PROLOG
Als sie die schweren Schritte auf der Treppe hörte, war sie sofort alarmiert. Sie huschte auf Zehenspitzen zu der alten Holztür ihres Zimmers über der Taverne und lauschte.
Die Schritte kamen näher und unter das Stapfen der Männer mischte sich das Klirren und Reiben metallischer Gegenstände.
Sie hörte die tiefe Stimme des Wirts, die durch seine Fettleibigkeit noch tiefer und gepresster wirkte, als sie ohnehin schon war: „Da hinten. Das ist ihr Zimmer.“
Dieser fette Idiot, wahrscheinlich hatten sie ihm Geld versprochen.
Gerade eben klopfte es laut an der Tür und das letzte, was sie hörte, bevor sie vom Fenstersims sprang, waren die lauten Stimmen der Männer: „Kathleen O’Dare! Mach’ die Tür auf oder wir reißen sie ein!“
1
Kathleen rannte durch die Gassen des Städtchens als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Wo sollte sie sich jetzt verstecken? Und wie hatten sie herausbekommen, wo sie sich aufhielt?
Sie wusste, dass der Graf dahinter steckte, aber sie wusste nicht, was er von ihr wollte.
Kathys Gedanken fuhren Achterbahn.
Ihre Schritte wurden langsamer, sie horchte, ob ihr jemand folgte. Aber bis auf das Pochen in ihren Ohren, hörte sie nichts.
Doch plötzlich machte jemand hinter ihr einen Satz nach vorne und eine große Hand schloss sich um ihren Mund, ein starker Arm hielt ihre Hände an den Körper gepresst und sie bekam kaum noch Luft. Kathleen wehrte sich und trat mit den Füßen nach ihrem Angreifer, doch es hatte keinen Sinn. Sie war gefangen! Und sie ergab sich in ihr Schicksal.
„Ich will dir nichts tun!“, hörte sie plötzlich die Stimme eines Mannes in ihr Ohr flüstern, „Ich will dir helfen!“ Die Stimme musste zu einem jungen Mann gehören.
Kathleen versuchte sich umzudrehen, doch der junge Mann hielt sie zu fest. Sie war überrascht, als er seinen Griff lockerte und sie sich zu ihm umdrehen konnte.
Sie sah in zwei blaue, kluge Augen, die aufmerksam ihr Gesicht musterten. Ab und an wehte der Wind eine braune Strähne seines halblangen Haars in sein hübsches Gesicht.
„Wer bist du?“, wollte Kathleen atemlos wissen.
„Das erzähle ich dir gleich, aber wir müssen hier erstmal weg!“, sagte der junge Mann gehetzt und zog sie mit sich in eine kleine, dunkle Gasse und in einen Hauseingang.
Als Kathleen vorsichtig um die Ecke sah, liefen gerade zwei mit Schwertern bewaffnete Männern an der Gasse vorbei. Sie zuckte zurück. Wie versteinert stand sie im Hauseingang und hielt die Luft an bis die Schritte der Männer verhallt waren.
Der junge Mann berührte sie leicht an der Schulter und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Hintereinander schlichen sie an den rauen Hauswänden entlang. Als sie an eine Kreuzung kamen, hob der junge Mann eine Hand, dann blickte er um die Ecke.
Als die Luft rein war, bogen sie nach rechts in eine größere Gasse ab.
Am Ende der Gasse sah man das rege Treiben der Hauptstraße. Sie huschten durch die Gasse und tauchten in einer Menschentraube unter.
Auf der Hauptstraße bewegten sie sich wie zwei normale Passanten, doch sie wechselten kein Wort miteinander. Als Kathleen es nicht mehr aushielt, fragte sie erneut:
„Wer bist du?“
Der junge Mann sah sie kurz von der Seite an, dann richtete er seinen Blick wieder auf die Straße.
„Mein Name ist Ordan.“, er machte eine kurze Pause, „Und ich bin Kopfgeldjäger, wie du!“
Kathleen rückte unwillkürlich ein Stück von ihm ab. Kopfgeldjägern konnte man nicht trauen, das wusste sie aus Erfahrung.
Ordan schnaubte belustigt. „Schon klar, Menschen wie uns kann man nicht trauen!“, er sah sie ruhig an, „Ich kannte deinen Vater.“
Trauer machte sich auf seinem Gesicht breit. „Ich habe ihm versprochen, dass ich auf dich Acht gebe! Ich war bei ihm als er starb!“
Kathleens Gesicht verzog sich, sie hatte das Gefühl als müsse sie gleich wie in kleines Kind losheulen. Das Einzige, was sie herausbrachte, war ein klägliches: „Tut mir Leid, ich wusste nicht, dass er…“
„Schon gut!“
Kathleen lehnte sich an die Wand neben einem Geschäft.
„Wie ist er gestorben?“
„Er ist friedlich eingeschlafen, er hat nicht gelitten!“, antwortete Ordan.
Sie nickte. Dann richtete sie sich wieder auf, wischte sich eine Träne aus dem Auge und sah Ordan direkt an: „Und was machen wir jetzt?“
„Ich bringe dich erstmal an einen sicheren Ort, an dem dich diese Leute nicht finden können!“, antwortete er.
2
Er packte sie am Handgelenk und zog sie in den nächsten Hauseingang. Vorsichtig öffnete er die Tür und als er beschlossen hatte, dass die Luft rein war schob er sich leise hinein und zog das Mädchen mit sich. Vor ihnen lag das enge Treppenhaus eines Arbeitermietshauses. Die Holzstufen waren alt und abgenutzt und der graue Putz blätterte bereits von den Wänden.
„Und hier soll ich sicher sein?“, fragte Kathleen misstrauisch.
„Still!“, zischte er und begann die Treppenstufen hinauf zu huschen. Kathleen folgte ihm, doch bereits die dritte Stufe gab ein gefährlich lautes Knarren von sich.
„Immer am Rand der Stufen entlang gehen, dann quietscht es weniger, wusstest du das nicht?“
Kathleen zuckte mit den Schultern. Ihre Art der Kopfgeldjagd war eher eine andere. Mit ächzenden Treppen und alten Mietshäusern hatte das nicht viel zu tun. Sie bewegte sich eher in den wohlhabenderen Schichten der Gesellschaft und vertraute darauf, das ihr Ruf als blütenreine Aristokratentochter möglichen Verdächtigungen Stand hielt. Und das hatte es auch bisher immer, aber irgendetwas war bei ihrem letzten Auftrag schief gegangen. Sie wusste nicht was, aber es ärgerte sie ein wenig, dass sie doch nun tatsächlich von der Hilfe dieses fremden Mannes abhängig war. Oder... war sie das tatsächlich? Sie überlegte einen Augenblick. Ihre Identität war wahrscheinlich aufgeflogen, ihr Vater nicht mehr am Leben und ein gutes Versteck hatte sie auch nicht. Ja, warscheinlich war sie von Ordan abhängig.
Ordan führte sie immer höher. Erst als sie im obersten Stockwerk angekommen waren und die Treppe nicht mehr weiter nach oben führte, öffnete er eine kleine Tür. Dahinter konnte sie erst einmal nur weiß entdecken. Aber als sie ganz eingetreten war stellte sie fest, dass es sich lediglich um ein großes Bettlaken handelte, das ihr die Sicht nahm. Ordan schob es beiseite und es kam ein relativ großer Dachboden zum Vorschein, der wegen der Hitze im Sommer zum Wäschetrocknen gebraucht wurde. Doch Ordan schob sie zielstrebig an den Laken, Kleidern und Hemden vorbei, bis sie in der einen Ecke schließlich auf eine Leiter stießen. Er kletterte sie hinauf, winkte Kathleen ihm zu folgen und öffnete am oberen Ende der Leiter eine Luke, durch die er gleich hindurchkletterte. Die Geräusche von Pferden und Fuhrwerken drangen an Kathleens Ohr. Die Luke musste auf das Dach führen!
Kathleen wartete noch bis Ordan ganz durch die Luke geklettert war und folgte ihm dann, was auf Grund ihres Kleides nicht ganz so einfach war.
Aber tatsächlich, sie waren auf das Flachdach des Mietshauses gestiegen. Hier hing keine Wäsche, obwohl diese hier sicher gut getrocknet wäre, doch sicher war es zu anstrengend, die Körbe über die Leiter nach oben zu transportieren.
„Was machen wir hier?“, fragte Kathleen und blickte vom Rand des fünfstöckigen Hauses auf die belebte Hauptstraße. Die Höhe schwindelte sie etwas, aber sie riss sich zusammen. Keine Blöße zeigen!, schoss es ihr durch den Kopf.
„Die Dächer sind hier in der Stadt der sicherste Weg um irgendwo hin zu kommen“, antwortete Ordan. Kathleen wandte ihren Blick von den Menschen auf der Straße, die ziemlich klein von hier oben aussahen, auf Ordan. Er schien oft hier oben unterwegs zu sein, denn er sah sich nicht nach dem weiteren Weg um, sondern wartete einfach bis Kathleen wieder genug Luft geschöpft hatte.
Sie sah sich um. Ja, man konnte leicht von einem Dach aufs nächste Klettern, aber nur innerhalb eines Häuserblocks. Doch wie wollte Ordan die Gassen überqueren?
„Komm. Oder hast du etwa Höhenangst?“, fragte er sie herausfordernd.
„Natürlich nicht!“, sagte sie schnell und erinnerte sich an ihren Sprung vom Fenstersims ihres Zimmers in der Taverne. Aber das waren nur zwei Meter gewesen und die Höhe hier war schon etwas beänstigender.
Sie huschten in geduckter Haltung über die Dächer des Häuserblocks. An einer Gasse angekommen machte Ordan halt und nahm ein langes Brett, das wie zufällig hier oben lag, und schob es über den etwa drei Meter breiten Spalt, der zwischen diesem und dem nächsten Haus war.
„Woher wusstest du von dem Brett?“, fragte Kathleen.
„Was meinst du denn, wer es hier oben hingelegt hat? Das waren keine schlampigen Bauerbeiter.“
„Wer dann? Du? Hast du auf sämtliche Dächer dieser Stadt lange Bretter getragen, oder was?“
„Ich bin nicht der einzige, der diese Wege hier nutzt.“
„Ach so. Aber du weißt, dass das hier alles sicher ist und das es keinen geben kann, der sich hier mal zufällig hin verirren kann“, stellte Kathleen sarkastisch fest.
Ordan ging ohne zu antworten über das Brett und wartete, bis Kathleen ihm gefolgt war. Dann schob er das Brett mit einem Ruck zurück auf das andere Dach. Mit einem leisen Krachen landete es dort.
Dann baute er sich in seiner vollen Größe vor Kathleen auf, er war einen ganzen Kopf größer als sie, stemmte seine Fäuste in die Seite und sah von oben auf sie herab.
„Hör mal zu kleines Mädchen. Ich bin auf diesen Dächern unterwegs seit ich neun Jahre alt bin. Ich kenne alles und jeden hier oben. Glaub mir, die, die sich zufällig hier hin verirren sind keine dreizehn Jahre alt und damit nicht die geringste Gefahr. Würdest du mir also bitte den Gefallen tun und deine besserwisserischen Kommentare für dich behalten? Danke.“ Er drehte sich um und war im Nu hinter dem nächsten großen Schornstein verschwunden. Kahtleen bis sich auf die Lippen. Besserwisserin. Kleines Mädchen. Sie war achtzehn und er konnte höchstens drei Jahre älter als sie selbst sein. Nur widerwillig folgte sie ihm.
3.
Kathleen war gerade eine Leiter hochgeklettert und sah Ordan an einer Luke herumhantieren. „Was machst du da? Sind wir endlich an deinem sicheren Ort angekommen?“, fragte Kathleen grinsend. Ordan sah entnervt auf. „Erstens, wonach sieht’s denn aus? Und zweitens, ja sind wir!“
Kathleens Grinsen verschwand. „Weißt du was!? Ich kann auch einfach gehen! Ich habe keine Lust mich wie ein kleines, nerviges Kind behandeln zu lassen. Du brauchst auch nicht auf mich aufzupassen, wie du es meinem Vater versprochen hast, okay?“, fuhr sie auf.
Doch Ordan grinste nur.
„Und wie willst du von diesem Dach ’runterkommen?“, fragte Ordan belustigt.
„So wie ich hinaufgekommen bin!“
Und mit diesen Worten ging Kathleen hocherhobenen Hauptes an dem Mann mit den blauen Augen vorbei direkt auf das nächste Holzbrett zu. Leider blieb sie an einer Leiter mit ihrem Kleid an einem hervorstehenden Nagel hängen, was ihren Abgang nicht so sicher aussehen ließ, wie sie es sich gewünscht hätte. Ungeduldig riss sie sich los.
Bei einem Brett angekommen schob sie das schon etwas morsche Ding auf das nächste Dach zu und überprüfte die Standfestigkeit, wie sie es Ordan hatte machen sehen.
Ordan. Sie widerstand dem Drang sich noch einmal umzusehen, auch wenn es ihr nicht gerade leicht fiel. Sie mochte ihn irgendwie, obwohl sie es sich selbst nicht ganz eingestehen wollte. Aber sie konnte es sich nicht gefallen lassen, wie ein kleines Kind behandelt zu werden und deshalb überquerte sie jetzt flink wie eine Katze die notdürftige Brücke über dem Abgrund. Auf der anderen Seite angekommen, hob sie das Brett leicht an. Dann warf sie es mit einem solchen Schwung zurück auf das andere Dach, dass selbst Ordan es hören musste, der drei Dächer weiter vermutlich immer noch an seinem Schloss herumdokterte. Sie, Kathleen O’Dare war von niemandem abhängig.
Sie wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab, dann drehte sie sich um und ging.
Dieses Mädchen war schon seltsam! Ordan wusste von ihr, dass sie schon den einen oder anderen Verbrecher ans Messer geliefert hatte. Und er redete hier nicht von Taschendieben, sondern von richtigen Verbrechern.
Aber auf der anderen Seite war sie noch ein Kind, auf das man aufpassen musste, und außerdem war sie nicht irgendwer. Sie gehörte zum Adel und war die Tochter eines der angesehensten Männer der Stadt. Gewesen.
Und das waren nicht die einzigen Gründe, warum er, nachdem Kathleen ihr zerrissenen Kleid gerafft hatte und um die nächste Ecke verschwunden war, wie von der Tarantel gestochen in seine Wohnung stürzte, ein Paar Hosen und eins seiner Hemden aus dem Schrank riss und wie ein Wirbelwind wieder auf das Dach rannte.
Er hatte Kathleen zwar gesagt, dass es hier oben gefährlich war, aber er glaubte nicht, dass sie das ganz verstanden hatte. Er könnte es sich nie verzeihen,und leisten, wenn ihr etwas passierte.
Wieso hatte er sie eben nur so angefahren?, schallt er sich selbst.
Ordan rannte über die Dächer. Er sah die Welt nur noch so an ihm vorbeifliegen. Doch dann sah er Kathleen.
Sie saß, die Arme um die Beine geschlungen, am Rand eines Dachs und sah sich den Sonnenuntergang an. Er wunderte sich, dass es schon so spät war.
Ordan bremste ab und blieb fast ganz stehen. Er hätte sie stundenlang ansehen können, wie sie vor der großen, orangeroten Sonne saß und gedankenverloren in das warme Licht sah.
Aber so gedankenverloren war sie gar nicht. Kathleen hatte sich eben zu ihm umgedreht.
Er ging die paar Schritte zu ihr und setzte sich neben sie. Seine Beine ließ er baumeln.
Kathleen sah ihn erwartungsvoll an. Aber er konnte sie nicht ansehen, er sah lieber in den Sonnenuntergang.
„Was hast du da?“, sie zeigte mit dem Kinn auf die Kleider, die Ordan immer noch in der Hand hatte.
Er hielt sie ihr hin. „Für dich. Ist zwar nur eine Übergangslösung bis du deine Sachen wieder hast, aber besser als nichts.“, während Ordan redete, sah er Kathleen von oben bis unten an, „So kannst du jedenfalls nicht hier rumlaufen!“
Kathleen knuffte ihn freundschaftlich in die Seite und grinste.
4
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„Das hier ist also dein Versteck“, Kathleen lächelte belustigt. Es handelte sich nicht um einen abgelegenen Dachstuhl oder einen Bretterverhau auf einem Dach,wie sie gedacht hatte, nein, es war eine kleine, ordentlich eingerichtete Wohnung in einem großen Mietshaus mit dicken Vorhängen. Sicher waren alle anderen Wohnungen dieses Hauses wesentlich schäbiger eingerichtet, aber Kathleen war trotzdem anderes gewohnt. Jedenfalls merkte man der Wohnung an, dass eine Frau im Haushalt fehlte. Die Möbel sahen aus, wie bunt durcheinander, von verschiedenen Märkten erworben zu sein, die Wände waren zwar sauber gestrichen, aber ohne jeglichen Schmuck. Die Küche ähnelte einem Schlachtfeld und Kathleen überlegte, ob der Herd schon jemals etwas anderes als eine Bratpfanne mit Spiegelei gesehen hatte.
„Das hier wird dein Zimmer sein“, erklärte Ordan und öffnete die Tür links neben der Küche.
„Ist sicher nicht der Luxus, den du gewohnt bist, aber...“
„Aber es ist wesentlich sicherer als zu Hause. Danke!“, unterbrach Kathleen ihn, schenkte ihm ein Lächeln und verschwand, die Tür hinter sich schließend, in dem kleinen Raum. Eine Matratze, die auf dem Boden lag, füllte fast das ganze Zimmer aus. An das Ende der Kommode schmiegte sich eine kleine braune Holzkommode und – Kathleen atmete auf – über dieser hing ein großer Spiegel. Neben der Matratze stand auch noch ein kleiner, schlichter Schreibtisch, auf den vielleicht gerade mal zwei Briefbögen passten.
Eilig lief sie zur Kommode und öffnete sie.
„Fast nur Hemden und Hosen? Ich soll mich wohl als Mann verkleiden“, murmelte sie. Doch, zwischen all den Männersachen fand sich auch ein Kleid. Erleichtert streifte sie Hemd und Hose ab, die ihr Ordan vorhin vorsichtshalber gegeben hatte und schlüpfte in das Kleid. Die Nachbarn sollten zwar nicht merken, dass Ordan hier mit einem jungen Mädchen hauste, denn das könnte ihn vielleicht diese Mietwohnung hier kosten, aber solange Kathleen die Wohnung nicht verließ, wollte sie sich auch wie eine Frau fühlen.
Sie öffnete langsam die Tür und spähte auf den Flur hinaus. Ordan war nicht zu sehen, also schlüpfte sie schnell in das kleine Badezimmer. Sie spritze sich etwas Wasser ins Gesicht und war froh, dass das Mietshaus zumindest so modern war, das es einen Wasseranschluss hatte. Und überhaupt einzelne Zimmer, denn in vielen anderen Häusern lebten die Familien immer in einem großen Raum zusammen, in dem gegessen, geschlafen und gearbeitet wurde.
Als sie sich nach Seife umsah, bemerkte sie, dass sich einige Waschartikel für Damen in dem kleinen Bad befanden. Hatte Ordan das alles extra für sie bereitgestellt, oder hatte er öfter Damenbesuch?
Sie verließ das Bad. Ordan stand im Türrahmen der Küche und sah sie an.
„Ich hoffe es ist alles in Ordnung so. Ich bin nicht so bewandert darin, eine Dame zu beherbergen.“
„Es ist alles in bester Ordnung, mach dir keine Gedanken. Nur Hunger habe ich.“
„Dem kann man Abhilfe verschaffen.“, grinste er.
5.
Während sie an dem kleinen Tisch in der Küche saßen und aßen, es gab, entgegen Kathleens Spiegelei-Befürchtungen, Rührei mit Bratkartoffeln, merkte sie, dass Ordan etwas sagen wollte und er überlegte, wie er anfangen sollte.
„Was ist los? Willst du über etwas reden?“, fragte sie ihn. Doch Ordan stocherte in seinem Essen herum und legte den Kopf schief. Dann legte er die Gabel ordentlich neben seinen Teller, um sich gleich darauf zurückzulehnen und mit seinen Händen durch seine Haare zu fahren. Ordan zögerte kurz, doch dann antwortete er ihr: „Also, die Sache ist die: Morgen findet die Testamentseröffnung von deinem Vater statt. Das war überhaupt auch der Grund, warum ich ausgerechnet und zu diesem Zeitpunkt an dich herangetreten bin. Naja, fast...“
„Wieso? Warum denn noch?“, Kathleen sah ihn fragend an.
Bevor Ordan ihr eine Antwort gab, kramte er in seiner rechten Hosentasche herum. Zu Kathleens Erstaunen zog er einen gefalteten Briefumschlag hervor und reichte ihn ihr. Kathleen nahm ihn. Der Umschlag war oben unordentlich aufgerissen worden. Sie angelte aus der Öffnung ein feinsäuberlich gefaltetes Blatt Papier.
Als sie es öffnete, staunte sie nicht schlecht. Auf dem Papier standen lauter Buchstabenreihen, die keinen Sinn zu ergeben schienen.
Sie zog eine Augenbraue hoch, schon mit der Frage auf den Lippen, was das darstellen sollte. Doch dann sah sie im Licht der Sonne, das durch das kleine Fenster hinter Ordan fiel, dass das Wasserzeichen ihres Vaters darauf gedruckt war. Ein stilisierter Drache, die Flügel angriffslustig erhoben. Kathleen beugte sich weiter über das Blatt und kratzte sich ratlos am Kopf.
NVRMV ORVYV GLXSGVI!
DVMM WF WRVHVM GVCG OVHVM PZMMHG, DVIWV RXS DLSO MRXSG NVSI OVYVM!
RXS UIVFV NRXS, WZHH WF WRVHVH IZVGHVO OLVHVM PLMMGVHG.
VH ULOTVM MLXS WIVR DVRGVIV. WRVHV AF URMWVM, DRIW WRI LIWZM SVOUVM. RXS SZYV RSN WZH EVIHKIVXSVM ZYTVMLNNVM, WRI AFI HVRGV AF HGVSVM, HLDVRG VH RSN NTORXS RHG!
ZYVI WRVHVH IZVGHVO DRIHG MFI WF ZOOVRMV OLVHVM PMMVM, PZGSOVVM, WVMPV RNNVI WZIZM:
VH DZI VRMNZO RM VRMVI POVRMVM HXSVFMV. WLIG OVYGVM WIVRAVSM PZGAVM. QVWV PZGAV YVHZ VRMVM MZKU. RN MXSHGVM QZSI DFIWVM ZXSGAVSM POVRMV PZVGAXSVM TVYLIVM, ZOOVIWRMTH PLMMGV HRXS WRV YZFVIHUIZF MRXSG HL ERVOV MVFV MZVKUV OVRHGVM, WVHDVTVM YVPZNVM WRV QFMTVM PZVGAXSVM MFI MVFM MZVKUV. ZYVI WZH NZXSGV TZI MRXSGH, WVMM WRV NVRHGVM PZVGAXSVM GIZMPVM NRG RSIVI NFGGVI ZFH WVNHVOYVM MZKU, MFI UMU PZVGAXSVM GIZMPVM ZFH RSIVN VRTVMVM.
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Texte: Die Rechte der Geschichte liegen bei den Autoren.
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2011
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