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Mit der Erfahrung kommt die Angst, aus Spiel wird Ernst.



Es ist schön im Park zu sitzen, die Sonne scheint warm. Es ist angenehm und friedlich, denn Kindergeschrei liegt in der Luft und hallt zu ihr, die da sitzt und liest. Ja, für sie ist das Toben der Kinder schön, angenehm und friedlich. Sie kann sich entspannen – genau dabei.

Irgendwann steht sie auf, packt ihr Buch zusammen und folgt dem Stimmengewirr, wo sie eigentlich kein konkretes Wort ausmachen kann. Sie erkennt nur diesen hellen Klang der Stimmen, hie und da wird dieses fröhliche Musikstück von einem dumpferen, unpassenden Ton gestört. Dann, wenn eine Mutter oder ein Vater das Spiel in ihre oder seine Bahnen zu lenken versucht. Ansonsten nur Lachen, Quietschen und Freude.

Sie ist beim Spielplatz angelangt. In der großen Sandkiste mitten drinnen tummeln sich lauter kleine Menschen und die Neugierde, die Wissbegier steht ihnen in die Augen geschrieben. Es wird geforscht mit Händen und Füßen und es wird gekostet – ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne zu überlegen, was danach auf sie wartet. Sie gehen völlig im Jetzt auf, vertieft in ihre Tätigkeit, in ihre Forschung.

Wann hat es aufgehört das Spiel. Wann hat sie aufgehört auch zu kosten, ohne Scheu. Wann hat sie aufgehört einfach mit Freude, mit Spaß in Situationen hineinzugehen. Wann hat die Angst angefangen, was das Spiel des Lebens noch für sie an bösen Überraschungen bereit hält. Sie weiß es: Mit seinem Tod.

Mit seinem überraschenden, völlig aus dem Nichts gegriffenen, plötzlichen Tod. Damit. Es gab immer Überraschungen, auch weniger angenehme, aber niemals so niederschmetternde, böse Überraschungen – einfach beim Bergsteigen abstürzen, einfach so. Warum, weswegen, wie? – Einfach so. Keine Erklärung, kein Trost – einfach so. Eine Erfahrung, die man macht – einfach so, mit voller Brutalität.

Mit dem Tag war das Spiel vorbei. Der Trostspruch ihrer Mutter, wenn sie die Brutalität der Sandkiste erlebt hatte und mit aufgeschlagenem Knie angelaufen kam „Alles wird wieder gut“ versagte. Der Leitspruch, der bis dahin für sie in ihrem Lebens-Spiel so gut „funktioniert“ hatte, versagte. Dieser Trost- und Leitspruch aus Kindertagen versagte völlig, gänzlich, total. Da wird nichts mehr gut, nichts mehr wird wie vorher. Im Gegenteil es ändert alles.Manchmal schreckt sie hoch und horcht und wartet, ob wieder eine böse Überraschung lauert – noch einmal Tod? Krankheit? Das Leben birgt noch so viel – Gutes? Da ist sie sich nicht mehr sicher. Die Sicherheit von „alles wird gut“ ist der Angst vor „was wird da kommen“ gewichen.

Sie sitzt am Sandkistenrand und ihre Finger berühren den Sand. Manche Kinder werden ihre Neugierde nie verlieren, immer Kinder bleiben, immer spielen. Manche Kinder werden früh aufhören müssen zu spielen, weil sie der Tod noch früher begrüßt. Sie konnte lange Kind bleiben und spielen. Und wenn sie da am Sandkistenrand sitzt und der Sand durch ihre Finger rieselt, fühlt sie sich wohl und geborgen. Sie hört die hellen Stimmen, das Lachen und ist ganz
im Jetzt. Und wie sie da am Sandkistenrand sitzt und vor ihr eine kleine Sandburg entsteht, genießt sie die Sonne und forscht neugierig in ihrer Umgebung – denn sie braucht noch eine Fahne für ihren Sandburgenturm!

Mit der Erfahrung kam der Verlust des Spiels. Mit dem Verlust des Spiels ging die Neugierde und kam die Angst. Mit dem Spiel kommt die Neugierde.

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Tag der Veröffentlichung: 30.08.2010

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