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Prolog

Montag 14. August

Clarissa:
Es dämmerte bereits. Ich stapfe wütend den Feldweg entlang. Max der Idiot. Ich kickte einen Stein weg. Der flog in ein Weizenfeld. Warum hören Männer nie darauf, wenn man nein sagt? Ich möchte am liebsten losheulen, doch ich kann nicht. Es hätte so ein schöner Abend werden können. Am Nachmittag, war alles noch Normal. Nach der Schule ging ich zu Max. Max und ich sind schon seit zwei Monaten zusammen. Wir gelten an der Schule als totales Traumpaar. Max ist Supersportler und ich das Traumgirl. Das ist wie in einem dieser total romantischen, amerikanischen Liebesfilme. Es gibt auch in dieser Geschichte eine langweilige Streberin. Nur das sie nicht unbedingt hässlich ist. Ihr Name ist Kaja. Sie ist total schräg. Sie ist gut in der Schule, im Gegensatz zu ihrem Bruder, der gut aussieht und cool ist. Kaja ist durchschnittlich. Eher unauffällig und still. Sie trägt total langweilige Klamotten und schminkt sich nicht einmal. Max hat mal gesagt, dass sie Raubtieraugen hat. Kaja ist unheimlich. Ich schiebe die Gedanken über sie schnell weg. Denn ein Rascheln lässt mich zusammenfahren. Ich schau mich um, doch ich sehe nur, wie die Halme sich im Wind wiegen. Ich setze meinen Weg fort. Meine Gedanken kehren zu Max zurück. Warum versteht er nicht, dass ich nur Küssen will und nicht mehr. Als ich es ihm sagte, fuhr er mich an das ich prüde sei und ihn anfing zu langweilen. Ich schrie ihn an, dass er mich mal kann und verlies Sein Haus fluchtartig. Es raschelte wieder hinter mir. Da war doch etwas. Ich schaute mich um. Doch da war nichts, außer den Gaben der Felder, die sich im Abendwind wiegten. „Hallo! Ist da jemand?“, rief ich. Niemand antwortete. Mein Herz begann schneller zu schlagen. „Das ist nicht komisch!“. Meine Stimme zitterte. Ein tiefer Laut erklang hinter mir. Ich zuckte zusammen und blieb stehen. Langsam drehte ich mich um. Etwas Großes kam auf mich zu. Ich erstarrte und war wie gelähmt als ich erkannte was es war. Nein. Dachte ich. So etwas gibt es doch nur in Horrorfilmen. Meine Finger verkrampften sich. Mit einem Schrei fiel meine grüne Handtasche zu Boden. Ich kreischte, doch das Kreischen erstarb und dunkles Blut tropfte zu Boden.


Am Tatort

Dienstag 22. August

Martin:
„Als einziger Kommissar in einer ruhigen Kleinstadt gibt es kaum aufregende und kuriose Fälle zu lösen. Mal ein Einbruch, Streit unter Nachbarn oder ein Anruf wegen Ruhestörung wegen einer Party, aber nichts Aufregendes.“, sage ich zu Herrn Weber meinem Nachbarn, als mein Handy zu klingeln beginnt. Es war Maria, meine Sekretärin: „Martin, es wurde eine Leiche gefunden. Du musst sofort zum Weizenfeld von Bauer Heinz kommen!“, sie sprach hastig, denn ihre Stimme stockte ein wenig. „Zu welchem den? Ähm, Maria…“, fragte ich, doch da hatte sie schon aufgelegt. Ich gehe zu meinem Auto und schließe es auf. Ich bin aufgeregt. Denn das ist mein erster Todesfall. Irgendwie habe ich ein richtig schlechtes Gefühl. Man sagt zwar immer, dass nichts Spanendes in dieser Kleinstadt passiert, aber ich war bis jetzt froh, dass noch nie jemand ermordet wurde. Ich startete denn Wagen mit zitternden Händen.

Als ich ankomme, steht eine Menschengruppe vor dem Absperrband. Mein Kollege Tobi kommt auf mich zu. „Und wie sieht es aus?“, frage ich. Tobi ist blass und wankt ein wenig. „Es ist furchtbar!“, murmelt er. Ich fasse ihn an der Schulter und führe ihn zu einem Unfallwagen der extra für die Leiche beantragt wurde.


Trauer im Regen

Mittwoch 23. August

Kaja:
Mama meint, dass wir alle zur Beerdigung von Clarissa gehen sollen. Ich bin da anderer Meinung. Den Clarissa war ja nicht mal meine Freundinn. Ich habe nämlich keine Freunde. Früher als ich noch klein war, da habe ich mich noch mit meinem Bruder Julius verstanden. Wir haben die Nachbarn geärgert, Hausaufgaben abgeschrieben, während der Predigt in der Kirche geredet und all die anderen Dinge, die man halt als Kind noch macht. Mit Fünfzehn veränderte sich Julius. Er wurde in der Gruppe der coolen Leute der Schule aufgenommen, während ich beschimpft wurde. Ich wurde zur kleinen nervigen Schwester. Weil mich keiner beachtete und verstand, nicht einmal meine Eltern, begann ich zu lernen. Ich wurde in der Schule immer besser, dafür hatte ich niemanden zum reden und wurde als Streber abgetan. Jetzt bin ich siebzehn Jahre alt und es hat sich nichts geändert. Mein Bruder macht dieses Jahr sein Abi. Er hatte schon zwei Freundinnen, während ich noch nicht einmal geküsst worden bin. Jede Nacht träume ich zwar von Jemandem, aber er beachtet mich nicht. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, dass es mich gibt. Ich weiß nicht genau, wann ich mich in den Kumpel meines Bruders verliebt habe. Er heiß Adrian und ist genau das, was ich nicht bin. Er ist sportlich, hat Schulterlanges braunes Haar und wiederspricht gerne dem Lehrer.

Ich starrte ihn während der Beerdigung an. Er starrt in das Grab, in das sie gerade den Sarg runterlassen. Sein Gesicht ist wie versteinert. Neben ihm steht Laura, Clarissas beste Freundinn. Sie weint. Aber im Regen, fällt es nicht sehr auf. Doch ich sehe ihre Tränen. Ihr Make-up verläuft und hinterlässt schwarze Wellen auf ihren Wangen. Ich betrachte die anderen Trauergäste. Alle sind schwarz gekleidet. Clarissas Mutter blickt auf das Grab ihrer Tochter. Keine einzige Träne läuft zum Abschied. Natürlich nicht. Clarissas Mutter würde niemals weinen. Nicht einmal bei der Beerdigung ihrer einzigen Tochter. Sie ist hart wie Stein. Ich mochte ihre starrenden, grauen Augen noch nie. Kommissar Maier hat nur gesagt, das Clarissa ermordet wurde. Wahrscheinlich von einem tollwütigem Hund. Für mich kling das unwahrscheinlich. Denn in unserer Kleinstadt vermisst niemand seinen Hund. Nachdem Pfarrer Huber geendet hatte, sprachen die Leute der Familie Trost zu. Als ich nach meinen Eltern dran war, nuschle ich ein „Herzliches Beileid“, und gehe eilig weiter. „Du hast gar kein Mitgefühl!“, zischt Julius mir wütend zu, während er neben mir her läuft. Ich blieb stehen und schaute ihm nach. Julius hat Recht. Ich fühle keine Trauer. Ich wünsche niemandem den Tod, aber ich mochte Clarissa einfach nicht. Sie hat viel Böses zu mir gesagt, mich geschubst und ausgelacht. Als das alles angefangen hat, habe ich noch versucht, es als Witz abzutun, doch mit der Zeit, hinterließen ihre Bemerkungen kleine Schnitte. In den folgenden Jahren, wurden aus den Schnitten vernarbte Wunden. Ich habe früher oft geweint. Doch wenn ich es meinen Eltern erzählte, dann tadelten sie mich. Mit der Zeit habe ich gelernt weg zu hören, doch es ist schwer und manche Bemerkungen treffen mich immer noch.

Zum Glück, gehen wir gleich nach Hause. Noch länger diese ganzen Leute um mich rum und ich hätte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Zuhause angekommen, gehe ich in mein Zimmer. Es ist ziemlich groß. In der Mitte des Raumes steht ein Himmelbett. Es ist aus schwarzem Holz und weißen Vorhängen. Ich ziehe meine Schuhe aus und plumpse auf die blutroten Laken. Ich strecke mich aus und schließe die Augen. Adrian taucht vor meinem inneren Auge auf. Wie er auf das Grab schaute. In seinem Blick lag Trauer. Doch geweint hat er nicht. Er ist nicht der Typ der weint. Ich weiß, dass man auf einer Beerdigung nicht daran denkt wie gut und süß jemand aussieht. Aber um ehrlich zu sein, Clarissas Tod hat mich nicht wirklich berührt. „Kaja, Abendessen!“, klingt die Stimme meiner Mutter durch die Zimmertür. Genervt öffne ich die Augen. Nirgends hat man seine Ruhe. Ich gehe nach unten und setze mich an den Holztisch. Zum Glück spricht heute niemand. Sonst reden wir immer nur über Schularbeiten, Noten, Paps Arbeit und wie toll mein großer Bruder ist. Fast keiner isst etwas. Außer mir. Ich liebe Salat und bin nicht in totale Trauer verfallen, um nichts mehr zu essen. Meine Eltern essen schweigend. Mein Bruder stochert in seinem Essen herum. „Wie kannst du nur was essen?“, bröselt er mich an. Ich antworte nicht. Ich kenne ihn nur zu genau. Er stänkert gerne. Manchmal denke ich, dass das nicht meine Familie ist. Wir essen weiter.Schweigend. So ist es immer bei uns. Entweder es herrscht Schweigen, oder wir reden über Paps Arbeit. Sonst wird noch über die Schule geredet. Mama fragt mich immer wie es war, aber interessieren tut sie das eigentlich nicht wirklich. Eigentlich dreht sich alles nur um meinen Bruder. Früher war das anders, aber da war er auch noch nicht beliebt und ein Mädchenschwarm. Der netteste in diesem Haus ist Nujuk, unser Collie-Husky-mix. Eigentlich gehört er meinem Bruder, aber als er zu seinem Fünfzehntem Geburtstag einen Computer bekommen hat, wurde Nujuk mein Hund. Eher gesagt mein bester Freund. Nujuk hört immer zu, quatscht nicht dazwischen und gibt keine Kommentare von sich. Nur manchmal ein Wuff. Ich stehe auf murmle ein „Ich gehe hoch.“, und räume mein Teller in die Spülmaschine. Ich gehe und Nujuk folgt mir Schwanz wedelnd nach oben. In meinem Zimmer schalte ich den Computer ein. Während er hoch fährt setze ich mich aufs Bett und streichle Nujuk. Er liebt es an den spitzen Ohren gekrault zu werden. Er hat das Gesicht eines Huskys, rötliches Fell und Kristallblaue Augen. „Ja, du bist der beste!“, flüstere ich ihm zu. Ich rede nicht viel, nur in der Schule. Manchmal klaube ich, dass ich das laut Reden verlernt habe. Ich verabscheue das Laute. Ich höre nur leise Musik. Ich liebe Instrumentale Musik. Besonders Geige und Klavier, mit einem Hauch von Harfe. Ich setzte mich an den Schreibtisch und logge mich in facebook ein. Es lohnt sich nicht wirklich, da ich so gut wie keine Freunde habe. Nur zwei Mädchen aus England, die mal zum Austausch da waren. Ich gebe in das Suchfeld „Adrian Jacobs“ ein. Auf seiner Pinnwand steht: „Für Clarissa: Wir werden dich vermissen, du warst eine von uns und wirst es immer sein.“


Adrian:
Nach Clarissas Beerdigung gehe ich nach Hause. Es regnet noch leicht. Ich mag den Regen. Es ist als würde er alles reinigen. Wenn der Regen aufgehört hat, riecht es frisch und neu. Die Tropfen sehen aus wie Perlen. Sie rinnen hinab und fallen zu Boden. Die Beerdigung war schlimm. Nur ihre Freunde trauerten wirklich um sie. Clarissas Mutter brachte nicht einmal eine Träne zustande. Julius sah wütend aus. Er warf ärgerliche Blicke zu seiner Schwester herüber. Kaja hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Es tat ihr Leid um Clarissa, auch wenn diese Kaja immer geärgert hatte. Ihr Mund war zu einem Stich verzogen. In ihren Augen stand Gleichgültigkeit. Kurz trafen sich unsere Blicke. Sie verzog den Mund, als wollte sie lächeln. Ich nickte nur kurz. Sofort schaute sie weg. Als ich zu Hause ankomme, gehe ich in mein Zimmer. Meine Gedanken kehren zu Kaja zurück. Sie ist so anders. Schlau, still, verträumt und geheimnisvoll. Ihre grünen Augen sind wie die eines Tieres. Einer Katze vielleicht. Früher war sie immer mit ihrem Bruder unterwegs, aber wir wurden älter und Julius wurde cool und Kaja blieb wie sie war. Sie liest alte Bücher, trägt Kleider mit Spitze in dunklen Farben und liebt Klavier spielen. Julius hat mal gesagt, dass Kaja noch nie einen Freund hatte. In meinem Zimmer schalte ich meinen Computer an. Ich schrieb eine Nachricht für Clarissa auf meine Pinnwand in facebook. Ich bekomme eine Nachricht von Julius: „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Clarissa tot ist. Ich habe gehört, dass sie zerfetzt wurde von einem Hund oder so, aber das ist echt seltsam. Meine Schwester ist so Gefühls los.“ Ich schreibe eine kurze Antwort, weil ich keine Lust habe mir die ganze Zeit über anzuhören, wie nervig seine Schwester ist. Ich melde mich in facebook ab und lege eine CD-ROM ein. Ich tauche in eine andere Welt ein.


Mehr schlecht, als recht

Donnerstag 24. August

Kaja:
Ein Klingeln reist mich aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Blöder Wecker. Ich greife nach dem Ding und stelle es aus. Wegen der Beerdigung fiel gestern die Schule aus.Ich stehe auf, schlappe ins Bad und wasche mein Gesicht. Dafür, dass wir gestern auf einer Beerdigung waren, habe ich echt gut geschlafen. Ich weiß, dass ich betrübt sein sollte, aber Clarissa hat mir immer das Leben schwer gemacht. Nicht nur sie, alle. Mein Bruder seine Freunde und die anderen Zicken. Ich bin anders, und dafür hassen sie mich. Nur weil sie alle gleich sind. Ich wünsche mich weg von hier. Aber man kommt nicht so leicht aus dieser Kleinstadt raus. Alle kennen sich. Es ist wie ein Wespennest. Nur das es einen Rat gibt, statt einer Königin. Nur wenige haben es geschafft von hier weg zu kommen. „Verdammt Kaja, mach endlich die Tür auf!“, knurrt Julius und hämmert gegen die Badezimmertür. Ich putze mir in Sekundenschneller Zeit die Zähne und kämme meine dunkelbraune Lockenmähne. „Kaja!“, ich beeile mich noch mehr, denn wenn ich Julius warten lasse, macht er mich in der Schule mit seiner Clique fertig. Am Anfang machte es mir noch etwas aus, aber jetzt höre ich ihre Beleidigungen nicht mehr. Aber ich will Rache. Ich schaue in den großen Badezimmerspiegel. Ich betrachte mich. Das schmale Gesicht mit roten Lippen, einer wallenden Lockenmähne und grünen Katzenaugen. Früher hat meine Mama immer gesagt, dass wenn ich als eine Raubkatze geboren wäre, ich die schönste von allen geworden wär. Früher hat sie immer nette Sachen zu mir gesagt. Jetzt bin ich fast erwachsen und nicht mehr ihr kleines Mädchen. Ich bin ihrer Meinung nach zu klein, viel zu dünn, still und nicht beliebt genug. Für sie zählen nur der gute Eindruck und die Wertschätzung des Bürgermeisters. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich eine Marionette, die nur zum Vorzeigen da ist und um anderen Menschen zu gefallen. „Kaja!“, dringt Julius knurren durch die Tür. Ich drehe mich um und öffne die Tür. „Warum hast du denn so lang gebraucht? Siehst ja immer noch so langweilig aus. Wenn du nicht immer wie eine verstaubte alte Jungfer rumlaufen würdest, dann hättest du einen Freund und würdest mal Flachgelegt werden.“, gibt Julius von sich und schiebt mich aus dem Bad. Ich hasse es, wenn er das sagt. Ich bin halt nicht so eine Nutte wie er. Ich bin ein nichts. Ich gehe in mein Zimmer und suche mir etwas zum Anziehen. Das schwarze Kleid mit Spitze und Schleifen, wo der Rock bis zu den Knien geht ist perfekt.

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Tag der Veröffentlichung: 29.09.2011

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