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Verlangen

 

„Doch das sicherste Prinzip von allen ist das,

bei dem eine Täuschung unmöglich ist

Welches das aber ist, wollen wir nun angeben

Denn es ist unmöglich, dass dasselbe demselben

in derselben Beziehung zugleich zukomme und nicht zukomme.

Doch wir haben eben angenommen, es sei unmöglich, dass etwas zugleich

sei und nicht sei.“

– Aristoteles

 

Prolog

 

Der Regen prasselt unermüdlich auf die Erde herab, doch zum Glück trug ich eine Regenjacke. Die karamellfarbenen Spitzen meiner Haare waren zerzaust und nass. Ich wagte nicht einmal den Versuch, meine Haare einigermaßen zu richten – es würde ja sowieso wieder nix werden. Also hielt ich mein Tempo bei und ging durch die verlassenen Straßen – so verlassen, dass mir beim näheren Gedanken daran übel wurde. Mit meinen 1,60 musste ich extra große Schritte machen, während ich großen Pfützen aus dreckigem Wasser auswich. Als ich endlich das Haus von Tyler erreicht hatte, holte ich tief Luft. Ich hatte es geschafft. Ich klopfte an die Tür und sah, wie weiß meine Knöchel waren und zog schnell die Spitzen meiner Jackenärmel drüber. Tyler öffnete die Tür und jedesmal bei seinem Anblick raubte es mir den Atem. Seine Strahlenden Eisfarbenen Augen und sein Aschblondes Haar waren nahezu perfekt. „Hi, Kahlan“, sagte er leise. Er schaute nach rechts und links und scheuchte mich rein. Ich zog meine dreckigen Stiefel aus und schlüpfte in seine Warme Wohnung. „Wie immer schön“, meinte ich und fühlte mich rundum wohl. Einer der wenigen Orte, an denen ich mich sicher fühlen konnte – und durfte. Ich spürte seine Hände um meiner Taille, „Hast du Hunger?“, fragte er mich und ich schüttelte mit dem Kopf. Ich fühlte mich müder denn je und meine Gliedmaßen schrien nach einem Schlafplatz. Sofa, Couch, Bett, alles war mir recht. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich den Boden beäugte. Ich spürte sein Lächeln, als er mich auf mein Zerzaustes Haar küsste, „Wie lang kannst du bleiben?“, wollte er wissen und derselbe nervöse Unterton wie an der Tür eben kehrte zurück. „Solange du willst, Schätzchen“, sagte ich um die Stimmung aufzulockern. Aber ich war noch nie gut in Witzen gewesen und jetzt war ich es auch nicht. Ich spürte, wie Tyler sich anspannte. „Das ist nicht lustig, Kahlan“, erwiderte er und streichelte mich, was so viel hieß wie Für immer. Ich lehnte meinen Kopf an seine harte Brust und spürte, wie sie sich hob und senkte. „Eine Stunde“, sagte ich dann trüb. Seine Hand ruhte auf meinem Rücken, seine andere streichelte mich immer noch, „Dann dürfen wir keine Zeit verschwenden.“

 

 

Ich saß auf Tylers Schoß und lauschte seiner tiefen Bass Stimme. Das Feuer im Kamin knisterte und es hätte nicht perfekter sein können. Dann brach Tyler abrupt mit seiner Erzählung ab. „K?“, flüsterte er und klang…erschrocken und aus dem Konzept gebracht, „Ja?“, ich schaute ihn verwirrt an. Er senkte den Blick, „Deine Augen“, ich schlug meine Lider zu und hielt die Hände vor mein Gesicht, „Oh, tut mir leid, das solltest du nicht sehen!“, kreischte ich und sprang von seinem Schoß, um daraufhin ins Bad zu rennen. Meine Smaragdgrünen Augen, die ohnehin leuchteten, strahlten jetzt als hätte man eine Tausendwattbirne reingestopft. Durch meine Scheinwerfer Augen wirkte mein Gesicht blass – meine Gesichtszüge härter, meine Wangenknochen deutlicher. Ich seufzte. Ich hörte Tylers Schritte in meine Richtung kommen. „Geh Weg“, sagte ich, „Es…tut mir leid, dass du das sehen musstest. Ich weiß, es ist schwer für dich“, ich wusch mein Gesicht, was logischerweise nicht half das Leuchten wegzukriegen, aber was war schon logisch daran, ein Dämon zu sein? „Kahlan, versteck dich nicht“, zwei Starke Arme hielten mich ganz fest, „Es tut mir leid! Es war nur so…überwältigend“, meine Augen leuchteten auf - haha, „Du findest mich überwältigend?“, ich entwand mich seinem Griff und schaute ihn direkt an. Ich sah, wie sich das Strahlende Grün meiner Augen in seinen wiederspiegelte. Er nickte fasziniert, „Ja“, hauchte er dann und umarmte mich fest. Ich fühlte mich geborgen – was eigentlich verboten sein sollte. Plötzlich vibrierte es in meiner Jackentasche. Ich fischte es seufzend heraus und es stellte sich heraus, dass es Toby war. Ein Lehrer aus meine Schule – einer ganz besonderen Schule – die Schule der Dämonen.

 

 

2.

„Kahlan ist gerade beschäftigt“, sagte Tyler, eher ich mich versehen konnte und hielt sich mein Handy ans Ohr. Ich hörte die dumpfe Stimme vom Toby – verdammt, ich war am Arsch. Tylers Gesicht ließ sich nicht trüben, er schaute immer noch so grinsend drein wie am Anfang des Telefonats. „Ist gut“, sagte Tyler dann und blickte mich an, „Für dich“, flüsterte er und hauchte mir schnell einen Kuss auf die Lippen, eher er verschwand. „Hier ist die beschäftigte“, versuchte ich gelassen zu klingen. Toby lachte leise, „Kahlan, ich habe mir Sorgen gemacht! Ich kann dich nicht jedesmal decken, nur weil du so eine große Sehnsucht nach deinem Freund hast. Du hast doch schon deine Freiheiten, wieso willst du ihn denn noch öfters sehen?“, ich hörte ein rasselndes Geräusch, wahrscheinlich seufzte er in die Leitung, „Du warst wohl noch nie verliebt“, antwortete ich. „Oh doch, das war ich…“, es herrschte Stille, dann hörte ich, wie er sich räusperte, „Kahlan, beeil dich einfach. Du kannst dich nicht unter Kontrolle halten, das weißt du“, es sollte hart klingen, doch ich hörte sein Mitgefühl. Und nein, er meinte mit der Kontrolle nix Sexuelles. Er meinte meine Kräfte. Wenn ich zu viele Emotionen besaß, konnte es schon einmal außer Kontrolle geraten. Gut, hauptsächlich ging es um meine Augen, die wie wild leuchteten, weil ich so viel Energie besaß. Ich seufzte, fuhr mir durch mein Haar, achtete nicht auf meine Augen, die brannten – und fast glaubte ich, sie wären heiß – und eilte zu Tyler. Er empfing mich mit einem zarten Kuss und ich schlang meine Arme um ihn. Er drückte mich fest an sich und küsste mich auf meine Wange, Stirn, Nase und wieder auf meine Lippen. Dann lösten wir uns voneinander, „Ich liebe dich“, hörte ich ihn sagen und taumelte zu meiner Jacke. Ich lächelte ihn an, „Ich liebe dich“, erwiderte ich und zog mir meine Kapuze über. Und Tyler hatte nicht mehr allzu geschockt auf meine Augen gestarrt. Ich ging hinaus in die Kälte.

 

 

„Kahlan Mally! Welch eine Freude!“, Dr. Carter, ein schlaksiger Mann der mitte Dreißig aussah grinste mir zu und ließ seine strahlenden Zähne zeigen. Ich gab ihm die Hand, „Freut mich“, dabei versuchte ich Toby den finstersten Blick zuzuwerfen den ich konnte, als sich Dr. Carter von mir abwandte. Er zuckte nur mit den Schultern. Lydia die neben ihm stand, hob fragend eine Braue. Es hieß so viel wie K, was geht hier ab? Als Dr. Carter mit Toby durch eine Tür verschwand, stieß ich einen Schrei aus. „Ich bringe Toby um!“, raunte ich Lydia zu, die mich nur verwirrt anschaute. „Kahlan, er hat dich gerade vor Dr. Carter gelobt, dem Leiter der Dämonen Schule“, grinste sie über beide Ohren. Ich schaute sie finster an, „Das ist Taktik, Lydia! Daran ist nichts toll, solange man Tobys Absichten entdeckt. Wenn er mich als eine seiner besten Schülerinnen vorstellt – und das war ich nicht mal – dann nur, damit ich mir nichts mehr erlaube, wie jeden Gottverdammten Tag meinen Perfekten Freund zu besuchen!“, ich ballte meine Hände zu Fäusten. Ich hasste die Dämonen Schule, ich fühlte mich wie ein Freak. Gut, ich war ein Freak. Dämonen sind Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten – wie bei der Xmen, nur komplexer, da wir auch stärker und schneller sind als gewöhnliche Menschen. Außerdem gibt es besondere Muster wie ein Dämon entsteht. Man muss entweder als solcher geboren werden, was bei den meisten zutrifft oder man absorbiert die Energie eines Dämons um selbst einer zu werden. Bei mir traf letzteres zu, was ich bislang jedem verschwiegen hatte. Ich erinnerte mich noch daran, wie es geschah.

 

Ein halbes Jahr zuvor

 

Es war ein Sonntagmorgen, die Sonne brannte auf meiner Haut, obwohl es erst Frühling war. Die Luft um mich herum war angenehm, doch ich fühlte mich irgendwie beklommen. Ich führte meinen Hund Daisy aus. Süßer Name, wenn man bedachte, dass der Hund männlich war. Meine kleine Schwester hatte es so gewollt, na und? Ich grinste vor mich hin. „Hey, du“, ich drehte mich um. Vor mir stand ein 1,80 großes, dunkelhaariges Mädchen, doch ihre Augen glühten in einem strahlendem Blau. Mir stockte der Atem. Wenn ich ein Mann gewesen wäre, dann hätte ich mich sofort in sie verliebt. Ich verwarf den Gedanken. Was spielte es für eine Rolle? Neid brachte nichts, doch ich staunte nicht schlecht, als sie mich angrinste. „Ja?“, hörte ich mich sagen. Meine Stimme klang noch rau vom Gesangsunterricht mit Lydia zusammen. Ich sah, dass das Mädchen High Heels trug, schwarz wie die Nacht und auf mich zuschritt, als wären ihre Absätze nicht 15cm hoch. „Du“, wiederholte sie und neigte den Kopf, „Du wirst mich ablösen. Du bist dazu erwählt, ich spüre es!“, ich zog verwirrt den Kopf ein. Bitch, dachte ich, was geht mit dir ab? Doch plötzlich grinste sie, als hätte sie meinen Gedanken gehört. „Wie heißt du?“, wollte sie wissen. Was ging es sie an? Ich würde ihr nicht meinen Namen sagen. Kurz blitzte mein eigener Pass in meinem Kopf auf, wie als Erinnerung, wie ich hieß. „Danke“, murmelte sie, „Also, Kahlan, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Amara und du bist der Schlüssel dazu, mir zu helfen.“ Ich starrte sie schockiert an. „Bitte, jetzt tu nicht so überrascht. Ich kann Gedankenlesen, ist doch offensichtlich, nh?“, sie grinste wieder und schielte kurz zu Daisy hinüber. Als spüre der Terrier die Gefahr, krümmte er sich leicht und sah das sonderbare Mädchen mit schlitzaugen an. „Wer bist du? Und was meinst du damit?“, sie schüttelte den Kopf. „Ach, Kind!“, sagte sie, als wären wir nicht gleichalt. „Schätzchen, wir sind nicht gleichalt“, sagte sie bissig. Wenn sie meine Gedanken hören konnte, musste ich nur daran denken, wie Daisy neben uns Häufchen machte und der Gestank uns erfüllte. Amara zog den Kopf in den Nacken und prustete los. Tatsächlich, sie hatte reagiert! „Wie ist das möglich?“, wollte ich wissen. Als sie sich im Griff hatte, blitzten ihre merkwürdigen Augen amüsiert, „Ich bin ein Dämon. Wir sind Kreaturen mit besonderen Fähigkeiten, Gaben so nennen wir sie. Außerdem sind wir schnell und stark“, ehe ich mich versah war sie weg und tauchte wieder aus. Sie zwinkerte mir zu, „Siehst du?“, flüsterte sie, ehe sie fortfuhr, „Ich wurde geboren, vor ungefähr vierzig Jahren. Dämonen sind nicht unsterblich, altern aber sehr sehr langsam. Ich bin hier, um dir deine Aufgabe zu geben. Du bist eine Mally, was heißt du stammst aus einer sehr mächtigen Dämonenreihe ab. Meine Chance, dein Schicksal. Seit Jahrhunderten werden Dämonen vom Dämonen König Kolander tyranniert.

 

Er ist unsterblich. Wie fragst du? Ach nein, du fragst dich, was diese Psychopaten Schlampe von dir will. Na ja, was solls. Er hat die Energien von vielen mächtigen Dämonen absorbiert- eigentlich der Mallys. Denn Kolander ist mit dir Verwandt. Vom deinem Urururururururur und so weiter urururururur Großvater der Bruder. Er hat seine ganze Familie umgebracht, genau wie viele Dämonen nach ihnen. Er wollte der stärkste sein und ist irgendwann unter der Macht unsterblich geworden. Durch ein Massaker. Die Energie eines Dämon zu absorbieren heißt, einer zu werden und speziell dessen Fähigkeit zu erlangen. Aber es hat einen Preis – man verliert seine Menschlichkeit. Man wird kalt und grausam. Und allein. Aber stark. Man kann als Dämon natürlich freiwillig seine Kräfte abgeben und sterben, aber wieso? Ich sags dir. Um diesen Tyrannen zu bekämpfen! Dieses verdammte Schwein, der meinen Freund umbrachte. Denn jeder, der versucht anderen Dämonen die Energie abzusorbieren während er schon als Dämon ist – sprich, dass was Kolander getan hat – wird umgebracht. Anton, mein Freund wollte sich gegen ihn auflehnen und Kraft gewinnen. Nur so hätte man ihn besiegen können. Und Kolanders Gehilfen sind überall. Also wie das tun, um ihn zu besiegen ohne gegen seine Regeln zu verstoßen?“, sie machte endlich eine Pause und fing mich auf, als ich den Halt verlor. „In den Prozess eindringen“, fuhr sie fort, während sie mir half, aufzustehen. „Jemandem, der ein Dämon wird, aber noch nicht verwandelt ist. Jemand wie du. Du hast noch ein Jahr bis zu deinem Geburtstag, Kahlan. Also wird es klappen. Bis dahin hast du Zeit dich vorzubereiten. Du musst ihn vernichten! Mit Leben und Tod. Und ich, eine Tochter der Familie Carter, sind neben den Mallys die Gründer, der Ursprung und haben sich geschworen alles zu tun, damit Kolander verschwindet. Um alle zu beschützen“, Tränen stiegen in Amaras Augen, „Sag meinem Daddy dass ich ihn liebe. Sag Bill Carter, dass ich den Anfang bilde und du das Ende. Geh auf seine Schule, Kahlan. Sie wird dir helfen“, dann ließ sie ihre Hand auf meine Stirn gleiten und ich spürte Hitze und Macht – unvorstellbare Energie, während Amara neben mir auf den Boden sank und ihren letzten Atemzug machte. Sie hatte mir ihre Macht gegeben. Ich war nun ein Dämon. Oh Mist.

 

 

„Wieso sollte Toby das tun?“, fragte Lydia und biss in ihren Apfel. „Ich bin eine Gefahr, wenn ich glaube, ich könnte meine Kräfte außerhalb Carter´s Schulmauern kontrollieren“, sagte ich wie auswendig gelernt. Irgendetwas musste noch dahinter stecken. „Er ist eifersüchtig“, rätselte Lydia. Ich verschluckte mich an meinem Brot und prustete los, „Leck mich!“, sagte ich halb lachend, halb ernst. Sie verzog das Gesicht, „Wieso denn sonst?“, fragte sie barsch. Ich wischte mir eine Träne weg und erwiderte, „Keine Ahnung, Lydia. Ist jetzt auch egal. Es war schön, wenigstens Carter wiederzusehen“, ich schaute auf die Bäume vor uns. Dann biss ich mir auf die Zunge. „Wieso wiedersehen?“, fragte Lydia. Sie hatte meinen Fehler erkannt, „Weil ich seine Tochter kannte. Amara“, meinte ich und beobachtete, wie die Blätter der Bäume im Wind hin und her schwangen. „Wie ist sie so?“, Lydia warf den Müll ihres fertig gefutterten Apfels weg. „Sie war…unglaublich“, ich seufzte und Lydia ließ mich Gott sein Dank in Ruhe. Amara war komisch gewesen, aber sie hat etwas Unglaubliches getan. Ihr Leben hingegeben, damit ich alle retten sollte. Aber ich wusste nicht, wie. Ich konnte meine Kräfte nicht einmal kontrollieren. Toby ist in sie verknallt…Toby ist in sie verknallt… hörte ich Lydias Gedanken. Keiner wusste, wie ich ein Dämon wurde. Alle dachten, ich sei schon Achtzehn, in dem Jahr der Verwandlung. Ich war siebzehn und ein Dämon, weil Amara mir ihre Kräfte gab. Somit auch die der Gedankenkontrolle. Das unglaublich war, dass ich, wenn ich Achtzehn werde, noch eine Gabe entwickele. Jap, selbst in der Dämonen Hierarchie war ich ein totaler, abgedroschener Freak. Isso.

 

 

3.

Als wir zur nächsten Stunde, Algebra, ankamen war alles ruhig. Ich setzte mich neben Lydia und Mike, klappte mein Buch auf und blätterte Wahllos herum. Mein Kopf schwirrte, aber ich konnte die Gedanken aller ausblenden. Tatsächlich fiel es mir sogar schwer, mehrere Gedanken wahrzunehmen. Sie zerreißt noch das Buch, alter hörte ich Mike in Gedanken lachen. Ich verzog keine Miene, als ich das Buch zur Seite legte. Toby kam herein, er sah höchstens ein Jahr älter als wir, bzw. zwei Jahre als ich aus. In Menschenjahren wäre er um die dreißig. Er unterrichtete Algebra, Sport und Literatur, nachdem er selbst auf dieser Schule war und seine Kräfte entdeckt hat. Toby konnte die Schwerkraft beeinträchtigen. „Was geht ab?“, Toby lachte, warf seine Bücher auf den Tisch und fing mit Strahlensätzen an. Ganz normaler Unterricht eben. Ich seufzte. Was dachte Toby nur? Ich starrte ihn an und versuchte mich zu konzentrieren, als ich plötzlich einen Schrei vernahm. Bloß hatte ich ihn als Einzige gehört – er war so stark, dass ich ohne Konzentration wahrnahm. Ein Gedanke. Hilfe! Hörte ich erneut. Ich erhob mich von meinem Stuhl, Toby und Lydia zogen jeweils eine Augenbraue hoch. „Ich, eh, muss mal für Mädchen“, sagte ich, versuchte meine Nervosität zu verbergen und meine Gedanken zu ordnen, was bei dem Geschrei des Mädchen verdammt schwer war. „Nein“, sagte Toby schlicht. Ich schaute ihn finster an, „Es ist wichtig! Und dringend. Sehr, sehr dringend“, ich durchbohrte Toby mit fiesen Blicken, doch er blieb kühl.

 

„Wie soll ich dir vertrauen?“, meinte er. „Als Lehrer musst du mir nicht vertrauen verdammt, jetzt lass mich gehen! Da ist jemand in Gefahr!“, platzte es aus mir heraus. Doch wieso hatte das Mädchen nicht laut geschrien? Blanke Neugier packte mich und ich hastete einfach zur Tür. „Warte!“, schrie Toby und verkniff sich, wie ich sah, ein fluchen. „KOMM!“, brüllte ich und schaffte es sogar, die Augen dabei zu verdrehen. Idiot. Er. Und ich. Toby schien kurz unentschlossen, seufzte dann und machte eine Handbewegung, „Los!“, er hastete neben mir her, als ich wie selbstverständlich die Gänge runter raste, „Was auch immer du vorhast“, rief er außer Atem, „Wehe es ist nicht wichtig“, ich versuchte mich zu konzentrieren und das Pochen zu ignorieren. „Da!“, rief ich. Als wir um die nächste Ecke bogen, blieb ich so abrupt stehen, dass Toby fast in mich hineingekracht wäre. Ich sah ein Mädchen, welches zusammengesunken in einer Ecke kauerte.

 

 

Es war Schweißbedeckt, keuchte und wiegte sich hin und her. Ihr Haselnussbraunes Haar klebte an ihrer blassen Haut und als sie ihre Augen auf uns richtete, entdeckte ich blankes Entsetzen. „Oh mein Gott“, flüsterte Toby neben mir, „Das ist Miranda. Carter´s andere Tochter“, ich erstarrte, sah ihn von der Seite an. Verdammter Mist. Beim näheren hinsehen erkannte ich einiges von Amara. Die harten Gesichtszüge, die nun vom Schmerz verzerrt waren. Ich sah, dass sie lange Beine hatte. Doch was war los mit ihr? „Was ist los?“, fragte Toby, doch das Mädchen wimmerte nur. Umgebracht…ihn…wie konnte ich nur? Ihre Stimme war angstverzerrt, wahrscheinlich stand sie unter Schock und konnte nicht sprechen. Ich schob Toby zur Seite und kniete mich vorsichtig neben Miranda. „Hey“, flüsterte ich und betete, dass Toby mich nicht hörte, „Ich frage dich was und du antwortest im Kopf, ja? Denk die Antwort nur“, ich zwinkerte ihr zu. Ihre Augen starrten mich durchdringend an. „Was ist passiert?“, fragte ich. Wer bist du? Lass mich! Ihr beide! Ich bin ein Mörder, töte mich! Ich zuckte zusammen und berührte ihren verschwitzten Arm, „Wieso hast du um Hilfe geschrien? Hier?“, ich tippe mir an den Kopf, damit sie verstand was ich meinte. Ich versuchte meine Angst zu ignorieren. Schock…ich krieg sein Gesicht nicht aus den Kopf. Ich hab ihn nur berührt, wir haben uns gestritten… Bryan… plötzlich tot…sie wimmerte nun lauter und Toby kniete sich neben mich. „Sie sagt nichts, oder?“, er klang niedergeschlagen, verzweifelt. „Geh und hol ich was zu trinken. Ich klär das, versprochen“, er wollte widersprechen, nickte dann aber doch, „Bin sofort wieder da“, er berührte mich kurz an der Schulter mit seiner rauen, starken Hand. Ich erzitterte kurz, wandte mich dann wieder an Miranda. „Was meinst du? Plötzlich tot? Ein Unfall?“, meine Stimme zitterte und ich biss mir auf die Unterlippe. Mirandas zarter Kopf schüttelte sich leicht, vermutlich ein Kopf schütteln.

 

Nein… also ja. Ich wars! Ich! Ich bin gefährlich… ich…ihre Gedanken überschlugen sich und ich hörte nur Fetzen. „Warte“, sagte ich und versuchte einen Schritt, den ich bisher nicht getan hatte, „Zeigs mir“, ich tippte mir erneut an die Schläfe. Dann berührte ich wieder ihren Arm, schloss die Augen und versuchte, tief in ihre Gedanken einzudringen. Und ich sah es. Das geschehen.

 

 

Bryan und Miranda standen auf dem Schulhof, hatten sich davongeschlichen. Miranda zitterte, Bryan legte ihr seine Jacke um die Schultern, „Miri, willst du lieber wieder rein?“, in Bryans Stimme schwang pure Liebe mit. Miranda schüttelt den Kopf, „Nein. Hier ist es gut. Was soll ich da? Deutsch? Spanisch? Ich brauche das nicht. Dad sagt, meine Kräfte kommen bald. Ich kann an nichts anderes mehr denken, Bry“, sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sie wusste, auf ihn war Verlass. Bryan neigte den Kopf, „Dein Dad übertreibt. Es dauert noch, hetz dich nicht. Geh es ruhig an, setz dich nicht unter Druck!“, sie nickte, er fuhr fort, „Er kann es nicht erwarten, dass du deine Kräfte kriegst. Wie Amara damals…“, er wollte fortfahren, spürte, wie sie sich versteifte, „Was meinst du? Wie Amara? Willst du damit sagen, er will, dass ich wie sie werde? Ich bin nicht so diszipliniert, gleichgültig. Ich warte darauf, dass ich meine Kräfte kriege, nichts weiter“, sie schwieg. Er atmete tief durch, „Selbstverständlich, Miri. Aber das wollte ich dir schon lange sagen. Seit Amara tot ist, ist er nicht derselbe – er redet nur noch vom Dämonenleben. Wo ist der Vater, den du so sehnlichst willst?“, er hob ihr Kinn an. Mirandas Augen waren voller Tränen, „Dies ist unser Leben, Bryan. Mein Dad ist voller Trauer seit Amaras Tod. Er will mir bis heute nicht sagen, was passiert ist. Ich finde mich damit ab. Und du solltest das auch!“, sie erhob kurz die Stimme, schwieg dann aber wieder. „Ich weiß es“, sagte er dann. Miranda erstarrte, „Was?“ sie spürte, wie er sich verkrampfte, „Ich hab deine Eltern belauscht. Als ich… du weißt doch, dass ich mich unsichtbar machen kann…“, es schien ihm peinlich, „Du warst an dem Tag so traurig und wolltest nicht drüber reden. Dein Dad war verschlossen… an dem Tag schwor ich mir, immer für dich da zu sein.“ Miranda löste sich aus seinem Griff, „Wieso hast du nichts gesagt?“, fragte sie geschockt, „Weil er mich ertappt hat. Ich war zu laut… Ich musste es schwören…“, er sah ihre Verzweiflung und versuchte sie festzuhalten. „Oh mein Gott“, schluchzte sie. Sie kniete sich auf den kalten Asphalt. „Miri, es tut mir leid!“, „Bitte“, sagte sie, „Sei still. Ich steh unter Schock…“, ihre Schultern bebten. Er versuchte ihre Hand zu nehmen, doch Miranda zog sie zurück und versuchte, ihr Blick voller Trauer, mit beiden Händen Bryan von sich zu stoßen. Sie berührte seinen Nacken, Arme. Und von der Trauer ergeben, spürte sie, wie ihre Hände senkend heiß wurden und in Bryan übergingen. Ehe sie sich versah, sank er stöhnen zu Boden und wurde ganz blass. „Bry?“, ihre Panik überwältigte sie und ihre Tränen versiegten kurz. Sie kniete sich neben ihn, „Bry?“, er schloss die Augen und atmete ganz flach. Dann kippte er zur Seite wie eine erschlaffte Puppe.

 

 

 

Ich zog meine Hand zurück und wischte mir schnell ein paar Tränen weg. Danach wollte Miranda Hilfe holen, ist dann aber zusammengeklappt. „Sein Puls…keiner…meine Gabe...Tod“, sprach sie mir rauer Stimme. Trotz ihrer klapprigen Erscheinung drückte ich sie fest an mich. „Lass uns zu ihm gehen“, sagte ich. „Miranda, bleib stark. Du hast nichts falsch gemacht“, ebenso überwältigte mich meine Trauer. War es meine Schuld? Amaras Tod lastete auch schwer auf mir. Und die Aufgabe, die ich zu erfüllen hatte. Toby kam um die Ecke gerannt und verschüttete dabei eine Menge Wasser aus dem Becher den er brachte. Ich stand auf und bat Toby auf Miranda aufzupassen, „Ich bin gleich wieder da“, sagte ich und wollte schon die große Tür zum Hof öffnen. Doch sie blieb zu, „Toby!“, schimpfte ich. Als ich mich umdrehte sah ich, wie er den Blick auf die Tür richtete. Ich sagte doch, er kann die Schwerkraft beeinflussen und hinderte mich so daran, die Tür öffnen zu können, weil sie wie verschlossen war, „Kahlan, wohin verdammte scheiße willst du?“, fragte er aufgebracht. Normal hätte ich sowas erwidert wie, „Oh, ein Lehrer redet aber nicht so“, aber ich schaute ihn nur wütend an. „Zu Bryan“, es hatte keinen Sinn zu lügen, also sparte ich mir den Scheiß mit den Ausreden. Er zog eine Augenbraue hoch, „Ihrem Freund?“, mein Blick huschte zu Miranda die gierig das Wasser trank. Sie war leichenblass die Arme. Verständlich – und dazu hatte sie vermutlich noch die Gabe, Menschen bzw. Lebewesen durch Berührungen zu verletzen. Ich nickte knapp und presste die Lippen zusammen. Als er nichts mehr sagte, seufzte ich, „Sie…hat mir gesagt was passiert ist“, log ich und schaute wieder zu Miri. Sie schien von der Konversation die zwischen Toby und mir herrschte nichts mitzukriegen. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete langsam ein und aus, wie beim Meditieren. Er nickte knapp, „Ich komm mit“, meinte er und die Türen flogen wie von Geisterhand auf. Ich seufzte und schwang theatralisch das Haar nach hinten. Er zwinkerte mir zu, „Ich liebe es, wenn du das machst“, hörte ich ihn sagen. Ich stupste ihn an, „Ach, ja?“, und ging voran.

 

 

Bryan sah noch schlimmer aus, als in Mirandas Erinnerungen. Er war blass wie eine Leiche – bitte sagt mir, dass es nicht eine war (!) – und außerdem war er unnatürlich dünn geworden. Ich beugte mich zu ihm herunter, Toby mir dicht auf den Versen. Ich fühlte seinen Puls. Ich wollte gerade den Mund aufmachen und sagen, dass ich nichts fühle, als Toby meine Hand packt, „Ich höre einen Puls“, hauchte er mir zu. Klar doch, er war ein vollwertiger Dämon, dieser Angeber. Trotz meinen Kräften war ich immernoch nicht in der Lage, mich voll und ganz zu kontrollieren. Außerdem war es bei mir anders, als wenn irgendjemand in einen Dämonen verwandelt wird. Meine Gene hätten sich ja so oder so irgendwann entfaltet, sodass ich ein Dämon wurde. Ich besitze überschüssige Energie und bin vor meinem achtzehnten Lebensjahr nicht in der Lage, mein Potenzial der vollen Kontrolle zu erreichen. Deshalb war ich umso dankbarer, dass Toby den Puls hören konnte. Ich atmete erleichtert auf, „Und jetzt?“, wollte ich wissen. Er neigte den Kopf, „Krankenstation?“, er sah Bryan besorgt an. Ich schüttelte den Kopf, „Das wird ihn nicht heilen. Miranda besitzt die Gabe des Tötens, aber dies ist übernatürlich. Sie hat es nicht geschafft ihn zu töten, wahrscheinlich weil ihre Gabe neu ist, aber ich bin mir sicher, dass Bryans Zustand sich nicht verbessern wird. Er ist wie im Koma, schätz ich“, ich erhob mich und zog meine Jacke enger um mich, „Dann bringen wir ihn erst recht dahin, komm hilf mir“

 

 

4.

Ich saß im Warteraum vor dem Direktorzimmer. Genau genommen war es ein langer Flur, mit bestückten Wänden – Portraits, so alt und edel wie meine Großeltern zusammen. Ein Teppich verlief den Gang entlang. Toby lehnte mit dem Rücken an der Gegenüberliegenden Wand. Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, die andere hatte er hinter dem Rücken. Carter wollte natürlich alles wissen. Miranda hatte „Bettruhe“, die Arme stand unter Schock. Und sie redete mit niemandem… außer mir. Carter war froh, dass sie überhaupt redete und nun ordnete er mir an, sie jeden Tag bei sich zuhause zu besuchen. Das Haus der Carters war ja im Campus, also war es kein Problem. Auch eine längere Strecke hätte ich bewältigt. Ich gebe zu, ich hätte mich sogar über einen weiten Weg gefreut, dann hätte ich einen Grund gehabt, den Campus zu verlassen. Ich fühlte mich nicht so wohl, ständig unter Menschen und ich fand auch nicht, dass ich gänzlich hierhin gehörte. Ich wusste nicht, ob es jeden noch nicht vollständigen Dämonen so ging. Oder halt nur mir. „Woher hast du es gewusst?“, fragte mich Toby nach einer Weile. Verdammt, das musste ja noch kommen! Ich starrte Verlegen auf meine Finger und betrachtete die beige Farbe, mit der ich meine Nägel lackiert hatte. „Lange Geschichte“, versuchte ich die Sache abzutun. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.

 

 

Wie peinlich! Denn ich spürte auch, wie Toby mich anstarrte, „Sags mir“, verlangte er sanft. Er stieß sich von der Wand ab und kniete sich vor mich hin. Dann hob er vorsichtig mein Kinn an, „Bitte. Du bist unglaublich!“, sagte er und ich sah, wie seine Dämonen Energie kurz in seine Augen schossen und seine Augen zum Leuchten brachten wie bei mir auch, nur dass ich es nicht so richtig kontrollieren konnte. Eigentlich so gar nicht. „Wenn ich dir sage, ich habe gute Instinkte…“, setzte ich an. Er zog eine Augenbraue hoch, „Dann hast du aber mega gute Instinkte, Kahlan. Sag schon, was ist los?“, fragte er. Sollte ich ihm erzählen, dass ich ein kompletter Freak war? Dass ich ein Dämon war, der Gedankenlesen konnte? Eigentlich denken ja alle, ich wäre schon Achtzehn und wäre dann ein Dämon geworden. Was bedeutete, dass ich meine Kraft schon längst erlangt haben müsste. Aber ich wollte nicht preisgeben, was ich konnte. Denn wenn ich wirklich Achtzehn wurde - was wäre, wenn ich eine noch mächtigere Gabe hätte, die ich nicht verstecken könnte? Dann wäre es sofort raus. Also tat ich so, als wäre ich eine von denen, die mit Achtzehn Dämonen wurden aber noch auf ihre Kräfte warteten. Wie Miranda. Dass es erst noch dauerte. Also alle erwarteten, dass ich spätestens zu meinem Neunzehnten Geburtstag meine Kräfte entdecke – was ja eigentlich erst mein Achtzehnter ist. Es heißt, jetzt beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Was werde ich noch können? Und dann muss ich etwas preisgeben. Aber so – sollte ich Toby die Wahrheit erzählen? Dass ich jetzt erst Achtzehn wurde und dann in der folgenden Zeit noch mehr Kräfte erlange? Es wäre besser als zu sagen, ich könne Gedankenlesen. Denn dann hieße es, ich habe gelogen. Ich könnte behaupten, weil ich Angst hatte. Aber Toby wäre trotzdem verletzt. Das könnte ich nicht ertragen. Ich hob den Kopf, „Ich bin erst Siebzehn, Toby“, hörte ich meine plötzlich rau klingende Stimme sagen, „Eigentlich könnte ich kein Dämon sein, aber da gibt es die Möglichkeit, die Kräfte eines anderen Dämon zu erlangen. Es kostet ein Leben und ist für Dämonen verboten. Natürlich haben viele versucht in den Prozess einzudringen. Wie ich. Also nicht ich, es war… es war Amara, Carters Tochter, Mirandas Sis. Ich bin eine Mally, was zeigt, dass ich so oder so ein sehr starker Dämon werde und Amara wollte mich noch mehr stärken und ist für mich gestorben! Ich verzeihe es mir bis heute nicht, was sie getan hat, aber ich konnte nichts dafür. Sie wollte, dass ich Kolander besiege. Sie hat gesagt, ich wäre dazu bestimmt. Und dadurch habe ich Amaras Kräfte übernommen – Gedankenlesen. Ich habe Miranda schreien gehört… in Gedanken und es versetzte mich sofort in Entsetzten.“ Dann erzählte ich ihm auch, wieso ich das mit dem Gedankenlesen nicht gesagt hab und als ich fertig war, war auch er leichenblass und stütze sich an meinem Stuhl ab. „Heilige Scheiße“, murmelte er. Ich nickte knapp. Ich könnte es vielleicht doch verkraften, wenn Toby mich hassen würde – denn es konnte noch schlimmer kommen. Und so kam es.

 

 

Ich hörte urplötzlich ein Knarren und unsere beiden Köpfe schossen in die Richtung. Zur Tür, die in Dr. Carters Büro führte. Lebende Leichen würde man als Zombies beschreiben – blass, tot, wie der Tod selbst. Oder man beschrieb eine Lebende Leiche als Dr. Carter, der am Türspalt stand und aussah, als würde er gleich auf uns kotzen. Mir blieb die Luft weg. Was hatte ich nur angerichtet? Dumme Gefühle, unbedingt darüber reden zu wollen! Was würde Carter schlimmer finden. Die Tatsache, was ich war oder dass ich an Amaras Tod Schuld war? Carter wusste nicht, dass ich diejenige war, der Amara ihre Kräfte gab. Ich hatte spontan handeln müssen und behauptet, ich hätte Amara gefunden. Es war glaubhaft, da meine Familie, die Mallys, Eine Familie der Dämonen waren. Leichtes zu glauben, ich sei schon einer. Meine Eltern haben mir in dem Augenblick geholfen. Eher mein Vater, der ein Dämon ist, mir es aber verschwiegen hatte. Tja, so viel des Guten. Jetzt war ich die Böse, gehasst und verstoßen. Aber was soll´s, ich steckte sowieso schon verdammt tief in der Scheiße. Toby schnappte hörbar nach Luft. Heilige Scheiße. Jap, Toby sagte immer was er dachte. Um Himmels Willen! Schaff mir sie aus den Augen, oh Gott! Ich spürte an seinen Gedanken, wie seine Gefühle rasten.

 

 

Plötzlich glühten seine Augen und seine Hand spuckte Feuer. Ich stand hastig auf. Dr. Carter bekam einen Trauer-Wut- Ausbruch, „Haut ab, bevor ich mich nicht mehr beherrschen kann“, knurrte er. Ich tappte einige Schritte zurück, neben mir Toby. Dr. Carter wollte uns nicht verletzen, doch selbst ich war so schlau zu wissen, dass er es tun würde, wenn wir uns nicht schnell verdrückten. Ich starrte auf seine Hand, aus der Feuer sprühte. Toby riss die Tür auf und schubste mich raus. Draußen rannten wir und sogen die kalte Luft ein, „Das wird wohl nichts mit dem, „Erzählen was passiert ist“, meinte ich und lehnte meinen Kopf an Tobys Schulter. Er roch nach Schweiß und Parfüm und sein pechschwarzes Haar war zerzaust und in dem Moment sah er einfach unwiderstehlich aus. „Du sorgst für Aufsehen, Kahlan…“, sagte Toby seufzend. Ich atmete laut aus, „Jap“, hörte ich mich sagen. „Ich rede mit ihm“, meinte Toby dann, „Du gehst jetzt zurück zum Unterricht und verdammt, trag Kontaktlinsen! Ich verstehe nicht, wenn du schon ein Dämon bist, wieso leuchten dann deine Augen so unkontrolliert? Du hast deine Kräfte doch und somit deine Energie gebündelt!“, ich sah ihn an, in seine smaragdgrünen Augen, die meinen glichen, „Ich habe anscheinen zu viel Energie. Die, die ich erst in einem halben Jahr ausgleichen kann…“, „Wenn du Achtzehn wirst. Gebongt“, er löste sich von mir und schaute mich durchdringend an, „Ich kümmere mich darum“, flüsterte er und küsste mich auf den Kopf.

 

 

Ich taumelte zum Klassenraum. Ich war so unkonzentriert, dass mir so viele Gedankenfetzen entgegen flogen. Heute wird ein toller Tag….freu mich auf die Party heute...kommt Toby heute noch wieder…sie ist so nett…bin auf meine Englischprüfung gespannt…es waren ganz normale, langweilige Gedanken – worüber ich auch irgendwie froh war. Lydia unterhielt sich gerade mit Chase, einem guten Freund. Aber gut, ich glaubte Lydia war in ihn verliebt. Ich kannte sie schon so lange, auch wenn sie fast zwei Jahre älter war. Es schmerzte, dass ich mit Lydia nich alles teilen konnte. Nicht gänzlich. Wir kennen uns seit dem Kindergarten. Sie war schon ein Jahr vor mir ein Dämon und musste darüber stillschweigen. Umso glücklicher war sie, als ich auch einer wurde. Sie war ein Jahr vor mir „weggezogen“ um zu studieren. Bei Dr. Carter, haha. Aber sie wusste, dass ich noch nicht Achtzehn war. Sie wusste es genau und da kam Dad ins Spiel. Es schmerzte, doch er bestand darauf, dass niemand erfahren sollte, wie es wirklich um mich stand, da es sicherer sei. Allein schon den Namen Kolander zu erwähnen, versetzte alle in Panik. Mein Dad konnte Menschen manipulieren – allein mit seiner Willenskraft. Er ließ Lydia denken, ich sei älter. Es war eigentlich auch schön zu wissen, dass zwei Beste Freunde dasselbe Schicksal miteinander teilen konnten. Sie konnten einander zuhören, füreinander da sein und sich unterstützen. Ich ließ mich schnell auf meinen Platz zurücksinken.

 

„Scheiße, Mann, was war das vorhin?“, Mike beugte sich interessiert zu mir rüber. Sein Haselnussbraunes Haar war nach hinten gekämmt, er war frisch rasiert und würde er keine Kontaktlinsen tragen, hätte er eine Brille. Sein Aussehen passte nicht so zu seiner Umgangssprache, was ich irgendwie faszinierend sowie lustig fand, „Lange Geschichte“, winkte ich ab. Er zog eine Augenbraue hoch, zog sich aber wieder zurück. Ich hielt mich aus seinen Gedanken raus. Sie waren eigentlich ganz spannend, aber ich konzentrierte mich sowieso lieber auf…was hatten wir jetzt eigentlich? Ich hielt mich im Übrigen generell aus den Gedanken meiner Freunde raus oder versuchte es eher. Ich trommelte mit meinem Bleistift auf die Tischkante. Wir hatten Geschichte, nahm ich an. Mythen, Fabeln, sowas eben. Ich verstand nicht, wieso wir das als Stoff hatten. Waren wir nicht selbst sone Art Mythos? Maeva, ein kleines zierliches Mädchen, beugte sich zu mir herüber. Ihr Haar war pechschwarz, ihre Spitzen weiß gefärbt. Es passte zu ihrem Typ, ihrem Stil. Maeva besaß die außergewöhnliche Gabe, die Gestalt von Tieren anzunehmen. „Du?“, meinte sie und strich sich ihr Haar hinters Ohr. „Hm?“, erwiderte ich.

 

Maeva war überaus freundlich, wir standen uns nicht sonderlich nahe, doch sie gehörte schon zu den Personen, die mir was bedeuteten, so wie Tyler oder Lydia. Wie Mike, Chase. Auch Toby. Sie kicherte nervös, „Ich habe mitbekommen, was da los war. Sobald ihr verschwunden seid, sind sowieso alle wie wild in der Klasse rumgelaufen, da ist es nicht aufgefallen, dass ich mal kurz weg war“, sie setzte das „weg“ in imaginäre Anführungszeichen. Ich runzelte sie Stirn, „Maeva sag nicht, du hast uns als Ameise verfolgt“, meinte ich halb sarkastisch, halb ernst. Sie zuckte mit den Schultern, „Ein Kolibri hats auch getan“, meinte sie trocken und ließ nicht anmerken, wie schräg das klang. „Was hast du mitbekommen?“, wollte ich wissen. Sie beugte sich noch ein Stück vor, „Nicht viel. Ich brauchte zuerst, um euch zu finden. Miranda ist die Tochter unseres Chefs, stimmt´s“, sie lächelte kurz, „Die Arme“, meinte sie und lehnte sich wieder zurück. Ihre Augen leuchteten auf (nicht das Dämonen-aufleuchten) und sie fragte neugierig, „Hab gehört, Bry geht´s einigermaßen. Das´ freut mich“, Maeva schien den Durchblick zu haben und erwartete eigentlich gar keine Bestätigung. Sie war zwar oft albern, aber dumm war sie nicht. Irgendetwas an ihrer Haltung in diesem Moment ließ mich stutzen. Was wusste sie noch? War sie mir und Toby gefolgt zu Dr. Carters Büro? Ich nickte nur, „Mich auch.“

 

 

Als wir endlich den ersten Teil des Tages durchhatten, atmete ich erleichtert auf. Ich mied Lydia, Mike, Maeva und den ganzen Rest. Selbst Tylers Anrufe ließ ich sausen. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und ich überlegte zu Bill Carter´s Büro zu gehen, oder zumindest zu Miri. Die scheint was angestellt zu haben… Carter außer sich… als ich mich umdrehte entdeckte ich Nate, den Schulsprecher. Er starrte mich an, gleichgültig, vielleicht sogar desinteressiert aber seine Gedanken verrieten ihn. Er stand neben seiner Freundin, ich glaub sie hieß Laurii. Als er meinen Blick auffing, zuckte er mit keiner Wimper. Er war…noch nie so drauf…was los? Kahlan…was hat sie getan? Laurii Geburtstag sollte mich erst darum kümmern…vielleicht schau ich mal bei Carter vorbei…gute Frage du Idiot, was hatte ich getan? Carters Leben zerstört oder einfach für Klarheit gesorgt?

 

Und zur Hölle, wo war Toby? Nate nervte mich so dermaßen, da er mich immer noch anstarrte. Ich beschloss, „Laurii zu gratulieren“, ich wusste nicht mal, wie alt sie wird. Ich ging zu Ihnen hin. Nate schien es nicht zu bemerken, aber Lauriis Blick schoss hoch. Ihre Gedanken waren, nett ausgedrückt langweilig. Sie dachte nur über die neue Hollister Mode nach. „Happy Birthday“, versuchte ich nicht halbherzig zu klingeln. Ich umarmte sie kurz. Sie duftete nach Rosen und Lavendel. Ihre rote Mähne hatte sie zu einem Pferdeschwanz gekämmt und ihre Karamellfarbenen Augen fingen an zu glühen. Ich neigte den Kopf, „Na, wie geht´s?“, versuchte ich mich in Konversation. So unterhielten wir uns ein Weilchen. Ich war grottig in Smalltalk musste ich zugeben, aber was soll´s. Kriegt in einem halben Jahr ihre Kräfte…vielleicht weiß Laurii was…mein Blick schoss hoch und ich starrte Nate entsetzt an. Ich gebe zu, ich hatte gehofft, irgendwas aus seinen Gedanken rauszukriegen. Konnte Laurii vorhersagen, was man für Gaben entwickelt? Oder schon hat? Ein Schauer durchfuhr mich. Sagte Laurii es denen, die es wissen wollten? „Ich muss los“, nuschelte ich uns zwängte mich durch. Während sie sich verabschiedeten, Nate seiner Freundin einen Arm um die Schultern legte, fragte er sich, was für ein komischer Vogel ich eigentlich sei. Tja, da hatte er sowas von Recht.

 

 

Als ich bei Miri ankam, quetschte ich mich durch verschiedene Türen. Alles war offen, kein Wunder. Wovor sollte man sich hier auch fürchten? Dämonen waren friedlich zueinander, jedenfalls die meiste Zeit. Schließlich öffnete ich die Tür zu ihrem Zimmer. Ein süßer, milder Geruch stieg mir in die Nase. Ihr Zimmer war gewöhnlich eingerichtet, was ein normales Schlafzimmer eben alles hatte. Nur ihre Wände waren voller Poster von Teen Bands. Miranda saß auf der Bettkante, ihre Haare verdeckten ihr Gesicht und ich konnte nicht erkennen, ob sie eventuell im sitzen schlief. „Miri?“, ich ging einen Schritt vor. Meine Stimme klang leider nicht so mutig, wie ich gehofft hatte. „Setz dich“, Miranda schaute nicht einmal auf. Dann sah ich, dass sie ein Buch las. Ich wusste nicht wieso aber ihre eigenartige Haltung machte mich irgendwie nervös. Ich schob mir einen Stuhl zu ihr ran, hielt aber noch genug Abstand. Sicherheitshalber. „Was liest du?“, es war nur ein flüstern. Sie antwortete, ebenso leise, „Amaras Tagebuch. Sie war schrecklich arrogant, wie in ihrem Tagebuch auch, aber die Tatsache, dass sie Tagebuch schrieb, lässt mich stutzen wer Amara wirklich war“, sie schaute auf und ich sah wie ihre Augen mit Tränen gefüllt waren, „Ich frage mich. Kannte ich meine Schwester überhaupt?“, sie schüttelte den Kopf und warf das Buch neben sich. Ich seufzte, „Menschen haben viele Seiten“, erwiderte ich und schielte zum Buch. Es war ein in Leder gebundenes Buch. Ich selbst hielt nichts vom Tagebuch schreiben, ich mein ich hatte es versucht, aber nach spätestens zwei Tagen hatte ich es dann doch aufgegeben. Sie nickte, „Weiß ich inzwischen…“, sie atmete langsam aus, „Wie geht´s dir?“, fragte ich, überwand meinen inneren Schweinehund und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie schüttelte den Kopf, „Nicht, bitte. Das habe ich schon so oft gehört. Wie soll´s mir gehen? Ich bin ein Monster, Kahlan. Und dazu sehe ich immer mehr Ähnlichkeiten mit meiner Schwester“, in ihrem Blick lag Verzweiflung. Ich hatte gehört, dass sich die Carter Schwestern geliebt hatten, aber meist nicht gut miteinander auskamen. „Schh“, machte ich, „Du bist kein Monster“, ich rang mir ein Lächeln ab, „Monster sagen sowas nicht“, ich drückte kurz ihren Arm.

 

 

Dürfen sie´s denken? Ich zuckte überrascht. Dieser Gedanke war plötzlich so klar angekommen. Ich hatte mir eine eigene Mauer errichtet, um ihre Gedanken nicht zu belauschen. Aber dies, „Hast du dich bemüht?“, ich wusste nicht, wie ich es fragen sollte, ich tippe mir wieder an die Schläfe. Sie wusste sofort, was ich meinte und lächelte schwach, „Ja, ich wollte, dass du es hörst. Ich - “, plötzlich wurde die Tür aufgerissen, „Scheiße“, murmelte ich und stand so schnell auf, dass der Stuhl fast umkippte. Ein kalter Windstoß umfing mich. Carter starrte mich an. Er wusste nicht, was er tun sollte. Ich spürte es irgendwie in seinen Gedanken: Es war ein Verlangen. Ich spürte es, als wäre es mein eigenes. Ein ziepen, zu wissen, was er jetzt tun soll. Ich hörte nicht, was er dachte. Ich sah nur ein klares Bild vor mir. Meins. Mein Gesicht. Und Tobys. Amaras. Wieder meins. Ich starrte ihn wie gelähmt an. Immer ich, stöhnte ich in Gedanken. „Wir müssen reden“, sein Ton ließ keinen Widerspruch deuten. Ich schlurfte hinter ihm her und sah, dass er sich unter Kontrolle hatte. „Setzen“, sagte er… leise. In seinem Büro, welches hell erleuchtet war, fühlte ich mich so gar nicht wohl. Was aber nicht am Ausrede, sondern an der Atmosphäre lag - Plus Bill Carter, den Mann den ich so gar nicht einschätzen konnte. Er setzte sich auf seinen Bürostuhl. Und schwieg. Ich wartete. Mir fiel auf, dass er nicht mehr ganz so blass wirkte. Lag das an Toby? Wo war er nur? „Versuchst du meine Gedanken zu lesen?“, deutete er meinen nachdenklichen Ausdruck falsch, „Nein ich denke eher an sowas wie die Ruhe vor dem Sturm“, ich räusperte mich.

 

So ging der Spruch, nicht? Er zog einen Mundwinkel ganz leicht hoch, „Jaja, die Ruhe“, meinte er dann, „Amara war kompliziert“, sagte er urplötzlich, „doch ich liebte sie. Ich liebte sie und hatte mir geschworen, herauszufinden wieso sie das getan hat. Ich habe nie geahnt, wie selbstlos sie war“, er kratzte sich am Kopf, seufzte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sonnenstrahlen fielen auf sein Gesicht und ich konnte einzelne Falten erkennen. Wie alt war er wirklich? Wollte ich plötzlich wissen. „Es tut mir leid, dass Sie es so erfahren haben, aber - “, er hob die Hand, ich schwieg. Meine Kehle fühlte sich sowieso trocken an, meine Lippen rissig, „Ich weiß. Wenn es um Kolander geht, kann man nicht vorsichtig genug sein. Es tut mir leid, dass du mich hast die Kontrolle verlieren sehen. Ich war nur… die ganze Geschichte kommt wieder hoch“, er atmete einmal tief durch. Er tat mir leid. In diesem Augenblick, sah ich nicht einen starken, ehrgeizigen Dämon vor mir. Ich sah einen Vater, der es mit besonderen Töchtern zu tun hatte. Und mir.

 

Einem nervigen Kalifornier Mädchen, das sich nichts lieber wünschte, als das Wort „Dämon“ aus ihrem Kopf zu verbannen. „Kümmern sie sich um Miranda. Sie braucht sie. Amara hat das getan, was nur ein überaus wundervoller Mensch… Dämon getan hätte. Es tut mir nochmals leid“, ich flüsterte nur, es tat mir wirklich schrecklich leid. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen. Ich würde es tun. Wieso sollte Amara sich opfern? Ich überlegte, ob doch mehr dahintersteckte als gedacht. Er nickte nur schwach, „Toby wartet auf dich. Ein guter Junge…“, er wühlte in seinen Unterlagen, runzelte die Stirn, zog einen Stift heraus… es schien, das Gespräch war beendet. Ich nickte, obwohl er mich schon längst nicht mehr anschaute. Mein Kopf schwirrte.

 

 

 

5.

Toby wartete tatsächlich. Ich sprach mit Miranda nichts Tiefgründigeres mehr. Als ich ging hatte sie sich zum schlafen hingelegt. Toby lächelte schwach, stemmte die Hände in die Hüften und er sah müde und ausgelaugt aus. Inzwischen war es Nachmittag, der nächste Kurs war erst am Abend – es war ein „Kurs unterm Sternenhimmel.“ Ich nickte ihm zu, „Tobs, wo warst du?“, wollte ich wissen und war selbst über meinen Spitznamen überrascht. Er war doch Mister Lehrer. „Hier und da“, winkte er ab, „Es war nicht schwer Bill Carter zu überzeugen, dass du kein schlechter Mensch bist. Dämon. Er war eben nur ein alter, ausgelaugter Mann der den halben Tag Zeit gebraucht hat das alles zu verarbeiten“, er lächelte. Ich grinste zurück. „Tobs?“, er zog eine Augenbraue hoch, warf den Kopf zurück und lachte. Ich umarmte ihn, „Danke, Tobs“, sagte ich und lächelte ihn an. Plötzlich wurde er ernst, schaute mich kurz an und beugte sich runter und küsste mich.

Ganz zärtlich, als hätte er Angst einem Reh etwas zu tun. Ich roch seinen milden Duft, spürte seine weichen, vorsichtigen Lippen auf meinen und wünschte mir fast kurz, dieser Augenblick würde nicht aufhören. Doch die Realität holte mich ein uns ich löste mich mit einem Ruck von ihm und starrte ihn an. Meine Wangen wurden heiß vor Verlegenheit und Wut. Wie konnte ich das zulassen? „´Tschuldige“, meinte er, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich schlug die Händler vors Gesicht. Ich hatte Tyler! Ich liebte Tyler! Und obwohl es die Wahrheit war und dieser Kuss nichts daran änderte, schlich sein eine kleine, böse Stimme in mich. Wo war Tyler? War er heute für dich da? Ich stöhnte, ich hatte ihn doch aus allem rausgehalten. Aber anscheinen klappte kein Leben zwischen einem Dämon und einem Menschen. „K?“, Tobys Stimme wurde unsicher, er trat von einem Fuß auf den andern. „Das darf nicht wieder passieren“, flüsterte ich sanft. Er nickte, „Ich weiß. Du hast Recht… ich… es tut mir leid“, er machte kehrt und ließ mein verwirrtes Herz zurück. Das Herz, das einsah, dass Lydia die Wahrheit sagte und das Herz, das anscheinend zwei Männer zu begehren schien.

 

 

 

Lydia war eines dieser Mädchen – selbstbewusst, stark, immer ehrlich. Und sie hörte nie auf zu reden. „Weißt du was die meisten Mädchen sagen?“, verlangte sie zu wissen, als wir am nächsten Tag in der Cafeteria saßen. „Was?“, fragte ich lachend weil ich wusste, sie wollte keine Antwort von mir. Sie hob theatralisch die Hände, „Ich bin nicht wie die meisten Mädchen!“, äffte sie die meisten Mädchen nach. Ich brach in schallendes Gelächter aus, „Ich hätte das fast zu Chase gesagt! Oh man, was bin ich auch blöd!“, sie hatte es zugegeben. Ich zwinkerte ihr zu, „Fast, Baby“, sagte ich grinsend. Sie wackelte mit den Brauen, „Pass bloß aus“, grinste sie zurück. Ich hatte den Unter Sterne Kurs geschwänzt um Zeit für mich zu haben. Kolander war da draußen und ich sollte ihn aufhalten. Ich wusste nicht einmal, wo er war. Na ja, wusste niemand. Auf jeden Fall sollte ich ein starker Dämon werden. Ein anderer hat sein Leben für mich gelassen. Toby hat mich geküsst. Diese Gedanken schwirrten in meinem Kopf und drohten zu zerplatzen. Als ich heute Morgen endlich einen von Tylers Anrufen abnahm, fiel mir auf, wie oft er mich angerufen hatte. Ich wollte nicht am Telefon mit ihm reden, also beschlossen wir uns zu treffen. Und - oh nein – das war schon in 5 Minuten. „Schatz, wir sehen uns später. Zur nächsten Stunde, die zum Glück erst in zwei Stunden ist“, plapperte ich, umarmte sie und rannte davon. Jaja, Baby, „lern“ schön sarkastisch wie immer. Genau diese Ironie hätte sie mir auch ins Gesicht gesagt. Das Wetter wurde endlich besser, kein Regen, aber Wolken welcher besser waren als nur Regen, Regen und nochmals Regen. „Kahlan“, Tyler drückte mich fest an sich und trug mich praktisch in seine Wohnung rein. „Vorsicht“, lachte ich und wurde von ihm aus Sofa abgesetzt. „Tut mir -“, weiter kam ich nicht, da hielt er mir den Mund zu, „Dämonen Probleme schon klar“, lachte er und strahlte mich aus seinen blauen Augen an, „Hat Toby dich wieder in die Schranken gewiesen?“, lachte er nun weiter, doch ich schaute ihn nur entsetzt an und rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her. „Ehm…so kann man es auch nennen“, ich errötete und auch er verstummte, „Was los, Kali?“, wollte er wissen und ließ sich neben mich plumpsen. „Gar nichts…“, meinte ich.

 

 

Ich wollte aber ehrlich mit ihm sein, war ich schon immer. Ich wollte ihn nicht belügen. Es ging einfach nicht. „Hör mal, Tyler, ich muss dir was sagen“, ich biss mir auf die Lippe und meinte sogar Blut zu spüren. Ach, Verdammt! Er erstarrte ebenso, „Ja?“, meinte er und blickte mir fest in die Augen. „Also…“, ich suchte nach richtigen Worten, da wurde plötzlich die Tür aufgerissen. So brutal, dass sie fast aus den Angeln flog. Ich stand mit einem Ruck auf, meine Locken wippten auf und ab, Tyler stand vor mir. Wir beide schauten zur Tür, an der Lydia stand. Völlig außer Atem, aufgewühlt, „Das mit deiner Tür, tut mir leid...ich“, sie holte Luft, doch ihre Gedanken waren schon auf mich eingeprasselt. Ich schnappte nach Luft, „Ist irgendwer verletzt?“, wollte ich wissen. Lydia starrte mich an, „Was…woher? Nein, noch nicht. Sie wollen dich.“ Tyler wirbelte zu mir herum, „Was ist los?“, ich hatte die Luft angehalten, ließ sie langsam entweichen und rieb mir meine Schläfen, „Sie waren in der Dämonen Schule. Wie nennen sie sich? Kolanders Untertanen. Sie wollen mich. Lange Geschichte, kauf dir das ebook!“, ich zitierte ein Zitat aus einer sehr berühmten Serie, die ich früher mit meiner großen Schwester geschaut habe. „Woher weißt du das?“, sie hatte schon mein Handgelenk gepackt und zerrte mich raus in die frische Luft, „Für dich gilt dasselbe“, seufzte ich, „Komm!“

 

 

 

Die Luft war kälter als vorher, irgendwie beißend. „Du musst fliehen“, sagte Lydia, bestimmt und traurig zugleich. „Niemals“, erwiderte ich und klang überzeugter, als ich es eigentlich war. Ich musste zugeben, irgendwie war Dark School mein Zuhause geworden. „Dann wenigstens vorübergehend!“, Lydia lang verzweifelt, „Geh zu deiner Familie“, sagte sie dann. Ich starrte sie entgeistert an. Ich hatte meine Family so lange nicht mehr gesehen. Meine Sis Katy, Mom, Dad. Dad war ebenfalls ein Dämon, aber der Rest der Family wusste nichts davon. Zu ihrem eigenen besten. Sie dachten, ihr großes Mädchen gehe jetzt aufs College. Ich schrieb ihnen, telefonierte, aber habe sie nie mehr getroffen. Bei Lydia war es einiges leichter, ihr Dad – Markos – war im Ministerium der Dämonen tätig. Er war einer der Verantwortlichen, was die Sicherheit der Dämonen und Menschen betraf. Sie traf ihn ab und an, wenn auch lange nicht genug. Ihr großer Bruder war fünfzehn und es gab Anzeichen, dass auch er einer werden soll. Eigentlich war es üblich, dass nur eine Person in einer Generation ein Dämon wird – weshalb Lydia und Markos besorgt sind. Manche wie mein Dad bleiben bei ihren Familien nachdem sie gelernt haben ihre Kräfte zu kontrollieren. Dad tat meiner Meinung das Richtige. Er war für Mom, Katy und mich da. „Lydia ich muss dir was sagen“, gestand ich.

 

 

Wir rannten weiter und sie antwortete keuchend, „Wegen der Sache vorhin? Baby, ich weiß du bis verkorkst und verheimlichst mir was, aber wie soll ichs dir übel nehmen?“, sie lächelte schwach. „Ich kann Gedankenlesen“, antwortete ich. „Ich weiß, K. Ich habe meine Kräfte auch schon entwickelt. Kleine Lüge, wollts dir sagen. Ich kann nicht manipuliert werden. Bin sone Art Schutzschild wie bei Twilight, nur viel cooler. Ich kann nämlich nicht nur psychische Kräfte abwehren“, sie grinste, „Ich kann überleben. Das ist meine Kraft. Ich weiß, ich habe dir gesagt, ich könne zum Beispiel Stromschläge von Chase davontragen, ohne was zu spüren, aber ich hab dir nicht den anderen Teil erzählt. Im Übrigen, bei Twilight, wie kann die Bitch Bella Stromschläge abfangen wenn sie nur gegen Psychische Dinge gewappnet ist? So behindert. Oder zählt das? Ach egal“, sie lachte, was schnell zu einem keuchen verebbte. Ich war geschockt. Sie wusste die ganze Zeit Bescheid oder hat es geahnt. Jetzt hat sie die Bestätigung. Irgendwie war ich froh, dass sie es nun wusste, aber andererseits irgendwie besorgt – ich wollte Lydia da nicht mit reinziehen. „Wir sind da“, schnaufte ich. Wir hatten die 10 oder 15 Kilometer in 5 Minuten hinter uns gebracht – unsere Dämonenkraft eben. Die Mauern der Schule erschienen mir heute höher, als würden sie uns noch mehr beschützen denn je. „Du willst, dass ich fliehe?“, wiederholte ich ungläubig ihre Aussage von vorhin, „Du kannst dich aus ausliefern, aber das lassen wir nicht zu…“, so stritten wir uns wieder fast zehn Minuten. Ich konnte sie nicht überzeugen, mit Kolanders Anhängern mitzugehen, aber andererseits würden sie wahrscheinlich die Schule niederbrennen und irgendwem Schaden zufügen. Geschichten über Kolanders Gehilfen gibt es viele. Also musste ich mitspielen, „Oke! Ich kapituliere! Was habt ihr vor?“, Lydia strahlte, „Na Gott sei Dank, die Vernunft ist wieder da! Ich dachte schon du wärst auf Selbstmordmission! Du gehst zu deinem Dad und wir halten die Stelllung. Die Lehrer schaffen das, sie sind stark, sie werden mit ihnen reden“, sie schubste mich in Richtung ihres Autos und ich konzentrierte meine ganze Kraft auf sie Wenn ich ihr ganz schnell ein Schlafmittel verpasse wird es leichter… Beifahrersitzfach… ich seufzte. Really? Ihr Ernst? Ich hechtete nach vorne, holte eine kleine Spitze raus und stach sie Lydia in den Arm. „Verdammt, wieso hat man sowas im Auto?“, seufzte ich, während Lydia umkippte und schlief.

 

 

 

In der Schule herrschte Chaos. Alle Sicherheitsmaßnahmen wurden getroffen. Menschenmassen liefen umher, ich sah strahlende Dämonen Augen und ruhige Lehrer, mehrere Dutzende bestimmt fünfzig Lehrer. „Lehrer“, ich nenne sie lieber übernatürliche Menschen, die für Ordnung sorgen. Ahh… Eingang…schnell…kümmern sich drum…Kolander…Geschichte…nicht erfunden…mach schon…Panik…ruhig… Die Fetzten flogen um mich herum und ich kämpfte mich durch. Am Eingang angekommen, sah ich 5 Personen, vier Männer, eine Frau. Sie sagen normal aus, bis auf die strahlenden Dämonen Augen. Sie sahen wie versteinert aus und warteten, bis sich alles beruhigte. Ich erstarrte kurz. Willst du das wirklich tun? Ja, entscheid ich. Jetzt oder nie. Ich lief zu ihnen und sah, wie die Frau, die außen in der Reihe stand überrascht blinzelte. „Was wollt ihr hier?“, schrie ich über den Lärm hinweg. Der große, massige Mann trat einen Schritt vor, „Wenn du nicht die Dämonin, Dr. Carter oder Lehrer bist, VERSCHWINDE!“, der Mann erhob die Stimme, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. Wie war sowas möglich? Er war bestimmt zwei Köpfe größer als ich. Die Dämonin?

 

Ich ignorierte seine imposante Gestalt, seine edle Haltung und seine einschüchternden, harten Gesichtszüge. „Sagen wirs so. Ich hab gehört, ich bin die, die ihr wollt!“, verdammt, Lydia hatte Recht. Ich war Lebensmüde. Aber was sollte ich tun? Mich verkriechen? Ich beschloss, dass ich schon irgendwie aus der Sache herauskäme. „KAHLAN EVELYN MALLY?!“, schrie er gellend, da der Lärm anschwill. Ich nickte knapp und säuselte, „Idioten, wer sollte sonst sowas dummes tun?“, mein Temperament war wirklich schlimm, doch zum Glück hörten sie es nicht. Ich hörte schreie. Von vielen Personen. Ein Blick über die Schulter und alle sahen mich geschockt an. Selbst Toby. Auch wenn ich alle Gedanken hören konnte, was mir fürchterliche Migräne bereitete, hörte ich seine ganz ganz deutlich. Nein…verlass mich nicht, ich liebe dich…

 

 

Als ich aufwachte war das erste was mir auffiel meine schmerzenden Arme. Und Beine. Und so ziemlich der ganze Rest. Meine Muskeln, nein, meine Nervenzellen fühlten sich ganz taub an. Ich war gefesselt, es war leicht dämmriges Licht und meine Gedanken rasten. Na super… ich war am Arsch. Was war nochmal passiert? Auslieferung, enttäuschte Blicke und dann… ich wusste es nicht mehr es war wie ausgelöscht. „Endlich bist du wach“, das Licht wurde heller und ich musste blinzeln. Ich saß auf einem Klapprigen, alten Holzstuhl, gegenüber eines roten Samt Sofas, das neben einem riesigen Regal mit haufenweise Büchern stand. Es war nicht kalt, doch mir lief ein Schauder über den Rücken. Ein Junge, Mann, junger Erwachsener – wie auch immer! – schnitt eine Grimasse. Er war riesig, hatte kurzes, braunes Haar und besaß braune Augen. Er sah normal aus, nichts Außergewöhnliches außer dass er irgendwie Macht ausstrahlte. Ich schluckte, meine Galle fühlte sich trocken und staubig an. „Sorry, war zu gemütlich“, meinte ich und testete meine Stimme. „Wie lang war ich weg?“, meine Lider fühlten sich immernoch verdammt schwer an. Er lachte kurz auf, „Du bist glaub ich die erste, die sowas fragt. Sonst kommen immer diese „Wo bin ich“ Fragen“, er lachte wieder und schüttele dabei den Kopf. Sein Lachen versetzte mir eine Gänsehaut. „Die Erste? Entführt ihr öfters Leute?“, ich versuchte normal zu klingen. Keinen Schimmer ob es auch klappte. „Nein, eigentlich nicht. Und eigentlich beziehe ich mich eher auf James Bond Filme“, er grinste schief und ich entspannte mich ein wenig.

 

Soweit es mir mit den Fesseln an Armen – und Beinen – möglich war. „Also, wo bin ich?“, mir fiel auf, dass es gar keinen Lichtschalter gab. Und noch etwas fiel mir auf – ich konnte seine Gedanken nicht hören. Ich ignorierte es erst einmal, der Junge schien zu reden. „Kann ich dir nicht sagen“, er seufzte und lehnte sich im Sofa zurück und betrachtete mich, „Ich bin Moe. Ich soll auf dich aufpassen, dass du nix dummes machst.“ Ich wollte am liebsten loslachen, doch ich hielt mich zurück. „Kahlan“, ich zog an meinen Fesseln, die mir in die Haut schnitten – das holte mich in die Realität zurück. „Oh ja, die mach ich mal ab“, er erhob sich, war in Sekundenschnelle bei mir, zückte ein Messer und schnitt sie mit einer geschickten Bewegung ab. „Danke“, ich rieb mir meine Wunden Handgelenke, „War wohl kein Paradies“, als ich nicht lachte – ich gab zu, ich hätte gerne gelacht – schmunzelte er, „Ist scheiße hier, ich weiß. Ich kann dir vorerst nix sagen. Also, vielleicht ein wenig“, er schaute sich kurz um, als könne uns jemand belauschen, ließ sich wieder aufs Sofa plumpsen und sein Blick verharrte auf mir. „Ich bin der Sohn vom Muskelprotz, der in der Schule war. Eigentlich ist der ganz okay – nur er geht strikt nach Regeln“, er seufzte und schloss kurz die Augen. Ich starrte ihn an und wartete. Das Licht verdunkelte sich plötzlich, „Was zum…?“, ich schaute um mich, entdeckte aber niemanden. Moe grinste verlegen, „Das war ich, sorry“, er starrte Gedankenverloren an die Decke. „Wir sind wie sone Scheiß Organisation. Wir arbeiten nicht gegen Kolanders Anhänger, aber auch nicht für sie. Wir versuchen, das Gleichgewicht unter den Dämonen zu wahren. Für beide Seiten. Wir wollen lediglich einen Krieg verhindern. Wir sind bis nach Kansas gefahren, während du gepennt hast, du kannst dich nicht erinnern, weil wir einen Alchemist unter uns haben. Und deine Kräfte sind auch vorerst bezähmt“, er gähnte kurz, als würde ihn das alles nicht jucken. „Ich kann das Licht beeinflussen“, grinste er dann.

 

„Oh, hast du Hunger?“, er stand auf, griff hinter sich und holte einen Teller voller Obst hervor, „Nein, danke“, giftete ich, „Und was soll ich hier, Moe? Ich mein, ernsthaft, was soll das alles?“, ich machte eine Bewegung mit der Hand, mied aber zu viele Bewegungen. Moe seufzte resigniert und sagte, „Verdammt, Kahlan! Ich weiß es nicht, sie haben nicht gesagt, was sie mit dir vorhaben. Sie hörten von einer Dämonin, die stark genug sein soll, Kolander zu besiegen. Das hat sie aufmerksam gemacht und in Angst versetzt“, er schluckte und zögerte, als würde ihm der nächste Satz schwerfallen, „Für meinen Dad gilt, alles, was sich uns in den Weg stellt, muss vernichtet werden. Schlechte Karten, Karamelllöckchen…“, er griff nach einem Apfel und stampfte aus dem Zimmer.

 

 

Immernoch benommen stand ich auf und versuchte mich zu konzentrieren. Was hatte ich nur angestellt? Ich wusste, was auf mich zukam, aber es noch einmal so zu hören, war hart. Es war ziemlich bitter und ich hatte keinen blassen Schimmer, ob ich es wieder hinbiegen konnte. „Moe?“, ich griff nach dem Türgriff, doch da wurde sie schon aufgerissen. Heilige Scheiße. Jetzt beim näheren hinblicken fiel mir auf, wie ähnlich Moe seinem Dad aussieht. Nur dass Moe eher schlaksig als kräftig war.

 

Sein Vater besaß diesen ich-töte-dich-Bitch Blick und ich schluckte. Der riesige Typ griff nach meinem Arm und zerrte mich ohne ein Wort raus. Sein Griff bohrte sich in meinen Arm und musste ihm widerwillig folgen. Wir gingen durch Gänge, die alle gleich aussahen. Hin und wieder hörte ich Stimmen, Gerede, Geschreie aber nichts zeigte mir, was mich zu erwarten schien. Das war niederschmetternd! Ich fühlte mich elend und dumm! Ich wollte meinen Mund öffnen, um irgendwas zu sagen, da schubste er mich in einen Raum und knallte die Tür zu. Ich fiel zu Boden, konnte mich wieder aufrappeln und wartete, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnten. Meine Kräfte waren also echt erstmal komplett weg. Der Raum war erneut stockdunkel und wenn Moe nicht mit seiner Kraft aufkreuzte, würde es wahrscheinlich so dunkel bleiben. Es sei denn, es gäbe hier Lichtschalter, was auch sehr wahrscheinlich der Fall war. Ich tastete mich wieder zur Tür und suchte nach dem Schalter. Als ich es endlich schaffte, musste ich die Augen bei diesem grellen Licht zusammenkneifen. Ich drehte mich um, um meine Umgebung zu betrachten. Ich sah einen großen weißen Tisch, an dem drei Männer saßen. Der Mann in der Mitte sah mich traurig an, „Hey, Dad“, kam es aus meinen Lippen.

 

 

 

 

6.

Mein Gehirn registrierte mehrere Dinge auf einmal. Zum einen, dass ich meinen Dad vor mir sah obwohl ich dachte, dass er eigentlich hätte bei meiner Familie sein sollen. Dann, dass ich ein kribbeln in meinem Körper spürte, elektrisierend, was hieß, dass ich meine Kräfte wiederbekam. Wie schnell sich das Blatt wendete, „Du bist es wirklich“, Dad stand langsam auf und fixierte mich, als hätte er Angst, ich könne davonrennen. Er kam näher und ich bedachte ihn kurz mit meinem Blick. Er war irgendwie älter geworden, trug einen beigen Mantel und roch nach Ruß. „Ganz deine Tochter“, ich ignorierte das Beben im meiner Stimme. Er zögerte, schloss mich dann aber in seine Arme. Ich war wie gelähmt und schaffte es nur, meine Arme zu heben und ihn leicht von mir zu stoßen. „Was tust du hier?“, ich schaute an ihm vorbei zu den beiden Männern. „Setz dich erstmal“, er führte mich zu dem Tisch, „Darf ich vorstellen? Das sind Greg und Derek, die beiden sind die Anführer dieser Organisation… wie ich es einst war“, er räusperte sich, ließ sich mir gegenüber nieder. Die Augen der Männer leuchteten, die einen blau und die des anderen grün. „Ich war hier einst der Anführer…eine kurze Zeit lang“, Dad zupfte am Saum seines Mantels herum. Ich warf einen näheren Blick auf die Männer. Die Züge des einen Mannes kamen mir bekannt vor, nur ich konnte es nicht näher einordnen. Ich beschloss, den Gedanken zu verwerfen und mich stattdessen auf meinen Dad zu konzentrieren, der mit jeder Sekunde nervöser wurde. Auch ich fühlte mich benommen, alles stürzte auf einmal auf mich ein.

 

„Ich wurde herbestellt, weil es sich um meine Tochter handelt, die angeblich gefährlich sein soll“, Dad lachte halbherzig. Er klang ein wenig heiser, als hätte er zuvor schon geschrien. Mir fiel auf dieses Mal auf, dass ich nicht wusste, wie alt Dad wirklich war. Hundert? „Und, bin ich das?“, ich spielte mit einer Haarsträhne. „Nun ja“, mischte sich nun der Mann ein, dessen Züge mir bekannt vorkamen, „Laut dem, was euer Direktor erzählt hat, müsstest du es bald sein…“, er runzelte besorgt die Stirn. „Sind sie mit ihm verwandt? Und wieso zur Hölle haben sie mit ihm geredet?“, die Züge ähnelten die Carters.

 

„Mein Bruder, dein Direktor vertraute mir dieses Wissen an. Nachdem ich nun weiß, wie meine Nichte ums Leben gekommen ist, kann ich auch entsprechende Maßnahmen treffen.“ Kam es nur mir so vor, oder redete er wirres Zeug? War ich jetzt an ihrem Tod Schuld? „Wieso sind die hier so grob?“, warf ich ein und rieb mir wie zur Erinnerung den Arm. Dad zuckte bloß mit den Achseln, „Unbekanntes ist für sie nicht gerade schön…“, er kratzte sich am Kopf, was er immer tat, wenn er sich nicht wohl fühlte. „Und wir wissen nicht, ob das, was Carter sagt, stimmt“, fügte er hinzu. Carters Bruder warf Dad einen bösen Blick zu, „Doch, tun wir! Willst du sagen, mein Bruder sei ein Lügner?“, Ich räusperte mich, „Was für Maßnahmen?“, wollte ich wissen. Dad schüttelte den Kopf, „Dazu wird es nicht kommen! Niemand rührt meine Kleine an!“, der dritte Mann, der mir unscheinbar vorkamen, abgesehen von seinen Augen, meldete sich zu Wort, „Kahlan Liebes, was glaubst du, würde jemand wie Kolander mit jemanden anstellen, der ihm gewachsen sein könnte?“, es brannte in meiner Galle, doch ich ignorierte es. Stattdessen sagte ich, was hier allen klar war, „Ihn töten“, ich schielte zu Dad hinüber, dessen Züge immer steifer wurden. „Was ist dir lieber?“, er beugte sich zu mir vor und ich spürte seinen heißen, klebrigen Atem. Am liebsten wäre ich zurückgeschreckt. „Dass er dich tötet oder wir?“

 

 

 

 

Das nächste, woran ich mich erinnerte war, dass Dad aufgesprungen war und den Tisch fast umgeworfen hat. Ununterbrochen hatte er gebrüllt, dass es zu dieser Maßnahme nicht komme und sie nicht so grausam sein können. Dass es sie nicht besser als Kolander machen. Ich habe nur mitbekommen, dass das Licht dunkler wurde und während die drei sich anschrien, schreckte ich zur Tür zurück. „Moe!“, flüsterte ich. „Hier drüben!“, ich entdeckte die schlaksige Gestalt. Als ich  näher kam, meinte er, „Sie haben Angst vor Kolander. Sie wollen ja nicht das Gleichgewicht verändern. Nimms ihnen nicht übel, komm!“, er griff nach meinem Arm. Ich war ein wenig unsicher. Ich konnte meinen Dad doch nicht hier lassen. „Moe, wie bist du hier rein gekommen?“, wollte ich wissen um eigentlich nur Zeit zu schinden. Er hob eine Augenbraue, „Durch die Tür, Baby, schon mal von sowas gehört? Na los jetzt!“, er zog mich raus. „Wohin bringst du mich?“, wieder tat er, als hätte ich die dümmste Frage der Welt gestellt. Er verdrehte nur die Augen. Als wir um zahlreiche Ecken bogen, und es waren wirklich viele überlegte ich sie wie bei dem Film bzw. dem Buch Rubinrot oder Seelen zu zählen, ließ es dann aber bleiben.

 

„Mooee?“, fragte ich gedehnte. Seufzend gab er ein „Mh“, von sich, „Ich bin hier“, - als wüsste ich das nicht. Ich seufzte diesmal. An einer Tür blieb er stehen. Für mich glich sie allen anderen und irgendwie schien sie für ihn ganz anders zu sein. Wahrscheinlich, weil er sein ganzes Leben hier lebt. Die Tür wurde quietschend von ihm geöffnet. „Verdammt schlechtes Personal“, meinte er sarkastisch. „Haha“, ich schielte hinein. Ich sah einen Schreibtisch, ein langes, großes Bett und einen riesigen Schrank. Es war Moes Zimmer, zumindest schätzte ich das.

 

 

 

„Was tun wir hier?“, fragte ich und trat vorsichtig einen Schritt vor. „Dich hierbehalten, bis sich die Lage beruhigt hat“, zwinkerte er mir zu. „Da ist dein Plan?“, wollte ich wissen und schaute ihn schockiert an, „Wir tun nichts?“, er verdrehte die Augen und bedeutete mir, mich zu setzen. Als er das Funkeln in meinen Augen sah, ließ er es dann doch sein. „Ja, Kahlan, das ist mein Plan. Wenn mir etwas Besseres einfällt, ich schwöre bei Gott, du erfährst es sofort“, er vergrub das Gesicht in seinen Händen. Ich verschränkte die Arme, „Wie viele Menschen hat diese Organisation schon ermordet?“, fragte ich scharf, aber mein Blick schweifte die ganze Zeit in seinem Zimmer herum. Ich entdeckte Bücher, einige CDs von Maroon 5 und mehrere Zeitschriften. Moe reagierte nicht. Frustriert über dieses Misserfolg wandte ich mich zur Tür. Ich hörte wie Moe sagte, „Scheiße, sie verschwindet“, doch nach näherem überlegen bemerkte ich den Unterschied. Diese Tonlage, es klang nicht ganz nach Moe. Ich war wieder in der Lage Gedanken zu hören! Erfüllt von Adrenalin grinste ich und ließ mich nun doch neben Moe fallen. „Moeee?“, grinste ich über beide Ohren. Er zog nur eine Augenbraue hoch. „Ja, verwirrende Kreatur?“, gab er sarkastisch zurück. Dann wurde mein Blick ernst, „Wie viele Menschen sind gestorben?“, wiederholte ich mich. Er presste nur die Lippen aufeinander. Was will sie damit bewirken? Was will sie mit dieser Information anfangen? Ich will ihr nicht unnötig Angst machen. Viel zu viele waren wie sie… Gründerfamilien. Ich blinzelte. Das sollte mir genügen. Während Moe versuchte meinen Gesichtsausdruck zu deuten, war ich schon beim nächsten Schritt. Denn es viel mir wie die Schuppen von den Augen! Als wären nicht viel mehr Dämonen auf die Idee gekommen, in den Prozess einzudringen und sich oder andere stärker zu machen! Und bestimmt auch unter der Familie der Carters und Mallys. Ich wusste nicht, ob es so grausame Dämonen unter uns gab, die morden würden oder sich opfern aber ich war mir sicher, die Zahl derjenigen, die es versuchten wurde geheim gehalten. Was, wenn es in Wirklichkeit viel mehr waren? Was, wenn diese Organisation alle heimlich und still ausschaltete? Unser Leben schien beherrscht von Tyrannen und wir schienen nichts tun zu können.

 

Anscheinend machte sich diese Organisation nichts daraus, die Dämonen die nicht aus einer Gründerfamile abstammen zu töten, sondern nur die, die direkt viel stärker sind. Da frage ich mich, wo liegt da die Gerechtigkeit der Dämonen? Sie ließen einen Tyrannen gewinnen, immer und immer wieder. Morde, Vertuschungen…nur um das Gleichgewicht zu waren. Was bitte war das für ein Gleichgewicht? Und meine Entscheidende Frage war, was konnte ich dagegen tun?

 

7.

 Ich wusste nicht, was sich draußen verändert hatte, doch als wir das nächste Mal nach draußen gingen, war es noch lauter als zuvor. „Bleib hinter mir“, flüsterte Moe. Was hatte Moe wohl wagen müssen, um mir, der Gefahr zu helfen? Ich beschloss, ihn später danach zu fragen. Wieso er mir überhaupt helfen wollte. „Gebongt“, ich klammerte mich an seiner Hüfte fest und wir drängten uns durch die Gänge, wo die Menschen nur so rumirrten. Es waren so viele. So, so viele. Würden sie wenn es darauf ankommt gegen Kolander kämpfen? Ich bezweifelte es. Vor weniger als einem halben Jahr war ich noch ein ganz normales Mädchen, das zur Schule ging und ihr Leben lebte. Und nun? Machte ich mir Gedanken, wie Kampfbereit Dämonen waren, um gegen einen Tyrannen zu kämpfen. Ich stöhnte.

 

 

Als wir um ein Dutzend Ecken gebogen waren, blieb Moe abrupt stehen. „Dad“, er schluckte. Ich brauchte nicht hinzuschauen um es mit meinen eigenen Augen zu sehen: Ich spürte es an Moes Herzschlag. Wie schnell es wurde und immer heftiger pochte. Ich wagte es auch nicht einmal, in die Augen von Moes kaltem Dad zu blicken. Dieser sprach nicht ein Wort, er schubste Moe einfach leicht zur Seite und wollte mich wieder am Arm packen, doch ich sprang zurück. „Nein!“, rief ich aus. Markos brach in Gelächter aus, „Ein Gedankenlesendes Gör?“, spottete er. Also wusste er es auch schon. Wie vielen hatte Carter davon eigentlich berichtet? Ein Schauder durchlief mich und ich klammerte mich an die Hoffnung, urplötzlich fliegen zu können. Moe wollte wieder dazwischen, doch ich stoppte ihn mit einer Handbewegung. „Schon okay“, ich lächelte ihm aufmunternd zu. Es war wahrscheinlich meine Schuld, denn ich wollte ja nicht mehr länger warten. Nun war es an mir, sich dem auch zu stellen. „Ich komme mit“, versuchte ich mit einer möglichst festen Stimme zu sagen, doch jeder hätte mein Beben heraushören müssen. Doch ich hob stolz den Blick, „Aber packen sie mich nicht wieder an!“

 

 

Zu meiner Überraschung gingen wir nicht wieder in den Raum, an dem wir zuvor waren, sondern in einen riesigen Saal, der einem Gerichtsraum ähnelte. Doch dann musste ich schlucken. Scheiße. Wollten die hier eine Gerichtsverhandlung mit mir durchführen? Der imposante Saal war doppelt so groß wie der vorherige und Bänke reihten sich ewig um einen einzelnen, einsamen Stuhl der einem Thon gegenüber stand. Das Pult, welches sich quer über den Raum erstreckte schien mir noch riesiger als alle Bänke zusammen. Was ja eigentlich unmöglich war. Ich entdeckte Dad, der neben dem Thron saß. Seine Haltung war resigniert und er starrte frustriert, ja fast panisch drein. Greg, einer der Anführer ließ sich gerade langsam auf den Thron nieder. Seine Augen waren so finster, dass sie mir eine heidenangst einjagten. Anscheinen war Greg mehr Anführer als Derek. Ehe ich mich versah, hatte sich Markos in der Menschenmenge versteckt. Als Dad mich erblickte, wollte er aufstehen und zu mir laufen, doch Greg redete auf ihn ein, was Dad nur zusammenzucken ließ. Diese Organisation meinte es wohl wirklich ernst. Eine lockere Handbewegung genügte um die Menschenmenge verstummen zu lassen. Nun waren ungefähr fünfzig Augenpaare auf mich gerichtet. „Kahlan Evelyn Mally, setz dich bitte“, forderte Greg mich auf und deutete auf den klapprigen Stuhl. „Warum?“, erwiderte ich, woraufhin einige aus der Menge stöhnten. Gregs Augen verengten sich und mehr benötigte es nicht, um mir zu verstehen zu geben, dass dies womöglich meine Einzige Chance war zu überleben. Ich gehorchte und verschränkte die Finger miteinander. „Wir haben uns heute zusammengefunden, die Organisation der Gerechtigkeit, der Gnade und des Guten, um eine heikle Situation zu klären!“, zustimmendes Gemurmel. Ernsthaft? Gerechtigkeit, Gnade, das Gute? Wie hieß die Organisation, GGG? Ich widmete mich wieder Greg zu, der nach seiner kleinen Pause fortfuhr, „Kahlan, Ihnen wird vorgeworfen, eine Bedrohung für uns alle zu sein!“, Gemurmel brach erneut aus. Anscheinen hatten sie es hier nicht so mit dem Förmlichkeiten und allem, welches die Menschen bei den Verfahren  immer gebrauchten. Hier herrschte bedingungsloses Vertrauen und Loyalität gegenüber Greg. Bestimmt gehörte er nicht einmal einer Gründerfamilie an.

 

Nach weiteren Formalitäten, die anscheinend für die Dämonen wichtig waren, kam er zu einem entscheidenden Punkt. „Nach deiner Flucht warst du eigentlich als eine Bedrohung eingestuft worden, die wir sofort auslöschen“, er setzte extra eine kurze Pause. Er liebte anscheinend große Auftritte. „Doch um deines Vaters willen, der hier eins vor mir regierte, gewähre ich dir die Gnade dieses Verfahrens“, ein Lächeln umspielte seinen Lippen und die Menge brach ich Jubel aus. Beim näheren Betrachten entdeckte ich bei allen ein Wappen, welches ein schlichter Kreis mit einer Waage und einem Feuersymbol war, was ich aber von hier nicht sehen konnte. Nun verstand ich. Diese ganzen Zuschauer gehörten wahrscheinlich in den Rat oder wie man das hier nannte und gehörten zu den Vertrauenspersonen, die die Entscheidungen trafen. Aber so viele? Aber man sah, wie vernarrt sie in Greg waren. „Was schlagen sie nun vor?“, brachte ich alle zum verstummen. Ich würde mich nicht niederkriegen lassen. Geflissentlich ignorierte ich Dads besorgtes Gesicht. Gregs Miene wurde zu Eis. „Was alle hier vorschlagen würden. Sie treten unserer Organisation bei.“

 

 

Zuerst wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Gute Alternative zu dem, was mich ansonsten erwartet hätte, oder? Oder erwarten würde...Aber wollte ich so einer hinterhältigen Organisation beitreten? Nein und sie wollten es auch nicht. Genau genommen wollten sie nur, dass ich an ihrer Leine hing. Dad schaute nun ausdruckslos, doch seine Augenbrauen zuckten. Er wollte Greg am liebsten umbringen. „Was muss ich tun?“, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen und bis mir sogleich auf die Lippe. Greg blickte zufrieden drein. „Fast gar nichts. Du gehst normal zur Schule, lebst dein Leben – soweit es dir möglich ist – und nur ab und an, wenn wir dich rufen, hilfst du uns bei gewissen Aufgaben, damit deine Kräfte nicht aus dem Ruder laufen“

 

 

Dies war eine Drohung, eine eindeutige Drohung. Aber ich würde mitspielen. Was konnte es denn so schlimmes sein? Während ich „Gut“, erwiderte, brüllte mein Dad, „Nein!“, und ich starrte ihn verwundert an. Dad erhob sich, „Sie werden sie zwingen, Ihresgleichen zu ermorden, was Sie schlimmer als Kolander macht!“, der Saal erzitterte. Allein bei seinem Namen zuckten alle unwillkürlich zusammen. „Es ist unsere Art, vergiss nicht, du warst früher selbst einmal an meiner Stelle. Aber eins kann ich dir sagen. Die Alternative wäre für Kahlan schlimmer.“  Dad war unschlüssig, ob er alles riskieren, oder nachgeben sollte. Also erwartete man von mir, meinesgleichen zu töten. Die Auserwählten zu töten. Wir brutal und ungerecht. Was wäre, wenn ich statt die Dämonen zu töten ebenfalls ihre Magie aufsaugen würde? Was natürlich niemals infrage käme, da mir meine Menschlichkeit was bedeutete und ich niemals Dämonen töten würde.

 

 

Als könne der Wiederling meine Gedanken lesen, machte er eine Handbewegung. „Markos wird dich immer zu deinen Missionen begleiten, damit du nichts dummes anstellst“, feixte er, „Und deine Aufträge werden sehr selten sein. Also sei glücklich. Möge die Kraft mit dir sein“, dies wiederholten auch die anderen Ratsmitglieder. Dann verbeugte sich Greg und rauschte mit Derek davon, der eine undurchdringliche Miene besaß. Dad kam auf mich zugerannt und schloss mich in die Arme. „Kleines, es tut mir so unendlich leid“, flüsterte er und küsste mich auf die Stirn. „Wir schaffen das, Schätzchen. Gemeinsam. Ich weiß, dass wir es schaffen“, mir kamen die Tränen, doch er zwang mich ihn anzusehen. „Hörst du? Alles wird gut, du wirst niemanden umbringen müssen“, er drückte mich fest an sich, dann flüsterte er so leise, dass ich mich anstrengen musste ihn zu verstehen, „Ich habe bereits eine Möglichkeit gefunden, die Organisation zu zerstören. Mach dir keine Sorgen. Viele stehen hinter uns…wir sprechen uns morgen“, dann drückte er mich noch einmal an sich und verschwand. Ich stand benommen da, während alle gingen. Was für Böse Mächte waren bitte noch hinter allen her? Was kam als nächstes, Ninja Turtles?

 

 

8.

Auf dem Rückweg zur Dark School mussten mir erneut die Augen verbunden werden – wie unnötig! Als ich ankam, war es schon wieder dunkel und ich musste schaudern. Musste immerzu an Dads Worte denken, an Gregs Drohung und außerdem an ein Leben, das ich mir bis vor kurzem nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte.

 

Ich stieg die Treppen zu den Mädchenwohnungen hoch, wo Lydia schon auf mich wartete. Auch Maeva stand schüchtern neben ihr. Verspielt wie immer summte Maeva ein Lied vor sich hin und spielte mit ihren Haaren. Ich hatte erwartet, eine Standpauke von Lydia zu hören, doch sie schloss mich einfach nur in die Arme. „Ich hab dich so vermisst, K“, schluchzte sie aufgelöst. Ihre Haare klebten ihr an ihrem Gesicht und ihre Augen waren feucht. „Hab dich lieb“, erwiderte ich nur seufzend und lehnte meinen Kopf an die Schulter meiner besten Freundin. Nichts trennte uns mehr. Keine Geheimnisse, keine scheiß Organisation. Das würde ich nicht zulassen.

 

Mir fiel ein, dass ich Moe gar nicht mehr gesehen hatte. Irgendwie musste ich mit ihm in Kontakt kommen, denn ich war mir sicher, dass er die Ziele nicht so ganz unterstützte. Außerdem musste ich mich bedanken. Moe war für mich etwas besonderes, obwohl ich ihn nicht wirklich lange kannte. Doch er hat mir schon geholfen und das behalte ich im Hinterkopf. 

 

 

Maeva kam mit uns in unser Zimmer. Lydia war ein wenig ausgeflippter als ich. Sie hatte massenweise Poster an die Wände geklebt und selbst an meine Seite. Zwei Einzelbetten standen sich gegenüber, bedeckt mit unzähligen Klamotten, die wir einfach auf den Boden schmissen. Es roch nach Minze und einem Hauch von Zitrone. Ich sank ich mein Bett und Lydia und Maeva setzten sich mir gegenüber. Nachdem ich ihnen alles erzählt hatte, hatten sich ihre Mienen verfinstert. Selbst Maeva, das zierliche Mädchen, hatte eine ausdruckslose Miene. „Ich hole uns etwas zu trinken“, Lydia schluckte. Ich nickte knapp und band mir meine Haare zusammen. Die Erschöpfung war mir anzusehen. Maeva kam nun zu mir und legte mir einen zierlichen Arm um die Schultern, „Kahlan, du bist großartig“, wispelte sie, „Und ich weiß, du wirst niemanden töten. Ich könnte es auch nicht“, damit schien das Gespräch beendet und sie schaute nur Gedankenverloren aus dem kleinen Fester, das auf der gegenüberliegenden Seite der Tür lehnte.

 

Wir hingen beide unseren Gedanken nach und aus Respekt und Erschöpfung ließ ich sie mit ihren Gedanken in Ruhe. Man hörte einige Vögel zwitschern, was Maes Miene erhellen ließ. Ihre Augen leuchteten Goldbraun und sie wippte mit einem Fuß auf und ab. Es muss ein tolles Gefühl sein fliegen zu können, dachte ich mir und erinnerte mich, wie Maeva sich erst am Vortag in einen Kolibri verwandelt hatte und mich und Toby verfolgt hatte. Toby. Miranda. Ich musste sie alle sehen und mit allen sprechen, dem war ich mir bewusst. Lyd kam wieder und ich trank gierig von der Limonade. Lydia, Maeva und ich redeten noch einige Zeit, bis wir alle drei in einen tiefen Schlaf fielen. Die beiden schienen mir wirkliche Freundinnen zu sein - eben auch Meava, was ich bis vor kurzem gar nicht erwartet hatte. 

 

Ich erwachte durch einen Schlag. Irgendetwas war an meinen Schädel geknallt! „Mae?“, säuselte ich schlaftrunken. Tatsächlich – Maeva war neben mir eingeschlafen, ihre Hand auf meinem Gesicht. Ich musste niesen, was Lydia aufweckte. Ach ja, Lydia hatte schon immer einen leichten Schlaf gehabt. „Wie spät ist es?“, sie setzte sich auf. Mir fiel auf, dass wir alle noch unsere Alltagsklamotten anhatten.

 

„Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es zur ersten Stunde“, zwitscherte Mae und stand mit einem Ruck auf. Sie lächelte uns an, „Ich geh mal in mein Zimmer. Natalie soll sich keine Sorgen machen“, sie winkte einmal und stolzierte mit zierlichen Schritten davon. „Ich muss unbedingt duschen“, murmelte ich und schlug meine Decke zur Seite.

„Wer als erstes da ist!“, rief Lydia plötzlich hellwach aus und rannte schon zum Bad, als ich sie mit meiner Dämonen Schnelligkeit einholte. Neeeein lachte Lydia in Gedanken, was sich mit ihrem schallenden Gelächter vermischte. Ich grinste. Der Schein eines fast normalen Lebens war erneut geweckt. Aber eben nur fast.

 

 

Wir schafften es gerade so rechtzeitig zu Biologie anzukommen. Wir besaßen einen etwas anderen Unterricht, denn hier wurden uns Kräuter und Salben aufgetischt, wir mussten lernen zu brauen und zu mixen.

Ich erhaschte einen kurzen Blick auf Chase, der Lydia mit deinem liebevollen Blick anschaute. Sie errötete und  zog mich mit in eine der hintersten Reihen. Zu meiner Überraschung war Miranda wieder da.

 Ich starrte sie mit offenem Mund an. Sie sah mich ebenfalls und ging zu mir hin. Wir setzten uns und sie knuffte mich in die Seite, „Glotz nicht so!“, flüsterte sie amüsiert. Ich schüttelte den Kopf, um einen klaren Gedanken fassen zu können, „Miri, was tust du hier? Was sagt Carter dazu?“,  meine Fragen überhäuften sich und es sprudelte nur so aus mir heraus.

Lydia war zwar sehr neugierig, hielt sich aber aus Höflichkeit heraus. Aber mir wurde eins klar – die Hälfte dieser Schüler konnten uns verstehen.

 Miri tippte sich nur an die Schläfe und ich verstand.

Das mit Carter ist so eine Sache, selbst in ihren Gedanken zitterte ihre Stimme. Ich machte mir ernsthafte Sorgen. Was war während meiner Abwesenheit passiert? Nach deinem Besuch vor zwei Tagen… Carter hatte sich beruhigt, doch seine Pflicht ließ ihm keine Wahl. Wie du weißt, hatte er sich mit Greg unterhalten. Nach diesem Geschehen konnte er nicht mehr hier bleiben. Sie haben ihn, Kahlan. Er ist nun im Rat. Ich weiß nicht, ob du ihn gesehen hast…weiter hörte ich ihr nicht mehr zu.

Mir wurde deutlich, dass alles, was mir in der letzten Zeit wiederfahren ist, zum Teil Carters Schuld war! Mein Atem beschleunigte sich unwillkürlich. „K“, Lydia legte eine Hand auf meinen Arm, doch ich wimmelte sie ab, „Alles gut“, versicherte ich ihr. Maeva, die ganz vorne saß, warf uns einen kurzen, fragenden Blick zu. Ich schüttelte nur den Kopf und sie widmete sich wieder ihren Unterlagen zu.

 Dann konzentrierte ich mich darauf, meine Aufmerksamkeit voll und ganz Miranda zu schenken, die geduldig auf mich wartete.

Toby ist nun der Stellvertretende  Direktor. Es sind eigentlich andere dafür vorgesehen, doch mein Dad wollte es so. vielleicht wollte er sein schlechtes Gewissen damit ins Reine waschen.

 Toby.

Dieser Name löste in mir ein unerklärliches Gefühl aus. Doch warum genau war Miranda nun hier? Als wüsste sie, was mir auf der Zunge brannte, fuhr sie fort. Ich hab diese Gabe, Kahlan. Zuerst bildete ich mir nichts darauf ein, doch nun bin ich mir nicht sicher.

Sie machte eine unerträgliche Pause und  fuhr ihren Gedankengang einfach nicht fort! Ich fuhr mir durchs Haar und wippte mit dem Fuß auf und ab. Alle beugten sich über ihre Aufgaben, nur mein und Miris Blatt war noch leer.

Zum Glück war Ms. Stil nicht der Typ für die strenge Kontrolle. Sie lehnte nur entspannt am Fenster und summte eine Melodie.

Ich habe von Amara geträumt. Fuhr Miranda nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fort. Ich stieß den Atem aus und hatte erst jetzt gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Miri biss sich auf die Unterlippe und massierte sich die Schläfen. Zuerst dachte ich, es sei ein Traum, doch nun habe ich eine andere  Theorie. Ich glaube, ich kann mit den Toten sprechen...

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Tag der Veröffentlichung: 22.03.2015

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