Eine Geschichte aus der Zeit 'vor easyjet'
Michael schwitzte. Er saß im 'Venezia' und wartete auf Monika. „Luigi, bitte bring mir einen Cappuccino – mit Milch – du weißt ja – wie immer,“ bat er den Kellner. Er wischte sich die schweißnassen Hände an den hochgekrempelten Ärmeln seines Hemdes ab. Herrgottnochmal – würde sich die Aufregung denn nie legen? Jetzt hatte er wieder ein rotes Gesicht, Schweißtropfen auf der beginnenden Stirnglatze, die Brille rutschte auf dem feuchten Nasenrücken. Er sah sich mit ihren Augen, seine – im Vergleich zu ihrer Zartheit – massige Gestalt, den Bauchansatz.
Er trank seinen Cappuccino und wunderte sich zum wiederholten Male darüber, dass sie sich nun schon seit einem Jahr immer wieder mit ihm traf. Nun gut, es war verwunderlich – aber es war schön, sehr schön. Heute würde er sie fragen.
„Michael!“ lautlos war sie in das Lokal gekommen, leicht und geschmeidig setzte sie sich auf den Stuhl ihm gegenüber – wie immer. Sie strich das rotblonde Kräuselhaar aus der Stirn, eine zarte Röte überspielte feine Fältchen um die Augen und Mundwinkel. Jawohl, er würde sie fragen. Sofort.
„Monika, was hältst du davon, wenn wir zusammen nach Italien fahren würden?“ Es war heraus. Aus Angst vor ihrer Antwort redete er unaufhörlich weiter. „Du bist wahrscheinlich überrascht ... es kommt ja vielleicht ein bisschen plötzlich... aber andererseits – wir treffen uns jetzt schon seit einem Jahr regelmäßig ... (und haben noch nie zusammen geschlafen) ...immer in diesem italienischen Lokal ... ich dachte, wir könnten `mal statt auf diese kitschige Wandmalerei zusammen auf die wirkliche Adria schauen ... (vielleicht schaffe ich es ja dort, dir näher zu kommen) ...und außerdem...“
„Ich halte das für eine wunderbare Idee“, sagte Monika, und sie begannen, die Einzelheiten zu besprechen.
Eine Woche später saßen sie nebeneinander im Reisebus nach Rimini. Michael hatte einige Probleme – wie er fand – elegant gelöst. Einerseits wollte er Monika einladen. Sie hatte zwar anfangs dagegen protestiert, doch schließlich nachgegeben. Andererseits legte ihm sein Einkommen als Finanzbeamter im mittleren Dienst gewisse Beschränkungen auf.
Einerseits wäre ein Doppelzimmer preiswerter gewesen. Andererseits wollte er nicht mit der Tür ins Haus fallen.. Er hatte zwar Wünsche, wollte sie aber nicht überrumpeln. Also bestellte er die teureren Einzelzimmer. Zum Ausgleich entschied er sich für die preiswerte Busfahrt.
„Da sehen wir wenigstens etwas von der Landschaft,“ und sie hatte zustimmend genickt.
Ein bisschen verlegen hatten sie im Bus nebeneinander gesessen. Im Schlaf war ihr Kopf an seine Schulter gesunken. Nachdem sie in Rimini ihre Zimmer in der kleinen Pension `Casa Luna` bezogen hatten, schlenderten sie die Promenade entlang. Links Restaurant an Restaurant. Reklameschilder davor: Deutsches Bier. Würstchen. Sauerkraut. Dahinter hohe Hotels. Rechts breiter Strand, fröhliche Urlaubsgeräusche – oder Lärm?, braungebrannte und rotverbrannte, spärlich bekleidete Menschen ... und weiter vorn das Meer, - blau – zumindest aus dieser Entfernung, - und der Himmel! Er war wirklich unbeschreiblich blau.
Michael legte seinen rechten Arm um Monikas Schulter, deutete mit der Hand in Richtung Meer und sah sie fragend an. Sie nickte, streifte die Sandalen von den Füßen und trug sie in der Hand, als sie über Holzbohlen den Strand überquerten und auf die Mole traten, die ins Meer ragte. Sie setzten sich auf eine der weißen Holzbänke neben einen einzelnen Mann. Michaels Arm lag noch immer um Monikas Schulter. Schweigend betrachteten sie das Wasser - eine grünlich-bräunliche dickflüssige Brühe.
Der Mann neben ihnen war ihrem Blick gefolgt. „Grrrrünalgen“, teilte er ihnen mit. Sie starrten ihn erstaunt an. Unwillkürlich fasste Michael Monikas Schulter fester. Denn dieser Mann entsprach ganz entschieden der Vorstellung, die er sich von den berüchtigten italienischen Papagalli gemacht hatte. Trotz Ohrring und Goldkettchen schien er die vierzig bereits überschritten zu haben. Eine Adlernase ragte aus einem knochigen Gesicht. Schwarze Haare, schwarze Augen, muskulöser Oberkörper, weiße Jeans. Er wirkte geschmeidig und sportlich.
Und Monika lächelte diesen Gigolo an. „Grünalgen?“ wiederholte sie. „Si“, er deutete nach oben, „macht Wetter.“ „Ach so.“ Monika nickte verständnisvoll. Erwartungsvoll blickte sie ihre erste Urlaubsbekanntschaft an. Und der Italiener wollte sie offensichtlich nicht enttäuschen. Mit der Hand wies er in
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2013
ISBN: 978-3-7309-6034-9
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