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So langsam komme ich mir recht merkwürdig zwischen meinen ganzen Freunden vor. Jeder von ihnen hat einen festen Freund, nur ich bin wieder als Außenseiter allein stehend.
>>Es wird schon der Richtige kommen. Du brauchst nur warten<<, raschelt es in meinem Kopf.

Diese Sätze waren wohl als Standart in jedem Kopfcomputer einer Mutter vorhanden gewesen, denn jede Tochter würde mit Sicherheit einmal so einen Satz in ihrem Leben hören, wenn nicht sogar öfters Mal, je nachdem, wie oft man eine Trennung hinter sich bringen musste. Am meisten kamen solche Bemerkungen, wenn man hinter dem Pc saß und im Internet auf die Jagd nach Jungen ging. Doch dies ist doch heut zu Tage das Leichteste und Normalste. Man geht in einen Chat, meldet sich auf irgendeiner Love-Seite an und hat schon nach wenigen Minuten seinen neuen Schatz auf dem Bildschirm flackern. Ob er der Richtige ist, wird dann gerne mal in den Hintergrund gestellt.

Auf jeden Fall zähle ich zu den Mädchen, die es generell hassen alleine auf die Straße zu gehen. Die Blicke der anderen auf mich zu lenken, nein, da hatte ich wirklich etwas Besseres zu tun. Wie sie schamlos mit ihren Zeigefingern auf mich zeigen und beginnen zu lachen. Nun, das muss ich mir wirklich nicht antun. Schließlich muss ich nur warten, bis mir das Glück in den Schoß rennt, nicht wahr? Nach der Meinung meiner Mutter würde ja irgendwann der Richtige kommen, doch was ist, wenn ich nicht so lange warten will? Vielleicht muss ich 30 Jahre warten, nur weil meine Mum meint, es würde schon irgendwann der Richtige kommen. Der Richtige. Mr Perfect. Vielleicht muss ich einfach mal selbst versuchen jemanden zu finden, doch wo fange ich bloß am besten an? In meinem Kopf herrschen andere Dinge außer Liebe, Sex und Schule. Vielmehr stehe ich auf Fantasie, Romantik, einfach nur meine Gefühle auf ein Stück Papier schreiben, damit ich sie anderen Leuten aus dem Internet vorstellen kann. Meine Gefühle waren schon lange nicht mehr außer Kontrolle geraten, was ich nicht bedenklich schlimm finde, denn verliebt sein brachte auch eine gewisse Krankheit von Schmetterlingen im Bauch mit sich. Nichts für mich. Da stehe ich doch lieber auf Übelkeit, die entsteht, wenn man zu wenig oder zu viel gegessen hat. Man sieht, ich bin einfach gestrickt, wohlmöglich auch nicht für alles zu haben und vielleicht genau deswegen alleinstehend. Am besten ich stelle mich einfach kurz und knapp vor. Mein Name ist Dylvana und bin wundervolle 17 Jahre alt. Ein perfektes Alter um keine Kinder zu bekommen, sondern um sich den Richtigen fürs Leben auszusuchen und so was. So ein blöder Kram! Ich sag es euch ganz ehrlich, ich will noch keine Beziehung haben, wobei es wirklich wunderschön wäre, wenn man einmal in den Arm genommen wird ohne darum bitten zu müssen. Man würde mal einen Kuss von jemand anderen bekommen außer von der Oma, dem Opa oder der Mutter, was auf offener Straße sehr peinlich und mit einem Video im Internet enden kann. Glaubt mir, ich habe jede Menge Erfahrungen gesammelt, die ich euch gerne mal alle aufzählen würde. Genau deswegen will ich euch mal zeigen, was in meinem Leben so alles abgeht. Angefangen bei meiner Geburt. Natürlich kann ich nicht genau sagen was passiert ist, doch meine Vorstellungen sind da sehr groß und spannend. Eine davon geht so:


Mein leben beginnt

Mein Leben begann und endete zugleich am 13.04.1991. Mit meinem ersten Herzschlag begann etwas Merkwürdiges. Ich konnte nach Luft schnappen, jede Menge Leute haben mich angestarrt und ich war nackt. >>Nun ja<<, dachte ich mir, >>sie wissen wohl nicht, was sie mir anziehen sollen.<<
Dann wurde ich auf den Bauch einer Frau gelegt. Alles schön und gut, doch wer war diese Person? Schon nach wenigen Minuten wurde mir klar, dass ich die nächsten zwanzig Jahre wohl bei dieser Person verbringen würde, die sich Mutter nennt. Ich war damit einverstanden, immerhin wusste sie was ich haben wollte und konnte mir alles geben, was ich brauchte. Zu diesem Zeitpunkt standen Milch und Wärme, Liebe und Zuneigung an erster Stelle, die ich ab dem Alter zwischen 14 und 17 am liebsten wieder abgestellt hätte. Als ich mich das erste Mal so richtig umschaute, bemerkte ich, das nicht nur meine Mutter, sondern auch ein anderer Mann, dem ich es auch zu verdanken habe zu leben, da war. Sofort begann ich zu schreien, dabei wusste ich selbst nicht genau, warum ich das tat. Ich konnte doch in meinen ersten Minuten nicht alles wissen, oder? Die anderen Menschen, sie sahen aus wie Außerirdische, da sie Grüne und Weiße Kittel trugen, waren wohl mit dafür verantwortlich gewesen, das ich nun hier bin. Ich wusste schon gleich, das sie mir nicht wohl gesonnen waren und schon, in der gleichen Sekunde wurde ich von ihnen auf dem Arm genommen und zu einem Becken getragen.
Dies alles gefiel mir aber gar nicht und ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen. Und wisst ihr was?
Sie haben mich ausgelacht, oder war es doch angelacht? Auf jeden Fall war dieses Becken mit einer Flüssigkeit gefüllt und dann hörte ich ein Wort:>> Wasser.<< Wasser? Damals wusste ich noch nicht wo für Wasser gut war, doch schon in meinen ersten Lebensjahren erkannte ich, was ich alles damit machen konnte. Meine Mum einfach in die Wanne ziehen um sie mit Wasser nass zu machen, oder meiner Schwester einen kleinen Streich mit Wasserbomben zu spielen. Ich wurde gewaschen, was ich nicht so toll fand, denn ich war doch sauber gewesen, oder?

Ich habe die ganze Welt nicht mehr verstanden. Die grellen Lichter, die Freudentränen meines Vaters und das sanfte Seufzen meiner Mutter machten mich einfach zu müde, als das ich alles länger verstehen wollte.

Als ich dann zurück zu meiner Mum kam, konnte ich endlich etwas trinken. Gemütlich lag ich da und trank ein wenig, bevor ich vor Erschöpfung einschlief. Dass der erste Tag in meinem Leben so schnell anfangen und ebenfalls wieder enden würde, hätte ich auch nicht gedacht. Ich träumte etwas vor mich hin, was ich bis heute noch nicht deuten kann. Als ich meine Augen nach drei Stunden wieder öffnete, lag ich in einem komischen Bett. Es war so eine Art Schale aus Kunststoff oder Plastik, das konnte ich noch nicht so gut erkennen, und hatte etwas großes, kuschelig weiches neben mir. Es schaute mich mit seinen großen glänzenden Augen an und hatte so eine lustige rote Nase. Heute weiß ich, dass mein erster richtiger Gefährte Rudolph mit der roten Nase war. Meine Mum schlief in einem Bett neben mir und hatte den Mund weit offen. Sie machte komische Geräusche, was mich sehr beunruhigte. Es klang so merkwürdig, als ob ein Bär etwas fraß und nicht genug davon bekommen konnte. Aus den Streitereien meiner Eltern habe ich später herausgefunden, dass man diese Art des >> Ich schlafe wirklich sehr gut und auch gerne. Ich lasse es andere Leute wissen<<, Schnarchen nennt.
Natürlich wusste ich noch nicht wirklich wie ich mich bemerkbar machen sollte, doch das wollte ich auch nicht mehr, denn etwas anderes begann meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Durch ein Prasseln störte mich das Schnarchen auf einmal nicht mehr, denn dies war doch viel zu spannend gewesen herauszufinden wo her es kam, als wenn ich mir darüber Gedanken machen würde das Schnarchen meiner Mum abzustellen.

Ich schaute mich um. Es war alles abgedunkelt, doch ein Sonnenstrahl hatte sich zu mir hindurchgekämpft und strahlte mir in die Augen. Ich zwinkerte und blickte zur Tür als ich dort etwas hörte. So ein Eisenteil in der Mitte bewegte sich und dann ging sie auf. >>Lassen sie dich einfach hier am Fenster stehen<<, sie lächelte mich an und schob mich an die andere Seite von dem Bett meiner Mum. >> Also Fenster nannte man dieses Viereck, welches in einem Raum eingebaut wurde und durch das der Sonnenstrahl hindurch kam<<, sagte ich mir. Interessant, was man in den ersten Lebenstagen noch so alles kennen lernen konnte. Ich war ausgeschlafen und spürte ein komisches Gefühl in meinem Bauch. Es gluckerte und brummte, ich muss wirklich merkwürdige Geräusche von mir gegeben haben, denn als meine Mum das mal hörte musste sie Lachen. Dies nannte sich Hunger und ich musste mich mal wieder irgendwie bemerkbar machen. Ich dachte es würde reichen, wenn ich etwas vor mich hin murmeln würde- klang so wie Chinesisch Rückwärts- doch das brachte mir nicht viel. Erst als ich anfing meinen Hunger in die Welt zu schreien, wurde meine Mutter auf mich aufmerksam. Behutsam nahm sie mich aus meinem kleinen Bett und hielt meinen Kopf zu ihr ins Gesicht. Ich fragte mich, was sie von mir wollte und stupste sie mit meiner kühlen Nase an. Dies zeigte ihr anscheinend, dass ich wirklich Hunger hatte. Nach wenigen Minuten hatte ich mein Mahl schon wieder beendet und war dabei zu schlafen, doch ein paar Leute wollten mich anscheinend begrüßen und ließen es nicht zu. Sie brachten -zu diesem Zeitpunkt- komische Dinge mit. Sie hielten etwas Rundes an einem kleinen glitzernden Bändchen fest, damit es ihnen nicht entwischen konnte. Später lernte ich diese fliegenden Dinge unter dem Namen Luftballon kennen. Die mir noch unbekannten Personen außer einer, die die Mutter meiner Mutter war und graue Haare hatte, begrüßten mich mit Geschenken. Haufenweise Kuscheltiere konnte ich in den jungen Jahren schon mein Eigen nennen! Ich war wirklich begeistert, ja, so gar schwer begeistert gewesen von den ersten Tagen in meinem Leben. Ich konnte schlafen wann ich wollte, ich konnte essen wann ich wollte, ja, sogar meine Eltern sind mitten in der Nacht aufgestanden um mit mir über den alten Wohnzimmerteppich zu stolpern, was sie liebevoll tanzen nannten. Als ich ungefähr sechs Monate und drei Tage alt war, begann ich mich schon ein wenig fortzubewegen, wenn auch mit gewissen Schwierigkeiten. Meine Mum fand es ganz toll, wie ich schon sitzen konnte und freute sich über jeden Zentimeter, den ich alleine bewältigt hatte. Mein Aussehen hatte sich auch ein ganz schönes Stück verändert. Ich hatte zugelegt und war gewachsen. Meine blonden Locken jedoch begannen zu verschwinden und färbten sich langsam nach dunkelblond bis braun über. Meine Mum fand dies damals sehr bedauernd, doch lieber dunkelblond, als hellblond und blöd, ein blödes Vorurteil, jedoch amüsant. Nach wenigen Monaten hatte ich es geschafft etwas zu reden, nicht mehr außer >>Ha oder pa<<, was für mich aber ein deutlicher Fortschritt war. Langsam aber sicher wurde ich älter. Die Zeit verging wie im Fluge, so meine Mum, wenn sie mir heute etwas über mich als Baby und, oder Kleinkind erzählte.

Für mich war jeder Tag ein neues Abenteuer. Ich konnte so viel entdecken, besonders der Garten hatte es mir angetan. Die komischen grünen Pflanzen die den ganzen Boden bedeckten und dann diese Käfer, die man sich herrlich in den Mund stecken konnte.

Als ich ungefähr ein Jahr alt wurde konnte ich meine ersten Schritte machen - leider mit ein paar Rückschlägen. Eines Abends hatte ich mich ein wenig übernommen und kullerte die letzten zwei Stufen herunter und begann wieder zu schreien. Meine Mutter kam zu mir und nahm ich auf den Arm. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange- leider immer sehr nahe am Auge- so dass ich dies immer stark zukneifen musste und als Belohnung für meinen Sturz bekam ich mein geliebtes Pflaster und würdigte es, indem ich daran herum fummelte um ein Neues zu ergattern. Leider hinderte meine Mum mich damals immer sehr schnell daran und zog mir auch im Sommer lange Hosen an, damit ich nicht an meine Verletzungen kommen konnte. Als ich endlich meinen zweiten Geburtstag feiern durfte- ich hatte eine wundervoll verzierte Torte mit zwei Kerzen bekommen- konnte ich mich schon auf das nächste Jahr freuen. Dieses war auch das letzte Jahr, in dem ich schlafen konnte wann ich wollte, doch dies war gar nicht das, was ich wirklich anstrebte. Vielmehr die Welt zu erkunden und neue Kinder kennen zu lernen, ja, das war es, was ich zu diesem Zeitpunkt wollte. Das nächste Jahr verging schnell, was ich bis heute bedauer, da ich es wirklich schön fand. Wir haben einen Urlaub gemacht und ich habe einen Jungen in London kennen gelernt. Er war ebenfalls wie ich 2 Jahre alt und konnte sich wundervoll mit mir beschäftigen. Er hatte wunderschöne hellblaue Augen- ich wunder mich wirklich, warum ich in letzter Zeit so oft an ihn denken musste. Nun ja, ich schweife von meinem eigentlichen Thema ab. Es kam der Tag, an dem ich das erste Mal in die Kinder-Tages-Stätte kommen sollte. Ich kann mich noch genau an diesen Morgen erinnern. Stolz wie Heinz kam ich mit meiner verkehrt herum angezogenen grünen Hose und meinem schmutzigen Lieblings-T-Shirt in die Küche und setzte mich auf meinen Stammplatz. Ich schaute meine Mum an, die grinsend ihren Kopf schüttelte und mich wieder auf den Arm nahm. Ich protestierte eine Weile, doch als ich mein neues T-Shirt über den Kopf gestreift bekam, wusste ich, dass jegliche Mühe umsonst war. Ich zuckte mit den Schultern, was ich mittlerweile gelernt hatte um zu sagen >> Na und? Ist doch egal!<<, und folgte meiner Mum die Treppe herunter. Als sie auf die Uhr schaute, drängte sie mich schnell in die Küche und gab mir einen pinken Rucksack, den ich noch immer in meinem Schrank hängen habe, und schickte mich nach draußen. Ich spielte noch ein wenig in meinem Sandkasten herum und bekam gleich einen Klaps auf den Po, da ich natürlich sauber zu meinem ersten Arbeitstag, der von Spielen und Streiten handelte, erscheinen sollte. Meine Mum brachte mich ins Auto und schnallte mich an, bevor sie etwas aufgeregt und angespannt die Tür etwas zu laut schloss. Ich bekam Tränen in die Augen, da ich nicht so recht wusste, was da gerade alles geschehen würde. Nach ungefähr dreißig Minuten erreichten wir den Kindergarten Tintenfass, wo meine Mum genau vor der Tür parkte. Etwas entmutigt stieg ich aus als ich die Kinder an den Gittern hab kleben gesehen. Sie streckten mir die Zunge heraus und meinten mich blöde anmachen zu müssen. Ich jedoch reagierte, versuchte es zumindest, locker und streckte ebenfalls die Zunge heraus. Erneut habe ich einen Klaps und böse Blicke von meiner Mum geerntet, was mich in meiner Meinung nicht zurückschränkte. Wer austeilte musste auch einstecken können, so meine Devise damals, doch ich änderte sie wieder sehr schnell. So lange ich im Kindergarten austeilte, wollte ich nicht all zu oft auch etwas dafür zurückbekommen. Ich wurde der Kindergärtnerin Kurzerhand vorgestellt und alleine gelassen. Meine Mum gab mir nur einen Kuss, bevor sie durch die Tür verschwand und ich nur noch durch die Scheibe sehen konnte, wie sie mit Tränen in den Augen in den Wagen einstieg um nach Hause zu fahren. >>Ich bin doch bald wieder zu Hause<<, erinnere ich mich noch gut, habe ich zu meiner Erzieherin gesagt, als ich gefragt hatte, warum meine Mum so traurig war. Sie meinte, dass sie sich nur schwer von so einer süßen Maus wie mir trennen könne und dass dies völlig normal sei. Wenn sie meinte, dass ich das in diesem Alter verstanden hatte, dann hatte sie sich mächtig getäuscht, denn ich war eben ein kleines Kind und hatte nicht die Absichten so etwas zu verstehen.

Als ich den ersten Tag in dem Kindergarten verbrachte, spielte ich mit einigen Spielsachen in einer Ecke. Erst als die anderen mich ein wenig kennen lernen konnten, trauten sie sich mit mir zu reden, mit mir zu spielen und mich zu hauen, was ich nicht gerade sehr begrüßte. In dem Kindergarten folgte eine Freundschaft der anderen. Ich habe mich mit meinen Freunden gestritten, mich mit ihnen vertragen und soziale Beziehungen geknüpft. All dies endete leider, als ich in die Schule kam. Jetzt begann mein Leben erst richtig. Ich bekam zu meinem ersten Schultag eine große spitze Wundertüte und einen Rucksack, in dem nun keine Spielzeuge, sondern nur noch Hefte, Schreibzeug und etwas zu Essen und zu Trinken Platz hatten. Ich musste mir so viele neue Namen merken, unter anderem auch den Namen meiner neuen besten Freundin Lynn. Sie kam aus Irland und war mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen. Leider musste ich diese Freundin schnell wieder vergessen, sonst hätte es mir sehr viel Kummer bereitet, denn als ich acht Jahre alt war, zogen wir nach London. Es war alles sehr interessant, die neuen Eindrücke, das neue Wetter, die neuen Leute, die neue Sprache, ich könnte noch so viel erzählen, wenn ich nicht auf ein bestimmtes Thema hinaus wollte. Ich hatte euch doch schon etwas von diesem Jungen erzählt, nicht wahr?

Ich hatte ihn damals, wie schon erwähnt, im Alter von zwei Jahren bei einem Urlaub in London kennen gelernt. Ich habe ihn wiedergesehen, noch besser, wir waren Nachbarn geworden!Was mir komischerweise erst klar wurde, als ich am Fenster saß. Ich wusste die ganzen Jahre über nicht, dass wir so nah aneinander wohnten. Mein ganzes Leben begann ins Wanken zu geraten, als ich Harry damals wieder sah und ihn richtig kennen lernen konnte. Seine Augen, sein Mund, alles war perfekt. Ich erinnere mich gerne an die Zeit mit ihm. Leider kam mit dieser Zeit auch eine schreckliche Zeit auf mich zu. Es sind jede Menge Dinge geschehen, die ich nicht mal eben so verdauen konnte.


Du kennst mich


Ich stand dort am Fenster und fuhr mit meiner Hand gelangweilt durch meine Haare, als auf der anderen Seite das Licht in einem Zimmer angeknipst wurde. Ein wenig neugierig war ich ja schon, also konnten meine Augen es nicht lassen eben zu dem jenigem hinzuschweifen, der den Schalter betätigt hatte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich ihn sah. Ich kannte seine Augen, dieses wundervolle Blitzen war mir noch gut in Erinnerung geblieben. Diese eisblauen Augen, diese unbeschreiblich schönen eisblauen Augen. Harry, nicht wahr? Ja, so war sein Name. Er war gewachsen, keine Frage. Er hatte zugelegt, doch das an den richtigen Stellen. Ich erwischte mich dabei, wie ich mir vorstellte, mit ihm zusammen zu sein, dabei kannte ich zu diesem Zeitpunkt seinen Charakter noch nicht einmal. Doch sein Aussehen machte mich schwach. Ich konnte einfach nicht mehr widerstehen und musste einfach in meinem Zimmer stehen bleiben um ein wenig Träumen zu können. Leider wurde ich schnell aus meinem Traum gerissen, als es an meiner Tür klopfte. Murmelnd stapfte ich zur Tür und stolperte zu allem Überfluss auch noch über meine Klamotten, die ein konzentriertes Chaos auf meinem Fußboden hinterließen. Fluchend, zum Teil sogar auf Englisch, öffnete ich die Tür und schaute meiner Mutter ins Gesicht. Wieder hatte sie Tränen im Gesicht, wie jeden Tag, als sie pünktlich um 17 Uhr bei mir klopfte. Wieder zeigte ich auf mein Bett und musste Hilfestellungen leisten. Es hatte sich nicht geändert und wird sich auch nicht ändern. Wie so oft hatte ich abends in meinem Bett gelegen und in die Sterne geschaut, mit der immer wiederkehrenden Frage: wozu lebe ich eigentlich? Um meinen Eltern bei den Streitereien zuzuhören? Ein Jugendlicher hatte etwas anderes verdient, da war ich mir sehr sicher. Nun ja, als meine Mum dort auf meinem Bett saß und mein Blick immer wieder hinüber zu Harry wanderte, begann sie von ihrem Leben zu erzählen. Es kam mir alles sehr komisch vor, ich hatte mir nie gedacht, dass sie so unter uns beiden litt. Immer wieder erzählte sie mir etwas von der schönen Zeit, als sie alleine war. Als sie ihr Studium vor sich hatte und sich noch nicht um zwei Menschen kümmern musste. Wenn sie das alles nicht gewollt hatte, warum war sie dann eine Ehe eingegangen? Ich hätte keinen Mann geheiratet, wenn ich nicht auch eine richtige Familie gewollt hätte. Ich weiß, dass sie es mit uns nicht einfach hat, doch dass sie jeden Tag zu mir kommt um mir zu sagen, wie schlecht es ihr geht. Ich meine, was sollte ich als Jugendliche da sagen können? Ich kann dann doch keine wohltuenden Wörter von mir geben, wenn ich sie sowieso nicht richtig verstehen kann.

>>Dylvana<<, sie legte ihre Hand auf mein Knie und schaute mich an, >> sei nie so wie ich. Tu nicht alles für die Menschen in deiner Umgebung, sondern etwas für dich!<<
Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf. Es war mir schon lange klar nicht das zu tun, was die anderen von mir wollten, sondern das zu tun, was ich für die betreffenden Personen tun wollte, denn das ist es, was man >>Es kommt von Herzen<<, nennen kann. >>Mum<<, antwortete ich ihr ruhig und versuchte möglichst nicht zickig zu wirken, doch dies viel mir in solchen Momenten wirklich sehr schwer, >>das habe ich dir die ganze Zeit gesagt. Doch du hast nie darauf gehört, bis es zu spät war!<<
>>Es ist also meine Schuld?<<, fragte sie mich schnippisch. Sie wusste, wie sie mir die Worte im Munde verdrehen konnte und hatte keine Scheu die Mittleidstour mit mir zu nehmen.
>>Im Gegenteil<<, antwortete ich kokett, >> ich habe dir lediglich gesagt, was ich dir schon immer gesagt habe!<<, und setzte mein treues Lächeln auf.

>>Räum dein Zimmer auf<<, befahl sie mir förmlich, >> es gibt bald essen!<<
Und schon war sie wieder aus meinem Zimmer verschwunden. Merkwürdig, diese kurzen Besuche, die dann doch immer wieder im einem Streit endeten.
Ich zuckte fraglich mit meinen Schultern und schaute wieder aus dem Fenster. Die Sonne ging langsam unter und verleitete mich schon wieder zum Träumen. Tagträume waren doch etwas Wundervolles. Dem Alltag entfliehen um seine eigene Welt aufbauen zu können, wo nur du der alleinige Herrscher warst. In meinen neuen Träumen herrschte Harry an meiner Seite. Es klingelte an der Tür. Brummen aus dem Arbeitszimmer, fluchen aus der Küche, das Haus war voller Freude, wenn ich das von damals so beschreiben kann. Es war natürlich klar, wer zur Tür gehen musste. Ich kam die alten Stufen hinunter, die so taten, als ob ich sonst was für ein Gewicht als Last hätte. Sie knarrten unter meinen Füßen, was heute auch noch so ist. Ich schämte mich ein wenig, da derjenige, der vor der Haustür gewartet hatte, dies bestimmt mitbekommen hatte.
Etwas tapsig bewegte ich mich zur Tür und sah, wie mein Dad sich aus dem Arbeitszimmer lehnte und meckerte:>> Nun mach auf, oder willst du sie noch länger warten lassen?<<
>>Du hättest doch aufmachen können<<, warf ich zurück und die Antwort kam prompt, wie ein Ball, zurück geschleudert:>> Sei nicht so frech.<<
Wieder setzte er sich vor dem Computer und ließ mich für einige Minuten in Ruhe. >>Hallo?<<, fragte ich und schaute Harry ins Gesicht. >>Dylvana?<<, fragte er mich und guckte mich erstaunt an. Ich war ebenfalls sehr, wie soll ich sagen, ja, beinahe schockiert, als er mich erkannte. Anscheinend hatte ich mich nicht so sehr verändert, oder etwas bei ihm hinterlassen, welches er unter dem Namen Dylvana gespeichert hatte. Er gab mir seine Hand: >> Was machst du hier? Bist du zu Besuch?<<
>>Ich wohne hier!<<, ich lächelte ihn an und jubelte innerlich. Ich konnte ein wenig englisch sprechen und mich mit ihm verständigen.
>>Wow, das ist ja super! Dann können wir mal wieder etwas zusammen machen. Ich erinnere mich noch gerne an unsere Telefongespräche<<, er triumphierte mit seinem Lächeln.
Ich muss schon sagen, wow, dass er das noch alles weiß. Ich hatte Jungs eher so eingeschätzt, dass sie einfach gar nicht mehr wissen, wer man überhaupt war, doch er war anders und ist es immer noch. Ich hatte ihn freundlich hereingebeten und zeigte ihm das Haus, ohne danach zu fragen, was er überhaupt wollte, doch dies schien er in diesen Momenten ebenfalls vergessen zu haben, denn er machte keine Anstalten schnell wieder zu gehen, was mich sehr beruhigte. Ich setzte mich mit ihm in mein Zimmer und sofort erkannte er, dass sein Zimmer genau gegenüber lag.
>>Dann können wir uns abends unterhalten<<, grinste er mich an. Seine Zähne strahlten mir entgegen. Sein Aussehen war wirklich vollkommen, ich kann es einfach nicht anders beschrieben. Es würde mir schwer fallen etwas anderes zu sagen, da dies höchstwahrscheinlich untertrieben gewesen wäre. Ich war dabei mich zu verlieben. Eine Urlaubsbekanntschaft, aus der mehr geworden war, außer nur dem Üblichen. Eine Weile sagten wir nichts mehr zu einander, in dieser Zeit reichten uns Blicke, damit wir uns verstehen konnten. Leider musste er nach einer Stunde wieder gehen, da er Training hatte. Er lud mich ein mitzukommen, doch ich musste dankend ablehnen, da ich noch zu meinem Englischkurs musste. Immerhin wollte ich mich besser mit ihm unterhalten können. Zum Beispiel über Liebe, das habe ich damals so oft getan und immer wieder hatte ich das Gefühl, als ob mein Herz stehen blieb, als er meinte, dass er ein Mädchen liebt jedoch nicht weiß, ob er es ihr gestehen soll. Ich verabschiedete mich an der Tür von ihm und musste sofort weiter.

Wieder hatte ich meine Sachen gepackt und war auf den Weg zum Englischkurs. Nichts besonderes, denn ich hatte die Sprache schon sehr gut drauf. Es war nur noch ein Akt der Nächstenliebe für meine Mum, denn sonst hätte sie wieder allen Grund zur Sorge, dass ich mich in der Schule nicht verständigen konnte. Es regnete, wie jeden Tag. Unglaublich aufgetürmte Wolken spannten sich über das kleine Städtchen und ließen keinen einzigen Sonnenstrahl durch. Meine Augen waren zusammengekniffen. Der Regen hatte es auf mich abgesehen. Meine Füßen trugen mich schnell zum Unterricht und ebenso schnell eigentlich fast schneller wieder zurück. Ich nahm mir den Schlüssel aus der Tasche und schaute zur Tür von Harry. Ich schüttelte meinen Kopf und steckte den Schlüssel in das Schloss, drehte ihn um und hörte das Klacken. Meine Hand suchte blind nach dem Knauf, der sich anscheinend vor mir versteckte. Völlig in meinen Gedanken verloren lief ich gegen die Tür.
>>Na wenn das niemand gesehen hat<<, brummte ich vor mir hin und öffnete die Tür.
>>Geht es? <<, fragte jemand mich, als er sah, wie ich mir den Kopf rieb.
>>Gut….. oh, Harry<<, ich erkannte ihn erst ziemlich spät und lief rot an.
>>Ja, wer sonst? <<, fragte er mich erstaunt.
>>Ich weiß es nicht. Ich kenne noch nicht so viele<<, ich hielt inne, was sollte ich bloß noch sagen, mir fiel nichts mehr ein, >> wie war dein Training? <<
>>Ausgefallen<<, er zuckte mit den Schultern, >> wegen Regen!<<
Interessiert hob ich eine Augenbraue und wollte mich gerade verabschieden, als er mich zurückhielt. Seine Berührungen brannten wie Feuer auf meiner Haut. Sie hinterließen eine heiße Spur die nicht enden wollte.
>>Hast du Zeit? Ich meine, ich bin gerade auf dem Weg zu meiner Band. Wenn du Kontakte knüpfen möchtest, dann komm doch mit<<, schlug er mir vor.
>>Klingt super. Ich werde meinen Eltern bescheid sagen<<, ich winkte und war schon im Haus verschwunden. Innerlich begann ich tierisch zu jubeln und hüpfte in die Küche. Aus den Töpfen brodelte es wie aus Kesseln einer Hexe.
>>Was ist? <<, meine Mutter lugte hinter dem Dampf hervor und schaute mich ernst an, >>etwa schon fertig?<<
>>Ja, ähm<<
>>Was, ja ähm? Du möchtest etwas, und was ist das Etwas? <<, fragte sie mich. Es war damals wirklich sehr schwer für mich meine Mum zu fragen, ob ich mit Harry weggehen könne. Wer kennt das nicht. Die Fragen: >>Wann kommst du zurück?<<
, besser noch:>> Wo geht ihr hin? Können wir dich anrufen?<< Ich versuchte mich innerlich schon einmal auf die Fragen vorzubereiten und antwortete einfach auf eine nicht gestellte Frage:>> Um 23 Uhr. Er würde mich bringen. <<
>>Ach ja? Das ist ja interessant, doch mich würde eher interessieren, ob du mit Harry gehen wirst<<, sagte sie und grinste mich an.
Sie hatte mich schon längst durchschaut. Ich bin mir mehr als sicher, dass sie es schon gewusst hatte, bevor ich in die Küche gekommen war. Ich war wie ein offenes Buch für sie, welches man in der Bücherei offen liegen gelassen hat, so dass jeder die Notizen am Rand lesen konnte. Sie war dann immer die erste, die es las.
>>Deine Freudensprünge waren kaum zu überhören<<, fügte sie hinzu.
>>Oh, naja..<<, es klingelte an der Tür. Meine Erlösung, oder doch meine Verabredung? Natürlich war Harry an der Tür gewesen und ich beeilte mich ihn diesmal nicht so lange warten zu lassen. Ich öffnete die Tür und stand vor Harry. Auf der Straße stand ein Auto, welches laut brummend die offenen Türen zum Beben brachte. Aus dem Hinterteil des Autos stieg Qualm. Es stank entsetzlich nach Benzin, doch das störte mich in diesen Momenten weniger.
>>Deins? <<, ich stand mit offenem Mund dort.
>>Natürlich, wessen denn sonst? Oder willst du etwa nach Bristol laufen? <<, fragte Harry.

>>Bis später ihr beiden<<, ich hatte nicht bemerkt, das Mum hinter mir stand und die Hand an der Tür hielt.
Es kam mir so vor, als wollte sie mich rausschmeißen, doch ihr Lächeln vereitelte dies. Harry ging vor und hielt mir die Tür auf, machte sie zu, als ich gemütlich im Auto saß. Ich winkte meiner Mum zu und verabschiedete mich mit einem kleinen Luftkuss. Es kam mir so vor, als ob es mein erstes Date war und so war es ja auch. So etwas Schönes hatte ich noch nie erlebt. Harry fuhr mit mir zu einem Gemeindehaus, wo die Bandmitglieder schon warteten. Die Lichter waren zu grell, ich kniff meine Augen zu und versuchte mich langsam an diese Lichter zu gewöhnen. Er grinste mich an. Anscheinend fand er es sehr lustig, wenn ich mich ein wenig quälte.
>>Geht es? <<, fragte er, als ich versuchte etwas zu umständlich aus den Wagen zusteigen.
>>Natürlich<<, murmelte ich standhaft und stellte mich zu nah an eine Pfütze. Die Quittung habe ich schneller bekommen als erwünscht. Ein Auto fuhr durch diese zu große Pfütze und machte mich nass. Wie ein nasser Pudel stand ich nun vor Harry und zuckte mit den Schultern. Ich will ja nicht leugnen, dass dies über die Jahre meine Lieblingsbeschäftigung geworden war. Ein kühler Wind zog über London hinweg. Ich fröstelte ein wenig und zitterte. Harry schien dies nicht unerkannt zu bleiben. Als wir auf die anderen Mitglieder der Band warteten, gab er mir netterweise seine Jacke und ich konnte mich schon einmal daran gewöhnen, wie es wäre, wenn er mein Freund gewesen wäre.
>>Und du bist? <<, fragte mich ein Junge mit knallig blonden Haaren. Sie stachen richtig hervor und ließen ihn noch blasser wirken als er ohnehin schon war. Ob sie damals gefärbt waren? Ich habe mich den halben Abend über nichts anderes gefragt, doch ich musste mich auch anderen Sachen widmen außer den Frisuren der Bandmitglieder oder ihrer Klamotten.
>>Dylvana<<, ich gab ihm meine Hand. Er schaute mich nur etwas verwirrt an und gab mir widerwillig seine.
>>Justin<<, sagte er. Er versuchte sich ein gewisses Lächeln anzueignen, doch daraus wurde eher pures Entsetzen, als ich meine Mütze aus Deutschland herausholte.
>>Was ist? <<, fragte ich. Weder sah meine Mütze aus wie eine Clownsmütze, weder wie eine Polizeimütze und Erstrecht nicht wie eine Hiphopper Mütze.
>>Du trägst Sachen aus Deutschland? <<, fragten sie mich alle. Harry stand nur daneben und grinste sich einen weg, was ich nicht für sehr angebracht hielt. Ich fühlte mich ein wenig allein gelassen und ließ es Harry auch bald spüren.
>>Ich komme aus Deutschland<<, sagte ich und stand auch zu meiner Nation. Ihnen klappte die Kinnlade hinunter.
>>Na und? Was macht das schon? <<, warf ich gleich hinterher. Ich hatte gehofft schneller von Engländern aufgenommen zu werden als von anderen Nationen. Naja, vielleicht war dies nur ein blödes Vorurteil.
>>Nein, natürlich nicht<<, sie klopften mir auf die Schulter und lächelten mich an. Ich weiß noch immer nicht, was ich davon halten sollte. Erst so verhalten tun und mich dann freudig in die Runde aufnehmen ließ mich doch etwas stutzig zurück. Nach ungefähr einer Stunde waren alle da. Von ihnen hatte es niemand eilig, geschweige denn etwas von dem Wort Pünktlichkeit gehört.


Ein besonderer Schultag


An diesen Abend erinnere ich mich immer gerne zurück. Es war schön die Musik von Harry zu hören leider aber ziemlich schwierig seinen Blicken zu widerstehen. Immer wieder hatte er an diesem Abend den Blickkontakt zu mir gesucht und es war nicht gerade einfach ihn zu erwidern. Es war ziemlich schwer standhaft zu bleiben, möglichst nicht so schief zu grinsen, was kaum möglich war. Harry hatte mich noch nach Hause gefahren und wir redeten eine Weile miteinander. Wir saßen auf unserer Terrasse und tranken einen Tee, wie es in Großbritannien Sitte war und verbrachten die halbe Nacht gemeinsam. Ziemlich schnell konnte uns nun keiner mehr trennen. Es vergingen viele Tage und Wochen, wo wir uns immer getroffen hatten und irgendwann flatterte ein Brief der Schule Bringstor herein. Ich wurde aufgenommen und dann war es wieder soweit.

Es war seit den Sommerferien mein erster Schultag in der neuen Schule. Ich war nun in der zehnten Klasse und musste noch einmal wechseln, da sich meine Noten so verbessert hatten, dass ich einen Aufstieg machen konnte. Nun besuchte ich die Bringstor Schule und war recht zufrieden. Nein, ich war sehr zufrieden! Ich konnte Harry jeden Tag sehen und genoss es, wie seine Blicke an mir hafteten. Jede Menge Schüler haben schon Wind von unserem kleinen Flirt bekommen, jedoch ist eine Schülerin dabei, die gar nicht damit zu recht kam. Locker schwang sie ihre durch Färberei kaputten Haare über die Schultern und schickte den Jungen ein herzliches, für mich eher ein erzwungen heißes, Lächeln zu. Ich saß mit Gen, meiner neuen besten Freundin, auf der Tischtennisplatte und genoss die Sonnenstrahlen. Wir redeten über die Neuen, über die Mädchen und über die Jungs, wie sollte es anders sein. Und wieder konnte ich nur halb mitreden, da ich ja noch lange nicht mit Harry zusammen war. Natürlich, kuscheln war einmal angesagt, ein kleiner Kuss auf die Wange, doch das war es schon wieder. Kopfschüttelnd starrte ich Gina hinterher, meine Augen klebten an ihrem Hinterteil, welches sie gemütlich hin und her schwang.
>>Zu markant<<, murmelte Gen und steckte sich ein Stück Brot in den Mund.
>>Zu aufdringlich<<, gab ich schon zu. Wieder saß ich dort und hatte das Gefühl das alles schon einmal durchlebt zu haben. Die Sonne prallte auf den Schulhof und brachte die Luft in Schwingungen. Es sah aus, als ob die Schule unter Wasser stehen würde, was keines Falls so war. Ich schaute über den Schulhof, suchend nach etwas, was ich schon längst gefunden hatte. Schon wieder konnte ich nur auf Harry blicken und hatte keine Möglichkeit mich um zu entscheiden. Es war, als ob er mich gefangen genommen hätte. Seine Aura zog mich immer wieder an, ließ mich für keinen Augenblick mal an etwas anderes denken außer an ihn. Es klingelte, der Unterricht begann wieder, doch ich schien noch mit meinen Gedanken völlig wo anders zu sein. Nach dem wir uns mit den anderen Schülern durch die enge Tür geschoben hatten und die Klassenräume betraten, setzten wir uns auf unsere Plätze. Meine Hand wanderte blind in die Tasche und zog ein Mathe Buch heraus.
>> Mathe<<, brodelte es innerlich in mir. Wenn ich ein Fach nicht leiden konnte, dann war es Mathe. Ich war nicht die einzige, die der Meinung war, das Mathe mit Sicherheit nicht das wichtigste Fach auf dieser Welt war und machte mich lieber mit anderen Dingen vertraut, als das ich meinen Füller mal wieder ein wenig schwang um zu große Zahlen in zu kleine Quadrate zu pressen.
>>Dylvana<<, hörte ich es an mir vorbeirauschen, ohne etwas Böses zu ahnen.
>>Die nächste Aufgabe, bitte<<, breit grinsend stand mein Lehrer vor der grünen Tafel und zog sie für mich etwas herunter.
>>So klein bin ich auch nicht<<, stieß ich heraus, was nur Gen mitbekommen hatte. Sie musste sich das grinsen verbieten, unser Lehrer konnte es nicht ab, wenn etwas Fröhlichkeit seinen Mathe Unterricht durchdringen würde. Dankend nahm ich die weiße Kreide entgegen und schob die Tafel mit großer Freude wieder weiter hinauf. Der Lehrer schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. Er stellte sich vor die Klasse und zwinkerte mit seinem Auge, als ob ich das nicht mitbekommen hätte. Ich machte mich an die Aufgabe und versuchte dabei nicht zu verzweifeln. Die Schüler hinter meinem Rücken begannen ein wenig zu Kichern, da ich doch etwas aufgeschmissen war. Eine Weile überlegte ich, bevor ich die Kreide auf die Wand drückte und versuchte ein paar Zahlen zuschreiben.
>>Ist doch gar nicht so schwer<<, grinste ich und legte die weiße Kreide auf die faltige Handfläche meines Lehrer. Beachtlich schob er seine Brille die Nase hinauf um etwas besser sehen zu können.
>>Richtig<<, murmelte er. Er fuhr sich mit seiner weißen Hand durch das Gesicht, welche ein wenig Kreidestaub hinterließ.
>>Passt zu seinen Haaren<<, lachte Gen. Ein Klassenbuch wurde auf das Pult geschlagen.
>>Ruhe<<, wenn ich es nicht besser wüsste, dann hatte ich wirklich gesehen, wie die Scheiben wackelten.
>>Wir haben nur kurz gelacht<<, verteidigte ich die Klasse und schaute ihn an.
>>Du willst übermütig werden, ja? <<, er setzt seine Brille ab und verzieht seine Mundwinkel bedrohlich weit nach unten. Ich schüttelte meinen Kopf. Bis jetzt hatte ich mich noch nie einem Lehrer widersetzt, doch ich musste mir ja nicht alles gefallen lassen, nicht wahr?
>>Ich sage nur meine Meinung! <<, innerlich begann ich schon zu triumphieren. Kleine Pokale und Konfetti wehten durch mein Gehirn, wäre da nicht der Wirbelsturm gekommen.
>>Raus. Ich werde deine Eltern benachrichtigen! <<, brüllte er mich an. Meine Haare wehten ein kleines Stückchen zurück, was wohl eher an dem offenem Fenster lag, jedoch ein kleiner Hauch von Wut meines Lehrers war dabei. Ich stand auf und packte meine Sachen. Ich wusste, wenn ich noch etwas sagen würde, dann müsste ich zum Rektor und ich würde mit Sicherheit noch etwas sagen. >>Warum nimmst du deine Sachen mit? <<, fragte er mich. Er tippte mit seinem Kugelschreibe auf seine Zunge und trug mich mit einem Lächeln in das Klassenbuch ein. Ich stellte mich an die Tür, öffnete sie schon und drehte mich zu dem Lehrer um.
>>Nun ja, ich werde zum Rektor gehen, da ich nicht ihrer Meinung bin. Ich denke, dass es falsch ist mich zu Mahnen, nur weil ich meine Grenzen, was meine Meinung betrifft, gerade teste. Ich habe nichts Falsches gesagt, weder dass ich sie blöd finde, noch dass ich mit dem Unterricht nicht zufrieden bin. Ich habe niemanden mit einem rassistischen Wort angegriffen, noch habe ich sie beleidigt oder vor der Klasse gedemütigt<< Die Schüler bekamen große Augen. Hatte ich etwa zu viel gesagt?
>>Setzen<<, brummte er und strich etwas durch. Scheinbar hatte ich wirklich über meinen verhassten Mathe Lehrer gesiegt. Zufrieden setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl und zog diesmal mein Buch glücklicher aus der Tasche. Der Rest des Unterrichts ging sehr schnell um. Die Zeiger drehten sich nur so im Kreise und schon bald klingelte es erneut. Frei! Nach dem ersten Schultag hatten wir endlich wieder ein wenig Ruhe und konnten uns entspannen. Als ich am Fahrradstand mit Gen noch ein wenig plauderte, kam Harry dazu und stellte seinen neuen Freund vor.
>>Ray? Das ist Dylvana, Dylvana, das ist Ray<<, Ray gab mir die Hand und grüßte mich knapp. >>Gen…<<, Gen reichte ihm ihre Hand.
>>Also das ist das Mädchen, welches du so toll findest? <<, hatte ich gehört, als ich mein Schloss öffnete. Harry drehte sich verlegen zur Seite und hoffte darauf, dass ich dies nicht gehört hätte. Nein mein Lieber, ich hatte es gehört und in vollen Zügen genossen!
>>Ja…<<, flüsterte er nahezu und zeigte auf sein Fahrrad, was anscheinend so viel heißen sollte wie, tut mir leid, aber ich muss wirklich los, sonst sagst du noch etwas, was sie nicht mitbekommen soll! Ray winkte uns beiden, Harry ebenfalls, dann waren sie um die nächste Ecke verschwunden. Grummeln durchdrang meinen Magen. Es war keines falls der Hunger, der mich wieder plagte, vielmehr machte das Wetter mal wieder einen großen Aufschwung. Die Sonne, die noch durch die herrlich grün gefärbten Blätter schien war verschwunden. Wolken türmten sich vor ihr auf und ließen nichts Gutes erahnen. Schon wenige Sekunden später prasselten dicke Tropfen auf Gen und mich nieder. Wir stellten uns unter das heiß gewordene Welldach des Fahrradstandes und warteten ab. Blitze zogen durch die Straßen, erhellten ab und zu den Stadtteil und ließen es beben. Man konnte die Regentropfen leise zischen hören, als sie das heiße Welldach berührten und mit ihm verschmolzen.
>>Ich bin ehrlich zu dir. Ich hasse Gewitter, besonders wenn ich draußen stehe und trotz eines Daches das ganze Wasser abbekomme. Wozu wurde das gebaut? Damit man auf eine andere Art und Weise nass wird?<<, Gen holte ihre Jacke aus der Tasche und zog sie sich über. Schnell kühlte dieses kleine Stückchen Erde ab und ließ uns eine Gänsehaut wachsen. Meine Nackenhaare bäumten sich auf, als wieder ein Blitz, fast neben uns einschlug. >>Du meine Güte<<, Gen sprang fast einen Meter zurück und stand zitternd neben ihrem Fahrrad.
>>Alles okay?<<, fragte ich. Ich hatte sie noch nie so gesehen, was auch kein Wunder war. Ich kannte sie gerade erstmal zwei, wenn es hoch kommt drei Monate. Doch sie war wie eine Schwester für mich geworden. Wir waren sogar schon Blutsbrüder, was wir besser hätten sein lassen sollen, da ich nun eine schöne Narbe an meinem linken Handgelenk trage. Wir haben jeden Tag zusammen verbracht, seit dem wir uns im Café ausversehen angerempelt hatten. Zuerst moserten wir uns an, doch dann verstanden wir uns schnell, wie in einem Film aus New York oder so. >>Wie lange stehen wir nun schon hier?<<, Gen beugte sich aus dem Fahrradstand und schaute in den Himmel. Vorsichtshalber streckte sie ihre Hand noch einmal aus und versuchte Regentropfen zu fangen, doch es war eher anders herum und die Regentropfen waren dabei sie zu fangen. Sie stellte sich wieder schnell zu mir und machte ihre Nase kraus.
>>Riechst du den Regen?<<, fragte ich sie und schaute verträumt in den Himmel, der immer noch aufblitzte.

>>Nein, warum sollte ich?<<, sie zuckte mit den Schultern.
>>Ich liebe es den Regen zu riechen. Es ist so poetisch, weißt du?
Ich erinnere mich gerne an den einen Nachmittag, den ich mit Harry verbracht hatte. Wir saßen zusammen auf der Terrasse und haben einen Tee getrunken. Wenige Minuten später begann es zu Gewittern und ich habe mich auf seinen Schoß gesetzt. Dabei habe ich den Regen das erste Mal so richtig wahrgenommen. Er hat dafür gesorgt, dass ich mit Harry kuscheln konnte<<, erzählte ich grinsender Weise. Sie lächelte verständlich und schaute erneut auf die Uhr.
>>Schon sehr spät<<
>>Ich weiß. Aber ich will nicht so nass werden<<, sagte ich.
>>Ich auch nicht aber, ist das dein Handy?<<, sie wurde auf den merkwürdigen Ton aufmerksam, der aus meiner Tasche kam. >>Ja<<, murmelte ich, >>Wird meine Mum sein. Hallo?<< >>Bist du bei dem Gewitter draußen<<, Harry war an der anderen Seite des Hörers und klang sehr besorgt.
>>So schnell bist du zu Hause?<<, ich versuchte mit einer Gegenfrage zu antworten und knabberte ein wenig an meinen Fingernägeln, was ich sonst sehr abstoßend fand, doch ich wurde nervös, als Harry so mit mir ins Gespräch gekommen war.
>>Es ist nicht gerade angebracht bei so einem Sommergewitter draußen zu sein. Sicherlich steht ihr beide noch immer unter dem Welldach und denkt, hach, ist ja nicht so schlimm, nicht wahr? <<, stachelte Harry. Nun ja, wo mit er natürlich Recht hatte.
Als er mir das sagte, fand ich das Wetter auf einmal nicht mehr so toll. Er hatte also schon die Kontrolle über mein Gewissen ergattern können. Es kam noch sehr viel danach, aber das werdet ihr ja sehen.
>>Der Blitz wird uns schon nicht treffen <<, murmelte ich und lehnte mich gegen eine schmutzige Wand.
Meine Füße kreisten verloren auf den Boden herum und scharrten einige Steine zusammen um sie dann wieder weg zukicken. >>Natürlich nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist auch viel zu gering. Hatten die anderen auch zu mir gesagt. Am nächsten Abend hatte ich sie dann im Krankenhaus besucht<<, murrte Harry.
>>Es wird schon gleich aufhören<<, ich verdrehte meine Augen und schloss sie. Innerlich begann ich ein wenig zu brodeln. Was war denn so schlimm daran draußen zu sein, wenn es Gewitterte, so lange man keine Angst davor hatte.
>>Mh, deswegen hatte ich eigentlich auch nicht angerufen<<, fuhr er fort.
>>Warum denn dann?<<
>>Ich wollte dich fragen, ob du heute Abend noch Zeit hast. Wir können ja ein wenig plaudern und so<<
>>Plaudern und so, ja?<<, fragte ich nach. Natürlich wollte ich etwas mit Harry machen. Es war so wieso die einzige Beschäftigung, die mir in den letzten Monaten richtigen Spaß machte. Für die Schule zu lernen war so normal, in der Stadt zu hocken und mich sonnen zu lassen war irgendwie recht zickig und einfach nur zu Hause sitzen um vor dem Computer einzugehen war auch nicht mehr meine Art gewesen, wobei ich immer noch jeden Tag mindestens eine Stunde vor dem Computer verbringe um ein wenig mehr über meinen Beruf, den ich später mal erlernen möchte, heraus zu finden. Model werden war eine feine Sache, eine Sängerin spannend, man würde die Welt entdecken, doch anderen Leuten in Not zu helfen, selbst wenn man nicht so viel Geld dafür bekommen würde, war zu meinem zweiten Lebenstraum geworden. Der andere war es, endlich in das hübsche Ballkleid zu passen, welches ich tragen werde, soweit die Pfunde bei mir purzeln werden, wenn ich meinen Abschluss feiere.
>>Ja<<, kam es kurz und knapp von der anderen Seite. Ich schaute mich um, überlegte einen Moment und nickte.
>>Was denn nun?<<, fragte er mich. Natürlich, er konnte ja schließlich nicht sehen, dass ich genickt hatte.
>>Gerne und wie spät? Sechs Uhr, ja?<<
>>Okay, und mach dich bitte auf den Weg nach Hause. Ich habe einfach keine ruhige Minute, wenn ich weiß, dass du bei diesem Wetter draußen bist. Ich freu mich auf dich<<, das Klacken verriet mir, dass Harry schon wieder aufgelegt hatte. Er würde sich mit Sicherheit an das Fenster setzen und so lange warten, bis er sieht, dass ich auf unsere Auffahrt fahre und mein Fahrrad wie gewohnt einfach in eine Ecke fallen lasse.
>>Wow, ein Date?<<, fragte Gen und grinste.
>>Date? Kann man es so nennen?<<, schon lange hatte ich mir die Frage gestellt, ob man die zahlreichen Treffen mit Harry als Date bezeichnen konnte. Ein klassisches Date war für mich vielmehr etwas Romantisches. Natürlich war es romantisch mit Harry auf der Terrasse zu sitzen und zu hören, wie der Regen auf die Blätter fällt und langsam Pfützen auf den Straßen bildet. Wie sie erst noch rein vor sich hinschimmern und schon bald von den Abgasen und dem Schmutz der Autos wieder unachtsam verdreckt werden. Dennoch, ich finde ein Date müsste in einem Café ausgetragen werden. Mit Kerzenschein und schöner Musik, einer tollen Pizza die man sich vielleicht sogar Teilt. Die Käsefäden, die sich zwischen den Mündern der Verliebten bilden und zum ersten Kuss verleiten, den ich noch lange nicht von Harry bekommen hatte und vorerst sollte ich auch nicht damit rechnen, so meine Meinung. Ich bin der Ansicht, nicht so schnell damit anzufangen. Denn wenn der erste Kuss einmal auf den Lippen gepresst wurde, schmackhaft wurde und ein anderes Organ des Menschen, Namens Zunge hinzugekommen war, war das erste Mal auch nicht sehr fern. Natürlich gab es Ausnahmen von Mädchen, zu denen ich gehörte. Ein erstes Mal würde nicht ohne Liebe in die Tüte kommen, schon gar nicht mit einem Jungen, mit dem ich nicht zusammen war. Die Vorstellung es mit einem zu haben, den man nicht kennt, jedoch recht anziehend findet, ist zwar nicht schlecht, doch das stufe ich eher unter begehren ein. Ach, da gibt es so viele Dinge, die ich zu einem Date aufzählen könnte, doch so etwas habe ich mit Harry einfach noch nie gemacht. Kuscheln ist gut und schön, doch zeigt mir noch nicht so viel von tiefer Verbundenheit, die ich aus diesem besorgten Anruf heraus gehört hatte.
>>Dylvana<<, ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. Gen hatte mich geschüttelt, als ich auf mein Fahrrad starrte.
>>Harry? Er hat es dir voll angetan, nicht wahr?<<, wir beide gingen verträumt ein paar Schritte.
Ich schaute in den Himmel und sah, dass sich die Gewitterwolken langsam gen Süden verzogen und die Sonne wieder zum Zug gekommen war.
>>Und wie. Wir haben uns damals im Urlaub kennen gelernt und nun haben wir uns hier wieder gesehen. Wir haben wirklich sehr viel Zeit miteinander verbracht und, ich bin wirklich so überglücklich! Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Flugzeuge und Schmetterlinge verursachen jede Menge Unfälle in meinem Bauch und lassen mich zittern. Wenn sie in mir verbrennen, gibt es heiße und kalte Wellen. Er erzeugt so viele Gefühle in mir. Besonders wenn ich merke, dass er sich Sorgen macht. Ich will doch gar nicht, dass er sich welche macht, doch es kommt einfach so und dann fühle ich mich so geborgen, weil ich weiß, dass sich jemand um mich kümmert, alles machen würde, damit es mir gut geht<<
>>Es ist schön verliebt zu sein, nicht wahr?<<
>>Ja<<
Wir gingen zu unseren Fahrrädern zurück. Die pralle Sonne brachte uns wieder ins Schwitzen und wir zogen unsere Jacken wieder aus. Ich packte meine Jacke wieder in den Fahrradkorb und schwang mein Bein über die Eisenstange.
>>Wir telefonieren<<, sagte ich, als ich in die andere Richtung fuhr und mich von Gen verabschiedete.
>>Geht klar<<


Meine erste große Liebe

Ich legte wie gewöhnlich mein Fahrrad in eine Ecke ab und kramte die Schlüssel aus meiner Tasche. Dabei fielen mir meine ganzen Bücher aus der Tasche und ich musste mich bücken. Ich hatte zu dieser Zeit fast jeden Tag einen Rock an, so auch an diesen und ließ etwas tief in meine Privatsphäre blicken, was eine Gruppe von ein paar Jungen und Mädchen ausnutzte.
>>Sie lässt tief blicken<<
Ich stellte mich wieder aufrecht hin und schickte ihnen nur einen geladenen Blick zu. >>Sie wird sauer<<, lachte ein anderer.
Sauer? Nun ja, ich gab mich nicht gerne mit so welchen Kindern ab. Ich war zwar nur zwei Jahre älter, doch ich fühlte mich neben ihnen haushoch überlegen. Sie sollten mir ja nicht zu quer kommen, sonst würde ich schon meine Krallen ausfahren und sie fangen, sie vielleicht sogar beißen, doch das passiert nur in den äußersten Notfällen. Ich kümmerte mich nicht weiter um die Kleinen und schloss die Tür auf, bis ich einen dumpfen Schlag auf meinem Hinterkopf spürte.
Ich spürte, wie mein Herz begann zu rasen, wie meine Adern mit Blut prall gefüllt wurden und wie meine Hand sich zu einer Faust ballte.
>>Wenn ihr euch nicht sofort wegschert, dann seid ihr in dieser Stadt nicht mehr sicher<<, brüllte ich.
Ich sah ein Stück zerknittertes Papier auf dem Boden liegen und hob es auf. Ich faltete es auseinander und versuchte die Buchstaben, die sinnlos aneinander gereiht wurden, zu entziffern, was mir jedoch nicht gelang.
>>Und wenn schon<<, ich tat so, als ob ich wüsste, was sie geschrieben hatten und knallte die Tür hinter mir zu.
>>Was war?<<, mein Vater lehnte sich Kaugummi kauend an die Wand und schaute mich an.
>>Nichts<<
>>Wirklich? Klang aber nicht so<<, bohrte er.
>>Es war nichts<<, versicherte ich und nahm gleich zwei Stufen statt einer nach oben.
Ich wollte so schnell wie möglich alleine sein, was ich mir selber nicht erklären konnte.
In letzter Zeit hatte ich ein ziemlich verhaltenes Verhältnis zu meinen Eltern. Meine Mum saß nur noch in dem Wohnzimmer und kam heraus, wenn sie für uns Essen machte. Sie saß die ganze Zeit stumm vor dem Fernseher und schaute sich die flackernden Bilder an. Ihre Hand ruhte immer auf der Fernbedienung, neben ihr lagen veraltete Zeitschriften und jede Menge Taschentücher. Benutzte, Neue, vor Wut Zerfledderte. Ich fragte mich immer was los war, doch dann vergas ich es manchmal, wenn ich meine Träume wieder freien Lauf ließ und nicht so enden wollte.
Ich setzte mich vor meinem Computer und schaute auf den dunklen Bildschirm. Ich drückte auf den rot leuchtenden Knopf und wartete auf das surrende Geräusch, welches der Computer binnen wenige Sekunden von sich gab. Mein Schreibtisch begann zu vibrieren, schließlich war mein Computer nicht mehr der neuste und lief schon heiß, wenn er gerade mal eine Minute lief. Als der Bildschirm endlich mit dem ,,Willkommen" aufleuchtete, nahm ich die Maus in die Hand und klickte mich durch die Welt der unmöglichen Möglichkeiten. Die Maus flog nur so über den Bildschirm und klickte einige Dinge an, die ich vor einigen Monaten aus Frust geschrieben hatte. Kennt ihr das vielleicht auch? Wenn ihr einen schlechten Tag hattet und versucht eure Gedanken mit Worten, Buchstaben, schwarzer Farbe, der Geräusche der Tastatur und der Programme des Computers zu fangen? Ich habe solche Tage sehr oft und verbringe mit meinen Gedichten ebenfalls einen großen Teil meiner Freizeit. Ich machte das Internet an und wartete auf die bekannte Startseite um mal wieder ein wenig zu surfen.
Ich saß eine Weile vor dem Computer, rieb mir meine Augen und schüttelte meinen Kopf. Schon wieder machte sich ein merkwürdiges Gefühl in mir breit. Diesmal nicht von meinen Eltern oder Harry ausgelöst, diesmal waren es die vielen Farben und die schnellen Bewegungen der Maus, die meinen Kopf nicht gut taten.
Ich machte den Computer wieder aus um nach unten zu gehen. Meine Füße trabten schnell über die Treppen, meine Hand glitt an dem Geländer herunter und lenkte dem halben Fall entgegen.

Ich stellte mich kurz vor dem Spiegel und betrachtete mich. Er hing gefährlich nah neben der Tür, was mich immer wieder aufhielt, wenn ich zu Harry gehen wollte.
Ich stehe dann immer vor dem Spiegel, nehme meine Haare hoch, mache mir einen Zopf um dann doch mit offenen Haaren auf die Straße zu gehen. Meine Augen können auch ein Lied davon singen. Wenn ich mit offenem Mund sehr nahe am Spiegel stehe, mich mit dem Kopf nahe zu gegen ihn lehne um meinen Liedschatten aufzutragen.
Ich schüttelte meinen Kopf, stellte mich Seitwärts zum Spiegel, lasse mich dünner und dann wieder dicker wirken um am Ende zu sagen:>>Dylvana, du hast wieder zugenommen. Du musst mehr Sport treiben!<<
Ich klopfte mir auf den Bauch und folgte dem unwiderstehlich gutem Geruch in die Küche. Ich öffnete die Tür und setzte mich stumm auf meinen Platz.
>>Wie geht es dir, Mum?<<, fragte ich und nahm ein paar Unterlagen für Teller aus dem Schrank.
>>Wie soll es mir gehen?<<, warf sie zurück.
Eine ANtwort wie ,,Gut" oder ,,Schlecht" hätte mir allemal gereicht, doch damit forderte sie mich heraus nach mehr zu fragen.
>>Das klingt nicht berauschend. Was ist denn?<<, wollte ich wissen.
>>Geht dich nichts an<<, ein kalter Wind wehte durch die Küche, als ob ein großer Herrscher seine Hallen betrat, kam auch mein Dad in die Küche und brachte eine grausige Stimmung mit.
>>Fauch meine Tochter nicht so an<<, schrie meine Mum ihn an.
Ich bekam ein ungutes Gefühl. Es war also wieder so weit und es würde ein weiterer Krieg entstehen. Anscheinend schon der zweite für Heute, denn die Antwort auf meine Frage wurde prompt auf den Tisch geschmissen.
>>Sie ist ebenfalls meine Tochter. Sie muss auch mal etwas zurückstecken können, denn sonst kommt sie nicht sehr weit in diesem Leben!<<, pöbelte er.
Da kam mir wieder etwas in den Sinn. Ich kann mich noch gut an meine aller ersten Gedanken erinnern. Mein Leben endete, als mein Herz begann zu schlagen. Ein Widerspruch, ist doch klar, doch es trifft zu. Harry war der einzige Lichtblick den ich hatte, Gen natürlich auch, doch Harry war etwas Besonderes. Er las meine Gedichte, er konnte alles verstehen, was ich fühlte. Er nahm mich einfach als Mensch war.
Als ein Teller zu Boden fiel schrak ich auf.
>>Verdammt, was soll das? Habt ihr denn nichts Besseres zutun außer euch zu streiten? <<, das war es. Das Fass haben die beiden so eben zum überlaufen gebracht. Streiten, na gut, es gehörte zu einer Ehe, doch wenn Scherben begannen zu fliegen, waren die Schläge nicht mehr weit. Ich konnte sie förmlich riechen, spüren, wie sie sich auf den Weg machten unser Haus zu stürmen und ich wollte auf keinen Fall dabei sein. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben, nach dem ich etwas schrecklich heraus gehört hatte:>>Ich liebe dich nicht!<<
>>Ach, ich habe dich doch noch nie geliebt!<<
Ich rannte aus der Küche heraus, durch die Haustür, vorbei an der Gruppe, die mich zuvor belästigt hatte und nun dabei war sich zu besaufen und dann zu Harry. Ich klingelte und klopfte, wollte schreien, wollte weinen, wollte aus meiner Haut heraus. Harrys Mutter öffnete die Tür und fand mich zerstört vor. ,,Was ist passiert?<<, sie hielt ihre Hand erschrocken vor ihrem Mund, damit ich nicht sehen musste, wie sich Einsetzen in ihr breit machte.
>>Ist er da?<<
Ich wollte einfach nicht mehr sagen. Ich musste jetzt einfach zu Harry, damit ich wieder ein Gefühl von Wärme in mir Aufbauen konnte.
Ich ging die Treppe hinauf und klopfte mit einer zitternden Hand gegen die Tür.
>>Ja?<<, Harry drehte sich zur Tür. Er lag auf dem Bett und schaute mich an.
>>Deine Eltern?<<
>>Hast du den Streit gehört?<<, schluchzte ich.
>>Ja..<<
Er stand auf und ging zu mir. Er nahm mich in den Arm und versuchte mich ein wenig zu trösten, doch sehr zu meinem Erstaunen konnte selbst er nicht dafür sorgen, dass es mir besser ging.
>>Es ist vorbei. Eindeutig<<
>>Deine Eltern haben streit. Das ist normal. Du darfst nicht sagen, dass es vorbei ist!<<, mahnte Harry mich.
>>Sie streiten jeden Tag seitdem ich denken kann. Seit meinem siebten Lebensjahr schlafen sie getrennt und es gibt einfach keine netten Worte mehr. Es kommt alles so plötzlich! Ich komme nach Hause und dann...<<
>>Das ist an manchen Tagen so. So wie du haben deine Eltern mal schlechte und mal gute. Das kann man nicht verhindern. Und manchmal ist es eben so, dass es mehr schlechte als gute gibt, auch wenn das schwer für dich zu verstehen ist<<, erklärte er mir. Wir setzten uns zusammen auf sein Bett. Ich legte mich auf seine Brust und schon bald konnte ich wieder seinen vertrauten Herzschlag hören. Ich beruhigte mich recht langsam und war beinahe eingeschlafen. Meine Augen waren geschlossen, meine Gedanken in meiner Welt. In die Welt, in der ich mich zurückzog, wenn ich alleine sein wollte, wenn ich mal Herrscher von Zeit und Raum werden wollte.
>>Harry?<<, fragte ich nach einige Zeit und setzte mich aufrecht hin. Ich schaute den Schatten, den die Bäume in Harrys Zimmer warfen an. >>Ja?<<
>>Warst du schon einmal so richtig verliebt?<<, fragte ich.
>>Natürlich. Schon sehr oft. Doch so sehr wie jetzt noch nie<<, antwortete er. Ob ich wohl diejenige bin, in die er verliebt ist? Auf jeden Fall weiß ich genau, dass ich ihn liebe. Das ist mir inzwischen klar geworden. Als ich ihn gerade wieder ansah, überkam mich ein Gefühl des Wohlbefindens, der innerlichen Freude auf die weitere Zukunft.
>>Du auch?<<
>>Ja<<, murmelte ich. Ich zog meine Knie an meinen Körper heran und vergrub meinen Kopf in die entstandene Kuhle, als ich meine Arme um die Knie schlang. Er überlegte einen Moment, fuhr sich mit seiner Hand durch seine dunkelblonden Haare und schaute mich mit seinen wunderschönen Augen an. >>Und wer ist der Glückliche?<<
Die Frage musste ja kommen. Es war doch voraussehbar, das er genau diese Frage stellen würde. Wieso habe ich bloß gefragt? Wobei, wenn ich es mir recht überlege, wollte ich auf darauf hinaus. Ich wollte ihm endlich meine Gefühle offenbaren und endlich mehr Gewissheit besitzen. >>Du willst es wirklich wissen?<<
>>Sonst hätte ich nicht gefragt, meine Liebe.<<
>>Naja, weißt du. Wir kennen uns nun schon wieder ein Stückchen länger und ich mache wirklich gern was mit dir<<, begann ich. Er schaute mich interessiert an, doch ich weiß genau, naja, ich denke es zumindest zu wissen, dass er sich schon denken kann, was ich sagen will.
>>Ich liebe dich<<, platzte es aus mir heraus. Ich bin von mir selbst erstaunt und zugleich auch ein wenig erschrocken. Nun hatte ich es mir so lange vorgegaukelt, dass ich ihn nicht liebe, was mir erst in den letzten Tagen so richtig klar wurde und dann habe ich es ihm so vors Gesicht geschlagen. Ich habe ihm ja fast keine Chance für eine innerliche Vorbereitung gegeben. Er zog eine Augenbraue hoch. Seine Augen trafen meine und bohrten sich förmlich in mein Gehirn ein. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte, schließlich blieb mir nichts anderes übrig außer zu warten. Oh wie entsetzlich warten zu müssen, ob ein Junge einen liebt oder nicht. Er hatte es drauf mich zappeln zu lassen. Ich hoffe nur, dass er es dieses Mal berechtigt macht und nicht am Ende die Antwort:>>Ich dich aber nicht!<<, kommt.
>>Wirklich?<<
Ich begann etwas zu grinsen und hielt meinen Kopf etwas schräg.
>>Natürlich wirklich, warum sollte ich dich anlügen?<<
>>Du hattest es mir schon einmal gesagt und warst am nächsten Tag weg.<<
Jetzt redet er über längst vergangene Zeiten. Es war Urlaub, ich konnte doch nicht ahnen, dass ich mich so schnell verliebe, aber auch so schnell wieder abreisen muss.
>>Das war damals. Ich wohne doch hier, da, siehst du das Haus da?<<, ich zeigte auf unser Haus, >>genau da wohne ich!<<
>>Ich weiß.<<
>>Harry... bitte...<<
>>Was bitte?<<, er zuckte mit den Schultern.
>>Ich will eine Antwort. Ein Ja oder ein Nein. Irgendetwas. Ich will wissen, ob du mich auch liebst!<<
>>Ach so<<, und noch immer gab er mir keine Antwort. Heute wollte wohl alles schieflaufen. Ich würde mich nicht wundern, wenn ich noch einen Unfall habe, wenn ich die zehn Meter wieder nach Hause laufe.
>>Ich dich auch.<<
Ich würde mich wirklich nicht darüber wundern. Moment, was hat er gerade gesagt? Mein Herz macht einen riesigen Sprung. War ich nun mit ihm zusammen? Konnte ich nun endlich glücklich werden? Ich meine, so richtig glücklich?
>>Oh, Harry<<, ich sprang ihn nahezu an, schlang meine Arme um seinen Hals und wollte ihn nie wieder gehen lassen. >>Das hättest du doch spüren müssen<<, hauchte er mir ins Ohr. >>Ich weiß<<, flüstere ich.


Die Trennung

Als ich nach ein paar Stunden wieder nach Hause kam, ich lag die ganze Zeit in Harrys Armen und träumte von unserer gemeinsamen Zukunft, machte ich die Tür auf und ging in die Küche um mir etwas zu Essen zu holen. Es roch nach Zigaretten und Schweiß. Meine Nackenhaare bäumten sich auf, ich bekam eine Gänsehaut, die sich nicht abschütteln ließ. Qualm stieg auf, es war alles grau in der Küche. In der Mitte des Küchentisches lag ein Aschenbecher und eine glühende Zigarette die von einer zitternden Hand gehalten wurde. Dann wurde wieder ein Zug von ihr genommen, durch den Körper gejagt und wieder ausgeatmet. Ich hustete um mich bemerkbar zu machen und schaute meinen Dad an. Mum kam wenige Sekunden später in die Küche und setzte sich mit ihrem Bademantel und einem Kaffee in der Hand an den Tisch. >>Setz dich<<, meine Mum zog einen kleinen Hocker unter dem Tisch hervor und klopfte darauf. Ich setzte mich mit einer Vorahnung auf den Hocker und setzte mich quietschenderweise an den Tisch. Mein Blick wanderte wieder zu meinem Vater. Aus seiner Nase steig der Qualm, als ob er ein Drache wäre, der gerade dabei war Feuer zu spucken. Neben dem Aschenbecher lag eine Zigarettenschachtel, sie war schon halb leer und dann wurde wieder eine Zigarette ausgemacht und erneut eine angezündet. >>Das ist schädlich<<, warf ich in die stumme Runde. >>Na und?<<, giftete mein Vater mich an.

>>Wir müssen mit dir reden. Du hast sicherlich schon bemerkt, dass nicht mehr alles zwischen deinen Vater und mir stimmt, oder?<<, begann meine Mutter.
>>Natürlich. Das hat wohl so ziemlich jeder in der Straße mitbekommen<<, zickte ich meine Eltern an. >>Hör zu<<, mein Vater schlug mit seiner Faust auf den Tisch und brachte ihn zum wackeln. Der heiße Kaffee wurde umgestoßen und lief mir auf die Beine. Ich schreckte auf und stieß einen Schrei heraus. >>Verdammt, das ist heiß!<<, brüllte ich. Ich rannte in das Badezimmer um mir meine Sachen auszuziehen und kühlte meine Beine mit lauwarmen Wasser. Der Kaffee hatte eine rote Spur auf meinen Beinen hinterlassen, die Reaktion eine verletzte in meinem Kopf. Er zerstört das sonst so gute Verhältnis zwischen ihm und mir immer mehr. Egal was er sagte, es war gegen und nicht für mich.>>Das wird schon wieder<<, versicherte meine Mum. Sie kam zu mir ins Badezimmer und drückte einen kühlen Waschlappen gegen meine Oberschenkel. >>Es ist vorbei?<<, fragte ich und lehnte mich gegen die kalte Wand. Von unserem Badezimmer aus konnte ich beobachten wie mein Dad fluchend die schwarze Brühe aufwischte.

>>Es würde Verletzte geben. Rein Seelisch, du verstehst? Ich merke doch, wie sehr es dich zerstört, wie sehr es mich zerstört. Ich will wieder von vorne anfangen, wieder etwas Neues erleben und ich will es auch für dich erreichen. Du sollst eine andere Seite des Lebens kennen lernen, denn bislang hast du nur hass, manchmal nur Liebe erfahren. Von Harry jedoch hast du das erste mal etwas von Liebe eines Menschen an dich gerichtet gemerkt, gelernt, nicht wahr?<<, sie warf mir ein mütterliches Lächeln zu. >>Ich habe es schon länger geahnt, doch das es so schlimm sein würde<<, murmelte ich. Meine Mum nahm den Waschlappen wieder weg, warf ihn in die Wäschetrommel und machte die Tür zu. >>Es war nur noch eine Frage der Zeit. Es musste nichts schlimmes sein, um die Trennung, den Vorwand uns zu trennen, unter Dach und Fach zu haben. Wir haben uns nur über den Müll gestritten, dann ist wieder alles hoch gekommen. So viele Dinge, die passiert waren, als du klein warst. Aber darüber möchte ich nicht sprechen, noch nicht. Ich möchte für ein paar Tage in ein Hotel ziehen, du kannst ja bei Harry schlafen<<, schlug sie mir vor. Ich spürte, wie die Tropfen an meinem Bein herunterliefen, wie die Tränen aus meinen Augen sich mit ihnen vermischten. Sie hinterließen eine salzige, schwarze Spur auf meinem Gesicht. Mum verließ das Badezimmer und ging wieder in die Küche um sich erneut einen Kaffee zu machen. Ich für meinen Teil hatte für heute genug.

So viele Höhen und Tiefen musste ich noch nie überwinden. Erst die Aufregung mit meinem Mathelehrer, dann diese Angelegenheit mit dem Gewitter, Harry und dann das. Warum muss ein Mensch so viel aushalten können? Und dabei ging es mir sogar noch recht gut. Immerhin wurde ich noch nie von meinen Eltern geschlagen wie einige andere aus meiner Stufe, ich wohnte nicht in einem Heim und ich hatte meinen Freund. Meine einzige Hoffnung. Würde man mir dies durch irgendetwas streitig machen, so würde ich doch vollkommen durchdrehen. Ich wischte mir schnell das Wasser weg und ging dann wieder nach oben. Es war schon längst dunkel geworden. Ich schaute auf die Uhr und wunderte mich, dass es gerade einmal elf Uhr war. London wurde nun in ein wundervolles Licht getaucht. Ich genoss es immer, wenn ich auf meiner Fensterbank saß und sehen konnte, wie die Lichter der letzten Autos, die heute Nacht die Stadt durchquerten, wie kleine Glühwürmchen neben den großen Palästen und Einkaufszentren aussahen. Die Blätter der Bäume wurden von dem Wind hin und her gezogen, als ob sich zwei Kinder um eine Puppe streiten würden und rauschten dabei ein herrliches Lied. Endlich mal Ruhe vor dem ganzen Stress. Ich konnte mich nicht mehr aufregen, was ich auch nicht wollte. Einfach mal vor mich hin träumen ohne dabei denken zu müssen. Könnte ich nur immer solche Momente haben, damit ich mich beruhige. Ich mache das Fenster auf und spüre die frische Luft. Ich atme tief ein und schaue auf mein Bücherregal. Mein Blick blieb an einem Buch hängen. Eine Frau mit einem roten Kleid war darauf abgebildet. Meine müden Beine trugen mich zum Regal und mit mühe hatte ich es geschafft das Buch aus dem Regal zu ziehen. Ich setze mich auf das Bett und beginne die Aufschrift des Buches zu lesen: Lebe um zu sterben. Da ist etwas Wahres dran. Jemand sagte mal zu mir, dass ein Mensch stirbt, wenn er auf die Welt kommt. Wenn du anfängst zu Atmen, bist du dem Tod ein kleines Stückchen näher, wobei du das ganze Leben noch vor dir hast. Doch, wenn mir mal ehrlich sind. Wissen wir denn immer, ob wir am nächsten Tag wieder aufwachen? Natürlich ist es meistens der Fall, doch was ist, wenn man einschläft und seine Augen nie wieder aufmachen kann? Ich stelle mir manchmal merkwürdige Fragen, das merke ich immer mehr. Ich befasse mich in letzter Zeit auch vielmehr mit dem Thema sterben. Ich will es nicht, keine Frage, doch es gehört zu jedem Leben dazu. Meiner Meinung nach könnte es kein Leben gehen, wenn es keinen Tod gibt.

Nach einigen Minuten fielen meine Augen vor Müdigkeit zu. Ich hatte Harry noch nicht einmal mehr eine SMS geschrieben, dabei hatte er mir 3 Stück geschickt. Ich war einfach zu müde und zu erschöpft. Ein Chaos von Gefühlen entstand in meinen Träumen. Das ich noch nicht einmal in meinen Träumen vor meinem Leben fliehen kann. Das ist ja grausam! Als am Morgen mein Wecker mich aus dem Bett klingelte war es still. Das vertraute reden meiner Eltern, das Geräusch der alten Spüle und der Geruch von Kaffee lag nicht in der Luft. Wieder vibrierte mein Handy. Achtlos schaute ich auf den blinkenden Bildschirm und lege das Handy beiseite. Dabei lese ich seine SMS immer sofort, doch dieses Mal hatte ich keine Nerven sie zu lesen. Ich gehe langsam in die Küche und schaue mich um. Es war niemand da. Kein Essen stand auf dem Tisch, kein Trinken stand im Kühlschrank und der Rest der Wohnung sah auch nicht sehr viel besser aus. Als mein Blick wieder auf die tickende Uhr viel, blieb mein Atem stehen. Ich schnappte mir schnell meine Schultasche und ging in den Garten, wo ich mein Fahrrad gestern hingelegt hatte. Ich nahm es mir und schwang mich auf den Sattel um so schnell wie möglich zur Schule zu kommen. Ich schaffte es noch gerade so zum klingel in der Klasse zu sein und habe mir somit ein Eintrag in das Klassenbuch ersparen können.
>>Wo warst du? Ich habe an der Straße auf dich gewartet, doch niemand war zu sehen! Selbst Harry hat sich Sorgen gemacht, da du dich nicht bei ihm gemeldet hast<<, mahnte Gen mich.

>>Was soll ich machen? Meine Eltern haben mir gestern Abend erklärt wollen, dass sie sich trennen<<

>>Erklärt haben wollen? Also haben sie es nicht getan...<<, murmelte Gen. Ich schüttelte meinen Kopf. Ganz im Gegenteil. Es wurde mir auf eine andere Art und Weise beigebracht, wenn man mal von dem Kaffee und dem darauf folgendem Fragezeichen am Morgen absieht.

>>Nein, sie haben es nicht getan. Nur meine Mum meinte gestern Abend zu mir, dass sie in ein Hotel ziehen würde und dann irgendwann anfangen wird neu zu leben.<<
>>Neu leben? Das muss ja schlimm für dich sein! Und wo ist sie jetzt?<<
>>Weiß ich nicht<<, warf ich Gen gegen den Kopf und drehte mich weg. Ich hatte keine Lust mehr darüber zu sprechen, da es mich immer mehr in ein schwarzes Loch ziehen würde. Schließlich musste ich Harry gleich genau dasselbe erklären. Wir mussten eine Weile auf unseren Lehrer warten, der grimmig und schlecht gelaunt die Tür gegen die Wand schleuderte. Ängstliche Schüler saßen eingekauert auf ihren Stühlen und schauten in sein rotes Gesicht; die Tür stand immer noch offen und ließ frische Luft herein. >>Tür zu<<, brummte er und setzte sich schwer atmend auf seinen Stuhl. Sein Gewicht ließ ihn ein wenig knacken und sackte etwas ein. Ich stand auf und schloss die Tür so ruhig wie möglich. Auf Stress mit dem Lehrer konnte ich nun wirklich verzichten. Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und schaute nach Vorne. Eifrig schrieb er Namen in das Klassenbuch, fluchte vor sich hin, da einige Schüler mal wieder ihre Hausaufgaben vergessen hatten.

>>Sauhaufen<<, das war das letzte Wort von ihm, als er unser Klassenzimmer wieder verließ und dabei über Papier und einem Brötchen gestolpert war. Wir verstummten. Man hätte eine Nadel auf den Boden fallen hören können, würden die Jungs nicht wieder voll aufdrehen.

>>Wir haben doch noch 20 Minuten Unterricht<<, Gen drehte sich zu mir und holte ihr Handy heraus. Sie begann wild Tastaturen herunter zudrücken und schickte dann zufrieden eine Nachricht ab. Das Summen und vibrieren das Handys verriet so einiges. Gerade mal eine Minute später hatte sie eine Antwort bekommen und wurde somit für einige Minuten außer Gefecht gesetzt. Das war mir ganz recht, denn ich konnte kurz abschalten und überlegen, was heute Morgen eigentlich los war. Sonst haben mir meine Eltern immer gesagt, wo sie hingehen, doch dieses Mal war alles anders. Noch nicht einmal einen Zettel hatten sie da gelassen. Ich schaute durch die Klasse und begann eine Schüler zu mustern und zu beobachten. Die Mädchen hatten ihren Spiegel rausgeholt und waren dabei sich ein wenig aufzufrischen, die Jungs sind dabei damit zu prahlen, welches Mädchen sie schon hatten und die Außenseiter blieben ruhig, schüchtern und ängstlich auf ihren Stühlen sitzen, denn nun waren sie wieder gefundenes Fresschen. Ich bedauerte sie. Ich war kein Mensch, der auf anderen rumhackte, nur weil diese anders waren. Ich hatte eher was gegen Menschen, die immer mit dem Strom fließen mussten, nur damit sie sich guten Gewissens auf die Straße wagen konnten. Nein, da muss ich schon sagen, der, der anders ist, ist etwas Besonderes. Er hat seine eigene Meinung, sein eigenes Leben und hat Mut es zu zeigen. Natürlich sollte man nicht zu sehr aus der Reihe tanzen und im Sommer Winterklamotten tragen, sowie ein Schüler aus unserer Klasse. Leider hatte dieser einen Grund dafür, wo ich dann wieder sagen muss, es ist okay, dass er Stulpen trägt. Er gehört sowieso zu den Leuten, die lieber schwarz als bunt tragen, die lieber depressiv in ihrem Zimmer sitzen und sich mit ihrer Anlage die Musik um die Ohren hauen, als draußen mit ihren Freunden zu sitzen und über Gott um die Welt zu sprechen. >>Wie geht es denn dem Schneider?<<, der angeblich beliebteste Junge der Klasse vergriff sich an dem Jungen. Oh, wie mein Körper schon wieder anfängt zu brennen. >>Hast dich mal wieder geritzt?<<, er lehnte sich gegen den Tisch und riss ihm einfach die Stulpe von den Armen. >>Keine Wunden?<<, er begann zu grinsen. Ich ballte meine Faust. Noch ein Wort, und er würde ein Donnerwetter der gesalzenen Art erleben. Und dann brachte er mich zur Weißglut. Er nahm sich einfach einen Anspitzer und nahm die kleine Schneide heraus, tat so, als ob er sich ritzen würde. Das reicht! Ich stand auf, mein Stuhl kippte nach hinten. Der Ohrenbetäubende Lärm ließ die anderen wieder ruhig werden. Ihre Augen waren nun auf mich gerichtet und warteten auf eine Reaktion, auf einen Ausbruch von mir. >>Du bist Abschaum<<, begann ich, auf der Hoffnung er würde provokativ darauf antworten, damit ich so richtig loslegen konnte. >>Was willst du denn? Du weißt genau wie krank er ist<<, lachte er. Die Schüler lachten dieses Mal nicht mit ihm. Er schaute sich verloren um und hoffte auf Hilfe seiner Freunde, das alles konnte man seinen hin und her springenden Pupillen entnehmen. >>Du bist es. Denn wenn du Leute mit Schwierigkeiten belästigst, fertig machst, dann bist du Schuld, wenn die Wunden immer tiefer werden. Warum lässt du ihn nicht einfach in Ruhe? Auch wenn ich so etwas nicht gut heiße, er muss einen Grund haben<<, sagte ich. Der Junge schüttelte seinen Kopf. >>Jack, das willst du dir doch nicht gefallen lassen<<, heizten ihn die anderen an. >>Ich will doch nur, dass du Daniel in Ruhe lässt<<, bat ich ihn ein wenig. Unterwarf ich mich gerade wieder?

>>Du hast mir nichts zu sagen. Wenn ich jemanden fertig machen will und wann nicht, entscheide noch immer ich<< , knurrte er. Er begann mit seinen Zähnen zu fletschen.
>>Du hältst also zu den Außenseitern? Du bist doch auch eine, das zeigen die anderen dir nur nicht<<, sagte er. Einige begannen verständlich zu nicken. >>Dann sollen sie es mir selbst sagen<<, warf ich in den Klassenraum. Die anderen studierten mich. Wollten sie mir etwa sagen, dass es wirklich so war? Mensch, das ist gerade erst der zweite Tag, die erste Stunde, mein Leben ist wirklich vollkommen aus den Fugen geraten. Hoffentlich bekomme ich keinen Streit mit Harry, denn wenn er auch noch so sein würde, dann wüsste ich wirklich nicht mehr was ich machen sollte.
>>Ich bin anders als die anderen und traue mich den Mund aufzumachen, bleibe nicht so stumm sitzen wie einige hier aus der Klasse, die es eben so schlimm finden, wie du ihn fertig machst! Wenn du mit ihm sprichst, werden seine Probleme auch nicht besser. Du solltest ihm besser helfen, als das du ihn runterziehst<<, erklärte ich. Ich stellte mich vor ihm hin. Die Sonne schien mir ins Gesicht, ich begann ein wenig zu zwinkern.
>>Anders warst du schon immer<<
>>Und ich bin stolz darauf, ob du es mir glauben willst, oder nicht. Ich stehe zu meiner Meinung<<

>>Warum beschützt du ihn? Bist du etwa verliebt?<<, er begann schon wieder auf mich herum zureiten. Er wollte eine Schwachstelle in mir treffen, denn bis gestern Abend war ich das einzige Mädchen der Klasse, die keinen Freund hatte. >>Sie hat einen Freund<<, ich kannte diese Stimme. Ich drehte mich zur Tür. Wir hatten nicht bemerkt, dass durch diese Diskussion schon die Pause angefangen hatte und die meisten Schüler nun die Räume wechseln mussten. Harry hatte mich hier stehen sehen und verfolgte das Streitgespräch schon eine ganze Weile.
>>Sicher?<<, grinste Jack und schaute uns beide an. Harry kam zu mir und legte seine Hand sanft auf meine Hüfte. Ich spürte, wie mein Körper begann zu beben. Ich hatte Sorge, dass er sauer auf mich war, doch dies war für den Moment anscheinend nicht der Fall.

>>Und wen?<<
>>Mich<<, die Münder der anderen klappten nach Unten. Super, nun wussten sie, dass ich vergeben war. Wobei, so recht gefällt mir das doch nicht. Nun werde ich mit Sicherheit damit aufgezogen, naja egal, ich möchte nicht daran denken. Das einzige, was ich jetzt will, ist, dass ich über Jack siegen kann. Das ich endlich mal einen kleinen Pokal in meinem Gedächtnis mit nach Hause nehmen konnte. >>Du hast eine verrückte Freundin<<, lachte Jack. >>Ich habe eine charmante, süße, nette und vor allem hilfsbereite Freundin<<, erwiderte Harry. Wow, er verteidigt mich. Ein schönes Gefühl.
>>Lass ihn<<, behaarte ich noch immer und wartete auf eine Antwort. >>Wie du willst<<, Jack warf Daniel die Stulpe auf den Tisch und trollte sich wieder auf seinen Platz. >>Harry es...<<, begann ich, doch er lächelte mich nur an. >>Deine Eltern, ich weiß. Nach der vierten SMS habe ich es mir gedacht. Wir reden in der großen Pause hinter dem Schulhof, okay?<<, fragte er und umarmte mich kurz. Er verschwand zu seiner Gruppe, die ihm auf die Schultern klopfte. Sie hatten es ebenfalls mitbekommen, dass ich mit Harry zusammen gekommen war.
>>Wow<<, entwich Gen, als ich mich wieder auf meinen Platz setzte. >>Was?<<
>>Wie du ihn verteidigt hast, dabei ist er ein Außenseiter. Du hast es geschafft, gegen Jack zu siegen. Nein, du hast dich getraut deine Stimme und deinen Mut einzusetzen. Oh Dylvana, wie ich dich darum beneide<<


Schulhofkuss

Als die nächste Stunde endlich vorbei war, der Zeiger wollte sich einfach nicht fortbewegen, war ich die erste, die auf dem Schulhof stand. Ich schaute mich kurz um, wollte mich vergewissern, dass niemand mir folgen würde und sprang über einen kleinen Zaun, durch den Schulgarten zur anderen Seite der Schule. Die Sonne prallte gegen die, die dann kleine Teppiche auf den Rasen reflektierten. Ich setzte mich auf eine Bank und wartete auf Harry. Meine Füße standen gekreuzt unter der Bank und tippten immer wieder auf den Boden. Etwas klingelte in meiner Gegenwart. Es dauerte eine Weile, bis ich erst bemerkte, dass dieses Summen mein Handy war. Ich nahm es aus der Tasche heraus und nahm ebenfalls einen Block und einen Stift mit raus. Ich legte meine Schreibsachen neben mir hin und beobachtete einen Schmetterling, wie er sich auf meinen weißen Block setzte und den Stift anstupste. >>Kann man nicht Essen<<, grinste ich in mich hinein und versuchte den Schmetterling auf meine Hand zu lotsen. Schmetterlinge waren wundervolle Tiere, die mich schon im Kindergarten sehr faszinierten. Ich bewunderte ihre Farben, ihre Muster und ihre langen Fühler. Ich fand es schön welche zu fangen, doch noch besser war es einen frei zu lassen. Zu sehen, wie er vor Dankbarkeit ein paar extra Runden für dich fliegt und irgendwann gen Sonne verschwindet. Der Schmetterling setzte sich auf meine Hand. Ein komisch Gefühl diese kleinen Beine auf der Hand zu spüren. Ich versank in meinen Gedanken, als ich die Muster auf dem Flügel des Schmetterlinges zählte und versuchte in meinem Kopf zu speichern. Irgendwann fühlte ich den kleinen Schmetterling nicht mehr und schüttelte meinen Kopf. Er war schon längst wieder weitergeflogen und saß nun auf einem grünen Blatt. Nun war endlich mein Handy an der Reihe. Ich schaute auf den Display und sah das Wort SMS. So langsam hatte ich wirklich genug davon, zumindest für heute. Ich drückte einen Knopf und sah, wie sich der schwarze Schirm in einem Wirrwarr von Buchstaben färbte. Meine Augen flogen über die Worte und lasen:>>Ich komme in 10 Minuten. Muss noch etwas mit Ray besprechen. ILD Harry<<

Hab ich mir eigentlich schon gedacht, denn er kommt immer pünktlich, ganz im Gegensatz zu seinen Freundin. Ich nahm also zum Zeitvertreib einen Stift in die Hand und versuchte ein paar Zeilen aus meinen Gedanken zu fangen um sie dann in ein kleines Gedicht oder einen romantischen, wohl eher dramatischen, Text zu verfassen. Ich setzte den Füller auf und sah, wie sich ein Fleck mit der blauen Tinte vergrößerte. Ich begann zu schreiben und wunderte mich über die Worte, die aus meinem Kopf, aus seinem Gehirn einfach so in den Stift flossen und als Buchstaben sichtbar wurden. Als ich fertig war hob ich den Block zufrieden vor mein Gesicht und las es noch einmal durch. Ich hörte zwar, wie jemand auf mich zukam, doch wer es war, geschweige denn, was es war, interessierte mich nicht. Vielmehr wunderte mich das Gedicht, was ich zustande gebracht hatte und den darunter stehenden Text. Jemand riss mir den Block aus meiner Hand und begann es laut vorzulesen. >>Hey<<, ich ging gegen den JUngen an, bis ich bemerkte, dass Harry vor mir stand. Er trug seinen Rucksack auf den Rücken und hatte ein rotes Gesicht. Anscheinend hatte er Sport gehabt und war nun voll in Rage.
>>Hast du das gerade eben geschrieben?<<, fragte er mich und zog eine Augenbraue hoch. >>Ja<<

>>Darf ich das mal laut lesen?<<, räusperte er sich. Ich nickte und wartete.
>>Wenn du mich anschaust, weiß ich, dass es mir gut geht. Doch wenn du nicht da bist, dann geht es mir schlecht. Ich fühle mich von den einfachsten Dingen verfolgt. Das Geräusch einer Kaffeemaschine lässt mich aufschrecken, das Geräusch eines Staubsaugers, der wie jeden Morgen gegen meine Zimmertür prallt, da meine Mum mal wieder nicht genug von Sauberkeit bekommen konnte, lässt mich zucken. Die Stimmen meiner Eltern beruhigen mich schon lange nicht mehr, deine Stimme ist es, die mich in den Schlaf wiegen kann. Wenn es Sachen gibt, die ich ändern könnte, ja, wenn ich nur einmal die Chance hätte mein Leben zu verändern, dann wäre es die, dass ich einem anderen Menschen mein Leben schenke. Damit er die Luft der Erder einatmen kann, damit er die guten und schlechten Seiten erkennt. Damit er einfach mal die Möglichkeit hat die Welt zu sehen, Freunde zu haben, lieben und trauern zu lernen. Ich würde einem Menschen gerne mein Herz geben, damit er das starke Pochen spürt, wenn er verliebt ist. Wenn ich etwas ändern könnte, dann würde ich mich auslöschen, damit etwas anderes geschaffen werden kann.<<

>>Und?<<, wollte ich wissen. Ich legte auf die Meinung der anderen, was meine Gedichte betraf, sehr viel Wert. >>Du würdest einem Menschen dein Leben schenken, damit er weiß, was es bedeutet zu leben. Du hingegen würdest gerne mal erfahren, wie es wäre nicht zu leben. Wenn du könntest, würdest du noch einmal von vorne beginnen, damit du mehr aus dir machen kannst, als du jetzt bist, habe ich das richtig verstanden?<<
>>Richtig, verstanden? Ich will nicht, dass du denkst, dass die anderen denken, dass ich mich umbringen will. Ich weiß doch selber, dass sich die Zeiten auch wieder ändern werden. Doch wenn ich meine Gefühle nicht fangen kann, dann weiß ich auch nicht<<
>>Sind sie nun wirklich auseinander?<<, fragte er mich. Er nahm seinen Rucksack ab und setzte sich auf die Bank. >>Ich denke schon. Meine Mum hat es mir gestern gesagt, dann hat sie mir gesagt, dass sie in ein Hotel ziehen möchte. Heute Morgen waren beide weg. Ich weiß nicht wo sie sind, was sie machen, was sie nun letztendlich von mir wollen. Ich weiß nur, dass meine Mum will, dass ich bei dir schlafe, so lange sie in einem Hotel wohnt!<<, erklärte ich. Harry nickte. >>Schon schwer so etwas. Ich werde immer hinter dir stehen, egal was los ist<<, sagte er und setzte sich näher zu mir. Er legte seine Hand auf mein Knie, ich meinen Kopf auf seine Schulter. Wir genossen die Zweisamkeit, nach der ganzen Aufregung und sprachen eine Weile kein Wort mehr miteinander. Ich denke die ganze Zeit an meine Eltern. Warum kann ich nicht einfach damit aufhören? Sie sind mir sehr wichtig, doch wenn sie mich einfach so alleine lassen. Ich frage mich, was für einen Grund sie mir heute Mittag nennen werden.

Es klingelte wieder zum Unterricht. Eine Menge schwitzender Schüler drängte sich wieder in die Klassenräume um den Unterricht wieder zu beginnen. Harry schaute mir tief in die Augen. So hatte er es noch nie gemacht! Ich wunderte mich wirklich über die Situation, die sehr heiß wurde. Er umarmte mich. Seine Nase stieß gegen meine und unsere Lippen berührten sich ein wenig. Er ließ mir etwas Zeit, denn wir küssten uns erst nach ein paar Anläufen richtig. Ich kann euch gar nicht beschreiben, was für ein Gefühl das war! Mein Bauch kribbelte so und dann spürte ich seine warme Lippen auf meinen. Wir lösten uns nach einer Minute und mussten nichts sagen um zu wissen, was der andere dachte. Wir verabschiedeten uns mit einem kleinen weiteren Kuss und nahmen jeweils einen anderen Weg zurück in die Klassen. Mein Gesicht war sehr rot. Vor Aufregung? Kommt hin, doch ich schob die Sonne die Schuld in die Schuhe, als Gen mich auf die vornehme röte aufmerksam machte.

>>Harry?<<
>>Sonne<<, ich konnte ihr nichts vormachen. Als ich das Wort ,,Sonne" aussprach, wusste sie schon, was zwischen uns passiert war. >>Der erste Kuss ist wundervoll<<, träumte sie vor sich hin. >>Du hast mit Sicherheit schon einen bekommen, nicht war?<<, fragte ich, als ich meine Bücher auf den Tisch legte und sie ordnete. >>Nein<<
>>Nein?<<, fragte ich noch einmal nach.
>>Nein<<, kam es kurz zurück.
>>Wirklich nicht? Ich dachte, du hättest einen Freund gehabt, oder zumindest den ersten Kuss bekommen<<, murmelte ich.
>>Nein<<, es klang für mich so, als ob sie das Thema so schnell wie möglich beenden wollte. Ich gab nach und hörte irgendwann auf nachzufragen um mehr über die zu erfahren. Wir haben den Rest des Schultages hinter uns gebracht und sind nun froh, dass wir fertig sind. Müde gehen wir wie jeden Tag zum Fahrradstand der Schule und reden noch ein wenig miteinander. Wenn ich ehrlich bin habe ich Angst nach zu Hause zu fahren. Wenn mich dort wieder die gähnende Leere erwischt, dann ist es vorbei. Dann würde ich zumindest die nächsten Tage nicht mit meiner Mutter und meinem Vater sprechen wollen. Wenn sie meinen, einfach so wegbleiben zu müssen ohne mir etwas zu sagen, dann sind sie schief gewickelt. Die meisten Schüler waren schon wieder zu Hause, zumindest mit den Gedanken und bald waren Gen und ich die einzigen, die noch an der Schule waren. Harry hatte zwei Stunden früher frei als ich und war auf schon zu Hause gewesen. >>Soll ich mit?<<, fragte Gen, als sie bemerkte, dass es mir zunehmend schlechter ging. ,,Nein, ich muss da alleine durch, komme, was wolle<<, sagte ich.

Ich umarmte sie, bevor ich wieder auf mein Fahrrad stieg und nach Hause fuhr. Ich bemühte mich standhaft zu bleiben, doch ich spürte, wie der Kloß in meinem Hals immer größer wurde und ich irgendwann die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten konnte. Als ich zu Hause war, liefen mir mehrere Tränen über das Gesicht, die von der Sonne getrocknet wurden. Ich öffnete die Tür und hoffte sehr stark, dass meine Eltern zu Hause sein müssten, doch das waren sie nicht. Stattdessen hockte jemand in unserem Sessel und schmatzte ein Stück Brot. >>Oma?<<, fragte ich, als mir ein Geruch in die Nase stieg, den ich nur von ihr kannte. Eine Mischung aus einem billigem Fusel und Haarspray. >>Kindchen, du bist da<<, meine Oma sprang auf und ließ den Teller fallen, der auf ihrem Schoß lag. >>Was machst du hier?<<, wollte ich wissen und stellte meine Tasche ab. >>Deine Eltern sind in Deutschland<<, sagte sie kurz und knapp. >>Deutschland?<<, ich konnte nicht glauben, was ich da gehört habe. >>Warum in Deutschland?<<, verblüfft schaute ich sie an. Warum waren meine Eltern in Deutschland? Sie hatten schon lange die Staatsangehörigkeit von England, so wie ich, und dann waren sie in Deutschland? >>Therapie, sie wollen es noch einmal für dich versuchen<<, erklärte sie mir. Sie zog mich in die Küche und bereitete mir etwas zu Essen vor. >>Warum haben sie mir nichts gesagt? Sie hätten doch einen Zettel schreiben können<<, warf ich ein. >>Sie waren selbst überrascht. Dein Vater saß die ganze Nacht an dem Pc und hat noch einer Lösung gesucht. Wie gut das Internet doch ist, findest du nicht?<<

>>Wenn man von den täglichen Opfern von Mädchen absieht, von kleinen Mädchen die vergewaltigt und umgebracht werden, ja, natürlich<<, brummte ich. Ich stocherte in meinem Essen herum. >>Du siehst also immer noch alles negativ, ja?<<, schnaubte meine Oma. Ihre Haare sahen schlecht aus. Mit einem komischen rot meinte sie jünger zu wirken, doch das bewirkte eher das Gegenteil. Die silbrig glänzenden Strähnchen machten sie älter, als sie ohnehin schon war. Falten hatte sie auch mehr bekommen, seit dem ich sie das letzte Mal gesehen hatte.

>>Ganz im Gegenteil. Doch wenn meine Eltern mich einfach so alleine lassen und du mir weismachen willst, dass es so ist, weil sie ihre Beziehung retten wollen, dann musst du dir schon etwas Besseres überlegen<<, zickte ich herum. >>Deine Eltern sind in Deutschland um die Scheidung einzureichen. Es ist heraus gekommen, das dein Dad eine Affaire hatte<<, meine Oma setzte sich geschockt auf den Hocker. >>Ja?<<, fragte ich. Es wunderte mich nicht, dass mir nun alles gegen den Kopf geworfen wird. Mein Dad war sehr oft auf Geschäftsreisen und das kam mir schon lange etwas spanisch vor. Er war immer weg, hat sehr oft Überstunden geschoben. Nein, ich bin weder enttäuscht, noch erschüttert. >>Trifft dich das nicht?<<, meine Oma wunderte sich über meine Gelassenheit, wobei sie nicht die einzige war. Ich selber wunderte mich, dass ich alles so aufnahm, wie ich es bis jetzt aufgenommen hatte. Es gab für mich einfach nichts mehr, was mich weiter runterziehen könnte. >>Nein. Ich habe in den letzten Tagen zu viel erlebt, als das mich so etwas treffen würde. Es wird heute Abend kommen, wenn ich wieder in meinem Zimmer sitze und mich frage, warum ich überhaupt lebe<<
>>Es ist sehr schwer für dich. Deine Augen sind verweint, aber keine Sorge, ich werde mich um dich kümmern. Du wirst zu mir kommen und dann machen wir uns eine schöne Zeit<<, versicherte sie mir. >>Ich habe einen Freund. Ich würde gerne Zeit mit ihm verbringen. Aber ich schlafe natürlich bei dir...<<

>>Wie sieht er aus?<< Es tat gut, dass jemand mal mit mir über etwas anderes sprach, außer über meine Trauer. Jemand fragte mich endlich mal über meine Liebe, über meinen Freund, über meine Interessen aus. >>Dunkelblonde Haare, schmal, Muskeln, einen Kopf größer als ich, aber unwahrscheinlich zierlich<<, träumte ich. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände ab und schaute meine Oma an. Sie lächelte mich an und strich mir über die Wange. >>Harry?<<, fragte sie und grinste. >>Woher weißt du das?<<
>>Er hat mir heute bei dem Einkauf geholfen. Ich habe ihn zu einem kleinen Einkaufsbummel mit dir eingeladen. Wie wäre es? Zieh dich um, wasch dir die Tränen aus dem Gesicht und nehm das neue Parfum, was ich dir mitgebracht habe<<, sie zwinkerte. Sie übernahm die Rolle einer Mutter für mich, die meine Mum nie erfüllen konnte.


Geburtstag

Als ich so mit Oma ein wenig plauderte und auf Harry wartete, viel mir plötzlich ein, dass er Morgen Geburtstag hatte. Ich schlug mir gegen die Stirn und stand auf. Ich ging im Kreis herum, mein Blick auf den Boden gerichtet. >>Was ist los?<< Meine Oma setzte ihre Brille auf und nahm sich eine alte Zeitschrift in die Hand. >>Harry hat morgen Geburtstag und ich habe noch kein Geschenk!<<, entsetzt ließ ich mich auf den Boden wollen und setzte mich im Schneidersitz, meine Lieblings Denkerpose hin. Ich wackelte ein wenig hin und her, grübelte nach, was ihm am besten gefallen würde, als meine Oma mich auf eine gute Idee brachte. >>Du schreibst schöne Texte<< Sie nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse und blätterte die Zeitung um. Ich schaute mir ein wenig die Seiten an, die Bilder, vielleicht würde ich dann auf eine Idee kommen und prompt, wie der Zufall es wollte, viel mir ein Bild mit einem Autoren ins Gesicht. Er hielt ein Buch in der Hand, mit der Aufschrift:>>Wie kann ich es dir anders sagen?<< Mir schossen die Wörter sie in den Kopf und ich wusste genau, was ich Harry schenken wollte. Ich stürmte in mein Zimmer, schmiss meinen Computer an und schaute in sein Zimmer. Er saß noch an seinen Hausaufgaben und machte keine großen Anstalten rüber zu kommen. Er hatte sehr viel mit der Schule am Hut, immerhin wollte er später mal Arzt werden und hängte sich schon am zweiten Tag des neuen Jahres voll rein. Ich setzte mich vor den Pc und machte ein Schreibprogramm an. Natürlich war es blöd ihn einen Text zu schenken, der noch nicht einmal mit der Hand geschrieben war, doch ich wollte es ihm anders schenken als sonst. Eine Weile blieb ich regungslos vor dem Computer sitzen und wartete auf einen neuen guten Einfall, der mir ins Gehirn kam. Es klopfte förmlich gegen meine Augen und wollte durch meine Finger, die nur so über die Tastatur flog und die Buchstaben der Reihe nach runter drücke, auf dem Bildschirm erscheinen. Die Wörter flossen nur so aus meiner Hand und schon bald war der Text fertig. Zufrieden drückte ich auf Drucken und wartete, bis der Drucker das Papier bedruckt ausspuckte, damit ich es mir noch einmal durchlesen konnte. Genau in diesem Moment klingelte es an unserer Haustür und meine Oma machte auf. Ich stand an meiner Tür und schaute Harry an. >>Kann es losgehen, Hübsche`?<<, er machte mich mit seinen Worten wirklich verlegen. Ich grinste und ging nach unten. >>Schöne Brille<<, sagte ich und zeigte auf seine Sonnenbrille. >>Ich weiß<<, er zog mich zu sich und gab mir einen Kuss. Meine Oma stand lachend zwischen Tür und Angel. >>Oma...<<, seufzte ich und nahm mir meine Tasche von der Garderobe. Für einen Moment dachte ich noch einmal an meine Eltern, warum sie mir nichts gesagt hatten, warum sie mich angelogen haben, warum ich so ein komisches Gefühl in meiner Herzgegend habe. Als ob ich sie nicht wiedersehen würde. Ich zuckte mit den Schultern und schloss die Tür. Das Thema habe ich bis jetzt nicht grundlegend behandelt und werde es auch nicht noch einmal aufgreifen. Vielleicht heute Abend, denn dann setze ich mich noch einmal mit Oma zusammen, bevor ich auf die Party von Harry gehe. Wir stiegen in das Auto von Harry ein und fuhren in die Innenstadt. Es war sehr viel los, es dauerte eine Weile, bis wir das erste Einkaufszentrum erreichten. Bei diesem Wetter versperrten uns die Pubs den Weg, da sie ihre Tische und Stühle auf den Gehweg verteilten, da die meisten Leute bei diesem Wetter nicht draußen sitzen wollten. Harry legte seine Hand auf meine Schulter und stolzierte beinahe so mit mir durch den Laden. Er schien stolz zu sein, dass er mit mir zusammen war und zeigte sich gerne mit mir, dabei war es das erste Mal. Harry und ich machten uns auf den Weg zu den Klamotten, meine Oma hielt einen kleinen Plausch mit ihrer alten Schulfreundin, mit der sie sich damals nie verstanden hatte. Doch wie war das immer? Man kann sich nicht ab, doch wenn man älter wird, wird man auch reifer. Man fängt an sich zu verstehen und hofft auf eine Freundschaft.
Harry blieb vor einem Kleid stehen. >>Das würde an dir hübsch aussehen<<, sagte er und nahm eine Größe aus dem Kleiderständer. >>Ich habe doch eins<<, warf ich ein, doch da schubste er mich schon zur Umkleidekabine und bat mich das Kleid anzuziehen. Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr wiedersehen und zog es an. Naja, ich versuchte es zumindest, denn der Spiegel war sehr gut in Sachen : Halte Dylvana auf! Ich schaute mich also mal wieder im Spiegel an, war jedoch mit meiner Figur zufrieden und zog mit Vorfreude das Kleid an. Ich drehte mich ein paar Mal und fühlte mich in dem Kleid sehr wohl. Es schmiegte sich wie Samt an die Haut und ließ immer noch genug Luft an den Körper. Es war nicht zu warm, nicht zu kalt, nicht zu kurz aber auf keinen Fall zu lang. Es war perfekt. Nach einer Minute kam ich endlich aus der Umkleidekabine heraus, machte den Vorhang beiseite und stellte das Kleid meiner Oma und Harry vor. Beide saßen gemütlich auf dem Sofa, welches vor den Kabinen für Männer aufgebaut war. >>Wow<<, entwich es Harry und auch meine Oma war begeistert. >>Das nehmen wir<<, sie nahm schon die Geldbörse heraus, doch ich musste sie aufhalten. >>Es ist viel zu teuer. Ich kann es mir ja zu Weihnachten wünschen<<, sagte ich. >>Du spinnst! Ich werde es dir bezahlen<<, sie brachte mich zurück zur Kabine und wartete, bis ich das Kleid ausgezogen hatte. Dieser Einkauf schien vielversprechend zu werden, denn nun musste ich passende Schuhe und Schmuck finden. Zufrieden kam ich aus der Kabine wieder heraus und legte meine Hand auf Harrys Hüfte. Wir beide waren glücklich den anderen zu haben, denn nun schien alles besser zu werden. Wir hatten die Möglichkeit aus uns heraus zu kommen, wir erzählten uns schon jetzt mehr und vertrauten uns sehr. Harry und ich setzten uns mit Oma in ein kleines Café und schauten uns die Ausbeute an. Harry hatte ein T-Shirt gefunden, ich leider noch keine Schuhe, aber dafür hatte meine Oma eine coole Sonnebrille gefunden. Wir entspannten uns und versuchten uns nebenbei vor der Sonne zu retten. Als wir so auf die Straße schauten, bemerkte ich jede Menge Dinge, an denen ich vorher achtlos vorbeigelaufen bin. Wenn man sich die Menschen anschaut, ihre Blicke mustert, dann weiß man genau, dass sie am liebsten jemand anderes wären. Wenn sie an einem reichen Mann vorbeilaufen wünschten sie sich, auch mal besser leben zu können, umgekehrt ist es genau so. Wir wünschten uns doch immer anders zu sein, wenn es uns schlecht geht am meisten. Ganz verträumt schaue ich auf die Straße und bemerkte nicht, dass mein Eis geradewegs darauf zu war mir wegzulaufen. Als ich nach dem Anstoß von Harry auf meinen Becher schaute, war da ein halbes Meer von Eis zu sehen. Murrend schlürfte ich die Zucker, Milch und Sahnemischung in mich hinein, um mit Sicherheit innerhalb von einer Stunde Magenschmerzen zu bekommen. >>Wollen wir langsam weiter? Ich muss gleich noch für die Party etwas besorgen und möchte nicht, dass ihr beide noch länger in der Hitze durch die Stadt laufen müsst<<, sagte Harry. >>Wir haben nicht oft so ein Wetter<<, meinte ich , << das müssen wir auskosten. Aber wenn du alleine fahren willst, ist das auch kein Problem.<< Harry nickte und nahm sich seine Tasche. Meine Oma und ich folgten ihm zum Wagen und freuten uns über die kühle Luft, die aus der Klimaanlage strömte. >>Wenn es zu kalt ist, dann zieh dir deine Jacke an. Sonst ziehst du dir bis heute Abend noch eine Erkältung zu<< Er gab mir seine Jacke und deckte mich zu. Mir war zwar sehr heiß, die Frische war eher angenehm, als das ich ihr eine Erkältung in die Schuhe schieben würde. Doch die Zuneigung von Harry und dieses ständige Sorge haben um mich, ließen mich immer wieder spüren, dass sich Menschen um mich kümmern und mich nicht alleine lassen würden. Es fühlte sich einfach so unbeschreiblich gut an, nach dem, was passiert ist, so behandelt zu werden. >>Du kannst aber wirklich gut Autofahren<<, grinste meine Oma. >>Sie haben mir immer noch nicht ihren Namen gesagt<<, Harry drehte sich mit dem Kopf zu Oma. >>Ich habe dir doch schon gesagt, dass du mich nicht mit Sie ansprechen sollst!<< >>Ich mache es so lange, bis ich Ihren Namen habe<<, warf Harry ein. >>Hast du auch immer solche Konflikte mit ihm?<<, meine Oma wandte sich mir zu. Ich schüttelte meinen Kopf und mischte mich nicht weiter in ihren Angelegenheiten ein. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schloss meine Augen. Ich war sehr müde gewesen, warum auch immer. Bei so einer Hitze konnte ich sonst nie gut schlafen, doch wenn ich mich jetzt ins Bett legen würde, würden meine Augen sofort zufallen. >>Amanda<<, meine Oma hielt Harry die Hand entgegen. >>Harry<<, er schüttelte die Hand von Oma. >>Ich weiß wohl<<, sie zwinkerte. >>Dylvana hat mir schon viel über dich erzählt<<, fing sie an. >>Ach ja?<<, sein Blick wanderte zu mir, << hoffentlich nur gutes.<< >>Natürlich<<, sagte meine Oma. >>Natürlich<<, machte ich sie nach. >>Also doch nichts Gutes?<<, er lächelte mich an. >>Natürlich! Nur Gutes! Ich habe keinen Grund etwas Schlechtes über dich zu sagen!<<, versicherte ich Harry. Er nickte und schaute wieder auf die Straße. Nach wenigen Minuten erreichten wir erschöpft unser Haus und stiegen aus. Ich bekam noch einen kleinen Kuss von Harry, wobei sich meine Oma etwas verlegen wegdrehte. SIe legte ihren Arm auf meine Schulter und brachte mich ins Haus, als ob sie nicht wollte, dass Harry und ich noch mehr austauschen. Ich drehte mich noch einmal zu Harry und zuckte mit den Schultern. Er küsste seine Handfläche und schickte mir über die Luft noch einen Kuss, den ich natürlich auffing und zurückschickte. Dann fuhr er weiter. Meine Oma und ich setzten uns wieder ins Wohnzimmer und betrachteten die Sachen, die wir uns mit der Zeit zusammen gekauft hatten. >>Das Diadem ist wirklich wundervoll<<, sie nahm es aus der goldenen Schatulle und setzte es mir auf den Kopf. >>Es glänzt in der Sonne. Du würdest wie ein großer Regenbogen wirken<<, sagte meine Oma. >>Mit Sicherheit Oma, doch so viel Aufmerksamkeit will ich nicht auf mich lenken<<, sagte ich, >>Es reicht, wenn ich Harry gefalle.<< >>Also willst du dich nie wieder umschauen? Ich meine, es gibt viele hübsche Männer auf der Welt! Alleine in Spanien...<< >>Ich will mit Harry zusammen sein und nicht mit einem Herzensbrecher aus Spanien. Du hast deine alte Liebe also immer noch nicht vergessen, ja?<<, unterbrach ich sie. >>Du weißt, wie sehr ich damals an Alberto hing.<< >>Es ist schon längst vorbei. Du hast deinen Mann geheiratet und hast einen Sohn bekommen. Ist es nicht so gekommen, wie du wolltest?<< >>Es kommt nie so, wie man es will, Dylvana. Du darfst nicht sagen, ich will ein Superstar werden und dabei die wichtigen Dinge aus den Augen verlieren. Du wirst am Ende alleine stehen<< >>Ich will ja gar kein Superstar werden<<, verteidigte ich mich. >>Das war ja auch nur ein Beispiel. Ich will nicht, dass es bei dir so endet, wie bei deinen Eltern. Ich weiß, dass Harry sich sehr gut um dich kümmert, und dass er dich wirklich liebt. Er sagte mir, dass er, als er klein war, fast jeden Tag an dich gedacht hat. Als er zehn war, hat er ein Bild von dir und ihm wiedergefunden. Seit dem hoffte er immer wieder darauf, dich wiederum sehen. Und was ist passiert? Ihr seid zusammen gekommen<<, erklärte sie. >>Ich weiß. Ich habe mir Ziele gesetzt die erreichbar sind. Ich möchte meinen Job antreten können und eine Familie bekommen, ist das denn so schwer zu erreichen? Einige Mädchen haben schon mit fünfzehn eine Familie.<< >>Und sind unglücklich. Ihr Freund hat sie sitzen gelassen, sie landen unter der Brücke oder im Grab. Schaust du eigentlich Nachrichten, meine Liebe?<<, sie fing schon an wieder auf mein Lieblingsthema rumzureiten. Als ob Harry und ich bald Eltern werden würden. >>Wenn du meinst, ich gehe mit meinem Körper unvorsichtig um, dann hast du dich geschnitten! Nur weil Mum so früh Mutter geworden ist, heißt es noch lange nicht, dass ich es auch werde<<, murrte ich. >>Ich weiß. Und deswegen bin ich auch stolz auf dich. Nun ruh dich noch etwas aus, schließlich beginnt die Party bald.<< Ich schaute auf die Uhr. Es war sechs Uhr gewesen und ich hatte noch 3 Stunden bis zur Party Zeit. Genug Zeit um zu duschen, um mein neues Kleid anzuziehen und um noch einmal den Text durchzugehen, wie ich ihn vorstellen wollte. Ich stand auf und streckte mich. Sie hatte recht, ein wenig ausruhen ist wirklich angebracht und war mit Abstand wirklich angebracht. Ich ging durch den Flur, wobei mein Blick auf ein Bild von Mum, Dad und mir fiel. >>Das war einmal<<, dachte ich mir und nahm es von der Wand. Meine Oma beobachtete mich dabei und nahm das Bild entgegen. >>Es werden wieder bessere Zeiten kommen<<, sagte sie. Ich ging die Treppe hinauf ohne etwas zu sagen. Ich wollte nicht wirklich darüber sprechen, viel eher wollte ich versuchen es zu vergessen. Ich stolperte in mein Zimmer, da ich meine Klamotten noch immer nicht weggeräumt hatte und somit perfekte Fallen aufstellte. Leider war ich immer das Opfer, welches in die Fallen lief. Ich grinste in mich hinein und griff blind in den Kleiderschrank und holte meine Sachen heraus um zu duschen. Ich wollte mich erst fertig gemacht haben, bevor ich mich kurz in den Garten lege und mich etwas entspanne. Ich suchte mir einen Weg durch das Chaos in das Badezimmer, welches neben meinen Zimmer gebaut worden war. Es war zwar nicht das größte, doch es war meins gewesen und genügte meinen Ansprüchen. Abgesehen davon, konnte ich von diesem Zimmer ebenfalls in das Zimmer von Harry schauen, wobei er mich auch bei einer gewissen Sache, die sich Duschen nennt, hätte beobachten können. Naja, ich benutze das Badezimmer so selten wie möglich, doch heute wollte ich mir mal das Gegenteil beweisen und machte die Brause an. Spärliche kam das Wasser aus den Hahn, was mich etwas stutzig machte. Ich stieg mit meiner Kleidung, die noch an meinem Körper klebte in die Dusche und versuchte das Problem zu lösen. Leider hatte ich vergessen den Wasserhahn wieder auszustellen, so dass mir nach einer Minute das ganze Wasser ins Gesicht spritzte. Fluchend sprang ich aus der Dusche und konnte knapp einem weiteren Missgeschick entkommen. Ich rutschte aus und konnte mich gerade so an dem Waschbecken festhalten. Ich schaute auf die Dusche und meinte:>>Wenn du meinst, mich so schnell abwimmel zu können, dass kennst du mich noch nicht genau! Ich werde mich schon duschen, hier, gleich, mit dem Wasser, was aus deinem Hahn kommt!<< Ich fühlte mich ausgelacht, denn als ich das sagte, blieb das Wasser weg. Es kam kein Wasser mehr aus der Dusche. Tropfen machten ein kleines Rennen von den Wänden und liefen zusammengeschlossen, den Abfluss hinunter. >>Das kann doch nicht<<, brummte ich und ging wieder in die Dusche. Es klopfte an der Tür. >>Dylvana, ist alles in Ordnung?<<, rief meine Oma hinter der Tür. >>Ja!<<, antwortete ich. Wieder widmete ich mich der Dusche. >>Ich werde mich gleich duschen<<, sagte ich mir immer wieder und zog mir vorsichtshalber die Sachen aus. Ich schmiss sie alle unachtsam in die Ecke und scheuchte eine Fledermaus auf, die laut flatternd das Badezimmer unsicher machte. >>Was macht eine Fledermaus im Bad?<<, fragte ich mich. Zitterns vor Kälte machte ich das Fenster auf, ohne daran gedacht zu haben, dass ich nur noch meinen BH und Unterwäsche trug. Nach ein paar Anläufen war die Fledermaus verschwunden und flog in einen Schatten spendenden Baum. Ich hörte es pfeifen, doch von wo es kam, wusste ich nicht, bis das knirschen eines Fensters ertönte und Harry sichtbar wurde. >>Das ich kurz vor meinem Geburtstag so ein freizügiges Geschenk von dir bekomme, hätte ich auch nicht gedacht<<, lachte er. >>Das war nicht geplant! Das solltest du erst in fünf Jahren bekommen<<, rief ich rüber und streckte die Zunge heraus. Er machte einen kleinen Schmollmund und schickte mir dann ein Lächeln. >>Kommst du schon gleich rüber?<<, fragte er und wartete auf eine Antwort, doch genau in dieser Sekunde begann wieder das Wasser zu laufen. >>Moment<<, ich ging zur Dusche und stellte das Wasser ab, doch so recht wollte mir das nicht gelingen. Man sollte meinen, das so ein Etwas ausgeht, wenn man auf Off oder auf den roten Schalter drückt, doch das schien eher das Gegenteil zu bewirken. >>Ja<<, ich ging wieder zum Fenster und winkte, bevor ich es zuknallte und ich beschloss, die Dusche nun völlig den Gar auszumachen. Ich zog mich notdürftig an, schwang den Bademantel über meine Schultern und band ihn vor meinem Bauchnabel zu. Ich stieg die Treppe hinunter und ging in das Wohnzimmer, wo sich meine Oma laut schnarchend das Programm für etwas ältere Leute, sprich Kochshows und so weiter. Naja, das heißt für mich, dass ich die Dusche alleine unter Kontrolle bringen musste. Keuchend ging in wieder ins Badezimmer und begann innerlich zu brodeln. Ich stieg in die Dusche und drehte wieder an dem Knopf. >>Ja<<, als das Wasser auf meinen Körper prasselte und mich etwas abkühlte, begann ich innerlich zu jubeln. Ich hatte es geschafft, wie war mir selber nicht klar. Ich ließ mich eine Weile von dem Wasser umspülen, bevor ich mich an die Feinheiten machte. Nach einigen Minuten war ich endlich fertig und konnte mich anziehen. Endlich konnte ich in mein Zimmer gehen, ohne etwas reparieren zu müssen. Ich ließ mich in mein Bett fallen und schnappte mir wieder den Text. Ich las ihn mir ein paar Mal durch, bis ich mir einen Stift nahm und einige Sachen durchstrich. Ich war nicht mehr ganz so zufrieden damit und mir war schon klar, dass ich am Abend sowieso etwas anderes sagen würde, als da überhaupt auf den Text steht. Als ich endlich mit meinen Änderungen fertig war, legte ich den Stift wieder weg, öffnete das Fenster und schaute in den Garten. Eine Weile starrte ich so vor mich hin, bis mir einfiel, dass ich ja schon längst bei Harry sein wollte. Ich rannte die Treppen hinunter und zog mir eine überflüssige Jacke über und verabschiedete mich von meiner Oma. >>Viel Spaß<<, rief sie mir hinterher. Ich hatte die Tür schon zugehauen und hörte nur noch Bruchteile von dem, was sie mir sagte. Meine Füße trugen mich schnell zu Harry und ich klopfte an die Tür. Ich wartete einige Minuten, bis Harry von der Treppe gestolpert gegen die Tür prallte. Ich musste mir das Lachen ein wenig verkneifen. >>Kleine<<, freute er sich mich zu sehen und umarmte mich. >>Schon etwas getrunken?<<, fragte ich und lachte. >>Wasser<<, murmelte er und brachte mich ins Wohnzimmer, wo alles schon fertig war. >>Die anderen kommen in einer Stunde. So lange können wir noch ein wenig Zeit miteinander verbringen<<, sagte er und setzte sich zu mir auf das Sofa, bevor er mir und sich etwas zu Trinken einschenkte und mit mir anstieß. >>Wer kommt denn alles?<<, fragte ich und gähnte. Mir fehlte die kurze Ruhepause. >>Ray, Justin, Bryan, Tom und noch ein paar andere, die du nicht kennst. Du wirst sie aber mögen, sie sind wirklich sehr nett und freuen sich schon auf dich<<, sagte Harry. >>Na dann<< >>Hast du keine Lust?<<, fragte er, als er den Unterton in meiner Stimme bemerkte. >>Ich bin nur müde, mehr nicht. Das wird sich legen, wenn die anderen da sind<<, versicherte ich Harry und gab ihm einen kleinen Kuss. >>Du kannst dich in mein Bett legen<<, schlug er vor, doch ich lehnte dankend ab. Es dauerte nicht lange, da klingelten die ersten an der Tür. Sie lachten und kicherten sehr laut, das konnte ich vom Sofa aus hören und freute mich, wenn ich es so sagen darf, schon sehr auf die Party. Sprich, ich hatte keine Lust auf laute Jungs, die mir an den Ohren hängen, mich schräg anlabern oder mich anfassen, was ich heute überhaupt nicht vertragen konnte. Aber Harry zur Liebe würde ich das Beste draus machen. Vielleicht gefällt es mir ja auch. Als die ersten in das Wohnzimmer kamen, blieben sie starr stehen. Als ob sie sonst was gesehen hätten, schauten sie mich an. >>Wer bist du denn?<<, fragte ein junge mit feuerroten Haaren mich. >>Dylvana<<, ich reichte ihm meine Hand. >>Ey Harry! Wieso bekommst du immer die Hübschen ab?<<, rief er Harry zu. Ich schaute verlegen auf den Boden. Dass ich gleich ein gutes Feedback meiner Person bekommen würde, hätte ich nicht gedacht. >>Und du bist?<<, fragte ich. >>Dean<<, er schüttelte meine Hand und nahm mich in den Arm. Etwas verwirrt schaute ich mich um. Damit hatte ich nicht gerechnet und fühlte mich recht überrannt. >>Das macht er bei allen<<, beruhigte mich Justin, den ich damals an dem Abend kennen lernte, wo Harry eine Bandprobe hatte. >>Wollt ihr was trinken?<<, fragte ich und ging zu den Getränken. >>Ein Bier...<<, sagten alle im Chor. Ich schüttelte meinen Kopf. >>Nicht vor neun Uhr<<, grinste ich. >>Was?<<, alle taten sehr erstaunt. Die perfekte Gelegenheit ihnen zu sagen, dass ich Leute gerne auf die Schippe nehme, jedoch selbst nichts einstecken möchte. >>Wieso denn nicht vor neun Uhr?<<, Justin setzte sich auf das Sofa und zwinkerte der Sonne entgegen. >>Es ist verboten worden vor neun Uhr etwas zu trinken<<, mahnte ich sie. Leere Augen schauten mich an. Als ob ich einem kleinen Kind die Puppe weggenommen hätte, so schauten sie mich mit ihren traurigen Augen an. Man kann Jungs und ihr Bier wirklich mit Kindern und Spielzeug vergleichen, das habe ich in den letzten Wochen und Monaten erkannt. >>Seit wann?<<, sie wurden ein wenig misstrauisch. >>Habe ich gestern in der Zeitung gelesen<<, warf ich ein.
>>Harry!<<, Justin begann zu pfeifen. Wenige Sekunden später kam Harry in das Wohnzimmer und schaute uns an. Sein Blick blieb an mir haften, so dass ich mir nicht anders zu helfen wusste, außer mit den Schultern zu zucken. >>Was ist denn?<<, fragte er etwas genervt. >>Man darf erst ab neun Uhr Bier trinken?<<, fragte Justin noch einmal nach. >>Wenn sie es sagt<<, grinste Harry. Er grinste mich an und warf mir einen verständlich Blick zu. Er wusste schon, dass ich dabei war die Jungs auf den Arm zu nehmen. >>Erst ab neun Uhr ein Bier?<< >>Wie ich schon sagte, erst ab neun Uhr, du hast es erfasst<<, grinste ich. >>Du nimmst uns auf den Arm, ich merke das schon<<, murrte Justin und verschränkte die Arme vor der Brust. >>Ich würde dich nicht verarschen, dass weißt du!<<, sagte ich. >>Natürlich nicht<<, zickte er mich an. Ich streckte meine Zunge heraus und hetzte sie fast auf mich auf. >>Also in einer Stunde. Naja, dass schaffen wir wohl<<, meinte Ray. Es klingelte wieder an der Tür. Harry öffnete sie und nahm seine anderen Gäste in Empfang. Innerhalb einer halben Stunde füllte sich das Haus und wir waren alle erschienen. Ich saß mit den mir bekannten Jungen Ray, Justin und Tom auf dem Sofa, die anderen waren um uns herum verteilt und hielten die Geschenke für Harry aufgeregt in den Händen. Langsam wurde ich auch richtig aufgeregt. Ich würde Harry etwas Besonderes schenken, dafür musste ich aber vor den ganzen Leuten hier etwas sagen, was ihn vielleicht nicht gefallen wird. Als Harry sich endlich zu uns setzte, begann das große weiterreichen. >>Pack deine Geschenke aus<<, rief einer aus der hintersten Ecke. >>Genau! Wir wollen endlich diesen Kram hinter runs haben, damit wir feiern können<<, stimmte Ray ein. >>Lass Harry doch in Ruhe auspacken! Er würde dich auch nicht hetzen<<, warf ich ein. >>Nein?<<, Ray schaute mich groß an. >>Hab mich wohl geirrt. Pack deine Geschenke aus<<, grinste ich Harry an. Er nahm die ersten Geschenke entgegen und machte sie auf. Es wurden immer weniger, also rückte meine große Stunde immer näher. Als er das letzte Stück Papier neben sich verstaut hatte und neben sich das Geschenk platziert hatte, war ich an der Reihe. Mein Herz klopfte so schnell, dabei kannte ich fast alle hier und ich musste einfach nur etwas vorlesen, vielleicht ab und zu meinen Kopf hochheben und ihn dabei anschauen, um zu erkennen, ob er es gut oder schlecht findet. >>Wo ist dein Geschenk?<<, fragte Ray mich. >>Ich habe ein etwas anderes Geschenk, als ihr es euch vielleicht denkt<<, ich stand auf. Ich stellte mich vor Harry hin und nahm den Text, dessen Ecken und leicht verknickt waren aus meiner Tasche heraus und faltete ihn auf. >>Es wird dich vielleicht etwas wundern, doch ich wollte dir nichts schenken, was ich nach Lust und Laune aus einem Regal schnappe und es mit einer Karte, mit einem Schein oder mit Silber und Gold bezahle<<, fing ich an. Ich schluckte schwer und las mir noch einmal den Anfang durch. Dann schüttelte ich liebend gerne meinen Kopf und warf ihn weg. >>Es ist einfacher etwas zu sagen, was aus dem Herzen kommt, viel schwerer ist es etwas vorzulesen, was einmal aus dem Herzen kam. Es kann sich schon verändert haben, so wie sich die Welt in Sekundentakt ändert. Wie soll ich es dir sagen?<<, alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich überlegte kurz, wie ich am besten anfangen konnte und begann wieder das dichterische- Ich raushängen zu lassen. >>Wie kann ich dir anders ,,Herzlichen Glückwunsch" sagen, als mit einem feuchten Händedruck, einer einfachen Umarmung oder einem kleinen Kuss auf den Mund. Ich lag die ganze Nacht lang wach und habe gegrübelt. Ich schaute aus dem Fenster und begann die Sterne zu zählen und fragte mich, wie es wäre, wenn ich dir einen Stern schenken würde. Mit Sicherheit wäre es etwas besonderes, denn du könntest das Mädchen, welches dir einen Stern schenkt nie wieder vergessen. Doch wie und wo ich so etwas anstellen könnte, weiß ich nicht. Die Suche geht weiter, leider nur in meinen Träumen, denn meine Gedanken lassen keine weiteren Eindrücke aus meinem Zimmer durch. Also gehe ich nach unten und stehe in der Küche. Ein Kuchen wäre nett, schön anzuschauen, doch dann habe ich mir gedacht, bevor ich einen Tag lang in der Küche stehe und mich dabei vielleicht Lebensgefährlich verletze, überlege ich mir doch lieber etwas anderes. Als ich ein Auto an der Küche vorbeirasen hörte, dachte ich mir, dass es vielleicht schön wäre draußen spazieren zu gehen. Vielleicht würde ich dort durch Zufall auf die Antwort stoßen. Als ich so auf der Straße laufe und eine Dose vor mich hertrat, dachte ich mir, es wäre ja eine Feine Angelegenheit, wenn ich dir ein Happy Birthday aus Dosen in den Garten Baue, doch leider hatte ich nicht mehr so viel Zeit und vor neun Uhr darf ich leider kein Bier trinken. Natürlich hätte ich auch etwas andere nehmen können, doch glaubst du wirklich, ich trinke so viel Zucker um dir dieses Geschenk zu machen? Nun denn, als ich vor einem Geschäft stehe, welches Rosen im Überfluss verkauft, fragte ich mich, was du von einem Strauß Rosen halten würdest. Doch dann fiel mir ein, dass dich Rosen so sehr freuen würden wie mein Schnarchen um drei Uhr morgens. Nun denn, ich ging wieder nach Hause und muss wohl oder übel auf die alten Mittel zurückgreifen. Somit schenke ich dir mein Vertrauen, meine Liebe und mein Glück, auf das ich das nächste Mal etwas anderes zur Verfügung stehen habe, denn ich habe dir schon längst alles geschenkt, was ich besitze.<< Es wurde ruhig. Ich konnte die anderen Atmen hören, doch mehr leider nicht. War es zu viel? Vielleicht zu peinlich für Harry? Ich schaute mich um und hoffte auf ein Wort von den anderen, doch sie gaben keinen Mucks von sich. >>Mh...<<, murmelte ich und hoffte dadurch etwas bewegt zu haben. >>So etwas Wundervolles habe ich noch nie bekommen. Glück, Vertrauen und Liebe kann man nicht einfach so verschenken, weißt du? Das können nur wenige Menschen, die wissen, was es bedeutet zu leben. Ich denke, dass du zu ihnen gehörst<<, ihm lief eine Träne aus dem Auge. Er nahm mich in den Arm und presste mich fest an sich. Volltreffer!


Auf der Spur nach der Vergangenheit


Die Party war wirklich super! Wir hatten noch jede Menge Spaß zusammen und dann bin ich in Harrys Armen eingeschlafen. Sie haben mich da alle angeschaut und sich mit Harry gefreut. Er war anscheinend der einzige, der noch nie so richtig glücklich geworden war. Er war stolz, als ich bei ihm lag und mich bei ihm einkuschelte. Leider musste ich kurz nach Mitternacht schon wieder gehen, gerade als wir ihm alle noch einmal gratulierten. Wir hatten Wunderkerzen angezündet und standen draußen. Es war wirklich toll! Doch nun sitze ich schon wieder in meinem Zimmer und beginne zu grübeln . Harry wollte, dass ich heute Nachmittag wieder zu ihm komme, damit er mich seinen andere Verwandten vorstellen konnte, doch ich wollte erst kommen, wenn ich meiner Vergangenheit auf die Spur gekommen war. Es musste noch mehr hinter der Trennung stecken außer dieser Affaire. Wenn eine Liebe stärker als alles andere war, dann war dies ein großer Brocken, doch man konnte ihn überqueren. Also musste da noch etwas sein. Meine Oma hingegen will nicht mit der Sprache rausrücken. Sie beteuert mir immer wieder, da würde nichts anderes sein, was ich ihr in hundert Jahren nicht abkaufen würde! Da musste was sein, nur was, das wusste ich nicht. Genau deswegen bin ich so früh aus den Federn und werde mich mal im Arbeitszimmer etwas umschauen. Meine Oma war einkaufen, also konnte ich mich in Ruhe an den Unterlagen zu schaffen machen. Natürlich würde ich damit ein Verbrechen vergehen, doch ist das kein Verbrechen seine Tochter alleine zu lassen ohne etwas zu sagen? Und dann schieben sie meine Oma voraus um ich zu beruhigen, um mich abzuspeisen. Doch nicht mit mir. Ihr werdet schon sehen was ihr davon habt. Ich lasse mich nicht einfach zu abwimmeln, genau so, wie ihr es mir beigebracht hattet. Ich werde für mein Recht kämpfen, koste es, was es wolle! Ich nahm mir aus meiner Schublade eine Taschenlampe und sorgte für mehr Licht in den dunklen Schränken. Haufenweise Papiere kamen mir entgegen, als ich den ersten der sechs Schränken öffnete. >>Rechnungen, Mahnung, Rechnungen, Mahnungen, ein Brief...<<, murmelte ich. Ich schaute mir den Brief genauer an, doch dieser entpuppte sich leider ebenfalls als eine Rechnung in einem anderen Format. >>Wieso finde ich hier nichts?<<, sagte ich laut. Wieder fielen mir jede Menge alter Sachen entgegen. Einige waren so alt, das ich die Schrift noch nicht einmal kannte, beziehungsweise sie waren so verstaubt, dass ich nichts erkennen konnte.

Die Sache spitzte sich immer mehr zu, denn nun war nur noch ein Schrank übrig. Wenn dort nichts über irgendetwas von Mum und Dad drinnen sein würde, dann würde ich aufgeben und nicht mehr nach der Vergangenheit suchen. Mit einer zitternden Hand öffnete ich den Schrank. Er knirschte ein wenig, sah aber sehr vielversprechend als. Die Papiere waren diesmal geordnet, Fotoalben lagen nach dem Alphabet auf der oberen Ablage, die anderen Sachen unten. Ich nahm mir ein Fotoalbum und öffnete es. Mum und Dad, glücklich und frisch verliebt, das würde nie wieder so aussehen, da bin ich mir sicher. Ich legte das Fotoalbum wieder zurück und kramte bei den anderen Sachen ein wenig herum. Da fiel mir ein Ultraschallbild entgegen, was mich stutzig machte, denn auf dem Bild war ein Datum. 12.07.2008. Das war vor genau einem Monat. EIn kleines Etwas war darauf zu erkennen. Ein kleiner Knoten der früher oder später wohl ein Baby ergeben würde. Von wem war es? Etwa von Mum? Ich schrak auf, als Oma die Tür laut öffnete und nach mir rief. Ich verstaute schnell alle Sachen, versteckte jedoch das Ultraschallbild unter meinem T-Shirt und ging zu Oma. >>Kann ich dir helfen?<<, fragte ich etwas aufgeregt in der Hoffnung, sie würde nicht merken, was ich gerade getan hatte. Ich schnüffelte in der Privatsphäre von meinen Eltern herum, was auf einer Gewissen Art und Weise auch mein gutes Recht war. >>Was versteckst du da?<<, fragte sie. Sie schaute auf meinen Bauch. Ich hielt meine Hand über das Bild und hoffte, sie würde es nicht sehen und war mir auch ziemlich sicher, sie würde dies nicht erkennen, doch da hatte ich sie falsch eingeschätzt. >>Nichts<<, sagte ich schnell und verschwand nach oben um das Bild zu verstecken. Ich kam schnell wieder runter, meine Oma stand noch immer in der Tür und wunderte sich über mein verhalten.

Kopfschüttelnd brachte sie die Einkaufstaschen in die Küche. Ich ging nach draußen und holte die anderen Sachen herein. >>Kann ich helfen?<<, Harry war gerade dabei in sein Auto einzusteigen, als er mich im Rückspiegel sah. >>Mh, nein, nein Danke<<, sagte ich. >>Was ist?<<, verdammt, das er immer merken musste, wenn etwas anders war. >>Sag ich dir nachher<<, und schon war ich wieder im Haus verschwunden. Ich packte mit Oma zusammen die Sachen weg und drehte mich dann zu ihr. Meine Hand hing am Henkel des Schrankes, mein Fuß steckte halb in der Tüte und dann begann ich los zuplappern:>>Wann kommen sie wieder?<< >>Ich weiß es nicht, dass weißt du doch!<<, sagte sie. >>Ist sie schwanger?<< >>Was?<<, meine Oma schaute mich verblüfft an. Da hatte ich was gesagt. Nun war es für die klar gewesen, das ich etwas gesucht hatte. >>Setz dich<<, sie zeigte auf die Eckbank. >>Habe ich etwas Falsches gefragt?<<

>>Es ist dein gutes Recht zu wissen, was in den letzten Monaten geschehen ist. Deine Eltern haben dich lange genug belogen<<, fing sie an. >>Ich wusste schon, das da etwas war, doch was meinst du damit, dass sie mich lange genug belogen haben?<<
Ich hatte ein ungutes Gefühl. Da würde also noch viel mehr auf mich zukommen, als ich gedacht hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich das hören wollte, wozu sie so lange brauchte um zu überlegen, wie sie es mir am besten beibringen könnte. Das Geräusch der Spülmaschine wurde langsam zum Hintergrundsgeräusch, als meine Oma ansetzte. >>Es war schon lange keine gute Beziehung mehr zwischen deinem Dad und deiner Mum. Sie haben immer mehr Schulden gemacht, damit du auf andere Dinge gelenkt wurdest, außer auf ihre Liebe. Damit du nicht mitbekommen musstest, was zwischen ihnen kaputt war. Sie haben dich mit den teuersten Sachen eingedeckt, damit du es gut hattest, doch das war ihr Fehler. Hätten sie das nicht getan, dann würdest du dich auch nicht so viel fragen. Wir waren froh, als du auf Harry gestoßen warst, denn er konnte dir jede Menge beibringen in Sachen Liebe und er ist immer noch eifrig dabei dir etwas zu zeigen. Dein Dad, du weißt, dass er eine Affaire hatte, nicht wahr? Als deine Mum es durch Zufall erfahren hatte, war sie drauf und dran deinem Dad dies heimzuzahlen...<< >>Sie hat ihn auch betrogen. Und deswegen ist sie schwanger, nicht wahr?<<, fragte ich. >>Ja... es ist alles so gekommen, wie es nie kommen sollte! Du weißt nur das nötigste, die Einzelheiten will ich dir ersparen, bis du etwas gewachsen bist. Du darfst dich nicht damit belasten<<, sagte sie. Sie wollte meine Hand nehmen, doch ich zog sie zurück. >>Ihr meint mich belügen zu können und dann wollt ihr mir noch nicht einmal die ganze Wahrheit sagen?<<, schrie ich. Ich stand in der Küche, ein Topf nehmen mir begann überzukochen, die Milch tropfte auf den Boden und verbrannte auf der heißen Platte. Ich nahm den Topf und verbannte mir dabei auch noch meine Hand. Ich ließ den Topf fallen, der dann wieder ein Loch in den Boden der Küche brannte. >>Ich will alleine sein<<, murrte ich und stapfte die Treppe hinauf.

Das war wieder zu viel gewesen. Wenn ich jeden Tag immer mehr Einzelheiten erfahren sollte, dann könnte man mich in einer Woche in eine Klapse einweisen. Ich legte mich auf mein Bett und nahm mir einen Ball zur Hand. Ich warf ihn die ganze Zeit gegen die Decke und fing ihn wieder auf. So konnte ich wenigstens etwas meine Wut aus dem Bauch lassen, wobei ich es sehr begrüßen würde, könnte ich etwas kaputt machen. Meine Mum war schwanger von einem anderen Mann geworden, meine Oma wollte mir nicht die ganze Wahrheit sagen und nun? Als ob mir das alles nicht reichen würde. Mir wird ja auch nicht gesagt wann sie wieder kommen. Wer weiß, vielleicht kommen sie ja auch gar nicht wieder. Vielleicht denken sie ja: >>Hey, Dylvana ist doch 17 Jahre alt. Mit 18 würde sie so oder so ausziehen, warum dann wieder zurück nach England, wenn wir auch hier ein neues Leben haben können?<< Wobei ich nicht so ganz glaube, dass sie mich so lange alleine lassen würden, oder? Mein Handy klingelte. Nach einer Minute dauer klingeln nahm ich ab.

>>Ja?<<
>>Dylvana, ich bin es. Mum<<, ich konnte es nicht glauben.
>>Ach, dir fällt auch ein mal anzurufen? Weißt du eigentlich, was ich gedacht habe? Was ich durchmachen musste? Und ich bekomme nur die halbe Wahrheit aufgetischt!<<, schrie ich hysterisch. Ich sprang aus meinem Bett und lief aufgeregt im Zimmer umher. Das Fenster stand offen, es sollte mir zum Verhängnis werden.
>>Dylvana, wir wollten doch mit dir reden<<, sagte sie.
>>Natürlich. Und wann? Wenn ich gewachsen bin? Wenn ich dreißig geworden bin? Vielleicht mit meiner kleinen Halbschwester oder meinem Halbbruder, ja?<<, fragte ich. Ich ging ein paar Schritte rückwärts und blieb stehen.
>>Wir hätten es dir gesagt! Bitte glaub mir doch. Wir werden morgen kommen, versprochen<<, schnaubte meine Mum.

>>Mit Sicherheit. Und das soll ich dir glauben?<<, wieder ging ich ein paar Schritte rückwärts. Dabei trat ich auf den Ball und stolperte. Auf einmal spürte ich einen Schlag gegen meinen Rücken und stürzte aus dem Fenster. Harry, der gerade aus dem Auto kam, sah wie ich stürzte und schrie meinen Namen. Das war das einzige, was ich hörte, bevor es dunkel wurde. Ich hatte meine Augen geschlossen und wollte sie öffnen, doch es ging nicht. Das Handy lag neben mir, meine Mutter laut schreiend, doch ich konnte nicht antworten. Es ging einfach alles viel zu schnell. Ich fühlte mich so leer, als ob mich etwas auffressen würde. Stechende Schmerzen eroberten meinen Körper und dann spürte ich etwas Warmes meine Stirn herunterlaufen. War es Blut? Ich wurde von jemanden hochgehalten und gegen die Brust gepresst. Ich hörte ein vertrautes Geräusch, doch dann war alles vorbei.


Verloren sind die, die sich nicht finden können

Piepen, die ganze Zeit dieses Piepen in meinem Ohr. Was war passiert? Rauschen, die ganze Zeit dieses Rauschen um mich herum. Wo bin ich? Ist jemand in meiner Nähe? Wenn ja, warum sehe ich nichts? Es ist immer noch alles so dunkel. >>Harry?<<, fragte ich in die Dunkelheit hinein, doch ich bekam keine Antwort. Das Handy gab keine Geräusche mehr von sich, das warme Gefühl auf meiner Stirn war verschwunden, doch dafür war da dieses unwiderstehliche Piepen in meiner Gegend. Ich öffnete meine Augen und schaute mich um. Als erstes schaute ich auf das Fenster, welches von einer Gardine bedeckt wurde. Es war kühl. Etwas klopfte ans Fenster. Verwirrt schaue ich zur Tür und sehe ein weiteres Fenster, welches zum Gang zeigt. Rote Rosen blitzten mir entgegen und dann eine Hand, die mir sehr wohl bekannt war. Irgendwann schaute ein dunkelblonder Schopf hervor und das dazugehörige Gesicht blickte mit erleichtert an. >>Harry<<, flüsterte ich. Er öffnete die Tür und kam zu mir ans Bett. >>Du hattest wohl Lust aus dem Fenster zu fallen, oder?<<, fragte er mich. >>Es war ein dummer Zufall<<, bedauerte ich es. >>Sie belasten dich einfach zu stark. Du brauchst deine Freiheit<<, sagte Harry, wobei er gar nicht mal so sehr Unrecht hatte. >>Freiheit? Hatte ich immer, nur auf eine andere Art und Weise. Mir wurde nie die ganze Wahrheit gesagt und ich bin Mum selber auf die Schliche gekommen. Sie ist schwanger, weißt du?<<
>>Solltest du dich dann nicht freuen?<<, er machte seinen Kopf schräg. Meine Hand wanderte zu meiner Stirn. Es schmerzte sehr, ich hatte anscheinend eine etwas schwerere Verletzung als ich zuerst vermutet hatte. >>Gehirnerschütterung. Du kannst erst übernächste Woche wieder am Unterricht teilnehmen, doch ich werde dich jeden Tag besuchen, keine Angst<<, er gab mir einen Kuss auf die Wange. >>Freuen? Ich freue mich, wenn ich dich sehe, doch wenn du aus meinen Augen bist, dann falle ich wieder in mein altes Schema zurück.<< >>Und das heißt?<< >>Ich beginne nach meiner Vergangenheit zu fragen. Nach dem Sinn meines Lebens. Was soll ich dir sagen? Ich frage einfach zu viel, weißt du?<< >>Das ist mir noch nicht aufgefallen<<, antwortete Harry. >>Wie lange habe ich geschlafen?<<, fragte ich nach einer Weile. >>Zwei Tage<<, sagte er. Er stand auf und stellte die Rosen in eine Vase und stellte diese auf den Nachtschrank neben meinem Bett. >>Dann sind sie also da?<<

>>Sie warten unten auf eine Nachricht von mir<< >>Und was wirst du ihnen sagen?<<, fragte ich Harry. Mein Blick hing an dem Kreuz, welches über den Fernseher hing. >>Ich weiß es noch nicht. Aber ich werde sie nicht zu dir lassen, auch wenn ich ihnen damit nichts gutes tue.<< >>Sie haben mir in letzter Zeit auch nichts Gutes getan<<, seufzte ich. >>Deine Mum ist aber nicht mit deinem Dad da. Er... nun ja... er...<<, Harry tat sich schwer mir etwas Schreckliches auf die Seele zu drücken. Dabei würde er mir damit sehr helfen. Bestimmt würde er mir damit einen weiteren Teil der Wahrheit sagen können. >>Deine Mum ist mit ihrem neuen Freund da. Dein Vater ist in Deutschland geblieben, bei... bei seiner Affaire<<, sagte er. >>Hat sie dir mehr gesagt?<<
Er schüttelte seinen Kopf.

>>Soll ich sie holen?<<, fragte er mich. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Entweder warte ich bis ich wieder aus dem Krankenhaus komme oder ich lasse es gleich auf mich zukommen. Es wird mich wie eine Flut mit sich reißen. In welche Richtung diese ungewollte Reise gehen würde, das weiß ich noch nicht. Das würde ich erst wissen, wenn ich es auf mich einstürzen lasse. >>Na gut<<, murmelte ich. Harry ging zur Tür und öffnete sie langsam. >>Aber du kommst wieder mit nach oben! Ich will nicht mit ihnen alleine sein!<< Harry nickte und schloss die Tür hinter sich. Ich atmete tief ein und aus, hörte wie sich das Piepen der Geräte verschnellerte. Was hatte ich mir bloß eingebrockt? Ich würde meinen neuen... wie soll ich sagen, etwa Vater, kennen lernen? Es klopfte erneut an der Tür. >>Arzt, lass es bitte einen Arzt sein, der sagt, dass ich keinen Besuch mehr haben darf<<, ich krallte mich an meiner Decke fest. >>Ja?<<, fragte ich und wartete. Anscheinend hatte die Person, die hinter der Tür stehen würde Scheu die Tür aufzumachen. >>Dylvana?<<, diese Stimme kannte ich. Sie sang mich früher in den Schlaf, schnürte meine Wut auf sich und gab mir Hausarrest. >>Mum?<<, fragte ich zurückhaltend. Sie kam als erste herein, dann Harry und dann ein schwarzhaariger Mann. >>Wie geht es dir?<<, sie nahm mich in ihren Arm. Es schmerzte. Mehr als jede Wunde tat diese Umarmung weh. Ich wollte sie wegdrücken, sie wegschubsen, von so einer Person, die mich belügt, wollte ich nicht umarmt werden. Harry tippte meiner Mum auf die Schulter und zeigte ihr damit, dass es für heute mit den Zärtlichkeiten reichte. SIe löste sich von mir und schaute mich an. Tränen brannten in meinen Augen. Tränen der Wut und der Hoffnungslosigkeit. Ich war froh, dass Harry in meiner Nähe war, sonst wäre ich verloren gewesen.
>>Jack<<, der schwarzhaarige Mann stellte sich zu mir.
>>Wer sonst<<, brummte ich.
>>Du kennst mich?<<, fragte er. Ich verdrehte meine Augen.
>>Woher sollte ich?<<, warf ich zurück.

>>Dylvana<<, meine Mutter setzte sich neben mich. Sie wollte meine Hand nehmen, doch ich nahm sie schnell weg und griff nach Harrys Hand, so dass sie keine Chance hatte in körperlichen Kontakt mit mir zu treten.
>>Verzeih mir bitte, doch es ging nicht anders!<<, erklärte sie.
>>Es gibt immer einen anderen Weg, als man denkt. Erst wenn es zu spät ist, sieht man ihn<<, sagte ich.
>>Eine kleine Poetin?<<, Jack versuchte sich einen guten Anfangstart zu verschaffen, doch das ließ ich nicht zu.
>>Wie sie meinen<<, murmelte ich.
>>Sag ruhig du<<, er grinste mich an.
>>Mit Sicherheit nicht<<, zickte ich herum.
>>Dylvana<<, meine Mutter stupste mich an. Harry hingegen verhielt sich ruhig und schaute sich die Situation mit Abstand an. Er verfolgte unser Gespräch, welches ich am liebsten abgebrochen hätte.
Doch ich wollte erfahren, warum alles so enden musste.
>>Ich weiß es erst seit einem Monat. Ich wollte nichts überstürzen und mir wirklich sicher sein, das Jack der Vater ist, bevor ich es dir sage<<, meinte meine Mum.
>>Und warum hast du mir nie etwas von Jack erzählt? Es hätte dir doch klar sein müssen, dass ich irgendwann dahinter komme! Ich bin kein Kleinkind mehr, Mum<<, knurrte ich.
>>Ich weiß. Aber, ich habe versucht dir das beste Leben zu bieten. Da wäre so etwas ein Rückschlag gewesen!<<, meinte sie. >>Das ist ein viel größerer Rückschlag für sie, als wenn man sie gleich aufgeklärt hätte<<, Harry begann sich einzumischen.
>>Harry, du ... du kannst es nicht verstehen! Dylvana, es wäre für sie schrecklich gewesen<<, sagte Jack.
Ich zog meine Augenbrauen hoch. Ich war verwundert über die Aussage. Schließlich kannte er mich erst seit 5 Minuten. >>Sie kennen sie nicht. Sie wissen nicht wie sie tickt. Sie wissen es nur aus Geschichten. Und wie man es eigentlich wissen müsste, wenn jemand eine Geschichte, etwas Erlebtes erzählt, dann kommt ein Hauch von Lüge und Wunsch hinzu<<, so etwas Weises hatte ich noch nie von Harry gehört. >>Wie kannst du mir so etwas sagen?<<, fragte Jack Harry.

Er wurde bedrohlich. Für meinen Geschmack zu bedrohlich. Harry war der jenige, der mich vor jedem und alles beschützte. Jack hatte anscheinend nicht damit gerechnet, dass ich so verteidigt werde.
>>Lass ihn! Er ist mein Freund, wir sind zusammen<<, fauchte ich ihn an.
>>Jack...<<, meine Mutter hielt ihn zurück.
>>Einen tollen Freund und Vater hast du für dein Kind, wenn er noch nicht einmal Kontra verarbeiten kann<<, brummte ich.
>>Dylvana, so kenne ich dich ja gar nicht<<, der Mund von meiner Mutter stand weit offen.
>>Nein, warum auch? Ich habe mich in den letzten Wochen dramatisch verändert<<, erklärte ich.
>>Wir reden ein anderes Mal darüber<<, Jack legte seine Hand auf Mums Hüfte.

Es war also amtlich gewesen. Man hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen und macht sich auch noch lustig über mich. Ich sehe schon wieder die Finger der anderen auf mich zeigend. >>Geht bitte. Ich will mit Harry alleine sein<<, sagte ich nach einer Weile. >>Ich komme morgen wieder<<, sagte Mum. >>Nein. Ich will endlich mal meine Ruhe haben und nicht an mein Leben denken müssen<<, fügte ich hinzu. Meine Mum nickte stumm und verließ das Zimmer. Jack kam hinter ihr her und warf Harry einen bösen Blick zu, den er mit einem grinsen erwiderte. >>Wenn er meint mir Angst zu machen, dann hat er sich getäuscht<<, knurrte er. >>Ich will nicht, dass du Ärger bekommst<<, ich drehte mich wieder zu Harry. >>Ich werde schon keinen bekommen. Mach dir keine Sorgen!<<, versprach Harry mir. >>Okay<<, ich bekam einen Kuss von Harry. Es fühlte sich gut an, nach dieser ganzen Aufregung. Nach einigen Minuten klopfte es wieder an der Tür. Dieses Mal befürchtete ich, das ein Arzt dort war, doch zu unserem Glück war Oma es, die an der Tür klopfte und Sorgen hatte, ich würde hier nicht genug zu Essen bekommen. Sie hatte einen Korb in der Hand und sah aus wie Rotkäppchen mit ihrem roten Tuch, welches sie um den Hals gewickelt hatte. Sie stellte den Korb neben Harry ab und begann den Kopf zu schütteln. >>Dieser Jack. Unausstehlicher junger Mann. Ich werde dich bei mir aufnehmen, koste es, was es wolle!<<, sagte sie. >>Was?<<, stießen Harry und ich hervor. >>Ja, oder glaubst du wirklich, ich lasse dich mit diesen Leuten alleine? Sie haben dir genug angetan. Mehr als du jemals verdient hast. Und ich habe ihnen auch noch dabei geholfen!<<, trauerte sie. >>Amanda. Die Zeiten werden sich ändern<<, beteuerte Harry, >>Es wird sich alles wieder nach unseren Ansprüchen richten.<<

>>Harry hat Recht. Es wird sich wieder bessern! Ich werde bald wieder auf den richtigen Weg kommen, egal wie!<<, beharrte ich. Es kommt immer alles anders, als man es sich vorstellt. Man wird nie das bekommen, was man haben will, doch dafür bekommt man das, was man sich im Geheimen immer gewünscht hat.


Gegen meinen Willen


Nach einer Woche durfte ich endlich wieder nach Hause. Nach so langer Zeit durfte ich meinen Fuß auf die heiße Erde absetzen ohne Angst zu haben, es könnte wieder etwas passieren. Ich fühlte mich Frei und von den Sorgen erlöst, die mich schon bald wieder einholen wollten. Jemand begann hinter mir zu Hupen und eine Frau stieg mit hohen Schuhen aus dem Wagen aus. Fluchen drang in mein Ohr, welches ich in den letzten Tagen nicht vermisst hatte, was mich aber nicht auf dieser Welt alleine lassen wollte. Meine Mum wollte es sich nicht nehmen lassen und holte mich vom Krankenhaus ab. Sehr zu meinem Bedauern saß Jack hinter dem Lenkrad und rauchte eine Zigarette im Wagen. Meine Mum steckte mit ihrem Schuh im Gulli fest und versuchte sich nun selber zu befreien. Ich schüttelte nur meinen Kopf und nahm meine Tasche in die Hand. Hätte mich Harry abgeholt, dann wäre ich schon wieder zu Hause, aber nein. >>Steig schon mal ein Liebling<<, sagte sie und lächelte mich an. Von ihrem Baby im Bauch konnte man noch nicht sehr viel sehen, was mir auch lieber war. Ich hustete, als ich an Jacks Fenster vorbei ging und hoffte, er würde mir zu Liebe dieses Glühstängel ausmachen, doch das tat er nicht. Besser noch. Er zündete sich, nachdem die eine aufgeraucht war, erneut eine an. Mum war noch immer dabei ihren Schuh zu bekommen, ich hingegen saß keuchend im Auto und musste den schädlichen Rauch einatmen. Ich war durch und durch gegen das Rauchen, was Jack noch zu spüren bekommen sollte. Wir würden keinen guten Start haben, dafür würde ich schon sorgen. Nach einer Minute kam Mum endlich in den Wagen und drehte sich zu mir. >>Warum so launisch? Du bist aus dem Krankenhaus! Was meint ihr, wollen wir Eis essen gehen?<<, fragte sie. >>Mit Harry, aber nicht mit dem<<, ich zeigte mit dem Finger auf Jack. >>Dylvana<<, empört schaute Mum mich an. Ich begann zu grinsen und zeigte meine Mum damit, dass sie es schwer mit mir haben würde. Es war immerhin ihre eigene Schuld. Warum musste sie mich in die ganze Geschichte mit reinziehen? >>Mit deinem Vater hättest du nicht so gesprochen<<, murmelte meine Mutter in den Spiegel und zupfte sich ein paar Augenbrauen. >>Mit Dad hätte ich gar nicht gesprochen<<, entgegnete ich ihr. >>Jack, wo wollen wir denn nun hinfahren?<<, fragte Mum. >>Nirgendwohin! Ich will nach Hause<<, ich nahm Jack kurzerhand das Wort aus dem Mund. >>Wir wollen doch zeit miteinander verbringen<<, erklärte Mum. >>Nein. Ich korrigiere mit großem Vergnügen. Ihr wollt es. Wobei ich mir da noch nicht einmal so sicher bin. Ich betrachtete mich im Rückspiegel und sah, wie Jack mich anstarrte. >>Also zu Harry, nicht wahr?<<, fragte er mich. >>Wohin sonst?<<, sagte ich. >>Da wirst du wohl erst heute Abend hinkommen. Denn wir werden jetzt zu mir fahren und einen schönen Nachmittag verbringen.<<

>>Mit Sicherheit werden wir das nicht tun! Der Arzt hat gesagt, dass ich mich ausruhen soll.<< >>Ärzte sagen viel wenn der Tag lang ist<<, antwortete Jack. >>Nein, nicht mit mir! Mum, ich will zu Harry<<, ich bockte herum wie ein kleines Kind. Keiner sollte ein Treffen von Harry und mir vereilten, sonst hätte er einen großen Stein im Brett bei mir! >>Wir werden es uns gemütlich machen. Du wirst dich schon entspannen können<<, sagte Mum. >>Okay Dylvana. Da musst du wohl durch. Je besser du dich anstellst, desto schneller wirst du bei Harry sein können<<, dachte ich mir. Wir fuhren an unserem Haus vorbei und hielten nicht an. Die Sehnsucht nach Harry stieg immer mehr in mir, dabei würde ich ihn am Abend sehen können. Nach einer halben Stunde Autofahrt hielten wir vor einem weißen Haus. Zu edel nach meinem Geschmack. Widerwillig ging ich mit in das Haus und schaute mich um. Hier würde meine Mum also bald leben, einziehen und ihr Kind bekommen. Ich hingegen würde bei meiner Oma leben und mit dem ersten Schritt in ihr Haus mein neues Leben beginnen können. Ich setzte mich auf ein weißes Sofa und wurde sofort wieder hochgescheucht. Als wenn ich schmutzig wäre, legte er ein Tuch auf den Platz von mir und meinte:>>Bitte. Nun kannst du dich setzen.<< >>Na herzlichen Dank, ich bin nicht schmutzig!<<, antwortete ich. >>Ich hatte nicht die Absicht es dir ins Gesicht zu sagen<<, fauchte er mich an. Sein Blick war wütend, als ob er mich umbringen wollte. Als Mum in die Stube kam, begann er wieder zu lächeln und nahm sie in den Arm. >>Falsche Schlange<<, dachte ich mir. Ich wollte es am liebsten sagen, doch dann dachte ich mir, dass es eh falsch wäre, es wäre noch zu nett ausgedrückt. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und drückte einen Knopf. Ein Bild von Harry und mir wurde auf dem Bildschirm sichtbar und dann sah ich das Postzeichen an einer Ecke. Harry hatte mir etwas geschrieben, worüber ich mich sehr gefreut habe. Anscheinend hat er schon etwas von mir in sich aufgenommen. Das heißt so viel, dass er einige Sitten von mir an sich hat und ich dabei bin mir etwas von ihm anzueignen. >>Du siehst etwas in einem Menschen, was du sehen willst. Du musst tiefer in ihm hineinschauen um zu erkennen, was er ist. Bei Jack würde das nicht zutreffen, meine Kleine, aber ich hoffe, dass du etwas Gutes in ihm finden kannst. Wir sehen uns heute Abend. Ich freu mich auf dich!<<, las ich mir durch. In allen Punkten hatte er Recht. Vielleicht hatte Jack etwas Gutes an sich, was ich noch nicht so recht glauben konnte, aber gut, man wird immer wieder vom Gegenteil überzeugt. >>Wollt ihr etwas trinken?<<, fragte er uns, wobei er nur Mum anschaute. >>Gerne. Wie wäre es mit eine Cola? Dylvana, du auch?<<, meine Mum holte drei Gläser aus dem Schrank und wartete auf Jack, der in die Küche ging um eine Flasche Cola zu holen.

Er schenkte mir etwas ein. Ich beobachtete den Schaum, der langsam aufstieg und wieder verschwand. Dann schlürfte ich genüsslich an meiner Cola und lehnte mich zurück.
>>Was machen wir jetzt? Die ganze Zeit hier sitzen und... Cola trinken?<<
Wenn ich schon gegen meinen Willen in ein Haus geschleppt werde, dann will ich auch etwas erleben. >>Hier sitzen und Cola trinken<<, antwortete Jack keck. >>Dylvana, du wolltest doch Ruhe haben<<, sagte meine Mutter. >>Ja, Mutter<<, murrte ich. Ich drehte mich weg. Mein Blick fiel auf einen großen Bildschirm, der über die Wand gespannt war. >>Darf ich ein wenig Fernsehen?<<, fragte ich. >>Es... na gut<<, ich wusste schon, was er sagen wollte. Entweder wollte er sagen, dass es kaputt sei oder das es nicht so gut ist und ich mir meine Augen kaputt machen würde. Er gab mir die Fernedienung und setzte sich wieder zu Mum.

Wieder drehte ich mich zu der Leinwand und drückte einen Knopf. Eine Weile dauerte es, bis Farben sichtbar wurden und ein Bild ergaben. Tagesnews waren immer interessant gewesen, doch diese musste ich mir nicht anschauen. >>Heute hat ein erneutes Erdbeben tausende von Menschen das Leben gekostet. Vater bringt seine Tochter aus Eifersucht um. Der neue Star am Himmel ist Vater geworden<<, schaute ich mir an. Wie kann ein Mensch dort sitzen, vor mehreren Kameras und solch schreckliche Dinge vorlesen. Wen interessiert es überhaupt, was für Probleme ein Star hat. Ist er denn etwas Besseres als wir? Kann er mehr als wir? Jede Menge Frauen bekommen Kinder, doch die Geburten von Kinder der Stars werden jeden Tag zur Schlagzeile gemacht. Wenn ein wichtiger Mensch von uns geht, dann wird getrauert. Wenn ein Star von uns geht, dann wird die Welt mit in die Trauer gezogen. Ich kann so etwas nicht ab. Vielmehr verabscheue ich so etwas. Immer und immer wieder liest der Mensch solche Dinge vor und verzieht dabei keine Miene. Er weint nicht, findet es vielleicht kurz vor der richtigen Aufnahme schrecklich, doch wenn er es vorliest, dann kann er sofort wieder lachen. Gefühle auf Kommando abrufen. Wie schrecklich. Ich könnte so nicht leben. Ich bin ganz in diesen Sachen vertieft, so das ich gar nicht merke, was Jack und Mum hinter mir machen, bis Mum irgendwann laut kichernd sagte:>>Doch nicht vor Dylvana. >>Doch nicht vor Dylvana. Als ob ich nicht wüsste worauf es hinausläuft<<, dachte ich bei mir. Nach zwei Stunden war es endlich so weit, dachte ich zumindest, als die Uhr sechs schlug. >>Fahren wir?<<, fragte ich und stand schon auf um meine Sachen zu holen. >>Noch nicht. Gleich<<, flüsterte meine Mum. >>Nicht gleich, jetzt. Ihr habt es mir versprochen!<<, sagte ich. Ich ging aus dem Haus raus und wartete vor dem Auto. Ich wurde immer müder und spürte, wie mein Hintern begann zu schmerzen. Ich saß nun schon eine halbe Stunde auf der Straße und wartete auf Jack, dass er mich nach Hause fahren würde, doch niemand machte große Anstalten aus dem Haus zu kommen. Nach einer Weile reichte es mir. Ich nahm mein Handy heraus und wählte Harrys Nummer. Er würde mich mit Sicherheit abholen. Es klickte und Harry meldete sich:>>Dylvana, du bist noch nicht zu Hause?<<
>>Nein, Jack sollte mich schon vor einer halben Stunde gebracht haben, doch er rührt sich nicht. Kannst du mich vielleicht abholen?<<
>>Selbstverständlich. Wartest du vor der Tür?<<, fragte er.
>>Ja<<, sagte ich und schon legten wir beide wieder auf. Ich musste fünfzehn Minuten warten, bis der Wagen quietschend von Harry vor der Auffahrt hielt. Meine Mum schaute aus dem Fenster und stemmte ihre Arme in die Hüfte. Ich stieg in den Wagen ein und gab Harry einen Kuss, da kam sie herausgetobt und meinte mich anschreien zu müssen:>>Wo fährst du hin?<<
Ich ließ das Fenster herunter und schaute sie an:>>Mum. Jack sollte mich schon vor über einer halben Stunde gebracht haben. Wie lange sollte ich denn noch warten? Ihr hattet mir etwas versprochen, doch darauf kann ich verzichten! Ich bin so froh, wenn ich nicht mehr bei euch wohnen muss!<<, sagte ich und kurbelte das Fenster wieder hoch.
Harry startete den Motor und fuhr los. Entgeistert stand meine Mum noch immer auf der Auffahrt. >>Sie kann dich nicht immer an sich klammern. Du hast dein eigenes Leben, welches du ohne von ihr hinzugefügte Probleme leben müsstest. Harry hielt seine Augen auf die Straße und wurde rot im Gesicht. >>Was ist mit dir? Hast du Stress?<<, fragte ich ihn.
>>Mit deiner Mutter. Ich kann sie einfach nicht verstehen. Wieso hält sie dich fest? Wieso will sie dich zwingen bei ihr zu bleiben? Sie sollte wissen was für dein Wohlbefinden am besten ist, doch ich sehe genau das Gegenteil. Ich will ja nichts sagen, aber ich habe das Gefühl, als ob ich....<<
>>Als ob du weißt, was gut für mich ist und was nicht. Das weiß ich schon lange Harry!<<


Ein Brief zum Frühstück


Harry brachte mich nach Hause und dann gleich ins Bett. Er merkte, wie müde ich war und blieb noch so lange bei mir, bis ich eingeschlafen war. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich eine Rose neben mir liegen. Sie war an einem Brief gebunden worden, der an mich gerichtet war. Ich nahm die Rose und roch an ihr. Herrlich. Doch nicht nur der Duft der Rose stieg mir in die Nase. Nein, auch Kaffee und frische Brötchen waren dabei. Ich nahm die Rose mit in die Küche und setzte mich an einen gedeckten Tisch. Wenige Minuten später kam meine Oma mit einem Blumentuch um den Kopf gewickelt herein. >>Dylvana, du bist ja schon wach<<, sagte sie und strich mir über die Wange.
>>Es roch so lecker. Ich konnte einfach nicht länger im Bett liegen bleiben<<
>>Tee oder Kaffee?<<, sie hielt zwei Kannen in der Hand. >>Tee, bitte<<, ich hielt ihr meine Tasse und stellte sie dann wieder neben meinem Teller ab. >>Wer isst denn noch hier?<<, ich schaute auf das dritte Gedeck. >>Wer wohl? Er ist eben zum nächsten Kiosk gegangen und holt mir eine Zeitschrift. Der kleine ist wirklich süß. Als er vorhin mit der Rose reinkam wünschte ich mich an deine Stelle. >>Glaub ich dir gern<<, grinste ich und schaute mir den Brief an.

>>Lies ihn laut vor<<, sagte meine Oma und setzte sich wie ein Kind, welches sich auf sein Geschenk freut, an den Tisch. Den Kopf auf den Handflächen gelehnt schaute sie mich mit großer Erwartung an.
>>Na gut. Also:

Liebe Dylvana,

Heute ist dein erster Schultag nach langer Zeit und du hast ein wenig verpasst. Doch damit du nicht ganz aufgeschmissen bist, will ich dir ein paar Hilfestellungen geben.

1. Gen hat sich in Ray verknallt, das weiß ich von Jack.
2. Ray hat sich in Gen verknallt, das weiß ich von Ray selbst.
3. Meine Wenigkeit hat sich in dich verliebt, doch ich denke, das weißt du schon längst.
4. Euer Lehrer hat den Beruf gewechselt und ist nun ein Erzieher, die Schüler waren ihn zu laut, wer es glaubt, ich für meinen Teil, glaube es nicht.
5. Du hast recht wenig Unterrichtsstoff verpasst, also mach dir da keinen Kopf drum.
6. Darf ich dich heute Abend zu einem Date einladen?

Bitte ankreuzen. Ja , Nein , Vielleicht .

Ich freue mich auf den morgendlichen Kuss von dir und auf dein Lächeln, wenn du gut gelaunt aus der Tür kommst und mich in der Schule vor allen anderen umarmst.

In Liebe, Dein Harry

>>Er ist wirklich zu reizend. Ich hingegen werde heute Abend zu deiner Mutter fahren und versuchen ein Kompromiss zu finden, ist das okay?<<
>>Natürlich<<, ich sprang meine Oma in die Arme. >>Sei vorsichtig, ich bin nicht mehr so jung und kann leicht einen Hexenschuss bekommen<<
>>Das wäre aber nicht so gut, Amanda<<, Harry kam in die Küche, die Zeitung steckte eingerollt zwischen Schulter und Brustkorb.
>>Bist du fertig für die Schule?<<, fragte er mich und schaute auf meinen Teller, >>du hast ja noch nichts gegessen<<
>>Ich wollte, doch dann habe ich mir den Brief von dir durchgelesen<<, verteidigte ich mich.
>>Dann mach das mal, sonst kommst du zu spät!<<, sagte Harry.
>>Okay<<, sagte ich und nahm mir ein Brötchen. Ich schmierte es mir und biss ein Stück ab. Dann wandte ich mich wieder dem Brief zu und las ihn immer wieder durch, bis Harry ihn mir aus der Hand nahm. >>Kennst du den Unterschied zwischen essen und lesen?<<

Ich schüttelte meinen Kopf.
>>Ich auch nicht. Also isst du erst und dann kannst du ihn noch mal lesen<<, er grinste. Murrend bis ich wieder ein Stück ab, immer und immer wieder, bis nur noch Krümel auf meinem Teller zurückblieben. Sein Blick ruhte auf mich. >>Die auch noch?<<, fragte ich und schaute auf die Krümel. >>Nein. Das habe ich gar nicht gemeint<<, wieder grinst er mich an. Ich schleckte meinen Mund, doch Reste von Marmelade konnte ich nicht erschmecken. Er lehnte sich zu mir und fuhr mit seiner Zunge über meine Wange.
>>Du bist das einzige Mädchen, dass es schafft, sich Marmelade an die Wange zu schmieren. >>Ubs<<, ich lachte und stand auf, um mich für die Schule fertig zu machen.
Anders als sonst lag ich noch relativ gut in der Zeit und konnte mich kurz auf die Steine setzen um mich zu sonnen. Harry setzte sich neben mich. >>Ich will<<, sagte ich.
>>Was willst du?<<, er tat unwissend.
>>Du weißt schon.<<
>>Nein, weiß ich nicht.<<
>>Und ob. Oder soll ich heute mit Jack oder Tom in ein Restaurant gehen?<<
>>Nein! Mit mir. Bist du denn des Wahnsinns?<<, fragte er mich.
>>Siehste. Also will ich doch.<<

>>Also, gehen wir heute Abend weg. Wohin willst du?<<, er zwinkerte mich an. Die Sonne prallte in sein Gesicht, welches dann so wunderschön aussah. Ich versank wieder in seiner Gegenwart. Immer wieder brachte er mich in solche komischen Gefühlslagen, die selbst ich nicht verstehen konnte. Manchmal war ich so stolz, wenn ich ihn sah, denn ich wusste, dass ich ihn mein Eigen nennen konnte, dann versank ich in seiner Schönheit und wenn er mit mir sprach wusste ich manchmal gar nicht, was ich Antworten sollte.
>>Vielleicht ein irischer Pub? Das wäre doch mal etwas anderes<<, sagte ich und stand auf. Ich ging schnell in das Haus um meine Tasche zu holen.
>>Klingt nicht schlecht<<, sagte Harry und holte ebenfalls seine Tasche.
Ich stiegen auf unsere Fahrräder und trafen uns mit Gen an einer Kreuzung. >>Dylvana<<, begrüßte sie mich freundlich und nahm mich in den Arm. >>Wie geht es dir Gen?<<, fragte ich. >>Naja, wie es eben so ist, wenn man verliebt ist, oder hast du es ihr noch nicht erzählt, Harry?<<
>>Tut mir leid. Doch spätestens in der Schule hättest du ihr davon erzählt!<<, verteidigte er sich.

>>Ich weiß. Ich bin froh, dass du wieder da bist. Es war so langweilig in der Schule ohne dich! Wir hatten alle keinen Spaß mehr!<<, sagte Gen, als wir wieder losfuhren.
>>Wird sich ja wieder ändern<<, grinste ich. Es fühlte sich gut an wieder zur Schule zu fahren. Den Wind in den Haaren zu spüren, wenn du fährst und die Schulglocken zu hören, wobei du noch nicht einmal in der Straße der Schule warst.
als wir ankamen stellten wir unsere Fahrräder an die Wand und hasteten in die Klassen. Harry verabschiedete sich nur kurz von uns, da sein Lehrer gerade dabei war die Sporthalle abzuschließen und es gerade noch so schaffen konnte.
>>Ihr seid ein tolles Paar<<, sagte Gen und legte ihre Hand auf meine Schulter.
>>Wenn du es ihm sagen würdest, dann wäret ihr das auch<<

>>Wohl kaum. Wir haben uns ja noch nicht einmal getroffen<<, erklärte Gen.
>>Es ist schön verliebt zu sein, nicht wahr?<<, fragte ich Gen.
Sie nickte und träumte vor sich hin. So kannte ich sie nicht, doch ich fand es toll sie so gut gelaunt zu sehen. Die Schüler aus meiner Klasse begrüßten mich alle recht freundlich, was ich von ihnen nicht kannte und sogar Jack machte sich die Mühe mir die Hand zu geben.

>>Auf eine neue Runde, die ich gewinnen werde<<, grinste er mich an.
>>Wohl kaum, denn ich denke, dass dein Wortschatz sich nicht so sehr viel weiter entwickelt hat in diesen zwei Wochen<<
>>Und du kannst immer noch nicht einstecken<<
>>Ich werde es auch nie können, denn dann würde ich meine Meinung verraten und nicht mehr zu meiner Devise stehen<<, lachte ich.
>>Auf ein Neues<<, und schon saß er wieder auf seinem Platz.


Lass sie reden


>>Was machen wir heute?<<, die Lehrerin schaute in ihren Lehrplan, konnte jedoch nicht das finden, nach dem sie suchte. Sie legte das Buch beiseite und schaute die Schüler an. Diese erwiderten ihren Blick mit einem breiten grinsen auf dem Gesicht, denn sie wussten genau, was das heißen sollte. >>Worauf habt ihr heute lust? Gericht? Verteidigung oder vielleicht äußert ihr eure Meinung zu den Dingen die euch wichtig sind?<<, fragte sie uns. Ich meldete mich, dabei wusste ich gar nicht, was ich sagen wollte. >>Dylvana<<, sie schaute durch ihre schmutzigen Gläser und wartete auf eine Antwort. >>Nun ja. Über Stars und normale Menschen. Wo genau der Unterschied liegt und warum ihr Leben wichtiger erscheint als unseres....<<, schlug ich vor. >>Klingt interessant. Wie kommst du darauf?<<, das man bei dieser Lehrerin nicht einfach etwas vorschlagen konnte ohne gleich die ganze Meinung sagen zu müssen. >>Ich habe Nachrichten geschaut und dabei den Moderatoren beobachtet. Dabei ist mir aufgefallen, dass er mehrere Sachen, schlimme und gute Sachen vermischt, vorlesen kann ohne eine Miene zu verziehen. Dabei kam etwas mit einem Erdbeben und danach sofort etwas mit einem Star. Darum bin ich auf die Frage gestoßen, warum ihr Leben wichtiger ist, als das unsere.<<

>>Wow, Dylvana. Das ist echt tiefgründig<<, sagte Gen.
>>Findest du?<< wir merkten nicht, dass wir laut miteinander redeten, doch die anderen schienen uns gespannt zuzuhören.
>>Natürlich. Der Unterschied besteht doch nur darin, dass sie mehr Geld als wir haben. Sie vertreten auch ihre Arbeit, doch durch die Arbeit kommen sie an die Öffentlichkeit. Bei mir stellt sich doch eher die Frage, ob Stars glücklicher sind als wir.<<
>>Warum sollten sie? Sie haben keine Privatsphäre und hängen an den Medien. Würden die Medien nicht nach ihnen greifen wollen, dann wären sie nichts. Genau wie wir<<, warf Jessy in die Runde ein.

>>Wie kannst du sagen, dass du nichts bist? Wenn du nichts wärest, dann würdest du nicht mit uns sprechen können<<, versuchte ich ihr klar zu machen, doch sie behaarte auf ihre Meinung, was ich ihr nicht verwehren konnte.
>>Leute die meinen nichts zu sein, die sich mit zu den ,,ich existiere gar nicht", Leute gehören, gibt es auch nicht. Denn sie meinen nichts bewirken zu können, was totaler Unsinn ist!<<, langsam nahm die ganze Klasse an der Diskussion ein, so dass wir das klingeln gar nicht hörten und einfach weiter redeten.

>>Ich will etwas bewegen und meinen Tod nicht sinnlos werden lassen<<, sagte ich irgendwann. Es wurde still. Ich hörte ihre Gedanken sprechen:>>Sie redet von sterben. Sie will nicht, dass ihr Leben sinnlos war. Wie will sie das machen?<<

Ich schluckte schwer. Hatte ich etwas falsches, gar etwas gesagt, was sie wütend auf mich macht? >>Was sagst du da?<<, fragte Jack und bohrte mich mit seinen Blicken durch.
>>Stell dich nach vorne und begründe diese Aussage, Dylvana<<, befahl mir die Lehrerin und zeigte auf ihren Platz. >>Aber...<<, ich wollte mich der Lehrerin nicht wiedersetzen und stellte mir vor dem Pult. >>Naja, was soll ich euch denn sagen? Ich sagte, dass ich nicht will, das mein Leben sinnlos war. Was ich genau damit sagen wollte, ist mir nicht ganz klar. Ich will einerseits etwas in der ganzen Welt bewegen, was ich nicht ohne der Hilfe meiner Mitmenschen schaffen kann. Leider sehe ich immer wieder, das die meisten Menschen an solchen Nachrichten unachtsam vorbei hören, oder sie einfach nicht sehen wollen, damit sie sich keine Schuld geben müssen. Einige reden davon, vergessen es aber nach einer Stunde wieder. Dann gibt es die, die anrufen um zu spenden, damit sie eine Gewisse Last von sich schieben können. Sie meinen etwas Gutes getan zu haben. Ja, heutzutage kann man schon mit einem Anruf ein Leben retten, doch die meisten rufen ja noch nicht einmal an. Ich will nicht sagen, das einige Mörder sind, aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass einige nicht wissen was es bedeutet zu helfen. Denn wenn man bedenkt. Ein Anruf rettet ein Leben. Ein einzige Anruf. Aber das ist schon zu viel.<<

Einige hatten Tränen in den Augen, andere wiederum bekamen einen roten Kopf, da sie eine Ähnlichkeit feststellen konnten. >>Das war wundervoll. Du bist eine, von denen ich denke, dass sie etwas bewegen können.<<, die Lehrerin klatschte, worauf alle ihre Hände hoben und begannen zu klatschen. Ich wunderte mich über die Jubelrufe, die mir galten. Alle fanden anscheinend, dass ich etwas Besonderes an mir hab, doch was es ist, weiß ich nicht. Ich bin auf der Suche nach etwas, was die anderen schon in mir gefunden haben. Nach einigen Schulterklopfern konnten Gen und ich die Klasse verlassen. Wir gingen zu Harry und Ray, die neben einer Tischtennisplatte auf uns warteten. >>Harry, Ray! Ihr glaubt es nicht<<, Gen stürzte auf beide Jungen zu. >>Was glauben wir nicht?<<, fragte Ray und schaute Gen an. Sie musste schlucken. Auf einmal steckte ein Kloß in ihrem Hals, der ihr nicht erlaubte zu sprechen. >>Dylvana?<<, Harry zog mich zu sich und wartete auf eine Antwort. >>Was glaube ich nicht?<<, fragte er. >>Frag sie...<<, grinste ich.

>>Gen, was glaube ich nicht?<<
>>Es war so ein tolles Gefühl<<, sie drehte sich zu Harry und dann wieder zu Ray.
>>Was denn?<<
>>Dylvana!<<, fuhr sie fort.
>>Was ist denn mit Dylvana?<<, wollte Ray wissen.
>>Sie hat gerade eben eine Rede vor der Klasse gehalten! Die hat reingehauen! Einige mussten fast weinen, die anderen haben eine Ähnlichkeit festgestellt, einige konnten nicht sprechen, andere schrieben sich eine Nummer auf um zu helfen!<<, sagte sie.
>>Warum ging es?<<, fragten beide mich.
>>Naja. Um Hilfe, unterlassene Hilfe und Stars. Wobei wir am Ende nur noch über Hilfe gesprochen habe. Wir hatten eine Diskussion in der es um Stars und normale Leute ging. Irgendwann...<<, ich wurde von Gen unterbrochen.
>>Irgendwann sagte sie, dass ihr Leben nicht sinnlos sein sollte. Die ganze Klasse wurde ruhig und dann wollte unsere Lehrerin, dass sie vortreten soll um ihre Meinung zu vertreten, Beziehungsweise zu erläutern!<<

>>Echt? Und du hast mal wieder alle so beeindruckt, dass sie weinen mussten?<<, fragte Harry mich. Wie ein kleines Mädchen machte ich Kreise auf den Sandigen Boden und hielt meine Hände hinter den Rücken. >>Geweint haben sie ja nicht. Sie fühlten sich nur ein wenig schuldig...<<, grinste ich.

>>Schuldig?<<, lachte Ray.
>>Du würdest dich auch schuldig führen, hättest du das gehört!<<, sagte Gen und stupste Ray an.
>>Sicher?<<, beide begannen ein kleines Streitgespräch, welches Harry und ich mit großer Freude beobachteten.
>>Hast du schon bei einer Hilfsorganisation angerufen und ein Leben gerettet? Vielleicht eine Zahnpastetube gekauft und einen cent gespendet? Ein Cent kann in einem anderen Land ein Leben retten!<<, sagte Gen.

>>Und in einem anderen Land ist dieser Cent kaum etwas wert.<<
Er lehnte sich gegen die Tischtennisplatte und fühlte sich wie ein Sieger.
>>In einem anderen Land würde man dich für diese Aussage umbringen!<<
>>Womit wir wieder beim Anfang Leben oder Sterben wären...<<, antwortete Ray.
>>Ray! Wie kannst du so etwas sagen?<<
>>Es kann kein Leben geben, wenn es keinen Tod gibt! Die Welt würde überbevölkert sein.<<

>>Es ist eine andere Ansichtssache und mit Sicherheit auch nicht falsch. Wiederum ist es doch auch so, dass es einigen zu gut geht und anderen zu schlecht. Man kann ein wenig Hilfe leisten, damit Leute überleben können!<<, nun musste ich anfangen mich anzumischen.
>>Versuch es doch. Ohne Hilfe der anderen wirst du nicht weit kommen.<<
>>Ich will keine Berge versetzen, wenn du das meinst. Ich will doch nur etwas Gutes tun! Nichts weiter. Ich will keine tausende Menschen retten, ich will nur, dass ich weiß anderen geholfen zu haben. Ist das zu viel?<<
>>Helf einer alten Oma über die Straße.<<
>>Du Blödmann!<<, kam es aus mir heraus.
>>Genau! Du Blödmann<<, stimmte Gen mit ein.
>>Nun gehen sie auf mich los.... sogar deine Freundin<<, grinste Ray.
>>Nehm es ihnen nicht übel. So sind sie...<<, sagte Harry.
Ich streckte ihm die Zunge raus und drehte mich weg. >>Ach Dylvana. Nehm nicht immer alles so ernst!<<, murmelte Ray.
>>Ray. Für mich ist das eine wichtige Sache. Mein Ziel, das ich auch erreichen will.<<


Fragezeichen


Harry und ich waren den ganzen Nachmittag zusammen und machten uns für unser kleines Date fertig. Meine Oma lief schon den ganzen Tag aufgeregt hin und her. >>Amanda...<<, Harry versuchte sie ein wenig zu beruhigen, >>Es wird schon alles klappen! Dylvana wird bei dir leben können und dann werden wir sie irgendwann zur Großmutter machen!<<

>>Bitte nicht zu früh, du Bursche<<, grinste sie und verfiel dann wieder einer Art Trance. >>Du wirst es schaffen. Mach dir doch nicht so viele Sorgen!<<, sagte ich. >>Geht nur und mach euch einen schönen Abend. Ihr habt es verdient nach der ganzen Aufregung. Ihr hattet sicherlich noch nie einen freien Tag ohne an die Familie denken zu müssen, nicht wahr? <<, meine Oma brachte uns beide raus und schloss die Tür. Wir sollten wirklich mal an etwas anderes denken und uns einen schönen Abend machen. Wobei ich mich nicht so ganz davon lösen kann. Immerhin würden die heute Abend über meinem Kopf hinaus entscheiden wo ich in Zukunft leben werde. Zumindest für das restliche Jahr. >>Du brauchst dir ebenfalls keine Sorgen zu machen<<, Harry und ich streunten durch die Straßen und erreichten nach zehn Minuten den Pub.

>>Das ist leichter gesagt, als getan<<, antwortete ich. Harry öffnete die Tür und ließ mir den Vortritt. Wir waren alleine und hatten freie Wahl für einen Platz. Wir suchten uns einen Platz am Fenster aus und setzten uns dort hin. Der Pub war nicht gerade sehr bekannt und perfekt für einsame Dates gewesen. Kerzen standen auf den Tischen, deren Flamme flackerte und einzelne, tanzende Bilder entstehen ließen.
>>Die Karte verspricht aber nicht so viel, wie wir erhofft haben<<, Harry hielt eine Karte in Plastik gehüllt vor seinen Augen.
>>Was gibt es denn?<<, fragte ich.
>>Bier, Whiskey, Bier.. habe ich schon gesagt, dass es Whiskey gibt? Dabei darf man erst ab neun Uhr etwas trinken<<, grinste er.
>>Sie haben es mir geglaubt. Zu meiner Freude. Sie sind voll drauf reingefallen!<<

>>Sie waren schon immer kleingläubig. Wenn du ihnen erzählen würdest, dass es sein kann, dass Jungs schwanger werden, dann glauben sie dir das auch!<<, sagte er. >>Echt? Dann füllt das Gehirn ihren Kopf wohl doch nicht ganz aus.<< >>Nein, und das wird auch nie so sein!<<, fügte ich hinzu. Seine Freunde waren einfach anders. Sie waren nett, tollpatschig und unwiderstehlich süß, arrogant und mutig. Eine komische Zusammenstellung wie ich finde. Harry und ich saßen eine Weile an dem Tisch und schauten uns an. Kein Kellner kam um uns zu bedienen, so dass wir nach der halben Stunde den Pub verließen und uns etwas anderes aussuchten. Wir durchquerten die halbe Stadt, am Ende landeten wir dann wieder bei unserer Lieblings Pizzeria und holten uns dort eine Pizza. Mit dem dampfenden Karton setzten wir uns dann an einen Kanal und fanden dies als Date viel angenehmer als in einem Lokal zu sitzen und dort den Zigarettenqualm einzuatmen.

Der Kanal trieb das Wasser rauschend vorbei. Die Enten quakten vergnügt dem Mond entgegen und einige Fledermäuse flatterten an uns vorbei. Ich meine sogar die gesehen zu haben, die mich an Harrys Geburtstag so herrlich in den Wahnsinn getrieben hatte. >>Ob sie schon was erreicht hat?<<, fragte ich Harry. Ich konnte diese Stille nicht ab. Die Geräusche der Natur machten mich verrückt.
Harry hob seinen Arm und schob seine Jacke ein Stück weiter nach oben. Eine Uhr kam glänzend zum vorscheinen, der Zeiger drehte sich und zeigte neun Uhr an.
>>Kommt hin. Es sei denn, sie können sich nicht einigen. Was ich nicht denke. Das Fragezeichen über deinen Kopf wird nicht mehr lange brennen. Mach dir keine Sorgen<<, versuchte er mich zu beruhigen.
>>Man hat mir immer versprochen das alles besser wird. Hast du schon etwas von einer Besserung gemerkt?<<

>>Hör auf daran zu denken Dylvana! Es wird schon alles passen. So wie wir uns das ganze erhoffen!<<, sagte Harry. Harry zog seine Jacke aus und legte sie mir über die Schultern, als er sah, wie sich meine Haare aufbäumten und meine Haut von einer Gänsehaut überzogen wurde. Ich kuschelte mich näher an ihn und schaute auf das glänzende Wasser. Es spiegelte den Mond wieder und tauchte es in eine fantastische Welt ein. Manchmal habe ich mich gefragt, wie es wäre ein Fisch zu sein. Wie es wäre, wenn es gehen würde. Wenn ich die Möglichkeit hätte so eine Welt zu entdecken, zaubern könnte, was nur in meinen Träumen geht. Jeder hat einen Traum, leider werden die meisten von Dingen beherrscht, die relativ unmöglich erscheinen, oder hat euch schon einmal jemand angehaucht, eingesprochen, den ihr nicht sehen konntet? Unsichtbar sein gehört sicherlich mit zu den verbreitetsten Sachen, die man sich wünscht, Reichtum und Gesundheit stehen jedoch an erster Stelle. Die Sicherheit gut leben zu können, eine Familie zu haben und geliebt zu werden, sollte doch immer erreicht werden können. Ich spielte aufgeregt an Harrys Jacke herum. Reißverschluss auf, Reißverschluss zu, nebenbei den Finger einklemmen und knurren. Harry nahm meine Hand in seine und versuchte mich so gut es ging ruhig zu stellen. Wäre er an meiner Stelle, dann würde er genau so aufgeregt sein. Dabei sage ich mir immer wieder, dass ich mich nicht so darüber aufregen soll.

Die Minuten vergingen wie in Zeitlupe. Die Zeit wollte nicht umgehen. Als wenn jemand die Welt angehalten hätte um mich zu ärgern. Mein Herz schlug unglaublich sch schnell, als würde es mir aus der Brust springen und dann versuchen wegzulaufen.
>>Ich kann gar nicht glauben, wie mein Leben sich entwickelt hat<<, begann ich irgendwann.
>>Wie meinst du das?<<, Harry drehte sich zu mir.
Wir saßen eng aneinander gepresst in dem grünen Rasen, die Hände nahezu verknotet.
>>Ich wurde geboren, habe die Anfänge meines Lebens schlafend verpasst und dann ging alles los. Ich kam in den Kindergarten, habe Urlaub in London gemacht und dich das erste Mal getroffen. Dann bin ich in die Schule gekommen, habe merkwürdige Leute kennen gelernt und dann musste ich das Land verlassen um ein neues angeblich besseres Leben führen zu können. Ich bin in das Haus gekommen, habe meine Koffer neben der Treppe abgestellt und mich vorsichtig gefreut. Das alles so kommen würde, dass meine Eltern so einen Krieg untereinander ausführen, dass meine Mum wieder schwanger wird und mein Vater nun in Deutschland lebt.... Wer konnte damit rechnen?<<
>>Ein Leben ist ein Individuum. Du kannst dir nicht aussuchen wie es verlaufen soll. Du kannst es ein wenig beeinflussen, doch wie es wirklich verlaufen wird, weißt du nie. Genau das ist doch das Besondere an einem Leben. Es warten immer wieder neue Überraschungen auf dich. Oder willst du wirklich wissen, was du morgen machst und was du nächstes Jahr am 1.04.2009 machen wirst? Du hättest keine Spannungen mehr. Abgesehen davon ist deine Lebensgeschichte ein super Roman!<<, grinste Harry.
>>Naja. Kann schon sein.<<, gab ich von mir. Harry sah mich mit verträumten Augen an.
>>Ist etwas?<<
>>Im Gegenteil<<, lächelte er mich an.
>>Was im Gegenteil?<<, er begann mich neugierig zu machen.
>>Du wirst von Tag zu Tag hübscher<<, er strich mir über die Wange.
>>Danke<<, verlegen blickte ich auf den Fluss und schaute dann wieder auf die Uhr.
>>halb zehn<<, murmelte ich.
>>Lass uns noch ein wenig hier sitzen. Es ist gerade so eine wundervolle Ruhe hier!<<, sagte er. Ich nickte und legte mich mit meinem Kopf auf seinen Bauch und schloss die Augen. Ich bemerkte, wie ich immer müder wurde und irgendwann einschlief. Als ich gähnend meine Augen öffnete, wusste ich nicht, wie lange Harry und ich hier schon lagen. Er war ebenfalls eingeschlafen und murmelte etwas vor sich hin. Es war wirklich niedlich aus, wie er sich dann mit seiner Hand durchs Gesicht fuhr und dann durch die Haare ging. Ich stand auf und versuchte Harry möglichst nicht zu wecken und ging zum Wasser. Ich sah mein verschwommenes Spiegelbild, wie es vor sich hin trieb, mal freundlich aussah und dann wieder böse. Ich merkte nicht, wie Harry wach wurde und sich zu mir setzte. Wir beobachteten uns beide eine Weile, bis unser Blick wieder auf die Uhr fiel.
>>Schon ein Uhr<<, schrak ich hoch.
>>Du hast doch einen Schlüssel! Deine Oma wird das schon verstehen!<<, sagte Harry.

Wir beide gingen schnellen Schrittes durch die Straßen, die immer noch gut befahren waren. Die Lichter der Autos ließen uns kaum etwas erkennen. Sie flogen hell, wie übergroße Scheinwerfer durch die Stadt und machten uns fast blind. Harry packte mich am Arm und zog mich über die Straße, dann über eine Kreuzung zu unserer Straße, die im Gegensatz zu den anderen Straßen wie ausgestorben aussah. Zeitungen wehten wie Heuballen im wilden Westen über die Straße, die Laternen flackerten und warfen einige Häuser in ein gruseliges Gesicht. >>Wir sind gleich da<<, sagte Harry und zeigte auf unser Haus, welches noch hell beleuchtet die Nacht erhellte. Harry und ich gingen zum Haus und öffneten die Tür. Es roch nach Kaffee und Rauch, was mich sehr wunderte, da meine Oma ja nicht raucht, weder ihre Freunde, noch ihre Katze, die mittlerweile bei uns eingezogen war. Jemand nieste und machte somit auf sich aufmerksam. Meine Mum saß mit Oma und Jack im Wohnzimmer. Sie hatte eine Katzenallergie und somit heute kaum eine wohltuende Minute erlebt. Über ihnen lag der Qualm von Jacks Glühstängel, welcher im überfüllten Aschenbecher verbrannte.
Ich klopfte leise gegen die Tür und wartete auf eine Reaktion.
>>Da seid ihr ja endlich<<, meine Oma winkte uns ran.
>>War der Pub gut?<<, fragte Mum. Wir schüttelten die Köpfe.
>>Irische Pubs sind nicht mehr das, was sie einmal waren<<, sagte Jack.
>>Das ist wohl war<<, sagte Harry. Wir setzten uns zusammen auf einen Stuhl. Ich auf seinen Schoß.
>>Und?<<, fragte ich irgendwann. >>Wir sind uns einig geworden. Ich hoffe, es wird in deinem Interesse sein<<, sagte Mum. Innerliche Vorfreude stieg in mir auf. Konnte jetzt endlich alles besser werden?
>>Ihr werdet auf jeden Fall keine Nachbarn mehr sein<<, sagte Jack.
>>Und das bedeutet?<<, wollte Harry wissen. Das wir keine Nachbarn mehr sein würden, wird wohl kein Hals und Beinbruch sein. Hauptsache war, dass ich endlich in einer Familie leben konnte, in der ich keine Probleme mehr habe.
>>Du wirst bei Oma einziehen. Aber dafür kommst du jedes Wochenende zu uns<<,erklärte sie.
>>Jedes Wochenende? Harry und ich... ich meine...<<, ich spürte einen Stoß gegen meine Rippen. >>Es ist mehr, als du dir erhofft hast, Dylvana<<, flüsterte Harry mir ins Ohr. Er hatte Recht. Ich habe das bekommen, was ich haben wollte. Ich würde meine Mum noch sehen, ich würde mit Sicherheit noch mehr von der Wahrheit erfahren, doch dafür würde ich Harry am Wochenende recht selten sehen können. Aber das werden wir schon hinkriegen. Das wichtigste was ich wollte war eingetreten und somit musste ich mich der Anforderrungen von Jack und Mum fügen.
>>In Ordnung<<, sagte ich. Ich gab ihnen meine Hand, das als eine Art Zeichen dienen sollte.


Umzug
Meine Sachen waren gepackt. Ich war endlich fertig. Der Teppich lag eingerollt in einer Ecke, mein Bett war auseinander gebaut und Harry stand schwer keuchend neben mir. Er hatte mir seine Hilfe angeboten, die ich natürlich dankbar annahm. Ich freute mich über seine Begleitung in mein neues Leben. Ich konnte endlich etwas neues anfangen. Es wird ein schönes Gefühl sein, wenn ich endlich über die Türschwelle treten kann um ein neues Leben zu beginnen. Dabei hatte ich gedacht, mein neues Leben hätte begonnen, als ich aus dem Flugzeug gekommen war, welches mich in diese Stadt brachte. Es werden noch so viele Dinge auf mich zukommen, an die meisten werde ich mich ja noch nicht einmal mehr erinnern können. Die Sonne prallte auf unsere kleine Stadt. Die Menschen schwitzten, die Tiere kühlten sich auf den Fliesen in den Badezimmern ab und brachten die Hausfrauen zur Weißglut. Meine Oma war zumindest immer sauer, wenn die Katze auf den Fliesen lag und sie danach die Haare entfernen musste.
>>Ich denke, dass wir fertig sind<<, sagte ich und hängte mir eine Tasche um. Die anderen 5 versuchte ich irgendwie in die Hand zu nehmen. Ich stolperte die halbe Treppe hinunter und ging dann aus dem Haus. Die Taschen fanden in einem kleinen gemieteten Anhänger platz und warteten dort nur noch auf die Abfahrt. Harry stemmte mit Ray und Justin mein Bett auf den Anhänger und tranken dann erst einmal Bier. Ich schaute auf die Uhr um die beiden ein wenig auf den Arm zu nehmen.
>>Neun Uhr<<, sagte ich nur und schon erntete ich böse Blicke.
>>Klaps auf den Hintern<<, grinste Ray nur. Instinktiv wanderte meine Hand zu meinen vier Buchstaben. Ich ging rückwärts wieder in das Haus und schaute dann, ob ich meiner Oma noch irgendwo helfen konnte. Mum und Jack waren in ihren selbst ernannten Flitterwochen, dabei hatte Jack ihr noch nicht einmal einen Heiratsantrag gestellt. Sie waren in Spanien und verbrachten dort nun schon zwei Wochen. Es sollte noch eine weitere folgen. Ich war froh, denn dann konnte ich die meiste Zeit mit Harry und Gen verbringen. Unser Verhältnis hat sich gestärkt. Er war bei mir, als es mir schlecht ging und ist nie von meiner Seite gewichen. Wir lieben uns jeden Tag mehr, so kommt es mir zumindest vor. Als ich meine Oma endlich auf den Dachboden gefunden hatte, starrte sie auf ein altes Fotoalbum von Mum und sich.
>>Was ist das?<<, fragte ich, dabei wusste ich genau, was sie in der Hand hielt.
>>Deine Mutter war ein hübsches Mädchen, doch du hast sie Haushoch überragt!<<, grinste sie. Sie machte es wieder zu und legte es behutsam in einen alten Karton zu den anderen Dingen. Meine Oma legte ihre Hand auf meinen Rücken und drängte mich die Treppe hinunter in das Badezimmer. Ich fragte mich, was sie dort wollte. Sie blieb mit mir in dem kleinen Raum stehen und schien etwas zu suchen. Einige Augenblicke später blieben ihre Augen in einer Ecke hängen. Ich versuchte ihrem Blick zu folgen und sah die mir recht bekannte Fledermaus.
>>Und?<<, fragte ich.
>>Wir können sie doch nicht hier lassen!<<, sagte meine Oma.
>>Sie ist eine Fledermaus! Sie wohnt hier länger, als das Badezimmer jemals benutzt habe. Lass sie dort einfach sitzen, naja, hängen.<<
>>Dylvana?<<, kam es von unten die Treppe hinauf gekrochen. Harry stand am Geländer, hielt sich mit einer Hand fest und schwebte somit fast über eine Treppe. Ein Fuß stützte ihn am Boden ab, der andere stand zur Sicherheit eine Stufe höher.
>>Was denn?<<, ich setzte mich auf die letzte Stufe und grinste ihn an. Er sah so süß aus, mit seinen nassen Strähnchen im Gesicht und dem T-Shirt, welches eng an seiner Haut klebte.
>>Können wir gleich los? Wir müssten dann bald auch zur Bandprobe! Da wolltest du doch mit, oder nicht?<<, fragte er.
>>Wollte ich. Ich helfe Oma nur noch eben mit den Alben, dann können wir los! Setzt euch schon einmal ins Auto!<<
Ich stand schon wieder mit einem Fuß im Badezimmer, wo meine Oma eine waghalsige Rettungsaktion ohne mich ausführen wollte.
>>Oma!<<, ich zog mir an den Haaren. Sie stand auf einen alten klapprigen Stuhl und versuchte die Fledermaus in eine Box zu bekommen.
>>Die Katze wird sich über einen neuen Freund sicherlich freuen!<<, sie drehte sich zu mir.
>>Schau nicht auf mich! Pass auf, dass du da nicht runterfällst!<<, meine Augen hingen an Oma. Ihr sollte am Tag der Abreise nun nichts mehr passieren. Doch sie liebte solche kleinen Abenteuer, da musste ich mich noch auf einige Dinge einlassen.
>>Warte, ich mach das<<, ich half Oma vom Stuhl und stellte mich selber auf das gefährliche Ding.
>>Sie kann doch einfach hier bleiben, aber nein<<, murmelte ich zu mir selbst.
>>Was hast du gesagt?<<
>>Nichts!<<, brummte ich.
Es war komisch. Meine Oma war sonst so schwerhörig, doch wenn ich mal ein wenig rumzickte, dann hörte sie es sofort. Sie bekam alles mit, egal was es war und wenn sie etwas nicht hören wollte, dann schaltete sie etwas in ihrem Kopf um und tat einfach so, als würden die Batterien ihres Hörgerätes einfach wieder ihren Geist aufgeben. Dabei war es etwas anderes, was dabei war den Geist aufzugeben.

Ich streckte mich zur Fledermaus, die bei der ersten Berührung ihre Augen weit aufriss. Ich drehte meinen Kopf kurz zur Seite und dann wieder zur Fledermaus. Sie schaute mich mit ihren schwarzen Augen an. >>Hey. Wie wäre es. Du gehst einfach in die Box und ich mache sie dann zu. Dann würden wir beide uns unnötigen Stress ersparen!<<, schlug ich vor. Im Grunde genommen war mir klar, dass die Fledermaus mich nicht verstehen würde und versuchte es mit Zeichensprache. Dies schlug leider ebenfalls nicht an. Also musste ich meinen Fuß gegen die Wand stemmen und meinen Körper noch mehr in die Ecke recken. Nach fünf Minuten, die Jungs im Wagen begannen schon zu hupen, schien die Geschichte ein Ende zu finden. Die Fledermaus dachte sich anscheinend, dass es einfacher wäre wegzufliegen, als in die Box zu gehen. Ich bin ehrlich. Genau diesen Weg hätte ich auch gewählt. Meine Oma schaute mich nur an und zuckte mit ihren Schultern. >>Sollte eben nicht sein!<<, sagte sie und verschwand.
>>Genau<<, seufzte ich und folgte Oma mit einem Paket in der Hand nach unten. Sie ließ mich einen Augenblick allein in dem Haus und ich konnte mich noch einmal umschauen. Ich sah die alten Bilder, das Arbeitszimmer, in dem ich das Geheimnis meiner Mum aufdeckte und die Küche, in denen wir auch mal schöne Sachen erlebt haben. Ich werde es nicht sonderlich vermissen, aber ich werde mit Freude wiederkommen. Ich kam nach einer Minute aus dem Haus heraus und machte die Tür zu, schloss sie ab und schmiss den Schlüssel in den Briefkasten. Er gab ein komisches Geräusch von sich, als ob jemand etwas verschluckt hätte, was ihm nicht gut bekommen war. Ich setzte mich zu den anderen nach hinten in den Wagen, meine Oma saß vorne neben Harry und wartete ebenfalls auf ihr neues Leben. Schließlich musste sie sich jetzt auch im mich kümmern und würde es auch nicht einfach mit mir haben. Natürlich war ich ein nettes Mädchen, doch wenn ich meinen Willen nicht bekommen, kann ich auch schon mal aus der Haut fahren. Doch in letzter Zeit hatte ich keine Zeit dazu aus der Haut zu fahren. Ich dachte an die letzten Wochen. Mum und Jack haben beschlossen in das Haus von sich und Dad zu ziehen, dann, eine Woche später haben sie angekündigt, dass sie für drei Wochen nach Spanien fahren.

>>Da habt ihr genug Zeit umzuziehen<<, höre Jack noch immer lachen. Ich erwiderte seinen netten Satz mit einem erzwungenem Grinsen und verschwand schon wieder in mein Zimmer. Nun würde ich zumindest keine Treppen mehr steigen müssen um in mein Zimmer zu gelangen, da meine Oma im Erdgeschoss eine Wohnung hat und ich dort das Gästezimmer beziehen werde. Wir wohnen sehr zentral und auch nicht so weit von Harry entfernt. >>Und jetzt ist es gleich das linke Haus, nicht wahr?<<, fragte Harry und bog in die Straße ein.
>>Genau<<, sagte Oma und klatschte in die Hände.
>>Du wirst dich wohl fühlen! Im Sommer nicht zu warm, im Winter nicht zu kalt! Nicht zu groß und auch nicht zu klein! Abgesehen davon sind die Wände nicht hellhörig! Also kannst du dir ruhig mal einen Spaß mit Harry erlauben!<<, sie lächelte mich an. Ich wollte im Boden versinken. So etwas war wie ein gefundenes Fressen für Ray und Justin. Sie lauerten schon lange auf solche Sprüche und schlugen zu, sobald einer sichtbar wurde.
>>Wird ja auch mal Zeit<<, Ray lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf.
>>Natürlich. Aber zu erst muss sie zum Arzt, sonst wird das eher ein Oha als ein Oh<<, lachte meine Oma. Ich verdrehte meine Augen und hielt meine Hände vor dem Gesicht. Das hatte meine Mutter damals nie getan. Mich vor anderen bloß gestellt. Meine Oma hingegen erfüllte alle Kriterien einer Mutter.
>>Oma, hör auf damit! Wir beide wissen am besten was wir wann machen. Da brauchst du gar nichts zu sagen!<<, knallte ich ihr gegen den Kopf.
>>Aber ich muss die Rechnung bezahlen<<, mahnen hob sie einen Finger.
>>Ja…<<, gab ich leise von mir und sank zurück in den Sitz.
>>Wir sind da<<, Harry zog die Handbremse an und schnallte sich ab. Der Gurt sprang zurück in seine Uhrsprungsform und schlug Ray dabei genau gegen das Knie.
>>Das hast du davon<<, grinsend stieg ich aus dem Wagen aus und nahm wieder ein paar Sachen auf den Arm. Ich folgte meiner Oma in die Wohnung und bemerkte gleich den mir bekannten Geruch. Alte Häuser hatten immer so einen Geruch aus einer Mischung aus Tee und leckeren Keksen an sich. Hier wohnten nur alte Leute und somit konnte ich jeden Tag den schmackhaften Geruch von Keksen wahrnehmen.
>>Hier hin?<<, Harry klopfte mit einem Fuß gegen die Tür um sich bemerkbar zu machen.
>>Ja<<, ich ging zu ihm und öffnete die Tür. Ein altes Bett stand an der Wand, ein Schreibtisch vor dem Fenster und ein Fernseher aus dem alten Jahrhundert in der Ecke.

>>Vielen Dank für eure Hilfe!<<, drei geschaffte Jungs standen vor mir. Einer lehnte sich gegen die Wand. Der andere stand in der Hocke und Harry hatte neben mir seinen Platz gefunden. >>Ohne euch hätte ich das wirklich nicht geschafft!<< Ich gab Harry einen Kuss auf die Wange, wobei die anderen wieder aufmerksamer wurden. >>Kriegen wir denn keinen?<<, fragten sie mich.
>>Als ob ich das zulassen würde<<, sagte Harry und klopfte den anderen auf die Schultern. >>Wir holen dich in einer Stunde ab! Bis dahin kannst du dich ja mal an dem Bett versuchen!<<, sagte Ray und verschwand mit Justin aus der Tür.
>>Und ihr wollt wirklich nichts dafür haben? Kein Geld?<<, fragte Oma und blieb mit ihrer Geldbörse vor Harry stehen.
>>Nein, das haben wir doch schon gesagt! Wir haben es für euch getan. Zum Null-Tarif!<<, sagte Harry. Er winkte uns beiden zu, bis auch er aus der Tür verschwand. Wenig später heulte der Motor auf und Qualm wurde sichtbar.
>>Ein neues Auto wäre für die ein Segen!<<, grinste ich.
>>Mal sehen, was sich machen lässt. Aber dann muss es auch etwas besonderes sein. Ein Auto für ihre Band. Wie nennen sie sich eigentlich?<<, wir gingen in die Küche um uns etwas auszuruhen. Oma schenkte mir eine Tasse Tee ein und stellte Kekse auf den Tisch. Ich nahm mir einen und steckte ihn mir in den Mund. >>Ich habe keine Antwort bekommen<<, sie setzte sich zu mir. >>Oh, ja…<<, ich schluckte den trockenen Keks runter und räusperte mich, >> Time Legend.<<
>>Time Legend. Klingt gut. Man könnte eine Uhr auf das Auto kleben.<<
>>Das war dein Ernst?<<, fragte ich erstaunt.
>>Natürlich! Dein Harry brauch doch ein ordentliches Auto, damit er dich um die Welt bringen kann!<<
>>Oma. Das ist wirklich zu viel des guten!<<, warf ich ein. Ich wusste genau, dass ich sie von ihrem Vorhaben nicht abbringen konnte. Sie würde Harry so ein Geschenk machen, koste es, was es wolle.
>>Mh naja. Ich mache mich dann mal an mein Zimmer ran. Vielleicht kriege ich es noch hin das Bett aufzubauen, bevor sie mich abholen<<, sagte ich. Ich schob den Stuhl an den Tisch und verschwand in mein Zimmer. Chaos pur. Schlimmer als das Zimmer, in welchen ich gestern Nacht das letzte Mal geschlafen hatte. Gut, ich werde das schaffen. Mit Sicherheit schwitze ich Schweiß und Blut, doch das muss sein. Ohne Fleiß keinen Preis. Ich suche meinen Werkzeugkoffer und mache ihn auf. Das Problem fing schon damit an. Ich schaffte es nicht diese Koffer zu öffnen. Wütend trat ich gegen ihn, als ich genug davon hatte. Er kippte auf die Seite und fiel auf einen Bilderrahmen, in dem ein Bild von Harry mit mir war. Er zersprang. >>Das fängt ja gut an<<, ich musste ein wenig schmunzeln. So schwer hatte ich mir das auch nicht vorgestellt. Ich richtete den Koffer wieder auf und schaute ihn an. Vielleicht würde es mit Telepathie funktionieren, jedoch lässt sich dadurch kein Eisen verbiegen. Ich drückte an allen Ecken und Kannten herum, bis es klick machte und der Deckel des Koffers aufsprang. >>Super<<, dachte ich mir und suchte mir gleich die ersten brauchbaren Sachen heraus. Hammer, Schraubenschlüssel und schrauben, eine Bohrmaschine und Verbandzeug sollten vorerst reichen. Ich schaute mir die auseinander gebauten Holzteile an und baute in meinen Gedanken das Bett zusammen. Ich wollte das Bett, welches Oma dort stehen hatte nicht benutzen, da es mir doch ein wenig zu staubig war. Also machte ich mich an die Arbeit. Mittlerweile hatte ich jede Menge Splitter in der Hand und Bluttropfen wurden von dem Teppich aufgesaugt. Die Zeit verging schnell und es klingelte an der Tür. Meine Oma öffnete sie, während ich mir die Wunde, die ich mir zugezogen hatte, als ich den Hammer nicht auf den Nagel sondern auf meine Hand schlug und dabei auch noch so abrutschte, das ich mir Haut abgescheuert hatte. Harry klopfte an die Tür und schaute mich an.

>>Ich hätte es besser machen sollen, nicht wahr?<<, fragte er und setzte sich zu mir auf den Boden.
>>Naja, ich habe es zumindest versucht und nicht sofort aufgegeben!<<, sagte ich Harry.
Er klopfte mir stolz auf die Schulter und rüttelte dann kurz an dem Gestell, welches zusammen brach.
>>Hey<<, stieß ich hervor.
>>Es wäre spätestens zusammen gebrochen, wenn du die Tür zugemacht hättest<<, bedauerte er mir sagen zu müssen. >>Ich weiß<<, entschlossen legte ich den Hammer beiseite mit gutem Gewissen, ich würde ihn nie wieder in die Hand nehmen um etwas aufzubauen.
>>Ich werde dir heute Abend dabei helfen<<, sagte Harry und half mir auf. >>Wenn ich dich nicht hätte<<, meinte ich und gähnte. Es war alles ziemlich anstrengend, doch der Abend versprach schön zu werden. Erst mit Harry zur Bandprobe und dann durfte ich ihn wieder bei der Arbeit beobachten. Wundervoll! Ich nahm mir meine Tasche und rief in die Küche:>>Ich komme heute Abend um spätestens 23 Uhr wieder!<< Ein Brummen kam zurück. >>Wir können fahren<<

Ich kam mit Harry aus der Wohnung heraus und sah den Wagen. >>Ubs?<<, ich schaute Harry an. >>Zu große Pfütze für einen zu kleinen Wagen<<, er stieg ein. Ich sah eher den Dreck als den Wagen. Man sollte meinen, das er ein wandelnder Berg war als ein Auto. Ich setzte mich nach vorne zu Harry. >>Du singst heute aber mit, okay?<<, kam es von hinten. >>Meinst du, Ray?<<, ich warf einen verachtenden Blick nach hinten. >>Mit Sicherheit<<, grinste Harry. Mein Mund klappte nach unten. >>Was?<<, ich musste vor erstaunen lachen. >>Natürlich! Du wirst doch wohl singen können<<, warf Justin ein. >>Nein, ich meine, vielleicht, woher soll ich das wissen? Ich singe wenn ich Lust dazu habe<<, erklärte ich. Fassungslos lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe. >>Vorsicht, sie kann rausfallen<<, mahnte Ray mich. >>Ihr braucht einen neuen Wagen!<<, sagte ich.
>>Das sowieso!<<, murmelte Harry. Es sah echt wow aus, wenn er seine Hände an dem Lenker hat und fährt. Ich weiß nicht warum ich es so toll fand, aber es zog mich einfach an, was den anderen nicht verborgen blieb. >>Er sieht sexy aus, wenn er fährt nicht wahr?<<, fragte Ray.
>>Ich wusste schon lange, dass du die Ufer gewechselt hast<<, ich begann zu kontern. Ray verschränkte seine Arme vor der Brust. >>Sie hat dich eiskalt erwischt<<, Justin lehnte sich zu mir und hielt mir seine Hand hin. Ich klatschte ein und musste ein wenig lachen. Harry drehte ein wenig an dem Radio herum, welches nur ein Rauschen von sich gab.
>>Lass mich das machen und konzentrier dich auf die Straße<<, mahnte ich ihn.

>>Und mit der willst du dich verloben? Sie schreibt dir vor, was du in deinem Wagen zutun und zu lassen hast!<<, grinste Ray. Ich machte meine Nase kraus. Was hatte er gesagt? Verloben?
>>Das weiß er doch noch nicht<<, warf Justin ein. >>Willst du damit sagen, dass Harry sich nicht mit mir verloben wird?<<, fragte ich.
>>Auf keinen Fall<<, er wedelte mit seinen Händen vor sich hin. Als ob das als Entschuldigung reichen würde. >>Wenn ihr meint, dass mich das belasten würde, dann müsst ihr schon mit etwas besserem kommen als mit dem!<<, sagte ich. >>Ist ja gut. Wir hören auf dich zu ärgern, Dylvana!<<, meinten beide.
>>Schön wäre es<<, brummte ich. Ich drehte mich wieder nach vorne und schaute mir die Häuser in der Umgebung an. Sie sahen veraltet aus, nahe zu verlassen. Als ob wir durch ein Geisterdorf fahren. Unbewohnt, doch Nachts erblüht das ganze Leben. Der Wagen machte komische Geräusche und begann zu ruckeln. >>Was ist das denn?<<, fluchte Harry und schlug auf den Lenker. >>Kein Benzin?<<, fragte ich. >>Wir haben kurz bevor wir zu dir gekommen sind getankt! Das kann eigentlich gar nicht<<, sagte Harry.
>>Mh, Kühler?<<, ich zeigte auf den aufsteigenden Rauch. >>Nein<<, schluchzte Harry und ließ seinen Kopf gegen den
Lenker prallen. Er schaltete den Motor aus und wartete einen Moment. >>Wir steigen besser alle aus<<, sagte er und war der erste, der vor dem Wagen stand um ihn endgültig den Rest zu geben. Ich stellte mich neben Harry und sah mir das Häufchen Elend an. >>Sieht schlecht aus<<, das hätte selbst ein Blinder gesehen.
>>Wir kriegen das schon irgendwie hin<<, meinte Ray und versuchte die Haube auf zumachen, was ihn jedoch nicht gelang. Sofort verbrannte er sich seine Hand und zog sie hektisch zurück. >>Wohl eher doch nicht, was?<<, fragte Justin.
>>Er hat recht. Wir müssen Hilfe holen<<, sagte ich und schaute mich um. Hilfe holen war gut, doch wohl ebenso wenig machbar, wie den Wagen wieder zum Laufen zu kriegen. Die Häuser in dieser Straße waren unbewohnt, man musste wohl ein paar Kilometer laufen, bevor man eine Tankstelle erreichen konnte. >>Handy?<<, fragte Harry und schaute mich an. Ich holte mein Handy aus dem Wagen und sah, dass ich hier keinen Empfang hatte. >>Nichts. Kein Empfang<<, sagte ich. >>Das darf nicht wahr sein<<, seufzte Harry und setzte sich vor seinen Wagen auf die heiße Straße. >>Ich kann ja mal ein paar Meter gehen und schau mal, ob hier jemand wohnt, der ein Telefon hat!<<, sagte ich. >>Nein. Wenn, dann gehen wir alle<<, sagte Harry. >>Okay, dann gehen wir jetzt eben alle<<, murrte ich und ging voraus. Wir gingen in Richtung Sonne, in der Hoffnung, es würden ein paar Leute auf der Straße sein. Doch so war es nicht. Straßenlaternen hingen halb verbogen über der Straße, die Fenster der Häuser waren eingeschlagen und das Kreischen der Katzen war unausstehlich. >>Immer noch kein Empfang?<<, Harry nahm mir mein Handy aus der Hand und drückte einen Knopf. Er schüttelte seinen Kopf. >>Wir finden schon was<<, ich legte meine Hand auf seine Hüfte und liebkoste ihn ein wenig zur Beruhigung. Er nickte und versuchte das Beste aus der Sache zu machen. Langsam neigte sich die Sonne dem Stadtteil und tauchte es in eine blutrote Farbe ein. >>Wir sind schon spät dran. Die anderen sind mit Sicherheit schon angefangen oder weg gefahren<<, sagte Ray.
>>Natürlich sind sie schon angefangen oder weg, doch daran können wir jetzt auch nichts ändern, meinst du nicht?<<, fuhr Justin ihn an.
>>Hey. Hört auf! Wir müssen erst einmal nach Hause bekommen, bis ihr euch darüber Streiten könnt<<, warf ich ein.
>>Sie hat recht<<, stimmte Harry mir zu. Wir liefen immer weiter, doch irgendwie erreichten wir kein Ziel . Dort waren Häuser, aber keine Menschen.
>>Das ist sicherlich der Stadtteil, in dem mal ein Film gedreht wurde, oder wo die meisten Filme gedreht werden<<, sagte Ray. >>Da kannst du recht haben. Aber das es so groß ist hätte ich auch nicht gedacht!<<, erklärte Justin.
>>Ich kann nicht mehr<<, ich blieb stehen und weigerte mich noch einen weiteren Schritt weiterzugehen.
>>Wir müssen doch einen Weg hier raus finden. Da kannst du nicht einfach so stehen bleiben und sagen, dass du nicht mehr kannst! Wir können auch nicht mehr und laufen trotzdem weiter!“, sagte Justin. Ich schüttelte meinen Kopf. Bis hier her und nicht weiter. Zu mal war mir aufgefallen, dass wir im Kreis gelaufen waren und wir diese Stelle schon das zweite Mal passierten.
>>Hier waren wir schon einmal<<, sagte ich und setzte mich auf den Boden.
>>Echt?<<, fragte Harry und schaute sich um.
>>Sonst hätte ich es nicht gesagt<<, zickte ich ihn an. Ich wollte nicht so reagieren, doch ich hatte hunger, durst und war müde. Der ganze Tag hatte an meinen Nerven gezehrt und dies wurde schon wieder zu einem ungewollten Abenteuer.
>>Ich sagte doch, dass wir besser hätten die linke Straße nehmen sollen!<<, sagte Justin und setzte sich ebenfalls zu mir.
>>Dann nehmen wir sie jetzt eben. Mit Sicherheit wird uns irgendwann einer entgegen kommen, nur wann ist die Frage<<, murmelte ich. Ich stand wieder auf und versuchte mich am Riemen zu reißen.
Wir gingen wieder weiter, dieses Mal bogen wir aber links ab. Endlich erreichten wir eine Tankstellen, doch sehr zu unserem Entsetzen stand diese ebenfalls leer. Also mussten wir weitergehen. Wir sagten nichts mehr. Liefen stumm nebeneinander und hofften auf eine schnelle Hilfe. Die Straßen waren immer noch leer, man konnte noch nicht einmal das Geräusch einer nahe liegenden Autobahn hören, wie man es sonst kannte. Ich fragte mich, wie lange wir noch durch die Gegend irren würden und schaute immer wieder auf mein Handy- kein Empfang. So etwas konnte ja auch nur uns passieren! Als wenn wir nichts anderes zutun hätten, müssen wir durch diese Pampa laufen, damit wir endlich mal wieder ein Lebenszeichen der Welt bekommen. Die Straßen schienen immer länger zu werden und die Sonne ging immer weiter unter. Irgendwann begann es richtig zu dämmern und es war dunkel. Die Straßenlaternen sprangen nicht an, sie blieben einfach dunkel und zeigten uns nun keinen Weg mehr.
>>Die Sache wird ja immer besser<<, murmelte Ray.
>>Da hast du recht<<, sagte Justin. >>Wir kommen schon hier raus, dauert nur eine Weile<<, versuchte ich die anderen aufzuheitern.

>>Eine Weile? <<, fragten sie mich ungläubig.
>>Man kann nichts daran machen. Wir gehen einfach so lange weiter, bis wir etwas gefunden haben<<, sagte ich. Wieder wurde es still. Das flattern einiger Insekten war zu hören, das Gähnen der Jungs dagegen war wie ein Löwe, der gerade brüllte. Langsam zehrte der lange Weg an unseren Kräften. Wir hatten alle Hunger und Durst, was uns die ungewollte Reise nicht gerade vereinfachte. >>Ich habe es<<, sagte ich und sprang in die Luft, leider dabei auch in einen kleinen Bach, den ich nicht gesehen nach gehört hatte. Das Platschen meines Körpers auf das Wasser verriet den Jungen, was passiert war. >>Dylvana<<, schrie Harry, als ob ich wieder in einen langen Schlaf fallen würde. >>Ich wollte mich nur abkühlen<<, verteidigte ich mich. >>Abkühlen?<<, fragten die anderen mich. >>Ja, abkühlen<<, sagte ich. >>Was hast du denn?<<, wollte Harry wissen und versuchte mir ein wenig zu helfen. >>Empfang<<, murmelte ich und zog mir die Algen aus den Haaren. >>Super, ruf deine Oma an!<<, sagte Harry. Ich nickte und ab die Nummer meiner Oma ein. Ich hielt mir das Handy gegen mein Ohr und wartete auf ihre Stimme.
>>Ja?<<, kam es von ihr. Sie hatte geschlafen, denn sonst hätte sie nicht so müde geklungen.
>>Wir haben ein Problem!<<, sagte ich und wartete auf die Gegenfrage.
>>Was für eins?<<, fragte sie mich besorgt.
>>Das Auto ist stehen geblieben und nun wollten wir uns Hilfe besorgen. Mein Handy hatte keinen Empfang, also mussten wir zu Fuß losgehen um uns Hilfe zu beschaffen. Wir sind drei Stunden gelaufen und nun habe ich endlich Empfang und habe dich sofort angerufen. Kannst du uns vielleicht Hilfe schicken?<<, fragte ich sie.
>>Natürlich. In welcher Straße seid ihr denn?<<
>>Old way<<, sagte ich.
>>Da seid ihr ganz? Das wird eine Stunde dauern, bis wir da sind! Sag den Jungs mal, dass wir gleich noch Grillen werden. Deine Tante ist eben gekommen und hat mich gefragt, ob wir Grillen wollen. Das wäre doch der perfekte Abschluss des Abends, nicht wahr?<<
>>Ja. Ich werde es ihnen sagen!<<, ich legte auf und setzte mich wieder an den Straßenrand.
>>Sie hat euch zum Grillen eingeladen<<, sagte ich.
>>Amanda?<<, Harry setzte sich zu mir.
>>Ja. Meine Tante Rose ist zu besuch bei ihr und hat gleich Sachen mitgebracht. Überraschungsangriff!<<, erklärte ich.
>>Klingt nicht schlecht. Da machen wir mit!<<, freute sich Justin.
>>Endlich mal wieder etwas zwischen den Rippen. Das wäre schon nicht schlecht<<, Ray klopfte sich auf den Bauch.
>>Andere Menschen haben kaum etwas von Essen und wir reden schon von Hunger, wenn unser Magen knurrt<<, murmelte ich.
>>Oh Dylvana. Du fängst schon wieder an! Ganz ehrlich. Lass die anderen Menschen mal aus dem Spiel<<, sagte Ray.
>>Ich wollte es nur erwähnen.<<
>>Wie immer<<, grinste Harry.
>>Habt ihr euer neues Lied schon fertig? Ich meine den Text und so…<<, fragte ich sie.
>>Den Anfang.<<
>>Der da wäre?<<
>>Sei nicht schüchtern. Don´t be shy. Du verstehst?<<, fragte er mich.
>>Immer doch. Und weiter?<<
>>Nichts weiter<<, antwortete Harry.
>>Das ist uns auf der Fahrt zu dir eingefallen<<, fügte Justin hinzu.
>>Euch fällt ja sehr viel ein. Wie wäre es mit. Sei nicht schüchtern, wenn ich in deiner Nähe bin<<, schlug ich ihnen vor.
>>Klingt interessant, aber solche Songs gibt es schon zu oft. Sei nicht schüchtern wenn ich da bin. Es würde wieder aus Thema Liebe und Romantik hinauslaufen!<<, sagte Harry.
>>Was anderes wollen Mädels ja auch nicht hören<<, gähnte Ray.
>>Wie wäre es mit einem Mädchen, dass von zu Hause wegläuft? Und im letzten Satz gesagt wird. Sei nicht schüchtern, ich bin da<<, sagte ich.
>>Nicht schlecht. Wie wäre es mit dem Anfang: Sie hatte keine Zuversicht, kein Ausblick auf ihre Zukunft<<, murmelte Harry.
>>Erinnert mich an jemanden. Doch ich bin nicht weglaufen. Vielmehr bin ich auf die Probleme zugelaufen<<, sagte ich. Wir mussten noch ein paar Minuten warten, bevor Scheinwerfer in die Straße einbogen und das Brummen des Motors nahte. >>Endlich<<, wir waren alle sichtlich erleichtert und froh, dass dieses Abenteuer vorerst beendet worden war. Wir stiegen glücklich in den Wagen meiner Tante ein und konnten unsere Füße entlasten. Ich sank in den Sitz zurück und sah mich um. >>Dylvana, wie geht es dir?<<, meine Tante drehte sich zu mir.
>>Gut und selbst Rose?<<
>>Bin sehr erschüttert über das, was meine Schwester mit dir abgezogen hat. Habe sie ganz anders in Erinnerung, doch Menschen verändern sich nun mal. Es ist so zusagen menschlich sich zu verändern, auch wenn andere dadurch verletzt werden!<<
>>Aber niemand hat es verdient so verletzt zu werden<<, sagte Harry.
>>Das mit Sicherheit nicht, ähm. Dein Name?<<
>>Harry<<, antwortete er.
>>Und du hast zutun mit wem von denen dahinten?<<, sie grinste in den Spiegel und beobachtete mich.
>>Mit wem wohl?<<, fragte ich sie.
>>Etwa mit dir? Das du so einen hübschen jungen Mann abbekommst<<, sie zwinkerte.
>>Tsss….<<, gab ich nur von mir. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Ich meine, es war nicht böse gemeint, doch nach der ganzen Aufregung faste ich manche Sachen anders auf als gewollt.


Nachricht
Auf der Fahrt nach Hause wäre ich beinahe eingeschlafen. Ich wurde immer müder, meine Augen wurden schwerer und ich hatte wirklich mühe dem spannendem Gespräch meiner Tante und Harry zuzuhören. Wenn man sagen kann, dass Fußball spannend ist. Das Ruckeln des Autos, welches immer wieder unsanft über Bordsteinkanten gelenkt wurde oder über kleine Steinchen fuhr, hielten mich wach. Ich gähnte in einer Tour und zeigte immer wieder, was für einen großen Mund ich doch hatte. Ich streckte mich und hatte Ray dabei fast eine Klatsche gegeben, hätte Justin meine Hand nicht zurückgehalten. Meine Oma lehnte mit ihrem Kopf die ganze Zeit gegen die Scheibe und rührte sich nicht. Sie war eingeschlafen und hatte auch keine Lust dazu, wieder aufzuwachen. Erst als wir vor der Tür hielten, bewegten sich ihre Augen unter den Augenliedern und dann machte sie sie auf.
>>Schon da?<<, gähnte sie und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

>>Ja<<, antwortete meine Tante knapp und stieg aus dem Wagen aus. Wir folgten ihr in das Haus und ließen uns wieder auf das Sofa fallen. Wir waren alle wirklich sehr mitgenommen. Ein schwarzer Kasten stand vor uns, was jegliches Erregen auf sich zog. >>Was ist das?<<, Ray begann sich zu fragen, wozu dieses Etwas wohl wäre.
>>So etwas nennt sich auch Fernseher<<, murmelte ich. Ich beugte mich nach Vorne und griff nach einer veralteten Zeitschrift. >>Jahre 2000. Oma!<<, lachte ich.
>>Was denn? Ist die schon so alt?<<
>>Mehr als das. Du kannst doch nicht eine Zeitschrift von 2000 hier haben, wenn wir schon längst 2008 haben<<, sagte ich. Sie zuckte mit den Schultern und brachte uns Tassen und Kekse an den Tisch. Wir griffen beherzt zu und ließen es uns schmecken. Harry und die anderen schliefen fast ein, ich hingegen war hellwach, warum auch immer. Ich stupste Harry an, doch dieser regte sich nicht. Auch die anderen wollten lieber schlafen als mit mir zu reden. Ich stand auf und ging zu meiner Tante, die gerade dabei war den Grill zu befeuern. Sie schüttete noch etwas Holzkohle in den Grill und hielt dann ein Feuerzeug hinein. >>Du bist glücklich. Das merkt man richtig wie du dich den anderen zeigst. Es ist wirklich schlimm, was deine Eltern mit dir gemacht haben und wie ich sie kenne, dann weißt du noch nicht einmal die ganze Wahrheit, nicht wahr? Da bist du aber auch nicht die einzige. Sie haben wir ebenfalls recht wenig gesagt. Hätte Amanda mir nicht gesagt, dass deine Mum, meine Schwester, schwanger ist, dann hätte ich das auch nicht gewusst. Wir beide werden immer unwissend bleiben!<<, sagte sie. Ich nickte verständlich, denn sie hatte in allen Punkten recht.
>>Harry hat eine Menge mit mir mitgemacht! Weißt du, er war immer bei mir, wenn etwas passiert war. Irgendwie hat er es dann immer wieder geschafft, dass es mir gut geht<<, erklärte ich. >>Die Holzzange<<, sie zeigte auf ein Stück Holz. Ich reichte es ihr und schaute ihr genau bei der Arbeit zu. Meine Oma stand in der Küche und bereitete einige Sachen vor und machte sich dann das Radio an. >>Helf ihr ein wenig<<, sagte meine Tante und schob mich zurück in die Wohnung. Ich ging zu meiner Oma in die Küche und versuchte ihr ein wenig zur Hand zu gehen. Wir sagten nichts und lauschten nur der etwas stockenden Musik zu, bis diese von brennenden Nachrichten angehalten wurde. Meine Oma und ich blieben stehen. Wir rührten uns nicht, bis der Nachrichtensprecher auch noch Spanien erwähnte.
>>Heute Morgen haben Jugendliche einen Brand gelegt, welcher nun für mehrere Tote verantwortlich ist. Die Jugendlichen wurden noch nicht gefasst, die Polizei steht weiterhin vor einem Rätsel. Die Feuerwehr setzt ihre ganze Kraft daran die Menschen vor dem Feuer zu retten und die umliegenden Wälder vor den Funken zu schützen, damit der Brand sich nicht ausweiten kann. Weite Teile des bekannten Dorfes Melbar wurden zerstört, unter anderem auch das Hotel Spar ,,Break the Ice“. Wir müssen die Anzahl von 12 Toten, darunter zwei Engländer beklagen.<<
Ich schüttelte meinen Kopf. Zwei Engländer? Aber, meine Mum, Jack, sie waren dort gewesen! Ich rannte in das Wohnzimmer und war verwirrt. Meine Oma hatte die Nachricht noch nicht einmal ganz verstanden, so sehr war sie davon betroffen. Meine Tante kam herein und musterte mich. Ich hatte Tränen in den Augen und wollte das alles nicht wahrhaben.
>>Melbar. Dort… dort gab es einen Brand!<<, schluchzte ich.
>>Was?<<, meine Tante blieb stehen.
>>Das Hotel Spar Break the Ice wurde vollkommen zerstört. Zwei Engländer starben dabei!<<, stotterte ich.
>>Zwei Engländer?<<, Harry wurde wach. Er spürte, dass etwas mit mir nicht stimmte. >>Es müssen nicht deine Eltern sein!<<, warf meine Tante ein.
>>Du glaubst wirklich, dass diese zwei Engländer nicht Mum und Jack sind?<<, fragte ich sie. Ich zitterte am ganzen Leib. Meine Oma kam in das Wohnzimmer. Sie ließ sich auf das Sofa fallen und schaute auf die schwarze Kiste.
>>Oma?<<, vorsichtig versuchte ich mit ihr Kontakt aufzunehmen.
>>Sie werden es schon nicht sein. Nicht meine Tochter<<, seufzte sie.

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Tag der Veröffentlichung: 19.08.2008

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