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Buchrückseite

 

 

Prolog

 

 

 

Er war meine Mission.        

„Pearl, ich liebe dich“, murmelte er mit liebestrunkenen Augen, als er mir zärtlich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr strich. Ich schloss meine und konzentrierte mich auf seinen beruhigenden Atem, der mir seichte über die Wange strich und dabei meine Haut zu liebkosen versuchte.

 

Ich war sein baldiger Tod.
        

„Yaron ...“, hauchte ich zurück, fuhr dabei mit meinen Händen seinen nackten Rücken entlang, spürte, wie sich die Muskeln unter meinen Fingern anspannten.

 

Er war der Untergang der Menschheit.
       

„Was machst du bloß mit mir?“, drang seine raue Stimme zu meinen vernebelten Gedanken hindurch. Dich so um den Verstand bringen, dass du deinen Tod nicht mal kommen sehen wirst, dachte ich nur und ließ mich von seinen starken Armen umschließen.

 

Ich war die letzte Hoffnung.
        

„Schlaf jetzt, Liebster“, flüsterte ich lieblich in sein Ohr und sah ihm erneut in die stechend-grünen Augen, bevor ich ihm einen Nachtkuss zwischen diese gab. 
        

„Wenn diese Liebe nur in meinen Träumen existiert, dann weck mich nicht auf“, waren seine letzten, müden Worte als er erneut einschlief.

 

Es war soweit.
        

Ich musste ihn töten. Ich musste es tun. Ich sollte es tun. Die Zukunft der gesamten Menschheit hing am seidenen Faden, denn ...         


Konnte ich es tun?
        

Sachte zeichnete ich mit den Fingerspitzen seine makellosen Gesichtskonturen nach, wobei mich eine undefinierbare Wärme erfüllte.

 

Ein sanftes Klirren, ein leichtes Knacken.
        

Ich hörte Geräusche, als würden winzige Glasscherben auf Stein fallen.

 

Erneut knackte es.
              

Unvermittelt verschwand die Wärme und kalter Wind ließ mich frösteln.

 

Unmittelbar vor mir.
        

Eine Präsenz, die mir heiß und zugleich kalt den Rücken runterlief. Langsam hob ich meinen Blick von dem schlafenden jungen Mann und begegnete denselben stechend-grünen Augen - Nur wirkten sie diesmal härter. Älter.

 

Er richtete eine Pistole an meine Schläfe.
        

„Du machst einen Fehler, Yaron“, sagte ich mit verbissener Stimme; Unweigerlich blieben meine Augen an der Narbe hängen, welche sich über sein Gesicht zog. 
              

„Nein, die Einzige, die hier einen Fehler macht, bist du, Pearl.“

 

Das Letzte, was ich hörte war ein betäubender Knall. 
         

             ... Und dann Nichts.

Kapitel 1 - Die Frau in Schwarz

 

 

 

Ich befand mich inmitten von Nichts und war Überall. Einsame Schwärze verschluckte mich. Meine verlorenen Schritte hinterließen ein lautes Hallen.

Wo bin ich?, fragte ich mich, dabei hing mein Gedanke wie ein Echo in der Luft. Irgendetwas war anders.

Und plötzlich änderte sich das Universum um mich herum, und ich fand mich im Supermarkt wieder. Ich stand vor der Kasse, blickte vor mich auf den Kassentresen und war anscheinend dabei vier Kasten Alkohol zu kaufen. Nichts Neues. "Warte, ich bin mal eben hinten, Geld wechseln", sagte der junge Kassierer, den ich mittlerweile nur zu gut kannte. Ich wusste seinen Namen nicht, aber sah ihn hier fast jeden Tag. Mit einem 500$ Schein machte er kehrt und verschwand hinter einer Tür für Mitarbeiter.

Mir wurde auf einmal kalt und Gänsehaut bildete sich auf meinen nackten Armen. An mir herabbkickend, sah ich mich in Partykleidung angezogen; Minikleid, glasig, in einem Eisblau, welches das dämmrige Licht des Supermarktes wie ein Kristall reflektierte, mein Rücken war fast vollkommen nackt, mein Ausschnitt akzeptierbar.

Ich fragte mich, ob ich die Einzige war, die die schleichende Kälte bemerkte. Dies war Los Angeles, es war Sommer und für gewöhnlich war der Sommer hier heiß. Dazu kam, dass der Supermarkt keine Klimaanlage installiert hatte.

Rechts über meine Schulter blickend, bemerkte ich nur einpaar Personen. Sie schienen von der Kälte nichts zu spüren, da alle in Tops und Shorts angezogen waren und munter durch die Regalreihen schlenderten.

Ich wollte mich gerade nach links umblicken, als dort unmittelbar vor mir eine lange sportliche Frau in Schwarz stand und mich anlächelte, ihr dunkles Haar streng zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, in schwarzer enger Hose mit schwarzen Lederstiefeln, darüber hatte sie ein kakifarbenes langes Tülloberteil an, unter dem man ihr schwarzes Top erkannte. Sie stand dort auf eine Art elegant, doch lässig. Was mich jedoch nervös machte war, dass sie mich direkt ansah.

"Wollen Sie etwas?", fragte ich fast schon grob, um meine Nervosität zu überdecken. Ihr Blick machte mich verrückt, und das nicht auf eine schöne Art und Weise. Sie legte den Kopf schief und schmunzelte amüsiert mit ihren vollen Lippen. "Ich kenne dein wahres Ich."

"Niemand kennt mein wahres Ich. Wer sind Sie?!" Ich wollte so schnell wie möglich weg von dieser Irren. Ungeduldig blickte ich mich nach dem Kassierer um.

"Ich komme aus der Zukunft. Sie ist zerstört ..." Plötzlich änderten sich ihre Gesichtszüge von Ernsthaftigkeit in eine harte Maske. "Und hinter dir, ist der Grund dafür."

Das Nächste, was ich mitbekam, war wie ich urplötzlich zur Seite gerissen wurde, sie eine Waffe zückte und reißende Schüsse fielen.

"Duck dich!", rief sie mir zu, als sie mich am Handgelenk packte und eilig aus dem Shop zog. "W-Was war das? Was ist los? Und lassen sie mich gefälligst los!" Zu geschockt von dem, was los war.

"Wenn ich dich loslasse, wird er dich umbringen. Beeil dich!" Mich umbringen? Wieso sollte mich ein Wildfremder umbringen wollen? Die Frau war doch Irre. Noch immer versuchte ich mein Handgelenk aus ihrem Griff zu zerren, doch ohne Erfolg. Als ich hinter mich blickte, sah ich wie ein junger Mann aus dem Supermarkt gestürmt kam. In der linken Hand ebenfalls eine Waffe, die er nun auf uns richtete. "Pandora du Miststück!", hörte ich ihn fluchen, dabei fiel mir eine lange durchsichtige Narbe auf, die sich über seine rechten Gesichtshälfte zog. Ich schluckte. Gerade wo ich dachte, er würde abdrücken, schüttelte er frustriert den Kopf, wobei seine schulterlangen wirren braunen Locken auf und ab baumelten, und rannte zu einem Auto in der Nähe des Eingangs.

"Trödel nicht so! Willst du uns beide umbringen, Pearl?!" Woher kannte sie meinen Namen? Verhemmend schüttelte ich meinen Kopf und hörte auf mich zu wehren. "Schon besser", sagte sie und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

Wir kamen an einem Porsche an, sie orderte mich an, mich auf den Beifahrersitz zu setzen. Wenig später hörten wir Reifen quietschen und als ich aus dem Fenster sah, sah ich wie ein Jeep auf uns zuraste und meine Augen sich weiteten. "Schnell, mach doch was! Er kommt!"

"Hör auf zu quasseln und schnall dich an", meinte sie mit einem verbissenem Unterton woraufhin ich sie abwertend ansah. Ich konnte sie einfach nicht ausstehen. Doch als ich dann mit einem bitteren Gesicht wieder nach vorne blickte stockte mir der Atem. "Pass auf, da ist eine eingebrochene Brücke!", rief ich voll Entsetzen aus. Alles, was die Verrückte neben mir machte war mehr Gas zu geben und genau in diese Richtung zuzusteuern. Meine Augen weiteten sich und meine Nägel krallten sich in den Sessel. "Bist du lebensmüde?!"

Im nächsten Moment schwebten wir in der Luft. Die Irre Tussi war auf eine offene abgesperrte Brücke zugesteuert. Ich kniff meine Augen zusammen und wartete auf den Aufprall, jedoch kam nie einer. Als ich verwirrt wieder die Lider aufschlug befand ich mich nicht mehr auf dem Beifahrersitz eines Autos, sondern auf einem Sessel eines venezianisch eingerichteten, mir unbekannten, Wohnzimmers.

"Verwirrt?", hörte ich erneut dieselbe Stimme fragen. Ich blickte bockig zu meiner rechten Seite, wo die Frau von gerade eben sich gegen ein Sofa lehnte.

"Was zur Hölle geht hier vor sich?", fragte ich beißend. Sie lächelte amüsiert und sagte: "Wow, eine ganz andere Seite von dir. Hätte ich nicht erwartet, Pearl." Böse zog ich die Augenbrauen zusammen. Ich wusste eindeutig nicht, was hier los war, und ich mochte es nicht im schwarzen rumzutapsen. "Mir egal.. Pandora", äffte ich ihr nach und benutzte den Namen, den der Kerl nach ihr gerufen hatte. Es schien, als würde sie anfangen ungeduldig und restlos zu werden. "Hör mir zu, Kleine. Ich habe nicht lange Zeit. Wenn der Mann von vorhin erneut auftaucht, dann bricht dieser Traum in sich zusammen."

Aufmerksam kniff ich die Augen zusammen. Zwar fand ich, dass sie da Bullshit redete, doch meine Träume waren bisher nie kreativer und einfallsreicher gewesen. "In der Zukunft ist die Erde, wie du sie kennst, nur noch eine vertrocknete Kugel. Ich gehöre einer Geheimorganisation aus der Zukunft an, die sich IntraNebula nennt. Und wir brauchen deine Hilfe."

"Meine Hilfe?", fragte ich skeptisch. Sie nickte.

"Bitte, Pearl, du bist unsere letzte Hoffnung. Du hast die Möglichkeit, die Dinge aufzuhalten. Alle... werden sonst sterben." Sie klang nun sehr traurig und sah zu Boden. Dann ging sie um das Sofa herum und setzte sich. "Ich habe meine kleinen Zwillingsschwestern an sie verloren. Sie... sie waren erst 12. Und nun... sind sie eine von ihnen."

Ich schluckte. Was würde nur geschehen? Mutierte dieser Traum nicht langsam zu einem Albtraum? War es denn nicht schon ein Albtraum? "Ihnen?", fragte ich verunsichert. "Wen meinst du damit?"

Pandora biss die Kiefern aufeinander. Ihre Wangenknochen traten hervor und eine Träne fiel ihr aus dem rechten Augenwinkel. "Die Wiedergänger."

"W- Was ist das?", fragte ich, zugleich war mir die Anspannung in der Luft so unheimlich, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es überhaupt hören wollte. Doch es war schon zu spät, sie fuhr fort. "Es sind Untote. Du kannst sie auch 'Zombies' nennen. Der Name ändert allerdings nichts daran, was und wie abartig sie sind." Sie holte erschöpft Luft. "Meine Schwestern, Rosie-Lynn und Mary-Ann, sie wurden von diesen Viechern gebissen. Ich kam von der Universität nach Hause, als ich meine Eltern mit aufgerissener Bauchdecke im Wohnzimmer vorfand, und meine Schwestern wie sie über diese gebeugt waren, und sie.... AßEN."

Ich rümpfte die Nase. Ich konnte meine Gedanken nicht abstellen, sich das alles bildlich vorzustellen. Wieder blickte sie auf und verzweifelt in meine Augen. "Hilf uns, Pearl."

Den fetten Kloß der sich in meinem Hals gebildet hatte, schluckte ich mühevoll herunter. Gerade als ich nicken wollte krachte es, die Wände fingen an zu knacken, im Boden bildeten sich Risse. Erschrocken zog ich meine Beine an mich und sah verschreckt um mich. Dann wurde ich plötzlich von Pandora am Oberarm gepackt und an die Wand gezogen, bevor ich in das riesige schwarze Loch fallen konnte, das sich nun in der Mitte des Raumes befand. "Was geht hier vor sich? Ich will helfen, was muss ich tun?!", rief ich ihr hektisch zu. Sie sah mich mit glänzenden Augen an. "Das ist der Kerl von gerade eben. Er ist der Grund weshalb die Erde von Wiedergängern besiedelt wird. Was IntraNebula von dir will ist, ihn in deiner Zeit zu finden, bevor er all das Unheil anrichten kann, und zu töten!", rief sie zu mir. Ich wusste nicht was geschah, weshalb wir uns zurufen mussten, weil aus einem mysteriösen Grund ein Hurrikan in Zimmer war. Doch als ich auf die andere Seite blickte, stand dort plötzlich wieder dieser Kerl, von dem ich mich in Acht nehmen sollte. Er war unbemerkt durch die Tür gekommen und nun brach alles in sich zusammen.

"Spring in den Hurrikan!", rief mir Pandora zu, dabei wirbelte ihr dunkles Haar wild um ihr Gesicht. Ich sah sie nur mit einem Blick an, der soviel sagte wie, dass sie mich mal kreuzweise am Hintern könne. Ich war doch nicht lebensmüde. "Ich habe ihn gemacht, Pearl! Das ist deine einzige Rettung. Es wird dir nichts geschehen. Ich werde wieder kommen! Jetzt spring!" Ohne ein weiteres Wort abzuwarten sprang ich. Nach vorne, in die Richtung von diesem Typen, der 10 Meter entfernt stand. Seine vollen Lippen formten noch ein lautes "NEIN!", als ich vom Hurrikan verschluckt wurde und in Dunkelheit getränkt.

Nach einer Weile merkte ich, wie ich wieder auf den Füßen stand. Ich fragte mich, weshalb ich noch immer nichts sehen konnte, als ich im nächsten Augenblick auch schon die Augen aufschlug und Stimmen von überall um mich herum wahrnahm. Ich stand inmitten eines Flures oder dergleichen. Ich wusste nicht genau, doch neben mir befand sich ein gigantischer Vorhang, dahinter drangen aufgeregtes und enthusiastisches Gekreische bis hierher durch. Als ich mich umsah, kamen gerade einpaar Jungs um eine Ecke gelaufen, alle sahen verschieden aus, doch einer stach mir sofort ins Auge. Einer, den ich schon vor nicht weniger als einer Minute gesehen hatte und der versucht hatte, mich umzubringen.

Ich wollte mich verstecken, weglaufen. Doch ein Blonder, der, wie mir nun auffiel, drei Jungen, lief geradewegs durch mich hindurch. "Zac hat's mal wieder eilig." Ich erschauderte. Was. War. Das? Zwei Meter weiter blieben die vor einem Ausgang stehen. Als ich genauer hinsah, realisierte ich, dass es der Eingang auf eine massive Bühne war, davor befanden sich Millionen von Mädchen.

Wo zur Hölle befand ich mich?... Schon wieder.

Doch dann wandte ich mich diesem Jungen zu. Er schien mich nicht zu sehen. Selbst als ich mich vor ihn stellte und unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, sah er mich nicht. Er sah nervös aus. Und jetzt, wo ich ihn näher betrachten konnte, fiel mir auf, wie... hübsch er war. Seine Züge waren rundlicher, sein nervöses doch zufriedenes Lächeln so zart auf seinem vorher harten Gesicht. Und die Narbe, welche sich eigentlich über sein Gesicht zog, war nicht mehr da. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das hier war der, den ich finden sollte. Er war der Grund, weshalb alle zu Wiedergängern werden würden. Ich weiß nicht, was er in Zukunft tun würde, doch mein Hass auf ihn nahm zu, je länger ich ihn so in seinem unbeschwerten Leben beobachtete.

Automatisch hob sich meine rechte Hand, mein Zeigefinger strich sachte und gefährlich über seine Wange. Als er versteinerte und sich seine Augenbrauen streng zusammengezogen , zuckte meine Hand sofort wieder zurück. Erschrocken stellte ich fest, dass seine stechend grünen Augen mich fixierten. Meine Atmung stoppte. Sah er mich? Wurde ich erwicht? "Das gerade... was war d-", war er am murmeln, als er ruckartig unterbrochen wurde. Der Dritte, ein gut gebauter Kerl mit ebenholzschwarzem Haar, schüttelte ungeduldig seine Schulter, woraufhin er wieder zu sich zu kommen schien. "Ey, Yaron, was träumst du? Wir wurden aufgerufen! Komm schon, ich hab mich zu dieser Charity nur wegen dir in diesen dämlichen Anzug geworfen!"

"Keith. Ja... Ich..." Noch einmal sah der Junge, mit dem lockigen braunen Wuschelkopf suchend in meine Richtung, doch sein Blick glitt am mir vorbei. Er konnte mich also doch nicht sehen. Ich bemerkte jedoch, wie seine Hand unbewusst an seine Wange wanderte, über die ich zuvor gestrichen hatte. "Ich komme."

Als er hinter dem Vorhang verschwand und das Gekreische noch lauter wurde, lächelte ich schmunzelnd in mich rein. "Yaron also..."

 

>>If you want it, come and get it I’m a bad girl I’ma do what I do I can have my cake and eat it too A girl like me will bring you to your knees ‘Cause that’s what bad girls do-<<

"GRRRRR!", stöhnte ich, presste mit der einen Hand mein Kissen ins Gesicht und versuchte gleichzeitig mit der anderen Hand nach meinem Wecker zu schlagen. Ich bekam irgendwas zu packen, etwas, das vibrierte. Verwirrt öffnete ich meine Augen und sah mein mit pinken Diamanten überzogenes Handy in der Hand an.

>'BABYGURL <3' ruft an<

Als ich das las, schmiss ich mein überdimensional großes rosa Kissen sofort zur Seite und drückte auf "Anruf entgegen nehmen'.

'Süße, wo bleibst du denn?? In wenigen Minuten fängt der Unterricht an', drang die weibliche Stimme meiner besten Freundin durch den Hörer. "Hey, Raven!", rief ich in den Hörer und streckte mich zufrieden im Bett. "Du weißt doch, dass mich Schule nach einer gelungenen Partynacht nicht kümmert. Was ist es wirklich?"

'Ich weiß, manchmal frage ich mich, wie du es jeden Morgen mit diesem Kater aushälst. Aber man nennt dich ja nicht ohne Grund die Partykönigin! Also, ich wollte nur Bescheid sagen, dass Will Singer heute Sturmfrei hat und die größte Party des Jahres schmeißt. Dort müssen wir anwesend sein!'

Ich grinste ein schiefes Lächeln, stand vom Bett auf, stellte mich vor meinen menschengroßen ganzkörper Spiegel und sah mich mit einem sexy Blick an. Meine violetten Augen blinzelten mich aufgeregt an und betrachteten mein Spiegelbild in Unterwäsche. Meine freie Hand fuhr durch mein natürliches wasserstoffblondes Haar, um dem Kater ein wenig zu dämmen.

Ich brauchte ein Paracetamol.

"Natürlich werden wir dort sein, Raven. Ich kann mir doch nicht die Party vom heißesten Typen der Schule entgehen lassen. Wir sehen uns dann bei mir gegen sechs Uhr Abends. Bye, Süße."

'Bye, Schatz. Bis später.'

Als ich aufgelegt hatte, in der Küche ein Glas Wasser mit dem Paracetamol geschluckt und mich in meinem Zimmer in den Whirlpool gesetzt hatte, brachen die Ereignisse aus meinem Traum erst auf mich ein.

Nachdenklich blickte ich in die Leere, fragte mich, weshalb ich mich trotz des Alkoholintuses an jedes Detail erinnerte. Meistens wachte ich ohne jegliche Erinnerung an die letzte gesamte Nacht auf. Doch dieser Traum...

"Du heißt also Yaron." Meine Lippen spitzten sich zu einem süffisanten Lächeln. "Interessant."

 

 

Kapitel 2 - Im schlechten Licht

 

 

 

Merkwürdige Situation. Aber das war jeden Tag so üblich.

Ich saß gerade mit meinen Eltern am Frühstückstisch. Wir aßen in Stille. Aber diese Stille war keineswegs angenehm. Jedes Mal hing diese gewisse Spannung in der Luft, die ich am liebsten mit meinen manikürten Fingernägeln zerreißen wollte. Auf meinem Sandwich am kauen, ließ ich meine Augen wachsam durch den Essbereich wandern. Es war alles ausgesprochen edel gehalten. Wie jeder andere Raum in unserer Villa ebenfalls. Marmorne Böden, Gläserne Regale. Weißgoldene Antiquitäten. Ich hasste es. Ich hatte mich nie wohl und zu Hause gefühlt. Jedes Mal musste man Angst haben, irgendetwas anzufassen und kaputt zu machen.

"Also, Pearl. Wie sieht es mit deinen Noten aus?", fragte meine Mutter und sah mich nicht einmal dabei an.

Kritisch betrachtete ich sie und sagte trocken: "Wie immer."

"Du weißt, dass deine Noten so bleiben müssen. Wir können für dich nicht immer an den Fäden ziehen", gab sie dann zurück.

"Ja, Mutter", antwortete ich und rollte meine Augen dabei.

"Warum bist du nicht in der Schule?", fragte dann mein Vater monoton. Fast hätte mich seine Frage überrascht, denn normalerweise war ihnen egal, was ich machte und was ich ließ. "Du weißt, dass das ein schlechtes Licht auf unseren Familiennamen wirft."

Ich wusste es doch. Alles, um das diese zwei Menschen sich Sorgen machten war unser ach so toller Familienname. Sie fragten nicht nach mir. Nie. Mein Leben lang hatte ich sie und ihre Arbeit verflucht. Als Kind war ich fast immer alleine gewesen. Anfangs war mein älterer Bruder, Blace, noch hier gewesen, doch als er die Schule abschloss, hatten sie ihn ohne zu warten sofort auf die Harvard University geschickt. Und von mir erwarteten sie, dass ich in seine Fußstapfen trat. Nein, dass ich IHREN Fußstapfen folgte.

Nur damit sie sich ein wenig mehr über mich ärgerten sagte ich die nächsten Worte mit einem gelassenen Lächeln, und provozierender Stimme: "Heute Nacht werde ich nicht hier sein. Es findet diese große Party statt. Die Größte des Jahres …"

Nun sah mein Vater mich streng an. "Versuch nicht allzu viel Aufsehen zu erregen. Schließlich gehörst du einer der reichsten Familien an. All diese Skandale werden deine Chancen bei Harvard angenommen zu werden, verringern." Abgesehen davon, dass ihr es sowieso irgendwie schaffen werdet, mich darauf zu bekommen. Es ging schon immer um ihren eigenen Ruf. Ich war nur ein Dorn im Auge.

"Schatz", sagte meine Mutter an meinen Vater gewandt und versuchte ihn zu beruhigen. "Es ist nur eine Phase. Lass sie machen, was sie will, solange sie jung ist. Bald wird es vorbei sein."

Das waren die letzten Worte am Tisch, bevor wieder die Stille eintrat.

Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen stand ich auf und ging auf mein Zimmer. Ich war noch immer ein wenig müde von der letzten Nacht, doch untersagte mir erneut einzuschlafen. Doch sobald ich mich auf mein Bett hatte fallen lassen, klappten meine Augen ganz von selber zu. Und die Müdigkeit übermannte mich, bis ich in einem festvollen Garten stand.

Dann hörte ich ein Flüstern ...

 

"Ich liebe dich."

 

Kapitel 3 - Kenne deinen Feind

 

 

 

Der Blick seiner grünen Augen war so unendlich tief, dass ich mich auf ewig in ihm hätte verlieren können. Die Worte, die er gerade geflüstert hatte, während seine Hände mein Gesicht umschlossen hielten, brachten meine ganze Welt zum kippen. Ja, ich mochte ihn, sehr sogar, doch ob es Liebe war wusste ich nicht genau.

Erwartungsvoll schaute er mich an, wartete auf ein Geständnis meinerseits.

»Pearl?«, fragte er vorsichtig als er bemerkte, dass sich Tränen in meinen Augen sammelten. Doch anstatt zu antworten tat ich das, was ich eigentlich schon lange wollte. Ich küsste ihn.

Überrascht wich er zurück nachdem sich unsere Lippen für ein paar Sekunden getroffen hatten.

»War das falsch? Ich mein du hast grade eben ...«, setzte ich an, doch wurde sogleich von dem Lockenkopf vor mir unterbrochen.

»Nein, nein! Das war vollkommen in Ordnung. Ich bin nur ... verwundert. Ich hätte nicht gedacht, dass du mich auch magst. Und in der Regel weinen die Mädels auch nicht los wenn ich ihnen meine Liebe gestehe.« Er lachte und wischte mir eine Träne von der Wange.

»Es ist nur ... ach egal. Wie geht es eigentlich deinem Arm? Ist der Schnitt tief?« Ich ergriff seinen Arm und untersuchte die Region um sein Handgelenk. Dort hatte der Wiedergänger, der uns vor ein paar Tagen angegriffen hatte, ihn verletzt. Glücklicherweise war die Wunde gut verheilt und es blieben keine weiteren Schäden. Mit Zombie-Viren war nicht zu spaßen ... das hatten wir in den letzten Monaten genug zu spüren bekommen.

»Mir geht es gut«, meinte er, »ich fühle mich auch nicht sonderlich zombifiziert. Ich bin weder aggressiv - zumindest nicht mehr als sonst -, fange nicht an zu verwesen und fühle auch keinen sonderlichen Hunger auf Gehirne.«

Wieder lachte er und ich boxte ihn aufgrund seines blöden Kommentars in den Oberarm.

»Idiot«, lachte ich, »Wenn du dich verwandeln würdest, wäre es mithin das Schlimmste was passieren könnte.«

»Soll das heißen du bist ohne mich aufgeschmissen? Oder bin ich dir etwa so wichtig? Man küsst ja schließlich nicht einfach jemanden den man nicht mag. Oder sind Pearl'sche Welten anders was das angeht?« Er zwinkerte und ich verdrehte die Augen.

»...ja... vermutlich wäre ich dann bald tot. Ohne dich«, sagte ich dann leise und senkte den Blick, »du hast mir jetzt schon so oft geholfen. Hast auf mich zueilende Wiedergänger getötet, mich vor blöden Taten bewahrt ... ohne dich wäre ich wirklich verloren.«

Ich schaute auf und schaute in sein milde lächelndes Gesicht, während er meine Hände ergriff.

»Andersrum wäre es genauso. Du hast mir auch schon so oft das Leben gerettet, dass ich gar nicht wüsste was ich damit anstellen soll, wenn du nicht mehr auf dieser Erde wandeln würdest. Ich kann es nur wiederholen: Ich liebe dich. Und du ahnst gar nicht wie sehr«, er beugte sich vor und küsste mich. Lange und leidenschaftlich. Und ich gab mich ganz dem warmen Gefühl hin. Ich vergaß meine komplette Umgebung. Eigentlich befanden wir uns in einem Garten. Es war helllichter Tag und die Sonne brannte heiß auf unsere freigelegten Arme nieder, um uns herum wirkte es, als würde die Luft kochen. Die dünnen sandfarbenen Mäntel, mit den Kapuzen waren kaum genug, um uns vor den erschöpfenden Strahlen der Sonne zu schützen.  Der Duft der Blumen war längst verflogen, fast alle Blumen waren verdorrt. Das Gras knirschte unter unseren Füßen wenn wir uns bewegten und nach vielen wunderschönen Augenblicken der Zweisamkeit bemerkten wir, dass das Geräusch des Grases, welches wir gerade hörten nicht zu uns gehörte.  Wir lösten uns voneinander und ich spähte in die Schatten. Hinter einer Hecke kamen zwei verrottet aussehende Wiedergänger hervor, die versuchten menschliche Spur aufzunehmen.

»Komm, weg hier«, meinte er und zerrte mich am Handgelenk weg. »Noch ein Kampf kann ich heute nicht mehr ertragen.«

Wir nahmen unsere Beine in die Hand und verließen den Garten und hofften einfach, dass die Wiedergänger uns nicht folgen würden. Gerade als wir Hand in Hand durch die Helligkeit des Tages rannten fing plötzlich an alles vor meinen Augen zu verschwimmen und schien sich in kleine Pixel aufzulösen. Ich schaute um mich herum und sah wie die Hand des braunhaarigen Lockenkopfes zu meiner Rechten sich in Luft auflöste und er nach wenigen Momenten verschwunden war.

»Was zum...?«, murmelte ich als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Reflexartig ergriff ich den Angreifer und wollte ihn mit einem gekonnten Schulterwurf zur Strecke bringen, doch es ging nicht. Die Person hinter mir blieb einfach stehen.

»Aber, aber, junge Dame«, lachte eine mir bekannte Stimme. Ich drehte mich um und blickte Pandora ins Gesicht. Was machte denn diese komische Frau hier und wieso war alles um mich herum grau und farblos?

„Was geht hier vor sich?“, fragte ich argwöhnisch und sah sie mit hochgerecktem Kinn an.

„Ich habe dir gesagt, dass ich zurückkehren würde. Vieles ist noch ungeklärt.“ Sie kam mit langsamen anzüglichen Schritten auf mich zu, hob die Hand vor meine Augen und schnipste einmal mit den Fingern. Der Boden unter meinen Füßen löste sich auf, als eine kühle Brise an mir vorbeiwehte schloss ich überwältigt die Augen. Nur um im nächsten Moment überwältigter auf eine riesige Stadt viele Kilometer unter uns zu gucken. Ich beobachtete Atem schöpfend, wie sich die Gebäude selber aufzubauen schienen, Menschen erschienen. Alles plötzlich miteinander interagierte. „Wie ist das möglich?“, stieß ich ergriffen aus.

Pandora tauchte in meinem Augenwinkel neben mir auf. „Das, Kleines, nennt sich Klartraum-Manipulation.“

Dieses Mal wandte ich mein Gesicht ihr zu. „Klartraum?“

Ein geheimes Grinsen streckte sich über ihre Lippen. „In einem Klartraum ist der Träumende sich bewusst, dass er träumt und kann gewollt Einfluss auf seinen Traum nehmen“, sagte sie und schmunzelte. „Warst du dir bis jetzt bewusst, dass du träumst?“

Geschockt weiteten sich meine Augen. Ich überlegte, doch nein, mir war es nicht bewusst gewesen. Nicht einmal der kleinste Gedanke wurde daran verschwendet, wie unnormal und unrealistisch dies alles war. Nun bewusster über meine Lage, hob ich zögerlich meine Hände vor mich und inspizierte sie, ballte sie zu Fäusten und löste sie wieder. Es fühlte sich merkwürdig an.

„Dachte ich es mir doch. Das Wichtigste ist, dass du dir bewusst wirst zu träumen. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Du kannst dich zwicken, gucken wie die Zeit vergeht, ob Personen plötzlich verschwinden, Gegenstände werfen und schauen ob sie eine ungewöhnliche Flugbahn haben. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, die Beste kannst allerdings nur du für dich herausfinden.“

„Was genau soll das Zwicken bewirken?“ Ich senkte meine Arme wieder und sah neugierig zu ihr auf. War sie vielleicht auch nur eine Projektion meines Traumes? Meines Unterbewusstseins? Aber woher sollte ich all diese Dinge wissen?

Ihr Blick streifte in die Ferne, ihre Augen wurden unfokussiert.  „Es kann sein, dass du kein Zwicken spürst. Und falls doch, dann fühlt es sich dumpfer an, weil in Realität sich alles viel intensiver anfühlt ... Das war Schritt 1. In Schritt 2 geht es um Die Manipulation. Du kannst in deinen Träumen fast alles manipulieren. Ob Gegenstände, Gebäude oder ganze Städte. Du musst nur dran denken. Und das testen wir auch jetzt sofort.“

„Testen?“, fragte ich irritiert und bemerkte mit zunehmender Vorsicht, dass der Ausdruck in ihren Augen, die sie auf mich gerichtet hatte, einen sadistischen Unterton hatte.

„Mal sehen ob du es überlebst“, sagte sie, während sie erneut eine Hand erhob und schnipste. Bevor ich protestieren konnte, stürzte ich in die Tiefe und spürte den Wind an meinem Körper vorbeischießen.

 

Süßlicher Geruch kitzelte in meiner Nase und brachte mich zum Niesen. Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich auf unserem Sofa lag. Verwirrt schaute ich mich um. War ich nicht vorhin noch in einem Garten gewesen? Es schien so verdammt real zu sein, dabei MUSSTE es doch ein Traum gewesen sein. Und diese Frau, Pandora, hatte schon wieder mit mir geredet und mir abgefahrenes Zeug erzählt. Ich richtete mich auf und schwang die Beine von der Couch, sodass ich normal saß. Mein Kopf tat weh, als hätte jemand versucht ihn zu Brei zu drücken. Das mussten die Spätfolgen der letzten Party sein, auch wenn ich doch sonst den Alkohol so gut vertrug. Mit den Händen fuhr ich durch mein Gesicht und strich die Haare aus meinem Gesicht. Dann stand ich auf und ging dem süßlichen Geruch auf die Spur. Er führte mich in die Küche, wo unsere Köchin Melinda gerade etwas zubereitete.

„Was wird das, Melinda? Was machen Sie da?“, fragte ich argwöhnisch, während der süße Duft stechend in meine Nase zog. So süß, dass es wieder widerlich war.

„Ich bereite schon mal den Nachtisch für nachher vor, während das Hähnchen im Ofen schmort. Haben der werte Herr und die werte Frau schon etwas über das Mittagessen gesagt? Wie hat es geschmeckt?“, fragte die kleine, dickliche Frau und grinste mich überfreundlich an. Mittagessen? Wann hatten wir denn zu Mittag gegessen? Wie spät war es denn?

„Ähm … keine Ahnung“, meinte ich spontan und schaute auf die Küchenuhr. Es war schon nach Sieben. Was zum…? Was ist aus dem Tag geworden? Vorhin war ich noch am Frühstückstisch gesessen und nun war es bald Zeit für das Dinner?

Wortlos verließ ich die Küche und schleppte mich in die obere Etage, betrat mein Zimmer und ließ mich auf mein großes Bett fallen. Mein Kopf hämmerte immer noch ohne jeglichen Grund und ich fühlte mich irgendwie schlapp und müde. Ich sah wie das Notification-Licht an meinem Handy ständig aufleuchtete, also nahm ich es in die Hand und sah nach was ich verpasst hatte. 15 neue Nachrichten. Von keiner geringeren als Raven. Schnell überflog ich ihre Nachrichten ehe ich eine Antwort tippte.

„Ja. Okay. Werd‘ da sein“, mehr schrieb ich nicht. Wenige Sekunden nachdem die Antworte gesendet war, rief auch schon Raven auf meinem Handy an.

„Ich hab dir doch grade geantwortet“, meinte ich kichernd.

Süßeeee!“ drang Ravens Stimme aus dem Hörer, „wo bleibst du denn? Und wieso warst du heute nicht in der Schule? Sonst schwänzt du doch nur die ersten paar Stunden?“

„Ich hab mich nicht sonderlich gut gefühlt und wieso sollte Schule meine Stimmung noch weiter runter ziehen. Aber was meinst du mit ‚wo bleibst du‘?“, fragte ich und setzte mich auf. Durch die plötzliche Bewegung wurde mir kurz schwarz vor Augen und ich hielt mir den pochenden Kopf.

Na, die Party von Will? Wir wollten uns vor einer Stunde schon treffen!“

Ja…stimmt. Tut mir leid, ich muss eingenickt sein. Ich bin so schnell wie möglich bei dir. Bis gleich!“

„Ja, okay, ich-“, ehe Raven ausreden konnte hatte ich schon aufgelegt und sprang auf. Die Party! Wie konnte ich nur die Party vergessen? Das sah mir so gar nicht ähnlich. Ich betrat mein großes Ankleidezimmer und suchte mir binnen weniger Minuten ein Partyoutfit aus. Ich schlüpfte in die Klamotten und betrachtete mich dann im Spiegel. Mein Outfit bestand aus einem petrolfarbigem Seidentop, das bis zum Hals geschlossen war und am Rücken großzügig ausgeschnitten war, sowie ein enger schwarzer Rock und dunkle Riemchen-High-Heels. Meine Haare flocht ich zu einer Wasserfallfrisur, die in einem Flechtzopf endete. Schnell schminkte ich mich- dezent, aber sexy-, ergriff meine Clutch und eine schwarze Lederjacke und verließ das Haus. In der Auffahrt stand, noch von gestern Abend, mein dunkelrotes Cabriolet, in das ich einstieg und mich auf den Weg zu Raven machte.

 

Als Raven und ich auf der Party ankamen, war diese schon in vollem Gange. Will Singer war bereits besoffener als ich die letzten drei Abende zusammen und torkelte von Ecke zu Ecke, wobei er nicht selten einen Partygast umrempelte.

„Pearl…Raven…“, lallte er, „schön, dass ihr da seid!“ Er legte den Arm um Raven, die angewidert zur Seite wich, wodurch Will fast auf seine große Klappen fiel.

„Ja, wir freuen uns auch“, meinte meine beste Freundin ehe sie sich bei mir einhakte und wir uns die Location ansahen. Ein paar schnieke Jungs hatten wir auch schon ausfindig machen können, was besonders Raven freute. Sogleich ließ sie mich allein und machte sich an einen blonden Schönling ran, der auf einem Sessel saß. Sexy ließ sie sich auf seinem Schoß nieder und flirtete ihn an. Offenbar hatte der Junge auch schon etwas intus, denn er hielt ein halbvolles Scotch-Glas in der Hand. Charmant umwob Raven den Jungen, der sofort drauf anstieg und ich entschloss mich weiter umzusehen. Ein paar Jungs boten mir einen Drink an und versuchten sich im Smalltalk- die Drinks nahm ich dankend und charmant lächelnd an, vor dem Smalltalk flüchtete ich.

Eine gute Stunde nach unserer Ankunft fühlte ich mich schon wesentlich besser als zuvor. Der ganze Alkohol zeigte seine Wirkung und ich ließ schon beinahe alle Hüllen fallen. Irgendwann begann die Umgebung sich merkwürdig zu verzerren und zu verschwimmen und das Gehen wurde immer schwieriger. In Wills Haus führte eine große Marmor-Treppe ins obere Geschoss und anstatt die Treppe hochzugehen, wie ich eigentlich geplant hatte, setzte ich mich einfach auf die Stufen und lehnte mich am Geländer an. Etwas war nicht normal mit mir. Ich vertrug Alkohol sehr gut, irgendein Spast musste mir was in den Drink gemacht haben. Wenn ich den Idioten fand, konnte er sich gleich einen Termin beim Schönheitschirurgen nehmen. Geräuschvoll schnappte ich nach Luft und legte dann meinen Kopf gegen das kalte Marmorgeländer. Ich schloss die Augen und hoffte einfach, dass es mir wieder besser ging wenn ich aufwachte.

 

„Die Gerüchte stimmen also.“

Perplex fand ich mich in einem schwarzen Nichts wieder und drehte mich um. „Pandora.“ Genannte inspizierte mich von Kopf bis Fuß und grinste. Ich wusste nicht wirklich wie ich das deuten sollte und wollte mir mit der rechten Hand durchs Haar streichen, als ich mitten auf meiner Handinnenfläche einen roten Punkt entdeckte, den wir uns auf der Party bei einem Spiel draufgemalt hatten ... Party.

„Ein Traum“, flüsterte ich mehr zu mir selbst, als in den Raum. „Das hier ist ein Traum.“ Und sobald ich dies realisierte, konnte ich mich auf einmal selber spüren, kontrollieren. Ich wurde mir bewusst.  ‚Sobald ich mir bewusst werde, kann ich alles kontrollieren, huh?’, dachte ich und stellte mir ein bestimmtes Bild vor.  Unser Umfeld veränderte sich. Unter meinen Füßen erschien ein erdiger Boden, um mich herum wuchsen Pflanzen und Blumen, und ein ganz milder Duft von Lilien hing in der Luft, doch es war schwer den Geruch beizubehalten, und ein Paar Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die Blätter. Wir standen im Gewächshaus, welches mein Bruder mir einst zum Geburtstag geschenkt hatte. Es war mein Privatplatz; der Fluchtort, wenn ich Ruhe von allem brauchte.

Pandora klatschte in die Hände und setzte ihre Hände dann auf ihre Hüften. „Ich bin erstaunt, du hast dich erinnert.“

Ich gab ihr einen trockenen Blick und meinte: „Ich bin zwar blond, sogar heller als blond, aber ich bin nicht dumm.“

„Das letzte mal bist du jedoch gestorben“, sagte sie und lächelte mich dabei an. „Merk dir dies, durch einen hohen Adrenalinschub, und durch den Tod kannst du aufwachen. Das letzte Mal bist du ganz offensichtlich in den Tod gestürzt.“

„Und das ist wichtig wofür?“

„Cleveres Mädchen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil, um deine Mission erfolgreich abzuschließen. Gewinne das Vertrauen deines Feindes. Lass ihn denken der Traum sei die Realität. Lull ihn in mehrere Träume innerhalb des Traumes.  Und irgendwann wird er nicht mehr wissen, was Traum oder Realität ist. Sobald dies geschieht, und er versucht sich in der Realität das Leben zu nehmen um aufzuwachen, genau dann hast du unser aller Zukunft gesichert.“

In diesem Augenblick verzerrte meine Illusion ein wenig, woraufhin sie sich sofort anspannte. „Dieser verdammte Mistkerl“, schnaufte sie. „Hier, nimm diesen Ring, verliere ihn nicht. Darin ist ein Stück seiner DNA, welches dich zu seinen Träumen weiterleiten wird.“ Sie schob es mir hastig an den linken kleinen Finger, in ihrer anderen erschien eine gewaltige Pistole, womit sie in die Dunkelheit eines Baumes feuerte. Ein Schatten sprang dort heraus. Meine Augen weiteten sich, es war dieser Yaron mit der Narbe im Gesicht. Pandora drehte mich herum, streckte den Arm vor sich aus und öffnete ein, wie es mir erschien, schwarzes Loch.

„Pearl“, sagte er mit einem verzweifelten Unterton und einem besorgten Gesichtsausdruck, als ich ihm einen letzten Blick über die Schulter warf.

„Vergiss nicht“, hetzte Pandora. „Freunde hält man nahe, Feinde noch näher. Kenne deinen Feind.“ Damit schubste sie mich ins Loch. Das Letzte was ich noch hörte waren beißende Schüsse als ich in die Tiefe fiel.

Erneut.

Um mich herum wurde es Nacht. Sterne funkelten am Himmel. Und ich schoss geradewegs auf den Buckingham Palast zu.

Irgendwas musste ich mir einfallen lassen. Irgendwas ... Mir fielen all meine rebellischen Taten ein. Eines spezifisch. Mit nichts außer einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen.

Ich landete also etwas unbeholfen und überrumpelt auf dem Dach des Palasts und kämpfte meinen Weg unter dem Fallschirm heraus.

„Wer bist du?“ Meine Augen weiteten sich und mir entwich ein überraschtes „Oh“, durch die Lippen. Ich blickte zur Seite, und dort stand er, in Mondschein getränkt und mit funkelnden grünen Augen.

„Hallo“, sagte ich freundlich und schenkte ihm ein Lächeln. „Yaron.“

Kapitel 4 - Ein Schnipsel Zukunft

 

 

 

 

Mit einem Klicken entriegelte sich die schwere Metalltür und Pandora trat in den spärlich beleuchteten Raum. Ein ätzender Geruch von Chemikalien stieß ihr entgegen, doch diesen ignorierte sie aus Gewohnheit. Zu ihrer Rechten hing in großer Neonschrift der Name ihrer Organisation IntraNebula und ein paar Menschen in weißen Kitteln huschten durch den großen Raum. Viele verschiedene Maschinen und merkwürdige Gerätschaften standen in diesem Labor herum. In der Mitte des Raumes erstrecke sich eine große gläserne Säule in der locker zwei bis drei Personen Platz gehabt hätten. Doch entgegen des gängigen Sci-Fi-Films, in dem die Bösewichte immer Menschen in Röhren gefangen hielten war diese Röhre leer. Zumindest menschenleer; IntraNebula waren schließlich keine Sci-Fi Bösewichte. In der Röhre flimmerten lediglich kleine blaue Partikel durch die Gegend. Wirkte ein wenig wie ein großes Pixelchaos oder eine Matrix.

Pandora ging an der Röhre vorbei, den Blick lange auf sie geheftet, ehe sie an einem Labortisch ihr Gesprächspartner ansprach, Professor Alec Bycel.

»Operation PY ist gestartet«, sagte sie trocken und der Mann vor ihr drehte sich um.

»Gut, Pandora«, sagte er lächelnd während sein Gesicht in den Schatten verborgen blieb, »ist sie eingewiesen? Hat sie ihn schon getroffen?«

»Ich hab es ihr erklärt. Fraglich ob sie es verstanden hat ... sie kommt mir vor wie ein wasserstoffblondes Dummchen. In ihrem nächsten Traum wird sie ihn treffen. Ich hoffe sie vermasselt es nicht. Es ist wichtig, dass sie sein Vertrauen gewinnt ...«

»Ich weiß«, antwortete der Professor und rückte seine Verrückte-Wissenschaftler-Brille zurecht. »Pandora, du musst mir nicht meine eigens erstellte Mission erklären. Aber ja, ich hoffe auch sehr, dass dieses Mädchen hält was es verspricht.«

Professor Bycel schüttete einen merkwürdigen dunkelblauen Saft von einem Reagenzglas in eine kleine Phiole, in der sich durchsichtige Flüssigkeit befand. Als die blaue und die transparente Flüssigkeit aufeinander trafen verfärbte sie sich orange-rot, als wäre es Grapefruit-Limonade. Es puffte ein kleines bisschen und Pandora zuckte zusammen.

»Was ist das, Alec?«, fragte Pandora und der Professor verschloss die Phiole mit einem Korken. Dann hielt er das Fläschchen Pandora hin und diese beäugte es misstrauisch.

»Das ist ein Schlafgift. 85-93 nennt es sich; aber das ist nicht von Bedeutung. Gib das der jungen Pearl, sie kann sicher einmal Verwendung dafür finden. Spätestens wenn Plan A versagt und sie mit Plan B rausrücken muss- beziehungsweise wir«, der Professor verzog kurz das Gesicht und Pandora nahm die Phiole an.

In den folgenden Minuten erörterten die Beiden Pläne und Strategien um ihren Zielen näher zu kommen. Ihnen beiden gefiel die Idee nicht, dass sie Pearl die Arbeit überlassen mussten - denn wenn man alles richtig haben wollte, sollte man es besser selbst machen - doch ihnen blieb keine andere Wahl. Pearl war nun einmal die Beste für diese Aufgabe- meinte zumindest der Professor.

»Können wir ihr überhaupt vertrauen?«, fragte Pandora besorgt, ehe sie sich von dem Professor verabschiedete.

»Ich bezweifle, dass sie sich mit solch einem Schnösel einlassen würde. Wenn sie ihn etwas näher kennenlernt, wird es für sie ein Vergnügen sein ihn um die Ecke zu bringen«, meinte Alec lachend. »Dieser Typ ist wirklich grauenvoll. Er ist kein großer Verlust.«

Pandora nickte und ging in Richtung Tür. An der blauen Flimmer-Röhre blieb sie stehen und legte die Hand auf das Glas.

»Morgen sehen wir uns wieder zu einer neuen Runde: bring der Blondine etwas bei, lieber Traum-Transformator«, sie klopfte mit der flachen Hand auf das Glas, als wäre es die Schulter eines Kindes und sie die Mutter, die sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht verabschiedet. Dann ließ sie all die Wissenschaftler hinter sich und machte sich auf den Heimweg.

Sie schritt den langen Korridor in Inneren des Hauptgebäudes entlang, grüßte hin und wieder mit einem mürrischen „N’Abend“ passierende Wissenschaftler und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste Dinge, die Alec nicht wusste. Sie wusste was bis zum heutigen Zeitpunkt noch passieren würde. Sie wusste ganz genau, dass Alecs Plan nicht aufgehen würde. Nicht aufgehen konnte, weil er viele verschiedenen Faktoren einfach nicht berücksichtigt hatte. Doch sie war nicht in der mentalen Verfassung es ihm auch mitzuteilen. Nein, sie hatte zu große Angst vor Alec. Bevor sie bei IntraNebula als Traum-Assistentin angefangen hatte, hatte sie schon diverse Geschichten über den merkwürdigen Professor gehört. Er sollte schon viele Menschen auf dem Gewissen gehabt haben. Von seinen Rivalen über Freunde und Familie bis hin zu fremden Menschen, die er nie gekannt hatte. Man sagte auch er sei wahnsinnig und war eine Zeit lang in einer Anstalt.

Pandora schnaubte verächtlich. Sie konnte all diesen Quatsch nicht ganz glauben. Ja, er machte ihr Angst, aber nicht weil er wie ein Serienkiller aussah, sondern wegen all der Gerätschaften und Gifte die er zusammenwerkeln konnte. Er hatte ein unfassbares Wissen über Technik und Chemie und DAS machte ihr Angst. Wenn sie in dieser Mission als Leiterin versagte würde sie bestimmt nicht einfach so gefeuert werden. Alec würde sich bestimmt etwas Besonderes für sie einfallen lassen…

Sie schüttelte den Kopf und vertrieb all die bösen Gedanken. Sie konnte nicht viel an der Vergangenheit ändern, selbst nicht mit einem Traum-Transformator. Ihre Macht lag lediglich darin die Menschen in ihr zu verändern, sie Dinge tun zu lassen, die sie nicht machen wollten. Also musste sie ihr Bestes geben Pearl und ihr Ziel so unter Kontrolle zu bringen, dass sie ihren Befehlen blind gehorchten.

Eine schreckliche Sirene riss sie aus ihren Gedanken. Der Flur war in ein gedämpftes Licht getaucht und immer wieder flackerte ein rotes Warnlicht auf. Eine computergenerierte Frauenstimme wiederholte immer wieder „Gefahr, Eindringlinge in Sektor 4“. Pandoras Kopf schnellte zu einem Display, das in einer Wand eingelassen war.

Dort standen in schwarzen Buchstaben auf rotem Untergrund, dass Rebellen Zugang zum Labor in Sektor 4 bekommen hatten. Sektor 4 lag weit außerhalb der Stadt, viele hundert Kilometer von hier. Es war lange Zeit schon außer Betrieb und zu finden gab es dort auch nichts mehr. Was wollten die da bloß?

Pandora tippte etwas auf dem Touchscreen herum und brachte den Alarm zum Schweigen. Sollten die Rebellen doch in dem Labor bleiben…

Sie drückte einen Knopf und die Worte Türen werden verschlossen leuchteten auf, ehe der Display komplett schwarz wurde.

Zufrieden nickte Pandora murmelte etwas wie „das haben die jetzt davon“ und ging weiter. Als wären die Rebellen nicht schon nervig genug, kam jetzt ein Wissenschaftler auf Pandora zugestürmt und brachte sie beinahe zum Fall.

„Was geht denn in Ihnen vor?! Können Sie nicht aufpassen?!“, motzte sie den Mann an, der außer Atem ein Tablet-PC hochhielt. Darauf sah man einen digitalen Grundriss des Organisationsgebäudes, getaucht in grüne und rote Bezirke.

„Pandora, Miss. Draußen steht ein dutzend Wiedergänger, die versuchen die Zäune einzutreten. Das Sicherheitssystem spielt verrückt und wenn wir nicht gleich etwas unternehmen bekommen diese Drecksviecher Zugang zum Gebäude“, sagte der Mann hastig und blickte Pandora verzweifelt an.

„Sagen Sie allen Sicherheitseinheiten Bescheid, sie sollen sich darum kümmern. Und Professor Bycel wird davon NICHTS erfahren, verstanden? Er hat genug Arbeit zu tun.“

Der Wissenschaftler nickte und verschwand in einem dunklen Gang.

„So ein Mist…“, fluchte Pandora leise. Erst die Rebellen, jetzt noch Wiedergänger. Das war ein lustiger Tag heute…

 

 

 Mit einem schmerzhaften Keuchen und aufgerissenen Augen wurde Yaron aus dem Schlaf gerissen. Seine Finger hielten die Stuhllehnen so krampfhaft fest, dass seine Fingerknöchel weiß anliefen, und das Headgear auf seinem Kopf sendete kleine Schockwellen durch sein Nervensystem, die ihn in Schweißausbrüchen tränkten. Der Schmerz war kaum auszuhalten, als sich sein Brustkorb stoßartig hob und senkte und gleichzeitig qualvoll zusammenzog. Sollte man im Traum sterben, waren dies die Nebenwirkungen während man am Traumstuhl in der Zeit zurückgeschleudert wurde.

Diese verdammte Pandora, mit ihrem verdammt guten Vorstellungsvermögen. Sie hatte ihn doch tatsächlich in einem Sumpf aus schwarzem Teer feststecken lassen. Und als hätte das nicht gereicht, geriet der Traum aus der Balance in dem Moment, wo Pearl verschwand und zwei Fremdkörper aus der Zukunft darin festsaßen. Mit den Folgen, dass alles in sich zusammenbrach, die Scheiben des Gewächshauses explodierten und die Scherben sich in seinen Körper bohrten.

Dieses Miststück.

Er schnaufte einmal wütend und ballte die Hände zu Fäusten. Nur nebenbei spürte er, wie ihm jemand das Headgear vom Kopf nahm und begann seine Schultern zu massieren.

„Schon wieder ein Fehlversuch?“, murmelte die zarte, doch neckende Stimme seiner Geliebten, während sie weiterhin seine wunden Schultern knetete. Fast entwich ihm ein zufriedenes Stöhnen. „Du weißt, wie gerne ich bei all den Traumreisen mithelfen würde, aber mein Geist ist-“

„- nicht stark genug. Ich weiß, niemand nimmt es dir übel“, sagte Yaron und fuhr sich gedankenverloren mit einer Hand über die Narbe in seinem Gesicht. Er hatte schon als 15-Jähriger mit dem Klarträumen begonnen. Zwar war es nicht so, als wäre es nötig gewesen, weil er sich ohnehin alle seine Träume hätte leisten können, doch er fühlte sich einsam. Es war schwer wahre Freunde in einer Position wie seiner zu finden. Doch als er auf Zac und Keith traf, hatte dies sich gebessert. Na ja, zumindest musste er sich keine imaginären Traumfreunde mehr erfinden. Doch seiner Fantasie freien Lauf zu lassen stand trotz dessen nichts im Wege. Am liebsten hatte er immer die Schwerkraft um sich herum manipuliert ... Aus diesem Grunde war er der einzige unter den Rebellen, der diese Laboratorien im Bereich Traum-Manipulation nutzen konnte. Denn er hatte als einziger die Erfahrung und den trainierten Geist dazu. Was ihn unwiderruflich zum Anführer der Rebellen machte.

Es gab die drei Kategorien Körper, Geist und Seele.

 

Die Meisten in der Rebellion hatten eine überdurchschnittliche Neigung zum starken Körper, welche sich offensichtlich in der materiellen Welt nutzbar machte, zum Beispiel im Kampf gegen Zombies. Zu dieser Kategorie gehörte auch Keith, der seit seinem 16. Lebensjahr mit Bodybuilding angefangen hatte. In den Kategorien Geist und Seele waren mitsamt die Wenigsten vertreten. Zac und die liebliche Frau an seiner Seite gehörten mit einer Handvoll anderen Rebellen zur Kategorie Seele an, in der das Wissen und die Weisheit vertreten war, und das absolut überbewusst. Sie sind gerissen, schlau und Genies. Sie helfen dabei, dass sich der Nebel lichtet, wenn der Rest von ihnen nicht mehr weiterwusste. Ohne sie mit ihren ausgeprägten Köpfchen würden sie all diese Technologien gar nicht nutzen können.

An letzter Stelle stand der Geist. Wenn sich der Körper in der Ebene des Bewusstseins aufhielt, und die Seele im Überbewusstsein, so spielte sich der Geist auf einer bewussten und unbewussten Ebene ab. Im Geist ereignete sich alles elementar in der geistigen, inneren Welt. Während man also träumte.

Und leider fielen unter diese Kategorie neben Yaron auch Pandora und wenige andere der Gegenseite.

„Schon etwas von Zac und Keith gehört?“, fragte er dann ruhig, als er an seine zwei loyalen Kameraden dachte. Die andere Rebellionsgruppe hatte auf ihrer Tour ein verdächtiges Gebäude entdeckt, doch sie hatten nicht näher rangehen können, da einige Zombies drumherum verteilt waren. Da musste man Spezialisten hinschicken, und wer passte da nicht besser als das ausgeglichene Duo, das aus Zac und Keith bestand. Körper und Köpfchen. Eines hilft dem anderen. Es war von vorneherein klargewesen, dass es sich hier wieder um ein Labor handeln musste, nachdem man die Initialen „I.N.“ entdeckte, die offensichtlich für IntraNebula standen. Somit war hier ausgeschlossen ein schlaues Köpfchen wie Zac nicht dabeizuhaben. Er war der Beste unter ihnen.

„Kurz bevor du aufgewacht bist, kam die Meldung der Rebellenwachen, dass sie es ungesichtet nach innen geschafft haben.“ Ihre künstlerischen Hände, die mittlerweile von Kratzern bedeckt waren stoppten mit dem kneten und glitten sachte um seine Schultern und seine Brust entlang, woraufhin sie ihr Gesicht an sein rechtes Schulterblatt legte. Yarons raue, vernarbte Hände hingegen legten sich auf ihre, die im Vergleich zu seinen immer noch so viel weicher waren.

Er spürte wie sich ihre Lippen an seiner Haut öffneten und feine Küsse mit ihrem warmen Atem draufhauchten.

„Wir sollten uns nun wieder an die Planung machen, IntraNebula zu stürzen“, flüsterte Yaron mit müder und erschöpfter Stimme. Hauptsächlich organisierten dies sie beide mit Zac und Keith zusammen, doch dieses Mal würde es auch ohne die beiden Kerle gehen, denn in diesem Gebiet war sie die Beste.

„Das kommt jetzt gar nicht infrage, Dummkopf.“ Wie er ihren Charme liebte. „Du bist klar erkennbar im Moment nicht in der Lage dazu. Ruh dich etwas aus.“ Mit diesen Worten zog sie ihn aus dem fahl belichteten Raum in eines der wenigen Zimmer mit verranzten Betten. Es war besser als nichts ...

 

 

* * *

 

„Hallo, unbekannte Schönheit“, sagte der Typ vor mir verschmitzt. Das war also Yaron. Ich konnte jetzt schon sagen, dass ich seine Art nicht ausstehen konnte.

„Lahme Anmachsprüche ziehen bei mir nicht“, behauptete ich spitz, während ich auf ihn zuging und mich neben ihn auf die Kante des Gebäudes setzte. Es wäre zu leicht ihn jetzt einfach runterzuschubsen. Aber in einem Traum brachte das wenig. Ich musste wohl an Pandoras Plan dranbleiben.

„Warum sind wir eigentlich auf dem Buckingham Palace?“

Er lachte und sah mich amüsiert an. Sein Blick wirkte so viel befreiter, als der, den ich noch vor wenigen Augenblicken sah. „Ich wohne hier“, schmunzelte er.

Der wohnte hier? Ich dachte nur die königliche Familie hielt sich im Palast auf? Das hieß ... Ich schnaufte. „Snob.“

Erneut lachte er dieses befreite Lachen, dabei legte sich sein linker Arm auf seinen Bauch. Als hätte er keine anderen Sorgen auf der Welt. „Was ich aber viel interessanter finde, ist dass mein Unterbewusstsein jemanden wie dich projiziert hat.“ Meine Augenbrauen zogen sich kritisch in die Höhe. „Normalerweise werde ich in meiner Welt nicht beleidigt“, erklärte er. Er streckte eine Hand aus und steckte eine lose Strähne meines Haares hinter mein Ohr, anschließend wanderten seine Fingerspitzen an meiner Haut weiter herab, bis zu meinen Schultern, wo sie dann verharrten.

Der wagte sich gerade ernsthaft mich so anzufassen? Wenn ich dem nicht gerade schöne Augen machen müsste, dann hätte er schnell meine Kinnharke-des-Verderbens kennengelernt.

„Dann kannst du ja schon mal anfangen dich daran zu gewöhnen“, schoss ich keck zurück und haute seine Hand mit meinem Arm weg. „Und wie gesagt, solche Nummern ziehen bei mir nicht. Ich steh nicht so auf perverse außerirdische Snobs.“

„Uh la la. Was hab ich mir denn da in den Traum projiziert. Eigentlich müsstest du netter sein … und hübscher.“ Er lachte und sein Blick wanderte an mir herab. „Naja, könnte schlimmer sein … Wie ist dein Name?“

„Pearl“, sagte ich und Yaron kratzte sich am Kinn.

„Pearl? Mir kommst du ja nicht gerade perlengleich vor, so wie du mit mir redest. Was machst du hier?“ Yaron schaute mich fragend an und in meinem Kopf versuchte ich mir eine Antwort zurechtzulegen. Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich ihn eigentlich umbringen sollte. ‚Hey, Yaron, könntest du kurz von diesem Dach springen und dich dann, wenn du wach bist, erschießen? So ´ne olle Frau hat mir befohlen dich zu eliminieren …’- Nein, das käme definitiv rüber als wäre ich verrückt. Gut, wir waren hier in seinem Traum. Was wäre eine logische Erklärung, dass ich hier drin war? Warum stellte sich ein Typ wie er ein Mädchen wie mich in seinem Traum vor?

„Ich komme aus der Zukunft“, sagte ich gespielt gruselig und fuchtelte mit den Händen vor seinem Gesicht herum, „Ich bin hier um dich zu warneeeeen! Dir steht großes Unheil bevor. Nimm dich in Acht, man trachtet nach deinem Leben!“

Wie ich so neben ihm saß, mit den Händen wild gestikulierend, einen merkwürdig melodischen Unterton aussprechend, fiel mir erst auf wie hübsch er eigentlich war. Das grüne Augenpaar betrachtete mich argwöhnisch, während er durch die perfekt geschwungene Nase verächtlich schnaubte und seine vollen Lippen- natürlich nicht Angelina Jolies Definition von voll- dabei ein kleines Lächeln zauberten.

„Mhm, natürlich, Liebes“, er tätschelte meinen Kopf und ich boxte ihn in die Schulter. Dieser Abgrund sah einfach zu einladend aus …  

„Kein Scherz, Yaron“, meinte ich, „es gibt da so eine komische olle Tante, die für irgendeine komische Organisation arbeitet und dich tot sehen will.“

Für einen kurzen Moment lang schaute mich Yaron an, als sei ich komplett irre geworden.

„Eine Organisation“, fragte er misstrauisch nach. Shit, wenn er mir jetzt wirklich glauben würde, dann könnte ich die Mission vergessen. Hätte ich doch damals dem Therapeuten besser zugehört, als er meinen Eltern etwas von „Umkehrpsychologie“ referierte. Ich war eindeutig nicht gut in dem Scheiß.

„Organisation? Haha, da bist du mir jetzt auf den Leim gegangen. Das war natürlich nur ein Scherz“, versuchte ich mich zu retten und lächelte einfach zuckersüß.

Es folgten ein paar Minuten der Stille, in denen Yaron mich noch einmal genau betrachtete.

„Je länger du dich hier aufhältst, desto mehr fang ich an dich zu mögen“, meinte er plötzlich und der Blick seiner Augen war freundlich, während er etwas lächelte. Er beugte sich zu mir und starr vor Überraschung wich ich nicht zurück, als ich merkte, dass seine Lippen immer näher kamen. Waaaaaas? Was tat er da? Warum tat er das, was er da tat?! Ich spürte wie er meine Hand nahm. Seine große, warme Hand … für einen Moment, aber nur einen Klitzekleinen, gefiel mir sogar was er vorhatte. Dann wurde mir wieder klar, wer da neben mir saß, woraufhin ich ihn an der Schulter packte und er mit einem lauten Schrei vom Dach des Buckingham Palace fiel.

„Idiot“, zischte ich, während die Welt begann sich aufzulösen.

Kapitel 5 - In die Falle getappt

 

 

 

 

Mit einem sanften Zischen schloss sich die Tür hinter den beiden jungen Männern, die in der Dunkelheit dem Schein ihrer Taschenlampen hinterher liefen.

»Fuck!«, zischte Keith, der Größere und Muskulösere der Beiden, und sie drehten sich erschrocken um. Der andere der Beiden, Zac, drehte das Licht seiner Lampe in Richtung Tür und rückte sich dann die Brille zurecht.

»Die Tür ist zu«, stellte er nüchtern fest.

»Die Tür ist zu?«, fragte Keith die Stirn runzelnd nach und trat an seinen Kumpel heran. Dieser ging auf die Tür zu und legte seine freie Hand auf das kalte Metall.

»Ja. Zu. Zu-er geht es gar nicht mehr«, sagte er und untersuchte sie mit der Hand und dem Lichtkegel.

»Das heißt wir sind hier eingesperrt?!«, kreischte Keith ungläubig und lief zur Tür, auf die er dann mit der Taschenlampe einzuschlagen begann.

»Hey! Hey! Hey!«, Zac riss Keith von der Tür weg, wobei er ihm fast die Taschenlampe an den Kopf gehauen hätte, »Jetzt verfall' mal nicht in Ungeduld! Wir müssen einfach nur überlegen, wie wir die Tür wieder aufbekommen. So schwer kann das nicht sein ... hilf mal einen Lichtschalter zu suchen!« Keith schaute sich verloren in der Dunkelheit um, während Zac gezielt zu einem der ehemaligen Schaltpulte ging. Irgendwo in diesem alten Labor IntraNebulas musste es eine Lösung für diese Misere geben. In der Regel funktionierte die ganze Technik des Labors noch- so war es zumindest in den letzten Laboren, die sie gefunden hatten auch gewesen. Zac tastete auf einer riesigen Tastatur herum und drückte alle möglichen Knöpfe, von grün und klein über rot und groß bis hin zu eckigen schwarzen und runden blauen Knöpfen. Die Taschenlampe hatte er zwischen die Zähne geklemmt, die wackelig hin und her schwankte als er wild auf die Tasten haute, während sein blonder Beach-Boy Freund leise und genervt die Wände abtastete.

»Zac...?«, erklang nach einer Weile die hitzige Stimme Keiths und Zac seufzte auf.

»Was? Ich hoffe es ist wichtig. Ich versuche grade hier ein paar Sicherheits-Codes zu entschlüsseln, damit das vermaledeite Licht angeht«, zischte er genervt. Vor ihm auf einem Display war ein Fenster für eine Code-Eingabe erschienen. Strom hatte das Labor noch, dann müsste auch die Tür sich öffnen lassen. Fragte sich nur wie.

»Hier ist etwas Merkwürdiges ...«, Keiths Stimme brach weg und die warme Luft, die nach Verwesung roch, ließ ihn erschaudern. Starr stand er in der Dunkelheit, wagte es nicht sich zu bewegen, während seine Hand sich an der Wand hob und senkte.

»Was Merkwürdiges?«, fragte Zac und nahm die Taschenlampe wieder in die Hand.

»Etwas Atmendes ...«, ergänzte der Blonde und der Lichtkegel seiner Taschenlampe schien auf den dunklen Fliesboden. Er hatte eine böse Vorahnung was in den nächsten Minuten passieren könnte.

Zac kam näher und Keith wurde immer achtsamer.

Der Schein von Zacs Taschenlampe wanderte vom Boden aus die Wand entlang und blieb an einer hässlichen Fratze hängen. Ein Wiedergänger! Erschrocken wich Zac zurück, knallte dabei gegen Keith, der es nicht kommen sah, und taumelnd nach hinten auf einen Mischpult fiel. Plötzlich gingen alle Lampen an der Decke an, die zwei Wiedergänger im Raum entblößten. Zac blieb wie im Schockzustand einfach starr stehen, während Keith die Initiative ergriff, aufsprang und zwei Dolche zückte. Sie hatten sich im Vorfeld extra Gürtel angefertigt an denen genug Halfter für Pistolen und Dolche angebracht waren. Zac führte sogar ein paar Ninja-Sterne mit sich, die er aber nur im äußerstem Notfall aus der Ferne verwendete. Die Wiedergänger kamen in ihrem langsamen, ein Bein hinterher ziehendem Schlurf-Tempo auf Zac zu, der sich bereits in Kampfpose gestellt hatte und nur darauf wartet Köpfe rollen zu sehen. Die grünlich-bräunlich verfärbten Zombies stöhnten und ächzten während sie sich auf den jungen Mann zubewegten. Keith holte zum ersten Hieb aus und kratzte dem ersten Wiedergänger in den Arm. Verwundert schaute der ehemals-Mensch auf seinen Arm und mit einem Mal schien er wieder motorische Fähigkeiten zu entwickeln. Er schüttelte den Kopf, knurrte und stürzte sich dann so agil wie nie zuvor auf den Dunkelhaarigen. Keith wich aus, schlüpfte unter dem angesetzten Würge-Griff des Zombies hindurch und schlitzte dem zweiten Wiedergänger, der direkt hinter dem Ersten lauerte die Kehle auf. Offenbar hatte dieser die potenzielle Gefahr noch nicht erkannt und hatte noch nicht den Schalter in seinem verwesten Gehirn auf »Kampf« umgestellt. Sein Partner wurde hingegen in Ruhe gelassen. Wer konnte es denen auch verübeln? Zac sah nicht gerade Angst einflößend aus. Im Gegensatz zu Zac tat es aber der verbliebene Wiedergänger. Nach einem kurzen Moment der Verwirrtheit wieso er niemanden würgte drehte der Zombie sich zu Zac um und schoss grölend auf ihn zu. Dieser bemerkte in welch einer Gefahr er plötzlich schwebte und quietsche kurz auf.

»Keith? Würdest du mir bitte helfen?«, presste Zac hervor, als der Wiedergänger ihn gepackt hatte und zu Boden riss. Nur einen Moment der Unaufmerksamkeit und alles könnte vorbei sein. Keith wusste, dass Zac dies packen konnte und blickte nur amüsiert drein.

»Kumpel, du machst das klasse weiter so! Das schaffst du alleine!«, feuerte er seinen Kollegen an, der gerade mit dem Biest rang. Immer wieder versuchte Zac den Wiedergänger mit seinen Dolchen zu treffen, doch er schaffte es aufs Neue auszuweichen und setzte immer wieder zum Beißen und Kratzen an, dem glücklicherweise Zac wiederum ausweichen konnte. Mehrere Minuten ging es hin und her zwischen den Beiden. Und irgendwann schaffte Zac es über den Boden vor dem Zombie wegzurobben und rappelte sich gehetzt auf. Der Zombie hingegen hatte Probleme damit seine Motorik so benutzen, dass er aufstehen konnte und Keith sah darin seine Chance den Kampf zu beenden. Er steckte die Dolche zurück in den Gürtel, nahm seine 9mm Pistole heraus, erneuerte die Munition, entsicherte die Waffe und pustete dem Wiedergänger das Hirn aus dem Kopf. Wortwörtlich. Das dunkle Blut spritzte nur so durch die Gegend und Zac zuckte zusammen als der Schuss ertönte.

»Es ist vorbei. Sie sind hinüber«, sagte Keith und steckte die Waffe zurück. Er blickte zu Zac auf, der gerade eines seiner Ninja-Sterne weit ausholte und  auf ihn zuschleuderte. Mit einem Zischen ging es an seinem Ohr vorbei, geradewegs in das Auge eines Wiedergängers, der sich angeschlichen und welchen Keith nicht bemerkt hatte.

Er ging zu Zac und stieg über die beiden Leichname hinweg. Zac atmete erleichtert aus.

»Das war super, Mann!«, sagte Keith lachend zu Zac, der ihn an der Schulter packte.

»Danke, Kumpel. Ohne dich hätte ich das nie geschafft«, er schaute Keith an, »Oh warte, hab ich ja«, fügte er spöttisch hinzu und boxte ihn in den Oberarm.

»Das nächste Mal erledigst du die Drecksarbeit, ja? Immerhin bin ich nur das Köpfchen. Und jetzt lass uns mal den Laden hier durchsuchen. Vielleicht finden wir etwas Brauchbares für Yaron.« Zac ging voraus und Keith murrte nur eine unverständliche Antwort. Ihm gefiel es nicht irgendwo mit diesen Mistviechern eingesperrt zu sein.

Was er aber noch nicht wusste war, dass er sich wohl schnell daran gewöhnen musste.

Wenn es nach Keith ginge, hätte er dieses verseuchte Labor schon längst in die Luft gejagt. Sein sechster Sinn sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte und sein ungutes Gefühl, das er gespürt hatte noch bevor sie eingebrochen waren, fing an sich zu bestätigen.

»Strom?«, fragte er misstrauisch, als rote Lichter den Raum beleuchteten.

»Das ist nur die Notstromversorgung«, sagte Zac, der an einem großen Bildschirm an der Wand stand und wild drauf eintippte. »Egal wie sehr ich es versuche, es will mir einfach nicht den Grundriss des Gebäudes zeigen.«

Die Fäuste ballend verfluchte Keith IntraNebula mit einigen seiner kreativsten Wörter. »Das heißt?«

Zac senkte seine Hände und blickte Keith eindringlich an. »Wir müssen den einzigen Weg nehmen bei dem die Tore sich öffnen ...«

»Worauf warten wir dann noch?«, meinte Keith ungeduldig. »Je schneller wir hier raus sind, desto besser!«

Zac verdrehte seine Augen und versuchte seinen Partner zu beruhigen. »Es könnte auch eine Falle sein, du Held. Wahrscheinlich haben sie damit gerechnet, dass Rebellen kommen werden.«

»... Nerd!«, raunte Keith und warf seinem Partner einen trockenen Blick zu. »Wenn's hart auf hart kommt beschütze ich dich eben, Weichei.«

»Hat man vorhin gemerkt«, meinte Zac nüchtern, rückte erneut seine Brille mit rechtem Zeige- und Mittelfinger zurecht und ging auf ein stählernes Tor zu. Er drückte auf einen Knopf an der Seite, woraufhin es sich langsam und mit puffenden Geräuschen öffnete.

Die Stirn runzelnd trat Keith einen Schritt vor und packte seine Dolche fester an. »Was machst du da? Ich dachte es sei eine Falle ...?«

»Dies ist offensichtlich der einzige Ausweg, den wir haben«, sagte Zac, im nächsten Moment schlich sich ein verschmitztes Lächeln auf sein Gesicht. »Im Übrigen: Hast du nicht gerade gesagt, du würdest mich beschützen? Steh' zu deinem Wort!« Zac nickte ihm zu als Zeichen, dass er den Beschützer spielen und den ersten Schritt machen sollte.

Vor sich hin grummelnd ging Keith vor, in die Dunkelheit. Irgendein Bewegungssensor musste sich ausgelöst haben, denn im nächsten Augenblick leuchteten auch hier nach und nach rote LEDs auf. Beide Männer versteinerten auf dem Fleck und tauschten erschrockene Blicke aus.

»Verdammt«, kam es Keith aggressiv über die Lippen und er schnaubte, wogegen Zac die Farbe aus dem Gesicht wich. Dort vor ihnen standen bestimmt ein dutzend Zombies, die angefangen hatten an der Luft zu schnuppern und langsam die Witterung der beiden Männer aufnahmen. Immer wieder drehte sich einer der Zombies um und kam bedrohlich näher.

Das nächste Tor schien unendlich weit weg.

Eine irritierte Stille trat ein. Sie wurden schief gemustert, ein paar »Wuäh«s wurden hier und da gegeben und das grässliche Stöhnen der Zombies ließ die beiden jungen Männer erschaudern.

Und dann, von einer Sekunde auf die Andere, stöhnten die Wiedergänger erneut von unbändiger Lust auf und kamen schnellen Schrittes auf sie zu. Manche kriechend, manche schleifend, andere fast rennend. Das veranlasste Zac und Keith aus ihrer Starre zu brechen und in Aktion zu gehen.

In Rekordgeschwindigkeit zückte Keith seine Pistole, sodass er in der linken Hand seinen Dolch hielt und feuerte die ersten Schüsse auf die gefährlichen Biester ab.

»Schnell, Prinzessin! Öffne das Tor, ich halt dir den Rücken frei!«, rief er Zac zu, während immer mehr Bleikugeln in die verfaulten Körper der Zombies eintraten.

Bleib ruhig, redete sich Zac in Gedanken ein, als er geradeso einer vorschießenden Klaue und gierigen Zähnen auswich. Hinter sich hörte er Keiths Schüsse und war heimlich froh darüber, dass sein Kumpel sich in einer Situation wie dieser nicht wie sonst blöd anstellte. Als er am Tor ankam, suchte er hektisch nach dem Schalter, doch fand wieder nur ein Mini-Display, das daneben in der Wand eingelassen war. Mit schneller Reaktion bemerkte er, dass er ein Passwort eingeben musste. Um das zu hacken brauchte er Zeit. Viel Zeit. Welche sie nicht hatten.

Keith war stark aber auch er hatte Grenzen, die langsam begannen sich zu zeigen. Ein falscher Schritt von ihm ... Zac wollte nicht einmal darüber nachdenken, was dann passieren würde. »Das Passwort«, ermahnte er sich und machte sich an die Arbeit. Keith blühte währenddessen in seinem Element auf. Er war keiner, der schnell die Hoffnung und den Mut verlor. Trotzdem schienen diese Mistviecher nicht weniger zu werden, und so langsam aber sicher kamen sie immer näher heran und  das Magazin seiner Pistole leerte sich zunehmend. Ein Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn.

»Keith!«, rief sein Partner. Ein zischendes Geräusch folgte und er wusste, dass sie sich nun zurückziehen konnten. Schnell traten beide durch das inzwischen geöffnete Tor. Zac tippte erneut auf einem Display herum, woraufhin sich die Tür hinter ihnen schloss.

Beide lehnten sich dagegen um Luft zu holen, wieder runterzukommen, während in dem alten Labor die Zombies weiter stöhnten und krächzten.

»Diese Wiedergänger wurden vermutlich absichtlich hineingelassen«, hörte Keith den Anderen sagen. Er war wütend.

Yaron, nur für dich. Ich jage es nicht in die Luft hoch – nur für dich Kumpel, dachte er grimmig und stieß sich von der Wand ab.

 

 

Kapitel 6 - Blutrotes Laub

 

 

 

Das Erste, was ich tat, als ich wieder zu mir kam war laut aufzulachen, dabei rollte mir ein „Idiot“ über die Lippen. Schnell bereute ich es allerdings, als ich das Gefühl hatte mein Schädel würde mir jeden Augenblick zerspringen. Vorsichtig öffnete ich meine Augen; langsam wurde der Schleier vor meinen Augen klarer.

Unbewusst wanderte meine rechte Hand an meinen Kopf, wuschelte durch meinen ohnehin zerzausten Haarschopf. Mit der anderen massierte ich meine Schläfe und murmelte immer noch belustigt „Idiot“ vor mich hin.

„Wer ist ein Idiot?“, nuschelte eine verschlafene Stimme neben mir.

„Der Idiot der mir etwas in mein Getränk untergejubelt hat, die Kopfschmerzen killen mich“, meckerte ich verärgert, die Erinnerungen dämmerten mir wieder Stück für Stück ein.

„Zum größten Teil ist es aber auch deine Schuld, Pearl, du passt zu wenig auf.“

„Ich habe ja dich, um auf mich aufzupassen, Raven“, kicherte ich vor mich hin und sah meine beste Freundin schmunzelnd von der Seite an.

Sie stand auf und streckte mir die Hand entgegen, die ich ergriff. Ich ließ mich hochziehen und griff schnell nach dem Treppengeländer. Raven half mir mein Gleichgewicht zu bewahren. Wir waren anscheinend auf den Treppen eingeschlafen, oder vielmehr ich war es, und sie hat sich dazugesetzt und aufgepasst, dass mir nichts passierte. Dabei musste sie wohl ebenfalls eingenickt sein. Das passierte andauernd.

„Wahrscheinlich wirst du über diese Nacht auch wieder was von deinen Eltern zu hören bekommen“, sagte sie, griff dabei nach ihrer Handtasche und fischte Kopfschmerztabletten heraus. Unser ewiges Ritual. Ich baute meistens großen Bockmist, Raven zog mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Und diese Handtasche von ihr. Immer hatte sie alles Nötige dabei. Ich erinnerte mich an diesen einen Vorfall als wir shoppen waren, als ich einem kleinen Jungen versehentlich den Ballon zerplatzen ließ. Sofort hatte Raven ihre Handtasche gepackt und einen blauen Ballon herausgezogen und es ihm aufgeblasen. Aber wie ich gerne sagte: ‚Versehentlich’ ist relativ. Der Junge hatte mit seinem schiefen Gesang tierisch genervt.

„Du weißt, wie wenig deren Meinung mich interessiert“, murmelte ich immer noch in meinen Erinnerungen schwelgend, zog mich aber langsam wieder aus ihnen zurück. Ich hatte noch etwas vor, nahm also dankend die Tablette an, spülte sie mit einem Schluck aus der Wasserflasche herunter, die mir Raven ebenfalls hinhielt und marschierte zusammen mit ihr aus dem Haus.

Wie jede Woche an diesem Wochentag bestellten wir uns ein Taxi und ließen uns zu Madame Dubois’ Galerie d’Art fahren. An Selberfahren war nicht zu denken. Mein dunkelrotes Cabriolet würde ich von unserem Butler Claud abholen lassen. Der war cool genug für sowas, und nicht so ein Schoßhündchen wie Jeeves, der Lieblingsbutler meiner Eltern. Wie der Vater, so nicht der Sohn.

 

„Guten Morgen, meine Süßen!“, rief Madame Dubois fröhlich aus und umarmte Pearl und Raven herzlich. Raven musterte die junge Frau mit einem Lächeln auf den Lippen, welche sich ebenfalls zu einem „Guten Morgen“ formten. Madame Dubois war nicht nur eine überaus gute Künstlerin, sondern auch ihre Französischlehrerin und Pearls Kunstlehrerin. Ihr Kaffee-braunes Haar floss ihr wie flüssige zart-bitter Schokolade über die linke Schulter, da sie es fast schon wie ein Markenzeichen immer auf die eine Seite legte; und wie so oft schlich sich ein dünnes Zöpfchen mit ein.

Die Galerie war, wie die Besitzerin selber, fröhlich und kunterbunt eingerichtet. Häufig wurden die Farben orange, rot und pink verwendet, und ab und zu standen als Kontrast auch hohe, grüne Pflanzen im Raum. Es wirkte anders als wie bei ihrer besten Freundin zu Hause. Heimischer, gemütlicher. Nicht teuer und zerbrechlich. Sie konnte gut nachvollziehen, weshalb Pearl sich hier so wohl fühlte.

Raven lief eine Gänsehaut über die Arme als sie an ihren ersten Besuch bei Pearl dachte. Damals wohnte allerdings noch Blaise, Pearls älterer Bruder, bei ihnen und es wirkte nicht allzu kalt durch seine wärmende Ausstrahlung, welches meistens an seinem permanenten Lächeln lag. Nichtsdestotrotz verspürte sie eine innere, starke Abneigung gegen die Farbe weiß und den kalten Marmorboden, der ihr in die Füße biss. Unwohl war ihr alleine der Gedanke da wohnen zu müssen, was sie glücklicherweise jedoch nicht musste. Sie konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie einsam Pearl sich dort nun fühlen musste, wo ihr geliebter Bruder nicht mehr da war und auf Harvard studierte. Bei der Erinnerung an Harvard zogen sich Ravens Augenbrauen zusammen. Es dauerte nicht mehr lange, bis sie ihren Abschluss hatte, diese Zeit stand unmittelbar vor ihrer Tür. Dann müsste auch sie Pearl zurücklassen, um auf Harvard zu studieren. So wollten es ihre Eltern, so gehörte es sich für die Kinder einer angesehenen, reichen Familie. Sie jedoch durfte studieren was sie wollte, ihre Eltern unterstützten sie dabei.

Sie warf ihrer Freundin einen besorgten Blick zu, welche vor einem neuen Gemälde von Madame Dubois stand und die rechte Hand über die blonde, lange Mähne eines weißen Pferdes gleiten ließ. Fast spüren konnte man den Fahrtwind, der die Mähne des Pferdes aufwirbeln ließ. Fast zu hören waren die galoppierenden Hufen auf dem feurigen Herbstlaub. Eine traurige Miene zierte Pearls hübsches Gesicht, als sie das Pferd gedankenverloren ansah. Ravens Augen wanderten weiter herunter auf das kleine Schildchen, auf dem der Titel des Gemäldes stand: ‚Freiheit’.

„Ich würde dieses Gemälde gerne kaufen“, murmelte Pearl mehr zu sich selbst, als zu irgendwem im Raum, aber Raven hatte es gehört und Madame Dubois auch, die das blonde Mädchen schon die ganze Zeit aufmerksam beobachtete.

Sie huschte sofort neben Pearl und stupste sie mit einem warmen Lächeln in die Seite. „Warum wusste ich, dass du das sagen würdest, noch bevor ich das Bild zu malen begonnen hatte?“ Pearl schien wieder zu sich zu kommen und warf ihrer Kunstlehrerin einen verwirrten Blick zu. „Du hast mich zu diesem wundervollen Werk inspiriert, Kleines“, erklärte sie, woraufhin Raven etwas sah, wovon sie sich wünschte es öfter sehen zu können: Ein ehrliches Lächeln, das die Lippen ihrer besten Freundin umspielte.

„Irgendwann wirst du deine Ketten abwerfen können und genauso frei sein“, versuchte die junge Frau die Blondhaarige aufzumuntern.

„Wenn es doch bloß so einfach wäre, wie gesagt.“ Verbittert zogen sich Pearls Mundwinkel nach unten.

„Im Leben ist nie etwas einfach“, erwiderte Madame Dubois schmunzelnd. „Wer aber nicht um seine Freiheit kämpft, wird es nie einfach haben.“

 

Seine Augenlider zuckten, während ein leichter morgendlicher Sonnenstrahl seine Nase kitzelte. Schlaftrunken kratzte er sich an derselbigen, schnarchte einmal unelegant und drehte sich dann auf die Seite, eingekuschelt in seine Daunendecke und versuchte weiterzuschlafen. Doch ehe er erneut in das Land der Träume absinken konnte, klopfte es lautstark an der Tür und ein Dienstbote kam wenige Augenblicke später hinein.

»Yaron, Sir. Das Frühstück steht nun bereit für Sie. Der Baron lässt sich und die Baroness entschuldigen. Ein wichtiger Termin in Liverpool steht an«, sagte er förmlich und verschwand dann wieder aus seinem Zimmer.

Genervt und verschlafen setzte Yaron sich im Bett auf und seufzte. Es war dieser Tag: Semesterbeginn. Heute würde es wieder nach Oxford gehen. In das öde, langweilige Oxford, mit seinem viel zu stressigen Studentenleben. Er schaute im Raum herum: überall standen die gepackten Koffer bereit, Taschen lagen umher und vereinzelt noch Kleidungsstücke. Sein Blick fiel auf sein Spiegelbild im Spiegel gegenüber seines Bettes. Tiefe Augenringe zeichneten sich unter seinen intensiv grünen Augen ab und seine Stirn lag in Falten. Er rief sich den Traum in Erinnerung, in dem er noch vor wenigen Minuten gefangen gewesen war. Diese junge Frau, was wollte sie von ihm? Wieso erschien sie in seinen Träumen? Wieso stand sie in seiner Traumwelt vor ihm? In seiner Traumwelt! War sie vielleicht eine Eingeweihte? Das würde das merkwürdige Zeug erklären, dass sie erzählte... Oder sie war ein Hirngespinst seiner selbst um den Verlust seiner letzten Freundin zu bedauern. Diese blonden Haare waren zumindest ähnlicher Natur.

Er massierte sich die Schläfen und schwang die Beine aus dem Bett. Er machte sich zu viele Sorgen, das war nicht seine Art. Aber nun hatte er Wichtigeres zu tun, als Träume zu deuten. Je mehr er trödelte, desto mehr musste er sich hetzten – und dazu fehlte ihm die Kraft, die Laune und die Motivation. Er zog sich schnell ein Sweatshirt über den muskulösen, nackten Oberkörper und zog eine Jogginghose über seine dunkle Calvin Klein-Unterhose. Nicht der eleganteste Aufzug, aber immerhin bequem. Er verließ seinen Raum und fand sich auf dem Gang wieder.

Langsam schlürfte er über den Korridor, an dessen Wände sich bodentiefe Fenster empor hoben. Es war draußen bewölkt und Sonnenstrahlen zeigten sich heute keine. Yaron wusste nicht was der Wetterbericht zum heutigen Tag sagen würde, doch ihm steckte der Gedanke in den Knochen, dass es ein blöder Tag werden würde; egal ob mit oder ohne schlechtem Wetter. Die Kerzen auf den Ständern an der Wand spendeten dem tristen Korridor wenigstens etwas Licht, während sie fröhlich vor sich hin züngelten.

Als Yaron die geschwungene Marmortreppe hinunter ging fuhr er gedankenverloren mit den Fingern seiner rechten Hand über das Geländer. Der Stein fühlte sich kalt unter seiner warmen Haut an und unwillkürlich dachte er wieder an Pearl. Ihre Augen hatten eine gewisse Kälte ausgestrahlt, die ihn wiederum mit Wärme erfüllt hatte. Auch jetzt noch spürte er ein merkwürdiges Gefühl von Übelkeit und Wärme in seiner Magengegend und sein Kopf stellte sich auf Kampf ein, obwohl keinerlei Bedrohung von seinem Zuhause ausging. Was war nur los mit ihm? Als er den ersten Schritt von der Treppe auf den Parkettboden machte brach die Realität wie eine Flutwelle auf ihn ein. Er hatte nicht bemerkt, wie er in seine eigenen Gedankenwelt abgedriftet war, denn die hektisch umher laufenden Dienstboten erschienen ihm surreal und fehl am Platz. Langsam schlenderte er in Richtung Speisesaal und unterwegs grüßten die Dienstboten ihm mit einem »Guten Morgen, Sir« oder sogar leichten Verbeugungen. Mit dem Versuch den Traum und somit auch Pearl aus seinen Gedanken zu vertreiben ging der durch die Eingangshalle in Richtung Speisesaal. Die großen Flügeltüren wurden ihm von seinem Butler geöffnet und der Morgen nahm seinen Lauf.

Er frühstückte, während das Personal begann seine Koffer in seinen Wagen zu verfrachten. Danach ging er wieder in sein Zimmer und zog sich dieses Mal Kleidung an, die jemandem seines Standes eher zusagten als Jogginghose und Sweater. Ein einfaches, dunkelgrünes Hemd, eine dunkle Jacke darüber und eine verwaschene blaue Jeans waren das Endergebnis. Er fuhr sich durch das gelockte, braune Haar und atmete zuversichtlich ein: so schlimm konnte das Semester nicht mehr werden, schließlich verbrachte er es mit seinen zwei besten Freunden.

Yaron fuhr mit seinem seltenen California Spider die M25 Richtung Birmingham entlang und hörte auf dem Weg seine Lieblingsmusik; Nichts ging über guten, alten, klassischen Rock! Eigentlich hatte er den neuen metallisch-grauen Audi 5S5 gewollt, jedoch hatte sein ferner Cousin Prinz Harry es sich vor ihm geschnappt, und Yaron wollte seinem namhaften Verwandten ungern „nachmachen“, die Medien würden es zerpflücken, wie verliebte Teenie-Girls es mit Blumenblüten taten. Jeder wusste mittlerweile wie sehr die Medien Harry liebten ... Die Sache mit dem Auto war nicht allzu schlimm; für 8 Millionen war dieses Prachtstück ein Schnäppchen, die Medien hatten seine Neigung zum Oldie positiv gepriesen. Queen Elizabeth war nicht sonderlich amüsiert gewesen.

Hin und wieder blinkte das Benachrichtigungslicht seines Smartphones auf und er blinzelte immer wieder rüber auf den Beifahrersitz, wo es lag. Auf einer Geraden wagte er es das Gerät in die Hand zu nehmen und einhändig den Lock-Screen zu entfernen.

Wo bleibst du, Dude?, fragte Keith, sein Kumpane mit den amerikanischen Wurzeln, der diese Frage ungefähr zum zehnten Mal an diesem Tag stellte. Das eine Auge auf den Verkehr und das Andere auf das Handydisplay heftend tippte er so gut es ging endlich eine Antwort ein.

»Jetzt bloß keinen Unfall bauen«, redete er sich selbst zu und es fiel ihm schwer während des Fahrens Sätze ohne orthographische Fehler zu tippen. Er spürte schon wie der Wage immer weiter nach rechts in Richtung Mittellinie zog, während sein Blick auf der Nachricht an Keith hing.

Er hörte das Hupen gerade noch rechtzeitig und riss das Lenkrad ruckartig nach links um dem LKW auszuweichen. Mit dem Schreck in den Knochen schickte er schnell die SMS ab und warf das Handy dann wieder auf den Sitz.

»Das sollte ich besser lassen. Tot bringe ich niemandem etwas«, sagte er und verringerte sicherheitshalber die Geschwindigkeit. Noch ungefähr 40 Minuten und er wäre mit diesem Tempo in Oxford.

 

„Pearl?“ Raven sah ihre Freundin leicht besorgt an. Besagte blinzelte verwirrt und blickte sichtlich unamüsiert von ihrer Kaffeetasse zu ihr auf.

„Was?“

Die Schwarzhaarige überhörte die gestresste, grobe Art, die Pearl benutzte. So war die selbsternannte Skandalqueen nun mal aus berechtigten Gründen. „Geht’s dir gut? Ich meine, du trinkst Kaffee.“

Als Antwort bekam sie ein Augenbrauenhochziehen und ein beleidigtes: „Wie kommst du jetzt darauf? Ist es abnormal, dass ich Kaffee trinke?“

Mit einem Augenrollen sagte Raven: „Nein, es ist abnormal für dich knapp 10 Tassen hintereinander den Hals runterzukippen.“ Dabei schob sie ihre eigene erste und nun leere Tasse Kaffee von sich, woraufhin ein Kellner des gemütlichen G&B Cafés gerade zufällig vorbeilief, sie höflich fragte, ob sie noch etwas wolle, und es nach ihrem Verneinen mitnahm.

Seufzend ließ Pearl ihre Augen zum Fenster hinausschweifen. Schon die ganze Zeit erschien es Raven, als würde etwas ihre Freundin beschäftigen. Dieses Etwas musste enorm sein, wenn es die Blondhaarige geistig so abdriften lassen konnte. Beim Raussehen blinzelte diese überrascht und verengte daraufhin die Augen. „Erde an Pearl?“

„Ich glaube ich habe gerade Jeeves gesehen.“

„Er stalkt dich?“

„Mehr oder weniger. Ist wahrscheinlich eh wieder das Werk meiner Eltern.“

Raven lächelte daraufhin und schlug optimistisch vor: „Ist das nicht ein Anzeichen dafür, dass deine Eltern sich um dich Sorgen?“ Sie hatte die folgende Reaktion erwartet.

Pearl lachte auf und sah sie an, als sei sie ein Kind, das soeben etwas überaus Naives gesagt hatte. „Sorgen: Ja. Um mich? Nein. Die denken nur an ihren eigenen Arsch. Ich bitte dich, Süße. Die erhoffen sich so wahrscheinlich mehr über mich herauszufinden, um mich besser im Griff zu haben.“ Raven gab es nicht gerne zu, aber sie konnte nicht anders, als ihr innerlich mitleidig zuzustimmen. Es war schon traurig, wenn die Eltern einen Butler damit beauftragten mehr über die eigene Tochter herauszufinden. Sie hatten keine Ahnung.

„Willst du nach Hause?“

Ein Kopfschütteln. „Ich hab’ kein zu Hause.“

„Du weißt was ich meine ... Was ist los?“

Es schockierte Raven, als Pearl unsicher zu ihr rüber blinzelte, so als sei sie sich unschlüssig über das, was sie ihr erzählen wollte. Vielleicht hat sie schon irgendwie rausgefunden, dass ich auf Harvard gehen werde, schoss es ihr durch den Kopf. Im nächsten Moment schüttelte sie diesen Gedanken allerdings ab. Wie sollte Pearl das rausgefunden haben? Und auch wenn sie es rausfand, Raven wusste, dass ihre Freundin nicht dumm war und selber erahnte, dass so etwas irgendwann passieren würde. Nein, so etwas würde nicht diese Reaktion bei der taffen Blondine hervorbringen.

„Da ist dieser Junge.“

„ ... Was.“ Raven sah ihre beste Freundin deutlich irritiert an. Diese Reaktion war wegen einem ... Jungen? Ausgerechnet irgendein Typ schaffte das bei Pearl? Etwas überaus Untypisches sollte in den nächsten Minuten passieren, das Raven wahrscheinlich wie ein Traumata ins Gedächtnis gebrandmarkt werden würde. Ihre mangelnde Reaktion über die Tatsache, dass es anscheinend über einen Jungen ging, ermutigte Pearl nun aufgeregt weiterzuerzählen, während sie wild mit den Händen gestikulierte. „Ich hab in letzter Zeit diese total merkwürdigen Träume. Da ist so eine schräge Frau aufgetaucht, die Pandora heißt und meint aus der Zukunft zu sein, in der sie für irgendeine Organisation arbeitet. Und sie will, dass ich einen Typen namens Yaron beseitige, weil dieser anscheinend böse ist und die Schuld an einer bevorstehenden Apokalypse trägt.“

„Ehm ... das hört sich nicht gut an.“ Raven fehlten die Worte. Ihre Freundin war nun völlig übergeschnappt. Sollte sie sich noch mehr Sorgen um ihr Wohlergehen machen, oder ... ?

„Ich weiß! Und weißt du was noch schlimmer ist?! Die Tussi hat mich schon mehrfach beinahe im Traum umgebracht! Und diesen Typen habe ich auch schon getroffen. Richtig arrogant, sag ich dir. Meint der wohne im Buckingham Palace. Total eingebildet. Ein richtiger Snob.“

Würde es im richtigen Leben möglich sein, dass ein Tropfen kalten Schweißes neben der Braue auftaucht, wie es Raven schon so oft in japanischen Animes gesehen hatte, so hätte sie gleich ein Dutzend neben ihrer Braue hängen. Da dies jedoch nicht möglich war, griff sie einfach darauf zurück ratlos in die blauen Augen ihrer Freundin zu gucken. Die meint es voll ernst, dachte sie sich überwältigt.

„Die halbe Welt denkt, dass du genau das seist, Pearl.“

Die andere zuckte nur mit den Schultern, gähnte gedehnt, während sie eine Hand vor ihren offenen Mund hielt und sagte: „Ich weiß.“

Raven lächelte sanft und sah aus dem Fenster. Es fing langsam an zu dämmern. Die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne tränkten die Dächer von L.A. in Lava und die Menschenmassen drängten sich noch immer zeitlos durch die Straßen, als würden keine bösen Schatten in den dunkler werdenden Gassen lauern.

An ihren Gedanken zerrten die Gewissensbisse ihre Freundin im Dunkeln tappen zu lassen. Sie würde bald nicht mehr da sein. Pearl drehte nun endgültig unter dem Druck ihrer Eltern durch und fing an von Apokalypsen zu halluzinieren, an der zufälligerweise der Yaron Lathan Valverde Schuld sein sollte. Verwandter der Königsfamilie und einer dieser Menschen, die meistens auf Wohltätigkeitsveranstaltungen zu sehen waren. Es kam nicht so rüber, als sei sich Pearl bewusst, wer dieser Yaron war. Sie hatte es noch nicht verknüpft. Wahrscheinlich hatte sie es irgendwo gelesen oder gehört und diese Informationen in ihre Träume integriert. Raven glaubte an die ganzen Deutungen, die man aus Träumen sehen konnte. Viele sagten, dass es Quatsch sei, Träume seien nur eine Art, Geschehnisse und Probleme aus dem Alltag zu verarbeiten. Aber hier konnte die Schwarzhaarige nicht anders, als zu denken, dass ihre Freundin nur so tapfer tat. Dass sie sich eigentlich fühlte, als würde ihr der Boden unter den Füßen jeden Augenblick zerbrechen und sie in eine endlose Leere reißen. „Pearl, ich muss dir was sa-“ Erneut hatte Raven das Gefühl, als würde ein imaginärer kalter Schweißtropfen neben ihrer Augenbraue hängen, als sie wieder zu ihrer besten Freundin sah. „Na toll.“

 

»Lass dich drücken, Yaron!«, schallte Zacs fröhliche Stimme über den Parkplatz und ein belustigtes Grinsen stahl sich auf Yarons Lippen als er aus dem Wagen stieg. Zac kam freudig im Hopsa-Lauf auf seinen besten Freund zu, während ein weiterer Mann ihres Alters gemütlich hinter ihm herging und die Augen verdrehte. Das konnte nur Keith sein.

»Dude. Jetzt benimm dich mal nicht wie ein Kind.« Keith fand das pubertäre Verhalten des Anfang-Zwanzigjährigen einfach nur nervend und hatte kein Problem damit dies auch rauszulassen. Zac war zwar ein Superhirn, aber innerlich auch immer noch der kleine dumme Junge, der gerne Comics las und viel zu viel Unsinn verzapfte.

»Lass ihn doch, Keith, ich find's super«, antwortete Yaron lachend, »so wird wenigstens mein Tag erhellt.«

Er ging an den Kofferraum und räumte seine Koffer heraus, während der Blonde, Keith, sich mit verschränkten Armen gegen den Wagen lehnte. Mit großen Augen betrachtete er das Schmuckstück und konnte es sich nicht verkneifen einmal mit dem Zeigefinger über den glänzenden Lack zu fahren.

»Wo hast du dieses Schätzchen her, Yaronimo? Hat Elli wieder zu viel ihrer Billiarden Dollar übrig gehabt?«, scherzte Keith über die Queen und nahm seine Hand wieder von dem Wagen weg.

»Du weißt schon, dass wir in Großbritannien sind und wir hier mit Pfund bezahlen, Keithonimo?«, konterte Yaron und boxte seinem Kumpel in den Oberarm, als er mit seinen Koffern im Schlepptau an ihm vorbeiging. Er sperrte schnell den Wagen ab und die Drei machten sich auf den Weg in ihr Wohnheim.

»Pff, Pfund, Dollar, Euro, alles doch das Gleiche!«, schnaubte Keith leise vor sich hin.

Yaron sparte es sich, auf die eigentliche Frage zu antworten. Er hatte seine geheimen Autokontakte und er wusste wie Keith drauf war: Er würde von ihm wollen, dass er ihm einen Rolls Royce oder einen Lamborghini besorgte und darauf hatte Yaron nun wirklich keine Lust. Einer der Nachteile, wenn man Sohn der reichsten Familie des Landes war. Hier hatte zwar jeder das Geld, aber er wurde hauptsächlich um seiner Kontakte beneidet.

Sie schritten den Kopfsteinpflasterweg zwischen den grünen Wiesen entlang in Richtung Süden. Auf dem Weg blödelten sie herum und grüßten Kommilitonen, die entspannt auf Bänken oder der Wiese selbst saßen.

Im Wohnheim angekommen, einem großen, gotischen Gebäude, dessen Wände viele Meter hoch waren und den Gängen Freundlichkeit einhauchten. Der dunkle Stein hatte etwas Majestätisches, was Yaron sehr gefiel.

Das Zimmer der Drei lag im dritten Stock, der durch endlos wirkende, geschwungene Steintreppen mit dem Erdgeschoss verbunden war, und war im Gegensatz zu dem Gebäude selbst, sehr modern und schlicht gehalten. Es hatte drei weiße und eine gelblich, pastellfarbene Wand, die der Tür gegenüber lag. Ein rechteckiges Doppelfenster aus Holz gab dem Raum Tageslicht und an der Ecke flackerte zusätzlich ein schlichter Lampenschirm mit Glühbirne. Luxus war etwas Anderes. Einfache Holzmöbel bildeten das Interieur: Ein Doppelstockbett auf der rechten Seite des Raumes und links ein einfaches Bett aus dunklem Holz. Ein großer Schrank prangte neben der Eingangstür in die Höhe und kleine Tische zum Arbeiten mit einfachen lederbezogenen Stühlen standen vor den Betten. In der Mitte des Raumes lag ein hellblauer, quadratischer Teppich auf dem hellen Parkettboden, der mit Keiths und Zacs Koffern und Taschen voll gestellt war.

»Gehen wir erst einmal einen Kaffee trinken, Jungs?«, schlug Zac vor als Yaron sein Gepäck auf dem Einzelbett ablud.

»Find ich gut, Zac'io«, sagte Keith in melodischer Stimme und machte bei »Zac'io« eine Rapper-ähnliche Handbewegung, woraufhin Zac zu schmunzeln begann und etwas Unverständliches murmelte, während Yaron amüsiert die Augen verdrehte. Sie konnten es kaum erwarten mit diesem netten, amerikanischen Deppen das Semester zu verbringen.

Das »Carola's Summer« war das beste Café auf dem ganzen Campus, und lag glücklicherweise nur wenige Gehminuten vom Wohnheim der drei Studenten weg. Es war ihr Lieblingsplatz auf dem großen Campus, denn die Atmosphäre des Cafés war top. Es war im Stil der 60er-Jahre eingerichtet, mit hellen Nierentischen und gemütlichen Clubsesseln und im Hintergrund lief permanent Musik der Beatles, Rolling Stones oder anderen zeitgenössischen Interpreten. An den Wänden hingen Filmplakate und Vinyl-Platten und die ein oder andere Wand war mit Retro-Tapete beklebt, die bei genauerem Betrachten in den Augen wehtat.

Die jungen Männer ließen sich auf ihrem Stammplatz, einer Dreiergruppe an einem großen Fenster, das den Blick auf die Straße freigab, nieder und bestellten sich alle einen Kaffee.

Yaron verbrachte die Zeit, in der sich Zac und Keith über die Erlebnisse der letzten Wochen austauschten damit aus dem Fenster auf die Straße zu blicken und in seine eigene Welt abzutauchen. Als er nebenbei an seinem Kaffee nippte hatte er plötzlich das Gefühl, das heute schon mal getan zu haben. Nicht das Kaffeetrinken selbst, sondern in einem Café zu sitzen und sich mit seinen besten Freunden zu unterhalten.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen ließ er geräuschvoll seine Tasse auf die Untertasse plumpsen und seine Freunde schreckten aus ihrem Gespräch auf. Verwundert schauten sie ihren Freund an, der die Arme auf den Knien abgelegt hatte und mit den gefalteten Händen den Mund verbarg und auf den Boden blickte.

»Yaron...? Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Zac stirnrunzelnd und Yaron nickte.

»Ja ... ja, alles gut«, antwortete Yaron zögerlich und hob den Kopf, »kennt ihr das Gefühl etwas schon mal erlebt zu haben?«

»Ja, klar, ich hab dauernd Déjà-Vus«, Zac zuckte mit den Achseln.

»Nein, nein. Nicht so. Anders. Als hätte man genau diese Situation schon mal erlebt und-« er hielt inne, denn vor seinem geistigen Auge erschien plötzlich eine Szenerie, ähnlich der jetzigen. Ein Café, aber nicht in England, und zwei Frauen, eine blond, eine brünett. Er schüttelte den Gedanken weg. Wurde er jetzt schon verrückt?

»Das klingt für mich stark nach einem Déjà-Vu«, meinte auch Keith und schlürfte an seiner Tasse.

»Oder ist das jetzt irgendwas Neues in Sachen Klarträumen?«, fragte Zac neugierig. Yaron hatte ihm vor einiger Zeit in betrunkenem Zustand erzählt, dass er luzide träumen konnte und so seine Träume nach seinem Belieben verändern konnte. Mehr wusste er allerdings noch nicht.

»Ich weiß nicht«, sprach Yaron und schaute sichtlich verwirrt über seine eigenen Gedanken aus dem Fenster. All die Leute, die dort vorbeigingen hatten so normale Probleme. Liebeskummer, Steuererklärungen, Strafzettel. Und er? Er musste gleich mit Problemen einer Metaphase konfrontiert werden, die er gar nicht verstand.

»Letztens, hab’ ich so etwas geträumt«, setzte er an und schaute wieder zu seinen Freunden, die nun aufgeregt seinen Worten lauschen würden. Keith hatte überhaupt keine Ahnung, doch er war gespannt was nun kam, »ich saß auf dem Dach des Palastes, hab’ nichts Böses gedacht und plötzlich war da dieses Mädchen. Pearl. Sie erzählte mir von einer Organisation, die für eine Apokalypse zuständig sein soll. Das Schräge daran: Sie hatte vollkommen Recht. Ich weiß, dass diese Organisation, IntraNebula, dabei ist die Eigenschaften von Träumen zu erforschen, sprich, wie man Klarträumen erlernen kann, inwieweit Träume die Realität abbilden, wie man Träume richtig deutet und lauter solcher Kram. Ihr könnt sie googeln, es gibt sie wirklich. Nur das mit der Apokalypse war mir neu ... Aber das ist nicht mal all das, was mich beschäftigt. Sondern sie. Wieso schickt IntraNebula mir eine wie sie? Eine snobistische, verwöhnte kleine Göre, die denkt sie hätte Humor in dem sie mich vom Dach wirft und so aus dem Traum kickt. Und dennoch kann ich nicht aufhören an sie zu denken ...« Yaron seufzte und nahm einen Schluck Kaffee, während Zac mit den Fingern auf der Armlehne des Sessels trommelte.

»Klarer Fall, Yaron«, sagte er verschmitzt grinsend, »du bist verliebt.«

 

Sie zog das Falcata aus der rechten Augenhöhle des Zombies und das Beimesser, welches sie in der linken Hand umklammerte, aus der Kehle eines anderen. Dass ihre Hände blutgetränkt waren machte ihr lange nichts mehr aus. Den Gestank der toten Untoten, die um sie herum zerstückelt und zerstreut herumlagen, nahm sie nicht mehr wahr. Seit geraumer Zeit hatte sie nur noch ein Ziel vor Augen: Rache.

Mit flüssigen Bewegungen steckte sie das Falcata und das Beimesser wieder zurück in die dazugehörige Holzscheide. Sie war sich selber dankbar in der letzten Stadt clever genug gewesen zu sein notgedrungen in ein Museum zu flüchten, worin sie diese Waffen unberührt in der Glasbox liegen sah. Es war wunderschön mit dem reich verzierten Messinggriff in Form eines Pferdekopfes. Die Griffplatten waren aus Knochen gefertigt und mit Messingnieten befestigt. Auch die Klinge aus Kohlenstoffstahl war mit ihren vielen „Blutrillen“ sehr schmuckreich gestaltet. Das Wichtigste war allerdings, dass sie gut in den Händen lagen und ihren Zweck erfüllten. Das hatte es im 4. bis 3. Jahrhundert vor Christus getan; Wer hätte gedacht, dass es knapp zweieinhalbtausend Jahre später wieder ihren Einsatz finden würde?

Sie mied es ihre von Zombieblut getränkten Hände an den Mund zu führen, um nach ihrem Pferd zu rufen. Schon oft hatte sie auf ihrer Reise bei kleinen Gruppen mitgekriegt, wie Menschen sich fürchteten Kratzer von diesen Untoten abzubekommen, woraufhin sie ebenfalls zu diesen mutieren würden. Nie war einem aufgefallen, dass all das Blut, welches in Kämpfen spritzte ebenfalls in deren Blutlaufbahn geraten konnte. Sei es durch die Nase, die Augen oder den Mund.

Von hinten wurde sie von ihrem Pferd angestupst, und als sie sich umdrehte, stand ihre Pura Raza Espanola groß und elegant vor ihr. Eines der graziösesten Lebewesen, die sie hätte bei ihrer Ankunft in Frankreich antreffen können. Das war nun einen Monat her, und Frankreich lag bereits meilenweit hinter ihnen. Sie näherten sich langsam dem Norden, hatten die Hoffnung, dass in Großbritannien die Epidemie noch nicht so weit vorangeschritten war, da es von allen Seiten von Wasser eingeschlossen war. Abgesehen von alledem, hatte sie den Verdacht diesen Mann dort aufzufinden.

Mit Leichtigkeit schwang sie sich auf den schneeweißen Rücken ihrer Pura Raza Espanola, die sie insgeheim Liberty benannt hatte.

Kurz schnalzte sie mit der Zunge und brachte mit einem beidseitigen Schenkeldruck noch ein kräftiges „Hü!“ heraus, woraufhin Liberty treu in einen schnellen Galopp wechselte. Der Boden war übersät mit dem feurigen Laub des Herbstes, und diese volltrunken mit der teuflischen, roten Flüssigkeit der Untoten.

Liberty schien förmlich abzuheben. Sie flogen in einem verschwommenen Blitz aus Farben und Hufschlägen vorbei, donnerten zwischen den kahlen, dürren Bäumen hindurch und ließen das Massaker hinter sich.

So ging das eine ganze Weile, mit dem Fahrtwind, der ihr Haar und Libertys Mähne aufwirbelte, bis sie auf eine verlassene Landstraße hinausritten und in der Ferne eine Tankstelle sichteten. In der Nähe ließ sie Liberty in einen leisen Trab wechseln und sah sorgfältig um sie herum, um nach Zombies Ausschau zu halten. Als sie keine erblickte und auch sonst alles sehr ruhig schien, stieg sie von Liberty herunter und flüsterte: „Schön hier bleiben und dich nicht fressen lassen, ja?“ Liberty schnaubte bloß und scharrte erbost mit den Hufen. Sie beide hatten denselben Humor, das liebte sie an diesem Pferd. Stolz kraulte sie dem hübschen Tier den Widerrist, zückte dann das Falcata von neuem heraus und schlich behutsam auf die Eingangstür zu. Zu diesen Zeiten war es schwer noch etwas Ordentliches zu Essen zu finden, da kleine Gruppen von Überlebenden alles plünderten. Die Tür knarrte, doch das war nicht, was sie langsam zu beunruhigen anfing. Es war nämlich still. Viel zu still. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen und stand dabei die ganze Zeit über in angriffsbereiter Stellung. Alles war staubig, ziemlich alt und abgelebt. Nicht wirklich dreckig, aber auch nicht wirklich sauber. Der Raum wirkte vergessen. Überall lag Gerümpel, doch was ihr am meisten ein Dorn im Auge war, war nicht die Tatsache, dass sich jeden Augenblick ein Zombie gierig auf sie stürzen könnte, sondern, dass sie in diesem Moment an einen reglosen Körper eines eben solchen trat. Die Kehle war aufgeschnitten, eine Einstechwunde prangte an der Schläfe und frisches Blut rann an den Seiten der Wunden herab; Eine Lache formte sich unter der oberen Körperhälfte.

Sie hörte ein Geräusch und wirbelte herum, ihre linke Hand schoss hinter sich an den Gurt, an dem eine Pistole mit Schalldämpfer befestigt war und richtete es in blitzschnellen Bewegungen auf den Fremden vor sich, der sich versucht hatte anzuschleichen. Auch er hatte eine Waffe auf sie gerichtet, ohne Schalldämpfer. Wenn die losging, dann würde es alle Zombies in unmittelbarer Nähe zu ihnen locken.

„Wer bist du?“, fragte sie ihn stoisch.

„Du bist kein Wiedergänger“, stellte er karg fest.

Ihre Augen verengten sich bei dem Wort. „Bist du von IntraNebula?“ Diesmal verengte er seine Augen.

„Woher kennst du diese Organisation?“

„Also doch ... Bring mich zu Alec!“, rief sie ungeduldig werdend aus. Ein roter, wütender Schleier legte sich über ihre Augen und ihr rationales Denkvermögen. Sie machte sich bereit zu schießen, doch unerwartet legte sich ein Dolch an ihre Kehle und die warnende Stimme hinter ihr ließ sie erstarren.

„Nicht schießen.“

Fan-Art

 

In diesem Kapitel werden, wie der Titel schon sagt, Fan-Arts hochgeladen.

 

Was ist ein Fan-Art?

 

"Unter Fan-Art versteht man gezeichnete Werke, die Fans eines Künstlers, einer Musikgruppe, eines Autors, einer Fernsehserie oder Ähnlichem anfertigen. Dabei werden oft die Helden oder Hauptpersonen als Motiv gewählt. Der typische Stil des Vorbildes wird imitiert, abgewandelt oder erweitert. Nicht immer muss das Bild eine einfache Kopie bestehender Werke sein, oft erfinden Fans auch eigene Serien oder Handlungsstränge. Besonders beliebt sind Zeichnungen zu japanischen Manga oder Anime.

Viele Fans experimentieren damit, Einflüsse verschiedener, manchmal sogar gegensätzlicher Vorbilder zu kombinieren. Fan-Art wird häufig an Fanklubs oder die Künstler selbst versendet oder innerhalb der Fangemeinde weitergegeben. Die Werke können auch in Zusammenarbeit entstehen."

(Quelle: Wikipedia >Fan-Art)

 

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Drawing By: Zeynep Ay. (2014)

Painting By: Jülide At. (Seliiia

 

 

Impressum

Texte: (c) Seliiia // "Solange du mich liebst, können wir verhungern, solange du mich liebst, können wir heimlos sein..." aus Justin Biebers "As Long As You Love Me". "Geliebter, wenn diese Liebe nur in meinen Träumen existieren wird, weck mich nicht auf" von Chris Browns Song "Don't Wake Me Up".
Bildmaterialien: (c) Seliiia
Tag der Veröffentlichung: 13.04.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Inspiriert zu dieser Idee durch den Film "Inception" von Leonardo DiCaprio und dem Song "Don't Wake me up" von Chris Brown. Touch aus den Filmen: Resident Evil, Wanted

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