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Einleitung




Gut und Böse
Zwei Wörter, geformt aus unseren
Illusionen und Träumen.
Für einen Toten verlieren sie jegliche Bedeutung,
wenn der Gute erst einmal die Hände mit seinem Blut wäscht.
(Handschrift eines unbekannten Autors aus der Welt Lendro. Wurde in einer zerstörten
Bibliothek während der Assedatren-Kriege gefunden.)

>>Ich tötete meinen Vater und verriet alles was ich kannte. Ich tat es mit Begeisterung. Eine neue Ära wird kommen.<<
Kronos




Aus der Bibliothek von Gehael:

Archiv Rot. Artikel Nr. 000003-A.

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Zusammentragung der Geschichte vom Beginn der Schöpfung bis zum Ende des großen Krieges



Das Schöpferwesen war das erste existierende Etwas. Es erschien vor etwa fünfzehn Milliarden Jahren im Nichts. Es ist nicht bekannt woher es kam.
Zuerst erschuf es die Sphären, die Grundlage für alles was es geben sollte. Sie sind das Pergament auf dem sämtliche Wirklichkeiten eingezeichnet sind. Es gibt mehrere Sphären, aber nur eine beherbergt alle bekannten Welten und die von ihnen bewohnten Lebewesen, so wie wir sie kennen. Was in den anderen Sphären liegt ist so gut wie unbekannt und nur sehr mächtige Überwesen sind in der Lage in diese zu gelangen. Keiner von diesen kehrte allerdings jemals zurück.
Nach diesem ersten Akt löste das Schöpferwesen in der lebensfreundlichsten – unserer - Sphäre einen vielfachen Urknall aus, woraufhin alle Universen mit ihren Welten entstanden.
Die meisten von ihnen können Menschen oder anderes Leben beherbergen, wenn auch nicht alle. Manche besitzen vollkommen fremde Naturgesetzte und sind somit absolut tödlich für normale Geschöpfe.
Das Schöpferwesen selbst ist kein denkendes Lebewesen im eigentlichen Sinne. Es ist oder war eher ein großer Energiestrom, der wahrscheinlich weder fühlen noch richtig denken konnte und war höchstens auf eine stark vereinfachte Form lebendig. Die Schöpfung an sich war laut einigen Theorien so etwas wie ein Instinktakt, der nicht durch einen Willen kontrolliert wurden war.
In einigen Welten gab das Schöpferwesen nur einen kleinen Stoß zu einer langanhaltenden Evolution und er beeinflusste dann diese so, dass am Ende der Mensch oder - in selteneren Fällen - anderes intelligentes Leben entstand. Diese Welten, wie die bekannte Erde, gehören zu den Ältesten und besitzen meistens keine Energieströme, Machtzentren oder Überwesen und sind deswegen fast alle nach einem ähnlichen Schema aufgebaut (eine gelbe Sonne, nur ein Mond bestimmter Größe etc.).
Andere Welten dagegen ließ das Schöpferwesen viele Äonen lang leblos in Form von kahlen Steinkugeln durch die Universen gleiten. Erst vor knapp fünftausend Jahren begann es plötzlich auch diese Welten mit Leben zu füllen und diesmal ohne Evolution. Es erschuf alle Lebewesen so wie sie waren. Dazu gab er diesen Planeten die oben erwähnten Energieströme und Machtzentren, da diese erst erdähnliche Bedingungen hervorriefen. Diese neuen Kräfte, die jegliche Naturgesetzte trotzen konnten und sich mit keiner bekannten Physik erklären lassen, werden Syratquellen genannt.
Pro Universum gibt es nach dem momentanen Wissensstand nur einen Planeten mit hochentwickeltem Leben. Ob es in den Sternen weitere vorhanden sind, ist unbekannt, da bisher kein Volk die Technologie erlang schneller als das Licht zu reisen.
Nach all dem begann das Schöpferwesen mit seinem letzten Werk und erschuf die Olympias, die ersten Überwesen, die als Wächter über das Leben fungieren sollten. Es waren vierzig von ihnen (obwohl auf der Erde nur zwölf bekannt sind). Danach verschwand das Schöpferwesen genauso rätselhaft wie es erschienen war.
Die Olympias nahmen ihre Aufgabe an und unter ihren Schutz entstanden auf vielen Planeten ein dauerhafter Wohlstand und geordnete Strukturen. Sie waren allerdings zu wenig um wirklich jede der dreißigtausend Welten mit Leben dauerhaft zu überwachen. Die Restlichen wurden nur ab und an kontrolliert oder ganz in Ruhe gelassen (wie z.B. die Welten der ersten Generation, die schon vorher viele Millionen Jahre lang ohne Überwesen ausgekommen waren und wegen der fehlenden Syratquellen auch nicht Wert waren in irgendeiner Weise beachtet zu werden).
Über dieses Zeitalter ist inzwischen kaum noch was bekannt, nur dass es größtenteils recht friedlich verlaufen war und die Olympias keinerlei Konflikte zuließen. Auch war die Technik und Wissenschaft weit entwickelt und die Lebensqualität im Allgemeinen äußerst hoch. Mehr ist nicht bekannt.
Nach gut zweitausend Jahren wollten die Olympias schließlich ihre Macht weiter ausdehnen und auch entferntere Welten kontrollieren. So erschuf Zeus, der Mächtigste von ihnen, zusammen mit seinen Brüdern Hades und Poseidon die ersten Titanen: Gaia und Uranos. Diese beiden begründeten einen neuen Stammbaum und zeugten insgesamt achtunddreißig Nachkommen, darunter auch Kronos.
Schon einige Jahrhunderte nach seiner Geburt erkannte Kronos, dass die Titanen den Olympias in vielen Bereichen ebenbürtig und teilweise sogar überlegen waren, da ihre Energie jung, frisch und neu war. Mit großen Ambitionen gesegnet und fest entschlossen die zweitausendjährige Herrschafft von Zeus zu beenden und selbst die Macht über die Welten zu erlangen, scharrte er weitere sechs Titanen um sich: Koios, Kreios, Hyperion, Iapetos, Atlas und Menoitios. Außerdem bewaffnete er die Menschen die in den Welten lebten, die von den Titanen überwacht wurden und bereiteten sie auf die kommenden Feldzüge vor.
Schließlich trat er zu seinem Vater Uranos und versuchte ihn für den Verrat zu gewinnen. Dieser weigerte sich aber und hielt seine Treue zu Zeus. Wütend darüber griff Kronos seinen Vater an. Dies geschah auf der Welt Delath, die dadurch fast in Stücke gerissen wurde.
Aus diesem ersten Kampf der Überwesen trat Kronos als Sieger heraus und erhob sich somit an die Spitze der Titanen und begann seinen Krieg gegen die Olympias. Dieser Konflikt wird heute der Machtkrieg oder auch einfach der große Krieg genannt und veränderte alles was zu dieser Zeit bestand hatte.
Die restlichen Titanen, darunter auch Gaia, fügten sich Kronos und seinen Anhängern notgedrungen, nachdem Uranos tot war und folgten ihm in das Chaos.
Die Olympias waren überrascht über den Angriff und konnten sich zuerst mangels Truppen und Waffen nicht effektiv verteidigen. So fielen am Anfang viele Welten an Kronos. Erst langsam setzten die Olympias ihre Maschinerie in Gang und bildeten gewaltige Armeen aus, die mit neuartigen und in Eile entwickelten zerstörerischen Waffen und Technologien in die Schlacht zogen.
Der genaue Ablauf des Krieges ist unbekannt, aber es ist klar, dass ungefähr tausend Welten dabei komplett zerstört wurden und praktisch alle anderen so verheerend verwüstend wurden, dass die Völker dort in Anarchie versanken und alles was die Olympias aufgebaut hatten verloren ging.
Nach fast zwanzig Jahren wurde aber klar, dass Kronos siegen würde. Ein Großteil der Olympias war tot und nur noch Zeus, Hades und Poseidon lebten noch. Beide Seiten hatten schon längst keine funktionstüchtige Infrastruktur mehr und ihre Armeen waren aufgerieben. Trotzdem wollte Kronos einen letzten Angriff wagen, um so seinen Sieg endgültig zu machen.
Aus reiner Verzweiflung vor der drohenden Niederlage legten die drei Brüder ihre Macht zusammen, wie damals bei der Entstehung von Uranos und Gaia, und es gelang ihnen die zweiundzwanzig noch lebenden Titanen an eine einzelne Welt zu binden, die sie nicht verlassen konnten: Tartaros.
Bei diesem Unterfangen starb Poseidon und Zeus wurde stark angeschlagen. Hades, vom Krieg müde, verschwand in ferne Sphären und wurde bis heute nicht mehr gesehen. Wenig später erlag auch Zeus den Nachwirkungen ihres Unterfangens.
Dies war das Ende des großen Krieges. Ab diesem Augenblick entwickelte sich jede Welt individuell weiter, da es keine Olympias oder Titanen mehr gab, die sie leiten konnten.

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Ende des Artikels.

Prolog: Bestimmung



Die Maschine muss einen Auserwählten finden,
einen Menschen der stark genug ist, um die Aufgabe zu erfüllen,
für die sie erbaut wurde.
Um ihn zu finden hat die Maschine die Waffe in den Strom der Geschichte dieser Welt geworfen.
Irgendwann wird sie von einem Menschen gefunden, der die notwendigen Voraussetzungen für den Werdegang besitzt.
Die Waffe wird sich an ihn binden und ihn weit von seiner Heimat bringen, an einen Ort wo er geprüft und gefestigt werden soll.
Dieser Mensch ist der Auserwählte und er wird die Zukunft der Sphären sichern.




Es gibt keinen Zufall
Alles hat eine Ursache und alles entsteht aus glücklichen oder unglücklichen Umständen.
Auch kalte Planung kann Ereignisse lostreten.




Das Meer war an diesem Tag ruhig und die Wellen schwappten träge und ohne große Höhe dahin. Das Wetter konnte man als sonnig betrachten und ab und an fegte eine starke Brise über das unendlich erscheinende Blau.
Delphine und Haie waren momentan nicht in der Nähe und nur wenige Fische schwammen dicht unter die Oberfläche. Es war also momentan recht Ereignisarm in dieser Ecke des Atlantischen Ozeans.
Eine kleine Sache viel aber dennoch ins Auge. Eine Holzkiste schwamm langsam an der Wasseroberfläche und von der Bauart massiv und das Material war Eiche. Die Länge betrug ungefähr einen Meter und sie war auch in etwa genauso breit. Einer ihrer Ecken war gesplittert und auch sonst waren einige kleine Beschädigungen und schwarze Rußflecken erkennbar. Ihre Schwimmfähigkeiten waren dadurch aber nicht gefährdet. Ihr Inneres war beinahe bis zum Rand mit Stroh gefüllt und auch ein kleiner, quadratischer Käfig aus Kupfer nahm einen Teil des Platzes ein.
Ein kleiner, grauer Spatz saß darin auf einer Stange und blickte sich sorgenvoll um. Das kleine Gehirn konnte zwar nicht erfassen was eben passiert war, aber es registrierter dass irgendwas vorgefallen sein musste. Dieses irgendwas kann man getrost als einen mehreren Meter tiefen Fall beschreiben, auch wenn der Vogel sich nicht so genau daran erinnern konnte.
Der Spatz gab ein kurzes Zwitschern von sich und hüpfte vorsichtig nach vorne und machte folgende Entdeckung: Einige Gitter vom Käfig waren verbogen und so war nun eine kleine Öffnung erkennbar durch die er mühelos nach draußen schlüpfen konnte.
Da er der Sache nicht wirklich traute machte er einen weiteren kleinen Sprung und befand sich nun direkt vor dem neuen Ausgang. Er bewegte noch einmal kurz den Kopf hin und her und erfasste ein letztes Mal die nähere Umgebung, dann breitete der kleine Spatz, der nun schon einige Monate lang gefangen war, die Flügel aus und schoss in den Himmel und entkam so seinem Gefängnis.
Er gewann schnell an Höhe und flog eine breite Kurve und entdeckte nun weitere Dinge im Wasser. Schwere Holzplanken, Seile, weitere Kisten und sogar einige der Zweibeiner, auch wenn diese Exemplare gerade mit dem Kopf nach unten dahintrieben und aus zahllosen Wunden Blut in das Meer abgaben, das aus der Sicht der Fische wie ein dichter, roter Nebel aussah, der von den Körpern abgesondert wurde.
Dann war ein Donnern zu hören und etwas Schwarzes und Schnelles raste als Schemen an dem Spatz vorbei, der seine Geschwindigkeit scharf bremste. Drei seiner Federn fielen nach unten.
Weiteres Donnern erklang, aber es hörte sich diesmal anders an und auch neue Geräusche kamen dazu.
Schreie.
Mit einigen kräftigen Schlägen stieg der Spatz weiter nach oben und sah was der Grund für all dies war.

Zwei große, hölzerne Schiffe standen sich gegenüber. Nur gut fünfzig Meter trennte die beiden Kolosse voneinander und aus quadratischen Löchern, die sich an ihren Außenwänden entlang reihten, stieg Rauch von den Kanonen auf, die nun eilig nachgeladen wurden. Eine weitere mörderische Salve scholl über den Ozean und Teile vom rechten Schiff splitterten ab und vielen ins Meer. Ein abgetrennter Arm gehörte ebenfalls dazu. Ein schweres Ächzen war zu hören und der angeschlagene Gigant rächte sich indem er seinerseits seine Kanonen aufblitzen ließ. Nun ergossen sich auch Holzteile vom anderen Schiff in den dunklen Ozean und einige Taue von einem der Segel rissen.
Männer rannten schnell über die beiden Decks und erfüllten ihre Aufgaben. Viele trugen nur grobe Kleider und verfluchten mit lautem Gebrüll die jeweilige Gegenseite. Einige hatten aber auch feine Uniformen am Leib und schrien ebenfalls, auch wenn es bei ihnen Befehle waren.
In der Ferne konnte man zwei weitere Schiffe erkennen, die sich mit Feuer und Stahl bekämpften und von einem von ihnen stieg bereits eine Rauchsäule auf. Ohne ein Fernrohr konnte man nicht sehen, welches davon zur welchen Seite gehört und dies war momentan sowieso zweitrangig.
Schließlich war da noch ein drittes Schiff, das von Westen her kam und größer war als die restlichen und mit rascher Fahrt auf den Kampf zuhielt, der immer noch von dem Spatz umflogen wurde.
Das Jahr auf dieser Welt betrug 1802 n. C. und es war die Ära der napoleonischen Kriege. Dem-entsprechend war die eine Seite bei dieser kleinen Seeschlacht französisch und die andere britisch. Den Namen der Schiffe und der jeweiligen Kapitäne oder auch nur die Missionen mit denen sie unterwegs waren, ist für den folgenden Verlauf unwichtig. Wichtig ist einzig und allein nur der Ausgang von diesem Kampf.

>>Ian<<, schrie Robin so laut er nur konnte und trotzdem gingen seine Worte im Tosen der Schlacht beinahe unter. >>Komm hierher! Sofort! Ich brauche etwas Hilfe!<<
Der Angesprochene wandte den Kopf und sah zu seinem Freund hinüber. Eine Kanonenkugel zische vorbei und zerfetzte einen Mann der in seiner Nähe stand. Mit einem Schlucken verließ Ian Gethrow sein Versteck und rannte auf seinen Freund zu, während ein weiteres Geschoss die Reling durchbrach und einige Holzsplitter ihn nur knapp verfehlten. Ein beißender Geruch aus Blut und Rauch lag in der Luft.
Er hielt eine geladene Pistole in der Hand, die er einen toten Fähnrich abgenommen hatte und er lief leicht geduckt, um nicht als Ziel für die Franzosen zu posieren. Das Schiff erzitterte unter ihm als sie selbst eine Salve abfeuerten und beim Feind mehrere wuchtige Einschläge auslösten. Die Schiffe waren so nahe beieinander, dass man beinahe entern konnte, doch darauf schienen es die Franzosen nicht anzulegen und hatten stattdessen vor sie zu versenken und wenn dies so weitergeht, würde es auch dazu kommen.
Ians wachsamen, dunkelgrünen Augen bemerkten einen kurzen Schatten der über das Schiff hinweg flog. Es hat ausgesehen wie ein kleiner Vogel. Vermutlich war es Nevilles kleiner Spatz gewesen, den er mit an Bord genommen hatte. Der Typ schien eine gewisse Faszination für solche Wesen zu hegen und sein Notizblock war voll mit Zeichnungen von Adlern, Falken, Tauben oder Möwen. Für ihn war es selbstverständlich einen Vogel mitzunehmen und im Notfall konnte das kleine Vieh auch als eine Bereicherung des Speiseplans für ihn dienen.
Wie der Spatz entkommen war konnte Ian nicht sagen, aber vermutlich hat eine Kugel den Käfig beschädigt und vielleicht war auch die Kiste in der dieser lag dabei ins Meer gestürzt.
Er sprang über einen toten, am Boden liegenden Kameraden und erreichte Robin, der sich über einen Verwundeten beugte, dessen Brustkorp von Splittern geradezu durchdrungen war. Es war ein Wunder, dass der Mann noch lebte.
>>Bring ihn nach unten<<, brüllte Robin während ein weiterer Teil des Schiffes hinter ihm von einer Kanonenkugel zertrümmert wurde. >>Ich bleibe hier und kümmere mich um die Franzmänner.<<
Ian nickte, packte den Verletzten unter den Achsenhöhlen und zerrte ihn in Richtung der Luke. Robin dagegen hob seine Muskete, die er sich vor kurzem von einem Infanteristen >ausgehliehen


Teil 1: Aktivierung




Teil 1.1



Die Maschine beginnt sich hochzufahren,
wenn ein erste Kontakt zwischen den beiden Zielwelten hergestellt wird.
Dies hat große Folgen für die Oberfläche des Planeten und verändert sein Angesicht
vollkommen.
In dieser ersten Phase muss ein zufälliger Mensch ausgewählt werden, um den
Zielmarker zu bekommen.
Er soll diesen bis zu dessen Einsatz aufbewahren.




Aus der Bibliothek von Gehael:

Archiv Blau. Artikel Nr. 300926-B.

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Welt: Erde



Klasse: Welt der ersten Generation

Syratquelle: Nicht vorhanden

Intelligente Rassen: Eine

Art der Intelligenten Rasse(n): Mensch

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Geografie:
Die Erde besitzt mehrere Klimazonen, deren Vielzahl von großen Eisflächen im Norden und Süden, über gemäßigte Zonen bis hin zu Wüsten und Tropenwäldern am Äquator reichen.
Ungefähr zwei Drittel des Planeten sind mit Wasser bedeckt und die Landmassen bilden insgesamt sieben Kontinente. Der erste ist Europa und ist äußerst zerfleddert. Im Norden gibt es eisige Nordmeere und im Süden das eher warme Mittelmeer. Der Kontinent hat größtenteils gemäßigte Klimaverhältnisse mit unterschiedlichen Jahreszeiten.
Unter Europa und dem Mittelmeer befindet sich das massive Afrika, das im Norden etwas breiter ist als im Süden. Das Land wird größtenteils von Wüsten, Savannen und Tropenwäldern bedeckt und die Temperaturen sind wesentlich höher als in Europa. Im Norden befindet sich übrigens auch die größte Wüste de Erde, die Sahara.
Östlich von Afrika erhebt sich der größte Kontinent Asien, an dem auch Europa hängt. Wegen der riesigen Dimensionen hat dieser Kontinent auch viele verschiedene, klimatische Zonen. Von Eis- und Sandwüsten, über Dschungel und gemäßigte Zonen ist hier alles vorhanden. Im südlichen Teil befindet sich das höchste Gebirge der Erde, der Himalaja, dessen Gipfel teilweise achttausend Meter Höhe erreichen. Südlich von Asien und hinter mehreren tropischen Inselketten befindet sich Australien, dessen Mitte von einem trockenen Ödland ausgefüllt wird. An den Küsten dagegen sind Gegenden die zum Teil an Europa erinnern und im Norden gibt es auch kleine Tropenwälder.
Östlich von Asien befindet sich das größte Meer der Erde: Der Pazifische Ozean. Hinter diesem liegt der Doppelkontinent Amerika der sich in Nord- und Südhälfte teilt.
Nordamerika hat ähnliche Bedingungen wie Europa und in dessen Mitte befindet sich eine große Gebirgskette, die Rocky Mountains genannt wird. Auch hier gibt es im südlichen Teil Wüsten, wenn auch nicht so groß wie die in Afrika oder Asien.
Unter Nordamerika befinden sich das schmale Mittelamerika, das den Norden und den Süden des Doppelkontinents verbindet, sowie einige Inselgruppen. Diese Gebiete sind tropisch geprägt, genau wie Südamerika, das fast ausschließlich von dichten, feuchten Urwäldern bedeckt ist. Auch hier gibt es einen lange Gebirgskette, die Anden, die von Norden nach Süden reichen.
Zwischen Amerika und Europa befindet sich der atlantische Ozean und es gibt ein drittes großes Meer, den indischen Ozean, der von der Ostküste Afrikas, der Südküste Asiens und der Westküste Australiens eingerahmt wird.
Der letzte Kontinent ist die Antarktis und liegt am Südpol. Die ganze Landmasse ist von Eis bedeckt und nur an einigen Stellen ragen die Gipfel von Bergen aus dem Schnee.

Bevölkerung:
Beträgt momentan rund sieben Milliarden Menschen und ist damit die bevölkerungsreichste aller Welten.
In Nordeuropa, Nordamerika und Australien leben größtenteils Menschen mit heller Hautfarbe. In den Regionen um das Mittelmeer, den Wüstengebiete von Nordafrika, den südwestlichen Teil Asiens und Mittel- und Südamerika ist die Hautfarbe eher olivenfarben. Die Menschen im restlichen Afrika sind dunkelbraun und die in Asien gelblich mit leicht geschlitzten Augen.

Völker, Nationen und Kulturen:
Die Erde gehört zu den Welten der ersten Generation, also mit natürlicher Evolution, und ist damit sehr alt. Auch scheint sie die ersten Menschen der Sphären hervorgebracht zu haben, was auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken lässt. Wenn man dann noch die vergleichsweise schon immer sehr hohe Bevölkerung mitrechnet, ergibt dies eine riesige Sammlung an verschieden Gebräuchen, Traditionen, Kulturen und alten Zivilisationen, die so gesehen wahrscheinlich einzigartig ist. Wegen dieser schieren Menge wurde für die Erde ein extra Archiv angelegt auf das ebenfalls zugegriffen werden kann und in der alle gewünschten Informationen verfügbar sind. Außerdem kann man die Erde wegen ihrer langen Geschichte gut als Beispiel für die Beschreibungen weiterer Welten nehmen, da sich viele Völker (ob untergegangen oder nicht) auf der Erde mit anderen außerhalb ihres Universums vergleichen lassen können. Zwar kann man dies nicht immer tun und die Kulturen gleichen sich auch nie eins zu eins, aber die verschiedenen Merkmale sind unverkennbar. Vermutlich ist dies kein Zufall und wahrscheinlich hat das Schöpferwesen hier in irgendeiner Weise eingegriffen, bevor es sich zurückzog. Über das >warum




Aus der Bibliothek von Gehael:

Archiv Rot. Artikel Nr. 240158-A.

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Die Verdrehung.



Auf insgesamt fünf Welten in den Sphären gibt es die sogenannte Verdrehung. Ein Phänomen, das bis heute nicht entschlüsselt werden konnte und vielen Gelehrten noch Kopfzerbrechen beschert, dass es einfach nicht mit der gängigen Logik vereinbar ist.
Der Kern der Verdrehung sind die Sagenbereiche von einigen Kulturen auf den jeweiligen Realitäten, wo die Titanen und die Olympias noch vorkommen, nur mit dem Unterschied, dass die Rollen von Schöpfer und Erschaffenen vertauscht sind. So sind also Uranos und Gaia diejenigen, von denen später die Olympias hervorsprangen, die dann gegen die Titanen rebellierten, was das genaue Gegenteil von den Fakten ist.
Die berühmteste der betroffenen Welten ist die Erde. Die anderen vier heißen Oljas, Mimagosgo, Latith und Vao.
Laut einer sehr populären Theroie soll ein gewisser Gethrog Athec dafür verantwortlich sein, ein Schauspieler und Geschichtenerzähler von der Welt Haratom, die zu Zeiten vor dem großen Krieg in einer Grenzregion der Sphären lag, mit nur wenigen Verbindungsrouten zu anderen Realitäten.
Diese Welt war rückständig und rebellisch gewesen und es herrschte eine große Abneigung gegen die Olympias vor, was vor allem an den brutalen Raubbau lag, den Hephaistos hier betrieben ließ, damit seine Fabriken auf seinen Hauptwelten immer genug Rohstoffe zur Verfügung hatten. Als dann die Titanen erschaffen wurden, unterstützen die Bewohner diese dann mit großer Begeisterung und gehörten auch zu den Ersten, die sich Kronos Rebellion anschlossen.
Um ihre Loyalität zu beweisen wurden einige Jahre vor dem großen Krieg eine Reihe von Liedern und Gedichten mit satirischen Hintergedanken von den Bewohnern Haratoms niedergeschrieben, in denen die Titanen möglichst positiv dargestellt werden. Kronos wird dort oft als >der Mächtige< bezeichnet, was in der vorherrschenden Sprache der Welt auch >Vater< bedeutete.
In dieser Zeit wurde Gethrog Athec geboren und wegen seines Berufs kam er natürlich mit diesem Stoff sehr stark in Verbindung. Da er neben seinen Auftritten in Theatern und Zirkussen, sein Gehalt auch noch mit Raubüberfällen auffüllte, war er eines Tages gezwungen seine Welt zu verlassen und wurde so zu einem Sharek al’Uneroth.
Seine Flucht zog sich quer durch die Sphären, wo er sein großes Raffinesse mehrmals bewies, und landete schließlich auf die Erde, die eine Welt der ersten Generation ist und damit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Olympias und Titanen lag. Allerdings schien er noch immer irgendwie Kontakte außerhalb der Welt gehabt zu haben, da er später noch alle Einzelheiten vom großen Krieg wusste, der ein Jahr später ausbrach.
Was genau er anschließend auf der Erde getan hatte und vor allem aus welchen Gründen ist unbekannt, aber es ist offensichtlich, dass er großen Anteil an den späteren Glauben der Griechen und Römer besaß. Als Sharek al’Uneroth mit einem langem Leben gesegnet formte er über zweieinhalbhundert Jahre die Mythologie der griechischen Halbinsel, wobei er sich sogar die Mühe machte alles schlüssig mit bereits vorhanden Sagen und Glaubensrichtungen zu verbinden, vermutlich um den Einheimischen die Umstellung zu vereinfachen. Geschickt schaffte er es auch seinen eigenen Namen über die Jahrzehnte zu verschleiern, indem er hunderte von Pseudonymen verwendete und meistens auch mehrere gleichzeitig.
Somit verfremdete er viele Tatsachen und schrieb ganze Aspekte der Schöpfungsgeschichte um oder ließ sie ganz weg. Interessant ist, dass am Ende bei ihm dennoch die Olympias gewinnen, was darauf schließen lässt, dass er, obwohl er von Haratom stammte, trotz allem ein Gegner der Titanen war. Wieso er aber die Rollen von Uranos und Zeus vertauscht hat ist unklar, obwohl es die Theorie gibt, dass Athec hier einfach etwas Machtwillkür genossen hat, mit dem Wissen alles so gestalten zu können wie es ihm passte, ohne dass es jemanden kümmerte.
Am Ende verfiel er dann vermutlich wie jeder andere Sharek al’Uneroth durch die lange Lebensspanne dem Wahnsinn und wurde höchstwahrscheinlich dann in einem blutigen Rausch von irgendwem getötet.
Allerdings schien er einen oder mehrere Schüler bzw. Anhänger gehabt zu haben, die anschließend mit seinem Weltenspringer zu den vier anderen, noch vom großen Krieg verwüsteten Welten gereist waren und dort seine >Lehren




Rechtfertigt ein gutes Ziel ein grausames Handeln?
Für die meisten Menschen wird diese Frage nie zur Bedeutung werden.
Opfer sind dennoch oft in schweren Situationen unumgänglich.



Welt: Erde.
Bevölkerung: 7 Milliarden.
Mit steifen Gliedern kämpfte sich Sebastian Denner aus dem Bett und gähnte ausgiebig. Strahlendes Sonnenlicht ergoss sich vom Fenster her in sein Schlafzimmer und blendete ihn. Es war ein wirklich herrlicher Augustmorgen, doch momentan bekam er allerdings nicht sehr viel davon mit.
Halb blind stolperte Sebastian ins Badezimmer, um kurz unter Dusche etwas wach zu werden. Von unten hörte er bereits Jessica in der Küche hantieren und aus Christins Zimmer war etwas Geigenmusik zu vernehmen. Wie schafften es die beiden nur so früh schon so hellwach zu sein?
Ein weiteres Gähnen stieg in seiner Kehle hoch, während er das Wasser andrehte. Die gestrige Nacht war die Hölle gewesen. Bis beinahe ein Uhr morgens hatte er in seinem Büro in der Bank gesessen, doch der Lohn dafür war der heutige, lang verdiente, freier Tag, bei dem er sich fest vorgenommen hatte wieder mal etwas mit seiner Familie zu unternehmen - sofern er nicht im stehen einschlief.
Nach zwölf Minuten ausgiebigen Waschens, bei dem er kaltes Wasser benutzte um wirklich aus der Müdigkeit zu kommen, trocknete er sich ab, zog sich an und ging nach unten.
Eine Tasse Kaffee erwartete ihn bereits, als er in die Küche trat und Jessica, die gerade ein paar Brötchen warm machte, sah auf und lächelte ihn an.
Sie war eine schöne Frau mit einem blassen Gesicht, in dem große, dunkelbraune Augen lagen. Sie hatte langes, hellbraunes Haar und eine eher zierliche Statur.
>>Na<<, sagte sie, >>bist du also auch endlich auf den Beinen.<<
>>Jepp, bin ich<<, antwortete Sebastian knapp und schaltete mit der Fernbedienung die neben seinem Teller lag, das TV-Gerät in der Küche an. Dieser kurze Austausch von Wörtern war ein morgendliches Ritual und war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen.
Jessica nickte und wandte sich wieder dem Essen zu. Dabei bemerkte Sebastian, ebenfalls wie jeden Morgen, den ständig vorhandenen traurigen Glanz in Ihren Augen. Seit er sich erinnern konnte, hatte sie eine gewisse Trostlosigkeit an sich. Schon damals vor dreizehn Jahren, als sie sich in dieser kleinen Bar kennengelernt hatten, hatte sie bekümmert gewirkt, so als würde sie etwas tief von innen heraus auffressen.
Er hatte sie natürlich schon einige Male darauf angesprochen, aber sie hatte immer abgeblockt. Nach einigen seiner Versuche hatten sie teilweise sogar tagelang nicht mehr miteinander geredet. Was immer sie auch beschäftigte, momentan schien sie nicht bereit zu sein darüber zu reden und Sebastian musste sich wohl oder übel damit abfinden.
>>Geht es dir gut?<<, fragte er vorsichtig und trank einen Schluck Kaffee. Er schmeckte so gut wie immer, aber in diesem Augenblick konzentrierte er sich allein auf die Person, mit der er nun elf Jahre lang verheiratet war.
Ihre Finger hielten kurz in der Arbeit inne und ihre Schultermuskulatur verkrampfte sich. Sie wusste genau was hinter dieser einfachen Frage steckte.
Doch nach kaum einer Sekunde wandte sie sich ihm wieder zu und stellte ein perfektes, falsches Lächeln zur Schau. >>Natürlich<<, sagte sie, >>mir geht es gut.<<
>>Wenn du meinst<<, erwiderte Sebastian und wandte sich wieder dem Fernseher zu. Allerdings fügte er noch ein kurzes, aber ehrlich gemeintes >>Ich liebe dich<< hinzu.
>>Und ich dich.<< Ihres war leiser gewesen und sie hatte ihm wieder den Rücken zugekehrt. Aber auch bei ihr war es aus tiefsten Herzen gekommen.
Momentan liefen die morgendlichen Nachrichten und die neuen Meldungen wurden wie üblich lustlos von dem Moderator heruntergeleiert.
In irgendeinem Land im nahen Osten hatte es wieder einen Bombenanschlag gegeben, in Europa gab es gewalttägige Demonstrationen von jungen Leuten, in Indien hatte es einen Erdrutsch gegeben bei dem vierhundert Menschen gestorben waren und man hatte im Norden von Chicago eine kleine Katze aus einem Metallrohr befreit, in das sie gefallen war. Nichts Besonderes also.
Irgendwann tischte ihm Jessica die warmen Brötchen mit Butter und Schinken auf und er schlang sie gierig hinunter.
Plötzlich war ein schnelles Trappeln von der Treppe her zu hören und wenig später stürmte ihre achtjährige Tochter Christin in die Küche und setzte sich an den Tisch zu ihren Vater.
>>Morgen<<, sagte sie laut und machte sich über ihre heiße Schokolade und ihrem Frühstück her. Sie freute sich bereits seit Wochen auf diesen Tag und Sebastian konnte es ihr nicht verdenken.
>>Morgen Kleines<<, sagte er und sah nur kurz vom Fernseher weg, in dem gerade einige halbverhungerte afrikanische Kinder gezeigt wurden, die mit großen Augen in die Kamera starrten.
>>Morgen<<, sagte Jessica und kam mit ihrem eigenen Frühstück hinüber, um sich ebenfalls zu setzten. >>Hast du gut geschlafen Kleines?<<
>>Ja hab ich, Mama<<, antwortete Christin und wandte sich dann wieder ihrem Vater zu. >>Wann fahren wir los, Papa?<<
Die Nachrichten waren gerade vorbei und er schaltete den Fernseher ab. Dann drehte er den Kopf und sah hinaus zur Skyline von Chicago, die in der Sonne glitzerte. >>In vielleicht einer Stunde, Kleines. Geh am besten gleich nach dem Essen duschen, damit wir den guten Baxton nicht so lange warten lassen müssen.<<
>>Ja, Papa<<, antwortete Christin und biss ein weiteres Stück von ihrem Brötchen ab.
Mit einem Lächeln beobachtete Sebastian seine Tochter und fragte sich womit er sie und ihre Mutter verdient hatte.
Ihre Kleine war gewissermaßen der Traum der meisten Eltern. Sie beschwerte sich nie, war gehorsam, nett zu anderen Leuten, machte immer ihre Hausaufgaben und brachte gute Leistungen in der Schule. Sie hatte dazu einen ganzen Batzen Freudinnen und ging regelmäßig in – sehr teure – Klavier- und Balletkurse. Dazu kam noch eine Eigenart, in der sie sich stark von anderen Kindern unterschied. Sie liebt die Musik, allerdings keine der neuartigen Popsongs über deren Qualität man streiten konnte, sondern tatsächlich Klassik. Es war wirklich interessant, dass ein Mädchen wie Christin vollkommen begeistert von Bach, Mozart, Bellini und ähnlichen Komponisten begeistert sein konnte die seit mindestens zweihundert Jahren das Zeitliche gesegnet hatten und sie hörte ihre Stücke den gesamten Tag rauf und runter. Auch die Geige hatte es ihr angetan und sie zeigte auch Ambitionen dieses Instrument selbst zu spielen und schien es wesentlich mehr zu mögen als das Klavier. Sie begann sogar selbst zu komponieren. Möglicherweise lag es daran, dass Jessica während der Schwangerschaft aus einer Empfehlung heraus sich ebenfalls stundenlang solche älteren Werke angehört hatte – was bei ihr allerdings zu keiner Revolution ihrer Gehörgewohnheiten geführt hatte, eher im Gegenteil. Wegen ihrem Musikgeschmack wird ihre Kleine zwar des Öfteren natürlich von ihren Freundinnen gehänselt, aber sie nimmt es gelassen hin. Inwieweit sich dies alles ändert, wenn erst einmal die Pubertät einsetzte, wird sich zeigen müssen, aber es war natürlich nur zu hoffen, dass sie dann keine hundertachtzig Grad Wendung in ihrem Verhalten vollzog. Man sollte im Prinzip sogar lieber dafür beten.
Während des restlichen Frühstücks redete die Familie Denner nur noch über winzige Kleinigkeiten und als Sebastian fertig war, ging er nach oben um sich die Zähne zu putzen.
Da er ja mit kaltem Wasser geduscht hatte, waren die Spiegel nicht beschlagen und so konnte er seine Erscheinung begutachten. Er war relativ dürr, obwohl er eigentlich recht viel zu sich nahm, und sein Gesicht wirkte ausgemergelt. Über seinen hellblauen Augen waren dichte, schwarze Augenbrauen und darüber einen zerzausten Haarschopf, gegen den selbst der beste Kamm nicht bestand.
Er erledigte den hygienischen Teil relativ schnell und ging anschließend wieder nach unten um die Sachen für den Ausflug zu packen. So eine Gelegenheit würden sie sicher nicht mehr so schnell bekommen.
Sebastian hatte für diesen freien Tag lange gekämpft und er würde ihn nicht versauen, egal was kommen würde. Jessica hatte gerade für eine knappe Woche Urlaub und Christin hatte Schulfrei, weil der bei den Schülern nicht sehr beliebte Direktor ihrer Schule an einem Herzinfarkt krepiert war und so momentan eine kurze Trauerzeit herrschte. Besser konnte es gar nicht gehen.

Eine knappe Stunde später schloss er die Tür ab und ging zum Auto. Christin zappelte bereits ungeduldig an dem hinteren Türgriff herum, um endlich einsteigen zu können. Sie trug ein blaues Shirt, eine Jeans und eine eckige Sonnenbrille.
Jessica stand direkt daneben, mit übereinander gekreuzten Armen und in einem langen, sehr hellen, blauen Kleid, das die Arme freiließ. Es hatte keine erkennbaren Verzierungen und war schlicht geschnitten. Trotzdem wirkte sie darin umwerfend. An den Füßen trug sie Sandalen. Sie lächelte ihn kurz an, dann sah sie wieder zu ihrer Tochter hinunter.
Sebastian lächelte ebenfalls und schloss mit einem schnellen Klick das Auto auf. Er hatte sich für eine dunkle Jeans und einem grauen Hemd entschieden. Auf der Nase trug er ebenfalls eine Sonnenbrille.
Christin stürmte sofort ins Innere des Wagens und schnallte sich an und blickte ihre Eltern dann mit Augen an, die eindeutig sagten: >>Beeilt euch, bitte!<<
Sebastian stieg mit einem Ächzen hinter das Steuer, während seine Frau neben ihm Platz nahm. Er startete den Motor und fuhr die Einfahrt hinunter.
Als er auf die Straße abbiegen wollte, bemerkte er eine Gestalt die beim Nachbarhaus an der Straße zu warten schien. Es war der asiatische Mann, der dort wohnte. Er trug einen Anzug mit Krawatte und hielt eine Aktentasche in der Hand. Es war offensichtlich, dass er heute nicht das Privileg eins freien Tages genoss. Die Frage war jetzt nur, worauf er wohl wartete.
Sein Auto steht nicht in der Einfahrt, dachte Sebastian, es könnte aus irgendeinem Grund in der Werkstatt sein und jetzt wartet er auf eine arrangierte Mitfahrgelegenheit.
Dieser Verdacht bestätigte sich, als der Mann ungeduldig auf seine Armbanduhr starrte und dann genervt die Straße entlang blickte.
Beim Vorbeifahren schenkte Sebastian seinem Nachbarn, mit dem er nie wirklich gesprochen hatte und von dem er noch nicht einmal den Namen kannte, ein aufmunterndes Nicken was auch erwidert wurde, wenn auch mit einem finsteren Blick.
Der arme Kerl. Gott sei Dank muss ich nicht heute zur Arbeit. Mit diesem schönen Gedanken im Kopf fuhr er weiter.
Ja, heute würde ein ganz besonderer Tag werden.

Eine halbe Stunde später erreichten sie den Columbus Park. Allerdings mussten sie noch ein Weilchen um einen Parkplatz kämpfen, doch schließlich konnten sie Fuß auf ihr Ziel setzten.
Baxton erwartete sie bereits mit einem dicken Grinsen im Gesicht und schüttelte Sebastian und Jessica die Hand, während er Christin hochhob und herumschleuderte. Das kleine Mädchen quittierte dies mit hellem Lachen.
Baxton Gedfield war ein Arbeitskollege von Sebastian und dazu noch bester Freund und Partner beim wöchentlichen Tennisspiel. Er hatte sich ebenfalls für heute von der Bank freigekämpft.
>>Wo sollen wir uns denn einquartieren?<<, fragte er und deutete auf die Wiese wo bereits einige andere hundert Familien das schöne Wetter genossen. >>Die Schattenplätze sind bereits alle weg, aber mit ein wenig Sonnenmilch könnten wir uns, glaub ich, auch ruhig mitten in die pralle Sonne setzen, oder?<<
>>Was immer du sagst, Baxton<<, erwiderte Sebastian und hielt direkt auf eine große, freie Grasfläche zu und bereite dort die Decke für das Picknick aus. >>Schade, dass Claire nicht mitkommen konnte.<<
>>Ja, sowas nennte man halt Pech. Sie hat wirklich versucht sich heute irgendwie einen freien Tag zu ergattern, aber ihr Arsch von einem Chef war ziemlich dagegen. Vermutlich will er ihr weiterhin auf den Hintern starren und sich daran erinnern wie seine eigene Frau früher einmal war.<< Er fügte am Ende noch ein Lachen hinzu, in das Sebastian auch einstimmte.
Baxton konnte man im Prinzip nur mit einem Wort beschreiben: Sympathisch. Er schaffte es immer irgendwie für Laune zu sorgen, hatte eine naive, unwissende Art, eine fürchterliche Allgemeinbildung und versuchte in allem etwas Positives zu sehen. Er führte zusammen mit seiner Frau ein recht lockeres Leben, das so gar nicht zu einem Bankier passen wollte. Sie gingen extrem oft aus, besuchten Konzerte von Popbands und waren beide an Stellen tätowiert die nur wenige Leute zu Gesicht bekamen. Außerdem gehörten sie zu der Sorte Ehepaaren die sich gemeinsam vor einem großen HD-Fernseher Pornos ansahen. Wenn man es ganz genau nahm, war er ein leuchtendes Beispiel, wenn es darum geht, sein Leben so zu führen wie man es wollte und ohne Einmischung anderer. Vom Aussehen her war nicht zu übersehen, dass irgendwer in seiner Familie mexikanischen Ursprung war. Seine Haut war dunkel und sein schwarzes Haar bildete eine wilde Löwenmähne.
Während er und Baxton alles aufbauten, war Christin auf Entdeckungsreise gegangen und Jessica packte das Essen aus, während sie dem Gespräch der beiden Männer lauschte. Das war etwas was sie oft tat. Zuhören. Sie drängelte sich selten in den Vordergrund und beteiligte sich so gut wie nie an Gesprächen, sondern stand nur kaum wahrnehmbar neben ihrem Mann. Auch damals in der Bar hätte er sie beinahe übersehen, wenn er nicht über eine leere Bierflasche gestolpert und beinahe in sie hineingefallen wäre. Er glaubte auch, dass dieses Verhaltungsmuster etwas mit ihrer immer vorhandenen Traurigkeit zu tun hat.
Sie redeten über verschiedene Themen. Ihren Job, Tennis, Autos und Football. Nach einer Weile kam Christin mit einer Gruppe neuer Freunde zurück und spielte mit ihnen in der Nähe Verstecken. Ein Ehepaar das sich als die >Whites


Teil 1.2



Aus der Bibliothek von Gehael:

Archiv Rot. Artikel Nr. 004185-A.
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Die Besonderheiten der Welten



Hier ist eine kurze Sammlung von grundlegenden Punkten, die die Sphären etwas genauer erläutern:

- Die Welten der ersten Generation haben eine normale Evolution erlebt, besitzen fast immer die gleiche Fauna und Flora und verfügen über keine Syratquellen. Sie werden meisten von Menschen bewohnt und haben auch immer dieselbe Größe und nur einen Mond und eine gelbe Sonne (bestes Beispiel ist die Erde).
- Die Syratquellen sorgen bei vielen Welten der zweiten Generation dafür, dass es dort im Allgemeinen erdähnliche Zustände gibt. Es gibt zwei Formen von ihnen:
1. Die Energieströme: Sie durchziehen die Welten wie Spinnennetze und sind gewöhnlich unsichtbar. Ihre Beschaffenheit ist auf jeder Welt verschieden. Auch hier gibt es zwei Formen. Die eine heißt Treha und durchzieht alle Lebewesen der entsprechenden Welten. Es ist eine Wechselwirkung, bei der das Treha von den Lebewesen seine Kraft bezieht, um die Welt zu erhalten. Dieser Strom kann leichter angezapft werden als der andere. Der Zweite nennt sich Tralen und dieser fließt unter der Oberfläche oder am Himmel der Planeten und braucht die Lebewesen über oder unter sich nicht als Kraftmittel. Er ist autark und regeneriert seine eigene Energie. Der Tralen ist mitunter durchaus sichtbar und ist nicht so leicht so kontrollieren wie das Treha, dafür aber im Allgemeinen stärker.
2. Die Machtzentren: Im Gegensatz zu den Strömen sind die Zentren große Konzentrationen von Energie die leicht außerhalb der Realität der Welten in eine Art Blase oder Kokon liegen. Sie haben zwar Wirkung auf ihre jeweiligen Welten und sind auch in gewisser Weise mit ihnen verbunden, durchfließen diese aber nicht. Um sie anzuzapfen muss man dann gewissermaßen die Wirklichkeit etwas durchbrechen.
Bei beiden gibt es je nach Welt gewisse Unterschiede. Seit dem Großen Krieg existiert dazu noch eine Unterform: Die Überwesen. Dies sind sehr mächtige Lebensformen, die allerdings bei weitem nicht an die Stärke der Olympias oder der Titanen heranreichen, aber dafür gewöhnlich auch keinen in irgendeiner Weise erfassbaren Körper oder gar ein vollentwickeltes Bewusstsein besitzen. Sie wurden während des Krieges von beiden Seiten erschaffen, um die Schlachten zu unterstützen oder andere Aufgaben zu erfüllen, die für den Verlauf der Kämpfe wichtig waren.
Nachdem ihre Erschaffer aber getötet bzw. verbannt wurden und so ihre Verbindung mit ihnen unterbrochen wurde, verloren die überlebenden Überwesen zu großen Teilen ihr Gedächtnis und sie ließen sich einzeln oder in Gruppen auf bestimmte Welten nieder und zapften die dortigen Syratquellen an um am Leben zu bleiben. Je nach Zweck ihrer Erschaffung haben sie unterschiedliche Charaktereigenschafften. Einige waren gutherzig, andere wiederum bösartig. Manche unterstützen die Menschen und gaben ihnen die Möglichkeit, wie bei Syratquellen, Kraft von ihnen anzuzapfen. Andere dagegen wollten ihnen Leid zufügen oder gleich die Welt für sich vollkommen neu gestalten. So entbrannten hier und da kleinere Kriege zwischen ihnen. Viele der Überwesen wissen nichts mehr von den Olympias, den Titanen, den großen Krieg oder gar von der Existenz anderer Welten. Ein Großteil ihres Gedächtnisses war verschwunden, nachdem ihre Erschaffer von ihnen getrennt wurden.
- Die intelligenten Bewohner mancher Welten können ihre Syratquellen anzapfen (wenn auch meistens nur kleine Personengruppen mit speziellen Erbanlagen) und mit ihnen gewisse Kräfte freisetzen, die sich jeweils an der entsprechenden Quelle anpassen. Bei manchen Welten ist dies aber nicht möglich und in anderen erst mit Hilfe der aufgetauchten Überwesen.
Ohne ihre Syratquelle wird eine Welt meistens komplett vernichtet und es bleibt nur ein toter, lebloser Brocken zurück, der durch das All treibt.
- Die Hauptaufgaben der Syratquellen ist es den meisten Welten angenehme Bedingungen zu geben, damit Leben auf ihnen gedeihen kann. So sorgen sie z.B. für gemäßigte Gezeiten, obwohl der Planet drei große Monde besitzt, erzwingt eine erdähnliche Gravitation, obwohl die Masse der Welt wesentlich kleiner ist oder sie geben der Atmosphäre eine angenehme Temperatur, trotz der Tatsache, dass eine unbarmherzige rote Sonne am Himmel brennt.
- Nicht alle Syratquellen beschränken sich nur darauf ihre Welt lebensfreundlich zu machen. Sehr viele verleihen den Planeten auch einzigartige Eigenarten, die äußerst fantastische Formen besitzen können.
- Nach dem großen Krieg sind so gut wie alle Welten die unter Herrschafft der Olympias oder der Titanen standen im Chaos versunken und die Bewohner vergaßen größtenteils die alte Zeit oder diese verwandelte sich in bloße Legenden. So beginnt bei vielen die Geschichtsschreibung erst vor gut dreitausend Jahren. Entwicklungstand, Kultur, Landschaften, Völker, Lebewesen und ähnliches ist bei den meisten Welten grundlegend verschieden.

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Ende des Artikels.




Aus der Bibliothek von Gehael.

Archiv Blau. Artikel Nr. 310471-B

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Welt: Erebos



Klasse: Welt der zweiten Generation

Syratquelle: Energiestrom (Tralen) und Überwesen (eingeschlossen)

Intelligente Rasse(n): Drei

Art der intelligenten Rasse(n): Mensch, Zentaur, Minotaur

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Geografie:
Erebos besitzt einen extrem starken Energiestrom, der eine besonders große Wirkung auf die Welt besitzt. Bei vielen anderen bewohnten Planeten gibt es nur Land und Meer auf der Oberfläche. Bei Erebos dagegen schweben die Kontinente, getragen von dem Energiestrom, in mehreren Kilometern Höhe. Die großen Landmassen besitzen demnach also keine Küsten im traditionellen Sinne, sondern zerfurchte Ränder. Unter den Kontinenten befindet sich der Magmamantel, der ebenfalls mithilfe des Energiestroms immer wieder erhitzt wird, damit sich keine Steinkruste an dessen Oberfläche bildet. Die Entfernung zwischen Landmassen und Mantel beträgt zehn Kilometer und das Meiste, was herunterfällt, verdampft in der Hitze bevor es das Magma überhaupt erreicht.
Erebos ist ein ganzes Stück kleiner als die Erde und hat nur vier Kontinente. Der mittlere und auch kleinste von ihnen ist Antrepas, der kreisförmig. Das Klima hier ist im Grunde gemäßigt, doch wegen des unfruchtbaren, felsigen Bodens und den vielen kleinen, spitzen Bergketten, die aus massivem Granit bestehen, wächst hier praktisch keine Pflanze und auch die Tierwelt ist nicht sehr üppig. Beinahe der gesamte Kontinent ist praktisch tot. Nur im Norden gibt es einige Gebiete die etwas fruchtbarer sind und wo Laubwälder zu finden sind.
Südlich von Antrepas befindet sich der Kontinent Cyraus, der L-förmig ist. Das Gebiet dort ist kalt und am südlichsten Punkt gibt es große Gletschermassen. Hier gibt es größtenteils Nadelwälder und der Sommer ist meist kurz.
Nördlich von Antrepas liegt Heolages. Dieser Kontinent ist langgestreckt und in der Mitte etwas gewölbt. Das Klima ist gemäßigt und mediterran. Im Norden kann man sogar einige kleine Tropengebiete finden. Eine große Bergkette, die Valuren, befindet sich im Süden und blockiert den Korridor mit Antrepas wie eine Mauer.
Der letzte Kontinent ist Geyo, eine ovale Landmasse nordöstlich von Heolages. Während die anderen drei Kontinente miteinander verbunden sind, ist Geyo vollkommen isoliert und schwebt allein über das riesige Meer aus Magma. Nur eine dichte Gruppe aus schwebenden Inseln, die Gohaen, bildet eine unsichere Brücke mit Heolages. Das Klima hier ist gemäßigt und eher Nordeuropäisch mit großen Laubwäldern. Hier befinden sich auch die großen Zenraseen, die die größte Wasseransammlung auf Erebos darstellen, zusammen mit dem See Ulias in der Mitte von Heolages.
Zu diesen vier Kontinenten und den Gohaen gibt es noch an den Rändern viele kleine Inseln oder blanke Felsbrocken, die einige hundert Meter höher oder niedriger als die Landmassen schweben können.
Meere gibt es auf Erebos nicht, nur Seen und Flüsse. Wenn die großen Wasserströme den Rand erreichen fallen sie in Form großer Wasserfälle in die Tiefe. In der Nähe des Mantels wird das Wasser von der warmen Luft wieder nach oben getragen und bildet große, weiße Wolken an den Rändern, die das Inferno in der Tiefe verdecken.
Mit Beihilfe des Energiestroms von Erebos werden diese Wolken wieder über die Kontinente gebracht und sorgen dort für Niederschläge damit der Wasserkreislauf wieder von vorn beginnen kann.
Erebos hat einen kleinen Mond der von braunem Staub bedeckt ist. Er hat keinen speziellen Namen.

Bevölkerung:
Erebos hat ungefähr zweihundertmillionen Einwohner. Die Menschen in Cyraus sind meistens hellhäutig und haben braunes Haar, genauso wie diejenigen in Antrepas (das eher dünn besiedelt ist). Die Bevölkerung in Heolages hat dagegen eine leicht gebräunte Haut und schwarzes Haar, während diejenigen in Geyo und den Gohaen gelbliche Haut haben, mit geschlitzten Augen und ebenfalls schwarzen Haaren.

Völker, Nationen und Kulturen:
Die Menschen auf den Kontinenten Antrepas, Cyraus und Heolages ähneln sich in vielerlei Hinsicht, was damit zusammenhängt, dass die drei Landmassen miteinander verbunden sind. Ihre Kultur erinnert stark an der von den alten Griechen und teilweise auch Römern auf der Erde. Seit dem großen Krieg vor dreitausend Jahren haben sie sich eher langsam entwickelt und ihre Lebensweise hat sich kaum verändert. Es gibt keine Nationen, sondern einfach nur große Städte, die einige Hundert Kilometer des umliegenden Landes und die dazugehörigen Dörfer und Plantagen kontrollieren. Jede dieser Städte hat eine einige Armee und versuchen so autark wie möglich zu bleiben. Die größten Siedlungen werden in der Regel von einer Mauer umrahmt, in deren Nähe immer die meisten Kasernen liegen, damit die Soldaten im Notfall schnell die Verteidigungsanlagen bemannen konnten. Dahinter kommen die gewöhnlichen Wohnviertel mit einstöckigen Häusern und Villen, deren Dächer mit roten Dachziegeln verlegt sind. Dazwischen gibt es dann immer wieder große öffentliche Badehäuser deren Eintritt frei ist. Meistens sind die Straßen nach strengen geometrischen Mustern ausgelegt und unter ihnen befindet sich eine Kanalisation, die den Unrat der Menschen in großen Abfallseen außerhalb der Befestigungsanlagen transportiert. Hinter den Wohnvierteln erhebt sich dann eine zweite Mauer, die etwas höher ist als die erste und hinter dieser befindet sich dann die Regierungs- und Gelehrtenviertel, sowie die Kornkammern und Lagerhäuser der Stadt. In diesen Gebieten erheben sich meistens auch die prunkvollen Universitäten, Akademien, Bibliotheken und auch die Rats- und Präfektengebäude. Hinzu kommt dann noch eine weitere Kaserne, deren Soldaten die letzte Verteidigungslinie bilden sollen, falls die anderen Stadtteile jenseits der zweiten Mauer überrannt werden.
In der Ökonomie von Erebos gibt es eher selten einzelne Handwerker, sondern große Manufakturen in denen Werkzeuge, Waffen, Kleidung und andere Güter in großen Mengen von hunderten von Arbeitern hergestellt werden. Die Waren werden dann in den Läden der besitzenden Oberschicht verkauft. Ein weiterer großer Teil der Bevölkerung ist auch in der Bürokratie beschäftigt, was auch die große Menge an Schulen erklärt, wo Kinder lesen und schreiben lernen. Viele Menschen sind auch in den Heeren oder arbeiten in anderer Weise für das Militär.
Auf dem Land gibt es dagegen Grundbesitzer die oft große Felder betreiben, auf denen bestrafte Verbrecher, Kriegsgefangene oder die Einwohner der Dörfer im näheren Umkreis arbeiten, um die Versorgung der Städte zu gewährleisten.
Die Gelehrten bilden eine besondere Bevölkerungsgruppe und sie sind meistens die Lehrer an den Schulen und auch die Wissenschaftler und Forscher der Städte. Sie bekommen Geld und eine Villa von der Stadt gestellt, sobald sie nach Jahren des Lernens ihren erhöhten Status erreicht haben und können so ohne große Behinderung sich mit ihren Experimenten oder philosophischen Fragen befassen.
Die Kleidung der gewöhnlichen Menschen besteht meistens aus groben Leinen und etwas Goldschmuck, dass oft über viele Generationen hinweg vererbt wird. Hosen werden selten getragen und stattdessen benutzt man weite Gewänder die bis zu den Füßen reichen. Die Männer tragen das Haar gewöhnlich kurz, während die Frauen es zu hohen Turmfrisuren aufbauen und dann mit Schmuckketten verzieren. Meistens achten sie auch darauf, dass ein oder zwei gelockte Strähnen seitlich an ihren Gesichtern herunterhängen. Allerdings gibt es auch viele Frauen die ihr Haar offen tragen. Die reicheren Schichten tragen meistens blaue oder rote Seide aus Geyo und die Frauen hier neigen dazu ihre Arme offen zu lassen, damit sie ihre Vielzahl an Armbändern zeigen können. Die Gelehrten und Ratsmitglieder tragen dagegen oft weiße Togen, damit sie in der Öffentlichkeit gut sichtbar sind. Es sollte noch erwähnt werden, dass die Bewohner von Cyraus wegen der Kälte in ihrer Heimat oft zu ihrer normalen Kleidung noch lange Fellmäntel tragen und statt Sandalen feste Lederstiefel besitzen.
Die Regierung der Städte besteht zum einen aus den Räten. Deren Mitglieder werden vom Volk gewählt und sie sind für die Gesetzgebung zuständig, bestimmen den Präfekten und sind auch für die diplomatischen Beziehungen mit anderen Städten zuständig. Der Rat einer Stadt hat in der Regel sieben Mitglieder. Zwei aus den unteren Schichten, zwei aus den oberen, einen Gelehrten, einen Vertreter der Grundbesitzer vom Land und einen aus dem Militär. Frauen können ebenfalls genauso wie Männer Ratsmitglieder werden und auch wählen. Der Präfekt einer Stadt sorgt dafür, dass die Gesetze des Rats auch eingehalten werden. Er soll für Recht und Ordnung auf den Straßen sorgen und spricht auch Urteile an Verbrechern. Er empfängt dazu auch die Diplomaten anderer Städte. Außerdem hat er dazu den Oberbefehl über die Armee, auch wenn er nicht selbstständig einen Krieg beginnen kann, da dies in die Entscheidungsmacht des Rates liegt. Seine Amtszeit ist für gewöhnlich lebenslänglich, auch wenn er durch bestimmte Umstände abgesetzt werden kann.
Das Militär der Städte besteht aus gut ausgebildeten Berufsarmeen und nicht aus Milizen oder Söldnern. Auch hier ähnelt vielem den alten Griechen. Die Soldaten tragen ähnliche Kleidung wie die antiken Hopliten oder die Phalanx. Geschützt werden sie durch einen metallischen Brustpanzer, einen konischen Helm, einen aus dünnen Eisenplatten und Leder bestehenden Waffenrock, sowie Arm- und Beinschienen, die aber jeweils nur von den Füßen bis zu den Knien bzw. vom Handgelenk bis zum Ellenbogen reichen, damit der Soldat noch ein wenig Bewegungsfreiheit besitzt. Bei der Bewaffnung teilt sich die Armee in mehreren Klassen. Nur der große, runde Schild aus Metall ist bei allen Nahkampfeinheiten gleich. Die Hetrax sind die Speerkämpfer der Streitkräfte. Ihre Waffe ist ungefähr drei Meter lang. Sie haben meistens eine eher unterstützende Rolle, da sie nicht so perfektionierte Kampftaktiken besitzen wie die Phalanx von Alexander dem Großen auf der Erde. Weitaus häufiger sind die Kalypsen, die das Rückgrat jeder Armee bilden. Diese Soldaten benutzen kurze Schwerter, deren Klingen in der Mitte etwas schmaler sind. Die Fernkämpfer werden Olypsen bzw. Sintrea genannt. Die ersteren sind Bogenschützen und die anderen Speerwerfer. Im Gegensatz zu den Nahkämpfern tragen sie leichtere Rüstungen aus gegerbten Leder und das Gesichtsfeld ihrer Helme ist ebenfalls größer. Es gibt schließlich noch die Malyren, die Tierbändiger, auf die später eingegangen wird. Jeder dieser Klassen hat ein anderes Training und andere Wohnbereiche in den Kasernen. Freund und Feind wird mithilfe eines Schweifes aus gefärbtem Pferdehaar unterschieden, der sich oben auf den Helmen befindet und zum Nacken hinunterreicht.
Die Armeen sind nach folgendem Schema aufgebaut: Je hundert Mann werden zu einer Einheit zusammengefasst, die von einem Gruppenführer und einem Standartenträger geführt werden. Zehn Einheiten bilden ein Bataillon und werden von einem General befehligt. Alle Bataillone wiederum stehen unter dem Befehl eines Legaten, der gewissermaßen, neben den Präfekten der Stadt, den Oberbefehl über die Streitkräfte hat. Im Gegensatz zu den normalen Soldaten haben die verschiedenen Ränge der Gruppenführer, Generäle und Legaten gepanzerte Platten auf den Schultern, auf denen ein Symbol gemalt ist, das es einem sofort erlaubt zu erkennen wem man gegenübersteht und ob man salutieren soll oder nicht. Atregaten (siehe später mehr dazu) werden grundsätzlich immer in den Militärdienst gezwungen, sobald ihre Fähigkeit festgestellt wurde. Wegen ihres Nutzens kommen sie oft aber in hohe Ränge und dazu haben sie eigene private Bereiche in den Kasernen und genießen gewisse Vorzüge, die nur ihnen zustehen.
Bei einem Krieg zwischen zwei oder mehreren Städten werden die Einheiten der verschiedenen Klassen in strengen Formationen über das Schlachtfeld geführt, in dem Versuch die feindlichen Generäle dazu zu bringen einen Fehler zu begehen und die Linien zu durchbrechen. Die Hetrax nehmen dabei fast immer defensive Tätigkeiten ein und bewachen strategisch günstige Orte wie Dörfer oder Hügel für die Katapulte oder Olypsen. Die Kalypsen greifen dagegen aktiv den Gegner an und versuchen seine Stelllungen zu überrennen. Dicht hinter ihnen stehen meistens die Sintrea und schleudern ihre Speere. Desweiteren setzten die Generäle bei den Kämpfen auch die anderen Wesen von Erebos ein, auf die nun eingegangen wird:
Neben den Menschen gibt es in dieser Welt noch zwei andere intelligente Rassen. Die erste davon sind die Zentauren. Diese Geschöpfe haben den Oberkörper eines normalen Menschen, aber darunter den von einem Pferd. Sie haben eigene Siedlungen und Felder, die allerdings oft in der Nähe menschlicher Städte gebaut sind. Ihre Häuser sind meistens aus geschnitztem Holz und besitzen keinen Boden, da die Pferdemenschen diese nicht benötigen. Die Zentauren sind äußerst wetterfest und verbringen den Großteil ihrer Zeit im Freien. Sie haben eine gewisse Faszination für das Jagen und durchstreifen oft stundenlang mit ihren Bögen die Wälder nach Wild. Sie teilen sich in mehreren Enklaven, die jeweils meistens mit irgendeiner Menschenstadt verbündet sind. Der Anführer einer Enklave wird Großläufer genannt und er wird von den Führern der Siedlungen gewählt und spricht danach uneingeschränkt für die gesamte Enklave. Die Zentauren sind schon immer gut mit den Menschen ausgekommen und viele ihrer Bündnisse bestehen schon seit Jahrtausenden. Viele Zentauren, egal ob Mann oder Frau, arbeiten sogar für Menschen und da sie körperliche Arbeit sehr schätzen sind sie sich auch nicht zu Schade, um einen Pflug zu ziehen oder in einem Steinbruch dabei zu helfen Granitblocken zu transportieren, auch wenn viele Menschen glauben diese Art Arbeit wäre unter ihrer Würde. Einige der Pferdemenschen leben und arbeiten sogar in den Städten, in denen es spezielle Herbergen und Wohnkomplexe für sie gibt. Einige schaffen es auch Ratsmitglieder, Gelehrte, Legaten oder sogar Präfekten zu werden und die Menschen nehmen dies gewöhnlich ohne weiteres hin. Wie bereits erwähnt, sind bestimmte Zentaur-Enklaven mit bestimmten Städten verbündet und in Kriegszeiten unterstützen sie diese auch. Ihre Rüstungen und Waffen bekommen sie von den Menschen gestellt. Die Zentauren sind auch der Grund warum es keine Kavallerie bei den Menschen gibt. Die Generäle und Legaten reiten zwar durchaus, aber halt nicht immer und in Schlachten kämpfen sie teilweise wie die normalen Soldaten lieber zu Fuß. Die Zentauren übernehmen stattdessen die Reiteraufgaben. Sie erkunden, führen schnelle Angriffe durch oder versuchen in einem Sturmangriff eine feindliche Linie zu überrennen. Dazu kommt, dass sie wesentlich wendiger und schneller sind als jeder Mensch der auf einem Pferd reitet. Bewaffnet sind sie für gewöhnlich mit Pfeil und Bogen, kurzen Wurfspeeren oder Schwert und Schild. Dazu kommt noch eine Waffe, die die Zentauren selbst erfunden haben und den sie Weizenschneider nennen. Das sind zwei lange Klingen, die sie sich an ihre Flanken, kurz unter ihrer menschlichen Hüfte, mit Lederriemen befestigen. So können sie nun durch feindliche Reihen reiten und links und rechts Feinde enthaupten oder anderweitig verstümmeln ohne auch nur einen Arm zu heben. Sie tragen die gleichen Brustharnische und Helme wie die Menschen und ihre Reiterarmeen sind ebenfalls in Einheiten und Bataillone aufgeteilt, auch wenn die Ordnung bei einem Großangriff oft schnell verfliegt.
Die zweite Rasse sind die Minotauren. Diese mächtigen, bulligen Geschöpfe sind im Schnitt drei Meter groß, muskelbepackt und haben dazu den Kopf eines Stieres mit sehr langen, weißen Hörnern. Sie besitzen keine Stimmbänder und können sich nur mit Hilfe von bedrohlichen Grunzen und körperlicher Gestik verständigen. Sie sind zwar nicht wirklich dumm, aber wegen ihrer Unfähigkeit in der Kommunikation untereinander haben sie nie einen hohen Stand der Zivilisation erreicht. Vor zweitausend Jahren waren sie im Prinzip nichts weiter als umherziehende Stämme gewesen, die menschliche oder zentaurische Siedlungen angegriffen haben, um Nahrung zu plündern. Da bei ihnen in einem Verhältnis von fünf zu eins mehr männliche Exemplare geboren werden und die Frauen oft nicht mehr als sechs oder sieben Kinder in ihrem Leben zur Welt bringen können waren sie zahlenmäßig noch nie stark vertreten. Als die Menschen und Zentauren immer mehr wurden und anfingen die Minotauren aggressiv zu jagen, erkannten einige ihrer Häuptlinge, dass etwas getan werden musste. Also stellten sich mehrere Stämme in den Dienst der Menschen. Diejenigen die es nicht taten wurden einige Jahrzehnte später ausgerottet. Die geläuterten Minotauren bekamen eigene Stadtteile zur Verfügung, deren Häuser nach ihrer Größe zugeschnitten waren, sowie in regelmäßigen Abständen auch Fleisch als Nahrung. Die Gegenleistung bestand dabei beim Bau großer Gebäude zu helfen oder eben in der Schlacht als zusätzliche Kampfeinheiten zu dienen. Einige sind auch Leibwächter für reiche Händler oder Grundbesitzer. Die Minotauren bleiben, im Gegensatz zu den Zentauren, meistens unter sich. Sie sind nach wie vor in ihrer alten Stammeskultur geordnet. Der Stärkste von ihnen ist der Häuptling und als Erkennungszeichen trägt er einen goldenen Nasenring, der Rest dagegen nur Normale aus Eisen. Ihre Kleidung besteht aus Streifen dicker Lederschichten die zusammengebunden werden und ihr Alltag wird von Übungskämpfen, Krafttraining und dem Versuch die Aufmerksamkeit einer der wenigen weiblichen Minotauren zu gewinnen bestimmt.
Im Kampf unterstützen sie die Kalypsen bei den Nahkämpfen. Als Waffe bekommen sie von den Menschen große Kriegsäxte, die ein normaler Mann kaum hochheben könnte und die wesentlich effektiver sind als die groben Holdkeulen die sie früher benutzt haben. Dazu kommen noch Klingen, die sie oben auf ihren Hörnern befestigen können, damit sie in der Lage sind wie Rammböcke auf den Feind zuzustürmen. Zwar tauchen die Minotauren nur vereinzelt auf den Schlachtfeldern auf, da es sie halt nicht so oft gibt wie Menschen oder Zentauren, aber meistens sind sie in der Lage mir ihrer ungeheuren Kraft und ihren mörderischen Waffen ganze Einheiten in Stücke zu reißen.
Nach dem Ende des großen Krieges durchlebte auch Erebos unruhige Zeiten. Die meisten großen Städte aus der Zeit davor waren vom Erdboden verschwunden und wie überall sonst fand man nur einzelne Ruinen aus dieser Ära mit denen niemand etwas anfangen konnte, da das Wissen über die Zeit zu bloßen Legenden und Mythen wurde. Nach einigen Jahrzehnten bildeten sich die ersten Stadtstaaten und Zentauren-Siedlungen. Ab hier kann man nur schwer die restliche Geschichte erfassen, da sie im wesentlichen aus einer Reihe immer neuer Bündnisse und Kriege zwischen den Städten bestand, bei denen es meistens nur um Handelsrechte und ein paar Hektar Land ging. Ausnahmen bilden in dieser Hinsicht die Städte Kalysos (Cyraus) und Sentria (Heolages). Beide liegen in der Nähe großer Erzlagerstätten im Boden und ihre riesigen Schmelzöfen und Gießereien, die beinahe ununterbrochen Metall bearbeiten und formen, sind der Grund warum vorwiegend Metallwaffen im Einsatz sind. Erebos ist sehr reich an Eisen und die beiden Städte beliefern jeden der genug Geld hat mit großen Mengen Kriegsmaterial. Die beiden Metropolen haben nie ernsthaft an einem Krieg teilgenommen und beschränkten sich darauf zwei streitende Parteien dabei zu helfen den jeweils anderen zu besiegen. So ging es zweitausendvierhundert Jahre lang und die Eingliederung der Minotauren ist dabei das wahrscheinlich nennenswerteste geschichtliche Ereignis. Vor gut sechshundert Jahren aber wurde in der Stadt Aspera in Cyraus ein Mann namens Darius Daminos Präfekt und er führte etwas Neues in die Welt Erebos ein: Den Eroberungskrieg. Bei allen Konflikten die zuvor stattgefunden hatten, ist es meistens nur darum gegangen die gegnerische Stadt zu schwächen, aber nicht zu erobern. Darius Daminos dagegen war festentschlossen die zweitausendjährige Herrschaft der Stadtstaaten zu beenden und so etwas wie eine Einheit aus den drei Hauptkontinenten zu bilden, bei der alle Städte Hand in Hand zusammenarbeiten. Es gelang ihm den Rat von Aspera von seinem Vorhaben zu überzeugen und auch einige andere, kleinere Städte schlossen sich ihm an. Zirka im Jahr 2412 n.N. (Nach dem Nichts, dies ist die Datierung von Erebos und bezieht sich auf das Ende des großen Krieges, von dessen Existenz die Menschen dieser Welt so gut wie nichts wissen. Das Jahr Null wurde von den Gelehrten mehr oder weniger erraten) begann Darius seinen ersten Angriff auf die Stadt Meniaos. Der Einmarsch und die Belagerung verliefen erstaunlich reibungslos und so begann er in den folgenden sieben Jahren eine Stadt nach der anderen zu erobern. Die Menschen in Heolages ignorierten zuerst den Emporkömmling aus den Süden und meinten Darius Vorhaben müsste so oder so irgendwie scheitern bevor er ihnen gefährlich werden konnte. Nur die Präfektin Rehphilia Zareno von Despia, der mächtigsten und größten Stadt in Heolages, erkannte das wirkliche Ausmaß der Bedrohung und fing an Vorbereitungen zu treffen. Als Darius schließlich mit fast hundertsiebzigtausend Mann in das südliche Antrepas einmarschierte, kamen auch die restlichen Stadtstaaten zu dem Schluss eingreifen zu müssen, bevor es zu spät war. Innerhalb kurzer Zeit tauschten sie Nachrichten aus, führten Verhandlungen und bildeten den Bund von Batresas, benannt nach der Stadt wo der Pakt Entscheidung geschlossen wurden war. Dies war das bis dato größte Bündnis zwischen verschiedenen Städten. Rehphilia Zareno wurde zur ersten Großpräfekten gewählt und bekam die Befugnisse sämtliche Streitkräfte aller Städte des Bundes zu befehligen und Notstandvollmachten zu erlassen. Zu ihrer Unterstützung ernannte sie ihren fähigsten General Otraes Ignasius zu ihren Großlegaten, der bereits in Despia ihr Legat gewesen war. Nach gut zwei Jahren marschierte Rehphilia Zareno mit einer Armee aus hundertfünfzigtausend Soldaten durch die Valuren, um den Norden von Antrepas vor Darius zu schützen. Es war das Jahr 2414 n.N. Dies war der Anfang vom sogenannten Steinkrieg sein, der seinen Namen wegen der blanken Felsen von Antrepas bekam, da es auf diesen Kontinent die meisten Kampfhandlungen gab. Der Konflikt sollte, mit einigen Unterbrechungen, dreißig Jahre dauern. Es war ein ständiges hin und her in dessen Verlauf Antrepas mehrmals komplett verwüstet wurde. Mal schien Darius die Oberhand zu haben, mal Rehphilia und Otraes. Schließlich konnten die Armeen von Cyraus mehrere schnelle Siege hintereinander erzielen und nach Norden vorstoßen. Alles schien darauf hinzudeuten, dass die Kämpfe bald Heolages erreichen würden und der Krieg innerhalb der nächsten Jahre vorbei sein würde. Doch plötzlich starb der inzwischen sechzigjährige Darius an einen Schlaganfall und seine Generäle fingen daraufhin an, darum zu streiten wer nun den Oberbefehl bekommen sollte. Einige Bataillone setzten sich dabei sogar vom eigentlichen Heer ab um eigene Pläne zu verfolgen. Diesen Moment nutzte Otraes um einen verzweifelten Angriff auf die Cyrausier zu starten. Die Truppen von Heolages konnten entlang der gesamten Front entscheidende Siege verbuchen und die führerlosen Soldaten aus Cyraus zogen sich in ihre Heimat zurück. Das Problem nun war aber, dass das von Darius erschaffene Reich nicht zusammenbrach wie erhofft. Einige seiner Generäle bildeten in seiner Heimatstadt Aspera einen Rat, der die gesamte Kontrolle über den Kontinent aufrechterhielt und jede Stadt, die nach den Wirren des Steinkrieges versucht hatte zu rebellieren, niederbrannte. Dieser Rat von Cyraus nannte ihr Herrschaftsgebiet die Darius Liga, damit der Name ihres Gründers niemals in Vergessenheit geriet. Da die Gefahr nicht endgültig beseitigt war und sie nicht mehr die Mittel hatten um eine Offensive auf Cyraus zu führen, blieb der Bund von Batresas bestehen, zu dem jetzt auch die Städte im Norden von Antrepas gehörten. Die Titel des Großpräfekten und des Großlegaten blieben ebenfalls erhalten und Ersterer sollte durch die Präfekten aller Mitgliedsstädte gewählt werden. Despia wurde zur Hauptstadt des Bundes. Außerdem baute man 2498 n.N. am wichtigsten Zugangspunkt der Valuren, dem Nebiatunnel, den Rehphiliawall, damit die Truppen von Cyraus nur unter großen Mühen Heolages erreichen konnten, falls sie jemals wieder angreifen und bis hierher vorstoßen sollten. Die Darius Liga dagegen konnte die Niederlage nicht akzeptieren und schwor irgendwann Genugtuung zu bekommen und den Bund zu vernichten. So belauerten sich die beiden Parteien gut sechshundert Jahre lang, in deren Verlauf es zwar immer wieder kleine Auseinandersetzungen auf Antrepas gab, aber nie wieder die Ausmaße des Steinkrieges erreichten, zumindest bis vor kurzem.
Bevor weiter auf die jüngere Geschichte eingegangen wird, sollte nun aber der letzte Kontinent Geyo erläutert werden. Da diese Landmasse keine Landkontakte mit dem Rest der Welt besitzt und beinahe immer vollkommen isoliert ist, haben sich die Menschen hier vollkommen anders entwickelt. Die hiesige Kultur weist viele Merkmale zum mittelalterlichen Japan auf. Die normale Bevölkerung leben in stabilen Holzhütten mit Schiebetüren und weichen Böden aus Bambusmatten im Inneren. Die Dächer sind oft rot oder dunkelgrün bemalt. Die Städte sind kleiner als die auf den Hauptkontinenten und sind meistens auch nicht ummauert. Dafür gibt es eine sehr viel größere Landbevölkerung. Die Menschen tragen einfache, grobe Gewänder die bei den Frauen bis zu den Füßen und bei den Männern nur bis zu den Knien reichen. Die meisten Kleidungsstücke sind rötlich oder bläulich gefärbt. Die Schuhe sind aus einfachem Leder. Die hören Kasten, die Hensoi genannt werden, tragen etwas edlere Kleidung. Meistens bedecken sie sich mit weißen Hemden auf denen die Wappen ihrer Familien gestickt sind. Darüber kommen noch ärmellose, weite Mäntel und im Gegensatz zum normalen Volk tragen sie weite, dunkelblau gefärbte Hosen und Holzschuhe. Die höher gestellten Frauen haben enge, farbenfrohe Kleider mit weiten Bändern, die um die Hüfte gebunden werden und am Rücken kunstvolle Schleifen bilden. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Klassen sind die Haare. Der normale Bürger oder Bauer trägt das Haar kurz und Bärte die Oberlippe und Kinn verdecken, während die Frauen Zöpfe bevorzugen. Die Hensoi, egal ob Mann oder Frau, dagegen rasieren sich vollkommen kahl und erstere lassen nur einen schmalen Schnurbart zu.
Auf Geyo herrscht im Gegensatz zu den anderen Landmassen das gewöhnliche Handwerk vor. Es gibt keine großen Manufakturen, sondern unzählige kleine Betriebe in den Städten, mit zwei oder drei Mitarbeitern oder Helfern. Die Bauern bestellen auf dem Land größtenteils Reis und Weizen und tragen bei Arbeit meistens flache, spitz zulaufende Strohhüte um sich vor der Sonne zu schützen.
Zentauren und Minotauren gibt es auf diesem Kontinent übrigens nicht und viele der Einheimische stempeln diese Wesen auch als bloße Märchen ab, die man dazu benutzt Kinder zu erschrecken.
Die Hensoi sind die Herrscher von Geyo und sie leben fast abgeschottet von der restlichen Bevölkerung. Man kann sie grob mit den Samurai vergleichen, wenn auch nicht komplett. Die Rüstungen sind ähnlich, auch wenn die Hensoi keine Masken und Banner auf dem Rücken tragen. Auch haben sie nicht einen so strengen Kodex wie die alten japanischen Fürsten. Auch ihre Schwerter sind nicht zu vergleichen. Die Samuraischwerter waren dünn, rasiermesserscharf und eine Meisterleistung der Schmiedekunst. Die Klingen von Geyo dagegen werden von der Parierstange aufwärts immer breiter und sind stärker gebogen. Die Hensoi leben mit ihren Familien und ihren Elitekriegern in stark verschachtelten Festungen, deren Dächer Schindel besitzen und deren Außenmauern aus grauem Stein bestehen, die inneren Gebäude aber aus Holz. Ein weiterer Unterschied zu den Samurai ist, dass die Männer der Hensoi nicht den Kampf Mann gegen Mann suchen, sondern als Gruppe mit ihren Elitekriegern kämpfen und oft verbringen sie Wochen damit sich neue, komplexe Manöver für die Schlacht auszudenken. Sonst patrouillieren sie in ihrem Einflussgebiet, um die Bewohner vor Räubern zu schützen. Nebenbei philosophieren sie auch in Teehäusern über alle möglichen Themen und betätigen sich auch oft als Wissenschaftler und sind somit der Ersatz für die Gelehrten auf den Hauptkontinenten. Die Frauen bleiben meistens in der Festung, kümmern sich um den Haushalt und bürokratische Angelegenheiten. Die Frauen der gewöhnlichen Bevölkerungsschichten helfen dagegen oft bei der Arbeit mit ihren Männern, sofern sie zu diesem Augenblick keine Kinder haben. Die Siedlungen auf Geyo haben übrigens keine öffentlichen Bäder wie auf dem Rest von Erebos. Die Menschen hier begnügen sich hier teilweise nur mit einem einfachen Eimer Wasser am Morgen, was für die erhöhte Krankheitsrate auf diesem Kontinent sorgt. Ein Hensoiclan kontrolliert meistens ein Gebiet von zwei, drei Städten und ungefähr fünfzig Dörfer. Das Oberhaupt von einem solchen Clan hat meistens vierzig bis fünfzig Verwandte die ihm in der Schlacht unterstützen können. Dazu kommen meisten gut fünfhundert bis tausend Elitekriegern, die fast immer aus dem gewöhnlichen Volk stammen. Die Mitglieder dieser Soldatentrupps werden in Wettbewerben, die Woitos genannt werden, ermittelt, die die Hensoi regelmäßig stattfinden lassen und bei denen es um sportliche und geistige Ausdauer geht. Die Sieger werden zu den Elitekriegern aufgenommen und bekommen die gleiche Kampfausrüstung wie ihre Herren zur Verfügung gestellt. Dies wird als besondere Ehre angesehen und die Familien der Aufgenommen werden daraufhin auch finanziell versorgt. Damit sie sich von ihren Elitekriegern unterscheiden, färben die Hensoi ihre Arm- und Beinschienen schwarz, während bei den restlichen Soldaten die Rüstung vollkommen in den Farben des Clans gehalten wird. Als Waffen tragen die Soldaten entweder die erwähnten, breiten Schwerter oder lange Speere deren Spitzen gerade Klingen besitzen. Als Fernkämpfer fungieren meisten einfache Milizen aus Bürgern und Bauern mit Bögen, die nur zu Kriegszeiten einberufen werden.
Die ersten fünfhundert Jahre nach dem großen Krieg waren durch die Entstehung der Hensoiklasse geprägt und die unaufhörlichen Konflikte zwischen diesen. Jeder hat jeden gehasst und die Grenzen der Territorien haben sich immer wieder neu verschoben. Erst 506 n.N. trafen sich die sieben mächtigsten Clanführer und diskutierten über die Zukunft des Kontinents. Wie dieses Treffen entstand oder wer der führende Kopf dahinter war, ist nicht mehr bekannt. Die Sieben kamen nach vier Tagen Verhandlungen zum Schluss, dass eine regierende Instanz eingesetzt werden müsste. Ein Erbherrscher sollte ernannt werden und versuchen die vielen Clans der Hensoi im Zaum zu halten. Gejon, das relativ Zentral im Kontinent liegt, wurde zur Hauptstadt ernannt und die diversen Clans akzeptierten dies, obwohl einige durch Waffengewalt dazu gezwungen werden mussten. Als nächstes musste der neue Erbherrscher von den sieben Clanführern gewählt werden und nach fast zweijährigen Debatten fiel diese Rolle auf den Hensoi Vajei Xai, der zwar kein besonders großes Gebiet beherrschte, aber wegen seiner Besonnenheit und Klugheit bekannt war. Er wurde der erste Daigan, wie der Titel lautete und >der Mächtige< bedeutet und dies war auch der Beginn des ersten geyanischen Reiches. Die sieben Clanfürsten die dies ermöglicht hatten wurden zu den Beratern von dem neuen Daigan und ihre Überlegungen schienen auch zuerst zu fruchten. Vajei Xai und seine Nachfahren konnten das Reich gut tausend Jahre lang aufrechterhalten. Allerdings wurden die Herrscher in den letzten zwei Jahrhunderten des ersten Reichs immer arroganter und erließen Gesetze die zwar den Hensoi in vielerlei Weise halfen und ihr Leben einfacher machten, aber dies auf Kosten des normalen Volkes. Der Familienzweig der Daigan hatte sich einfach zu weit von den einfachen Bürgern und Bauern verfremdet. In der Stadt Jegon kam es 1511 n.N. zu einer größeren Revolte als eine weitere Steuererhöhung bekanntgegeben wurde. Die Menge griff wutschnaubend die Elitesoldaten der Hensoi an, die auf den Straßen patrouillierten und stürmte dann die Festung der Stadt. Dies war der Funke, der den Flächenbrand auslöste. Überall im Reich erhoben sich die Bauern und Bürger und wendeten sich gegen ihre Grundbesitzer. Dies war der Beginn des fünfjährigen Jegonkrieges, an dessen Ende der Kontinent in zwei Teile gespaltet war. Einmal im westlichen Teil, wo nach wie vor die Familie der Daigan und ihre loyalen Hensoi herrschten und einmal im östlichen, wo die Rebellen ihren eigenen Herrscher wählten und aus der Unterschicht eine neue Hensoischicht gründeten, die zwar die selbe Struktur hatte wie die alte, aber enger mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeitete. Diese Einteilung blieb weitere tausend Jahre lang bestehen, gehalten von einem wackligen Friedensvertrag, der immer wieder kurz aufriss. Das östliche Reich hatte aber gegenüber dem westlichen einen Vorteil. Dies war die Stadt Deyi, die direkt am Rand des Kontinents lag und von jeher der Punkt war, von dem aus Seide und andere Güter über die Gohaen, die von kulturellen Seite her an Heolages orientiert waren, in den Osten verkauft wurden. Sie hatten also eine zusätzliche Geldquelle und konnten so einen größeren Wohlstand anhäufen. 2502 n.N. griff der Daigan des Ostens, Tesai Kunia, den Westen an, um die Teilung zu beenden. Dies sollte der zweite Jegonkrieg werden und nach vier Jahren war die westliche Dynastie schließlich gestürzt. Tesai Kunia verlegte seinen Regierungssitz von Jegon nach Gejon, der alten Hauptstadt und rief das zweite geyanische Reich aus. Er entmachtete viele der alten Hensoiclans im Westen und setzt sie durch neue aus dem normalen Volk ein, wie damals im Osten. Allerdings konnten einige der alten Familien ihre Macht behalten, indem sie ihm vollkommene Treue geschworen hatten und als Beweis dafür sogar das Regush-Ritual ablegten, was in Geyo als absolut bindend gilt. Wer den Eid dieses Rituals brach, gilt als Vogelfrei und hatte keinerlei Rechte mehr und konnte von jedem ohne Bestrafung getötet werden. Als weitere Neuerung führte Tesai Kunia ein privates Heer aus Elitekriegern ein, deren Treue nur dem aktuellen Daigan gilt und von niemand sonst Befehle entgegen nahm. So sollten rebellierende Hensoi einfacher von der Hauptstadt aus besiegt werden, ohne die Hilfe anderer Fürsten zu beanspruchen. Diese Privatarmee wurde die Teirogarde genannt und deren Rüstungen sind hellblau gefärbt. Dies ist nun fünfhundert Jahre her und die Dynastie von Tesai Kunia hat es bis in die jüngste Vergangenheit geschafft eine relativ ruhige Periode aufrechtzuerhalten. Die letzten drei Daigan haben sogar etwas mehr Nähe zu den westlichen Kontinenten gesucht, insbesondere Heolages und dem Bund von Batresas und so die lange Isolation ein Stück gelockert.
Dies war die gesamte ältere Geschichte von Erebos. Die Jüngere ist von einem ganz besonderen Ereignis geprägt, das schon mehrere andere Welten geteilt haben. Ein Relikt aus dem großen Krieg wurde wiederentdeckt, in diesem Fall ein gefangenes Überwesen, das während der damaligen Kampfhandlungen nie eingesetzt werden konnte und dem Namen Tityos trägt. Später wird mehr auf ihn eingegangen. Seine Entdeckung war eher ein Zufall. Es begann damit, dass eine Armee aus Cyraus im Jahr 3006 n.N. im Gebirge Ogeas am Berg Selphas im Zentrum von Antrepas ein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Das Gebiet war schon früher durch seine seltsame Form aufgefallen. Die ganze Gegend war mit riesigen quadratischen Felsen bedeckt, die einen Durchmesser von vierhundert Metern erreichen konnten und stellenweise fünfzig Meter hoch waren und sich zu massigen Gebilden aufschichteten, deren einzelne Ebenen durch breite Rampen verbunden waren. Dazwischen gab es breite Plateaus die mit Geröll bedeckt sind und genau im Zentrum dieses Gebiets erhebt sich der Selphas wie eine schwarze Nadel, die gut einen Kilometer in den Himmel ragt. Die Gelehrten von Erebos haben schon öfter vermutet, dass es in dieser Gegend vor vielen Jahrtausenden mal eine Stadt gegeben hat und damit lagen sie gar nicht mal so falsch. Zumindest lagerten die Truppen aus Cyraus im Schatten des großen Gipfels, als sie plötzlich von einer Streitmacht des Bundes attackiert wurden. Die Angegriffenen zogen sich ein Stück die steilen Flanken des Selphas hinauf, um sich besser verteidigen zu können und es kam zu einer kurzen Schlacht an dessen Ende sich die Soldaten des Bundes zurückzogen. Bei dem Kampf ist das Geschoss einer Balliste in den Fels eingeschlagen und hat dabei eine Höhle freigelegt. Neugierig gingen die Cyrausier hinein und fanden eine große Kammer über der sie mit Tityos Kontakt aufnehmen konnten. Das Überwesen hat wie viele andere auch den großen Krieg vergessen, sehnte sich aber nach der Freiheit und dazu brauchte er die Hilfe von Sterblichen. Also machte er seinen Entdeckern ein Angebot. Sie halfen ihm zu entkommen und im Gegenzug half er ihnen ihre Feinde zu vernichten und Erebos in ein Paradies zu verwandeln. Geholfen hat ihm mit Sicherheit auch der Umstand, dass er die Fähigkeit besitzt menschliches Handeln leicht zu beeinflussen und so die Waagschale in seine Richtung zu kippen. Sofort wurden Nachrichten in die Darius Liga geschickt und kurz darauf reiste der gesamte Rat von Cyraus mit zwanzigtausend Mann heran und sprachen mit Tityos, dem es leicht fiel sie zu überzeugen. Schon bald wurden tausende von Arbeitern in Marsch gesetzt um das Gefängnis zu zerstören. Außerdem wurden weitere Truppen in das Gebiet verlegt. Viele der Zentauren aus Cyraus zweifelten aber an der Glaubhaftigkeit dieses Überwesens. Dazu kam, dass Tityos Fähigkeiten bei den Pferdemenschen nicht annähernd so gut wirkte wie bei Menschen, sodass er ihre Zweifel nicht zerstreuen konnte. Schließlich wechselte ein Großteil der Zentauren zum Bund von Batresas über und erzählten ihnen von dem Fund in den Ogeas. Sofort wurden Truppen ausgeschickt um die Liga zu stoppen und damit beginnt der Tityoskrieg, der bis heute andauert. Jahrhunderte, die von einfachen Geplänkeln geprägt wurden, waren urplötzlich vorbei und sind einem Konflikt gewichen der die Ausmaße des Steinkrieges annahm. Zuerst verteidigten die Soldaten aus Cyraus das Gefängnis nur, damit die Arbeiten daran unbehelligt weitergehen konnten. Doch mit der Zeit verbreitete sich die Nachricht vom Überwesen und seinen Versprechungen und so begannen einzelne Männer, Bataillone und schließlich sogar Städte zum Feind überzulaufen. Der Bund musste sogar in Heolages selbst einige Rebellen niederschlagen. Auch nach Geyo verbreiteten sich die Neuigkeiten und einige der Hensoi beriefen sich plötzlich auf Tityos und entfachten einen Bürgerkrieg. Schließlich war der Bund von Batresas gezwungen einige Armeen nach Geyo zu schicken, wo der Daigan langsam die Kontrolle verlor und verzweifelt nach Hilfe rief. Die Darius Liga nutzte dies und begann eine Offensive die dazu führte, dass das nördliche Antrepas in Flammen aufging. Nur mit großer Mühe gelang es den Truppen aus Heolages sie zurückzudrängen. Inzwischen war das Jahr 3009 n.N. angebrochen und der Krieg dauerte nun fast drei Jahre. Nach zehn weiteren aufreibenden Jahren befinden sich nun beide Seiten in einem Art Patt. Zwar konnte der Bund alle Rebellionen in Heolages niederschlagen und auch in Geyo schienen die Anhänger von Tityos kurz vor der Niederlage zu stehen, aber an der Hauptfront bewegte sich trotz unzähliger Angriffe nichts, während die Arbeiten beim Gefängnis weiter voranschritten. Diese Lage hat sich aber vor kurzem geändert. Die Armeen der Liga haben eine neue Hochlegatin bekommen, der es gelang mehrere wichtige Siege zu erlangen und die Truppen aus dem Norden nach und nach zurückzudrängen. Inzwischen war das Jahr 3020 n.N. erreicht und der Ausgang des Krieges scheint bereits festzulegen.

Tier- und Pflanzenwelt:
Wegen dem Fehlen von großen Meeren gibt es auf Erebos keine große Fischvielfalt und auch Wale, Tintenfische und andere Bewohner von Salzwasser sucht man hier vergebens. Dafür gibt es aber eine größere Anzahl an Luftbewohnern. Am markantesten davon ist der Desotrades oder wie er meistens von den Bewohnern genannt wird, der Großflieger. Es sind große, wirbellose, friedliche Wesen die eine grüngraue Färbung besitzen. Sie erinnern leicht an Rochen, da sie nur aus zwei mächtigen Schwingen zu bestehen scheinen. Sie ziehen einen langen, flossenartigen Schwanz hinter sich her, der ihnen beim Navigieren hilft. Zwei schwarze Knopfaugen ragen am vorderen Ende ihres langen Körpers hervor und noch etwas weiter vorne sind zwei Nasenlöcher. Sonst ist die obere Körperhälfte vollkommen ebenmäßig, um so wenig Luftwiederstand zu haben wie möglich. Ihre untere Körperhälfte wird von einem langen Mund bestimmt, der gut zwei Drittel der Länge des Großfliegers, ohne Schwanz, entspricht und eine große Anzahl mahlender Kauwerkzeuge besitzt. An den Mundrändern befinden sich lange Tentakel mit denen sie Insekten oder anderen Kleingetier aus der Luft schnappen und in den Rachen befördern. Der Großflieger ist wahrscheinlich mit eines der größten Luftgeschöpfe in den Sphären. Er erreicht eine gesamte Länge von ungefähr vierzig Metern, wobei davon fünfzehn den Schwanz ausmachen. Die Spannweite dieses Geschöpfs beträgt dabei im Durchschnitt fünfunddreißig Meter und das Gewicht kann gut und gerne sieben Tonnen erreichen. Diese Geschöpfe sind auch nur deswegen in der Lage zu fliegen, weil sie sich nur in der Nähe der Ränder von den Kontinenten aufhalten können, da dort warme Luft vom Mantel aufsteigt und sie dank ihrer großen Flügel wie einen Ballon oben halten. Im Landesinnern wären sie nicht in der Lage zu fliegen. Sie verbringen ihr gesamtes Leben am Himmel und schweben mit trägen Flügelschlägen zwischen den fliegenden Felsen und Inseln von Erebos in der Nähe der Hauptkontinente. Da sie fast blind sind, geben sie Geräusche von sich die an Walgesang erinnern, wenn auch in einer tieferen Tonlage. Dieser Gesang wird von den hochempfindlichen Tentakeln beim Mund, die spezielle Sinnesorgan besitzen, die selbst die kleinsten Luftvibrationen erfassen, aufgenommen. So können sie sich gegenseitig lokalisieren. Auf gleiche Weise finden die Tentakel auch Beute in der Luft, indem sie die Luftbewegungen, die die Flügel einer Mücke vor ihnen verursachen, registrieren und sofort zuschnappen. Die Großflieger sind Herdentiere und bewegen sich in Gruppen von zehn bis fünfzig Tieren, ständig auf der Suche nach Insektenschwärmen. Die Weibchen, die etwas heller sind als die Männchen, können pro Jahr nur einmal Eier legen, doch dafür sind es dann meistens gut dreißig Stück. Um sie zu legen schwebt das Weibchen dicht über einen kleinen Felsen der möglichst weit von den Kontinenten entfernt liegt und lässt die Eier, deren Schale sehr hart ist, dann einfach einzeln hinunterfallen. Es dauert zwei Monate bis die Jungen schlüpfen. In dieser Zeit zieht die Herde zwar weiter, kommt aber immer rechtzeitig zurück. Wenn die kleinen Desotrades sich aus ihren Eiern befreit haben, kriechen sie mit zwei Hacken aus Horn die sich an den Spitzen ihrer Flügel befinden und die sie später verlieren, auf die Kante zu und stürzen sich hinunter. Da sie meistens noch viel zu klein sind um von den warmen Aufwinden nach oben getragen zu werden, muss die Mutter direkt unter dem Felsen schweben und ihre Jungen auffangen. Diese krabbeln nachdem sie sicher aufgekommen sind von den Flügeln sofort zum Rücken, an dem sich kaum erkennbare Zitzen befinden. Sie hacken sich an der dortigen Haut fest und saugen dort solange eine Nährflüssigkeit bis sie groß genug sind um selbstständig schweben zu können. Die Großflieger besitzen demnach Eigenschaften von Vögeln, Säugetieren und Wirbellosen, obwohl sie sich keiner dieser Gruppen richtig zuordnen lassen, da sie ja keiner natürlichen Evolution entstammen.
Eine andere flugfähige Tierart von Erebos ist der Saciler. Dieses Wesen hat einen langen Hals mit einem spitzen Kopf und zwei gelben Augen, die von Hornplatten umrahmt sind. Das Maul ist lang und besitzt mehrere Reihen scharfer Zähne. Er hat zwei krumme Beine mit Klauen und jeweils drei langen Krallen. Die Flügel sind lang und ledrig und erinnern leicht an Fledermäuse, obwohl die Haut hier zwischen den Spannen nicht so dünn ist. Dazu kommt ein langer, schmaler Schwanz. Ihre Unterseite ist grau, während ihre Oberseite und besonders ihre Flügel rötlich sind. Bei den Männchen kommen dann noch orangene Muster dazu, die bei der Paarung eine Rolle spielen um eine geeignete Kandidatin anzulocken. Sie sind ungefähr neun Meter lang und haben eine Spannweite von zehn Metern. Die Saciler bauen ihre Nester meistens auf Felsvorsprüngen und legen drei bis fünf Eier. Sie sind ausdauernder Jäger und haben meistens große Vögel als Ziel. Manchmal greifen sie aber auch in Gruppen Herden von Großfliegern an und versuchen die Jungtiere von den Rücken der Mütter zu reißen. Sie können außerdem auch tief ins Landesinnere fliegen und sind nicht auf die warmen Aufwinde an den Rändern angewiesen. Sie kommen auf allen Kontinenten außer Geyo vor.
Den Menschen von Erebos ist es außerdem gelungen einige Saciler zu zähmen. In den Kasernen der Stadtstaaten gibt es eigene Bereiche für die Malyren und ihre Geschöpfe. Die Malyren sind die Reiter der Tiere und haben eine besondere Kleidung. Sie tragen enganliegende Rüstungen aus Leder und tragen weiße Stirnbänder. Am Gürtel tragen sie gewöhnlich ein einfaches Kurzschwert. Die Reiter von den Saciler haben dazu noch rote Armbänder. Auf dem Rücken eines dieser Tiere passen zwei bis drei Männer oder Frauen. Meistens reitet einer und die zwei anderen zielen mit Bögen auf andere Flugtiere oder auf Feinde am Boden. Wenn nur zwei Personen sich an dem Sattel festgeschnallt haben, nutzen sie den restlichen Platz für Säcke voller Steine die sie auf feindliche Formationen herabregnen lassen. Desweiteren übernehmen sie auch die Rolle von Kundschaftern. Die Saciler selbst tragen leichte Rüstungen aus Metall am Bauch, den Kniegelenken, dem Schwanz und auf der Schnauze. Die Ausbildung zu einem Malyren dauert meistens viele Jahre, da man zuerst das Vertrauen der sonst sehr misstrauischen Flugwesen gewinnen muss und dann kommen natürlich die diversen Techniken und Befehle, um das Geschöpf in der Schlacht zu steuern, doch wenn es einem erst einmal gelungen ist in diesem Teil des Militärs zu gelangen, dann bekommt man großes Ansehen und einen höheren Sold als normale Soldaten. Ein großer Traum vieler Malyren ist es mit ihrem Tier vom westlichen Geyo aufzubrechen und einmal den Planeten zu umfliegen und an den östlichen Rändern der Hauptkontinente wieder zu landen. Dies ist zwar nicht verkehrt und viele berühmte Gelehrten sind auch der Meinung, dass Erebos eine Kugel ist. Aber leider weiß keiner, dass die Entfernung, die die Piloten zurücklegen müssen, gut fünfzehntausend Kilometer entspricht. Auf dieser Strecke gibt es keine Landungsmöglichkeiten und unter einem befindet sich nur endloses Magma. Die Strecke ist demnach nicht zu bewerkstelligen.
Ein weiteres Tier, das nur in Erebos vorkommt ist der Fasyl. Dies ist ein kleiner Vogel der ungefähr die Größe eines Spatzen hat, obwohl der Schnabel etwas länger ist. Sie haben schöne rote Federn an den Flügeln und einen blauen Rücken. Der Bauch ist schneeweiß. Der Fasyl hat dazu noch ein wundervolles Zwitschern, dass man nur in zwei Wochen des Frühlings hört. Sonst bleibt der Vogel stumm. Er ist dazu auch noch erstaunlich zutraulich zu Menschen und man findet sie oft in Städten. Sie sind überall in Erebos anzufinden und sie werden wegen ihres schönen Gefieders und ihrem Gesang beinahe schon vergöttert. Ein Mensch der einen Fasyl tötet und isst, gilt als eine besonders grauenvoll und die entsprechende Person wird daraufhin meistens vom Rest der Gesellschaft verachtet.
Es gibt nur ein einziges Landtier auf Erebos, das einzigartig ist und dies ist der Behemoth. Dieses riesige Geschöpf hat einen massigen Körper der an beinahe jeder Stelle durch schwere, sich überlappende Hornplatten geschützt ist, die effektiver sind als jede Rüstung. Nur der Bauch und die Augen sind ungeschützt. Getragen wird er von vier kurzen, dicken Beinen. Über den Kopf stülpt sich eine Knochenplatte, die den Hals schützen soll und zu beiden Seiten der flachen Schnauze ragt jeweils ein weißes Horn heraus, die zusammen ein Doppelpaar bilden mit deren Hilfe der Behemoth wie ein Nashorn auf seine Feinde zustürmen kann. Die Farbe der Panzerplatten ist hellbraun, während die normale Haut fast schwarz ist. Die männlichen Behemoth haben im Allgemeinen etwas längere Hörner und größere Knochenplatten über den Kopf. Ihr Gewicht beträgt im Schnitt sieben Tonnen. Sie leben auf den drei Hauptkontinenten und rotten sich wie die Großflieger in Herden zusammen. Meistens verbringen sie den Tag auf einer großen Wiese und grasen, wobei sie sich im Grunde eher von langen Sträuchern ernähren, da sie wegen ihrer Hörner das Gras mit ihren Mündern nicht erreichen können. Trotz ihres furchteinflößenden Aussehens sind die Behemoth eigentlich recht friedliche und ruhige Wesen, die oft einfach einige Dutzend Meter weiter weg trotten, wenn man sie stört. Aggressiv werden sie nur wenn man ihre Geduld zu stark strapaziert oder direkt ihre Jungen bedroht.
Ähnlich wie die Saciler sind auch einige Behemoth von den Menschen gezähmt. Aber im Gegensatz zu den fliegenden Geschöpfen werden sie auch zu zivilen Tätigkeiten eingesetzt, wie in etwa dem Warentransport. In der Schlacht bekommen sie ein Gerüst auf den Rücken, auf dem der Reiter mit dem Geschirr, sowie ein halbes Dutzend Olypsen oder Sintrea sitzen. Sie werden in Richtung der feindlichen Armee gelenkt und durch einen kurzen Befehl stürmen sie drauf los. Ihr Hauptzweck ist es feindliche Formationen auseinander zu reißen. In dieser Hinsicht sind sie auch wesentlich besser zu lenken als Elefanten, die auf einigen anderen Welten vorkommen und die in Kämpfen auch gerne mal in Panik verfallen, zurücklaufen und die eigenen Leute niedertrampeln. Ein Behemoth lässt seinen Reiter dagegen selten in Stich und sie verfallen nicht so leicht in Raserei. Die Malyren, die den Behemoth reiten, tragen zwar die gleiche Kleidung und leben im selben Kasernenabschnitt wie die Flieger der Saciler, sind aber nicht so hoch angesehen, haben ein kürzeres Training und tragen schwarze, statt rote Armbänder.
Sonst entspricht der Tier und Pflanzenwelt auf Erebos größtenteils der von Nordeuropa und dem Mittelmeerraum.

Syratquelle:
Wie bereits erwähnt besitzt Erebos eine extrem starke Syratquelle und zwar einen Energiestrom der Tralenklasse. Er ist unsichtbar und fließt größtenteils unter den fliegenden Kontinenten. Die Bewohner haben ihm den Namen Styx gegeben und er hängt auch sehr stark mit deren Religion zusammen. Die Menschen von Erebos glauben nämlich, dass in diesem Strom die Seelen aller Menschen wohnen. Sobald eine Person stirbt wandert ihr Geist in Styx und hilft dabei die Welt aufrechtzuerhalten, bis der Mensch irgendwann wiedergeboren wird. Desweiteren wird auch angenommen, dass der Strom auch die Welt erschaffen hat, indem er zuerst die Sterne, die Sonne und den Mond erstrahlen ließ und aus den Scherben einer anderen Welt, die zuvor existierte, Erebos erschuf. Irgendwann wird dann auch Erebos vom Strom wieder zerstört werden und der Himmel verdunkelt sich erneut, nur damit irgendwann, nach einer Ära des Nichts, dann wieder eine neue Welt erschaffen wird. Dies ist ein immer wiedekehrender Kreislauf, wie bei dem Tot und der Wiedergeburt. In den Städten gibt es Tempel für den Styx und die Seelen in seinem Inneren. Die dortigen Priester, die meistens auch Gelehrte sind, bringen mehrmals im Monat kleine Opfer, um den Strom zu ehren und die Seelen bei ihrer Wiedergeburt zu unterstützen. Auf Geyo ist es ähnlich, nur dass hier noch ein Fest dazukommt, dass Totenfeier genannt wird und bei dem an die Gestorbenen gedacht wird und das im Winter stattfindet.
Die Menschen die auf den Styx zugreifen können werden Atregaten genannt und werden nur relativ selten geboren. In einem Stadtstaat mit ungefähr siebzigtausend Einwohnern sind vielleicht zur selben Zeit maximal fünf bis sieben von ihnen. Ihre Gabe entdecken sie meistens mit zehn bis zwölf Jahren. Sie werden dann meistens sofort in die Kasernen gebracht und bekommen dort eine spezielle Ausbildung, bei der auch Kampftraining und Unterricht in Lesen, Schreiben, Mathematik, Philosophie und militärische Taktik und Organisation eingefasst sind. Diese Lehrzeit ist äußerst hart und entbehrungsreich, doch nach ungefähr sieben Jahren können sie die finalen Prüfungen ablegen und werden in den Rang eines Atregaten erhoben. Dazu bekommen sie meist auch gleichzeitig den Titel eines Generals und den Befehl über ein Bataillon. Dank ihrer guten Ausbildung und ihrer Gabe werden sie hoch angesehen und sie bekommen von der Armee Sonderrechte wie zum Beispiel eine eigene Villa. Viele Atregaten besitzen auch Sitze im Rat, werden Legaten oder gar Präfekten. Benutzen tun sie den Styx auf folgende Weise: Sie spüren den Strom zu jeder Zeit in ihren Körper in Form eines angenehmen Kribbelns, das ihnen erlaubt selbst in den drastischsten Situationen ruhig zu bleiben und überlegt vorzugehen. Um ihn zu benutzen >tauchen




Ehre, Ruhm und die Heimat.
In einem Krieg haben diese Begriffe in etwa so viel Wert wie eine Hure mit Syphilis.
Es zählt nur die kalte Logik um den Verlauf der Kämpfe entsprechend zu korrigieren.
Ein Menschenleben wird hier nur zu einer Nummer in einer endlosen Liste.



Welt: Erebos.
Es war eine flache Ebene aus schwarzer und dunkelgrauer Erde, unterbrochen von einigen wenigen spitzen und hohen Felsen, die wie dickte, verbogene Nägel aus dem Boden ragten. Der Himmel wurde von dunklen, bedrohlichen Wolken bedeckt, die vom Wind zerrissen waren. Trotzdem regnete es nicht und dies wird auch heute oder in ferner Zukunft auch nicht passieren.
Der Styx trieb die Wolken nach Westen, auf die nahen Hügel zu, damit sie sich im Herzen von Antrepas abregnen konnten. Sehr viel nützen würde das Wasser aber dort auch nicht sehr viel, denn beinahe der gesamte Kontinent war tot und beherbergte nur wenig Leben.
Im Osten befand sich der Rand der Landmasse und wirkte wie die Kante einer Klippe. Große Schwaden von verdampftem Wasser trieben dort und verhinderten einen Blick auf den fernen Magmamantel von Erebos.
Kleine fliegende Inseln und Brocken schwebten dort, entweder etwas unterhalb oder oberhalb des Randes. An einigen von ihnen krallten sich dürre Bäume oder anderes einfaches Gewächs. Viele waren aber auch einfach kahl und grau.
Eine Herde Großflieger bewegte sich träge mit langsamen Bewegungen ihrer Flügel über den Himmel. Ihr beruhigendes, tiefes Brummen hallte bis zur Erde hinunter.
An einigen der Inseln saßen mehrere wilde Saciler und beobachteten ihre Umgebung mit ihren gelben Augen wachsam. Sie bewegten sich kaum und flatterten nur ab und zu mit ihren Flügeln, um Insekten zu verscheuchen oder weil sie durch Artgenossen aufgescheucht wurden. Sie waren intelligente Tiere und sie wussten was hier bald geschehen würde und dass sie nur noch etwas warten mussten um ihre Bäuche zu füllen.
Auf der eben noch leeren Ebene trat plötzlich ein Mann vor und wirbelte mit seinen Schritten etwas Staub auf. Er wirkte allein und von allem und jedem verlassen in dieser trostlosen Gegend.
Ein Windzug strich durch seinen kurzen, hellbraunen Haarschopf. In seinem schmalen Gesicht blitzen zwei dunkelbraune Augen, die von der Form her leicht an einen Falken erinnerten und schauten mit wütendem Blick nach vorne.
Er trug eine dunkelbraune Rüstung, die sich perfekt seinen Körpermaßen anpasste. Einfache schwarze Muster von einem eckigen Stil bedeckten das Metall. Er trug Schulterplatten, die seinen Rang kennzeichneten, verzichtete aber auf einen Helm.
Ein teures Kurzschwert, das exzellent gefertigt war, aber keine Verzierungen besaß, hing an seinem Gürtel, der auch seinen aus mehreren schmalen Lederstreifen bestehenden und mit Metallteilen verstärkten Kampfrock an Ort und Stelle hielt.
Seine Füße steckten in Sandallen und seine Oberarme waren frei.
Die Rüstung war nicht sehr massiv und sollte ihn auch nur rudimentär schützen, da er seine Beweglichkeit nicht einbüßen wollte. Auf diesen Standpunkt waren die meisten Rüstungen auf Erebos ausgelegt und auch gefertigt.
Seldon Hegraius, so der Name des Mannes, starrte stur geradeaus, während hinter ihm heisere Befehle gebrüllt wurden und eine riesige Armee Aufstellung nahm und somit seine zuerst angenommene Einsamkeit für nichtig erklärte. Tatsächlich erstickte dieser Teil der Ebene fast unter die enorme Anzahl der Soldaten
Inzwischen hatten fast alle Einheiten ihren Platz gefunden und nur wenige marschierten noch in strengen, rechteckigen Formationen auf ihre Positionen. Die Gruppenführer führten sie dabei an, während die Standartenträger ihre, an kreuzartigen Gestellen befestigen, Bannern mit ruckartig bewegten, damit die Männer die Befehle auch optisch erfassten.
Zwischen den endlosen Reihen gab es auch Lücken in denen Behemoth oder Minotauren standen und grimmig knurrten und brummten.
Ein leichter Staubnebel lag wegen der vielen zehntausend trampelnden Füßen in der Luft, während sich die riesige Masse von Soldaten hinter Seldon aufbaute. Die Reihen waren alle perfekt geordnet und zwischen den Einheiten gab es klare Zwischenräume. Die Männer bewiesen somit was sie beim regelmäßigen Exerzieren gelernt hatten.
Einige berittene Saciler flogen über das endlose Heer hinweg und krächzten dabei laut, während ihre Reiter fest ihre Zügel hielten.
Die eisernen Rüstungen der Soldaten waren mit hellgrauer, fast silbriger Farbe bedeckt, die verhinderte dass sie rosteten und die Streifen aus Pferdehaar auf den Helmen der Männer waren allesamt rot. Die runden Schilde waren vollkommen schmucklos. Die Minotauren hatten nur einfache, mit Lederbänden befestigte, Metallplatten die ebenfalls gefärbt waren und nur einen Teil ihres wuchtigen Körpers bedecken.
Dies waren die neuen einheitlichen Rüstungen aus Sentria für die gemeinsame Streitmacht aus Heolages. Es hat Jahre gedauert bis die Schmiede diese riesigen Mengen an exzellenter Ausrüstung gefertigt hatten und dabei war man keinen Kosten oder Mühen aus dem Weg gegangen. Nun konnte nur noch an den Bannern erkannt werden, aus welcher Stadt diese oder jene Einheit kam.
Insgesamt hatte Seldon, Großlegat und damit Oberbefehlshaber von allen Truppen aus Heolages hundertdreißigtausend Mann hierher geführt, um den Vorstoß des Feindes mit einem letzten Gegenangriff aufhalten zu können.
Siebzigtausend hatte er hier in der Mitte stationiert und jeweils Dreißigtausend an der südlichen Flanke am Rand und an der Nördlichen in den Hügeln.
Es war eines der größten zusammenhängenden Heere seit dem Beginn des Tityoskrieges vor über vierzehn Jahren. Im Grunde war dies ein mehr als glücklicher Zustand, aber leider gab es dennoch ein kleines Problem.
Der Feind hatte nämlich ein noch viel größeres Heer.
Eine Meile vor Seldon, auf der anderen Seite der Ebene, war ein riesiges schwarzes Meer zu erkennen, dass aus zweihunderttausend Mann bestand und alles in den Schatten stellte, was es bis jetzt gegeben hatte.
Die Ordnung und Struktur war genau gleich und auch bei dem Feind aus Cyraus standen die Einheiten und Bataillone ebenfalls in exakt geraden Reihen und Formationen, in denen es breite Gänge gab, zwischen denen die Generäle und normale Legaten schritten und ihre Männer überprüften. Dazu kamen noch die auch von ihnen eingesetzten Minotauren, Behemoth und Saciler.
Trotzdem gab es zwei große Unterschiede. Der Erste war, dass ihre Rüstungen schwarz gefärbt waren, wenn dies auch erst seit kurzem. Die Pferdehaare auf den Helmen bei ihnen waren dunkelbraun.
Desweiteren benutzten sie mit Leder bezogene Trommeln deren dumpfer, rhythmischer Klang bis hierher schallte.
Der Zweck von beidem, die dunklen Rüstungen und die Trommeln, war relativ einfach: Ein bedrohliches Gefühl beim Gegner zu erzeugen und Seldon musste zugeben, dass diese Technik funktionierte.
Die meisten seiner Kundschafter sind nicht zurückgekehrt, sodass er nur raten konnte wie viele Soldaten sie in der Mitte und wie viele an den Flanken positioniert hatte. Mit etwas Glück würde sie seiner Strategie unbewusst in die Hände spielen, aber er hatte in dieser Hinsicht ernste Zweifel.
Während er die dunkle Masse des Gegners beobachtete, wünschte er sich zum wiederholten Mal seine Zentauren und Cesandestar Phessas herbei, auch wenn es fraglich war ob dies in näherer Zukunft in Erfüllung gehen würde.
Denn ein Großteil seiner Kavallerie ritt nämlich momentan zu weit im Nordwesten, von ihm getrennt wegen eines einfachen Scheinangriffs von ihr. Und er war auch noch darauf hereingefallen.
Jetzt hatte er noch knapp fünfhundert Zentauren, die momentan an der westlichen Flanke waren um den dortigen Angriff zu unterstützen.
Wäre seine gesamte Reiterei anwesend hätte er bei der kommenden Schlacht einen entscheidenden Vorteil, da die Cyrausier keine Zentauren mehr besaßen. Aber es sollte aber nicht sein und so musste er jetzt mit dem auskommen, was ihm momentan zur Verfügung stand.
Mit einem Seufzen drehte er sich um und ging zu seiner eigenen Armee zurück.
Ein weiteres Problem war die verdammte Symmetrie dieses Gebiets. Auf dem gesamten Schlachtfeld, weder hier auf der Ebene, noch in den Hügeln gab es irgendwelche Vorteile im Gelände für sie.
Dies traf natürlich auch auf die Streitmacht aus Cyraus zu, doch bedauerlicher Weise konnte sie noch auf ihre starke zahlenmäßige Überlegenheit setzten, gegen die er wiederum nichts ausrichten konnte.
Kurz bevor er seine Reihen wieder erreichte, schloss er kurz die Augen und konzentrierte sich auf das Kribbeln in seinem Inneren, dass ihm seine Verbindung mit dem Styx bewies. Er würde es sehr bald wieder einsetzten müssen.
Er war ein Atregat und damit hatte er einen beträchtlichen Teil seines Lebens im Heer verbracht.
In Despia war er ausgebildet wurden und laut seinen Lehrmeistern hatte er zu den fleißigsten und willensstärksten Schülern in der Akademie gewesen. Deswegen war es ihm auch gelungen die Lehrzeit nach sechs und nicht wie sonst sieben Jahren abzuschließen.
Anschließend begann sein Werdegang in den Reihen der Armee und innerhalb kürzester Zeit ist es ihm gelungen um zahllose Ränge aufzusteigen. Es hatte nicht lange gedauert bis er sich einen gewissen Namen als Feldherr gemacht hatte und schließlich wurde er mit grad mal zweiundzwanzig Jahren zum Großlegaten. Dies hatten vorher nur gut ein halbes Dutzend anderer geschafft.
Zuerst schien es, dass die Entscheidung des aktuellen Großpräfekten eine Gute gewesen war. Seldon konnte einige wichtige Siege an der Front erringen, obwohl der Feind durch unzählige Überläufe stärker war als jemals zuvor. Es schien ganz so als würde er diesen Krieg langsam aber sicher gewinnen und so verhindern das Tityos von den Cyrausiern befreit werden konnte.
Doch vor knapp vier Monaten war sie aufgetaucht und alles hatte sich für ihn ins schlechte umgewandelt. Nun standen sie kurz davor Antrepas zu verlieren und nach Heolages zurückgedrängt zu werden. Dies war heute der letzte Versuch um diese Katastrophe zu verhindern. Wenn sie heute verloren, würde der Ausgang des Krieges für sie auf Messers Schneide stehen.
Seldon hatte die vordersten Reihen seiner Armee erreicht und ein bulliger, hünenhafter Mann mit groben Gesichtszügen, kurzem schwarzem Haar, einem dichten Bart und stahlgrauen Augen trat auf ihn zu. Über der rechten Augenbraue hatte er eine Narbe.
Er reichte Seldon einen runden, grauen Schild mit einem T-artigen Muster und auf dem die Spuren zahlreicher Kämpfe zu sehen waren. >>Und Seldon, wie würdest du unsere Lage beschreiben?<<, fragte er dabei.
>>Beschissen<<, antwortete Seldon kurz und knapp und nahm den Schild entgegen. >>Der Feind hat mehr Männer und eine größere Motivation, während unsere Soldaten vermutlich kurz davor sind, sich in die Hose zu pissen. Ich glaube mehr brauch ich dazu nicht zu sagen Trakedeanos.<<
>>Meiner Meinung nach haben die da hinten genau so viel Angst wie unsere Männer<<, entgegnete der Mann mit einem grimmigen Lächeln.
>>Und genau da liegt das Problem. Sie haben nämlich mehr Angst vor ihr als vor unseren Schwertern und Speeren. Lieber lassen sie sich von uns töten, als sie zu enttäuschen. Das ist ihre Motivation, von der ich eben gerade sprach.<< Er befestige den Schild an seinem linken Arm und überprüfte dabei die Schnallen, bevor er in einem weiterhin ruhigen Tonfall fortfuhr: >>Wieso hast du mich überhaupt darauf angesprochen Trakedeanos? Das weißt du doch schon alles.<<
>>Ich wollte es nur aus deinem Mund hören, gewissermaßen als Bestätigung.<<
>>Aha<<, war Seldons einziger Kommentar dazu.
Trakedeanos Amesso war sein oberster Berater und General und dazu auch sein fähigster Mann, wenn es darum ging die Soldaten im Feld anzutreiben. Dass er dazu auch noch ein guter Freund war braucht wahrscheinlich nicht erwähnt zu werden.
Er trug eine leichtverzierte, dunkelgrüne Rüstung mit Schulterplatten und auf seinem Rücken waren zwei Schwerter festgeschnallt. Genau wie Seldon verzichtete er ebenfalls auf einen Helm.
Hinter ihm stand eine Gruppe von zwanzig Soldaten, die ähnliche Rüstungen trugen, nur ohne die Schulterplatten. Sie trugen Helme mit schwarzem Pferdehaar.
Es waren die Arkollyren. Sie waren gewissermaßen Seldons Leibwächter und sind auch von ihm gegründet wurden, kurz nach seiner Ernennung vor sieben Monaten. Sie unterstützten ihn meistens im Kampf, doch er benutzte sie auch gerne für Botengänge und Sondermissionen, für die normale Kämpfer nicht geeignet waren.
Jeder von ihnen war vorher ein gewöhnlicher Soldat gewesen, der sich besonders in der Schlacht ausgezeichnet hatte und jeder von ihnen war persönlich vom ihm ausgewählt. Sie waren ihm zur absoluten Loyalität verschworen und würden jeden seiner Befehle ohne zu zögern befolgen. Einige von ihnen fühlten sich aber auch leicht unwohl, da sie in ihrem neuen Rang auch eine gewisse Befehlsgewalt über die gewöhnlichen Soldaten und sogar Gruppenführern hatten. Sie sahen sich als Krieger, nicht als Befehlsgeber, aber dies würde mit der Zeit hoffentlich verschwinden.
Schließlich war er davon überzeugt, dass der Schild richtig saß und er drehte sich wieder dem feindlichen Heer zu.
Trakedeanos beobachtete auch eine Weile lang das riesige Monstrum aus Cyraus und leckte sich dabei kurz über die Lippen. Schließlich unterbrach er das Schweigen und wandte sich wieder an Seldon: >>Glaubst du, dass es klappen wird?<<
>>Nein.<< Eine ehrlichere Antwort konnte er nicht geben.
>>Sollen wir uns auf die nördlichen Hügel zurückziehen?<<
>>Das würde nichts bringen. Sie wäre niemals so verrückt uns dort anzugreifen, dafür ist die Stellung für uns einfach zu gut zu verteidigen. Sie würde uns einfach umgehen und weiter nach Norden marschieren und uns so zwingen sie zu verfolgen. Nein, wir müssen sie hier aufhalten. Anders geht es nicht.<<
>>Dann soll ich die Männer fertig machen?<<
Seldon sah zum wolkenverhangenen Himmel hinauf wo noch immer die Großflieger träge dahinglitten, doch lange werden sie nicht mehr bleiben. Spätestens der Blutgeruch würde sie vertreiben. >>Ja, leite alles in die Wege. Ich sehe keinen Sinn noch länger zu warten. Es wird Zeit, dass wir diesem toten Boden hier etwas Lebendiges zu trinken geben.<<
Trakedeanos nickte, so als hätte er nichts anderes erwartet und brüllte dann aus vollem Hals: >>Bereitmachen!<<
Ihr Plan sah wie folgt aus: Seldon wollte einen massiven Sturm auf das Zentrum des Gegners ausführen. An der Flanke in den Hügeln im Westen, die von hieraus nur als eine große Staubwolke sichtbar war, sollten sich einige Bataillone zurückhalten und so dem Feind vorspielen, dass dort weniger Männer als in Wirklichkeit stationiert waren. Wegen des groben Geländes dort sollte das Täuschungsmanöver einigermaßen gut zu bewältigen sein. Der Angriff in der Mitte sollte wie eine letzte Verzweiflungstat aussehen und die Cyrausier dazu zwingen Truppen aus der eigenen westlichen Flanke, wo der Feind augenscheinlich schwächer war als erwartet, abzuziehen und das Zentrum zu sichern und ihn aufzureiben. Wenn dies passierte, sollen seine Reserveeinheiten an der Flanke in den Hügeln eingreifen und dabei helfen die feindlichen Linien dort zu durchbrechen. Nachdem dieser Angriff erfolgreich war, sollten sie sich auf das Zentrum zubewegen und so die Cyrausier in die Zange nehmen und anschließend zum Rand des Kontinents treiben und zum aufgeben oder Rückzug zwingen. Es kam im Grunde nur darauf an, was der Feind tun würde und falls alles schiefgehen sollte, was wahrscheinlich war, hatte Seldon sich auch eine kleine Rückversicherung offengehalten. Im Grunde genommen war dies hier ein Akt der bloßen Verzweiflung und er war sich ziemlich sicher, dass seiner Gegnerin dies auch in allen Facetten bewusst war.
>>Bereitmachen!<<, schrie ein entfernter Legat und dieser Befehl wurde so weiter und weiter gereicht, bis die gesamte Armee ihn vernommen hatte.
Seldon hatte einige Zeit gewartet um zu sehen ob der Feind selbst in die Offensive gehen würde, doch dieser schien sich damit zu begnügen einfach zu warten.
Die Hetrax fingen an ihre Speere zu senken, die Kalypsen zogen ihre Schwerter, die Olypsen hakten ihre Bogensehnen ein und die Sintrea nahmen ihre Wurfspeere in die Hand.
Ein großer Minotaurus mit einem weißen Fell und roten Augen, ein Albino, stieß ein gewaltiges Brüllen aus und die Mitglieder seiner Rasse stimmten ein und hoben ihre Kriegsäxte über ihre Köpfe.
Mit der Gewissheit einen verdammten Fehler zu machen hob Seldon langsam sein Schwert und hielt es in einer geraden Position über sich. Leider hatte er keine andere Wahl.
>>Für Rehphilia<<, rief er den alten Schlachtruf und ließ sein Schwert nach vorne sinken und deutete mit der Spitze auf den Gegner.
Die Standartenträger wiederholten diese Geste mit ihren Fahnen und die Gruppenführer riefen weitere heisere Befehle. Die Armee setzte sich langsam in Marsch.
Das tausendfache Stampfen der Schritte hallte über die gesamte Ebene, während die Soldaten auf den Gegner zumarschierten. Seldon, Trakedeanos und die Arkollyren waren dabei in der vordersten Reihe und er hielt sein Schwert noch immer nach vorne ausgerichtet.
Zuerst rückten sie in einem gemächlichen Tempo vor, doch nach einer Weile verfielen die Kalypsen, Olypsen und Sintrea in einem leichten Trap, bei dem auch die Behemoth und Minotauren teilnahmen. Die Hetrax blieben zurück, da sie wegen ihren langen Speeren nicht gut und auch nicht lange laufen konnten.
Am Ende stürmten sie auf den Feind zu, wobei ein mehrstimmiges Schlachtgebrüll aufkeimte und die Erde wegen ihrer Füße zu beben anfing.
Die Cyrausier hatten inzwischen aufgehört ihre Trommeln zu schlagen und bereiteten sich auf den Zusammenprall vor. In ihren vordersten Reihen standen Kalypsen, die in diesen Moment ihre Schwerter zogen.
Seldon hatte aufgehört mit seiner Klinge nach vorne zu deuten und rannte wie die restlichen Soldaten vorwärts. Doch sein Ziel war nicht die feindliche Linie, sondern etwas dazwischen.
Ein großer, zerklüfteter Fels ragte mitten in der Eben auf und teilte das feindliche Zentrum. Dieser Brocken war der perfekte Standpunkt für Olypsen und er hatte vor diesen zusammen mit Trakedeanos und seinen Arkollyren einzunehmen. Genau hinter seinen Leibwächter rannte dazu auch eine Einheit Olypsen, die bereit war auf den Felsen Stellung zu beziehen, sobald er ihn erst einmal erobert hatte.
Die feindlichen Linien waren von seinen Soldaten inzwischen fast erreicht und eine große Pfeilwolke stieg jenseits der vordersten Reihen der Cyrausier auf und verdunkelte den Himmel, bevor die gefiederten Schäfte auf sie hinab regneten.
Die meisten der Männer hoben im Laufen ihre Schilde um nicht getroffen zu werden. Trotzdem fielen Hunderte mit Pfeilen im Körper zu Boden und nachfolgende Soldaten stolperten über ihre toten oder verwundeten Kameraden. Die Gruppenführer versuchten dabei die Einheiten zusammenzuhalten, damit die gesamte Streitmacht nicht bei dem Sturmangriff ihre Ordnung verlor.
Neue Pfeile stiegen auf und einige pfiffen dicht an Seldon vorbei. Einer seiner Arkollyren wurde in der Schulter getroffen, doch der Mann rannte unbeeindruckt weiter.
Die vordersten Soldaten hoben ihre Schwerter und richteten ihre Schilde nach vorne aus, da sie nur noch wenige Meter von dem Feind entfernt war. Allerdings reagierte dieser anders als erwartete darauf.
Anstatt sich dem Angriff zu stellen, rannten die gegnerischen Kalypsen alle auf einmal, so als wäre es abgesprochen, nach hinten.
Und nun war auch direkt ein Problem für die Soldaten von Heolages entstanden. Denn direkt hinter den Reihen der Schwertkämpfer, hatten die Cyrausier Hetraxeinheiten stationiert, die nun ihre am Boden liegenden Speere aufhoben, während die eigenen Kalypsen an ihnen vorbei liefen. Praktisch sofort danach senkten sie ihre Waffen gegen die angreifenden Soldaten, die nicht rechtzeitig abbremsen konnten und so rannten sie direkt gegen eine Mauer aus Speeren.
Der Aufprall war erschütternd. Beinahe die gesamten vorderen Reihen der Kalypsen wurden durchbohrt. Einige wurden zwar nur an Armen, Beinen oder Kopf erwischt, aber da sie sich im vollen Lauf befunden haben, wurden diese Körperteile oft geradezu abgerissen.
Auch einige Cyrausier, die etwas zu langsam gewesen waren, starben auf diese Weise, während sich eine Reihe aus Toten und Verletzten vor den Hetrax auftürmte.
Viele der Speere brachen auch ab, als Körper gegen sie prallten und die Splitter bohrten sich auch in das Fleisch vieler Männer auf beiden Seiten.
Zuerst schien es, als würde der Angriff aufgehalten worden sein, doch nur für die ersten Sekunden. Der Sturm aus Soldaten war einfach zu gewaltig und nach und nach wurden die Wälder aus Speeren durchbrochen und es setzten die ersten Nahkämpfe ein, bei denen die Männer nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Nun preschten auch die Kalypsen aus Cyraus vor um die Hetrax zu unterstützen.
Die vorderen Behemoth beim Angriff fingen an sich durch die gegnerischen Reihen zu pflügen und dabei jeden zu zermalmen der dumm genug war sich ihnen in den Weg zu stellen. Schwerter und Speere schabten meistens wirkungslos an ihren Panzern ab und fügten diesen dabei nur kleine Kratzer zu. Durch die Schneisen die sie zogen, stürmten dann die Männer aus Heolages und drangen so tief in die feindlichen Formationen ein.
Die Minotauren töteten mit einem einzigen Schwung ihrer Äxte dutzende von menschlichen Gegnern und hinterließen dabei große Mengen an abgetrennten Gliedmaßen und zerhacken Körpern. Oft zogen ihre Klingen bei jedem Schwung große Mengen an Blut hinter sich her und sie stießen auch gerne mit ihren Hörnern zu, an deren Enden sie Metallspitzen angebracht hatten, und katapultierten die Männer so meterweit über das Schlachtfeld, bis sie irgendwo weiter hinten in die eigenen Reihen mit durchstochenen Körpern niederfielen.
Es dauerte aber nicht lange bis die Minotauren aus Cyraus nach vorne drangen um ebenfalls ihren Spaß zu haben und ihre Äxte zu beflecken.
Innerhalb kurzer Zeit war ein riesiges Chaos entstanden, während überall auf der Ebene Männer ohne Gnade aufeinander einschlugen. Manche, die ihre Waffen verloren hatten, benutzten am Boden liegende Steine oder griffen aus reiner Verzweiflung mit ihren Händen und Zähnen an.
Abgetrennte Köpfe rollten über den Boden. Hier und dort zuckten herrenlose Arme noch ein oder zwei Mal, bis die Nerven den Verlust zum Körper signalisierten. Verwundete krochen schreiend über den Boden und wurden von ihren Kameraden zertrampelt, während andere Soldaten zusammengebrochen waren und ihre gefallenen Freunde weinend in den Armen hielten.
Während die vorderen Einheiten aus Heolages noch immer vorpreschten oder versuchten den Feind zurückzudrängen, rückten von hinten bereits weitere, noch geordnete Truppen heran um in die sich auftuende Lücken vorzustoßen oder um aufgeriebene Bataillone oder erschöpfte Kämpfer abzulösen.
Zwischen diesen beiden Gruppen waren die Sintrea und warfen ihre Wurfspeere über die Köpfe ihrer Kameraden hinweg auf den Feind.
Bei den Cyrausiern war ein ähnliches Bild. In der großen Masse der Kämpfenden flogen hier und dort noch der ein oder andere Pfeilhagel wie wütende Hornissenschwärme durch die Luft.
Ein Großteil der Ebene hatte sich ein groteskes Meer aus Stahl, Blut und Schweiß verwandelt, über dem Schreie, Rufe und metallischen Klirren hallte.
Es war auf eine düstere und grauenvolle Weise ein faszinierender Anblick.
Seldon hatte kurz geflucht, als er gesehen hatte wie seine vordersten Kalypsen in die Falle aus Speeren gerannt waren, aber inzwischen war dies beinahe vergessen. Momentan hatte er wichtigeres zu tun, als sich darum Sorgen zu machen.
Er war am Fuß des großen Felsen angelangt und begann an einer flachen Stelle nach oben zu rennen. Loser Kies knirsche dabei unter seinen Füßen. Dich hinter ihm waren nach wie vor Trakedeanos und die Arkollyren. In Kämpfe war er noch nicht verwickelt gewesen, da alle Gegner seitlich des Steingebildes waren. Gleich würde sich dies allerdings ändern, da die Gegenseite nicht so dumm war und so eine wichtige strategische Position nicht besetzt hielt. Einige Feinde nährten sich ihm bereits.
Ein Pfeil flog von rechts heran, doch Seldon entging ihm, indem er sich schnell duckte. Sobald der gefiederte Schaft über ihm hinweg war, sprang er nach vorne und rammte seine Klinge in den Brustkorb eines Cyrausiers der sich ihm entgegengestellt hatte.
Es war ein Kalypse, der sein Schwert zum Schlag erhoben und dabei seinen Schild leicht vernachlässigt hatte. Diese Unachtsamkeit rächte sich nun.
Die hochwertige Klinge durchschnitt mühelos die Rüstung und durchbohrte den Körper darunter, mitsamt der Lunge und dem Herz.
Der Mann spuckte Blut und fiel auf die Knie, während das Metall wieder aus ihm herausgezogen wurde. Er hielt sich einige Sekunden aufrecht und starrte mit leerem Blick in den dunklen Himmel, dann brach er endgültig zusammen.
Seldon kümmerte sich inzwischen um die nächsten Gegner und schickte einen nach dem anderen in den Styx.
Er kämpfte mit kraftvollen Drehungen seines Körpers und durschnitt mit präzisen Schlägen lebenswichtige Stellen an den Körpern, wobei er meistens die Kehlen bevorzugte, was oft rote Blutfontänen zur Folge hatte, die seine Rüstung beschmutzten.
Oft schlug er auch hart mit seinem Schild zu und zertrümmerte so Gesichter, Rippen oder Arme. Insgesamt erinnerte seine Art zu töten an einen Tanz. Er hatte lange und hart trainiert um im Schwertkampf diese Meisterschaft zu erlangen und hatte am Ende in der Akademie sogar seinen Lehrmeister besiegt.
Die Arkollyren hinter ihm hielten etwas von ihm Abstand, da sie wussten, dass er im Kampf Freiraum benötigte und kümmerten sich um Gegner die sich von den Seiten nährten, oder ihren Herren umrunden wollten. Auch sie beweisen mit ihren Doppelschwertern ihr blutiges Geschick, stetig angetrieben von Trakedeanos harschem Brüllen.
Der Felsen wurde größtenteils von Kalypsen verteidigt, die nun von weiteren Schwertkämpfern unterstützt wurden, die von der eigentlichen Schlacht rechts und links herbeiströmten.
Mehrere von ihnen umzingelten Seldon und versuchten ihn mit ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zu Fall zu bringen.
Er entging einem seitlich geführten Schlag, indem er schnell in die Hocke ging, wobei er dabei einen seiner Beine nach hinten schnellen ließ und so einem Gegner, der seinen Hinterkopf spalten wollte, den Fuß wegkickte, sodass dieser zu Boden fiel.
Gleichzeitig rammte er sein Schwert in dem Cyrausier vor ihm war und positionierte dabei seinen Schild mit einer weiteren schnellen Bewegung auf den Rücken und wehrte so den Stich eines Dritten ab.
Anschließend wandte er sich diesen mit einer schnellen Drehung zu und schlitzte ihm dabei den Magen auf. Noch immer den Schwung der Bewegung nutzend köpfte er den Mann den er vorher zu Boden gebracht hatte und sich nun wieder erheben wollte. Desweiteren hob er den Schild, um einen weiteren Schlag von einem vierten Gegner abzuwehren.
Kurz darauf fiel auch dieser mit durchgeschnittener Kehle.
Ein fünfter Cyrausier der sich etwas zurück gehalten, stürmte nun nach vorne, doch Seldon schlug dessen Schwert mit dem Schild zur Seite und versenkte sein eigenes in das rechte Auge von dem Kerl.
Während die Leiche in sich zusammensackte, kümmerte er sich um den Letzten noch lebenden der Fünf.
Es war der Mann mit dem aufgeschlitzten Magen, der sich nun schreiend auf dem Boden wälzte und mit seinen Händen versuchte seine Gedärme im Körper zu behalten, was ihm aber nicht so recht gelang.
Seldon erlöste ihn von seinen Qualen, indem er ihn einmal fest auf den Hals trat und ihm so das Genick brach.
Anschließend stürmte er weiter den Felsen hinauf.
Zu seiner Rechten rückten nun einige Einheiten von seinen Hetrax, die nun endlich die Schlacht erreicht hatten, vor um die weiter vorne kämpfenden Kalypsen zu unterstützen. Zu seiner Linken regnete ein weiterer Pfeilhagel herab, doch die dortigen Schwertkämpfer schlugen nach wie vor hart auf den Feind ein, während gut zehntausend weitere Kalypsen, die sich bisher zurückgehalten hatten, mit Schlachtgebrüll nach vorne stützten um dabei zu helfen die Cyrausier weiter nach hinten zu drängen.
Seldon befand sich derweil nur noch auf einen kleinen, schmalen Pfad der nach oben führte. Die Schlacht links konnte er nicht mehr erkennen, da ihm nun glatter grauer Fels die Sicht versperrte. Rechts von ihm befand sich jetzt eine Kante, die gut vier Meter weit nach unten führte und nun konnte er gut über die endlosen Reihen aus Männern sehen, wobei die Kämpfenden wie Wellen hin und her wogten.
Allerdings hatte er nicht viel Zeit um dieses Panorama zu genießen, da nach wie vor Cyrausier auf ihn eindrangen.
Viele meinten er sei wahnsinnig ohne Helm zu kämpfen, doch wenn er einen getragen hätte, wäre er schon längst tot. Immer wenn er einen trug, fühlte er sich eingeengt und sein Sichtfeld schrumpfte viel zu stark zusammen. Außerdem ließ seine Konzentration stark nach. Das hatte schon damals sein Ausbilder erkannt. Bei den Übungskämpfen hatte er ständig verloren und irgendwann meinte sein Lehrer er solle es mal ohne Helm versuchen. Danach hat er nie mehr einen Schwertkampf gegen einen anderen Schüler verloren.
Und falls er eines Tages durch einen Pfeil in der Stirn sterben sollte, dann sollte es eben so sein. Auf jeden Fall würde er lieber nackt in die Schlacht zeihen, als in einer vollen Rüstung plus Helm.
Bei Trakedeanos sah die Sache etwas anders aus. Sein Grund keinen Helm zu tragen war ganz einfach purer Trotz. Er wollte seinen Gegnern einfach nur zeigen, dass er sie auch ohne diesen zusätzlichen Schutz besiegen konnte und außerdem hat er mal erwähnt, dass ihn das zusätzliche Gewicht nervte.
Seldon hackte einem Cyrausier die Schwerthand ab und schmetterte ihn anschließend mit einem schweren Stoß seines Schildes gegen die Felswand links, wo der Mann dann mit mehreren gebrochen Knochen zu Boden rutschte.
Ein Arkollyr der dicht hinter seinem Herren her gerannt war tötete den Verwundeten mit einem schnellen Streich seines Schwertes. Hinter ihm folgten wiederum einige Dutzend Olypsen die weiter oben auf den Felsen in Stellung gehen sollten. Die restlichen Doppelschwertkämpfer und Bogenschützen waren weiter unten und deckten ihnen den Rücken.
Ein Pfeil flog von vorne heran, erreichte allerdings nicht sein Ziel nicht, sondern bohrte sich vorher unfreiwillig in Seldons Schild.
Dieser stürmte weiter unbeeindruckt nach oben und erreichte den Schützen und bevor dieser noch einmal schießen konnte, stieß er ihm sein Schwert in die Schulter.
Dieser Schlag war so heftig, dass die Klinge vom Schlüsselbein des Olypsen bis hinunter zur Brust gelangte.
Der Mann gab ein Krächzen von sich und als das vor Blut inzwischen klebrige Schwert aus ihm heraus war, fiel über die Kante hinunter in die wogende Schlacht.
Selden schnitt den Pfeil in seinem Schild mit seinem Schwert grob ab, während er weiter nach oben rannte. Zwei weitere Kalypsen versperrten ihm den Weg, doch sie hatten nicht viel mehr Glück als ihre Vorgänger und endeten schnell und schmerzlos unter der Klinge des Hochlegaten.
Der schmale Pfad machte anschließend eine Rechtskurve um den Felsen, sodass man nun einen guten Blick auf die vielen noch wartenden Einheiten aus Cyraus haben konnte, die sich wie ein schwarzer Teppich vor einem ausbreitete.
Einige der Olypsen die Seldon folgten, blieben hier stehen und begannen auf die dort unten stehenden Feinde zu schießen, was entsetzte Schreie auslöste und zur Folge hatte, dass auch Pfeile zurückgeschossen wurden.
Derweil hatte Seldon beinah die Spitze des gut zweiundzwanzig Meter hohen Felsen erreicht. Denn dicht hinter der ersten Kurve, befand sich eine zweite und nun sprang er noch einmal über einen Vorsprung und er hatte sein Ziel erreicht. Mehrere Banner von verschiedenen Städten aus der Darius Liga flatterten hier oben im Wind, während von allen Seiten der Schlachtlärm hochschallte.
Drei Kalypsen stürzen sich sofort auf ihn, doch er erledigte sie mit mehreren einfachen Hieben seines Schwertes.
Der Arkollyr hinter ihm gelangte nun ebenfalls hinauf und griff sofort drei Olypsen an, die Ziele weiter unten beschossen hatten.
Ein weitere Bogenschütze, sowie ein letzter Schwertkämpfer standen am anderen Ende der flachen Spitze und hoben ihre Waffen um Seldon zu empfangen.
Anstatt sich weitere Mühe zu machen und auf sie zu zulaufen entschied dieser sich für eine einfachere Möglichkeit.
Er hob mit einer ruckartigen Bewegung sein vor Blut rotes Schwert und deutete damit auf die zwei Gegner. Gleichzeitig tauchte er tiefer in das immer vorhandene, beruhigende Kribbeln in seinem Körper ein und konzentrierte seine Gedanken auf die beiden Ziele.
Die Klinge seiner Waffe wurde augenblicklich warm und die beiden Feinde gingen in Flammen auf.
Die Cyrausier ließen schreiend ihre Waffen fallen und warfen sich in Schmerzen krümmend zu Boden. Da das Feuer von innen nach außen gedrungen war und innerhalb von Sekunden ein Großteil ihres Fleisches und auch viele wichtige Organe verbrannt hatten, waren sie allerdings schnell tot.
Seldon ließ sein Schwert sinken und begann sich umzusehen. Der Arkollyr hatte die gegnerischen drei Bogenschützen getötet und nun stürmten eigene Olypsen die Spitze und begannen die Feinde unten mit Pfeilen einzudecken.
Einer von ihnen reichte Seldon aber vorher einen dicken Wasserschlauch, den er mit einem dankbaren Nicken annahm und er füllte seine Kehle mit mehreren tiefen Schlucken. Anschließend wischte er sich etwas Schweiß und Blut vom Gesicht.
Noch vor einigen Jahren hätte ihn dieser Einsatz des Styx stark geschwächt, doch inzwischen war dies einer seiner leichteren Übungen. Er war wahrscheinlich, mit nur einer Ausnahme, der beste Atregat den es auf Erebos seit langer Zeit gegeben hatte, zumindest hatten das all seine Ausbilder behauptet und jeder von ihnen hatte sein Potential als unfassbar hoch eingestuft. Am besten konnte er mit dem Sedrio, also dem Feuer, umgehen. Doch auch sein Geschick im Nebas übersteigt das vieler gewöhnlicher Atregaten. Nur im Bereich des Hydron bewies er fast gar kein Können, was aber durch seine mächtigen Feuerbeschwörungen wieder ausgeglichen wurde.
Diese Tatsachen, zusammen mit seinem Geschick mit dem Schwert, machten ihn wahrscheinlich zu mit einem der tödlichsten Krieger auf Erebos. Zumindest wird er überall als solcher gefeiert.
Ihm selbst war dieses Gerede relativ egal. Momentan zählte für ihn nur eine Sache und zwar diesen Krieg zu gewinnen. Er genoss keine Ehrungen oder Feste in seinem Namen, sondern konzentrierte sich nur darauf seine Aufgaben zu erfüllen. Auch sein Pflichtgefühl war damals gelobt wurden und zumindest machte ihn seine gewaltige Kraft nicht übermäßig stolz.
Außerdem gab es, wie bereits erwähnt, jemanden der wesentlich besser war als er.

Trakedeanos stand noch weiter unten auf dem Pfad, der sich an der linken Seite des Felsen hochschlängelte. Also dort wo Seldon sich eben noch durchgekämpft hatte.
Jetzt stürmten dutzende von Olypsen an ihm vorbei nach oben, während er ruhig an der Kante stand und nach unten schaute.
Am Fuß des Felsens, wo ihr Aufstieg begonnen hatte, gab es nichts mehr für ihn zu tun. Die Hauptarmee war nun so weit vorgerückt, dass die feindlichen Soldaten ihnen nicht mehr in den Rücken fallen konnten.
Ein Pfeil surrte dicht an seinem Kopf vorbei, doch Trakedeanos bemerkte es kaum, sondern bewunderte weiterhin das Bild vor ihm.
Etwas weiter östlich, aber von seiner Position trotzdem gut zu erkennen, versuchten einige tausend Kalypsen aus Cyraus einen Gegenangriff und durchbrachen sogar die Angriffslinien. Doch der Legat der diesen Schlachtabschnitt befehligte, schien dies vorausgesehen zu haben und hat dicht dahinter einige Hetraxeinheiten in Stellung gebracht und benutzte so die selbe Taktik die der Feind am Anfang der Schlacht benutzt hatte. Das Ergebnis war auch dasselbe. Der Gegner rannte direkt in die Speere und wurden rabiat aufgehalten und der Sturm kam schnell zum erliegen. Nun rückten die Hetrax mit nach vorne gerichteten Speeren vor und trieben die Kalypsen so langsam wieder zurück. Hinter ihnen hatten sich die eigenen Schwertkämpfer erneut gesammelt und warteten nun auf den rechten Augenblick um wieder in die Schlacht eingreifen zu können.
Trakedeanos war ein Landbewohner. Sein Geburtsort war ein Dorf nahe der Stadt Malarta in Heolages. Seine Kindheit dort konnte man als schwierig bezeichnen und er erinnerte sich nicht gerne an diese Zeitzurück. Sein Vater war ebenfalls Soldat gewesen und war mehrere Jahre vor dem Beginn des Tityoskrieges in irgendeinem kleinen Gefecht hier in Antrepas gefallen. So waren nur er, seine Mutter und sein Bruder übrig geblieben. Da sie im Grunde immer zu wenig von allem hatten, fing er eines Tages an zu stehlen und das über mehrere Jahre hinweg. Am Anfang wurde er natürlich oft erwischt und beinahe totgeprügelt wie ein tollwütigen Hund, aber nach einer Weile hatte er genug Geschick entwickelt, um an alles zu kommen was er wollte. Dazu schlug er sich immer wieder mit anderen armen Kindern um Brot oder ein paar Oliven. Schließlich kam allerdings die große Hungernot, bei dem gut ein Viertel der Landbevölkerung seiner Heimatregion starb. In der Stadt war es sogar ein Drittel aller Menschen gewesen. Seine Mutter hatte damals jedes bisschen Nahrung für ihn und seinen Bruder aufgehoben und selbst kaum etwas zu sich genommen. Am Ende war sie vor Schwäche gestorben. Nur fünf Tage später wurde die neue Ernte eingefahren und die Hungersnot endete. Er und sein Bruder hielt nichts mehr in dem kleinen Dorf und so gingen sie nach Malarta und schrieben sich dort in der Armee ein. Sie waren schon beide von Anfang an in dem Tityoskrieg beteiligt und er hatte an fast jeder wichtigen Schlacht teilgenommen.
Trakedeanos konnte nicht als großartiger Stratege bezeichnet werden, aber er bewies schnell sein Geschick im Kampf und er wusste wie man die anderen Soldaten richtig antrieb und motivierte. So dauerte es nicht sehr lange bis er zum Gruppenführer ernannt wurde. Sein Bruder, der nie über den Rang eines einfachen Soldaten hinausgekommen war, hatte diese Fähigkeiten leider nicht und starb bei einer größeren Schlacht, die erst einige Monate zurücklag. Trakedeanos dachte nicht gerne an diesen Tag zurück, aber als Konsequenz daraus hatte er den erbitterten Angriffen des Gegners aus purer Wut standgehalten und diese auch auf seine Männer übertragen. Somit hatte er dazu beigetragen diesen für ihn bitteren Tag in einen Sieg zu verwandeln und danach war dann auch Seldon auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihn kurz darauf zu seinem obersten Berater und zum Befehlshaber über die Arkollyren erwählt.
Ein spitzer Schrei erscholl und ein berittener Saciler flog dicht über ihm hinweg. Trakedeanos packte einen Apfel aus einem Beutel an seinem Gürtel und biss ein ordentliches Stück davon ab, während er den Flieger dabei beobachtete, wie dieser weiter über das Schlachtfeld geleitete.
Der Reiter versuchte das Tier in eine stabile Flugbahn zu bringen, während die beiden Bogenschützen, die hinter ihm saßen, nach unten schossen, wobei sie es vornehmlich auf Gruppenführer, Generäle und auch Legaten abgesehen hatten. Schließlich ging das Wesen in eine steile Kurve, um mehreren Pfeilen auszuweichen.
Die Saciler hatten in Schlachten meistens eher unterstützende Rollen und wurden eher als schnelle Kundschafter eingesetzt. Allerdings gab auch für sie genug Verwendungsmöglichkeiten im Kampf. So saßen auf einigen der geflügelten Wesen nur zwei statt drei Personen, doch dafür hatten sie Säcke voller Steine, die sie nach unten regnen ließen und so mehrere Soldaten erschlagen konnten. Anschließend flogen sie meistens zurück nach hinten um neue Munition zu holen.
Oft kämpfen die Saciler auch gegeneinander, was für Zuschauer besonders beeindruckend war. Entweder die Schützen beschossen sich gegenseitig mit Pfeilen oder die Tiere verbissen sich ineinander und kratzen sich mit ihren scharfen Klauen tiefe Wunden in die ledrige Haut. Manchmal ließen sie nur wenige Meter bevor sie auf den Boden aufschlugen voneinander ab, stiegen wieder höher hinauf und griffen sich erneut an, während ihr Blut zur Erde hinunter tropfte. Bei diesen gefährlichen Kämpfen mussten sich die Malyren und Bogenschützen gut an ihren Reittieren festhalten um nicht abgeschüttelt zu werden.
Ein Brüllen ließ Trakedeanos den Blick wieder nach unten senken. Einige feindliche Behemoth rückten schnaufend vor und versuchten stampfend die Linien von Heolages bei dem Felsen wieder zurück zu drängen. Eines der Tiere stand nun direkt unter ihm bei dem Fuß des Felsens und wurde von einigen Hetrax zurückgehalten, die mit ihren Speeren auf seine Augen einstachen. Der Behemoth bäumte sich auf und schüttelte wütend den Kopf. Mit jeder Sekunde wurde er gereizter und es würde vermutlich nicht mehr lange dauern bis er nach vorne stürmte und die Männer ohne große Mühe zerquetschte.
Noch immer kauend warf Trakedeanos den halb aufgegessen Apfel über die Schulter und zog seine beiden Schwerter. Es waren schmucklose Exemplare, von dem eines ihn schon seit der Grundausbildung begleitete. Im Gegensatz zu manchen überheblichen Legaten brauchte er keine Goldverzierungen für seine Waffen. Mit so einem Quatsch bewies man höchstens seinen schlechten Geschmack. Er dagegen würde jetzt wieder einmal beweisen, was er so im Kampf konnte.
>>Du da<<, sagte Trakedeanos und deutete auf einen Arkollyren der in der Nähe stand.
>>Ja Herr, was befiehlt ihr?<<, fragte dieser und trat vor.
>>Sammel die anderen und bring sie nach unten. Wir treffen uns dort dann wieder. Versuch bei der Gelegenheit auch eine Einheit Kalypsen für uns als Unterstützung aufzutreiben.<<
Der Mann war klug genug, um nicht zu fragen was er vorhatte, sondern nickte nur und rannte los um die Befehle auszuführen.
Trakedeanos blieb zurück und blickte nach unten auf den Behemoth. Es waren in etwa vier Meter, sollte also ein Klacks sein. Er hatte schon größere Höhen geschafft.
Ohne weiter zu überlegen sprang er. Die Entfernung war schnell überbrückt, doch die Landung auf dem Gerüst, das auf den Rücken des Tiers geschnallt war, war weniger sanft als erhofft. Er knickte kurz mit dem Fuß weg und musste erst einmal wieder Halt finden, doch die um ihn herum stehenden Olypsen und Sintrea waren sowieso viel zu überrascht um dies auszunutzen.
Als er nach wenigen Sekunden wieder sicher stand begann er wild um sich zu schlagen, mit dem Zweck hier oben für etwas dünnere Luft zu sorgen. Seine Hiebe waren weniger elegant als die von Seldon, hatten aber mehr Kraft und so brach er reihenweise Knochen, trennte Arme und Beine ab und halbierte sogar fast einen Mann, bevor das Blutbad beendet war. Der Malyr des Tiers versuchte noch verzweifelt sein Kurzschwert zu ziehen, doch er wurde enthauptet, bevor er die Bewegung richtig beenden konnte.
Jeder Feind hatte eine oder mehrere Schwachstellen und auch beim mächtigen Behemoth war es nicht anders. Beim Hals, kurz vor der großen Knochenplatte, gab es zwischen zwei der Panzerplatten einen Zwischenraum in dem perfekt eine Klinge passte und mit der man anschließend einen wichtigen Halswirbel durchtrennen konnte.
Das Tier spürte, dass etwas mit seinem Reiter passiert war und schüttelte sich mit einem Brüllen. Trakedeanos hielt sich am Geländer des hölzernen Gerüstes fest um nicht abgeworfen zu werden und beugte sich weit nach vorne und rammte sein Schwert in die oben beschrieben Stelle.
Der Behemoth erstarrte und ein dumpfer, traurig klingender Laut kam aus seinem Maul, bevor er langsam anfing seitwärts umzukippen.
Trakedeanos sprang ab, bevor der Gigant aufschlug und die Erde leicht erzittern ließ. Die Hetrax in der Nähe jubelten, wenn auch etwas verfrüht, da noch einige andere dieser Wesen in der Nähe unterwegs waren.
Er befand sich nun mitten in der Hauptschlacht und auf dem Boden vor ihm lagen mehrere Leichen und auch zwei oder drei stöhnende Verwundete, während etwas weiter vorn ein weiterer Behemoth tobte.
Ohne auch nur zu zögern stürmte Trakedeanos los, um auch diesen anzugreifen und ignorierte dabei einfach die Tatsache, dass sein Gegner um ein vielfaches größer und schwerer war als er.
Um ihn herum kämpften hunderte von Kalypsen gegeneinander, während sich die Hetrax zurückhielten, da sie nicht die eigenen Leute aufspießen wollten. Die ordentlichen Formationen hier waren durch die Behemoth zerwühlt und so kam es nun zu einem wütenden und chaotischen Hauen und Stechen, während die noch lebenden Gruppenführer verzweifelt versuchten ihre Einheiten wieder zu sammeln.
Einige gegnerische Schwertkämpfer versuchten Trakedeanos aufzuhalten, doch seine schweren Schwerthiebe erledigten diese kleinen Störungen schnell. Einmal wollten sich allerdings fünf auf einmal auf ihn stürzen, darunter sogar ein Gruppenführer, doch man nahm ihm die Aufgabe ab diese Männer zu töten. Ein Minotaurus stürmte von den Hetrax heran nach vorne und riss diese fünf Gegner mit einem einzigen Schlag seiner Axt in Stücke. Anschließend rannte der Gigant mit einem zufriedenen Grunzen weiter.
Trakedeanos umging die zerfledderten und blutigen Überreste der Männer mit einem Seitenschritt, sprang über einen heulenden Verwundeten und erreichte den zweiten Behemoth.
Das Tier schlug in diesem Moment mit seinem mächtigen Kopf zu und katapultierte so mehrere Kalypsen durch die Luft. Eine dichte Wand aus Schwertkämpfern hatte sich dem Gigant im Weg gestellt, doch es brauchte nur einige wenige Schritte nach vorne zu gehen um durch ihre Reihen zu pflügen.
Nun mit dem Vorhaben die zweite Schwachstelle zu nutzen, ließ Trakedeanos sich fallen, aber so, dass er noch etwas über den Boden rutschte und von der Seite her unter den Behemoth gelangte. Der Bauch des Wesens war nicht gepanzert und so konnte er seine Klinge tief in dessen Eingeweide versenken, bevor er sich wieder in Freie rollte.
Das Tier brach fast geräuschlos zusammen, während Blut aus seinem Maul lief und seine Innereien aus der Wunde quollen. Der Behemoth atmete zwar noch, war nun aber keine Bedrohung mehr.
Die Kalypsen stürmten schreiend nach vorne, erkletterten den großen Leib und töteten den Reiter und die Schützen oben im Gerüst.
Ein dritter Behemoth kämpfte etwas weiter entfernt, doch da war die Sache auch schon erledigt. Ein Saciler flog heran und riss einige der Olypsen mit seinen scharfen Krallen von dem Gerüst, während ein Sintrea dem Wesen einen Wurfspeer in das Auge schleuderte und so auch diesen Gigant tötete.
Der letzte noch lebende Behemoth begann sich zurückzuziehen, da der Malyr kein Interesse zu haben schien, es nun allein gegen die ganzen Einheiten aus Heolages aufzunehmen. Frische Einheiten aus Kalypsen stürmten jetzt an Trakedeanos vorbei und konnten wieder eine einigermaßen vernünftige Angriffslinie bilden und ihm so Schutz vor dem Feind geben, auch wenn hier und dort einzelne Gegner durchbrachen. Doch sie wurden meistens von den Hetrax oder den gerade eingetroffenen Arkollyren mit der angeforderten Kalypseneinheit aufgehalten.
Eine Einheit feindlicher Sintrea warf mehrere Kurzspeere über die Kämpfenden hinweg und tötete so einige der Speerkämpfer in der Nähe. Eines der Geschosse bohrte sich auch direkt vor Trakedeanos Füße in den Boden, was aber keine nennenswerte Reaktion bei ihm auslöste.
Stattdessen nahm er sich einen zweiten Apfel.

>>Dieser verdammte Angeber<<, murmelte Seldon, der Trakedeanos die ganze Zeit über von der Spitze des Felsens aus beobachtet hatte. Die dichten Reihen aus Hetrax rechts unten auf der Ebene rückten langsam mit gesengten Speeren nach vorne, wobei sie noch immer ihre Formationen beibehielten. Auf der linken Seite hatte sich nun, da die vier Behemoth verschwunden waren, alles wieder normalisiert. Auch sonst sah die Schlacht an sich recht vielversprechen aus. Eigentlich verlief sie sogar zu gut.
>>Herr!<<, rief plötzlich eine Stimme von rechts und als Seldon den Kopf drehte sah er einen jungen Soldaten auf die Spitze des Felsens klettern.
Der Mann hatten keinen Schild und nur ein einfaches Kurzschwert am Gürtel hängen. Er versuchte weiter nach vorne zu rennen, doch ein Kalypse und der Arkollyr versperrten ihm grob den Weg.
>>Mein Herr<<, schrie der Bursche ein weiteres Mal, versuchte sich klugerweise aber nicht an den beiden Leibwächtern vorbei zu drängeln. >>Ich hab eine wichtige Botschaft von der östlichen Flanke für sie. Es ist von der Legatin Megalia Sekromos.<<
Seldon machte eine schnelle Handbewegung und die Wächter ließen den Mann passieren. Keuchend vor Erschöpfung stolperte er einige Schritte weiter, bevor er mit gesenktem Haupt vor ihm stehenblieb.
>>Mach es so kurz wie möglich, wenn es so wichtig ist. Am besten du kommst sofort zur Sache.<<
>>Ja Herr. Der Gegner hat bei der östlichen Flanke mehr Männer als erwartet stationiert und die Legatin weiß nicht wie lange die Linien gegen die dortige Übermacht noch standhalten kann. Ohne Hilfe werden sie innerhalb der nächsten Stunden überrannt.<<
Also hatte sie vor durch seine östliche Flanke zu brechen oder es sollte zumindest so aussehen. Wahrscheinlich war es eine Falle von ihr. Nirgends konnte man so gut und unter so hohem Risiko etwas vortäuschen wie in Schlachten. Nun, was immer sie vorhatte, er sollte ihr die Ehre erweisen und auf ihr Spielchen eingehen.
>>War das alles?<<, fragte Seldon, während er seinen Schild hochhob, den er zuvor abgelegt hatte, um sich eine Pause zu gönnen. In der Nähe zuckte ein Olypse zusammen und sackte mit einem Pfeil im Gesicht zusammen.
>>Ja Herr. Was soll ich der Legatin ausrichten?<<
>>Gar nichts, ich gehe jetzt sofort selbst hin und sehe mir die Sache persönlich an. Du bist doch Bote oder?<<
>>Ja Herr.<<
>>Gut, dann reite zur westlichen Flanke und erkundige dich nach der dortigen Lage. Such keine bestimmte Person, sondern spreche den nächstbesten Legaten an, den du dort siehst, da ich nur eine grobe Übersicht brauche. Komm dann so schnell wie möglich mit einer Antwort zurück. Ich werde dann wahrscheinlich bei der östlichen Flanke sein. Hast du das alles verstanden?<<
>>Ja Herr, das habe ich.<<, antwortete der Mann prompt. Er schien erfreut zu sein einen Auftrag vom Großlegaten persönlich ausführen zu können.
>>Dann kannst du jetzt gehen und beeil dich!<<
Der Bote nickte und stürzte augenblicklich los. Bei dem Tempo, das er vorlegte konnte er froh sein, wenn er den Fuß des Felsens ohne gebrochene Knochen erreichte.
Das Problem bei solchen weitläufigen Schlachten wie dieser hier war, dass es unmöglich war den Überblick zu behalten. Besonders von der westlichen Flanke in den Hügeln sah man praktisch nichts und er konnte nur darauf vertrauen, dass die dortigen Legaten ihre Sache ordentlich machten.
Seldon wandte sich an den Kalypsen und wies ihn an zu den, in diesen Augenblick noch wartenden, Reserveeinheiten zu gehen und ihnen anzuweisen, dass ein Teil von ihnen zur östlichen Flanke marschieren soll, wenn auch nicht so viele, dass der Angriff im Zentrum darunter leiden würde.
Der Schwertkämpfe nickte ebenfalls, wenn auch nicht so energisch wie der Bote und rannte mit etwas gemächlicheren Schritten los.
Seldon folgte ihm mit dem Arkollyren, aber nur bis zu dem schmalen Pfad, wo er an einer seiner für seine Zwecke idealen Stelle stehenblieb.
>>Manchmal frag ich mich, wieso ich diesen Mist tun muss<<, murmelte er leise, als erneut einige Pfeile an ihm vorbeirasten und hinter ihm an den Felsen zerbrachen. Ohne eine zufriedenstellende Antwort trat er über die Kante.
Anders als Trakedeanos sprang er nicht direkt den gesamten Weg nach unten, sondern benutzte die an dieser Stelle einigermaßen flache Felswand als Rutsche. Zwar bekam seine Rüstung dadurch einige Kratzer, die ihm aber relativ egal waren, da er das Ding nicht selbst bezahlte, und schabte sich auch etwas Haut von seinem linken Bein ab. Aber es war immer noch schneller als den gesamten Weg zu Fuß zurückzugehen und Schnelligkeit war in Schlachten lebenswichtig.
Von der kleinen Wunde am Bein abgesehen, die ihn nicht großartig behinderte, kam er relativ unbeschadet unten auf. Allerdings musste er einen schnellen Schritt zur Seite machen, da der Arkollyr ihm gefolgt war und dieser sonst in ihn hinein gerast wäre.
Während der Mann fluchend sein Gleichgewicht wiederfand, ging Seldon bereits auf Trakedeanos zu.
Links von ihm standen mehrere Hetrax und andere Einheiten stramm und warteten darauf in die Schlacht eingreifen zu können, während zu seiner rechten Kalypsen kämpften, die ihm den Rücken zugekehrt hatten und gegen den Feind vorgingen, der von hier aus wegen der Mauer eigener Truppen nicht zu erkennen war. Seldon schritt durch den schmalen Korridor zwischen diesen beiden Soldatengruppen, der von Leichen, abgetrennten Gliedmaßen und Verwundeten übersät war.
Ein Verletzter, der einen tiefen Schnitt am Brustkorb hatte und dessen linke Hand zerquetscht war, griff jammernd nach seinem Bein, doch Seldon riss sich sofort los, ohne den Mann auch nur anzusehen.
Einige Hundert Meter weiter vorne rückten Hetraxeinheiten vor um den Gegner mit ihrem Wall aus Speeren weiter zurückzutreiben. Dies würde nun allerdings nicht mehr so einfach sein, wie zuvor, da die Armee des Bundes inzwischen so weit vorgerückt war, dass die Männer nun bedauerlicherweise in Reichweite der feindlichen Geschütze waren.
Eine Balliste stand etwas weiter entfernt inmitten den gegnerischen Reihen auf einer Erhebung und schoss in diesem Moment ihre tödliche Munition ab.
Die Steinkugel überbrückte die Entfernung schnell und schlug am Rand der Speerkämpferformation ein. Die Wucht zertrümmerte einige Soldaten und ihre Knochensplitter bohrten sich in die Körper ihrer Kameraden. Das Geschoss zerschellte nicht sofort auf dem Boden, sondern prallte noch einmal ab und flog so etwas weiter und tötete noch ein paar mehr Männer.
Seldon erreichte Trakedeanos der mit den restlichen Arkollyren bei einem toten Behemoth stand und auf ihn gewartete hatte. Weiter im Hintergrund stand eine Einheit Kalypsen bereit.
Sein oberster Berater trat auf ihn zu und hob sein blutbeflecktes Schwert zum Gruß, wobei er noch immer einen seiner verdammten Äpfel kaute. Wie viele nahm er immer pro Schlacht mit? Und woher fand er immer die Möglichkeit auch alle zu essen?
>>Na Seldon, genießt du den Tag bis jetzt genauso sehr wie ich?<< Weiter hinten schlug eine neue Steinkugel ein und schleuderte etwas grauen Staub auf.
>>Ich kann mich nicht beklagen, du hast je eben ordentlich angegeben oder?<<
Ein grimmiges Lächeln huschte über Trakedeanos Gesicht. >>Man muss immer und zu jeder Zeit an seinen Ruf arbeiten, nicht wahr? Also, wo werden wir jetzt gebraucht?<<
>>An der östlichen Flanke. Ein Bote sagte mir, dass der Feind dort mehr Truppen hat als erwartet<<, antwortete Seldon, der bereits weiterging und so den Rest zwang ihm zu folgen. >>Ich habe bereits einige Einheiten nach dorthin abmarschieren lassen, aber ich will mir selbst ein Bild von der Lage machen. Es ist wahrscheinlich eine Falle.<<
>>Und wir rennen jetzt einfach so herein? Tja, sollte ganz witzig werden.<<
>>Wird sich zeigen, mein Freund.<< Er verfiel in einen leichten Trab, der mit jedem Schritt schneller wurde.
Wie erwähnt, ist die Schlacht äußerst weitflächig und so war es nicht gerade einfach vom Zentrum aus zur östlichen Flanke zu gelangen.
Sie versuchten zwar in dem schmalen Raum zwischen den Reserveeinheiten und den Kämpfenden zu bleiben, aber das Problem war halt, dass sich die Linie praktisch ständig in diese oder jene Richtung verschob. So waren ihnen oft vorrückende Einheiten im Weg oder sie wurden in kleinere Gefechte verwickelt. Dazu kam noch, dass sie einige Male von Olypsen und Sintrea beschossen wurden. So waren gut ein Dutzend der Kalypsen tot oder verwundet als sie ihr Ziel erreichten. Auch einer der Arkollyren war auf den Weg gefallen.
Die gesamte Strecke waren sie gelaufen, aber die meisten waren solchen körperlichen Ertüchtigungen gewöhnt und so waren nur wenige stark außer Atem.
Sie hielten auf einer leichten Erhöhung die bereits am Anfang der Schlacht erobert wurden war an und blickten auf die östliche Flanke hinab.
Der Feind hatte bereits ein größeres Stück Land zurückgewonnen und drängte die Bataillone aus Heolages weiter mit großflächigen Angriffen zurück. Doch dadurch war auch eine Schwachstelle bei ihren Linien entstanden. Die Cyrausier waren anscheinend zu schnell nach vorne geprescht und so hatten sie noch keine Zeit gehabt um ihre Seiten entsprechend zu sichern.
Diesen kleinen Fehler wollte Seldon nun auszunutzen, besonders da gerade weitere Kalypseneinheiten zu ihm stießen.
>>Dann mal los<<, flüsterte er und begann mit nach vorne gestreckten Schwert loszurennen.
Trakedeanos stimmte sofort ein lautes Schlachtgebrüll ein, in dem die restlichen Männer einfielen und folgte ihm.
Sie überbrückten die kurze Distanz schnell und die feindlichen Kalypsen, die am äußersten Rand der Flanke standen, hatten gerade genug Zeit, um sich neu auszurichten, dann krachten die beiden Parteien schon zusammen.
Seldon schnitt sich zielstrebig durch die feindlichen Reihen, während der Rest hinter ihm den Feind überrannte. Kurz war er in einem Knäul aus sich aufbäumenden Körpern, Klingen, Schreien und Blutfontänen gefangen bis er sich wieder herauskämpfen konnte.
Er wich leicht zur Seite aus und kam so aus dem aufkeimenden Gewühl heraus, in dem bestialisch aufeinander eingeschlagen wurde.
Weiter vorne versuchten die gegnerischen Linien, die noch nicht in Kämpfe verwickelt waren, sich auf die neue Bedrohung einzustellen, doch Seldons Leute an der Flanke hatten den Augenblick richtig erkannt und begannen einen Gegenangriff, sodass ziemlich schnell ein Durcheinander aus mehreren Dutzend Gruppen entstand, die sich bekämpften.
Weitere Kalypsen stürmten an Seldon vorbei und er ließ sich einfach mittragen. Als ein Mann vor ihm von einem Wurfspeer zu Fall gebracht wurde, rannte er nach links weg und fand sich auf eine relativ offene Fläche zwischen den Gefechten wieder.
Hinter ihm prallten die Schwertkämpfer mit einer Hetraxeinheit zusammen und gaben ihm so eine relative gute Deckung. Auch links befanden sich verbündete Truppen, doch vor ihm auf der rechten Seite gab es wilde, planlose Kämpfe, von denen sich jetzt einige gegnerische Kalypsen lösten und auf ihn zustürmten.
Wie schon vorher empfing er sie mit seinem Schwert und in perfekten Bewegungen tötete er einen nach dem anderen von ihnen, während er weiterhin vorrückte. Wohin er ging ließ sich in diesem immer schlimmer werdenden Chaos nicht sagen, da frische Einheiten aus beiden Armeen immer wieder zu den Kämpfen stießen und so die Ausgangslage immer neu formten. Er vermied es in die engen Kämpfe zwischen zwei größeren Gruppen zu kommen, wo schon ein Stolpern den Tod durch Zertrampeln nach sich ziehen konnte, sondern blieb auf relativ freiem Feld.
Einige Male stießen Verbündete zu ihm, meistens Kalypsen, doch entweder fielen sie im Kampf oder wandten sich irgendwann neuen Gefechten zu.
Momentan öffnete er einem weiteren Gegner die Kehle, während vor ihm einer seiner Schwertkämpfer sein bestes gab, um seinen Großlegaten zu unterstützen. Doch einige Pfeile sirrten heran und zwei von ihnen trafen den Mann in der Brust und er sackte mit spuckenden Lauten zusammen.
Seldon entging der Salve, indem er sich zur Seite hin abrollte, sofort aber wieder auf die Beine sprang und sich zwei weiteren Gegnern stellte.
Er wehrte den Schlag des einen mit seinem Schild ab und nutzte gleichzeitig eine Lücke in dessen Deckung, um die Klinge seitwärts in sein Herz zu rammen.
Sofort nachdem er seine Waffe aus dem Toten herausgezogen hatte, machte er einen Schritt nach hinten, wobei er darauf achtete nicht über eine der zahllosen Leichen zu stolpern, um den Hieb des anderen zu parieren. Mit einem kräftigen Tritt kickte er dann den Schild des zweiten Angreifers zur Seite und ohne diesen Schutz ging auch dieser schnell zu Boden.
Inzwischen hatte auch Seldon leichte Erschöpfungserscheinungen, während er sich von dem Getöteten abwandte. Etwas dagegen tun konnte er bedauerlicherweise nicht, da Erholungsphasen in Schlachten rar gesät waren, besonders wenn man einen höheren Rang bekleidete.
Gut elf oder zwölf weitere Kalypsen des Gegners stürmten nun von allen Seiten auf ihn zu und wollten ihn mir ihrer bloßen zahlenmäßigen Überlegenheit überrennen.
Er ließ sich wieder in das Kribbeln sinken und streckte sein Schwert, das er immer benutzte um die Energie besser leiten zu können, mit einer schnellen Bewegung über seinen Kopf, so als habe er vor den Himmel zu erstechen. Der Styx durchfloss seinen Körper und verbreitete das gewohnte, angenehme Gefühl. Die Klinge wurde auch wieder wärmer.
Genau wie die zwei Cyrausier vorhin, gingen auch hier die Männer in Flammen auf und bildeten so kurzzeitig einen feurigen Ring um ihn.
Ohne auf ihre abgehackten Schreie und dem Geruch von verbranntem Fleisch zu achten, ließ Seldon sein Schwert wieder sinken und ging einige Schritte nach vorne.
Gerade als er über eine der verkohlten Leichen stieg, hörte er von rechts ein mächtiges Brüllen und als er den Kopf dorthin wandte, sah er einen Minotaurus mit schwarzem Fell, der gerade fünf Kalypsen aus Heolages mit seiner Axt niedermetzelte.
Während die Überreste der Männer auf den blutgetränkten Boden klatschten, drehte der Gigant leicht den Kopf und seine Augen hefteten sich aus Seldon. Seine geschwärzten Rüstungsteile waren nicht einmal nötig um zu beweisen, dass er für die Cyrausier kämpfte.
Sofort begann der Minotaurus auf ihn loszustürmen und brüllte dabei ein weiteres Mal. Zwei weitere Schwertkämpfer stellten sich ihm in den Weg und versuchten ihn aufzuhalten, wurden aber wie Fliegen mithilfe der Axt zur Seite gewischt.
Seldon umfasste den Griff seines Schildes fester, während er den heranrasenden Koloss finster anblickte. Dann begann er ebenfalls auf ihn zu zulaufen.
Falls diese Aktion den Minotaurus überraschte, da Menschen im Kampf es für gewöhnlich mieden absichtlich in die Nähe seiner Rasse zu kommen, zeigte er dies nicht, sondern behielt seine Geschwindigkeit unbeirrt bei.
Abermals tauchte Seldon in die Verbindung zum Styx ein, doch diesmal benutzte er einen anderen Teil davon. Mehrere kleine Steine und andere Objekte die nicht schwerer als eine Hand waren hoben sich in der Nähe langsam vom Boden und blieben in gut anderthalb Meter Höhe in der Luft stehen.
Die beiden Kontrahenten prallten zusammen. Der Minotaurus machte einen wuchtigen, seitwärts geführten Hieb mit seiner Axt, doch Seldon duckte sich elegant darunter hinweg und stieß den Schild in den Brustkorb des Wesens.
Sein Ziel war es dadurch aber nicht seinen Gegner wegzustoßen, ganz im Gegenteil. Noch die Kraft und Geschwindigkeit des rennenden Minotaurus nutzend, benutzte er den Schild, um diesen über sich hinweg zu katapultieren. Dabei gab es eine Phase wo er den Giganten für einen winzigen Moment gewissermaßen mit einem Arm hochstemmen musste, damit er hinter ihm wieder zu Boden fällt.
Normalerweise hätte dies kein Mensch geschafft, aber er hatte die ganze Zeit über die Energie des Styx benutzt und das schwere Gewicht seines Gegners war auf ein Minimum geschrumpft, da etwas anderes ihm dabei half das schwere Wesen oben zu halten.
Der Minotaurus krachte hinter ihm mit einem dumpfen Knirschen auf den harten Felsboden. Eines seiner Hörner brach ab und auch sonst schienen einige der massiven Knochen gebrochen zu sein. Die Axt schlitterte etwas über den grauen Stein und das mit Blut beschmierte Metall hinterließ dabei eine rote Spur auf dem Boden.
Ein schmerzerfülltes, gedämpftes Jaulen entrang der Kehle des großen Geschöpfes, das aber sehr schnell endete.
Seldon hatte sich während der Aktion leicht mit gedreht und so brauchte er nur noch einen halben Schritt zu machen um seine Klinge in den mit dichtem Fell bedeckten Hals seines Gegners zu stoßen.
Sehr dunkles Blut spritzte heraus, als das Metall aus der Wunde gezogen wurde und beschmutzte seine Rüstung noch etwas mehr.
Nun noch etwas erschöpfter trat Seldon einen Schritt zurück, betrachtete kurz den toten Minotauren und wandte sich dann vollends ab.
Im Nebos, die Kraft die die Kontinente schweben ließ, war er zwar nicht so gut wie im Sedrio, doch er bewies darin trotzdem noch mehr Geschick, als manch andere Atregat.
Während einer Schlacht treffen relativ selten zwei Menschen aufeinander, die den Styx lenken können. Die meisten Atregaten sind Generäle oder Legaten und halten sich wegen ihrer Führungspositionen, im Gegensatz zu Seldon, in den Kämpfen eher zurück.
Die Gruppenführer, die diese Fähigkeit besitzen, setzten sie nur in seltenen Notfällen ein, da es gewöhnlich einen enormen Energieverlust bedeutet. Seldons Potential ist sehr viel größer als das aller anderen Atregaten, wenn es auch hier eine Ausnahme gibt, und wenn er nicht gerade versuchte mehrere Behemoth gleichzeitg anzuheben oder eine ganze Stadt anzuzünden verliert er meistens eher wenig physische Kraft beim Einsatz des Seelenflusses. Bei dem Großteil der anderen Atregaten reicht es dagegen schon aus einen einzigen Feind schweben oder in Flammen aufgehen zu lassen und sie sind für den Rest des Tages völlig erschöpft.
Wenn ausnahmsweise doch zwei oder auch mehr Atregaten auf dem Schlachtfeld aufeinandertreffen, kann dies ungute Folgen für alle Personen in der Nähe bedeuten, besonders wenn die Kontrahenten sehr stark in ihren jeweiligen Fähigkeiten sind.
Seitdem sie in die Seite der östlichen Flanke eingefallen sind, hatte Seldon nichts mehr von Trakedeanos gesehen oder gehört und es war zu bezweifeln, dass er ihn in diesem Wirrwarr aus kleineren Gefechten finden würde.
Aber immerhin zwei Arkollyren hatten ihn gefunden und ihrer Aufgabe entsprechend stellten sie sich, zusammen mit einigen Kalypsen die sie begleitet hatten, hinter ihm, um ihn beschützen zu können. Sie zeigten keinerlei Anzeichen dafür, dass sie froh waren ihren Großlegaten wieder begegnet zu sein und sie sagten auch keinerlei Wort, was bewies, dass ihre strenge Ausbildung und Disziplin funktionierte.
Seldon machte mit der Schwerthand ein einfaches Zeichen, das den Männern unmissverständlich klarmachte, dass sie ihm folgen sollten.
Ein Saciler stürzte ein paar dutzend Meter weiter vorne, mit Bisswunden von einem anderen Tier am Hals, ab. Die drei Personen, die auf ihm geritten waren starben alle bei dem Aufprall.
Der Schwanz des Flugwesens schwang noch einmal hin und her, dann war jede Bewegung bei dem großen Körper erloschen. Kurz darauf, passierten einige gegnerische Kalypsen den Leichnam und drangen auf sie ein.
Seldon machte einen Schritt nach vorn und drehte sein Schwert so, dass er gleich zuschlagen konnte, wenn der erste Feind heran war. Die Arkollyren und die Kalypsen positionierten sich an seinen Seiten, um ihn zu decken.
Er war der Großlegat vom Bund von Batresas. Er hatte die Aufgabe jeglichen Gegner aller Mitgliedsstädte zu besiegen und Heolages zu beschützen. Nichts anderes wurde von ihm erwartet und die weißen Städte im Norden setzten all ihr Vertrauen in ihm.
Die Cyrausier hatten ihm alles Liebste im Leben genommen und so würde er alles tun um seine Pflicht zu erfüllen.
Auch wenn dies bedeutet dafür zu sterben.
Er war der Großlegat und er würde tun, was auch immer von ihm verlangt wurde.

Auf der anderen Seite des Schlachtfeldes.
Hier war es noch relativ ruhig und der Lärm der Schlacht nichts weiter als ein fernes Echo. Die Kämpfe tobten weiter vorn, dort wo eine große graue Staubwolke über den Boden hing wie dunkler Nebel.
Sie stand auf einer leicht erhöhten Position und so konnte sie den schmalen Streifen zwischen den beiden Armeen gut erkennen, in dem die Soldaten sich grausam bekämpften und wo gerade frisches Blut vergossen wurde. Dieser einfache Strich, bestehend aus Menschenleben, zuckte wie eine Kopflose Schlange und wirkte fast nichtig, wenn man die riesigen Armeen zu beiden Seiten bedachte, die darauf warteten ebenfalls eingreifen zu können. Die eine Seite war Schwarz gefärbt und die andere silbrig bzw. hellgrau. Wäre ein Dichter hier, könnte dieser die Szenerie fabelhaft mit Metaphern und ellenlangen Versen beschreiben.
Zwei Ballisten standen etwas seitlich und feuerten weitere Steinkugeln ab, die irgendwo in den feindlichen Linien einschlugen.
Um sie herum marschierten endlose Reihen an Soldaten in schwarzen Rüstungen vorbei, eingefasst in Einheiten mit Gruppenführer und Standartenträger. Dazwischen waren hier und dort Behemoth und Minotauren. Es waren Zehntausende von Männern und sie alle strömten nun auf den Feind zu, um diese Schlacht, deren Sieger schon von Anfang an festgestanden hatte, endgültig zu beenden.
Der Blick ihrer hellen, blauen Augen wanderte in Richtung der östlichen Flanke, wo sich die schmale Kampflinie plötzlich verbreiterte und die vorher geordneten Formationen völliger Unordnung wichen. Dort hinten fand momentan ein bestialisches Schlachten statt und sie war sich sicher, dass er dort in diesem Augenblick ebenfalls war.
Eine Rüstung bedeckte ihren schmalen, austrainierten Körper wie eine zweite Haut. Der Brustpanzer war ihrer Figur angepasst und lag eng an. Sie hatte kleine, elegant geschwungene Platten auf den Schultern, sowie Arm- und Beinschienen, die aber auch wie bei den gewöhnlichen Soldaten nur von Füßen bzw. Handgelenken bis zu den Knien bzw. Ellenbogen reichten. Dafür war ihr gepanzerter Rock anders geformt. Anstatt mehrerer dünner Streifen aus Leder an denen Metallplatten befestigt waren, hatte sie zwei massive Rüstungsteile aus Eisen, die sich seitlich um ihr Becken wanden und auch ihre Oberschenkel zum Teil bedeckten und sich perfekt ihrem Brustpanzer anpassten, sodass es auf den ersten Blick aussah, als gehören die drei Komponenten zusammen. In Wirklichkeit waren sie nur mit kleineren Lederbändern verbunden, die für etwas mehr Halt bei den Teilen sorgten, aber ihre Bewegungsfreiheit nicht weiter einschränkten. Die Beckenpanzer ließen den vorderen und hinteren Bereich frei. Dort hatte sie jeweils ein breites Band aus dunkelrotem Stoff angebracht, die beide zusammen an einen seitlich geschnittenen Rock erinnerten, der die Beine größtenteils frei ließ und bis zum Boden reichten. Diese beiden Bänder waren an den unteren Enden zerfranst, wiesen mehrere Risse auf und hatten eine bräunliche Dreckkruste, da sie oft über den Boden schrammten. Die Farbe ihrer Rüstung an sich war ein seltenes, dunkles Blau, dessen Herstellung sehr zeitaufwendig und teuer war. Um ihre schmalen Handflächen hatte sie weiße Leinenbänder gewickelt, die ihr Schwert auch dann nicht wegrutschen ließen, wenn sie schwitzte und blutdurchnässt war. Um ihren linken Arm war außerdem ein hellgrünes Stück Seide gewickelt, das leicht im aufkommenden Wind wehte.
>>Meine Herrin<<, sagte eine nervös klingende Stimme von links und ein Legat trat so unterwürfig wie es ihm möglich war auf sie zu. Er wusste, dass ein falsches Wort oder nur eine falsche Bewegung ausreichte um sein Leben zu beenden. >>Eure Befehle an der westlichen Flanke wurden allesamt ausgeführt. Auch haben die eingetroffenen Boten alle eure Annahmen bestätigt. Ihr hattet wirklich mit allem Recht, Herrin. Soll jetzt der Sturm auf das gegnerische Zentrum anlaufen?<<
Ohne ihn auch nur anzusehen nickte sie langsam und behielt dabei die östliche Flanke im Blick. Sieben Saciler flogen dicht über ihre Köpfe hinweg auf die Kämpfe zu.
Für den Legaten reichte dies als Antwort vollkommen aus. Er verbeugte sich kurz und schritt wieder davon, froh diese Begegnung überlebt zu haben.
Sie achtete nicht weiter auf den Mann, sondern griff nach ihrem Helm, der neben ihr auf einen Felsen gelegen hatte. Er war, wie ihre gesamte Rüstung, nur leicht mit einigen bedeutungslosen Symbolen, die ihr einfach von der Form her gefielen, bedeckt und schmiegte sich angenehm an ihren Kopf an. Anstatt eines Streifens von Pferdehaar hatte er oben eine Linie aus Silber, der sich bei der Stirn teilte und die Gesichtsöffnung umrahmte. Außerdem ragten aus dem Metall zwei Adlerfedern heraus, die sich nun leicht im Wind bewegten. Am Hinterkopf hatte der Helm eine große, halbkreisförmige, freie Stelle, damit ihr langes, zu einem Zopf gebundenes, pechschwarzes Haar ungehindert über ihren Rücken fallen konnte.
Es war an der Zeit für sie in dieser Schlacht einzugreifen. Sie wollte ihn unbedingt noch einmal treffen, bevor die Sonne am Horizont untergeht.
Sie zog mit einer eleganten, anmutenden Bewegung ihr Schwert und schritt ganz allein los. Eine Eskorte oder Leibwächter brauchte sie nicht, genauso wenig wie einen störenden Schild, der einem nur in der Bewegung behinderte.
Ihr Weg durch die Reihen der Cyrausier war zielgerichtet und ohne Unterbrechungen, da zahllose Einheiten anhielten und zwar nur um sie vorbeizulassen. Von überall spürte sie die angsterfüllten Blicke der Soldaten wenn sie vorbeiging. Sie hatte sich einen gewissen Ruf aufgebaut, der nicht nur bei dem Feind wirkte.
Sie brauchte nicht lange um die östliche Flanke zu erreichen. Im Grunde hätte sie den Weg auch blind bewältigen können. Der starke Blutgeruch war eine Fährte, der man problemlos folgen konnte. Sie wäre sogar mit niemand zusammengestoßen, da ihr gut trainiertes Gehör und ihr ausgezeichneter Tastsinn sie vor jedem Menschen der im Weg stand gewarnt hätte. Um dies zu lernen war sie über drei Monate lang mit verbunden Augen durch die Kaserne in Aspera gewandert.
Nur noch mehrere Reihen von Hetrax vor ihr trennten sie noch von der eigentlichen Schlacht. Ihre Lanzen ragten wie ein dichter Wald mit dünnen Bäumen auf und im Boden hinter den Einheiten steckten einige Wurfspeere. Einige getroffene und tote Soldaten waren zu einem Stück Erde weiter entfernt getragen wurden, wo sie jetzt mit leeren Augen übereinander lagen.
Als der General, der diesen Abschnitt befehligte, sie kommen sah brüllte er sofort einen heiseren Befehl, in dem auch etwas Panik heraus zu hören war.
Die Männer bildeten augenblicklich einen Korridor durch den sie schreiten konnte. Keiner der Anwesenden, besonders der General, war so dumm und versuchte sie zurückzuhalten oder anzusprechen und so ging sie wortlos mit nach vorne gerichtetem Blick an den Soldaten vorbei. Einige Raben kreisten über sie und würden demnächst zweifelslos bei den Leichen landen und ein Mittagsmahl zu sich nehmen.
Als sie an den letzten Hetrax vorbei war, schlossen sich die Reihen hinter ihr wieder. Jetzt gab es nichts mehr, was sie davon abhielt zu kämpfen. Mehrere Soldaten aus Heolages lagen, aufgespießt von den Speerkämpfern, um sie herum. Vor ihr waren mehrere Einheiten von Kalypsen aus beiden Armeen, die sich auf engem Raum bekämpften, da sie von den Seiten von einigen mittelgroßen Felsen flankiert wurden.
Sie verzichtete darauf in das Gedrängel aus Metall und rotem Lebenssaft einzugreifen, sondern wählte einen breiten Pfad am Rand des linken Felsens, der es ihr ermöglichte ungestört an dem Kampf vorbei zu gehen, da eine zwei Meter hohe Steilwand sie von den Soldaten unten trennen würde.
Ohne große Hast betrat sie den steinigen Weg, während sie ihr Schwert locker in der Hand hielt und dessen Spitze beinahe über den Boden schrammte.
Sie war hier oben natürlich nicht allein. Einige Kalypsen aus Heolages standen hier über die Leichen einiger Cyrausier und auch von hinten nährten sich einige Feinde von dem eigentlichen Gefecht, die bemerkt hatten, wie sie hier hoch gegangen war.
Der vorderste Mann auf dem sie zuerst traf, schien überrascht zu sein eine Frau vor sich zu sehen. Allerdings fasste er sich schnell wieder und griff sie mit erhobenem Schwert an.
Mit einer kaum nachvollziehbar schnellen Bewegung umfasste sie ihre eigene Waffe fester und stieß zu.
Noch mit der erhobenen Klinge in der Hand, sackte der Mann mit aufgeschlitztem Brustkorb zu Boden, die Augen dabei entsetzt aufgerissen.
Mit einem Fluch stürmte der nächste Kalypse heran und dicht hinter ihm drangen weitere nach vorne.
Sie war nun in einer geduckten Haltung, wie eine Schlange die kurz davorstand zuzubeißen, das Schwert hielt sie dabei über ihren Kopf, die Spitze nach vorne ausgerichtet und wartete bis die Gegner nahe genug heran waren.
Ihre Hiebe und Stiche waren extrem schnell und die Heolagener hatten keinerlei Möglichkeit mehr, irgendwas gegen ihre Attacken zu unternehmen. Meistens waren sie tot bevor sie überhaupt realisiert hatten, dass ihre Klinge in ihr Fleisch eingedrungen war.
Nach dem fünften gefallen Feind, hörte sie wie die vier Kalypsen die von hinten kamen, nur noch wenige Schritte entfernt waren.
Sie tauchte in das Kribbeln in ihr ein und entfesselte den Styx. Sie formte ihre schwertfreie Hand zu einer Klaue und macht eine schnelle Wurfbewegung.
Zwei der Männer hinter ihr wurden schreiend vom Nebos nach vorne geschleudert und trafen mit solcher Wucht drei ihrer Kameraden die von vorn angegriffen hatten und etwas zu dicht beieinander gestanden hatten, dass die meisten sich ihre Knochen brachen. Die Fünf Soldaten fielen über den Rand des Pfads hinweg nach unten in das größere Gefecht hinein.
Einer der beiden noch lebenden Heolagener der sich von hinten genähert hatten blieb entsetzt stehen, doch der andere griff unbeeindruckt weiter an und schlug mit seinem Schwer nach hier.
Sie wich dem Hieb mit einer schwungvollen, tanzartigen Bewegung zur Seite hin aus und verpasse seinem Gesicht einen so tiefen Schnitt, dass er vor Schmerz kreischend niederfiel und einige Minuten lang vor Pein erfüllt schreiend leiden würde, bevor ihm die Gnade zugesprochen wurde zu verbluten.
Die zwei letzten Gegner die von vorne angriffen hatten, versuchten noch einen letzten Versuch sie zu überwältigen, doch sobald sie zu nahe heran waren drehte sich mit enormer Geschwindigkeit um und schlitzte beiden mit einem einzigen Schwung ihrer Waffe gleichzeitig die Kehlen auf.
Während diese Gegner verendeten, wechselte sie von ihrer geduckten Kampfposition wieder in eine normale Stehende, ließ ihr Schwert sinken und sah zum letzten Heolagener, der vor Entsetzten innegehalten hatte.
Der junge Mann atmete schwer und man konnte deutlich die große Angst in seinen Augen erkennen. Er sah zitternd in ihre mörderischen blauen Augen und ein Schauder erfasste ihn. Kurz schien der Soldat weiterhin eine Statue bleiben zu wollen, doch dann wandte er sich ruckartig um und ergriff die Flucht.
Weit sollte er allerdings nicht kommen. Sie griff ein weiteres Mal nach dem Styx und dem Nebos. Einige kleinere Steine in der Nähe begannen zu schweben und mit der Hand deutete sie auf einen größeren Brocken, der in etwa die Größe einem menschlichen Brustkorbs hatte, und ließ ihn ebenfalls in die Luft steigen. Dann schleuderte sie ihn mit einem Fingerzeig auf den Fliehenden.
Der Stein traf den Mann am Hinterkopf und zertrümmerte dessen Schädel. Der Helm wurde stark verformt und Unmengen an Blut flossen aus dem verbogenen Eisen hervor. Der Soldat fiel zuerst auf die Knie und dann mit der Brust voran zu Boden. Er hielt seine rechte Hand nach vorne ausgestreckt und schien nach irgendwas greifen zu wollen. Doch schnell erschlafften diese Bewegungen und irgendwann blieb der Arm vollkommen reglos liegen.
Sie dagegen war weiter gegangen und beachtete ihn nicht weiter. Während des Kampfes war sie nicht einfach stehen geblieben, sondern während ihrer Angriffe immer etwas vorgerückt und hatte nun das Ende des kurzen Pfandes, der am Felsen entlang führte, erreicht und trat nun wieder auf das Schlachtfeld hinaus.
Rechts von ihr stürmten Cyrausier vorbei, die das kleine Gefecht für sich entschieden hatten und verfolgten die sich nun zurückziehenden Heolagener tiefer in die Schlacht hinein. Dabei wurden sie aber in weitere Kämpfe verwickelt die hier überall in der Nähe tobten. Der Boden war bereits bedeckt mit Toten und schreienden Verwundeten und hatte sich mit Blut vollgesogen.
Mehrere Wurfspeere kamen von vorne angeflogen und drei davon auch direkt auf sie zu. Sie umging sie allerdings elegant mit einfachen, federleicht wirkenden Schritten zu den Seiten. In der Nähe wurden einige ihrer Männer, die nicht ihr Geschick besaßen, getroffen und stürzten. Zwei von den Getroffenen blieben allerdings aufrecht. Der eine schien nicht begriffen zu haben was eben geschehen war und taumelte leicht nach vorne und starrte fassungslos auf das Stück Holz, das in ihm steckte, wobei langsam Blut aus seinen Mundwinkeln tropfte. Vermutlich würde er bald zusammenbrechen.
Der andere dagegen schien es nicht so hart erwischt zu haben und war augenscheinlich recht zäh. Ohne auf den Speer, der ihn in der Schultergegend durchbohrt hatte, zu achten, rannte er sein Schwert schwingend weiter nach vorne. Allerdings zeigte sich sehr kurz darauf, dass Tapferkeit nichts mit Intelligenz zu tun hatte, da er sich in eine Einheit von feindlichen Kalypsen stürzte die in der Nähe versuchte sich einigermaßen zu ordnen und dort regelrecht zerhackt wurde.
Für solche Helden, die ihr Leben so unnütz aufs Spiel setzten, hatte sie kein Mitleid, wobei diese Feststellung nicht sehr viel taugte, da sie im Grunde nie wirkliches Mitleid empfunden hatte.
Sie ging an einem verwundeten Soldaten aus Heolages vorbei, der blutüberströmt war, keinen Helm mehr trug und mit tränenden Augen auf den Stumpf seiner linken Hand starrte und tötete ihn mit einer fast schon beiläufig wirkenden Bewegung ihrer Schwerthand. Sie tat es nicht aus Erbarmen, sondern einfach nur so, weil er da war. Es machte ihr zwar keinen Spaß einem Körper seiner Wärme zu berauben, aber es widerte sie auch nicht an oder erzeugte überhaupt irgendeine Emotion. Sie hatte ganz einfach keinerlei Respekt vor dem Leben und so machte es ihr nichts aus eines zu beenden. Die Existenz eines Menschen war ihr völlig gleichgültig und nach ihrem Empfinden war es völlig normal es einfach so auszulöschen. An die Eltern, Ehefrauen oder Kinder der Männer oder deren Leben vor dem Krieg dachte sie praktisch nie und wenn, dann mit der Meinung das der Tod dies sowieso alles egal machte. Wenn man aus dem Leben geschieden war, verlor alles was man vorher aufgebaut oder erschaffen hatte vollkommen an Bedeutung. Man war dann einfach nur weg.
Während das frische Blut von dem Verwundeten an ihrer Klinge herunter tropfte, griffen sie drei weitere Heolagener von vorne an. Sekunden später lagen sie im schlammigen Dreck. Zwei von ihnen hatten ihren letzten Atemzug schon längst getan und der andere zuckte nur noch leicht.
Die Cyrausier hielten dagegen Abstand von ihr. Jeder in der Armee kannte ihr Gesicht und jeder von ihnen wusste, dass sie keinen Unterschied machte, wenn ihr jemand in die Quere kam. In der Schlacht tötete sie alles und jeden, der sie in irgendeiner Weise behinderte und dazu zählten auch die eigenen Truppen. Es war sowieso einem Zufall zu verdanken, dass sie für die Darius Liga kämpfte. Im Grunde hätte sie genauso gut drüben auf der anderen Seite stehen können und die meisten Cyrausier dankten den Seelen im Styx auf Knien dafür, dass sie zumindest für und nicht gegen sie in die Schlacht ziehen mussten.
Während ihres Marsches über das Schlachtfeld, rannte sie kein einziges Mal, sondern ging nur mit gemächlichen Schritten voran. Immer wieder griffen sie Gegner an, einmal zwanzig an einem Stück, doch der Ausgang war immer gleich.
Sie siegte immer ohne einen Kratzer und die anderen verreckten am Boden. Sie bevorzugte ihr Schwert dabei, doch einige Male hatte sie auch die ungeheuren Kräfte des Nebos benutzt um ihre Feinde zu töten. Im Sedrio und Hydron hatte sie nur sehr wenig Geschick, doch in der Anwendung der Kraft die die Landmassen zum Schweben brachte, hatte sie grenzenloses Potential.
Immer wieder huschten ihre Augen über die Kämpfe um sie herum, auf die Suche nach ihm. Sie wusste, dass er hier war. Sie kannte ihn gut genug dafür. Sie musste ihn nur noch finden. Es war nur etwas Glück nötig, wie in den letzten Schlachten.
Schließlich bemerkte sie eine kleinere Gruppe Kämpfender in der Nähe und sie entdeckte den markanten fehlenden Helm bei einem der Teilnehmenden. Sie ging ohne Umschweife darauf zu. Vier gegnerische Kalypsen stellten sich ihr in den Weg, doch sie schleuderte die Männer mit dem Nebos zur Seite.
Sie hatte lange genug auf dieses Treffen gewartet.

Seldon empfand ebenfalls keinerlei Mitgefühl beim Töten, doch bei ihm lag es nicht an fehlendem Respekt vorm Leben, sondern einfach daran, dass er seine Feinde verachtete. Die Cyrausier waren für ihn nichts weiter als Schimmel der von der Wand gekratzt werden musste. Sie verdientes es auch nicht, dass er sie aus tiefstem Herzen hasste, obwohl sie ihm zu viel angetan hatten. Es kämpften zu diesem Zeitpunkt des Krieges auch viele übergelaufene Soldaten aus dem Bund von Batresas auf der gegnerischen Seite, doch auch dies kümmerte ihn nicht. Diese Verräter, die auf Tityos Lügen hereingefallen waren, vierdienten den Tod genauso wie die Einwohner vom südlichen Kontinent. So hatte er auch keine Probleme damit gehabt Städte in Heolages, die sich zu dem dunklen Wesen des Selphas bekannten, niederschlachten zu lassen.
Er rammte gerade einem weiteren Kalypsen in schwarzer Rüstung seine Klinge in die Brust, als ihm etwas auffiel. Die restlichen Cyrausier die ihn und seine Begleiter bedrängt hatten hielten plötzlich inne und starrten in eine bestimmte Richtung, dann stolperten sie in einem weiten Umkreis davon und stürzten sich beinahe fluchtartig in andere Gefechte in der Nähe.
Seldon ließ die Leiche zu Boden gleiten und wandte sich der Richtung zu, in die die Cyrausier gestarrt hatten.
Eine junge Frau stand dort allein zwischen den kämpfenden Soldaten und blickte mit kalten, gefährlichen Augen, die jedem einen eisigen Schauer über den Rücken jagten, zu ihm hinüber. Ihr Gesicht konnte man als schön und anziehend bezeichnen, wurde aber von einem finsteren Ausdruck bestimmt und war von einigen Blutspritzern bedeckt. Ihr langes schwarzes Haar fiel in Form eines Pferdeschwanzes hinten unter ihrem Helm hervor. Zwei ebenfalls lange Strähnen liefen aber an ihren Schläfen herab und fielen auf ihre Brust. Ihre schmale Figur war von einer dunkelblauen Rüstung bedeckt, die ebenfalls mit Blut befleckt war und in der Hand hielt sie ein einfaches Schwert. Ein Stück Seide war um ihren rechten Arm gebunden und flatterte leicht im Wind.
Für einen Augenblick vergaß er das Schlachtfeld um ihn herum vollkommen, während sie sich einige Zeit lang anblickten. Er hatte diesen Moment vorhergesehen, praktisch schon Stunden bevor die Schlacht begann. Doch es ist zur Gewissheit geworden als er die Nachrichten von der östlichen Flanke gehört hatte. In den letzten paar Monaten waren sie sich bereits mehrfach begegnet und jedes Mal unter ähnlichen Umständen wie hier.
>>In genau diesen Augenblick<<, sagte Tehria Saktus, Hochlegatin der Streitkräfte der Darius Liga, plötzlich mit ruhig klingenden Stimme, die aber mit einer Schärfe durch die Luft schnitt, durch die ein Kalypse, der hinter Seldon stand, um einen halben Schritt zurückwich, >>wird deine westliche Flanke überrannt. Die Bataillone die du dort stationiert hast um meine Linien zu durchbrechen, werden gerade von einer fast zweifachen Übermacht umkreist und aufgerieben. Desweiteren rücken im gesamten Zentrum grad unzählige Einheiten vor um deinen Täuschungsangriff zurückzuschlagen. Du hast einfach von Anfang an zu wenige Männer gehabt um diese Schlacht führen zu können, zumal du von deiner Position aus nur eine Handvoll möglicher Strategien zur Auswahl hattest, was es für mich einfacher machte zu planen. Selbst du musst erkannt haben, dass der Ausgang dieses Tages schon vom ersten Augenblick an festgestanden hatte.<<
>>Natürlich habe ich das erkannt<<, antwortete Seldon mit ebenso ruhiger Stimme, auch wenn es ihm nicht wirklich gelang ihre Kälte und Gefährlichkeit zu erreichen, >>Ich bin kein Idiot, aber irgendwas musste ich doch versuchen oder glaubst du ich würde einfach so zulassen, dass du Antrepas überrennst?<<
Sie nickte langsam und nach einem kurzen Schweigen fragte sie: >>Geht es dir gut?<<
>>Den Umständen entsprechend und bei dir?<<
>>Ebenfalls den Umständen entsprechend.<< Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, entschied sich dann aber dagegen und begnügte sich damit: >>Und was passiert jetzt?<<
>>Nun<<, antwortete Seldon und sah sich das blutige Treiben um sie herum an, >>da ich diese Schlacht wie es aussieht verloren habe, kann ich im Grunde nur noch eine Sache tun.<< Er richtete seine Augen auf sie, >>Dich zu töten.<<
Sie nickte abermals, so hätte er ihr gesagt, er würde sich eine Vase kaufen. >>Wenn du dies willst, dann kannst du kommen und es versuchen.<<
Die beiden Kalypsen hinter Seldon nutzten dies als Schlagwort um anzugreifen. Sie stürmten nach vorne, wurden aber mit schnellen, präzisen Hieben von Tehria, die in unglaublich kurzer Zeit reagiert hatte, getötet.
Die zwei Arkollyren waren etwas klüger und hielten sich bei diesem Gegner weiter im Hintergrund. Seldon selbst rannte zwar ebenfalls auf sie zu, aber etwas vorsichtiger und wachsamer.
Das Problem an dem bevorstehenden Kampf war, dass sie ihm nicht nur im Bereich des Schlachtenlenkens überlegen war. Wie bereits erwähnt gab es nur eine einzige Person auf Erebos die ihm sowohl in der Beherrschung des Styx, als auch im Schwerkampf überlegen war und diese stand nun direkt vor ihm. Ähnliche Zusammentreffen in vorherigen Schlachten hatten diese Tatsache mehr als deutlich untermauert. Er war dabei jedes Mal relativ knapp davongekommen und auch heute konnte er nur darauf hoffen mit relativ viel Glück gewinnen zu können.
Ihren ersten schnellen Schlag blockte er mit seinem Schild ab und er stieß dann ebenfalls zu. Sie hatte allerdings bereits einen tanzartigen Schritt zur Seite gemacht und entging so seiner Klinge. Sie hob ihre freie Hand und zeigte mir ihrer Handfläche an ihm vorbei.
Einer von seinen Arkollyren, die sich nun doch vorgewagt hatten, wurde vom Nebos davon geschleudert und krachte etwas weiter entfernt gegen einen Felsen und brach sich sein Rückgrat.
Wütend griff Seldon erneut an und es folgte ein kurzer, schneller Schlagabtausch bei dem keiner von ihnen es schaffte den Gegner auch nur zu verletzten. Er schob immer rechtzeitig seinen Schild dazwischen und sie wich immer mit einfachen Schritten schnell aus.
Schließlich sprang der zweite Arkollyr dazwischen, um seinen Herren zu helfen, wurde aber praktisch sofort von Tehria enthauptet.
Trotzdem hat der Elitekämpfer Seldon so ein wenig Zeit gegeben, in dem sie kurz von ihm abließ und er führte sofort einen seitlich geführten Hieb aus um ihr ebenfalls den Kopf von den Schultern zu trennen. Allerdings duckte sie sich geschickt und entging abermals seiner Klinge und machte eine schnelle Handbewegung.
Eine unsichtbare Kraft riss ihm den Schild vom Arm, woran auch die Lederbänder nichts halfen, da diese unter der Wucht sofort rissen.
Zornig hob er sein Schwert, fest entschlossen für den Gegenschlag ebenfalls den Styx einzusetzen. Er konnte sie nicht von innen heraus verbrennen wie die Männer davor, da sie aus dem Hydron einen Schutz, der selbst ohne größeren Können in den betreffenden Bereich des Styx zu beherrschen war, in ihren Körper geformt hatte, der dies verhinderte. Also musste er es auf eine andere Weise versuchen.
Die Klinge erreichte sehr schnell eine extreme Wärme und ein Schwall Feuer schoss daraus hervor. Die Flammen hatten keine Ähnlichkeit mit normalen Feuerzungen und wirkten fast wie eine Flüssigkeit oder ein Stück Seide, dass durch die Luft schwebte.
Dieser Angriff von ihm war aus nicht einmal zwei Metern Entfernung entfacht wurden, doch sie hatte trotzdem genug Zeit, um ihren freien Arm so zu heben, als ob sie einen Schild hochhalten wollte.
Die Flammen prallten an einer unsichtbaren Wand ab und erloschen, während sie erneut angriff.
Da er nicht die Zeit hatte um den Schlag mit seinem Schwert abzublocken, tat er genau dasselbe wie sie eben. Er erschuf aus dem Hydron einen unsichtbaren Schild, konzentrierte diesen bei seinem waffenlosen Arm und verhinderte so, dass sie ihm das Gesicht spaltete.
Dieser Art von Schutz verteidigte zwar keine große Fläche, kostete aber nur wenig körperliche Kraft und konnte so immer wieder angewendet werden. Das Problem dabei war aber, dass dieser unsichtbare Schild, sofern man nicht größeres Potential im Hydron hatte, nur für weniger als eine Sekunde hielt, bevor er wieder in sich zusammenbrach. Man musste also genau den richtigen Zeitpunkt abpassen um den Angriff des Gegners ablocken zu können. Wenn man es zu früh oder zu spät tat, war es aus.
Nach ihrem erfolglosen Versuch ihm ihre Klinge in den Kopf zu rammen, sprang sie leicht zurück und sie belauerten und umkreisten sich für kurze Zeit wie zwei Raubtiere. Dann sprang sie vor und es folgte ein kurzes, erbittertes Fechten, bei dem sie beide in bedrohlichen Momenten unsichtbare Schilde heraufbeschwören um Angriffe abzuwehren. Besonders Seldon hatte dies oft nötig, da er seinen normalen Schild aus Metall verloren hatte und von jeher daran gewohnt war diesen auch zu benutzen.
Tehrias Kampfstil dagegen bestand nur aus ihrem Schwert und sonst nichts anderem, wenn man einmal vom Styx absah. Sie war sowieso ein faszinierender Anblick. Noch ihr langer Zopf oder die dunkelroten Bänder aus Stoff, die zwischen ihren Beinen herabhingen, schienen sie in irgendeiner Weise zu behindern, sondern bewegten sich bei ihren Drehungen und Ausweichmanöver mit, so als würden sie ihren Körper umkreisen.
Seldon konnte nicht anders als sie zu bewundern. Solch eine exakte Kontrolle über den Körper hatte er vorher noch nie gesehen. Auch noch nie in einer solch gefährlichen Schönheit.
Schließlich schaffte sie es ihm eine Schramme an seinem Oberarm zu verpassen. Die Wunde war zwar nicht sehr tief oder gar gefährlich, doch machte ihm das Blut an seinem Arm klar, dass sie nur mit ihm spielte und ihn wahrscheinlich schon mehrmals hätte töten können, wenn sie gewollt hätte. Genauso war es wahrscheinlich auch bei vorherigen Kämpfen mit ihr abgelaufen.
Mit dieser Erkenntnis kam für ihn auch die Gewissheit, dass dies nun schnell beenden werden müsste, denn sonst hätte er das Nachsehen.
Also entschied er sich dafür, einen letzten Angriffsversuch zu unternehmen.
Er griff ein weiteres Mal nach dem Styx und zog eine ungeheure große Menge vom Infarno heran. Diese Energie sammelte er in seinem Schwert, dass er nun dicht vor dem Gesicht hob.
Tehria schnellte erneut nach vorne, doch er ließ sich auf die Knie sinken und machte sich bereit. Inzwischen glühte sein Schwert vor Hitze, auch wenn er es nicht spüren konnte und mit der Gewissheit genug zu haben, machte er eine schnelle halbkreisförmige Schwung so als wolle er seinem Gegner den Magen aufschlitzen. Er ließ dabei auch dem Infarno seinen freien Lauf.
Eine feurige Schockwelle ging von seinem Körper aus, ohne ihm etwas anzutun und strömte in alle Richtungen davon.
Tehria war bereits zurückgewichen, um den vermeintlichen Schlag seines Schwertes aufzuweichen und nun zwang die Feuerwand sie um einen weiteren Schritt zurück. Sie machte eine Bewegung mit der Hand, die so wirkte als wolle sie die Griffe eines aufdringlichen Mannes wegschlagen.
Ein Windstoß aus Hydron entstand und schlug die Feuerzungen, die sie unmittelbar bedrohten, zur Seite.
Wenige Augenblicke später löste sich auch die restliche Schockwelle auf, doch Seldon hatte damit gerechnet, dass dies nicht klappen würde. Er hatte sie auch nur ablenken wollen und stürzte nun ihr entgegen um sein noch immer rötliches Schwert in ihr Herz zu rammen.
Dieser Angriff von ihm kam aber zum erliegen, als er von rechts eine Bewegung bemerkte und es gerade rechtzeitig schaffte einen heranfliegenden Felsbrocken von der Größe eines ausgewachsenen Mannes auszuweichen. Als nächstes brach neben ihm der Erdboden auf und er musste zur Seite springen, um dem zu entgehen. Sie setzte wieder den verdammten Nebos ein.
Während er einem weiteren Stück Stein auswich, stand Tehria mit geschlossen Augen da und konzentrierte sich. Sie hatte genug von diesem Kampf. Es war an der Zeit dies zu beenden. Sie machte mit ihrem Schwert eine langsame Bewegung. Sie hielt es vor sich auf Bauchhöhe mit beiden Händen umfasst, die Klinge zur Seite zeigend. Dann drehte sie ihre Handgelenke und das Metall war nun wie bei Seldon eben dicht vor dem Gesicht. Die Aktionen mit den Felsen gerade sollten ihn nur behindern, während sie in der Zwischenzeit noch mehr Nebos ansammelte. Nach wenigen Sekunden hatte sie die erforderliche Menge herangezogen. Ein breiter Kreis aus schwebenden Steinen hatte sich um die beiden Kämpfenden gebildet.
Gerade als Seldon ein weiteres Geschoss von ihr mit dem Infarno zerstörte und nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, stieß sie nach vorne und rammte ihr Schwert mit aller Kraft in den Boden.
Ein gewaltiger Erdstoß ließ überall die schwarze Erde aufreißen und ein starker Windstoß breitete sich vom Tehria. Seldon wurde zurückgeworfen und landete einige Meter entfernt auf den Rücken. Sein Schwert fiel ihm aus der Hand und verschwand irgendwo im Chaos des Erdbebens.
Ein monströses Knirschen erfüllte die Luft und ein riesiger Spalt öffnete sich im Boden.
Tehrias Schlag mit dem Nebos war so gewaltig gewesen, dass es jetzt eine unabsichtliche Konsequenz nach sich zog. Ohne dass es die beiden bewusst wahrgenommen hatten, hatte ihr Kampf auf einer kleinen Halbinsel stattgefunden, auf die sich ein Teil der Gefechte der östlichen Flanke verlegt hatten. Das Problem war, dass sie sich fast genau an der Verbindung zwischen dem Hauptkontinent und der Halbinsel befanden. Der Stoß hatte genug Kraft gehabt, dass Tehria es geschafft hatte dieser Verbindung einen Riss zuzufügen und nun brach das Stück Land, das wie ein Felsvorsprung über die weißen Dunstwolken gehangen hatte, einfach ab und drohte damit in die Tiefe zu stürzen.
Die Halbinsel geriet in eine immer steilere Schieflage und die Soldaten und Minotauren von beiden Seiten, von denen die meisten wegen des Erdstoßes schon am Boden lagen, hielten sich schreiend an allem möglichen fest um nicht nach unten zu rutschen. Die meisten ließen ihre Waffen los und erstachen so unfreiwillig Kämpfer die etwas weiter unten hingen. Manche der Männer wurden aber auch von toten Kameraden, Felsbrocken oder anderen losen Objekten weggerissen.
Mit einem Ächzen löste sich die Halbinsel vollkommen von Antrepas, wobei bei der Bruchstelle noch einige größere Steinstücke hinab rieselten, und begann nach unten in Richtung des Magmamantels zu fallen. Ein Großteil der Soldaten und Minotauren, sowohl Tote als auch Lebende, waren bereits wegen der Schräglage über die Kante geglitten und gingen den Weg bereits voraus. Der Rest klammerte sich verzweifelt an dem Stück Land fest, das nur mithilfe des Nebos, das noch immer einen gewissen Einfluss auf dieses Landstück hatte, nicht mit einer viel höheren Geschwindigkeit nach unten sank.
Tehria beobachtete diese Szenerie für einige Momente, bevor sie den Kopf wieder wegdrehte. Sie selbst nutzte in diesem Moment ebenfalls den Nebos und hielt so ein größeres Trümmerstück von der Halbinsel oben, auf dem sie nun stand und die von kleineren Gesteinsbrocken umkreisten wurden. Gut zehn Meter entfernt war der Hauptkontinent, wo jetzt Reihen an schwarz gerüsteten Soldaten vorbeimarschierten. Auf diesem Stück Boden hatte auch der Kampf stattgefunden und somit war sie nicht vollkommen allein.
>>Hab ich dir eigentlich schon erzählt wieso ich in diesem Krieg kämpfe?<<, fragte sie Seldon, der nach wie vor auf den Boden lag und mit einem finsteren Blick zu ihr hinauf starrte. Sie selbst stand vollkommen ruhig da, das Schwert locker in der Hand haltend, so als hätte es die Auseinandersetzung eben nicht gegeben und sie keine ganze Halbinsel abgetrennt hätte. >>Ich stehe hier nicht wegen Loyalität zu Cyraus und auch nicht im Namen von Tityos.<< Sie lächelte kurz. >>Ich hab sein Gefängnis bis jetzt noch nicht einmal besucht und hab es auch in Zukunft nicht vor. Der Grund warum ich diese Schlachten schlage ist einfach.<< Sie sah ruhig auf ihn hinab und beachtete seine zu Fäuste geballten Hände nicht. >>Ich weiß einfach nicht, was ich sonst tun soll. Ich besitze Talent darin Leid auszulösen, also mache ich dies auch. Ich tötete weil ich gut töten kann.<< Sie schloss kurz die Augen und einen kurzen Augenblick schien sie so etwas wie Bedauern zu empfinden. >>Was für ein Grund in einem Krieg zu kämpfen. Manchmal beneide ich dich Seldon. Du kämpft für weitaus bessere Gründe.<<
>>Meiner Meinung gibt es überhaupt keine guten Gründe zu kämpfen<<, sprach Seldon, der die gesamte Zeit schweigend zugehört hatte. >>Aber immerhin scheinst du in deinem richtig aufzublühen.<< In der Ferne brüllte irgendwo ein Minotaurus. >>Was ihn aber nicht besser macht und du auch weiterhin nur den Tod verdient.<<
>>Wenn du es sagst, Seldon.<<
>>Aber jetzt hab ich genug von dieser Scheißphilosophie. Bring mich endlich um, dann haben wir es hinter uns.<<
Sie schien den letzten Satz nicht gehört zu haben, sondern blickte ihn einfach weiterhin an. >>Willst du mich wirklich töten, Seldon. Willst du wirklich mein Blut an deiner Klinge haben?<< Ein Schatten tauchte hinter ihr auf und kam schnell näher.
Seldon richtete sich etwas weiter auf und bewegte sich etwas näher zum Rand der kleinen Insel hinter ihm. Er starrte ihr dabei weiterhin ins Gesicht. Seine Stimme nahm einen noch bedrohlicheren Klang an und fast schien als ob die Luft um ihn herum gefrieren würde. >>Was soll diese Frage, du Schlampe? Solange ich lebe werde ich alles tun, um dich vom Angesicht dieser Welt zu tilgen und in die dunkelsten Tiefen des Styx zu verbannen. Dorthin wo deine schwarze Seele keinerlei Recht mehr besitzt, noch einmal unter das Angesicht dieser Sonne gespuckt zu werden.<< Mit diesen Worten drehte er sich um und sprang.
Im gleichen Augenblick flog ein Saciler dicht über die schwebende Fläche hinweg und Tehria duckte sich instinktiv. Seldon dagegen befand sich bereits jenseits der Kante und schaffte es gerade noch sich an den Krallen des Flugtieres festzuklammern. Der Reiter über ihm rief irgendwas hinunter, dass er im Wind und wegen der lauten Flügelschläge allerdings nicht verstehen konnte. Hinter dem Malyr saß noch ein Bogenschütze im Sattel, wenn auch nicht gerade in einem großartigen Zustand. Ein Pfeil ragte aus seinem Rücken und die Art wie er dort in sich zusammengesunken hockte ließ darauf schließen, dass er tot war.
Der Saciler flog höher und Seldon, der keine Wahl hatte als weiterhin an den Krallen zu hängen, hatte einen fabelhaften Blick auf die Schlacht, auch wenn ihm nicht gefiel was er sah.
Beinahe alle Bataillone von Heolages befanden sich auf den Rückzug. Einige waren noch geordnet und in Einheiten zusammengefasst, mit noch lebenden Gruppenführern und Standartenträgern und bewegten sich im normalen Schritttempo. Doch die meisten rannten in panischer Flucht davon. Tausende kleine Punkte jagten über die Ebene, darunter auch viele Verwundete und einige brachen vor Erschöpfung zusammen und riefen dann vom Boden aus schwach um Hilfe, was aber von vorbeirennenden Kameraden meistens ignoriert wurde. Nur hier und da sah man einige die andere Soldaten aufhalfen und auf den Rest des Weges zu stützen. Ein Großteil war immerhin klug genug gewesen nicht einfach ihre Waffen wegzuwerfen um das eigene Gewicht zu verringern und an einigen Stellen sammelten Gruppenführer sogar wieder ihre Einheit um sich. Trotzdem war die Schlacht nicht mehr für sie zu gewinnen. Die letzten noch kämpfenden Reihen zogen sich in diesem Augenblick vor der schieren Übermacht des Feindes, der wie eine große kantige Grasebene von hier oben wirkte, zurück.
Der Reiter machte eine scharfe Kurve und Seldon hatte Gelegenheit zurückzublicken auf die kleine schwebende Insel auf der eine noch winzigere Gestalt stand.

Tehria blickte dem Saciler noch einige Zeit mit einem dumpfen Gefühl hinterher. Rechts von ihr verschwanden die letzten Umrisse der abgebrochenen Halbinsel in den weißen Wolken und auch die Schreie der dortigen Männer waren beinahe verstummt. Niemand weiß wieso oft nicht mehr als kleine Felsbrocken am Rand der Kontinente schweben können, aber abgebrochene Landmassen nicht vom Styx wieder stabilisiert wurden und in das Nichts fielen und es war zu bezweifeln, dass jemals eine Antwort gefunden werden würde.
Als das Flugwesen schließlich nichts mehr als ein kleiner Punkt am Himmel war, senkte sie den Kopf, wandte sich nach links um und schritt los. Als ihre Füße über die Kante traten schwebten mehrere kleinere Brocken heran die eine Verbindung mit der Landmasse bildeten. Diese Benutzung des Nebos kostete ihr im Moment nicht mehr als ein kurzer Gedanke. Ihr Gesichtsausdruck konnte man nur als düster bezeichnen und ihre Augen erinnerten trotz der hellen blauen Farbe an brennende Metallschmelzen.
>>Geht es euch gut Herrin?<<, fragte ein Legat vorsichtig, als sie wieder auf Antrepas stand. Hinter fielen die kleine Insel und die Steine dem heißen Mantel von Erebos entgegen.
Sie ging an dem Mann vorbei, ohne ihn auch nur zu beachten. Mehrere Einheiten hatten sich hier versammelt, während etwas weiter im Hintergrund die restliche Armee weiter vorwärts marschierte. Die Männer blickten sie furchtvoll an und umklammerten ihre Waffen, so als ob sie ihnen irgendwas in einem Kampf mit ihr nützen würden. Als sie die erste Reihe erreichte, beeilten sich die Soldaten einen Korridor für sie zu bilden.
Sie bemerkte dies kaum. Momentan war sie tief in Gedanken versunken. Dieses Treffen mit Seldon hatte sie sich anders vorgestellt. Vollkommen anders. Allerdings, was hätte sie erwarten sollen? Jede seiner Taten eben, war, wenn man die Hintergründe bedachte, vollkommen nachvollziehbar gewesen und sie sollte sich eigentlich nicht wundern. Trotzdem tat sein letzter Satz weh. Dazu kam, dass sie von Anfang an gewusst hatte, dass sie ihn in diesem Zweikampf besiegen würde, doch was sie mit ihm gemacht hätte, nachdem sie gewonnen hatte, konnte sie unmöglich sagen. Sie hatte nicht einmal darüber nachgedacht. Deswegen war dieser Saciler auch gerade rechtzeitig gekommen und sie hat ihn auch davonfliegen lassen, obwohl sie das Tier im Grunde genommen mühelos vom Himmel hätte holen können. Sie senkte den Blick noch weiter und versuchte die Tränen zurückzuhalten.
Nein, dieses Treffen war vollkommen anders verlaufen wie in ihren Vorstellungen… Wie in ihren Träumen…

Der Saciler flog nun dicht über den Boden und drosselte seine Geschwindigkeit weiter. Rechts von ihnen standen gut zwanzigtausend Reserveeinheiten die noch nicht in die Schlacht eingegriffen hatten. Man hatte kleinere Korridore gebildet, durch die nun die Flüchtlinge strömten. Einige Generäle versuchten Ordnung zu schaffen und die Soldaten auf den Rückzug zu koordinieren. Inzwischen rannten die meisten nicht mehr panisch und hatten sich zu Teilen wieder in Einheiten formiert die nun im Marschschritt weiter gingen.
Die Cyrausier im Süden hatten die Verfolgung vorerst eingestellt um sich ebenfalls schnell neu ordnen zu können, da ihre vordersten Reihen durch die Kämpfe noch immer stark zerfleddert waren und die Männer erst einmal wieder gesammelt werden mussten. Doch es würde nicht mehr lange dauern bis sie angreifen würden.
Als der Saciler nur noch so schnell war wie ein trabendes Pferd, ließ Seldon los und landete dumpf auf den Boden.
Leise fluchend rappelte er sich wieder auf und winkte dem Tier und dessen Reiter, die nun beide wieder höher aufstiegen, zum Dank hinterher. Anschließend wandte er sich wieder seiner Umgebung zu.
Er stand nur wenige Meter von den vordersten Reihen mehrerer Hetraxeinheiten entfernt, die ihn interessiert musterten. Mehrere einzelne Flüchtlinge liefen etwas ziellos herum und schienen nicht zu wissen, wohin sie sollten. Durch einen Korridor in der Nähe marschierte gerade eine Einheit Kalypsen oder besser deren Überreste davon. Viele der Männer waren mit Blut und Dreck verschmiert und wiesen kleinere Verletzungen auf.
Zwei Legaten traten aus den Reihen der Reservesoldaten und nahmen Kurs auf ihn, doch bevor sie ihn erreichen und ansprechen konnten, kam ihnen jemand zuvor.
Ohne große Überraschung bemerkte Seldon Trakedeanos der mit den noch lebenden Arkollyren von der Schlacht her schnell auf ihn zuschritt. Er rannte zwar nicht, war aber kurz davor.
>>Du lebst also noch?<<, fragte der Hüne ohne Umschweife als er bei ihm ankam. Er schnaufte relativ stark.
>>Natürlich tu ich das<<, entgegnete Seldon und musterte seinen Freund, >>dir scheint es auch gut zu gehen?<<
>>Vom körperlichen her ja, vom seelischen nein. Immerhin haben wir allen Anschein nach verloren, außer du hast noch irgendeinen Trick auf Lager?<< Nach dem stummen Kopfschütteln seines Gegenübers seufzte Trakedeanos. >>Hast du wieder die Schlampe getroffen?<<
>>Ja, hab ich.<<
>>Hat sie dich wieder hart drangenommen?<<
>>Ja, hat sie.<<
>>Ach, verdammte Scheiße<<, fluchte Trakedeanos, spuckte aus und sah zum Schlachtfeld wo zwei, drei Rauchsäulen aufstiegen und das schwarze Heer der Cyrausier hin und her wogte und sich für einen Sturm bereitmachte. >>Und was machen wir jetzt?<<
>>Gucken wie schlimm die Lage wirklich ist.<< Mit diesen Worten wandte Seldon sich an einen der beiden Legaten, die während des Gesprächs schweigend daneben gestanden hatten. >>Kannst du mir Neuigkeiten über die westliche Flanke geben, Legat?<< Er deutete dabei zu den Hügeln, an deren Hängen jetzt weitere schwarzgepanzerte Soldaten hinunter auf die Ebene strömten, was auf nichts Gutes hindeutete.
>>Nun, Herr<<, der Mann leckte sich über die Lippen und er schien alles andere als begeistert zu sein, die folgenden Nachrichten vorzutragen, >>sie ist verloren, vollkommen. Der Gegner hatte dort einfach zu viele Männer postiert, als dass unsere Truppen seine Linien hätten durchbrechen können und außerdem wurden sie mithilfe einer Zangenbewegung eingekreist. Nur ein paar einzelne Einheiten haben es geschafft sich durchzukämpfen und dies zu berichten, der Rest wurde abgeschlachtet. Wir können dort nichts mehr tun Herr.<<
Seldon nickte nur, obwohl die nüchternen Informationen einer Katastrophe gleichkamen. Dreißigtausend Mann und fünfhundert Zentauren waren verloren. Dies war ein tödlicher Schlag, ein äußerst tödlicher.
Inzwischen hatte sich der Strom aus Flüchtling von der Ebene deutlich an Stärke nachgelassen und nur noch vereinzelte Personen kamen an. Ein verwunderter, braunhaariger Minotaurus humpelte an ihnen vorbei, seine Axt hinter sich her schleifend und wütend knurrend.
>>Los, lasst uns auch von hier verschwinden, bevor sie Cyrausier kommen<<, sagte Seldon mit einer erstaunlich gelassen Stimme. Einer seiner größten Gaben war es, sich mit Dingen an denen man nichts ändern konnte abzufinden. Diese Schlacht war verloren und es brachte niemanden was, wenn er jetzt einen Wutanfall bekam oder heulend zusammenbrach. Er drehte sich um und ging los, während Trakedeanos hinter ihm bereits anfing Befehle zu brüllen.
Die breiten Korridore in den Reihen der Soldaten wurden rasch geschlossen und die Einheiten wandten sich auf Befehl ihrer Gruppenführer in Gleichklang um und marschierten los. Der Großteil der Armee war ihnen bereits voraus und so würde der Feind, wenn er es schaffte sie einzuholen, zuerst ihnen in den Rücken zu fallen. Schon bald hörten sie hinter sich die Trommeln des Feindes und sein Kriegsbrüllen, sodass sie in einen leichten Trap verfielen.
Seldon, Trakedeanos, die Arkollyren und die beiden Legaten befanden sich in der Mitte der Front aus Soldaten, in einem größeren Quadrat zwischen den Reihen, das für sie freigemacht wurden war.
Die Strecke zu ihrem Ziel betrug weniger als eine Meile und so erreichten sie es schnell. Die Männer kämpften sich die eher seichten Hänge der nördlichen Hügelkette hoch und lösten dabei ihre Formationen auf und bildeten dafür lange Menschenketten, um durch die schmalen Lücken zwischen den Hetraxeinheiten zu gelangen, die hier standen und auf den Feind warteten.
Inzwischen, doch langsam die Leistungsgrenzen seines Körpers erreichend, blieb Seldon schwer atmend und schwitzend stehen. Er befand sich nun auf einen flachen Felsen, der wie ein Felsvorsprung aus dem Hügel ragte und ihm so eine gute Sicht über die weite Ebene vor ihm erlaubte. Sein gesamte Körper und die Rüstung waren mit trockenem Blut und schwarzem Dreck verschmutzt und letzterer war mit einigen neuen Schrammen und Kratzern versehen.
Trakedeanos und die Arkollyren positionierten sich wie immer schweigend hinter ihm. Zu den zwei Legaten kamen weitere hinzu, die hier bereits auf ihn gewartete hatten.
Er holte einen seiner Leibwächter zu sich und bat diesen um ein Schwert, was ihm sofort ausgehändigt wurde. Er ließ die Waffe versuchsweise in der Hand kreisen und steckte es dann mit einem zufriedenen Nicken in die Scheide. Diese Klinge war zwar nicht zu hochwertig gearbeitet wie die letzte, aber solange sie scharf genug war um Fleisch zu durchdringen würde sie ihren Zweck erfüllen.
Ein mehrstimmiges Brüllen ließ ihn wieder in Richtung der Ebene spähen, wo gerade mindestens fünfzigtausend Cyrausier über eine weite Fläche auf die Hügelkette zustürmten und wie eine schwarze Welle wirkten. Dieser Angriff schien eher eine impulsive Tat zu sein, da die Ordnung größtenteils dahin zu sein schien und die restliche Armee des Feindes etwas weiter hinten zurückgeblieben war, noch in der Nähe des Schlachtfeldes. Die Männer die hier nun auf sie zu kamen waren siegestrunken und blutdurstig und damit auch blind.
Er hob seine Hand und ein mehrstimmiger, militärischer Ausruf erklang. Es war an der Zeit seine Absicherung einzusetzen.
Mehrere Tausend Olypsen, sowie dutzende großer Katapulte und Ballisten standen auf der kleinen Hügelkette vor den Linien aus Hetrax, mit dem Ziel ihren zurückziehenden Kameraden Deckung zu geben. Da er praktisch mit einer Niederlage gerechnet hatte – auch wenn sie in seinem Kopf nicht so vernichtend ausgefallen war - hatte er darauf verzichtete alle seine Fernkämpfer mit in den Angriff einzubeziehen und sie hier Stellung beziehen lassen, um den Fliehenden in dem Fall einer Verfolgung Deckung zu geben.
Die Einheiten aus Bogenschützen hatten lange Linienformationen gebildet und richteten nun ihre Pfeile gen Himmel, während die Gruppenführer an ihnen entlang schritten, die Blicke auf Seldon gerichtet, nur noch auf seinen Befehl wartend. Auch die großen Belagerungsgeräte, die ganz oben auf den Hügeln standen, spannten ihre langen Seile um Steine und Bolzen abzuschießen.
Die Cyrausier kamen immer näher heran und wirkten fast unaufhaltsam, während die Banner der Standartenträger und die Hörner der Minotauren wie Dornen aus der endlosen Masse ragten. Nun waren sie nahe genug.
Seldon ließ die Hand sinken und die Gruppenführer brüllten alle wie aus einem Mund: >>Pfeile los!<<
Ein Tausendfaches Sirren war zu hören, dazwischen manchmal das mechanische Stampfen der Belagerungsgeräte, und eine schwarze Wolke aus gefiederten Schäften stieg auf und verdunkelte den trüben Himmel noch weiter.
Die Geschosse beschrieben einen weiten Bogen und stürzten dann auf den Feind hinab. Beinahe alle Cyrausier die in den vordersten Reihen gerannt waren, wurden niedergemäht. Entweder von den Pfeilen oder von den mächtigen Steinen und Bolzen die ausreichten um mehrere Männer in Stücke zu reißen. Auch einige Minotauren fielen diesem tödlichen Hagel zum Opfer und beim niederfallen zerdrückten sie oft ein oder zwei Menschen.
Eine zweite Salve wurde auf den Weg geschickt, doch es war gar nicht mehr nötig. Die restlichen Gegner hatten scharf abgebremst und waren teilweise übereinander gefallen, in dem Versuch wieder außer Reichweite zu kommen. Sie wichen in einer erstaunlich kurzen Zeit um Hundert Meter zurück. So erwischten die Pfeile nur noch einige Nachzügler und am Boden liegende Verwundete.
Der gegnerische Angriff war zum erliegen gekommen und die Cyrausier schienen nicht daran interessiert zu sein, einen weiteren zu versuchen. Stattdessen riefen mehrere Generäle – von denen einige an Selbstmord dachten, da sie nicht erpicht darauf waren nun Tehria gegenüberzutreten - Anweisungen und die Schwarzgerüsteten marschierten zurück zur restlichen Armee. Der Abschluss bildeten dabei mehrere Hundert Soldaten aus deren Körper Pfeile ragten und die teilweise humpelten oder sich auf eine andere schmerzhafte Weise voranschleppten.
>>So<<, sagte Seldon und drehte sich zu Trakedeanos und den Legaten um, >>das sollte für das erste ausreichen. Inzwischen müssten die meisten Soldaten über den Sadyron sein. Es wird an der Zeit, uns auch dorthin zu bewegen. Dieser heutige Tag ging an sie.<< Der Sadyron war der größte Fluss im Norden von Antrepas und er floss nur einige hundert Meter hinter der kleinen Hügelkette. Eine große, alte Steinbrücke, die noch aus Zeit vor dem Steinkrieg stammte und deren Straße schon längst im Staub dieser Ebene verschwunden war, führte ebenfalls dort hinüber, was auch der Grund dafür war, dass die Schlacht hier stattgefunden hatte. Diese Brücke war breit genug um einer Armee innerhalb kürzester Zeit den Übergang zu erlauben und mit ihrer Überquerung erreichte man die etwas fruchtbareren Nordgebiete dieses Kontinents und somit auch nachfolgend Heolages. Die nächste Fuhrt befand sich erst einige hundert Meilen weiter westlich im Landesinnere und würde einen großen Umweg bedeuten.
Ein Legat trat vor und öffnete den Mund, aber Seldon ahnte die Frage bereits und beantwortete sie bevor der Mann einen Ton rausbringen konnte: >>Wir verbrennen die Belagerungsgeräte. Wir haben nicht mehr die Zeit, um sie auseinander zu bauen. Wir werden sie in nächster Zeit sowieso nicht mehr brauchen.<< Ohne noch einmal zum Schlachtfeld zu blicken wo sich nun die Aasvögel niederließen, verließ er den Felsen. >>Sobald alle über die Brücke sind, werden wir sie zerstören. Das wird uns ein paar Tage Zeit geben, um uns vorzubereiten.<< Er seufzte leise bevor er fortfuhr. >>Ich hoffe euch allen ist klar wir dicht wir nun davor stehen diesen Krieg zu verlieren.<<
>>Na ja<<, sagte Trakedeanos an dieser Stelle, während er einen weiteren Apfel hervorholte, >>sieh es mal so. Bald wird dieser ganze Scheiß vorbei seien und wir können uns wunderbar in einem feuchten Massengrab erholen.<<
>>Deine Witze werden auch immer schlimmer, weißt du das?<< Seldon hörte gar nicht erst auf die Antwort, sondern ging einfach weiter, während die Hetrax und Olypsen sich zum Abmarsch bereitmachten. Er hatte schon wieder verloren. War dieses Miststück wirklich unbesiegbar? Konnte denn Garnichts sie aufhalten? Er schüttelte kurz frustriert den Kopf. Sie verdiente den Tod für ihre Taten, dass stand außer Frage. Auf ihren Händen klebte bereits das Blut von Hunderttausenden, die sie nur wegen ihren Drang zu töten hatte abschlachten lassen. Sie war ein Monstrum ohne Mitgefühl oder Erbarmen. Ja, sie verdiente es zu sterben, alleine schon wegen dem Grund so weitere unvermeidliche Massaker verhindern zu können. Doch trotzdem…
…sie war noch immer so schön wie damals.

Vier Stunden später.
Im Norden stiegen mehrere Rauchsäulen auf, die von den brennenden Belagerungsgeräten der Heolagener stammten, was zur Folge hatte, dass nun neben dem Geruch von Blut und Metall auch noch der kratzende Gestank von Qualm in der Luft lag.
Tehria stand auf einer kleinen, steinernen Erhebung und beobachtete das Schlachtfeld um sie herum, während sie unbekümmert ein Stück Brot aß.
Tausende von Vögeln kreisten über die Ebene und schrien und kreischten wie Besessene. Viele der Geier, Krähen und Raben waren bereits gelandet und rissen Fleischstücke aus den Leichen die wie ein Mosaik überall verstreut lagen. Hier und dort ragten im Boden steckende Speere und Banner in den Himmel und bewegten sich traurig im Wind.
Es war interessant wie es die Vögel immer wieder schafften so kurz nach einer Schlacht sich zu tausenden zu versammeln, so als würde irgendwas ihnen sagen, dass hier eine Mahlzeit auf sie warten würde.
Jenseits der Kontinentalkante flogen auch schon einige hundert Saciler und warteten nur darauf, dass die nervigen Menschen verschwanden und sie sich ebenfalls am Gelage beteiligen konnten.
Ein schrilles Schreien lenkte Tehrias Aufmerksamkeit nach links, wo ein verwunderter Heolagener, dem ein Fuß fehlte und der auch einen gebrochen Arm zu haben schien, panisch über den Boden kroch.
Ein Kalypse aus Cyraus folgte ihm gelassen und als er ihn eingeholt hatte, drückte er ihm mit einem Fuß in den roten Schlamm. Als nächstes schob er den Helm des Mannes zur Seite, packte ihn an den Haaren und zog ihn mit einem Ruck nach oben. Der Heolagener kreischte ein weiteres Mal und versuchte sich irgendwie zu befreien, doch das Gezappel wurde schnell beendet, als man ihm die Kehle durchschnitt.
Der Kalypse ließ die Leiche zu Boden fallen, machte eine schnelle Wischbewegung mit seinem Schwert um das meiste Blut abzubekommen und suchte anschließend weiter nach Todgeweihten.
Zehntausende Soldaten waren gerade im Schlachtfeld unterwegs und töteten jeden noch lebenden Heolagener den sie fanden, sowie auch jeden verwundeten Cyrausier dessen Verletzungen zu schwer waren, als dass er den nächsten Morgen überleben könnte. Die restliche Armee war entweder ins Lager gegangen um sich zu erholen, auf den Hügeln an der westlichen Flanke mit ähnlichen Aufgaben wie hier oder stand beim Sadyron und blickte zornig über den Fluss in Richtung Feind.
Sie biss ein weiteres Stück ab. Dass Seldon die Brücke zerstört hatte, war zwar bedauerlich, aber sie hatte damit gerechnet. Anscheinend hatte er die Träger der alten Konstruktion schon vor der Schlacht schwächen lassen und somit waren nur noch ein paar starke Hiebe mit dem Hammer nötig gewesen, um hunderte Tonnen von Stein in die Fluten versinken zu lassen. So hatte er es ihr unmöglich gemacht ihm von hieraus zu folgen.
Noch einen Bissen.
Die nächste Fuhrt befand sich weit im Westen und sie würden Tage brauchen um ihn einzuholen, doch im Grunde störte es sie nicht. Es würde sogar spaßiger werden, wenn sie den Heolagenern Zeit gab sich auf ihren Angriff vorzubereiten. Es würden dadurch natürlich auch mehr Männer von ihrer eigenen Seite sterben, doch es störte sie nicht. Wie erwähnt. Die Seite war ihr egal. Das Ableben von Menschen war für sie vollkommen Gleichgültig und sie machte keine Unterschiede. Allerdings gab es in der Hinsicht auch eine einzige Ausnahme.
Ein paar Schreie hallten von Osten her, doch sie verzichtete darauf dorthin zu gucken und schlug ihre Zähne ein weiteres Mal in das Brot. Die Generäle die zugelassen hatten, dass ihre Bataillone diesen dummen Angriff auf die Hügel im Norden, wo tausende von feindlichen Bogenschützen auf sie gewartete hatten, durchführten wurden gerade gezüchtigt, auf Tehrias persönliche Anweisung.
Die Züchtigung sah folgendermaßen aus: Zuerst wurde ihnen mit Haken ein Großteil ihrer Haut weggerissen und anschließend wurden sie gepfählt. Drei der roten, im trüben Licht feucht glänzenden Körper ragten bereits in die Luft. Das Holz war mitten durch ihren Körper gerammt, sodass die spitzen Enden aus den Mündern wieder herausragten. An den Pfählen rannen diverse Körperflüssigkeiten herab, die sich in das Holz einsaugten. Diese idiotischen Bastarde hatten es nicht anders verdient und sie schenkte ihnen kaum noch einen Gedanken.
Sie nahm noch ein Stück Brot zu sich und begann unruhig mit den Fingern auf ihren Helm zu trommeln, den sie an ihrer Hüfte hielt. Sie musste wieder an den erneuten Kampf mit Seldon denken und sofort verwandelte sich alles was sie momentan kaute in Asche. Sie sah in fast jeden lebenden Menschen einen Feind oder ein Opfer, nur in ihm nicht. Sie hat nie den Tod von irgendjemand bedauert, doch falls er sterben würde, wäre sie am Ende. Sie würde zusammenbrechen. Während der Auseinandersetzungen mit ihm hatte sie ihm immer etwas sagen wollen, doch es nicht geschafft herauszubringen. Es sind im Grunde mehrere Dinge die sie ihm erzählen wollte, doch einer der wichtigsten davon war wie sehr sie ihn während der letzten Jahre vermisst hatte.
Sie steckte das letzte Stück Bort in den Mund, setzte ihren Helm auf und verließ ihren Aussichtspunkt. Dabei schreckte sie mehrere Raben auf, die hinter ihr vorsichtig an einen abgetrennten Arm gezupft hatten. Die Vögel flogen kreischend davon und einige schwarze Federn schwebten an ihr vorbei zur Erde hinab.
Sie war eine Mörderin und eine Soziopathin. Sie war sich dessen durchaus bewusst und ihr war auch klar, dass ihre Taten schrecklich waren und manchmal bedauerte sie, was aus ihr geworden war. Aber halt nur manchmal. Es war bereits viel zu spät um irgendwas zu ändern, dafür war bereits zu viel Blut geflossen.

Zwei Tage später.
Vor fünf Stunden waren Cesandestar Phessas und die restlichen Zentauren angekommen und somit befanden sich nun alle wichtigen, noch lebenden Befehlshaber der Streitkräfte von Heolages im Lager und sie konnten anfangen über die aktuelle Lage zu diskutieren.
Der Abend dämmerte und somit wurde das Zelt von kleinen Krügen aus Keramik erhellt, in denen Öl brannte. Somit herrschte eine stickige und warme Luft vor. In den weißen Leinen über ihnen waren kleine Öffnungen, um den Rauch nach draußen zu lassen.
Seldon beugte sich vor und sah sich die Personen an, die mit ihm an den großen Tisch standen. Elf davon waren Legaten aus den wichtigsten Städten im Bund von Batresas. Diese Männer mieden seinen Blick und versuchten so unauffällig wie möglich zu sein. Ihr natürliches Verhalten war es politische Intrigen zu spinnen um ihre Macht zu stärken und um auf noch höhere Posten zu kommen. Normalerweise würden sie eine solche Niederlage nutzen um ihn in Verruf zu bringen und ihn gewissermaßen zu zerreißen. Doch momentan zeigten sie überhaupt kein Interesse daran und der Grund dafür war recht einfach. Jeder von ihnen wusste, dass Seldon der Einzige war, der Tehria möglicherweise aufhalten konnte. Vollkommen unfähig waren die Männer zwar nicht, doch ihnen war klar, dass sie keine Chance gegen diese Harpyie hatten und keiner von ihnen einen Sieg der Cyrausier überleben würde. Dafür zeigte Tehria einfach zu wenig Mitgefühl.
Es war auch schon seit einer gewissen Weile nicht mehr möglich zum Feind überzulaufen und auch hier war der Grund Tehria. Bevor sie Hochlegatin wurde, konnten Heolagener und Antrepaner ohne große Mühen die Seiten wechseln. Doch seitdem sie die Führung übernommen hatte wurde jeder der in die Reihen der Cyrausier eintreten wollte niedergemetzelt und die Überreste der Männer wurden anschließend in weißen Leinentüchern gewickelt und zurückgeschickt. Daraus konnte man recht einfach schließen, dass sie Verräter, egal aus welcher Armee, hasste und eher für einen Krieg war, in dem beide Fraktionen klar voneinander abgetrennt waren, ohne ein Hin und Her dazwischen. Dies ist einer der wenigen Gemeinsamkeiten zwischen Seldon und ihr.
Zumindest waren die Legaten, bildlich gesprochen, an ihn gefesselt und sie wussten, dass sie nur überleben könnten, wenn er es schaffte zu gewinnen, auch wenn diese Möglichkeit inzwischen irgendwo weit jenseits des Kontinentalrands lag.
Neben den Legaten war natürlich auch Trakedeanos anwesend, der direkt neben Seldon stand und mit hinter den Rücken verschränkten Armen alles mit einer gefährlichen Ruhe musterte.
Desweiteren war auch Cesandestar Phessas anwesend. Er war der Befehlshaber aller Zentaurenstreitkräfte im Heer und wie immer wirkte er erstaunlich gelassen und hatte seinen typischen, nachdenklichen Blick aufgesetzt. Er hatte seine blonden Haare zu einem kurzen, bis zum Nacken reichenden Zopf gebunden und er zupfte immer wieder an seinen Spitzbart. Seine Augen hatten eine dunkelgrüne Farbe, die leicht an Moss erinnerte. Sein menschlicher Körper war wegen der vielen Zeit im Freien leicht gebräunt. Auch sein kräftiger Pferdekörper hatte ein hellbraunes Fell und sein Schwanz, der ab und zu leicht hin und her wedelte, bestand aus schwarzen Haaren. Er war etwas größer als ein durchschnittlicher Mensch und wegen seiner unteren Körperhälfte beanspruchte er etwas mehr Platz im Zelt. Da er erst vor kurzem angekommen war, wirkte er noch leicht erschöpft und um sich abzukühlen war sein menschlicher Körper völlig kleiderlos – Zentauren hatten eine völlig andere Vorstellung von Sittsamkeit als Menschen-, doch er hatte sich nicht die Mühe gemacht die Rüstung von seiner Pferdehälfte zu nehmen oder diese zu waschen, was einen leicht tierischen Schweißgeruch zur Folge hatte.
Cesandestar war in einer Enklave nahe Despia aufgewachsen und hatte eine für Zentauren normale Kindheit. Er war oft mit anderen Kindern meilenweit durch die Wildnis geritten und hatte von seinem Vater das Grundlegende in Sachen Jagen und Ackerbau gelehrt bekommen. Schon früh erkannten die anderen, dass er ein besonders geschickter und schneller Reiter war. Mit sechzehn ging er für sechs Jahre nach Despia und lernte dort Lesen, Schreiben, Mathematik und auch ein wenig Philosophie. Außerdem bekam er in dieser Zeit auch seine Weitsicht und seine ruhige, nachdenkliche Art. Dank all dieser Fähigkeiten brauchte er nicht sehr lange um nach seiner Rückkehr der Großläufer seiner Enklave zu werden. Seit dem Beginn des Krieges kämpfte er äußerst energisch gegen die Cyrausier und Tityos und sah auch keine Probleme darin beinahe selbstmordartige Aktionen durchzuführen, die er aber immer irgendwie überleben konnte. So hatte er sich in den letzten Jahren auch bei den Zentauren anderer Enklaven einen Namen gemacht und so kamen nicht sehr viele Gegenstimmen als Seldon Cesandestar zum höchsten Befehlshaber unter den Pferdemenschen – dieser Ausdruck grenzt übrigens nach ihren Empfinden hart an einer Beleidigung und man sollte ihn nur benutzen wenn nur Menschen um einen waren – ernannte. Bei Besprechungen wie diesen blieb der Zentaur meistens ruhig, hörte zu und meldete sich nur zu Wort, wenn er es für nötige erachtete.
Ein großer Schatten bewegte sich hinter drei der Legaten und ein leises Knurren war zu hören, als Sentrax sich mit seinen Pranken am Rücken kratzte, wo eine Verletzung von der Schlacht juckte.
Er war ein prächtiges Exemplar seiner Rasse und selbst unter den Minotauren ein Hüne. Seine Größe betrug beinahe dreieinhalb Meter und somit musste er leicht gebückt stehen, damit seine Hörner keine Löcher in die Zeltdecke rissen. Er war ein Albino und hatte ein weißes Fell und rote Augen. Auch seine normale Haut war äußerst blass. Er trug wie sonst immer eine Kampfrüstung und auf den Rücken seine Streitaxt. Sein muskelbepackter menschlicher Teil, allen voran die baumstammartigen Armee, glänzten matt im rötlichen Licht.
Auch Sentrax hatte eine für sein Volk übliche Kindheit hinter sich. Geboren wurde er in der Stadt Ionas in Heolages und als Heranwachsender hatte er immer zahllose Übungskämpfe mit anderen Kindern durchgeführt und seinen Körper trainiert. Dies waren in etwa auch die üblichen Tätigkeiten eines jungen Minotaurus. Er verließ sein Viertel für einige Jahre und verdiente sich bei einem Händler als Leibwächter, bevor er zurückkehrte. Da er ohne Zweifel der Stärkste in seinem Stamm war und niemand großes Interesse hatte mit um den Rang zu kämpfen, bekam er auch den goldenen Nasenring und wurde somit Häuptling.
Genau wie Cesandestar kämpfte auch Sentrax seit Anbeginn des Krieges mit und er hatte sich als vortrefflicher Führer seiner Minotauren erwiesen. Er liebt zwar auch wie fast alle Mitglieder seiner Rasse das Kämpfen, doch in seinem Kopf befand sich ein wacher Verstand und er war wahrscheinlich intelligenter als manche Menschen. Er schaffte es vortrefflich die anderen davon abzuhalten während einer Schlacht in Raserei zu verfallen oder dass sie sich im Kampfrausch zu weit von den eigenen Linien entfernten. Er kontrollierte seine Leute perfekt und brachte sie dazu während einer Schlacht genau das zu tun was man von ihnen erwartete. Zwar musste er seine Standpunkte oft mit kleinen Rangeleien verdeutlichen, aber dank seiner Statur dauerten diese Machtkämpfe nie sehr lange. Somit war es für Seldon eine leichte Entscheidung gewesen ihn als obersten Befehlshaber aller Minotauren im Heer einzusetzen und er wurde bis jetzt auch noch nicht enttäuscht.
Auch bei den Lagerbesprechungen konnte Sentrax recht nützlich sein, da ihm immer wieder gute Einfälle zur weiteren Vorgehensweise des Heeres kamen. Allerdings behinderte ihn in dieser Sache seine Unfähigkeit zur Sprache und so schaffte er es nur selten sich den anderen mitzuteilen. Doch wenn es ihm irgendwie gelang, dann waren seine Hinweise immer nützlich gewesen.
Sonst gab es im Zelt nur einige Arkollyren die im Hintergrund als Leibwächter fungierten und zwei Diener mit Weinkrügen.
Von seinen zwanzig Elitekämpfern die er hierher mitgebracht hatte waren vier Stück in der vergangen Schlacht gefallen, doch er hatte noch fünfzehn weitere die oben in Heolages warteten, gewissermaßen als Reserve.
Während der letzten zwei Tage hatte sich die Armee vom Rand des Kontinents entfernt und war in nordwestlicher Richtung gezogen, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Tehria zu bringen, falls sie es doch irgendwie schaffte trotz der zerstörten Brücke den Fluss zu überqueren.
Sie waren dabei eine ganze Nacht und beinahe einen gesamten Tag ununterbrochen marschiert und erst als am späten Nachmittag Cesandestar und seine Reiter zu ihnen gestoßen waren, hatten sie Halt gemacht und ein Lager aufgeschlagen. Jetzt zog draußen wieder die Dunkelheit über den Himmel und es war das erste Mal seit der Schlacht, dass sie sich miteinander bereden konnte.
Da Seldon vorhatte diese Nacht noch etwas zu schlafen, wollte er es relativ kurz machen und verzichtete auf irgendwelchen rhetorischen Feinfühligkeit und kam direkt zur Sache: >>Kommen wir am besten gleich zum wichtigsten Punkt. Wie sehen unsere Verluste aus? Hat sich irgendwer hier schon damit befasst?<<
Sein scharfer Tonfall ließ einige der Legaten zusammenzucken und einige versuchten noch mehr so zu tun als wären sie nicht da. Einige endlos lange Sekunden verstrichen bis endlich jemand sich vorsichtig zu Wort meldete.
Es war Megalia Sekromos, die Legatin von der Stadt Gastar. Sie war die einzige anwesende Frau und war vielleicht zwei Jahre älter als Seldon. Anders als in der Politik hatte es das weibliche Geschlecht im Militär schwer. Es gab zwar einige wenige Soldatinnen im Heer, doch es war nur eine kleine Handvoll und von ihrer Statur her kam es oft vor, dass man sie mit Männern verwechselte. In höhere Ränge kam man als Frau nur, wenn man eine Atregatin war, also wenn man den Styx lenken konnte und selbst dann brauchte man viel Glück, wenn man in den Posten eines Generals kommen wollte und es war ein außerordentliches großes Geschick in vielen Bereichen vonnöten, wie bei Tehria, um zu einer Legatin zu werden. Megalia hatte zwar auch gewisse Fertigkeiten in der Schlacht auf die Seldon nicht verzichten würde und er fand sie auch von den Elf Speichelleckern auch am sympathischsten, doch trotzdem hatte auch ihr recht mächtiger Vater eine gewisse Rolle bei ihrer Beförderung gespielt.
Im Kampf war sie eine eher mittelmäßige Schwertkämpferin und beim lenken des Styx brauchte sie oft beinahe ihre gesamte Energie,um einen kleinen Stein anzuheben oder eine Fackel zu entzünden. Dafür war sie im Hydron sehr geschickt und verstand es besonders gut im Heilen. So hatte sie nach der Schlacht sämtliche Verletzungen von Seldon behandelt und jetzt war nur noch glatte Haut zu sehen.
>>Also<<, begann sie nervös und leckte sie über die Lippen, >>da wir praktisch die komplette westliche Flanke verloren haben und auch im Zentrum und im Osten viele Einheiten aufgerieben wurden und wir auch einen Großteil unserer Verwundeten auf den Schlachtfeld zurücklassen mussten, schätze ich die Zahl unserer Toten auf recht genau vierzigtausend, auch wenn ich noch keine Zählung der Männer durchgenommen habe.<< Sie hatte schon immer eine Talent mit Zahlen gehabt und ihre Schätzungen trafen meistens immer zu und so ging ein ersticktes Raunen durch die Runde. Sie waren mit hundertdreißigtausend Mann in die Schlacht gezogen und wenn sie tatsächlich vierzigtausend verloren hatten, bedeutet dies, dass ihnen nur noch neunzigtausend Soldaten zur Verfügung standen. >>Die Verluste unseres Gegners<<, fuhr Megalia mit etwas zittriger Stimme fort, da alle Augen auf sie gerichtet waren, >>schätze ich auf vielleicht vierzehn- bis siebzehntausend, ich persönlich gehe eher vom Unteren aus.<< Tehria hatte in der Schlacht zweihunderttausend Mann gehabt. Dies bedeutet, dass sie jetzt noch hundertsechsundachtzigtausend besaß. Mehr als doppelt so viele wie sie. Eine düstere Stimmung legte sich über die Beteiligten und man konnte deutlich in den Augen einiger Legaten das Wort >Selbstmord


Teil 1.3


Der Auserwählte muss auf seine Aufgabe vorbereitet werden.
Deswegen bringt ihn die Waffe zu Orten.
Orten die ihn prüfen und festigen sollen.




Aus der Bibliothek von Gehael.

Archiv Blau. Artikel Nr. 240063-B

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Welt: Achresch

Klasse: Welt der zweiten Generation

Syratquelle: Machtzentrum

Intelligente Rassen: Eine

Art der intelligenten Rasse(n): Mensch

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Geografie:
Der Planet ist in etwa halb so groß wie die Erde und besitzt eine äußerst zerfledderte Landschaft. Fünfzig Prozent der Oberfläche sind mit Wasser bedeckt, aber besonders große, weitläufige Ozeane sind nicht vorhanden. Die kleinen Meere wechseln sich ständig mit nicht viel größeren Landmassen ab, die oft durch kleine Korridore miteinander verbunden sind. Dazu kommen noch große Inseln oder Halbinseln und gewaltigen Seen, die den Wirrwarr aus Wasser und Land noch verstärkten. Die einzelnen Meere und Kontinente sind nicht genauer von den Bewohnern benannt. Das Klima ist überall auf dem Planeten sehr tropisch und das Land ist von großen Urwäldern bedeckt. Die Sonne ist gelb und mittelgroß und dazu wird Achresch von dutzenden kleiner Monde umkreist, die sehr unregelmäßige Formen besitzen und selten kaum größer als hundert Kilometer sind. Sie erinnern an Meteore, die vermutlich vor langer Zeit irgendwie in die Umlaufbahn des Planeten gelangt sind ohne auf die Oberfläche herabzustürzen, was auch mit der Syratquelle zusammenhängt. Man kann meistens immer zu irgendeiner Tageszeit einige der Monde am Himmel sehen, da sie sehr dicht über der Atmosphäre von Achresch ihre Bahnen ziehen. Sie sind nicht benannt, mit Ausnahme des Größten, der als Dschano bezeichnet wird und ungefähr siebenhundert Kilometer lang und vierhundert Kilometer breit ist und es wirkt für die Geschöpfe am Boden geradezu erdrückend wenn er über den Himmel schwebt. Achreschs Monde gehörten wahrscheinlich vor Urzeiten zu einem Meteoritengürtel, an dem der Planet manchmal dicht vorbeizieht. Astrologisch weiterhin interessant ist ein kleiner Planet der Tegal genannt wird und der in festen Zeitabständen als kleine, orangene Kugel am Himmel zu sehen ist, wenn er nahe an der Umlaufbahn von Achresch vorbeifliegt. Da Tegal wesentlich schneller um die Sonne kreist, passiert dies ungefähr drei Mal im Jahr und er ist dann jedes Mal für ungefähr vier Tage sichtbar.

Bevölkerung:
Es leben etwa zehnmillionen Menschen auf Achresch. Sie haben alle ausnahmslos eine dunkle Hautfarbe, dichte Augenbrauen und schwarze Haare.

Völker, Nationen und Kulturen:
Wegen des unbarmherzigen Dschungels leben die meisten Menschen in ummauerten Städten, die Schutz vor der Wildnis bieten. Diese Siedlungen sind praktisch ausnahmslos in drei Bereiche geteilt, die allesamt eine eigene Mauer besitzen. Zum einen gibt es die Felder, die den größten Platz einnehmen und die nur von einigen dauerhaft dort stationierten Wachsoldaten bewohnt werden. Die Bauern leben mit den restlichen Bürgern der eigentlichen Stadt, die von einer wesentlich höheren Mauer umschlossen wird und den zweiten Bereich bildet. Die Gebäude hier sind hoch und bestehen aus gelbem Sandstein, den es relativ häufig auf Achresch gibt. Die Fenster sind schmal und die Dächer manchmal mit zwiebelförmigen Kuppeln bedeckt. Die reicheren Bewohner schmücken die Kanten und Simse ihrer Villen auch oft mit roten oder grünen Ornamenten. Es gibt für gewöhnlich ungefähr drei große Märkte pro Stadt und dazu noch dutzende von Brunnen. Die Wirtschaft wird stark von dem Handwerk geprägt und größere Zusammenschlüsse oder Unternehmer sind nicht vorhanden. Die dritte Ebene ist schließlich die Palastebene. Hier lebt der Achmir einer Stadt mit seiner Familie und seinen Bediensteten. Der Palast ist meistens sehr weitläufig und besitzt absurd hohe Kuppeln und schmale, lange Türme. Die Fassaden bei den Prunkbauten sind sehr aufwändig mit farbigen Mustern verziert und die Räume besitzen große offene Durchgänge die auf weitläufige Balkone führen. In den großen Gärten stolzieren oft Pfauen und andere optisch ansprechende Tiere durch die Anlagen. Der Achmir herrscht in einer Stadt mit absoluter Vollmacht und verlässt praktisch nie seinen Palast. Er besitzt dazu noch einen sehr großen Harem mit einer Auswahl der schönsten Frauen in seinem Herrschaftsgebiet, die teilweise noch im Kindesalter ihren Eltern entrissen wurden. Die Folge von dieser großen Menge an Frauen sind oft dutzende von Kindern, von denen der Achmir eines auswählen muss, um seine Nachfolge anzutreten, wenn er stirbt. Die restlichen Nachkommen bekommen hohe Verwaltungsposten oder werden Hauptmänner in der Stadtgarde. Die meistens Achmire regieren oft mit großer Härte und es gibt regelmäßig Ausschreitungen in den Straßen, die aber meistens von den Soldaten des Palastes niedergeschlagen werden.
Abgesehen von diesen Unruhen geht das Leben in den Städten recht gemächlich voran. Warmes wird hauptsächlich abends gegessen und die Bewohner Achreschs sitzen auf großen, bunten Kissen und nicht auf Stühlen. Die Männer arbeiten, während die Frauen sich um die Kinder und den Haushalt kümmern. In der Freizeit sind Kaffeehäuser sehr beliebt, in denen man dazu noch Wasserpfeife rauchen kann. Das meiste Leben spielt innerhalb der Städte, da der Urwald dazu neigt äußerst schnell und äußerst hart zu töten.
Die Kleidung besteht bei der gewöhnlichen Bevölkerung aus einfacher Wolle. Die Männer tragen weite Hosen und Westen die die Arme freilassen, sowie zu feierlichen Tätigkeiten oder auch aus purem Eitel komplex verschnürte Turbane aus weißen Stoffbändern. Die Reicheren tragen natürlich etwas prächtigere Stoffe und ihre Kleidung ist meistens bunter und mit goldenen Stickereien verziert. Die Turbane hier bestehen aus Seide und sind mit Goldstücken und Federn verziert. Der Achmir trägt außerdem noch eine schwere goldene Kette um den Hals, die seine Stellung symbolisiert. Die Frauen der normalen Mittelschicht tragen lange Röcke und Kopftücher aus weißem Stoff. Außerdem neigen sie dazu ihr Gesicht mit durchsichtigen Seidentüchern, an denen goldene Talismane hängen, zu verschleiern, sofern sie es sich leisten können. Die reicheren Frauen tragen dagegen nur Seide und kennen in dieser Hinsicht auch kein Schamgefühl ihre Körperrundungen besonders hervorzuheben und praktisch alles anzudeuten. In einer Stadt leben gewöhnlich sechzig- bis hunderttausend Menschen.
Das Leben auf Achresch wird seit dem Ende des großen Krieges und auch schon davor von dem Kampf gegen den Urwald bestimmt. Alle paar Monate müssen die Menschen Brände um die Städte legen um den Pflanzenbewuchs wieder zurückzudrängen und die Stadtwachen sind ständig in Alarmbereitschaft, da jederzeit Kreaturen aus dem Wald gekrochen kommen könnten, um über die Stadtmauern zu klettern. Auch die Wege zu den Steinbrüchen und Minen müssen ständig bewacht und alle paar Tage von Gestrüpp befreit werden.
Die Wachen selbst tragen einfache Brustharnische aus viereckigen Metallplatten, halbrunde Helme aus denen ein Zopf aus schwarzem Pferdehaar ragt und runden Knieplatten. Darunter haben sie gelbe Hemden und Hosen am Leib. Als Bewaffnung tragen sie lange Speere, gekrümmte Säbel und runde, verzierte Schilde oder elegant geschwungene Bögen. Sie reiten selten auf Pferden und die Tiere werden sowieso meistens nur für das Ziehen von Karren benutzt.
Da es nie Kriege mit anderen Städten gibt, sind die Stadtwachen recht einfach in Brigaden zu je fünfzig Soldaten und einen Hauptmann organisiert. Sie haben einen recht hohen Sold und dazu leben sie und ihre Familien in gesonderten Bereichen des Palastes. Dies sorgt dafür, dass sie ihrem Achmir äußerst loyal ergeben sind.
Kontakt zwischen den Städten gibt es praktisch nicht, da sie teilweise sehr weit voneinander entfernt liegen. Es gibt aber durchaus Karawanen die zwischen ihnen hin und her pendeln, was ein äußerst gefährliches Unterfangen ist. Man wird durch diese Arbeit zwar reich, aber viele der Händler sterben im Urwald und die Reisen dauern oft Monate. Dazu kommt, dass sie sich immer querfeldein durch den Dschungel schlagen müssen, da es keine Straßen gibt und die Schneisen die sie schlagen Tage später wieder zugewachsen sind.
Die Religion auf Achresch hat eine relativ typische Form. Die Menschen auf dieser Welt glauben, dass ihr Planet von zwei Brüdern erschaffen wurde: Legu und Dagu. Legu besteht aus dem Sternenzelt und hat die Meere und das Land erschaffen indem er weinte und einige Finger von seiner Hand trennte. Sein Bruder Dagu, die Sonne, erschuf dann das Leben aus Dreck und Staub und formte alle Kreaturen und hält sie durch sein helles Scheinen am Leben. Sein Bruder empfand aber, dass die Menschen nicht gut genug für seine Welt waren und stritt sich mit Dagu. Dieser erstach schließlich Legu und seine Wunden bilden die Sterne. Die Monde und Tegal dagegen sind sein geronnenes Blut. Bevor er ganz starb schleuderte Legu aber einen Bruchteil seiner Seele auf Achresch und aus diesem Splitter seiner Selbst wurde der Urwald und seine Kreaturen, die von da an versuchten die verhassten Menschen zu vernichten. Die Seelen der Toten wandern hoch zum Himmel und werden vom hellen Leib Dagus aufgenommen. Deswegen müssen die Leichen auch immer verbrannt werden, damit der Rauch und damit die Seele nach oben steigen können. Es gibt keine großartigen Tempel und Gebetshäuser auf Achresch, aber jede Familie hat zuhause einen kleinen Schrein für Dagu, an dem sie jeden Morgen ein kurzes Gebet zum Dank sprechen müssen. Geheiratet wird auch vor solch einem Schrein, wobei die älteste Person der beiden Familien die Trauung durchführt. Heiratsfähig ist man auf Achresch schon mit zwölf Jahren und die Ehe wird vorher meistens von den Eltern arrangiert. Der Achmir einer Stadt heiratet übrigens so gut wie nie und dies wird auch nicht von ihm verlangt.
Gelehrte und Wissenschaftler gibt es nur wenige, da es in den Städten meistens nur ein paar Schulen gibt und auch in denen wird meistens nur das Grundlegende beigebracht wie Schreiben, Lesen und etwas Mathematik.
Außerhalb der Städte gibt es in den Urwäldern noch einige kleine Stämme, deren Bewohner Jäger und Sammler sind und mit Blasrohren und Giftpfeilen jagen. Die Männer bemalen sich mit natürlichen Farbstoffen aus der Natur und die kleinen Dörfer befinden sich oft auf den Ästen besonders hoher und großer Bäume. Die kleinen Hütten sind mit Strickleitern und schmalen Brücken miteinander verbunden. Sie leben sehr einfach und gehen den Stadtmenschen meistens aus dem Weg. Allerdings kommt es immer wieder mal vor, dass einer ihrer Jäger auf einen Marktplatz auftaucht und seltenes Fleisch gegen Metall oder Brot eintauscht und sie helfen auch grundsätzlich Fremden, wenn diese sie darum bittet.
Schon vor dem großen Krieg war Achresch eine der rückständigsten Welten unter der Herrschaft der Olympias gewesen. Größere Kampfhandlungen spielten sich hier zwar nicht ab, aber da vorher die Kriminalität auch schon sehr hoch war, dauerte es nicht lange bis die Städte in Chaos und Gewalt versanken und schließlich im Laufe der Plünderungen niederbrannten. Die Überlebenden verließen schließlich die Ruinen ihrer alten Metropolen. Sehr viele davon starben im Urwald und der Rest begann kurz darauf mit dem Bau der neuen Städte, die bis heute existieren und einige kleinere Gruppen wurden zu den Stämmen. Sie vergaßen überraschend schnell den großen Krieg und die Olympias und entwickelten nur knapp vierhundert Jahre nach dem Zerfall ihre neue Schöpfungsgeschichte. Die Ruinen der alten Städte befinden sich oft nicht sehr weit von den neuen entfernt, sind aber stark vom Urwald überwuchert.

Tier- und Pflanzenwelt:
Auf Achresch gibt es so viele verschiedene und einzigartige Lebewesen, dass es unmöglich ist, alle aufzuzählen, weswegen nun nur auf die Wichtigsten eingegangen wird.
Da gibt es zum einen den Talis. Diese Kreatur erinnert leicht an einen Lemuren und besitzt dieselben großen Augen, dieselben Ohren und auch eine ähnliche Größe, allerdings gibt es auch einige gravierende Unterschiede. So ist seine Schnauze flacher und die Nase nicht so spitz. Der Schwanz ist länger und dünner und die Farbe seines Fells ist hellblau, mit einem leichten metallischen Schimmer. Die Männchen haben dazu noch einen rötlichen Haarschopf zwischen den Ohren. Sie leben größtenteils auf den Bäumen und verlassen diese nur selten. Sie ernähren sich von Früchten und einigen Blättern und bauen während der Nacht kleine Nester aus Zweigen um in ihnen zu schlafen. Sie sind immer in Gruppen von zwanzig bis fünfzig Tieren unterwegs und verabscheuen es allein zu sein. Sie beschützen sich und lassen nie einen Artgenossen zurück und versuchen ihn auf jede erdenkliche Weise zu retten. Obwohl sie recht klein und schwächlich erscheinen, bereiten sie ihren Jägern oft große Probleme. Sie haben eine enorme Ausdauer und sind sehr schnell und springen bei ihrer Flucht auch noch in wilden Haken hin und her. Dank ihrer großen Augen können sie selbst unter dem dichtesten Blätterdach noch etwas erkennen und schlagen sofort Alarm, falls sie einen Räuber sehen. Zu Menschen sind sie überraschend zutraulich und wenn eine Karawane vorbeikommt, lassen sie sich oft auf den Schultern der Männer ein Stück mittragen. Einige Talisgruppen leben sogar direkt neben den Städten und klettern manchmal über die Mauer um in dem Abfall auf den Straßen nach Essbaren zu suchen oder mit den Kindern zu spielen.
Etwas gefährlicher in dieser Hinsicht ist der Umoch. Dieser Räuber hat einen langen, geschmeidigen Körper der gut zehn Meter lang werden kann und von einer dunkelbraunen, ledrigen Haut mit einem Muster aus grünen Punkten überzogen ist. Auf seinem Rücken befinden sich zwei Reihen scharfer Hörner aus Elfenbein und an seinen Fußgelenken besitzt er mehrere rote Federn, die bei den Männchen ein wenig größer sind als bei den Weibchen. Seine Schnauze ist lang, schmal und mit langen, spitzen Zähnen versehen. Die Augen sind gelb und strahlen eine gefährliche Intelligenz aus. Der Umoch ist vielleicht nicht das gefährlichste und stärkste Raubtier auf Achresch, aber er kommt am häufigsten vor und mit seinen langen Klauen kann er mühelos eine Stadtmauer erklimmen. Dazu kommt noch, dass er niemals ganze Gruppen angreift, sondern nur einzelne Beutetiere aus dem Hinterhalt mit langen, kräftigen Sprüngen tötet. Die Umoch sind gewöhnlich Einzelgänger, doch während der Paarungszeit hört man überall im Urwald die Lockrufe der Männchen um Weibchen anzulocken. Wenn er schließlich eine geeignete Partnerin angelockt hat, versucht er sie mit seinen Federn, die er leicht ausspreizt, zu beeindrucken. Gleichzeitig muss er dann noch den einen oder anderen Konkurrenten verjagen, der sich zu nahe heranwagt. Nach der Paarung geht das Männchen wieder seine Wege und das Weibchen trägt die drei bis vier Jungen allein aus. Danach zieht sie die Kleinen in einem Bau sechs Monate lang auf, bis sie groß genug sind um allein überleben zu können. Viele Tiere, darunter auch andere Räuber, gehen einem Umochbau möglichst weiträumig aus dem Weg, da eine wütende Umochmutter besonders gefährlich ist und dazu neigt den Mörder ihrer Jungen so lange zu verfolgen, bis dieser tot ist.
Der Sefranogah ist ein großer Pflanzenfresser der am Boden lebt. Er besitzt eine rötliche Haut mit etwas Grau darin und an seinen Beinen befinden sich grünliche Streifen aus Fell. Von der Größe her ist er am besten mit dem indischen Elefanten zu vergleichen und sein Körper hat auch einen ähnlichen Umfang. Seine Beine sind aber kürzer und stummelartiger und er hat einen längeren Hals um die Pflanzen am Boden zu erreichen. Er hat vier Wasserblaue Augen die seitlich an dem Birnenförmigen Kopf angeordnet sind. Das Männchen hat dazu noch eine Reihe grüner Hornplatten auf der Nase und ist im Allgemeinen etwas größer als das Weibchen. Sie leben in Herden von dreißig bis hundert Tieren zusammen, als Schutz vor den Raubtieren im Urwald. Auf der Erde wären sie für viele Fleischfresser zu groß um als Beute in Erwägung gezogen zu werden, doch auf Achresch sind sie nicht mehr als Schafe. Das Weibchen kann pro Jahr um die zehn Jungen auf einmal gebären, was auch nötig ist um den Bestand hoch zu halten, da sie zu den Lieblingsbeutetieren auf dieser Welt gehören.
Im Schatten der Sefranogahherden sind immer Gruppen von Deneras. Diese Wesen erinnern stark an Gazellen, sind aber drei Meter hoch und fünf Meter lang. Ihr Fell ist dunkelblau und hat schmale, weiße Streifen. Zwei Reihen langer roter und grüner Federn überziehen ihren gesamten Rücken und verleiht ihnen teilweise etwas Vogelartiges. Wie die Sefranogah haben auch sie vier Augen, die bei ihnen rot gefärbt sind. Auf dem Kopf haben die Männchen lange, gebogene Hörner. Die Weibchen besitzen an den entsprechenden Stellen nur kleine Hornplatten. Sie sind recht friedliche Wesen, die meistens mit schnellen Sprüngen weggaloppieren, wenn es Ärger gibt. Während der Paarungszeit aber sind die Männchen sehr reizbar und greifen jeden an, der sich in ihre Nähe wagt. Die Weibchen können pro Jahr zwei Jungen gebären.
Die Tarnerka ist eine Spinnenart auf Achresch, die sich besonders durch ihre Größe auszeichnen. Sie können gerne mal eine Länge von einem Meter erreichen und sind auf kurzen Strecken schneller als ein Rennpferd. Ihr stachliges Fell ist rot und schwarz gemustert und von der Statur her erinnern sie an Sprungspinnen oder Taranteln. Sie leben in langen, schmalen Schluchten und spinnen dort in großen Ritzen, Höhlen oder Vorsprüngen ihre Netze in der sie Beutetiere bis zum Verzehr einlagern. Sie jagen aktiv andere Lebewesen und warten nicht erst darauf, bis irgendwas voreikommt. Ihr Gift kann einen Menschen binnen einer Minute töten und auch die Sefranogah leben nicht länger als drei Minuten nach einem Biss. In einer Schlucht können bis zu dreihundert Tarnerkas leben und nichts was versehentlich in ihre Nester stolpert überlebt länger als fünf Sekunden. Auch ist bei ihnen ist es üblich, dass die wesentlich größeren Weibchen die kleineren Männchen nach der Paarung auffressen. Sie legen bis zu hundert Eier, doch meisten überstehen nur zwei oder drei der Jungtiere das erste Jahr, da viele der kleinen Tarnerkas von diesem oder jenem Raubtier oder von der eigenen Verwandtschaft verspeist werden.
Sehr selten, aber sehr gefährlich, ist der Narmah. Dieses riesige Raubtier kann, wenn es sich auf seine zwei Hinterbeine aufrichtet, eine Höhe von fünfzig Metern erreichen und ist damit eines der größten Lebewesen in den Sphären. Seine ledrige Haut hat eine helle, blaue Farbe und an den Gelenken und auf dem Rücken besitzt er große Federn die grün oder gelb sein können. Unter seinem breiten, flachen Maul hat er einen roten Bart, den man auch bei manchen Fischarten sieht. Zwischen seinen spitzen Ohren hat er eine Reihe bunter Hornplatten, die durchaus schöne Muster ergeben können. Seine riesigen Klauen mit drei langen Krallen können einen Sefranogah wie ein Schwert in mehrere Teile säbeln und sein langer, gefiederter Schwanz kann ganze Reihen junger Bäume abholzen, wenn er ihn schwingt. Wegen seiner monströsen Größe braucht er extrem viel Nahrung. Meistens isst er junge Äste oder die Blätter größerer Bodenpflanzen. Aber ab und zu benötigt er auch Fleisch und in dieser Hinsicht sind ihm keine Grenzen gesetzt. Er hat keine natürlichen Feinde auf Achresch und somit ist jedes Lebewesen auf seinen Speiseplan. Dazu kommt noch, dass er sehr reizbar ist und sehr schnell in Raserei verfällt und alles in seiner Nähe verwüstet. Wenn ein Narmah mal zufällig über eine Stadt stolpert ist meistens eine komplette Verwüstung die Folge und oft dauert es mehrere Jahre bis alles wieder aufgebaut wurde. Die größte Zeit seines Lebens bewegt er sich auf allen vieren, doch er ist auch in der Lage, wenn er sich an einem Baum oder einem großen Felsen abstützt, sich auf die Hinterbeine zu stemmen und so seine Umgebung aus größerer Höhe zu betrachten. Der Narmah ist ein Zwitter und somit gibt es bei ihnen keine getrennten Geschlechter und so müssen sich nur zwei Exemplare von ihnen begegnen um sich zu paaren. Sie legen vier Monate später zwei Eier, die jeweils in etwa so schwer sind wie ein Elefant und deren Schale die Härte von Stahl besitzen.
In der Luft findet man neben diversen kleinen, bunten Vögeln und Papageien auch den Venocha. Dieses Tier hat ein hellgrünes Gefieder in dem auch einige rote Punkte enthalten sind. Der lange, dünne Schnabel ist schwarz und die Augen sind gelb umrandet. Sie sind zwei Meter lang und können eine Spannweite von sieben Metern erreichen. Sie leben meistens in der Nähe großer Seen und Flüsse und jagen die dortigen Fische im Wasser. Die Männchen haben einen Kamm großer, roter Federn auf den Kopf, mit dem sie die Weibchen während der Paarungszeit beeindrucken wollen. Diese legen vier Wochen später dann fünf oder sechs Eier in geschützten Nestern.
Der Kamerosch ist das größte, flugfähige Tier auf Achresch. Nur sein Schwanz, die Außenkanten seiner Flügel, sein Rücken und seine obere Kopfpartie sind mit türkisenen und schwarzen Federn bedeckt. Die freie Haut ist rostrot. Er besitzt keinen Schnabel, sondern ein eckiges Maul mit Reihen kleiner Zähne. Die Weibchen sind gewöhnlich um ein Viertel größer als die Männchen und können eine Länge von neun Metern und eine Spannweite von zwanzig Metern erreichen. Sie legen bis zu fünf Eier. Zu ihrer Beute gehören zum einen der Venocha und auch diverse Landtiere wie der Deneras oder Wildpferde. Menschen greifen sie aber nicht an, da diese ihnen schwer im Magen liegen.
Besonders außergewöhnlich ist der Uronea. Dieses Wesen lebt gewöhnlich im Wasser und hat strahlend blaue Schuppen und einen kleinen Schnabel, mit dem er Fische jagt. Sein Körper ist stromlinienförmig gebaut, sodass er große Geschwindigkeiten erreichen kann. Er hat vier breite, fast durchsichtige Flossen mit denen er gut navigieren kann. Seine Heckflosse ist sehr lang und ebenfalls äußerst dünn. Das Besondere an dem Uronea ist seine Fähigkeit sich aus dem Wasser zu katapultieren und mit Hilfe seiner Flossen eine Weile durch die Luft zu schweben. Lange können sie dies aber nicht tun, obwohl sie auch in der Lage sind normale Luft zu atmen. Es kostet ihnen einfach sehr viel Kraft. Allerdings macht es ihnen Spaß Rollen durch die Luft zu drehen oder Saltos zu fliegen. Außerdem bereichert der ein oder andere Vogel ihren Speiseplan bestens. Ihre Fähigkeit zu fliegen verdanken sie ihrem sehr leichten Skelett und ihrer enormen Kraft wie Raketen aus dem Wasser zu schießen. Große Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen gibt es nicht. Das Weibchen kann pro Jahr zwei Jungen zur Welt bringen. Eier legen sie dabei nicht. Ähnlich wie Delphine sind die Uronea sehr zutraulich zu Menschen und helfen auch Fischern, deren Boote gekentert sind, zurück an Land.
Die wichtigste Pflanze auf Achresch ist der Zaherochbaum. Er kann eine Höhe von hundertfünfzig und eine Breite von siebzig Metern erreichen. Viele seiner Wurzeln ragen aus dem Boden und bilden große Bögen, Brücken oder Spiralen. In seinem dichten Geäst wachsen die Zaherochfrüchte, die eine wichtige Nahrungsquelle für viele Tiere darstellen. Unzählige Kletterpflanzen klammern sich an seinem Stamm fest oder fallen wie eine Liliane von seinen Ästen herunter.
Recht raffiniert ist die Remapflanze. Sie besteht aus einem Kreis spitzer Blätter, aus dessen Mitte ein gut zwei Meter langer und sehr dünner Trichter ragt, der sich träge bewegt. Der Trichter ist hellbraun und hat einen harten, natürlichen Panzer. Die Pflanzte wirkt recht harmlos, doch wenn man ihr zu nah kommt, richtet sich der Trichter auf einen und schießt eine spitze Sporenkapsel auf einen ab, die sich tief in die Hau bohrt. Die enthaltenden Samen schütten Stoffe aus, die einem zwingen immer weiter zu gehen, während sie in dem Körper Wurzeln schlagen und einen langsam von innen heraus auffressen. Irgendwann bricht man schließlich zusammen und die Wurzeln bohren sich durch das Fleisch in den Boden und eine neue Remapflanze wächst heran. So findet man immer unter deren Wurzeln ein Skelett von irgendeinem Lebewesen. Tiere die befallene Leichen essen, erleiden oft dasselbe Schicksal. Aufspüren tut die Remapflanze ihre Beute mithilfe von Wärmesensoren in den Blättern.
Weit verbreitet ist auch das Sternenmoos. Am Tag wirken die hellgrünen Flechten zwar völlig uninteressant, aber in der Nacht geben sie ein helles, blaues Leuchten von sich, das in manchen Gebieten oft die gesamte Region erhellt.
Dies war nur eine kurze Liste der wichtigsten Lebewesen auf Achresch. Es gibt natürlich ein paar mehr wie zum Beispiel einige große Ameisenarten deren Kolonnen Menschen innerhalb von Sekunden zerfressen oder Pflanzen deren riesige Blätter ein Sekret absondert, das alle Lebewesen die auf ihnen liegen auflösen.

Syratquelle:
Ein gewöhnliches Machtzentrum, das leicht außerhalb der Wirklichkeit von Achresch liegt. Die Bewohner dieser Welt wissen nichts von dessen Existenz und haben dementsprechend keinen Namen dafür. Die ausgestrahlte Energie vom Machtzentrum wirkt sich größtenteils auf die Gravitation aus, sodass Achresch eine erdähnliche Schwerkraft hat und auch die Rotation wird so stark verlangsamt, sodass der Tag auch vierundzwanzig Stunden besitzt. Ein weiterer Effekt ist das Aufhalten von Ebbe und Flut, die sonst wegen der vielen Monde recht chaotisch ablaufen würden. Die Syratquelle verhindert auch, dass einige der dichtesten Monde auf den Planeten herabstürzen Die Menschen können nicht auf das Machtzentrum zugreifen.

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Ende des Artikels.


Schönheit und Tot.
Nie kann der Mensch etwas erschaffen, das diese beiden Dinge so perfekt miteinander vereint wie die Natur.



Welt Achresch.
Es war selbst für die hiesigen Verhältnisse ein besonders heißer Tag und auch die Luftfeuchtigkeit brachte einen praktisch um. Man hatte das Gefühl langsam gekocht zu werden und jede Bewegung wurde träge und kostete doppelt so viel Kraft. Um diese unangenehme Liste dann auch noch abzurunden kamen natürlich noch die obligatorischen Moskitos und Stechfliegen dazu.
Mit einem leisen Fluch wischte sich Ian erneut den Schweiß von der Stirn, während er sein Packpferd in Richtung Stadttor dirigierte.
Obwohl er schon seit so langer Zeit hier war, konnte er sich einfach nicht an das tropische Klima gewöhnen. Er kam zwar durchaus mit der Hitze etwas besser zurecht, besonders da seine Haut inzwischen fast genauso gebräunt war, wie die der Einheimischen, aber diese Feuchtigkeit gab ihm immer wieder den Rest. Eine weitere Mücke schwirrte heran, die er aber mit wilden Fuchteln seiner Hand verscheuchte.
Die Karawane mit der er reiste, umfasste etwa zwanzig Männer und fünfzehn Packpferde und damit waren sie eine der Größten in dieser Gegend.
Sie waren fast zwei Monate unterwegs gewesen und hatten sich wie so viele Male zuvor durch die Botanik gekämpft. Doch jetzt waren sie endlich angekommen und am liebsten würde er vor Dankbarkeit auf die Knie fallen. Die Straße auf der sie gerade schritten, verband die Stadt mit einem nahen Steinbruch und so waren mehrere vollbeladene Ochsenkarren und Patrouillen von Stadtwächtern ebenfalls unterwegs, was den Verkehr entsprechend etwas in die Länge zog. An dem Rand des ausgetretenen Weges wucherten die Pflanzen des Urwaldes, doch so nahe an der Stadtmauer gab wenigstens keine Zaherochbäume, sodass sie wieder die Sonne und einige der kleinen Monde sehen konnten.
>>Ich hab dir doch gesagt, dass wir Dekahai noch vor den Mittag erreichen, nicht wahr Ian?<<, sagte Samir Gesch und trat mit einem erfreuten Grinsen neben Ian. Er war der Karawanenführer und zog momentan kein Packpferd hinter sich her. Sein Körper war klein aber kräftig gebaut und bewies damit seine natürliche Zähigkeit. Sein Gesicht wurde von einer Knollennase und braunen, wässrigen Augen dominiert. Sein schwarzes, schulterlanges Haar war unter seinem weißen Turban versteckt. Dazu trug er ein braunes Hemd und eine teure rote Weste darüber, sowie eine weiße, breite Hose die im typischen Stil von Achresch geschnitten war.
Auch mit der hiesigen Mode hatte sich Ian nie anfreunden können und so hatte er sich Kleidung anfertigen lassen, an die er eher gewöhnt war. So trug er nur ein weißes Hemd und eine etwas enger anliegende braune Hose, die nicht so aufgeplustert wirkte. Anstatt eines Turbans begnügte er sich mit einem Strohhut. Quer über seine Brust und seinen Rücken lief ein Lederriemen entlang, an dem seine Armbrust hing. Diese Waffe war auf Achresch unbekannt und so sorgte sie immer wieder für großes Staunen wenn er sie herumzeigte. An seinem Gürtel hatte er einen gebogenen Dolch in einer Scheide stecken und dessen Klinge schmal und verziert war. Um seinen Hals hing eine Kette an der die goldene Stange hing.
>>Ich habe nie behauptet, dass wir es nicht schaffen könnten<<, entgegnete er mit knurrender Stimme ohne seinen Freund anzusehen, >>ich habe nur vorhin einmal kurz erwähnt, dass wir schon etwas Glück bräuchten, um es bis zum Mittag zu schaffen. Mehr hab ich nicht gesagt.<<
>>Du hast mal wieder schlechte Laune, oder?<<, seufzte Samir und schüttelte leicht bedauernd den Kopf, >>ist ja bei dir nichts neues. Kannst nicht einmal lächeln? Immerhin haben wir ja endlich die Stadt erreicht.<<
>>Nein<<, war Ians knappe Antwort und er beschleunigte sein Tempo und ließ seinen Freund so etwas zurück. Inzwischen waren in sie in der gerodeten Zone, wo der Boden noch schwarz und warm vom letzten gelegten Feuer war. In ein paar Wochen musste die Prozedur dann wiederholt werden, da die Pflanzen unglaublich schnell wuchsen.
Es viel ihm bereits seit einiger Zeit – oder genauer gesagt, einigen Jahrzehnten – schwer so etwas wie gute Laune zu empfinden und dafür gab es einen einfachen Grund: Er hatte es einfach satt. Es war inzwischen fast einhundert Jahre hier, seitdem er auf dieser Welt gelandet war und fast während diesem gesamten Zeitraums vegetierte er schleppend und ohne jede Perspektive vor sich hin.
Damals, als er so urplötzlich von den kalten Fluten des Atlantiks auf den warmen Boden von Achresch gelandet war, hatte er zuerst angenommen er wäre gestorben und dies wäre das Jenseits, doch inzwischen hatte er eine andere Theorie. Er war einfach irgendwie auf einen anderen Planeten mit völlig anderen Bedingungen als auf der Erde gekommen. Wo genau sich Achresch befand konnte er natürlich nicht sagen, doch er war auf jeden Fall nicht tot, dafür gab es hier zu viele Gemeinsamkeiten mit der Erde, besonders wenn es um die Menschen ging.
Er hatte damals bei seiner Ankunft Glück gehabt, da er nicht in der Nähe eines Umochs oder eines anderen Raubtieres gelandet war, sondern nicht weit entfernt von einer Karawane, die ihn völlig orientierungslos durch den Urwald stolpernd gefunden hatte. Da er eine völlig andere Hautfarbe und Gesichtszüge besaß, als alles was sie kannten, hatten sie ihn zuerst mit Vorsicht behandelt. Aber immerhin hatten sie ihn mitgenommen.
Die Kommunikation war am Anfang alles andere als einfach gewesen, da sie keine englischen Sprachkenntnisse besaßen und er ihr merkwürdiges Kauderwelsch nichts verstehen konnte. Es hatte ihn fast zehn Jahre gekostet, bis er es geschafft hatte die hiesige Sprache in Achresch, sowie zahllose Dialekte, zu lernen und bis heute haftet ihm noch ein gewisser Akzent an.
Da er damals keine große Wahl gehabt hatte blieb er bei der Karawane, die ihm neben der Sprache auch sonst alles Wichtige über Achresch beibrachten. Nach zwei Jahrzehnten des Umherziehend und als die ersten der noch nicht vom Urwald getöteten Karawanenmitglieder sich in den Ruhestand begaben, wurde ihm auch langsam klar, dass er aufgehört hatte zu altern. Sein Körper hatte sich, von der Bräunung mal abgesehen, praktisch nicht verändert und auch Wunden schienen bei ihm schneller zu heilen und ließen keine Narben zurück. Krank war er in all der Zeit auch kein einziges Mal gewesen. Er gab sich natürlich nicht der Illusion hin er wäre unsterblich und er war sich sicher, dass ein Schwertstich ins Herz oder die Klaue eines Umoch ihn durchaus töten konnten, aber er war definitiv widerstandsfähiger als die meisten anderen Menschen.
Schließlich verließ er die damalige Karawane und lebte für zehn Jahre in einer Stadt deren Name er bis heute nicht aussprechen konnte und übte dort verschiedene Berufe aus. Schließlich aber entschied er sich wieder ins Händlergeschäft zu gehen, da er kein Interesse hatte die Ewigkeit an nur einem Ort zu verbringen. Seitdem pendelte er bei verschieden Karawanen zwischen allen möglichen Städten hin und her. Er wechselte dabei immer rechtzeitig zu einem anderen Arbeitssuchenden, bevor den Menschen auffiel, dass seine Haute keine einzige neue Falte bekam. So landete er vor gut vier Jahren bei Samir.
Eigentlich sollte ein langes Leben etwas wunderbares sein, aber Ian hatte schnell gemerkt, dass die Wahrheit um einiges bitterer war und dass diese Hölle namens Achresch nicht der beste Ort darstellte um die Jahrhunderte zu verbringen.
Wie gesagt: Inzwischen hatte er es satt. Er hatte einfach zu viel gesehen und erlebt und zwar ohne einen bestimmten Zweck. Wenn man zusieht wie gute Freunde älter werden und sterben, ohne dass einem das Gleiche passiert, wächst durchaus ein gewisser Frust in einem heran, gepaart mit etwas Verzweiflung. Was ihm im Grunde fehlte war der Sinn von all dem hier, der Grund warum er noch existierte.
Seine Seele hatte sich in einen dunklen Abgrund verwandelt, in dem zahlloser dieser Gedankengänge heranreiften, doch der Gedanke an Selbstmord war ihm nie gekommen. Seine Persönlichkeit ließ so eine Tat nicht zu und außerdem war sein Lebenswillen noch nicht vollkommen erloschen. Außerdem hatte er den Suizid von anderen Menschen oft genug mit angesehen um der festen Meinung zu sein, dass diese Art zu sterben einfach zu jämmerlich und feige war.
Und so lebte er also weiter und weiter..
Sie erreichten das Stadttor, wo sie kurz von einigen Wachen aufgehalten wurden die Speere und Schilde trugen. Man besah sich ihre Waren, schrieb ihre Namen auf, erhob noch etwas Zoll und ließ sie dann passieren.
Die misstrauischen Blicke der Männer spürte Ian noch einige Hundert Meter entfernt. Auch das war typisch. Egal wo er hinging, er fiel immer auf. Dafür unterschied er sich mit seinem fremden Gesichtszügen und dem hellbraunes Haar einfach zu sehr von allen anderen Menschen auf dieser Welt. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt und beachtete die staunenden, überraschten oder verächtlichen Augen nicht die sich immer auf ihn richteten. Trotzdem konnte er es natürlich nicht vermeiden manchmal in Prügeleien mit besonders bösartigen Artgenossen verwickelt zu werden, die dem Fremdling unbedingt eine Lektion erteilen wollten, nur weil er anders war. Menschliches Verhalten war wirklich überall gleich, ganz egal wo man hinging.
Nun waren sie in dem Teil der Siedlung angelangt wo die Felder bewirtschaftet wurden und die großen Ställe für die Zuchttiere lagen. Entlang der Straße wogte Weizen und andere nahrhaften Pflanzen, während schwitzende Bauern mit Sicheln und Sensen ihre Arbeit verrichteten. Weitere Karren, diesmal beladen mit Lebensmittel, begleiteten sie nun und auch Arbeiter die von einer Pause kamen oder gerade eine antraten, wanderten nun die Straße entlang. Auch einige Kinder spielten hier und natürlich gab es die ständig präsenten Stadtwachen, die entweder gelangweilt herumschlenderten oder an festen Posten vor sich hin dösten. Es wäre allerdings an dieser Stelle ein Fehler zu unterstellen, dass sie faul wären. Sie hatten einfach nichts zu tun, doch wenn irgendetwas passierte, konnten diese Männer äußerst schnell und brutal reagieren.
Wegen des dichteren Verkehrs hat sich ihre Geschwindigkeit noch ein wenig gedrosselt und die Karawane musste nun auch aufpassen wegen der vielen Menschen nicht auseinandergedrängt zu werden.
>>Wie es aussieht ist die Ernte dieses Jahr hier recht gut ausgefallen<<, sagte Samir der wieder zu Ian aufgeschlossen war und die prachtvollen Felder besah die geradezu überquellten, >>das ist gut. So können wir hier relativ billig etwas Weizen und Gemüse kaufen. Außerdem könnten wir ein paar Eisenwaren mitnehmen, da die Nachfrage danach in anderen Städten stark gestiegen ist…<< Wie sonst auch begann er mit einem spontanen Vortrag über die aktuelle ökonomische Lage in allen Städten des Kontinents und zwar ohne es selbst zu bemerken. Das war typisch für Samir. Wenn er sich nicht gerade in einem Bordell herumtrieb, wo er ausschließlich die Nächte in einer Stadt verbrachte, dachte er praktisch die gesamte Zeit an das Geschäft und überlegte ständig neue Routen, die sie nehmen konnten und welche Waren sie momentan wo kaufen oder verkaufen könnten. Er gehörte wahrscheinlich zu den erfolgreichsten Karawanenführer auf Achresch und er neigte dazu äußerst wählerisch zu sein, wenn es um die Mitglieder seiner Gruppe ging. Ian hatte allerdings damals keine großen Probleme gehabt bei ihm anzuheuern. Es zahlte sich eben durchaus aus eine hundertjährige Erfahrung zu besitzen und da er seine Aufgaben fast immer perfekt ausführte, war es auch nicht schwer gewesen Samirs Freundschaft zu gewinnen.
Während des recht einseitigen Gesprächs, das immer mehr einem Monolog glich, beschränkte sich Ian auf ein gelegentliches, zustimmendes Nicken und blickte zur eigentlichen Stadt hinüber.
Dekahai war eine mehr als nur typische Stadt für Achresch. Eine Staubglocke lag über den dichten Häuserreihen, bei denen viele Gebäude zwiebelförmige Kuppeln besaßen und deren Mauern aus gelbem Sandstein bestanden. Das geschäftige Summen von unzähligen Geräuschen die zu einem einzigen verschmolzen waren drang herüber. Die Stadt war auf mehreren Hügeln erbaut und auf dem größten davon thronte der gigantische Palast der aus einem zentralen Gebäudestück mit einer besonders mächtigen, bronzefarbigen Kuppel und zahllosen kleineren Anbauten und schmalen Türmen bestand. Viele der Wände und Fassaden waren farbig bemalt und verziert und zeigten deutlich die Dekadenz des Herrschergeschlechts.
Ian war bereits zweimal dem Achmir einer Stadt begegnet und nach beiden Malen war er zum einen recht angewidert und zum anderen froh gewesen noch am Leben zu sein. Diese arroganten Bastarde erinnerten ihn sehr stark an gewisse Adlige aus seiner alten Heimat, die nur an ihr eigenes Wohl dachten und ihr Volk gewissermaßen als Eigentum betrachteten. Es gab natürlich Ausnahmen, wie sonst überall auch, doch die meisten Achmire waren ganz einfach gesagt Arschlöcher und dies war noch eine relativ nette Bezeichnung für sie.
Hinter der Stadt konnte Ian auch das Glitzern eines großen Sees erkennen, auf dem einige schmale Fischerboote in den seichten Wellen schaukelten und über dem zwei oder drei große Kamerosche kreisten und nach Beute Ausschau hielten.
Sie brauchten gut eine halbe Stunde um das Tor zur eigentlichen Stadt zu erreichen und sie konnten von Glück sagen, dass einer der Karren vor ihnen nicht ein Rad verloren hatte oder das Geschirr abgerissen war und so die ganze Straße blockiert hätte. Die Mauer hier war etwas größer und dicker als der äußere Wall und besaß auch höhere Türme auf denen Bogenschützen auf die Leute hinabblickten. Auch das Torhaus war robuster und besaß auch einige einfache Verzierungen an den Rändern und um die Schießscharten herum.
Die Wächter hier waren mit Schwertern und Schilden bewaffnet und durchsuchten nicht mehr jeden Einreisenden. Sie waren nur hier, falls es einem gefährlichen Wesen aus dem Dschungel gelang bis hierher vorzudringen.
Sobald sie auch durch dieses Tor waren, befanden sie sich nun endgültig in Dekahai. Ab jetzt war ein Vorankommen in den engen Straßen fast unmöglich, da nun Tausende unterwegs waren und nicht mehr ein paar hundert Arbeiter, Bauern und Wächter. Verhüllte Frauen die Wasen auf den Köpfen trugen, Banden von Kindern unterschiedlichen Alters die Blödsinn machten, Rumtreiber und zahllose andere Gestalten füllten die Häuserschluchten aus. Einige Katzen und Hunde streunten herum und von den Balkonen der prachtvollen Villen der reicheren Bevölkerung blickten die gewagt gekleideten Frauen interessiert herunter und beobachteten das gesamte Treiben.
Nun musste man teilweise beginnen den Ellenbogen zu benutzen um vorwärts zu kommen. Mehrere Passanten wandten sich mit großen Augen Ian zu, doch er ignorierte sie wie immer.
Samir führte sie direkt zum größten der drei Marktplätze der Stadt und versammelte die Karawane auf eine relativ freie Stelle. Unzählige Stände von Händlern befanden sich hier, teilweise mit bunten Tüchern als Überdachung, und boten lautstark praktisch alles an, was man verkaufen konnte und nicht größer als ein Deneras war. Mit diesen kleinen Leuten gab sich Samir allerdings nicht ab, sondern hatte eher die größeren Gebäude am Rande des Platzes im Blick, die den wohlhabenden Kaufleuten gehörten und als Lagerhäuser und Orte zur Abwicklung von Geschäfte genutzt wurden. Dort flossen die größten Geldsummen der Stadt und nur dort konnte man Reich werden - zumindest auf legalem Weg.
>>So, dann sehe ich mal zu, dass ich diesen Kram loswerde<<, seufzte Samir und rieb sich seine Beine. Er gehörte nicht zu den Leuten die gern Pause machten, selbst wenn man kurz davor war tot umzufallen, sondern erledigte alles in einem Rutsch, ohne zeitliche Zwischenräume darin. >>Willst du mich vielleicht dabei behilflich sein, Ian?<<
>>Vielleicht morgen<<, antwortete dieser und wischte sich erneut den Schweiß weg, >>heute bin ich einfach zu erschöpft wegen dieser verdammten Hitze. Außerdem weißt du ja wie ich es hasse, mich mit diesen Kaufleuten einzulassen die ihre eigne Mutter verkaufen würden, wenn der Gewinn hoch genug wäre.<<
>>Du kannst aber gut mit ihnen umgehen<<, erwiderte Samir mit einem müden Lächeln, >>mit deiner Hilfe hab ich ihnen oft genug zusätzliches Gold aus den Taschen gezogen, aber ich weiß was du meinst. Du hast sowieso schon all deine Aufgaben erfüllt, also brauchst du auch nicht mitzukommen. Hier.<< Er öffnete einen robust wirkenden Lederbeutel an seinem Gürtel und holte mehrere Goldstücke hervor. >>Dein Lohn. Such dir schon einmal eine Unterkunft und vergnüge dich ein wenig, du hast es dir verdient. Komm heute Abend wieder hierher, damit wir alles notwendige besprechen können.<<
Mit einem dankbaren Nicken nahm Ian das Geld – das auf Achresch keinen festen Namen hatte und wo sich die Münzen in jeder Stadt unterschieden – und verließ den lärmenden Marktplatz.
Vor zwei Jahrzehnten war er schon einmal in dieser Stadt gewesen und er konnte sich vage an eine recht bequeme Herberge erinnern und er frage sich ob es sie noch gab.
Er wusste im ungefähren noch wo sie sich befand und im Grunde sollte sie nicht sehr weit vom Marktplatz entfernt sein, doch er nahm absichtlich einen weiten Umweg. Er hätte zwar auch eine schnellere Strecke nehmen können, doch dafür hätte er durch die engen Gassen der Stadt gehen müssen und dort wäre es sehr wahrscheinlich, dass ihm irgendein Räuber oder Wahnsinniger mit einem Messer angriff und außerdem wurden diese Regionen nicht wie die großen Straßen regelmäßig gereinigt und so hätte er auch knietief durch menschliche und tierische Fäkalien waten müssen.
Er kam an einer Gruppe Bettler vorbei die auf dreckigen Strohmatten hockten und ihn verzweifelt um etwas Geld oder Essen baten. Ohne die zerlumpten Gestalten zu beachten ging er weiter, wich einer Gruppe sich prügelnder Jugendlicher aus, schubste eine verträumt wirkende Frau mit einem Wasserkrug zur Seite die den Weg blockierte und blieb dann stehen um sich kurz zu orientieren. Wieso mussten alle Städte auf Achresch sich so verdammt ähnlich sehen? Er hatte sich in der Vergangenheit oft verirrt, nur weil er kurz geglaubt hatte er wäre nicht in dieser sondern in jener Metropole gewesen.
Stände gab es hier nicht, da die Käufe und Verkäufe grundsätzlich auf den Marktplätzen abgewickelt wurden. Einige bunte Gestalten flitzen über eines der Dächer und Ian glaubte einige Talis erkannt zu haben, die sich auf der Suche nach Nahrung oder den Streichelein einiger Kinder in die Stadt geschlichen haben.
Im nächsten Augenblick bemerkte er, dass er die goldene Stange um seinen Hals erneut mit der Faust eingeschlossen hatte und er ließ sie mit einer ärgerlichen Bewegung wieder los.
Es stand außer Frage, dass dieses Ding, was auch immer es war, ihn damals hierher gebracht hatte und wahrscheinlich auch für sein langes Leben verantwortlich war. Er wusste nicht so recht ob er dieses im Grunde unscheinbares Objekt lieben oder hassen sollte. Zum einen verdankte er es ihm damals nicht ertrunken zu sein, doch auf der anderen Seite war das Leben auf Achresch auch nicht besonders angenehm, besonders wenn einem das Älterwerden und sterben nicht vergönnt war.
Er hatte ein paar Mal überlegt ob er dieses Artefakt verkaufen oder weggeben sollte, sich aber am Ende immer dagegen entschieden, da es gewissermaßen das letzte Erinnerungsstück an die Erde war. Außerdem hatte er es vor sechzig Jahren einmal kurzzeitig verloren und anschließend hat ihn ein solch starker Drang danach ergriffen, dass er wie ein Wahnsinniger danach gesucht hatte. Interessanteweise hatte er damals genau gewusst wo er lang musste und wie weit es in etwa entfernt war. Schließlich fand er es bei einem schmierigen Straßendieb, dem er seinen Säbel in das Herz gerammt hatte. Damals war zweifelfrei festgestellt orden, dass er an dieses Artefakt gekoppelt war und dementsprechend passte er auch darauf auf.
Er irrte sich einmal in der Straße, doch schließlich fand er die Herberge wieder. Der Mann der das Gebäude damals betrieben hatte, war inzwischen gestorben, aber seine Tochter und ihr Ehemann hatten den Betrieb übernommen. Sie waren überraschend zuvorkommend, trotz seines ungewöhnlichen Äußeren, und gaben ihn, ohne lange über einen Preis diskutierend, ein Zimmer.
Die Herbergen hier auf Achresch funktionierten anders als diejenigen im Europa auf der Erde. Hier hatten sie wirklich nur den Zweck zur Übernachtung und besaßen keine Kneipe im Untergeschoss wo sich Männer jeden Abend halb zu Tode soffen. Alkohol war sowieso sehr schwer zu kriegen auf Achresch und kostete Unsummen, sodass Ian inzwischen seit fast siebzig Jahren keinen Tropfen mehr zu sich genommen hatte. Man bekam sowieso selten genug Gesöff zusammen, um einen richtigen Rausch zu bekommen, also lohnte sich die Investition nicht.
Wenn man hier Gesellschaft genießen wollte ging man in ein Kaffeehaus, wo man dazu noch diverse Wasserpfeifen genießen konnte.
Es überraschte Ian immer wieder wie sehr die Kultur hier, derjenigen der Araber in seiner alten Heimat ähnelte. Er hat zwar auf der Erde niemals den Orient besucht, aber von anderen Matrosen genug darüber gehört, wenn auch mit einigen Übertreibungen und so einige Details unterscheiden sich dennoch recht stark. Aber man musste zugeben, dass gewisse Gemeinsamkeiten vorhanden waren.
Nachdem er seine Reisetasche in das Zimmer verstaut hatte, verließ er die Gaststätte wieder – die Armbrust und seinen Säbel behielt er, da es äußerst dumm sein konnte in einer großen Stadt unbewaffnet herumzulaufen – und besuchte eines der erwähnten Kaffeehäuser. Es war ausschließlich Männern vorbehalten und war brechend voll. Trotzdem fand er ein freies Sitzkissen in einer Ecke und bestellte etwas Tee, da er den schweren, schwarzen Kaffee bis heute nicht herunterbekam und verfiel allmählich mit seinen Nachbarn in ein Gespräch.
Die meisten hier waren Arbeiter und Bauern und vielleicht ein, zwei Händler. Sie redeten über die typischen Themen: Neuigkeiten von anderen Städten, den Dschungel, die neuste Frau im Harem des Achmirs und die Arbeit.
Ian blieb ungefähr zwei Stunden, rauchte etwas Wasserpfeife und schlenderte dann etwas durch die Straßen. Er wurde dabei von zwei Wächtern angehalten, da er ihnen wegen seines Äußeren verdächtig erschienen war. Da er auch dies zu genüge kannte, schaffte er es auch diesmal mit ihnen ins Gerede zu kommen. Sie begannen nach einer Weile lautstark über ihren Hauptmann zu lästerten und an am Ende entließen sie ihn freundlich und klopften ihm dabei, wie einen Kameraden nach einer langen Nachtschicht, auf die Schulter.
Nach dieser kurzen Begegnung wandte er sich den undurchschaubaren Teil der Stadt zu, also den dunklen Seitengassen in denen man, wie erwähnt, nicht zu tief eintauchen sollte. Er besorgte sich dort von einem schmierigen Händler etwas Salesh und kehrte anschließend zum Markplatz zurück, da bereits der Abend dämmerte.
Samir erwartete ihn bereits. >>Ich habe die Pferde und die Waren in ein Lagerhaus verstaut<<, fing er an, kaum dass Ian in Hörweite war, >>die meisten der Männer sind bereits weg. Einen Teil des Transports konnte ich bereits verkaufen und der Rest ist in zwei, höchstens drei Tagen verscherbelt. Ich hab bereits ein hübsches Sümmchen bekommen. Es war eine gute Idee gewesen hierher zukommen.<<
>>Freu mich zu hören<<, sagte Ian mit einem kurzen Lächeln. Es war wirklich gut zu hören, dass sie etwas Umsatz gemacht hatten, denn anders als man erwarten könnte, hatte er in den letzten Jahrhundert kein Vermögen angehäuft. Es gab hier keine Banken und wegen der sehr langen Zeiträume zwischen seinen Reisen wäre es sowieso sinnlos das Geld irgendwo zu lagern. Also blieb einem keine andere Wahl als sein gesamtes Geld mit sich herumzutragen und hätte er in all der Zeit gespart, müsste er heute mehrere Pferde zum Transport benutzen. Natürlich hatte er auch einige Reserven bei sich, von denen er im Notfall einige Zeit lang überleben konnte, aber es war immer noch besser mit Samirs Gewinn zu leben. >>Wann brechen wir wieder auf?<<
>>Ich plane in mindestens einer Woche wieder loszugehen, ich wüsste auch schon im ungefähren wo unser nächstes Ziel sein könnte.<< Der gute Samir hatte eine kleine Macke und die bestand darin niemals irgendwo länger als einen Monat zu verweilen. Schon als Kind hatte er sich an den Rändern des Dschungels herumgetrieben, auf die Gefahr hin von einem Umoch zerfetzt zu werden, nur um seine Entdeckungsfreude zu befriedigen. Selbst seine Spielkameraden hatten ihn damals für verrückt gehalten, da er immer weiter gehen wollte als die anderen. Dieser Drang zum reisen hatte bis heute nicht nachgelassen und als er alt genug gewesen war, hatte er sich sofort der nächsten Karawane angeschlossen und seitdem besaß er keinen festen Wohnsitz mehr. Damals war er siebzehn gewesen und ungefähr zehn Jahre später hatte Samir genug Geld verdient, um seine eigene Karawane zu gründen. Seitdem pendelte er zwischen fünfzehn Städte hin und her, wobei er die Routen ständig änderte, umso viel wie möglich von der Welt zu sehen und es stand außer Frage, dass er sein angestammtes Handelsgebiet irgendwann verlassen würde um andere Kontinente und Städte zu besuchen und dort von vorne anzufangen. Er führte sie oft auf große Umwege, nur um diese oder jene Höhle oder Ruine zu erkunden. Falls es einen Menschen gab, den man als geborenen Entdecker bezeichnen konnte, dann war es Samir. Ian hatte nichts dagegen, so wurde es immerhin selten langweilig, auch wenn ihm die kleinen Zusatzausflüge seines Arbeitsgebers durchaus ein paar Mal fast das Leben gekostet hätten.
>>Nichts dagegen<<, stimmte er den Plänen zu, >>du kannst wie immer auf mich zählen.<<
>>Das weiß ich, Ian, das weiß ich<<, winkte Samir ab und blickte ihn plötzlich mit merkwürdig prüfenden Augen an. >>Heute Abend hab ich übrigens nichts mehr zu tun. Hast du vielleicht Lust mit mir in eines der Kaffeehäuser etwas zu rauchen oder vielleicht können wir eines der Freudenhäuser besuchen?<<
>>Geh du und treib es mit deinen Nutten, du Lustmolch. Ich persönlich bin einfach viel zu erschöpft nach der Reise und ich will jetzt nur noch ins Bett.<< Er gähnte demonstrativ beim letzten Wort. >>Kannst du eigentlich überhaupt lieben und war jemals eine Frau etwas Besonderes für dich? Oder bist du wirklich immer nur an den Körpern der Frauen interessiert?<< Dies gehörte zu denjenigen Fragen die einem vor lauter Müdigkeit versehentlich herausrutschten und die halb scherz- und halb ernsthaft gemeint sind.
Samir lachte laut auf, bevor er antwortete. >>Nein, natürlich nicht. Ich will auch nie verliebt sein und will auch nie heiraten. Beides sehe ich als Zwang an, egal was andere dazu sagen, und du weißt wie sehr ich Zwänge hasse. Nein, nein, ich bleibe bei meinen Nutten. Mit denen bin ich glücklich genug. Ich kann mir nicht vorstellen mein gesamtes Leben mit nur einer Frau zu verbringen.<< Er senkte plötzlich die Stimme und beugte sich etwas weiter vor. >>Und wie steht es mit dir? Warst du denn jemals verliebt?<<
Was geht dich das denn an? Gleich darauf wurde ihm klar wie egoistisch er mal wieder wurde. Er hatte eben gerade das selbe gefragt. >>Wenn du in dieser Hinsicht eine ehrliche Antwort erwartest, dann lautet sie >nein<. Es hat bis jetzt keine besondere Person in meinem Leben gegeben. Man könnte im Allgemeinen sagen, dass ich die Richtige bis jetzt noch nicht gefunden habe.<<
Samir nickte, so als hätte er diese Antwort erwartet. >>Ich war zwar noch nie verliebt, aber deswegen sollte man nicht den Trugschluss unterliegen, dass ich nichts darüber weiß. Im Gegensatz zu dir behandle ich die Schicksale anderer Menschen nicht mit vollkommener Gleichgültigkeit und ich habe Dinge gesehen und gehört, um eins ganz sicher sagen zu können: Es gibt Unterscheidungen in der Liebe und nicht alle sind zum Besten. Manchmal ist nur eine reine Besessenheit. Man wird zum Sklaven und verliert sein Danken an die Bösartigkeit eines anderen. Ein anderes Mal sind die Gefühl innerhalb eines Flügelschlags der Ewigkeit vorbei. Man trifft sich, verfällt in Ekstase und einige Wochen ist alles wieder vorbei. So etwas wie der Wahre oder die Wahre gibt es nicht. Man kommt fast immer darüber hinweg und wenn nicht, war die Beziehung an sich gestört. Liebe ist sowieso nur ein Oberbegriff für ein Thema, dass niemand je begreifen kann, da alle es anders sehen. Ein großer Teil liegt außerdem unter dem Vorhang aus Ethik und Moral verborgen.<< Es war inzwischen sehr still auf dem Marktplatz, da die meisten Stände geschlossen hatten und die Menschen nach Hause gegangen waren. Nur noch ein paar Herumtreiber und Stadtwachen waren in der Nähe. >>Damit will ich aber nicht bestreiten, dass eine Beziehung nicht ewig halten kann. Nur…<< Er kratzte sich am Kopf. >>Es müssten halt einige kleinere grundlegende Basiselemente da sein. Sowas baut sich nicht über Nacht auf..<<
>>Du meinst also, beim allerersten Blick kann nichts zwischen bei Personen passieren?<<, wagte es Ian dazwischen zu fragen, während er noch einmal seine Erinnerungen durchforstete. Da er um gut das Dreifache älter war, müsste er eigentlich auch wesentlich mehr Erfahrungen dazu beitragen können. Allerdings stimmte es auch, dass er sich nie wirklich für andere Menschen interessiert hatte und die wenigen Freunde die er hatte, waren ebenfalls Außenseiter gewesen. Von einigen netten Gesprächen mal abgesehen, vermied er engeren Kontakt, außer er war über einen langen Zeitraum mit der betreffenden Person zusammen. Über solche Sachen hatte er sich nie Gedanken gemacht, während Samir anscheinend wegen seines Händlerberufs und seinen Hang wirklich sehr gesprächig werden zu können, wesentlich mehr über die Schicksale anderer wusste.
>>Zumindest nicht in der Form, wie du es dir vielleicht vorstellst. Es kann sein, dass sich bei zwei Menschen, die sich zum ersten Mal begegnen, etwas regt. Aber es braucht wie gesagt Zeit bis sie sich ihre Gefühle klar werden und ein Feuer entsteht.<<
>>Aha<<, war Ians Kommentar darauf, da ihm zuerst nichts Besseres auf den langen Vortrag einfiel. Es gab Zeiten, da quasselte Samir wie ein Wasserfall und in solchen Fällen war es ein großer Fehler zu versuchen ihn zu unterbrechen und auch diesmal hatte er beinahe die gesamte Zeit über schweigend zugehört. Allerdings hatte ihn das Thema diesmal auch einigermaßen interessiert und es wäre schade, wenn er nicht die Chance nutzen würde das Gespräch weiterzuführen, auch wenn so einige Teile für ihn durchaus etwas lächerlich geklungen haben. >…Und ein Feuer entsteht<? Was war denn das für eine billige Metapher? >>Diese Definition klingt alles in allem recht schlüssig und ergibt auch Sinn, das gebe ich zu. Inwieweit geht das Ganze denn weiter?<<
Samir machte eine wegwerfende Geste und prustete leise. >>Ich habe erst an der Oberfläche gekratzt, allerdings kann ich selbst nur noch einige platte Geschichten als Beispiele dazu geben. Ich habe mich früher mit einigen Philosophen darüber unterhalten und die haben all dies noch weiter eingeteilt und dazu noch tausende von allerlei Gedankengängen hinzugefügt, die teilweise so merkwürdig verschlungen sind, dass ich wahrscheinlich noch Jahre brauche um sie zu verstehen.<<
>>Dann belassen wir es am besten lieber dabei… Wolltest du eigentlich auf irgendwas hinaus Samir?<<
>>Nun<<, Ian momentan einzig echter Freund zögerte und schien nicht zu wissen, ob er fortfahren sollte. Doch am Ende seufzte er nur, bevor er zum eigentlichen Kern des Gesprächs kam: >>Ich beobachte dich Ian, schon seit einer ganzen Weile. Außerdem habe ich Gerüchte gehört, Gerüchte nach denen du schon in Städten aufgetaucht bist, lange bevor ich überhaupt geboren wurde.<< Seine Hand schnellte nach vorne, packte Ian am Oberarm und zog ihn näher zu sich heran. >>Ich weiß nicht was du bist und ich will auch nicht, dass du mir es erzählst, doch du hast meine Freundschaft und somit fühle ich mich dir gegenüber verantwortlich, also höre jetzt gut zu. Du bist ein Mensch der kein einfaches Leben hatte, das habe ich längst erkannt, und irgendwas zerreißt dich innerlich. Du erlebst gerade dunkle Zeiten nicht wahr? Die hat jeder Mensch, auch ich hatte welche, auch wenn ich sie für mich behalten werde. Das Wichtigste ist, dass du nicht verzweifelst. Verstehst du? Du darfst nicht verzweifeln. Einfacher kann es nicht gesagt werden. Denn egal wie dreckig das Leben ist, irgendwann kommt etwas klares Wasser, das all den Schmutz beiseite wischt. Darunter kann auch eine Frau fallen und ich hoffe, dass du irgendwann jemanden findest, mit dem du glücklich sein kannst. Du darfst vorher einfach nicht zerbrechen und damit meine ich nicht Selbstmord sondern einfach nur Wahnsinn. Irgendwann kommen gute Zeiten, glaub mir.<< Er klopfte ihm auf die Schulter. >>Dies ist der Rat eines Freundes, mehr nicht. Du brauchst nicht darauf zu hören, wenn du nicht willst.<<
>>War das alles?<<, fragte Ian leise.
>>Ja<<, sagte Samir und ließ den Arm los. >>das war alles. Gute Nacht und möge Dagu mit dir sein.<<
Ein einfaches Nicken war die ganze Antwort, dann wandte er sich um und ging zu der Herberge zurück. Er war dabei stark in Gedanken versunken und ging immer wieder das merkwürdige Gespräch durch. Wie es aussah hatte er gerade eine Seite von seinem Freund gesehen, die ihm bis dato unbekannt gewesen war.
Ohne es richtig zu merken betrat er sein Zimmer und setzte sich auf seine Liege. Bessere Zeiten. Pah. Was wusste dieser Fettsack schon? Er hatte genug im Leben gesehen um zu wissen, dass es dieses >klare Wasser< nicht gab, zumindest nicht für ihn. Es war sowieso eine der schlechtesten Metaphern die er je gehört hatte, die sogar die andere davor unterbot. Auch dieser bescheuerte Kommentar mit der angeblichen Frau seines Lebens konnte man getrost vergessen. Er war seit über hundert Jahren unterwegs und war in dieser Zeit weder verliebt noch war er länger mit einer Frau zusammen gewesen, wobei diese paar kurzen Beziehungen, die es gegeben hatte, nie von ihm beendet wurden.
Nein.
Er war einsam und hatte ein beschissenes Leben und es sah nicht so aus als würde sich in Zukunft etwas daran ändern. Das waren die Tatsachen.
Mit einem wütenden Aufschrei sprang Ian auf und schleuderte die Schale mit Wasser von dem kleinen Nachttisch. Sie zerbrach in einer der konturlosen Zimmerecken. Der Raum war in Dunkelheit gehüllt, da er keine Kerze angezündet hatte und er blieb einige Sekunden schwer atmend stehen. Wieso verlor er immer so schnell die Beherrschung? Wieso musste dies alles mit ihm passiert sein?
Er sackte zurück und zog einen kleinen Beutel aus seiner Hosentasche. Darin befand sich das Salesh das er heute gekauft hatte. Es waren mehrere dunkelgrüne, trockene Blätter die man sowohl rauchen, in Wasser auflösen oder auch einfach nur kauen konnte. Er entschied sich für das letztere. Da war die Wirkung zwar nicht so extrem stark, aber trotzdem spürte er augenblicklich wie ein wohliges Gefühl in ihm aufstieg und seine Augen begannen sich langsam zu verdrehen.
Dieses Zeug wuchs im Dschungel nur vereinzelt, doch hier in den Städten gab es auf dem einen oder anderen Dach ganze Plantagen davon. Diese Droge war natürlich verboten, was unter anderem mit den gelegentlich vorkommenden Nachwirkungen zu tun hatte, doch Ian hatte bis jetzt noch keine Probleme damit gehabt und dabei nahm er es schon seit über vierzig Jahren.
Normalerweise starb ein Mansch nach gut einem Jahrzehnt exzessiven Konsums von Salesh, da die Substanzen darin das Herz stark in Mittleidenschaft zogen, doch Ian fühlte sich noch putzmunter und auch hier vermutete er einen Zusammenhang mit dem Artefakt um seinen Hals und so nahm er es auch weiter ein.
Es könnte ihm eine Hand kosten, wenn die Stadtwachen ihn jemals mit Salesh erwischten, doch er brauchte es einfach. Die unscheinbaren Blätter die wie Baumrinde schmeckten gaben ihm das Gefühl glücklich zu sein, hielten ihn aufrecht und sorgten dafür, dass er nachts ruhig und ohne Albträume schlafen konnte. Sie erfüllten gewissermaßen sein Leben. Ohne sie wüsste er nicht weiter.
Bunte Gestalten begannen vor Ians Augen vorbei zu tanzen.
Es fühlte sich einfach himmlisch an.

Eine Woche später verließen sie Dekahai wieder. Ein paar alte Gesichter waren in der Stadt geblieben und ein paar neue waren hinzugekommen. Doch im Großen und Ganzen war die Mannschaft dieselbe wie bei ihrer Ankunft.
Zehn der Packpferde waren mit gekauften Waren aller Art beladen und die anderen fünf transportierten ihren Proviant und ihre Ausrüstung.
Als nächstes Ziel hatte Samir Hemach ausgewählt, einer Stadt die weiter im Norden lag. Für ihre Route würden sie voraussichtlich drei Wochen brauchen, sofern nichts dazwischen kam. Sie hatten diese Strecke noch nie zuvor genommen, doch ihr Karawanenführer hatte sich für dafür entschieden, da er gehört hatte, dass auf den Weg Ruinen lagen und er würde alles tun um sie zu besichtigen.
Der größte Teil des Weges würden sie sich wie üblich durch den Dschungel schlagen müssen, doch eine kurze Wanderung an der Küste vom nächstgelegenen Meer war nicht auszuschließen, sofern sie sich nicht verliefen und ihre Karten exakt waren.
Auf ihrer Reise waren die mächtigen Zaherochbäume ihre ständigen Begleiter. Diese riesigen Gebilde, die größer waren als jeder Baum den Ian von der Erde her kannte, verschluckten einen Großteil des Lichtes, sodass ihre Reise im Zwielicht verlief. Oft benutzen sie auch die großen Wurzeln, die kunstvolle Geflechte bildeten, als Wege um sich nicht durch das Unterholz schlagen zu müssen. Es gab keinen Ort auf Achresch wo diese Giganten nicht wuchsen.
Auch immer dabei waren die kleinen Talis. Diese affenartigen, blauen Tiere beobachteten sie ständig von den Bäumen aus und begleiteten sie sogar oft ein Stück und spielten während der Pausen und der Abende im Lager miteinander und brachten die Männer so zum Lachen. Es machte das Laufen durch kniehohes Gestrüpp zwar nicht einfacher, wenn eines dieser Wesen auf der Schulter herumturnte, aber sie erhöhten die Laune und die Moral und außerdem dienten sie als gute Warnung wenn Raubtiere in der Nähe waren. Denn falls dies der Fall war, verfallen die Talis in Panik und verstreuen sich in alle Richtungen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass man ein Verteidigungsring bilden sollte.
Dazu kreuzten ihre Wege sich auch oft mit denen von großen Sefranogah- und Denerasherden, die auf den Weg zu ihren Futterplätzen waren. In seinen ersten Jahren hatten ihn diese großen Wesen mit den vier Augen immer wieder entsetzt, aber inzwischen hatte Ian sich an sie gewöhnt und wusste wie man mit ihnen umging. Solange man die Pflanzenfresser in Ruhe ließ, wurde man auch selbst in Ruhe gelassen. Wenn sie auf Seen stießen fanden dort auch immer unzählige von Venocha und regelmäßig flogen auch die riesenhaften Kamerosch über sie hinweg.
Es war eine äußerst lebendige Welt, die auch nachts nicht zur Ruhe kam. Auch hier hatte es ein paar Monate gedauert bis Ian wegen der unzähligen Tiergeräusche, das Kleinvieh das zur jeder Stunde einem über die Haut krabbelte und dem blauen Leuchten des Sternenmooses richtig schlafen konnte.
Manchmal wanderte er auch in der Nacht herum und suchte nach ganz speziellen Orten. Es gab nämlich viele versteckte kleine Tümpel, die von Felsen oder einem Dom aus Pflanzen umgeben waren und die besonders wegen des Sternenmooses und einigen anderen, selteneren leuchtenden Organismen eine Fest für das Auge abgeben. Dazu kamen noch Pfaue und andere schöne Vögel die in diesen kleinen Bereichen Schutz suchten. Oft verbrachte er Stunden an diesen Orten und genoss einfach nur die Natur um sich herum.
Nach sechs Tagen erreichten sie die Küste. Diese Stelle wurde von Klippen gesäumt, doch sie fanden eine langestreckte Sandbank während der Ebbe, die eine Lagune, in der Korallen und Fische in allen Farben leuchteten, vom Meer trennte.
Als sie über diesen natürlichen Damm liefen, sprangen auch Uroneas aus dem Wasser und über sie hinweg. Dabei vollführten sie elegante Drehungen in der Luft und zogen Milliarden Wassertropfen hinter sich her, die wie Diamanten in der Sonne funkelten und die Männer durchnässten als sie herabregneten.
Selbst nach so langer Zeit war Ian noch immer von der Pracht dieser Welt beeindruckt und bestaunte nach wie vor eine Natur, die es so auf der Erde nicht gab und so auch nie geben wird.
Allerdings sollte man sich nicht aufgrund all dem in die Meinung verhärten dies sei das Paradies. Denn neben der Schönheit lauerte im Prinzip hinter fast jedem Baum der Tot.
Dies fing schon bei den Pflanzen an. Ian hatte schon unzählige Männer gesehen, die von den Sporenkapseln der Remapflanze getroffen wurden und wie paralysiert, sowie mit einem fiebrigen Blick in den Wald hineinliefen. Niemand half diesen armen Seelen, denn wenn die Sporen erst mal im Körper waren gab es nichts mehr was man tun konnte.
Man konnte sowieso im Allgemeinen sagen, dass fast jedes Blatt, jeder Strauch und jede Frucht hier für Menschen hochgiftig war. Manche zersetzen einen sogar mithilfe eines säureähnlichen Sekrets, wenn man sich unbedacht auf sie legte.
Die Insekten durfte man auch nicht unterschätzen, da sie meistens überraschend groß waren und selbst die Kleineren konnten mit einem Stich innerhalb von Sekunden töten. Einige der Ameisenarten schickten Todeskolonnen aus, die alles und jeden fraßen der ihren Weg versehentlich kreuzt und die Moskitos und andere Blutsauger übertrugen Krankheiten die Ian zwar nichts anhaben konnten, aber bei anderen dafür sorgten, dass sie sich innerlich und unter qualvollen Schmerzen auflösten. Es konnte schon ausreichen auf einen Käfer zu treten und schon stiegen giftige Dämpfe aus der zerbrochenen Chitinschale auf.
Dann gab es natürlich auch die gewöhnlichen Raubtiere wie den Umoch, die keine Scheu hatten Menschen anzugreifen.
Und was passierte wenn man versehentlich im falschen See ein Bad nahm, sollte hier besser nicht erwähnt werden.
Das Überleben auf Achresch war schwer, sehr schwer, besonders wenn man für die Karawanen arbeitete. Nur acht von zehn schafften es lange genug am Leben zu bleiben, um in den Ruhestand gehen zu können und in den meisten Fällen war der Dschungel die Todesursache. Nur die Aussicht auf die ungeheuren Reichtümer die man in diesem Gewerbe erreichen konnte und dem Abenteurerreflex einiger Verrückte war es zu verdanken, dass der Beruf der fahrenden Händler überhaupt noch ausgeführt wurde. Samir war einer der Erfolgreichsten unter ihnen und er hielt schon seit vierzehn Jahren durch. Die meisten überlebten höchstens fünf und viele nicht einmal ihre erste Reise.
Auch Ian wäre in seinen ersten Jahren oft beinahe umgekommen, doch inzwischen hatte er genug gelernt, um im Prinzip sogar alleine von einer Stadt zur anderen ziehen zu können, auch wenn er nicht wahnsinnig genug war um es wirklich zu wagen. Er hatte einiges von seinem Wissen sogar von mehreren der Stammesangehörigen erfahren. Die wichtigste Regel die er sich dabei gelernt hatte: Werde niemals übermütig oder unterschätze den Dschungel.
Der größte Fehler war, wenn man sich zu sicher fühlte oder wenn man dachte man könnte sowieso mit jeder Gefahr fertigwerden, da man ja auf eine lang Erfahrung zurückblicken konnte. Diese Personen endeten relativ schnell in dem Bauch eines Umoch oder bekamen eine Sporenkapsel in den Hals.
Ian war nicht so dumm wie manche Menschen glaubten und er neigte dazu immer äußerst wachsam in dem Dschungel, und aus anderen Gründen auch in den Städten, zu verweilen. Er unterschätzte nie die Tiere die ihn angriffen, auch wenn er unzählige Male gegen sie gekämpft hatte. Er war dazu extrem vorsichtig und hatte auch keine Probleme damit einen anderen zu opfern, um eine bestimmte Lage genauer zu sondieren.
Er verehrte zwar die Natur auf Achresch wegen ihrer Schönheit, rannte aber nicht Blindlinks in den nächsten Busch voller Blumen oder untersuchte dieses oder jenes ihm unbekanntes Tier.
Es gab selten Reisen bei denen nichts passierte und es sollte auch diesmal nicht anders sein.
Etwa vier Tage nachdem sie am Meer an der Küste gewesen waren, bekamen sie ungebetenen Besuch. Es war Nacht und man hatte eine Lichtung von Gestrüpp freigehackt und zwei kleine Feuer entzündet.
Zwei Seiten ihres Lagers wurden von besonders dicken Wurzeln eines Zaherochbaums eingefasst und bei den beiden anderen hatte man Wachen aufgestellt.
Einige Remapflanzen waren in der Nähe und ihre schmalen, hellbraunen Trichter bewegten sich langsam hin und her. Sie waren aber zu weit weg, um eine Gefahr darzustellen und keiner der Männer war so dämlich um näher an sie heranzutreten.
Eine Vielzahl von Geräuschen hallte durch den dichten Wald. Die meisten von Singvögeln und hier und da auch das Knarren der Bäume, doch ab und zu kam auch ein Brüllen oder ein schrilles Schreien dazu.
Von den Ästen, fast hundert Meter über ihnen, hingen Kletterpflanzen beinahe bis zum Boden herunter und so war eine Gruppe Talis bei ihnen und leistete ihnen Gesellschaft.
Ian hockte am Rand des Lagers und kraulte einem der kleinen Wesen den Kopf, während eine Herde Sefranogah dicht am Lager vorbeistapfte. Die Tiere schnauften und spuckten, bedachten die Menschen aber nur mit kurzen Blicken aus ihren blauen Augen. Es waren ungefähr siebzig der Pflanzenfresser und sie bildeten einige passable Pfade aus niedergetrampelten Pflanzen die sie morgen benutzen konnten. Natürlich blieb auch genug Grünzeug übrig, damit sich ein Räuber anschleichen konnte und so schraubte Ian seine Aufmerksam nicht herunter.
Er hatte momentan mit zwei anderen eine Wache und schon bei der ersten Schicht gegessen. Es wurden immer zwei Mahlzeiten gekocht, um den lebenswichtigen Wachzyklus nicht zu unterbrechen. Heute hatte es etwas getrocknetes Fleisch und ein paar genießbare Früchte gegeben, die man einige Stunden zuvor gefunden hatte. Zwar kein Festmahl, aber er hatte schon damals auf der Erde nicht von mehr gelebt und so beschwerte er sich nicht.
Inzwischen fiel kaum noch Licht durch die Blätter und auch das Rot war bereits aus dem Himmel verschwunden.
Die ersten, darunter auch Samir, hatten sich bereits eingerollt und schliefen fest, zusammen mit einigen Talis die sich an ihnen festkuschelten.
Ian saß unter einem großen Farn und von einem der Blätter fiel ein Wassertropfen herab und landete auf seiner Stirn. Ein weiteres Problem des Waldes war, dass es hier immer feucht war.
Er beachtete das Wasser das sein Gesicht herunterlief nicht weiter und blickte weiter in die immer näher kommende Düsternis. Die Sefranogah waren inzwischen vorbei und schon längst aus seinem Blickfeld. Er hörte sie nicht einmal mehr.
Ein Papagei flog über ihn hinweg und einige große Käfer schoben sich vor ihm durch den Schlamm. Ein weiter Tropfen fiel auf seinem Kopf. Da er seine Hose nicht schmutzig machen wollte, saß er wie immer auf einer grauen Decke, mit seiner Armbrust auf den Schoß.
Diese Waffe war auf Achresch bis jetzt noch nicht entwickelt und auch er selbst hatte damals nur rudimentär etwas über sie gewusst, da sein Vater eine besessen hatte. Zwei Monate lang hatte er sich mit einem Bogenmacher zusammengesetzt bis sie ein funktionierendes Exemplar herstellen konnten. Am liebsten hätte er sich eine Muskete bauen lassen, da er damit ausgebildet wurden war, aber die Menschen hier kannten Schießpulver nicht und er selbst wusste auch nicht wie man es herstellte. Also hatte er eine Armbrust genommen, da sie den Schusswaffen von der Erde im Gebraucht noch relativ nahe kam – Abzug drücken – und inzwischen konnte er recht gut damit umgehen und innerhalb kurzer Zeit einen neuen Bolzen, die in einem Köcher an seinem Gürtel ruhten, einlegen.
Natürlich war dies nicht die erste Armbrust die er besaß. Im Laufe des Jahrhunderts auf Achresch hatte er insgesamt sechs besessen, die halt irgendwann kaputt gegangen waren und durch eine neue ersetzt werden mussten.
Die Dunkelheit brach schließlich ganz über Achresch herein und einige der alten Geräusche verschwanden und wurden durch neue ersetzt. Auch das Sternenmoos begann zu leuchten und verbreitete seinen blauen Schimmer in der Gegend.
Die Monde und die Sterne konnten wegen des Blätterdachs nur schwer ausgemacht werden und so blieb Ians Blick auch weiterhin nach vorne gerichtet. Er kannte das Himmelszelt von diesem Planeten sowieso schon auswendig.
Hinter ihm schnarchte jemand laut und die Feuer wurden gelöscht, damit sich auch die letzten niederlegen konnten. Jetzt waren nur noch er und die anderen zwei Wächter noch wach.
Einige der Packpferde, die im hinteren Teil Lagers nahe bei den Wurzeln standen, schnaubten. Irgendwo in der Nähe schrie ein Venocha.
Seine Schicht würde genau noch zwei Stunden dauern, dann konnte er seine Ablösung wecken und selbst endlich etwas pennen.
Die Zeit verstrich langsam, während diverse Tiere am Lager vorbeiwanderten. Meistens waren es nur ein paar Insekten und zweimal Deneras, die vermutlich ihre Herden verloren hatten.
Weiterhin fielen Tropfen herab, doch er empfand das Wasser als angenehm und setzte sich so nicht weg.
Schließlich waren die zwei Stunden verstrichen und nichts Außergewöhnliches war vorgefallen. Er wollte sich gerade aufsetzten als der Talis, der neben ihm eingeschlafen war, plötzlich aufschreckte, lauthals schnatternde Geräusche von sich gab und im Eiltempo wegsprang.
Die Wahnzeichen sofort erkennend sprang er auf. Einer der anderen der Wächter bemerkte diese Bewegung und blickte fragend hinüber. Ian machte ein paar Handzeichen, die bedeuteten er solle die anderen wecken, worauf der Mann nickte und ins Lager lief.
Mit einer langsamen Bewegung hob er die Armbrust und zielte mit ihr ins Dickicht, dass nicht von der Sefranogahherde zertrampelt wurde. Es war immer noch zu viel Grünzeug um wirklich jeden Strauch im Auge behalten zu können.
Es war nichts zu erkennen und das wunderte ihn auch nicht. Die meisten Jäger auf dieser Welt waren so perfekt an ihre Umgebung angepasst, dass sie sich selten durch ein Blätterrascheln oder das Knacken der Zweige verrieten.
Man sah sie also im Prinzip nie kommen und es war mehr als nur dumm in das Unterholz zu kriechen um den Räuber zu stellen. Dabei konnte man nur verlieren. Es blieb also nur übrig zu warten bis der der Angreifer hervorsprang und schnell genug zu reagieren bevor er sein Ziel erreichte.
Der zweite Wächter stellte sich mit einem nervösen Gesichtsausdruck neben Ian und hielt sein Schwert kampfbereit umklammert.
Hinter ihnen wurden die anderen geweckt und dies teils auch durch die panischen Schreie der Talis die den Baum hochhuschten. Einige raue Flüche waren zu hören, während die Waffen gezogen wurden.
Mit langsamen, ruhigen Atemzügen wanderte Ian mit seinen Augen das Buschwerk ab, die Armbrust dabei im Anschlag. Er hatte solche Situationen oft erlebt und er wusste wie fatal es sein konnte. wenn man seine Nervosität zeigte. Er hatte zwar durchaus Angst, sperrte sie aber aus und hielt seine volle Konzentration aufrecht. Es würde bald so weit sein, das Tier musste spüren, dass ihre Beute in Alarmbereitschaft war.
Noch drei Sekunden passierte nichts, dann sprang ein Umoch mit einem wütenden Fauchen aus dem Unterholz und stürzte mit seinen langen Klauen auf ihn zu.
Das lange Maul war weit geöffnet, sodass man gut die sehr langen und spitzen Zähne erkennen konnte.
Ian schoss seinen Bolzen ab und sprang zur Seite um den Angreifer auszuweichen. Das Geschoss bohrte sich in das vordere rechte Bein und ein grässlicher Schrei entrang dem Ungeheuer. Es rauschte an der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, vorbei und stieß den Wächter, der gerade mit dem Schwert ausgeholt hatte, mit seiner Körpermasse zur Seite und schüttelte sich kurz vor Schmerz.
Die anderen Männer kamen brüllend angerannt und umzingelnden den Umoch und stießen mit ihren Waffen nach ihm.
Allerdings war das Vieh wie alle in seiner Gattung extrem schnell und wendig. Es wich einem Speerhieb aus, fauchte hasserfüllt, schleuderte einen weiteren Menschen hinter ihm mit seinem Schwanz davon und sprang nach vorne und schlug seine Zähne in die Hüften eines anderen.
Ein Schrei entrang den armen Kerl, während er herumgeschleudert wurde und sein Blut die nahen Pflanzen bedeckte. Nach kaum fünf Sekunden hatten die starken Kiefer des Umoch ihre Aufgabe erfüllt und waren durch den Leib gedrungen. Der Körper des Mannes fiel in zwei Hälften hinunter, während die Teile von ihm, die sich noch im Rachen befanden, herunter geschlungen wurden.
Der Rest von der Karawane, der kurz zurückgeschreckt war, griff nun erneut an und diesmal bohrte sich ein Speer in den Rumpf des Ungeheuers, das schmerzvoll zurückzuckte und anschließend erneut nach vorne springen wollte, wobei ihm diese Bewegung nicht mehr gelang.
Ein zweiter Bolzen surrte heran und traf genau das linke Auge. Der Umoch stolperte und fiel zur Seite. Es rutschte noch drei Meter durch den Schlamm und ein letztes Knurren entrang seiner Kehle, dann war es tot.
Ian, der auf eine erhöhte Wurzel geklettert war, um eine bessere Schussposition zu bekommen, ließ seine Armbrust sinken und sprang wieder auf den Boden zurück.
Der Rest der Karawane nährte sich vorsichtig dem Kadaver und man stach noch zweimal zur Sicherheit auf ihn ein.
Es war ein noch nicht ganz ausgewachsenes, männliches Exemplar von ungefähr sieben Meter Länge.
Das noch übrig gebliebene, gelbe Auge des Umoch wurde bereits glasig als Ian herantrat und seine Bolzen herauszog. Das Geschoss in der Schulter war gebrochen und somit nicht mehr zu gebrauchen, aber der andere in der blutigen Augenhöhle war noch zu verwenden, wenn er es wusch.
Er zog es mit einem schmatzenden Geräusch heraus, während hinter ihm Samir tobte: >>Warum beim verdammten Leib von Legu hat uns dieses Vieh angegriffen? Bisher wurden wir doch nur einmal von einem Umoch angegriffen und das, weil wir versehentlich in den Bau der Bestie gestolpert sind.<<
>>Erinnern sie uns bloß nicht daran Herr, ich bekomme davon noch immer Albträume…<<
>>Könnte es diesmal nicht genau dasselbe gewesen sein?<<
>>Wie denn, du hirnloser Idiot? Es ist ein Männchen.<<
>>Ich glaub es könnte eine Verzweiflungstat gewesen sein. Seht euch das Vieh doch mal an. Es scheint völlig ausgehungert zu sein, ich kann sogar seine Rippen unter der Haut erkennen.<<
>>Ja, jetzt wo du es sagst…<<
>>Ruhe<<, donnerte Samir entnervt, >>es war eine rhetorische Frage gewesen. Bricht das Lager ab. Wir ziehen weiter bevor der Blutgeruch weitere Räuber anlockt. Geht zu Kalim und nimmt ihm alles ab was wir noch verwenden können. Ach ja und Ian! Gut gemacht!<<
>>War doch eine Selbstverständlichkeit<<, war die Antwortet, während er versuchte mit einem nassen Lappen den Bolzen zu reinigen.
Die Männer begannen hastig mit dem Abbau. Es entsprach zwar nicht ihrem Rhythmus zu dieser Zeit weiterzuziehen, aber es war durchaus nicht das erste Mal und nachts war der Dschungel im Prinzip genauso gefährlich wie am Tag. Es gab in dieser Hinsicht also keine großen Unterschiede.
>>Armer Kalim<<, sagte einer, als er dabei war die beiden Leichenteile untersuchte und alles von Wert abnahm, >>er hat mir gestern davon erzählt wie er vor zwei Jahren in einer anderen Karawane einen seiner Kameraden vor dem Sturz in einen Wasserfall gerettet hatte und heute war er einer der ersten gewesen die den Umoch erreicht hatten. Er war wirklich ein mutiger Kerl.<<
>>Er war ein verdammter Feigling<<, entgegnete ein anderer, >>denn er hat sich jetzt erfolgreich davor gedrückt mir jemals mein Geld zurückzuzahlen. Verdammter Schnorrer!<<
Sie ließen den Toten zurück, da sie keine Zeit hatten für ein Bestattungsritual, da jeden Augenblick neue Räuber auftauchen konnten und auf die völlig überlasteten Packpferde konnte die Leiche auch nicht festgezurrt werden. Also überließen sie ihm die natürlichen Vorgänge der Natur.
Zwei Tage später erreichten sie Samirs ersehntes Sekundärziel. Die alten Ruinen.
Die Berichte des Mannes aus Dekahai, auf den die sich stützen, waren überraschend präzise gewesen.
Es war ein eher unwegsames Gelände voller Felsen, durch das sie sich bewegten, doch nach ein paar Meilen bemerkte Ian die vielen geraden Kanten und die merkwürdig eckigen Löcher überall.
Schließlich fiel es auch den anderen auf und dann leuchtete es ihnen ein, dass sie gerade über uralte Gebäude kletterten.
Ab da sprangen ihnen die Details nur so in die Augen. Die engen Schluchten waren in Wirklichkeit Straßen, die Klippen riesige Mauern und die merkwürdige Felsformationen Statuen.
Sehr viel war nicht zu erkennen, da alles mit Moos oder anderen Grünzeug überwuchert war und auch die Bäume behinderten die Sicht stark. Doch nach einer Weile fanden sie eine große Senke im Boden, von mehreren Hundert Metern Breite und die relativ frei war von Zaherochbäumen. Der Anblick war atemberaubend.
Dutzende Gebilde, die wie fünf- oder sechsteilige Stufenpyramiden anmuteten, standen dicht an dicht. Die ragten bis zu zwanzig Meter auf, aber da sie teilweise in starken Schräglagen abgewinkelt waren, musste man vermuten, dass große Teile von ihnen im Laufe der Zeit eingesunken waren.
Erdhaufen lagen zwischen den mit Pflanzen überwucherten Ruinen und bildeten so ein gefährliches Terrain. Die alten Häuser hatten große, rechteckige Fenster und bestanden aus grauem Stein, der an der Oberfläche verwittert und unregelmäßig war. Die Dächer waren flach und besaßen Sockel die früher vermutlich irgendwas getragen hatten, vielleicht Skulpturen.
Auf einem Platz ragte aus dem Boden ein Arm von einer einstmals großen Statue, die eine Blume in der Hand hielt. Die Abbildung aus weißem Marmor war erstaunlich gut erhalten und nur einige Ranken bedeckten sie. So konnte man gut erkennen, dass der Arm einer Frau gehörte und dass die Blume eine Lotosblüte darstellte.
Sie machten auf einem der Gebäude am Rand der Senke eine Rast, sodass sie die Aussicht genießen konnten. Einige der Männer untersuchten die Umgebung genauer und brachten neben alten Scherben aus Glas auch völlig unbekannte Substanzen mit, die sich merkwürdig glatt anfühlten und früher allen Anschein sehr farbig gewesen waren.
Dazu fand man bemerkenswert viel Metall, das zwar stark zerbeult und verbogen war, aber dafür keinerlei Anzeichen von Rost aufwies. Man entdeckte sogar eine Art große Kiste aus diesem Eisen, das Löcher aufwies und innen hohl war. Etwas, das wie breite Ketten aussah, hingen an den Seiten herunter und auf dem Dach ragte ein langes Rohr nach vorne. So etwas wurde schon vorher in anderen Ruinen gefunden und bis heute weiß niemand, was dies nun eigentlich für Dinger waren und welchen Zweck sie gehabt hatten.
Ein Schwarm Venocha flog über sie hinweg, als Samir zu Ian am Rand des Lagers trat, während die restlichen Männer unten in der alten Stadt weitersuchten. Neben sie waren drei andere zurückgeblieben die – wörtlich - >keine Lust hatten im Dreck zu wühlen< und nun Wache standen oder sich um die Pferde kümmerten.
>>Und Samir? Bist du jetzt zufrieden nun da wo du dies hier gesehen hast?<<, fragte Ian leise, während die Sonne langsam aber unerbittlich über den Himmel wanderte. Auch Dschano war am Firmament aufgetaucht und schob sich mit ein Dutzend anderer Monde zwischen dem endlosen Blau und den weißen Wolken dahin. Dabei drehte sich der gigantische Brocken träge um verschieden Achsen und es schien als ob er jeden Moment herabstürzen würde, was aber glücklicherweise nicht in seinem Interesse zu liegen schien.
>>Was denkst du denn? Mir geht es gerade prächtig und ich werde wahrscheinlich später mit den anderen dort zwischen den Ruinen stöbern. Wer weiß was wir finden könnten.<< Samir runzelte die Stirn. >>Seit Jahren stellen sich viele Menschen die Frage, wer all dies gebaut hat und wie es dann anschließend untergegangen ist. Bis heute hat niemand eine Antwort darauf gefunden. Hast du vielleicht irgendeine Idee?<<
>>Ich kann es dir auch nicht sagen<<, antwortete Ian wahrheitsgemäß, >>aber sie sind schon so lange hier, wie die Menschen hier zurückdenken können.<<
>>Ich hab irgendwie das Gefühl, dass das kein sehr langer Zeitraum ist. Du hast mir doch einmal von diesem System für das Zählen von Jahren erzählt.<<
>>Was? Du meinst eine Zeitrechnung?<<
>>Ja, genau das. So was könnten wir hier gut gebrauchen, dann könnten wir vielleicht nachvollziehen wann diese Gebäude dort gebaut wurden.<< Er schlug ein Moskito tot, der sich auf seinen Arm abgesetzt hatte, um ein Mahl zu sich zu nehmen. Er fuhr unbekümmert fort: >>Ich habe von alten Geschichten gehört in denen von sehr großen Kämpfen vor einer langen Zeit berichtet wird und etwas, dass als der >Zerfall



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Tag der Veröffentlichung: 12.09.2012

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