit ...

 

 

 

 

 

Diese Geschichte enthält explizite Erotikszenen, die nur für LeserInnen ab 18 geeignet sind.

Beichte

»Du hast was

Seine laute Stimme scheint für einen Moment das ganze Wohnzimmer auszufüllen.

»Ich habe mich verliebt.«

Er starrt mich an, als hätte ich mich vor seinen Augen in einen Alien verwandelt.

»Ja ... aber ... wieso?«

Ich kann ihm seine Reaktion nicht verdenken.

Wir sind seit vier Jahren liiert - glücklich, wie wir dachten. Sogar von Hochzeit war schon die Rede. Natürlich war diese erste, schmetterlingsbehaftete Verliebtheit irgendwann weg und hat einer alltäglichen Zuneigung zueinander Platz gemacht. Irgendwann waren da auch all die Kleinigkeiten, die einen am anderen nerven.

Das ist normal, das geht allen so. Dennoch waren wir beide der Überzeugung, dass das mit uns bis zu unserem Lebensende halten würde - es lief.

Tja, so kann man sich täuschen.

»Ich verstehe es nicht«, murmelt er.

Sein Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Unglauben.

»Ich hab mir das nicht ausgesucht, Leon«, erwidere ich leise. »Es ist einfach passiert.«

Sein Blick durchdringt mich vorwurfsvoll.

»Aber eine Frau

So wie er das Wort ausspricht, klingt es schon fast angewidert.

Schulterzuckend sacke ich aufs Sofa und lasse mich in die Kissen sinken. Wenn ich ehrlich bin, habe ich geahnt, dass er so oder ähnlich reagieren wird: mit Unverständnis und Widerwillen.

Vor acht Wochen wäre es mir nicht anders gegangen.

Vor acht Wochen habe ich genauso gedacht wie er.

Aber dann kam Mae - seither dreht sich meine Welt in eine andere Richtung.

 

Gute zwei Monate ist es her, dass ich den Vertrag für dieses Filmprojekt unterschrieben habe.

Pete Dawson, Regisseur und einer meiner besten Kumpels, kam mit dem Skript auf mich zu. Er bat mich, die männliche Hauptrolle zu übernehmen und ihm zur Seite zu stehen.

Zum ersten Mal kann ich intensiv in die Regiearbeit hineinschnuppern, erfahren, was es bedeutet, die Verantwortung zu tragen, mich mit Änderungen am Drehbuch befassen und meinen Blickwinkel in eine neue Richtung lenken.

Ich werde nicht ewig Erfolg mit der Schauspielerei haben und irgendwann möchte ich auch selbst das eine oder andere Projekt führen. Pete hat immer gewusst, dass mein Bestreben auf mehr liegt.

Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat.

Leon war jedoch nicht begeistert.

Obwohl er eine der beiden anderen Hauptrollen besetzt, hat ihm der Gedanke, dass ich bei der Regie mitwirke, nicht behagt. Ich war enttäuscht - nein, ich bin immer noch enttäuscht, dass er sich so gar nicht für mich gefreut hat.

Ich glaube, das war auch der erste wirklich ernsthafte Knackpunkt zwischen uns.

Der Mensch, von dem ich mir die meiste Unterstützung für meinen Herzenswunsch erhofft habe, verweigert sie mir, obwohl er weiß, wie gern ich eines Tages selbst einen Film drehen möchte.

Tatsächlich habe ich ihn und Pete ungewollt belauscht, als sie darüber sprachen, dass ich diesen neuen Weg einschlage. Während Pete meinte, er wolle wissen, wo meine Stärken liegen, war Leon der Ansicht, er sähe keine Zukunft für mich in diesem Business - dafür fehle mir das Talent.

Ich habe ihm nie gesagt, dass ich ihn gehört habe, aber der Stachel meiner Wut sitzt tief.

 

Stattdessen habe ich mich in die Arbeit gestürzt. Anfangs aus dem Bedürfnis, mich beweisen zu wollen, ihm zu zeigen, dass ich sehr wohl Talent besitze, später aus dem Wunsch, in ihrer Nähe zu sein.

In Maes Nähe.

Mae ist die Drehbuchautorin.

Sie ist kreativ und witzig, liebevoll und ehrlich.

Wir verstanden uns auf Anhieb, und obwohl ich mich vom ersten Moment zu ihr hingezogen fühlte, war ich doch überzeugt, es sei nur ihre sympathische Art, die mich fesselte.

Denn eigentlich stehe ich nicht auf Frauen.

Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren ein geouteter, schwuler Mann.

Ich war zu hundert Prozent überzeugt, ich sei konservativ homosexuell und hätte so hart darum gekämpft, es zu sein, dass ich unmöglich zum Hetero mutieren könne.

Aber offenbar ist es doch so, wie Pete gemeint hat.

Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, ganz und gar ›straight‹ durchs Leben zu gehen.

Natürlich kennt man die Geschichten von der Hausfrau, die sich nach langer, liebloser Ehe plötzlich umorientiert und mit einer anderen Frau glücklich wird. Oder von dem Mann, der sich nach Jahren der Scham endlich outet und zu seiner Homosexualität steht, obwohl er geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt hat.

Doch Fälle wie ich sind eben auch da ... es wird nur nicht so breitgetreten.

Ich stand noch nie auf Frauen.

Klar habe ich als Teenager mal ein Mädchen geküsst, meistens betrunken, aber da war nie der Reiz nach mehr.

Es gab kein Verlangen nach Nähe oder gar Sex.

Allein die Vorstellung war abtörnend.

Niemals wäre mir der Gedanke gekommen, dass ich für Mae mehr empfinden könnte als für all die anderen Frauen.

 

Ganz ehrlich, wäre sie ein Mann, wäre sie nicht mein Typ.

Sie ist gute zwei Köpfe kleiner als ich, ein bisschen pummelig, trägt eine Brille und hat immer diese Ausstrahlung eines chaotischen Computer-Nerds. Sie neigt dazu, alle paar Wochen ihre Haarfarbe zu ändern und sich seltsame Frisuren zu richten.

Mae ist anders.

Mit ihr ist alles irgendwie speziell.

Unser erster Kontakt war holperig - im wahrsten Sinne des Wortes.

Sie kam in Petes Büro, als ich gehen wollte, stolperte über die Teppichkante und fiel mir regelrecht in die Arme. Dieses freche Lachen, mit dem sie mich bedachte, mochte ich auf Anhieb.

In den Wochen darauf haben wir oft und viel miteinander gearbeitet.

Wir haben geredet, miteinander gelacht, waren gemeinsam nachdenklich.

Ich habe mehr Zeit mit Mae verbracht als mit Leon.

Ich habe mich noch nie einem Menschen so nah gefühlt, so verstanden.

Nicht einmal bei meinem Lebensgefährten.

Anfangs war ich überzeugt, es sei nur Freundschaft, dass ich sie einfach besonders mag und sie einen speziellen Platz in meinem Herzen einnimmt.

Das war okay.

Sie weiß, dass ich schwul bin, dass Leon und ich in einer Beziehung sind.

Sie hat mir gegenüber nie irgendwelche Andeutungen gemacht, dass sie mehr will.

Sie war immer nur eine Freundin.

 

Doch wenn ich nach der Arbeit heimfahre, zähle ich schon die Stunden, bis ich sie wiedersehe. Bei allem, was ich tue, überlege ich, was sie dazu sagen würde. Sie ist ständig in meinem Kopf und in meinen Gedanken.

Ich habe mich in den letzten Tagen innerlich von Leon entfernt.

Sex ist ohne jeden Reiz.

Plötzlich will ich wissen, wie es ist, eine Frau zu berühren.

Was sie mag und was nicht.

Zum ersten Mal erlebe ich, dass ich nachts heimlich vor meinem Laptop sitze, mir Hetero-Pornos anschaue und mich frage, ob Frauen so etwas wirklich mögen.

Wenn ich mir einschlägige Seiten mit Ratschlägen und Blogs durchlese, sieht die Welt ganz anders aus. Die meisten Frauen wollen Zärtlichkeit und gefühlvolle Berührungen, sie wollen es gerade zu Anfang langsam und dass man ihnen Zeit lässt. Nur wenige sind unter ihnen, die direkt in die Vollen gehen und sich ähnlich vulgär ausdrücken wie die Darstellerinnen in den diversen Sexfilmchen.

Wie ist Mae?

Was mag sie?

Was weiß ich über sie?

Okay, sie ist hetero und Single. Ihre letzte Beziehung liegt, laut ihrer eigenen Aussage, schon eine ganze Weile zurück und sie hat betont, dass sie auch gut allein klarkommt.

Sie mag italienisches Essen und gute Filme. Beides haben wir auch schon gemeinsam genossen.

Sie singt laut im Auto mit, wenn ein Song im Radio kommt, den sie gut findet. Sehr ansteckend. Sie ist der einzige Mensch, bei dem ich so gelöst bin, dass ich es ihr gleichtue.

 

Sie ist ein bisschen schräg.

Sie hört mir aufmerksam zu, wenn ich mit ihr rede.

Sie freut sich mit mir, wenn ich mich freue.

Sie zu umarmen, ist wie nach Hause zu kommen.

Sie hat Augen, bei denen ich nie weiß, welche Farbe sie tatsächlich haben. Sie sind ein bisschen blau, ein wenig grau, mit Tupfern von Grün, Sprenkeln von Braun und unzähligen goldenen Reflexen.

Sie hat Augen, in die sich der Regenbogen verirrt hat, und ein Lächeln, das mich tief bis in meine Seele wärmt, wenn sie mich damit ansieht. Sie ist wie die Sonne, um die ich kreise, und der Mond, der meine Bahn bestimmt.

Als ich mir dessen vor ein paar Tagen wirklich bewusstgeworden bin, war mir klar, dass ich mit Leon reden muss.

Er ist mir trotz allem wichtig. Diese gemeinsamen Jahre kann man nicht einfach wegwischen, als wäre nichts gewesen.

Verdammt, ich bin kein Mann, der sich schnell neu verliebt.

Aber das mit Mae ist anders als alles, was ich vorher kannte.

Zum ersten Mal frage ich mich, wie diese Art von Sex sich wohl anfühlt.

Wie es ist, eine Frau zu lieben - körperlich, meine ich.

Dass ihr mein Herz gehört, ist für mich unbestreitbar.

Auch wenn ich es nicht verstehe.

Und Leon erst recht nicht.

 

»Wer ist sie?«

Seine Frage reißt mich aus meinen Tagträumen.

Ich habe sie erwartet und wusste von Anfang an, dass ich ihm diese Wahrheit so lang wie möglich verschweigen werde.

»Was ändert es, wenn du es weißt?«, will ich wissen.

Seine braunen Augen verengen sich und werden zu schmalen Schlitzen. Dieser Blick ist mir unangenehm vertraut.

»Also kenne ich sie«, mutmaßt er.

Wie Recht er hat.

»Leon«, ich versuche, meiner Stimme einen sanften Klang zu verleihen, »selbst wenn ich dir ihren Namen nenne, wird das nichts an meinen Gefühlen ändern. Für dich ist sie unwichtig.«

»Sie ist seit dem Moment nicht mehr unwichtig, in dem du mir gesagt hast, dass du dich in eine Frau verliebt hast«, gibt er zurück.

Ich gebe zu, das klingt logisch.

»Wer ist sie?« Der Ton seiner Stimme wird eindringlicher. »Ist es Colleen?«

Ich muss mir ein Lächeln verkneifen.

Stumm schüttle ich den Kopf.

Ja, Colleen würde in sein Weltbild passen.

Colleen ist Schauspielerin, groß, blond und extrem attraktiv. Wäre sie ein Mann, würde ich vermutlich auf sie abfahren.

Ich mag Colleen, sie ist witzig und hat einen hinreißenden Charme, aber sie ist nicht Mae.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: K. J. Watts & Ewa Aukett
Bildmaterialien: Coverdesign von Alexander Kopainski (www.kopainski-artwork.weebly.com); Bildmaterialien: schankz/shutterstock.com, conrado/shutterstock.com
Lektorat: Sandra Nyklasz
Tag der Veröffentlichung: 25.08.2016
ISBN: 978-3-7396-7055-3

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