Ich erwachte in Dunkelheit. Es war kalt und meine Arme und Beine schmerzten. Die ganze Nacht war ich auf dem harten Steinboden gelegen und wollte mich strecken. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich in einer kleinen Höhle eingesperrt war. Mir war es nicht möglich, auch nur ein paar Zentimeter von meinem Platz zu rücken. Angst stieg in mir auf. Wenn der Raum geschlossen war, würde ich in Minuten oder Stunden keine Luft mehr bekommen und jämmerlich ersticken. Ich versuchte meine Atmung zu verlangsamen, um den Sauerstoff nicht so schnell aufzubrauchen, was mir nur teilweise gelang. Meine Augen huschten in dem dunklen Raum herum und versuchten sich an irgendwelchen Details festzuhalten. Weit entfernt konnte ich einen Lichtstrahl ausmachen und versuchte meine Hand nach ihm auszustrecken, doch ich konnte mich immer noch nicht bewegen. Das Licht kam auf mich zu, verschlang mich. Alle möglichen Erinnerungen schossen mir durch den Kopf.
Mein erster Tag im Kindergarten, meine Eltern hatten mich begleitet. Wir haben Spiele gemacht und uns gegenseitig vorgestellt. Ein Mädchen war direkt auf mich zugekommen und hat mich den ganzen Tag herumgeführt und im Garten mit mir gespielt.
Dann erinnerte ich mich an meinen ersten schlimmen Sturz vom Fahrrad. Ich hatte mir die vorderen Zähne ausgeschlagen.
An meine erste Prügelei, wo ich meinen Gegner Krankenhausreif geschlagen hatte.
Meine Grundschulabschluss und mein erster Tag in der Weiterführenden Schule. Auch an meine erste richtige Beziehung. Mein Vater wäre beinahe geplatzt vor stolz.
Ich erinnerte mich an mein Abschlussjahr und musste Tränen unterdrücken. In dem Jahr war meine Mutter gestorben. Es war zwar schon 3 Jahre her aber ich konnte es noch immer nicht glauben.
Auf einmal kam mir eine so Lebensechte Erinnerung dass ich meine Trauer nicht mehr zurückhalten konnte. Sie sprach mit mir mit so klaren und echten Worten, als wäre sie immer noch hier.
„Weine nicht, ich bin doch hier!“, sagte sie.
„Ich hab solche Angst. Ich kann mich nicht bewegen.“, antwortete ich.
„Mach dir keine Sorgen, es wird bald vorbei sein.“
Sie strich mir über die Wange und schob mir mit den ihren Fingern die Augenlieder zu.
Ich hörte laute Stimmen und spürte hektische Bewegungen neben mir. Etwas Kaltes drückte auf meine Brust und versetzte mir einen schlag. Ich riss die Augen auf und schnappte nach Luft.
„Wir haben sie wieder!“, schrie ein Mann und winkte den anderen zum gehen. Um mein Bett standen bestimmt 10 Menschen und starrten mich an. Der Arzt ging und die anderen folgten ihm. Nur einer blieb und lächelte mich an. Er hielt meine Hand und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Es war mein Vater.
„Was ist passiert? Wo bin ich?“, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. „Schon gut! Ist schon in Ordnung. Ich bin froh dass du bei mir geblieben bist.“
„Warum? Was ist los?“, er irritierte mich.
„Deine Mutter hat es nicht geschafft. Sie ist noch am Unfallort gestorben.“
Er brach zusammen. War es also noch nicht drei Jahre her dass sie gestorben ist? Hatte ich eine Vision der Zukunft gehabt? Würde ich wirklich mal in einer solch engen Höhle gefangen sein?
Ich wusste es nicht und es war mir in diesem Moment auch egal. Hauptsache es ging meinem Vater gut.
Texte: alle Rechte bei mir
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Diese Kurzgeschichte ist bei unserem Schulprojekt für die BIZEDONISCHE Zeitung entschanden.