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~ Bilder & Karten ~

 

 

 

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Nicht dass es mir schlecht ging,


 nein, mir ging es sogar blendend. Ich wohnte in einer verträumten Villa mit einem definitiv ZU großen Garten. Mein Zimmer war riesig mit einem begehbaren Kleiderschrank, drei riesigen, nebeneinander eingelassenen Fenstern und einem überdimensionalen Himmelbett für mich ganz allein. Fernseher, eigener Schminksalon, Kinoraum, Poolraum, Discohalle mit Bar, Musikstudio, Ballettsaal und Klaviersaal. Ich hatte wirklich alles. War ein reiches Kind. Doch eines fehlte. Etwas das jeder gerne hat. Und zwar dich liebende Eltern. Meine waren nämlich nie da. Und wenn doch, dann wollten sie auch nicht viel über mein Leben wissen. Kam mir jedenfalls so vor. Doch das Mädchen ist reich, also sollte es ihr doch richtig gut gehen, oder? Falsch! Ich war eine Vorzeigeschülerin und dazu auch noch Captain der Cheerleadermannschaft und Topspielerin in der Basketballmannschaft. Was mich sehr störte waren die vielen Mitschüler, die um meine Aufmerksamkeit rangen. Wahre Freunde zu finden war schwierig. Obwohl ich also doch alles hatte, war ich dennoch auf eine Weise einsam. Doch es gab da eine Stelle, eine abgelegene Fabrik, schon fast eine Ruine. Dort fühlte ich mich willkommen.


Mit dem Fahrrad brauchte ich ungefähr 30 Minuten dorthin, also fuhr ich wie jeden Tag nach der Schule, nachdem ich meine Schultasche zu Hause in mein Zimmer geschleudert hatte, mit dem Mountainbike zur verlassenen Fabrik. Natürlich hätte ich auch mein Porsche Panamera nehmen können, doch so fühlte ich mich normaler. Als ich dort ankam setzte ich mich auf eine halbeingestürzte Treppe, im Erdgeschoss, steckte mir meine Kopfhörer ein, schaltete mein iPod an und hörte einen meiner Lieblingslieder, von Billy Talent ’Rusted from the rain’. Ich holte aus meiner mitgebrachten Tasche, ein neugekauftes Fantasybuch und begann es zu lesen. Ja, ich besaß das Talent des Multitasking. Ich konnte Musik hören und lesen gleichzeitig! Was sehr praktisch war, wenn man Zeit nicht nur schinden sondern auch sparen wollte. Was jetzt aber sehr gegensätzlich klang … War das nicht fantastisch?
Normalerweise saß ich hier und dachte über alles nach, mein Leben in der Schule oder allgemein über mein Leben, meine Familie und meine Zukunft. Ob mich jemand lieben konnte? Und nicht das Geld meiner Eltern? Oder meine Beliebtheit? Wahrscheinlich nicht. Bestimmt würde ich niemanden finden der mich liebte. Ich meine seht mich an!

Mein Po sah aus wie ein schrecklicher, überdimensionaler siamesischer Zwilling. Meine Brüste waren walrossmäßig und mein rubinrotes Haar mobbte mich mit den Wellen. Dabei können sie sich auch nie entscheiden ob sie glatt oder wellig sein wollten, was ziemlich verzweifelnd war! Meine Oberlippe ist ein Tick größer als die Untere, und meine Augen erinnern an einen Froschteich.
By the way, ich spürte ein Kribbeln an meinem rechten Oberschenkel. Klar doch, mein Handy hatte ich auf lautlos gestellt. Doch wer könnte mich denn jetzt anrufen? Eigentlich sollten alle noch grummelnd im Bett liegen und stöhnen, dass sie nicht aufstehen und zur Schule gehen wollten. Ich sah auf den Display und hob überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Eine SMS, schoss es mir durch den Kopf. Schnell öffnete ich sie, nicht dass ich Hoffnung hatte, sie könnte von meinen Eltern sein; ich war nur scheiß neugierig, wer es sein könnte. Ich musste die Stirn runzeln und zog mir die Kopfhörer aus den Ohren. Eine mir unbekannte Nummer. Doch das war nichts unnormales. Der Text irritierte mich noch mehr.

 

>Schnell! Raus aus der Fabrik, sie stürzt gleich ein!<

 

Quatsch. Ich schüttelte den Kopf und ließ es mir auf den Schoß fallen. Da wollte mich doch bloß wieder jemand verarschen. Ein leises Knistern ging durch das Gebäude. Wieder kribbelte es.

 

>Hope! Bitte, raus da!<

 

Dann knackte es gefährlich und ich wurde von jemandem weggerissen.

 

Erstarrt und erschrocken zugleich riss ich die Augen auf und sah einen tiefen Riss die Wände 

hinaufklettern, und anschließend die Decke in sich zusammenstürzen. Dann wurde alles schwarz.

Na toll.

 Das war´s also. Ich würde mal sagen verkackt. Warum hatte ich dumme Kuh auch nicht auf die SMS gehört?! Ich war ja so blöd. Warum musste ich denn jetzt schon sterben? Ich meine HALLO?! Ich war erst 17 und hatte mein Buch noch nicht zu Ende gelesen! Woher soltel ich denn jetzt wissen wie´s in der Geschichte weiterging?! Als Geist konnte ich doch kein Buch halten. Das war ja mal so was von Scheiße. Ach ja, da fiel mir ein, ich wollte noch Karriere machen, mich verlieben und dann vielleicht heiraten. Hm ... naja ... über Kinder hatte ich nicht wirklich nachgedacht. Sie waren ja süß und so ... aber auch irgendwie nervig, fand ich. Und außerdem konnte ich mich nicht so um Kinder kümmern. Ich fluchte viel und konnte auch sehr ungeduldig sein. Und nicht zu vergessen, war ich ab und zu mal schnell genervt. Hm ... wäre wohl nicht so gut für die Erziehung. Meinen Tod hatte ich mir auch anders vorgestellt. Entweder würde ich als uralte Frau an Herzversagen sterben oder wegen Diabetes. Ich LIEBTE nämlich Süßes, aber zurzeit aß ich kaum noch so etwas, weil ich "versuchte" eine Diät zu machen.

 

WARTET! Als Geist konnte man gar nicht zunehmen und das hieß ich bräuchte keine Diät zu machen. Damit wären meine erste Weltprobleme erledigt. Aber als Geist konnte man ja gar nichts essen, noch nicht mal Schokolade ... Was machte ich eigentlich hier? Suchte ich gerade wirklich Vor- und Nachteile des Totseins? Oh Gott .. Jetzt war es offiziell: Ich war übergeschnappt. Anscheinend hatte mich etwas hart am Kopf erwischt.

 

MOMENT MAL! Warum spürte ich kein Schmerz? Ich sollte wohl meine Augen öffnen, dann bräuchte ich nicht mein Kopf über diese Scheiße zu zerbrechen. Ach, verdammt! Ich konnte meine Augen nicht öffnen. Aber ich fühlte etwas unter mir. Etwas Weiches ... ich würde jetzt mal sagen, dass es eine Matratze war. Und das würde heißen, dass ich in einem Bett lag. Sehr scharfsinnig von mir.

Also versuchte ich die Augen aufzuschlagen, doch das gelang mir irgendwie nicht. Verdammte Scheiße! Was ging hier ab?! Meine Zehen konnte ich bewegen, spüren wie ein Windhauch meine nackte Bauchhaut umstreichelte. Anscheinend war irgendwo ein Fenster offen, aber warum zur Hölle hatte ich nichts an?! Noch einmal versuchte ich angestrengt meine Lider aufzuschlagen und blinzelte plötzlich in angenehm, warme Sonnenstrahlen rein. Es dauerte einen Moment bis meine Augen sich an das helle Licht gewöhnt hatten und ich verdattert feststellte dass ich mich in meinem Zimmer befand. Beim Wälzen musste wohl mein Top hochgerutscht sein, denn anscheinend war es nur ein Albtraum gewesen. Ein erschreckend realer noch dazu. Es war, als wäre ich in dem Schrecken mittendrin gewesen. Ich stand auf und wollte ins Bad gehen, dabei ging ich an meinem reichlich gemusterten, großen Spiegel vorbei und blieb abrupt stehen. Das war definitiv ich, aber- Verdammt. Was war mit mir passiert?

Meine Beine sahen länger aus, trainierter und dünner. Plötzlich hatte ich eindeutige weibliche, doch zierliche Rundungen an den richtigen Stellen. Mein Blick wanderte hoch und blieb verstört an meinem Gesicht hängen. Unwillkürlich musste ich schrill aufquieken. Meine Augen! Sie waren plötzlich so intensiv. Wie ein harmonischer Wasserfall. Fast schon türkis. Ungläubig klatschte ich meine rechte Hand auf die Stirn. Pfirsichhaut, glatt und geschmeidig weich. Meine Wangen hatten einen leichten rotorange Ton angenommen und die Sommersprossen waren auch verschwunden, die mich sonst immer vor dem Spiegel entnervt aufstöhnen ließen.


War so etwas denn überhaupt möglich? Über Nacht so große Veränderungen zu haben? Vorher war ich mit meiner Größe klarer Durchschnitt gewesen, 1,65 m, doch nun ... ALTER, bestimmt ca. 1,72 m?! Das war ein ordentliches Stück! Und das alles nur weil ich heute 18 wurde? Wow. Wer hätte gedacht, dass die Volljährigkeit einen zu verändern konnte ... Zu meinem Bedauern hatten sich meine Lippen nicht geändert. Musste ich wohl mit der Oberlippe leben.

Jetzt bemerkte ich einen blauen Fleck und Schürfungen an der linken Schulter. Woher kamen sie her?! Da schoss mir ein absurder Gedanke durch den Kopf und ließ mich schnell zu meiner Kommode rennen. Wo war bloß mein Handy? Ich blickte mich schnell im Zimmer um und bemerkte es auf meinem Tisch. Merkwürdig, sonst tat ich es nie dorthin. Doch genau das unterstütze meine Vermutung. Ich rief meine SMS ab und sah meine Vermutung bestätigt. Es war kein Traum gewesen. Alles ist wirklich passiert. Ich schnappte nach Luft und drückte auf "Antworten". Wer war, mein mysteriöser Retter?


>Wer bist du?< "Abschicken."



Ich stellte mein Handy auf die Kommode und richtete mein Bett. Anschließend ging ich ins Bad um zu duschen. Ich seufzte wohlig auf, als das Wasser an meinem Körper abperlte. Das Wasser spülte meine Sorgen einfach fort. Als ich mit dem Duschen und Haare kämmen, fertig war, ging ich in meinen begehbaren Kleiderschrank, fischte mir schwarze Unterwäsche raus und zog sie an. „Was soll ich heute anziehen?“, murmelte ich vor mich hin. Diese Frage stellte sich wahrscheinlich jedes Mädchen, wenn sie vor dem Schrank stand. Und immer war es dieselbe schwierige und nervige Aufgabe.
 So zog ich mir eine verwaschene Jeans raus und darüber ein grünes, enges Top, das zu meinen Augen passte.
 Ich schminkte mich dezent und brachte mein Haar in Form. Nachdem ich kurz in den Spiegel geblickt hatte und zufrieden mit meinem Aussehen war, ging ich in die Küche, um meinen Amok laufenden Magen zu beruhigen.


„Jetzt muss ich auch noch darüber nachdenken was ich essen will … hmmm … Was hätten wir denn zur Auswahl …“ –Irgendwie hatte ich nicht wirklich großartig bock etwas herzurichten … Ich nahm mir eine Schüssel und öffnete den Cornflakesschrank. „Erdbeere, Nuss, Banane –wuääh- Aahh ja, Honig!“ Honigflakes sollten diesmal meine Opfer sein, ich tat mir also diese rein und latschte zum Kühlschrank, nahm mir die Milch, goss es in meine Schüssel mit Cornflakes, stellte es dann wieder zurück in den Kühlschrank. Nach gefühlten 5 Minuten war ich auch schon fertig, okay ich geb’s ja zu, mein Zeitgefühl ist vor langer Zeit mit Glück durchgebrannt. Eine höhere Gewalt muss dafür gesorgt haben, dass es mich kurz besucht. Oh man, ich bin der höheren Gewalt unendlich dankbar, dass es Glück kurz vor dem Einsturz der Fabrik zu mir geschleift hatte. Aber die Besuchzeit ist bestimmt schon wieder um. Dieser Gedanke ließ mich resigniert aufseufzen. 

Da ich gerade

 

über die Fabrik dachte, ich muss verdammt noch mal – und unbedingt - wissen wie es aussieht. Obwohl ich es mir denken konnte. Ich stand vom Küchenstuhl auf und stiefelte in mein Zimmer. Ob mir der Unbekannte geantwortet hatte? Schnellen Schrittes ging ich zu meiner Kommode und nahm mein Handy zur Hand.

Schade, keine neue Nachricht. Ich latschte rüber zu meinem Kleiderschrank nahm mir eine schwarze Tasche raus legte mein Handy rein –warte ich musste ja noch die Stummschaltung ausschalten - also holte ich es wieder aus der Tasche, schaltete die Stummschaltung aus und schmiss es wieder rein. In meinem Zimmer wieder angekommen nahm ich mir aus meinem Schmuckkästchen meine Ying und Yang – Kette welche ich mir um den Hals band. 
„Wo zur Hölle nochmal ist mein iPod?!“, fluchte ich vor mich hin.

„Ach da ist es ja!“, rief ich, als ich es auf dem Tisch erblickt hatte. Zielsicher ging ich auf den Flur, nahm mir meine Jacke vom Hacken und zog mir meine schwarzen Sneakers an. Die Schlüssel, die am Schlüsselhacken hingen, schmiss ich mir auch in die Tasche. Bevor ich das Haus verließ, steckte ich mir meine Kopfhörer an und verschloss dann die Tür. Ich beschloss zu Fuß zur ehemaligen Fabrik zu gehen, aber dann fiel mir ein wie weit weg es war. Da ich mein Bike nirgends fand, musste ich wohl mit meinem Liebling, also Porsche Panamera, in die Nähe der Fabrik fahren.

Als ich dort ankam, stieg ich aus, schloss es ab und stiefelte nach meiner Handyuhr nach, 5 Minuten in Richtung Fabrik. Als ich dort ankam, zog ich scharf die Luft ein. Ich schaltete mein iPod aus und tat es in die Tasche.

 Es lag in Schutt und Asche. Mein Lieblingsort, zerstört …

„Holy shit“, entfuhr es mir. Es wurde abgesperrt, wahrscheinlich damit Kinder dort nicht spielten und sich verletzten. Super Hope, warum sollten sie es sonst absperren?, dachte ich mir sarkastisch.
 Damit so dumme Kinder wie ich sich nicht hier aufhalten. War ja klar, dass ich nicht drumherum kam mir selbst zu antworten.

Einige Meter entfernt sah ich mein Mountainbike. Ich bewegte mich langsam darauf zu, als … *ring*.

Mein Handy klingelte. Als ich aufs Display sah, bemerkte ich, dass ich eine neue SMS bekommen hatte. Und wenn man so scheiß neugierig war wie ich, konnte man nichts anderes tun als diese zu öffnen. 
Verwirrt runzelte ich die Stirn und las die Nachricht immer wieder durch.

 

>Das wirst du noch früh genug erfahren. Und ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag.<


 

Echt super! Bitte lieber Gott, lass es nicht so ein Psycho sein. Bitte. Ich flehe dich an.



 

Doch plötzlich packte mich ein merkwürdiges Gefühl. 

Es kribbelte leicht

 

 in meinen Gliedern und meine Sicht verschwamm für einen kleinen Augenblick.


Ich hatte das seltsame Gefühl nicht hier sein zu sollen. Plötzlich überkam mich die Angst und ich wollte so schnell wie möglich weg von diesem Ort. Dem Ort an dem ich fast -ich wagte es kaum zu denken- gestorben wäre.


Schnell griff ich nach meinem Mountain-Bike und steckte es, wenn auch mühselig, ins Porsche. Ein Wunder dass es reinpasste. Ich liebte dieses Fahrrad einfach zu sehr um es hier vor sich hin liegen zu lassen.


Der Porsche war mir viel zu protzig und es gafften einfach alle so sehr, dass es mich wahnsinnig machte. Noch einmal blickte ich ehrfürchtig zu dem eingestürzten Gebäude zurück. Mein Buch konnte ich jetzt wohl vergessen.


Mein Magen zog sich bei dem Anblick unangenehm zusammen und ich machte mich schnell daran ins Auto zu steigen und loszufahren.


Zu Hause setzte ich mein Fahrrad ab, mit ein wenig gerüttel klappte es.


Ich hatte noch etwa eine Stunde bis die Schule anfing.


Ein Langschläfer war ich nie gewesen und das wollte ich mir auch nicht angewöhnen. So schmiss ich mich im Wohnzimmer auf´s Sofa, streckte Arme und Beine aus und schloss meine Augen.


 Ich würde es früh genug erfahren...


Was da auf mich zukommen würde, wollte ich nicht wissen. Es war ein bisschen schräg, das zu lesen. Als hätte ich einen Stalker. Inständig hoffte ich, dass es nicht so war.


Sollte ich darauf antworten? Etwas neugierig war ich schon, schließlich hatte ich demjenigen mein Leben zu verdanken. Doch was wenn er wirklich ein gestörter Jemand ist, der zufällig auch dort war?


Ohne länger darüber nachzudenken packte ich mein Handy aus meiner Tasche und fing an zu tippen.

 

>Weshalb hast du mich gerettet?<

 

Kurz ließ ich die Frage durch meine Gedanken laufen. >>Senden<<


Ich könnte mich bei ihm auch bedanken... Moment mal... woher wusste er, dass ich Geburtstag habe?


Schon kurze Zeit später erklang der Ton, dass eine SMS eingetroffen war. Ich japste auf und las sie.

 

>Es durfte nicht sein.<

 

 Etwas verstört runzelte ich die Stirn.

Mit so einer Antwort hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.


 Doch unhöflich wollte ich nicht sein. Ich hatte schließlich auch gute Manieren.

 

>Danke..< Das würde meine Antwort sein.


 

Mir fiel mein rubinrotes Haar ins Gesicht. Ich mochte diese Farbe nie, denn sie stand mir einfach nicht. So kam ich mir vor wie eine Hexe. Den perfekt blassen Teint hatte ich auch noch. Sie war schon fast seiden und durchscheinend, kein Wunder dass ich immer so schnell rot wurde ...


Ich lief ins Bad und öffnete sämtliche Schränke auf der Suche nach Farbe. Es war Zeit für etwas Neues.


Letzten Endes fand ich eine passende Farbe und nässte mein Haar auch schnell ein. Damit würde ich nicht mehr so blass aussehen.


Vorsichtig massierte ich auch schon das cremige Zeug in mein Haar. Eigentlich mochte ich mein Haar, es war so wunderbar Po lang und flatterte wundervoll im Wind.


Nach dem Einwirken, wusch ich es aus und trocknete es schnell. Ich lief in mein Zimmer, wollte etwas anderes anziehen, denn das Oberteil passte nicht sonderlich gut in dieser Augen/Haar-Kombination. Die Hose und das Oberteil zog ich aus und schmiss sie achtlos in den Schrank.

 Dort angelte ich ein traumhaft weißes Kleid raus und zog es an. Als ich mich vor dem Spiegel betrachtete, musste ich innerlich wohlig lächeln. Das Kleid schmiegte sich sanft an meinen Oberkörper, es war kurz und ab der Hüfte fiel es luftig ab.


Mein langes, nun goldenes Haar umrahmte mein zartes Gesicht und meine Augen funkelten hell und kräftig. Ein unschuldiges Erscheinungsbild von mir, und noch immer fragte ich mich, wie die körperliche Veränderung an mir möglich war.


 

Ein Blick auf die Uhr

 

 sagte mir dass es Zeit wurde sich auf den Weg zur Schule zu machen. So schnappte ich mir meine weißen Ballerinas und lief zum Auto. Es würden zwar alle mit aufgerissenen Augen glotzen, aber mein Höschen wollte ich auch nicht unbedingt auf dem Fahrrad zur Show stellen.



 

Nicht anders erwartet gafften natürlich alle, als ich auf den High-School Parkplatz fuhr,sogar offene Münder begrüßten mich. Einmal musste ich laut auflachen, als die Köpfe von links nach rechts, hinter mir herfuhren.


"Hai, Hope!", rief jemand meinen Namen, als ich gerade im Begriff war die Wagentür zu zuschlagen.


"Hey, Paige!"

"Rate mal die neuesten Nachrichten! Darauf kommst du nie!"

"Unser Schulmaskottchen hat sich auf den Mars gefurtzt?"


"Ach Quatsch! Wir haben einen NEUEEEN in der Klasse! Und ich sag´s dir, der ist HAMMER heiß!" Ihre Augen glitzerten auch schon so verräterisch. Hätte ich auch gleich drauf kommen können. Aber mitten im Schuljahr? Das war echt daneben. "Oh mein Gott! Du siehst so toll aus!", bemerkte sie jetzt auch noch. "Nicht, dass du ihn dir schnappst!" So war sie, unsere kleine, höchst hyperaktive Paige.


"Zur Hölle! Nein! Das fehlt mir noch, ein Typ!" Ich hatte den Scheiß nicht nötig und ich interessierte mich auch so nicht besonders für Jungen. Sie benahmen sich wie kleine Kinder.


Mittlerweile in der Klasse angekommen verstummte plötzlich jeder, was höchst merkwürdig war. Ich spürte förmlich die Blicke der Jungen auf mir, was mich leicht staunen ließ, da mich sonst alle wie Luft behandelten. Das veranlasste mich aufzuschauen. Aus Reflex huschten meine Augen zu meinem Platz am Fenster, doch erstarrt hielt ich inne.

Mein rechter Platz, auf dem sonst niemand saß, da mein Lehrer, Mr.Ihr-Quatscht-Mir-Zu-Viel, Paige von mir weggesetzt hatte, war nun das bezaubernste, wunderschönste Wesen am sitzen. Und es schaute mir geradewegs in die Augen. Ich stockte im Absatz und konnte keinen Millimeter mehr weiter gehen. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in mir breit, es zog mich quasi magisch zu ihm. Er hob eine Augenbraue, womit er ebenfalls göttlich aussah.


"Haben sie vor hier Wurzeln zu schlagen oder begeben sie sich auch noch heute auf ihren Platz, Miss Benett?"


Shit. Mr. Ihr-Quatscht-Mir-Zu-Viel hatte sich von hinten angeschlichen und musterte mich abwartend. Peinlich berührt merkte ich, dass ich diesen Jungen angeglotzt haben musste. Schnell stolperte ich auch schon zu meinem Platz, bei dem ich mir jetzt wünschte, es wäre ein Erdloch, in dem ich mich verkriechen könnte. Doch nicht nur ich hatte ihn angestarrt. Die anderen Mädchen sabberten schon förmlich aus ihren Maulkörben. Wuääh!


"Wie ich sehe, haben wir einen Neuen in der Gemeinschaft. Kommen Sie nach vorne und stellen Sie sich vor." Anmutig ging er nach vorne und drehte sich der Klasse zu. Arroganz spiegelte sich in seinen Augen.


"Hey, ich bin Killian Aeron und euer neuer Klassenkamerad." Seine Augen huschten kurz durch die Klasse. Doch für einen kurzen Augenblick blieben sie an mir hängen. Dieser Moment reichte mir allerdings. War da Spott in seinen Augen gewesen? Natürlich Hope, er verspottet dich, ohne dich auch nur einen Hauch zu kennen. Es war wahrscheinlich bloß eine Einbildung. Ein Streich meiner Fantasie. Doch was versuchte ich mir hier eigentlich einzureden? Warum versuchte ich diesen Idioten in meinen Augen zu verteidigen oder gar besser zu machen? Er strotzte nur so vor Selbstbewusstsein, was ihn anziehend wirken ließ, und Arroganz, was mich dazu verleitete ihm in die Eier treten zu wollen. Bei mir war er schon unten durch.

 

Abgestempelt: Arschloch. Das stand fest.


Killian Aeron

 ... der Name zerging wie geschmolzene Schokolade auf der Zunge- Stopp!!


An was dachtest du schon wieder. Tabu! No Go! Er war ein Trottel wie jeder andere Junge auch. Du kanntest solche Typen ja im Übermaß und nur zu gut! Ich sollte mir wahrscheinlich eine Schaufel besorgen ...


Ich kniff die Augen böse zusammen und schaute trotzig zurück. Er strich sich gekonnt sexy durch das Asch-schwarze, fast schulterlange Haar und setzte ein schelmisches Grinsen auf. Im Nachhinein fielen ihm die Strähnen jedoch wieder wirr ins Gesicht. In seinen tiefbraunen Augen glänzte der Schalk. Doch dort war noch etwas, etwas dass ich nicht beschreiben konnte, geschweige denn wusste was es war. Es war sorgfälltig verschlossen hinter zwei ebenschwarzen Iriden, die wenig preisgaben. Seine Augen offenbarten bloß Arroganz und Ignoranz und doch sahen sie kalt und leer aus. Gleichzeitig strahlten sie solch eine Stärke aus und Selbstsicherheit -unglaublich- sie funkelten wie zwei Diamanten, wenn die Sonnenstrahlen auf sie schienen. Violett.


Ich wusste das verstieß gegen meine Prinzipien, doch ich konnte es nicht lassen meinen Blick kurz über seinen Körper schweifen zu lassen. Zuerst inspizierten meine Augen neugierig seine Schultern, breite Schultern. Aber nicht zu breit. Weiter in die Mitte, wo sich die Bauchmuskeln klar hinter dem schlichten, weißen aber eng anliegenden T-Shirt abzeichneten. Seine Arme waren trainiert. Nicht sehr durchtrainiert, aber fit, was ich ebenfalls sehr mochte. Diese riesigen breiten muskelbepackten Affen waren... wie Affen?! Doch Killian ... war genau richtig. Nicht zu viel und nicht zu wenig.


Hope! Das geht nun echt zu weit!, ermahnte ich mich, als ich drauf und dran war weiter runter zu fahren. Ich blinzelte leicht verstört und wandte meinen Blick ab und schaute aus dem Fenster in die warmen Sonnenstrahlen rein.


Ich hoffte inständig, dass er meine Erkundungstour nicht bemerkt hatte. Gott, wenn er nun doch etwas bemerkt hatte? Zum Glück beherrschte ich mein Pokerface gut. Emotionslos. Gleichgültig.


Als ich so rausschaute, bemerkte ich nicht wie er sich wieder neben mich gesetzt hatte und mich nachdenklich musterte.


Doch was ich spürte waren die unzähligen Augenpaare der Mädchen aus meiner Klasse, die mir im Rücken lagen. Ich konnte mir gut ausmalen, wie sie mich zerrissen und erstachen, weil ich rein zufällig neben dem "heißesten Typen der Schule" saß. Nun konnte ich nicht anders, ich seufzte, schloss einen Moment meine Augen und schaute wieder nach vorne zum Lehrer, der etwas an die Tafel schrieb. Ich griff nach meinem Stift und schrieb alles mit. Dabei spürte ich nur zu sehr die Spannung zwischen mir und diesem Jungen neben mir.


Ich hatte ebenfalls nicht bemerkt wie er die Augenbrauen zusammengezogen hatte, als ich geseufzt hatte.



Als es dann zur Pause gongte, zuckte ich leicht, in Gedanken versunken, zusammen. Ich war so weit weg gewesen, dass es mich völlig überraschte. Schnell machte ich mich auf den Weg nach draußen. Ohne Mr.Ashton-ach-ich-bin-so-toll-Arroganz- Blick anzusehen.


Zeit für Basketball! Ich liebe diese Sportart! Es war mein Ein und Alles. Neben dem durchs-ganze-Zimmer-hopsen-und-tanzen natürlich. Es sollte heute besonders heiß werden. Die Sonne schien erbarmungslos auf meinen Kopf, was wahrscheinlich noch Gehirnschmelz verursachen würde.


Sofort knotete ich freudig mein Haar zu einem lockeren Dutt und machte mich schnell daran zum Basketballfeld zu kommen, wo mich auch schon Angel, Chaz, Ty und Tess erwarteten.


Angel war ein sehr hübsches Mädchen, die man allerdings an Sportlichkeit nicht unterschätzen sollte! Sie hatte heute ihr hüftlanges, schwarzes Haar streng zurückgebunden, nur ein paar Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Sie wirkte immer leicht verlegen.


Chaz war breit gebaut, doch so war er von Natur aus und für einen Jungen war er sogar ganz okay. Lustig und sympatisch ist er jedenfalls! Sein kurzes schwarzes Haar bewegte sich leicht, als ein Windhauch es streichelte.


Ty war schon eher Chaz' Mitläufer.. Fast schon ein Fan. Er tat was er tat, er aß sogar das was Chaz aß. Krank! Die Dreadlocks halfen auch nicht gerade, im Gegenteil. Und beide waren oben ohne.


Tess ist

 

 eines der attraktivsten Mädchen der Schule. Sie schminkt ihre Lippen dezentrot, wobei ihr dunkelbraunes Haar ihr Gesicht umrahmte und ihre grünen Augen zur Geltung brachte. Sie konnte meist sehr zickkig sein, untersagt es sich aber mir gegenüber, denn sie wusste genau, dass das niemals gut für sie enden würde.


"Hey, Hope!", grinste Chaz und ließ dabei seinen Blick über meinen Körper gleiten. Ich verdrehte die Augen, er hatte die Veränderung auch bemerkt, genau wie alle anderen hier an der Schule.


"Hey Leute. Wie geht´s euch so?"

"Soweit gut, aber Daichi ist nicht da. Wo ist der eigentlich?", meinte Angel unsicher.

"Im Krankenhaus. Er hatte letztens einen Unfall … Schaut nicht so geschockt! Er ist nur mit seinem Skateboard in einen Fahrradfahrer gefahren und hat sich den Arm verstaucht, vielleicht auch gebrochen." Wir sahen uns alle erstmal ratlos an, wir waren ungerade ohne Daichi. Zwei gegen drei. "Dann gehe ich mit Chaz in eine Gruppe, gegen euch drei.", bestimmte Tess und ihr Blick glitt abschätzig auf mich. Sie mochte mich nicht. Wahrscheinlich dachte, sie ich würde ihr Chaz ausspannen wollen. Denkste! Ich überlass´ ihn dir. Zumal ihr nicht mal zusammen seid. Wahrscheinlich hatte sie seinen Blick auf mir bemerkt. Das musste ihr sehr gefallen haben. Anscheinend sah sie in mir eine Rivalin, dachte ich mir belustigt.


Wir nickten alle zustimmend und verteilten uns. Es würde unpraktisch mit dem Kleid werden, doch ich würde überleben. Ich würde es nicht überleben, wenn ich nicht spielen würde!


Es begann und Tess hatte den Ball bis Ty es ihr im Wurf abfing. Es war ein einziges hin und her. So ging es die ganze Zeit. Gerade als ich den Ball von Angel zugespielt bekam und Chaz und Tess geschickt ausdribbelte, in dem ich mich umdrehte un um mich herum drehte, und auf das gegnerische Korb zulaufen wollte, knallte ich inmitten eines Wiederstandes. Ich prallte zurück, ruderte vom Schwung überrascht mit den Armen herum und würde mich sehr wahrscheinlich auf den Boden legen. Hilflos ausgeliefert suchte ich nach Halt, um dem Wirbeln ein Ende zu bereiten, doch ich fand nichts. Verdammt! Seelisch bereitete ich mich auf mein Kuss mit dem Boden vor, als mich plötzlich zwei starke Hände an den Schultern packten und mir Halt gewährten. Wut keimte in mir auf, der konnte was erleben!! Die kleine Stimme in mir die immer sagte: >Nicht aufregen!< hatte sich schon vor langem verabschiedet. Winke, winke!


Tief holte ich Luft und kniff verärgert die Augen zusammen, bereit zum Angriff, und wollte gerade den Schuldigen lauthals anbrüllen, als mir die Wörter im Hals stecken blieben und meine Augen einen Moment Schock und Unglauben spiegelten, bis ich entnervt aufstöhnte. Nicht er! Ausgerechnet er! Sein Haar fiel ihm in die Augen, doch offensichtlich sah er amüsiert aus. Ich hatte schwören können, ich hätte Überraschung und Verwirrung in seinem Gesicht gelesen. Meine Nerven waren blank.


"Was machst du denn hier?!", zischte ich ihn durch zusammengebissenen Zähnen durch an und bemerkte, dass auch er kein Oberteil mehr trug. Ich geriet ins Schwitzen, wahrhaftig, und das lag nicht an der Sonne! Mein Körper spielte mir, seit DER hier war, Streiche! Dieser Arsch!


Doch er zog

 

 nur die Lippen finster in die Höhe.

"Hi, Schönheit.", grinste er unbeirrt weiter. "Nicht so ärgerlich, freust du dich nicht mich zu sehen?"

Sicher doch! "Idiot", knirschte ich hervor. Ich hätte doch eine Schaufel mitnehmen sollen, damit ich ihm sein beschissenes Grinsen aus dem Gesicht schlagen könnte, das immer breiter wurde. Meine Nerven waren reichlich angespannt und die Verärgerung und Wut wuchs. Jetzt fühlte Mr.Obercool sich anscheinend beleidigt, denn sein Lächeln erstarb. Seine Hände die noch auf meinen Schultern ruhten, schlug ich weg. Man waren die weich ...


Seine zusammengekniffenen Augen bohrten sich in meine, sodass ich spitzbübisch zurücklächelte. Das bestätigte mir, ich hatte ihn in seinem Männerstolz beleidigt. Gut so! Weiter so! Hope, du bist einmalig, spitzenmäßig, die Beste! Okay, das hört sich jetzt sehr eingebildet an. Aber ich bin echt stolz auf mich. Ich bin toll. Der sollte mich nicht unterschätzen, weil ich plötzlich so unschuldig aussah! Mein vorheriges Ich kannte er ja nicht.. Aus irgendeinem Grund, den ich noch nicht zu verstehen schien, regte er mich höllisch auf! Vielleicht lag es daran, dass er so schmerzlich gut aussah, dass mich sonst eigentlich einschüchterte, doch bei ihm konnte ich nicht anders. Wahrscheinlich lag es einfach an seinen Blicken, denn in diesen arroganten Augen konnte ich nichts herauslesen, als seien die Gefühle und Gedanken hinter einer großen Eisentor verschlossen. Was mir gewaltig gegen den Strich ging.


Tess hatte plötzlich zu unserer kleinen friedlichen Runde dazugefunden, wobei ihre Augen verführerisch funkelten.

"Hallo, du musst neu hier sein."
Kaum zu fassen! Sie hob wahrhaftich ihre Hand um sie auf seine nackte Brust zu legen! Alarmglocken schrillen los und bevor ich auch nur realisieren konnte was ich tat, fand ich mich neben ihm wieder und verschränkte mein linken Arm mit seiner Rechten.

"Das ist Killian. Killian darf ich vorstellen, Tess. Und jetzt verzieh dich zurück zu deinem Chaz." Mein Blick war ausdruckslos auf ihre wütende und sogleich fassungslose Fratze gerichtet.


Und genau in diesem Moment ging die Schulglocke los, die das Ende der Pause ankündigte. Langsam verinnerlichte ich was soeben vorgefallen war und wagte es nicht in Killians Gesicht zu schauen. Es war so gewesen als hätte ich von außen zugesehn und mich nicht selber kontrolliert. Doch nun wo ich es allmählig wieder tat, breitete Entsetzen sich in mir aus. Schnell zog ich meinen Arm weg, machte auf dem Absatz kehrt in Richtung Gebäude. Wie konnte ich mir diesen Fehler, diesen schwerwiegenden Fehler, jemals wieder verzeihen? Wie? Es war mir durchaus klar, dass er nun etwas gegen mich in der Hand hatte, wenn es ihn nicht zu sehr verwirrt hatte. Innerlich haute ich meinen Kopf gegen die Wand. Wie bescheuert du doch bist, Benett!! Dabei war das erst der erste Tag ...


Wie er erstarrt mir hinterher sah, hatte ich nicht mehr mitgekriegt. Jetzt hatten wir Kunst.

Was zur Hölle

 

 war gerade mit mir los? Ich wusste es wirklich nicht. Aber als ich Angel im Klassenraum fragte, sagte sie nur, dass ich mich zwischen Killian und Tess gestellt hätte. Je mehr ich versuchte an die Szene zu denken, umso größer wurde der Kopfschmerz, der danach ansetzte.

Das Brummen in meinen Ohren wurde lauter. Die Stimmen meiner Klassenkameraden unerträglich. Krampfhaft fasste ich mir mit meinen Händen an den Kopf. Ich konnte fühlen, wie sich der Schweiß auf meiner Stirn bildete.

Und dann hörte ich wie etwas zu Boden fiel. Meine Augen wanderten hoch und ich sah, wie Killian sich vor dem Lehrerpult bückte, um das Kreidekästchen unserer Lehrerin aufzuheben.

„Hier, bitte“, sagte er. Und als ich seine Stimme hörte, verschwand das Brummen, und die Lautstärke ging runter. Zaghaft sah ich mich um, doch Angel und die anderen schienen nichts bemerkt zu haben.

„Merkwürdig“, murmelte ich vor mich hin. „Hm? Was ist merkwürdig?“, fragte mich Angel. Dann setzte sie ein besorgtes Gesicht auf. „Hope, du bist ganz blass im Gesicht. Was ist los?“ Ich versuchte sie anzulächeln, doch es misslang mir.

„Mir geht es nicht so gut ... Ich denke ich überspringe diese Stunde.“

Ich stand auf, doch bevor ich gehen konnte, packte sie mich noch am Arm und sah mich sanft an. So war unsere Angel eben. „Soll ich nicht lieber mitkommen?“

Diesmal lächelte ich sie doch an.

„Nein, ich gehe jetzt besser nach Hause. Ich muss heute Morgen etwas Falsches gegessen haben. Du weißt doch wie ich auf sowas reagiere.“

Zögerlich ließ die von mir ab und ich umarmte sie noch.

 

 

>Im amerikanischen Bundesstaat  Florida sind in den letzten zwei Wochen insgesamt 17 Mädchen entlang der U.S. Route 441 ‘Orange Blossom Trail’ auf unerklärliche Weise verschwunden. Die  jungen Opfer hatten eines gemeinsam: Sie alle waren gerade erst 18 Jahre alt geworden und hatten rotes Haar. Sie kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Leichen wurden bislang keine gefunden und auch sonst fehlt von den Vermissten jede Spur. Treibt ein Serienkiller sein Unwesen? Wir rufen alle Einwohner in höchste Alarmbereitschaft. Besonders die Einwohner der Kleinstadt Mount Dora, da sie auf der Route die Nächste ist.<

Im Wohnzimmer hatte ich den Fernseher angelassen, und als ich diese Meldung in den Nachrichten hörte, lief ich geschockt aus der Küche und starrte den Bildschirm mit Entsetzen an.

Zum Einen natürlich, weil es so viele Mädchen innerhalb so kurzer Zeit waren. Zum Anderen …  weil ich genau in dieses Schema passte.

Ich war gerade 18 Jahre alt geworden. Vorher hatte ich rotes Haar, bevor ich sie mir blond färbte. Und dann war da diese warnende SMS. Außerdem lebte ich ganz zufällig genau in Mount Dora.

Was sollte das Ganze?’, fragte ich mich fieberhaft. Mein Herz fing an ganz schnell zu pochen. Laut, fest und pausenlos.

Wir müssen sie finden’, schoss es mir unbewusst durch den Kopf. 

Wer ist wir?

In dieser Nacht

 

 schlief ich unruhig. Ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden, doch das war fast unmöglich, da mein Zimmer sich auf der obersten Etage des Hauses befand.

Auf dem Weg zur Schule begegnete ich wie so oft Angel, die mich die ganze Zeit besorgt von der Seite musterte, was anfing sehr zu nerven.

Ich seufzte. „Was ist’s, Angel?“ Ihr einen genervten Blick zuwerfend, bemerkte ich, dass sie leicht rot anlief.

„Es ist nur ... du hast Augenringe“, stellte sie fest und steckte sich eine lange, schwarze Haarsträhne hinter das Ohr. „Das ist ungewöhnlich für dich, zumal du viel wert auf deine Gemütlichkeit legst.“

„Das liegt daran, dass ich beschissen geschlafen habe“, antwortete ich matt. „... Hast du die Nachrichten mitbekommen?“

Sie warf mir einen wissenden Blick zu und nickte. „Die über die verschwundenen Mädchen? Mach dir da am Besten keinen Kopf drüber ... Abgesehen davon ... siehst du nun anders aus“, sprach sie aufheiternd auf mich ein. Sie hatte es also bemerkt.

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich wieder nach vorne. Es besorgte sie sicher, dass ich heute so uncharakteristisch still war. Konnte ich nachvollziehen, es besorgte mich ebenso. Seit ich aufgewacht war, hatte ich ein ganz mulmiges Gefühl in der Magengrube.

 

Den ganzen Schultag trat mir Angel nicht von der Seite. Ich bemerkte, dass das mulmige Gefühl in meiner Magengrube nicht abnahm und irgendwie fühlte ich mich immer schlechter. Andauernd kassierte ich von Angel besorgte Blicke ein, andauernd fragte sie mich, wie es mir ginge. „Es geht schon“, antwortete ich immer. Noch ging es.

Immer wenn Killian in meiner Nähe war, spürte ich eine Vertrautheit. Ich hatte die letzten Tage ohnehin nicht richtig verstanden, was mit mir losgewesen war. Weshalb ich mich an ihn gekrallt hatte, obwohl ich den Kerl kaum kannte. Gar nicht kannte. Ich entschied mich von ihm etwas fernzubleiben. Das ganze war so neu und mir war Neues nicht ganz geheuer.

War ich deshalb nun ein Feigling? Zumindest dachte ich nicht. Sogar das war mir neu. Ich war eine Person, die Neuem immer offen gegenüberstand. Doch als sei über Nacht plötzlich etwas anders geworden ... Was es auch war. Mein ganzes Aussehen sprach Bände!

 

Zu meinem Leidwesen hatte ich heute noch Basketballtraining, wo wie immer, auf den Zuschauerplätzen einige neugierige Mitschüler Platz genommen hatten und zusahen.

Eine halbe Stunde non-stop in das Training rein wurde mir jedoch schwindelig. Ich entschuldigte mich beim Trainer und setzte mich auf die Reservebank, lehnte mich zurück und stütze meinen Kopf an der Wand hinter mir ab. Tief Luft holend und ausatmend hoffte ich, dass das Schwindelgefühl verschwinden würde, jedoch tat es das nicht. Mit meiner Wasserflasche nässte ich mein Gesicht etwas ein, stütze die Ellenbogen auf den Knien ab, beugte mich mit dem Oberkörper vor und massierte meine Stirn. Die Rufe meiner Teamkammeraden wirkten immer gedämpfter und gedämpfter, bis ich schließlich nur noch so etwas wie ein Rauschen wahrnahm. Verwirrt blickte ich auf, doch alles schien normal zu sein.

Erneut verspürte ich dieses mulmige Gefühl, nur intensivierte es sich auf einmal. Ich fing an zu zittern, meine Hände bebten. Was geschieht mit mir? Fühlt sich so eine Panikattacke an?, schoss es mir durch den Kopf.

Hecktisch huschten meine Augen über das Spielfeld, wo sich die anderen mit geweiteten Augen ansahen, statt weiterzuspielen. Ich sah mich um und sah, wie einige der Zuschauer Richtung Ausgang liefen.

Das Rauschen in meinen Ohren wurde zu einem ohrenbetäubenden Piepen, wie ein lästiger Tinnitus, der sich nicht mehr abschütteln ließ. Immer noch bebten meine Hände unkontrolliert, und trotzdem schaffte ich es sie an meine Ohren zu pressen, doch es nützte nichts. Nun wurde ich wirklich panisch. Was passierte hier?

Chaz kam zu mir gelaufen, schüttelte mich an den Schultern. Er sah ängstlich aus, rief mir offensichtlich irgendwas zu, doch ich verstand nicht was er meinte.

Plötzlich bebte der Boden ganz stark. Das Atmen wurde immer schwerer. Nun bebten nicht nur meine Hände, sondern mein gesamter Körper.

Glassplitter regneten auf uns nieder, woraufhin wir beide geschockt aufschauten. Nicht nur der Boden bebte, es war die ganze Halle. Die Fenster war nach innen explodiert, Risse kletterten die Wände rauf, Staub rieselte bedrohlich von der rissigen Decke herab.

Und dann konnte ich plötzlich wieder hören, die Schreie der Mitschüler um mich herum, das rufen des Trainers, dass alle aus dem Gebäude laufen sollten.

„Chaz lauf!“, rief ich meinem Kumpel zu, doch es fühlte sich nicht an, als hätte ich meine Lippen bewegt. Doch es war eindeutig meine Stimme gewesen.

„Hope, komm mit, was sitzt du hier noch rum!“, erneut zog er mich am Handgelenk auf und ich ließ es diesmal zu. „Du zitterst wie verrückt!“ Ich nickte nur. „Lauf!“

Er ließ mich los und wir beide rannten so schnell es ging durch die gesamte Halle, auf die andere Seite, wo wir dann die Treppen der Zuschauertribünen hochsprinten müssten um rauszukommen. Chaz war schneller als ich, ca. 3 Meter vor mir rannte er weiter, doch ich wurde von ihm getrennt als die riesige Eisenstange an deren Spitze die digitale Countdown-Uhr und Punktezähler-Tafel gefährlich hin und her wankte und schließlich fiel. Geradewegs auf mich zu.

Ich sprang gerade so noch zur Seite und verlor durch das Beben mein Gleichgewicht. Steinbrocken fielen von der Decke herab, Staub wirbelte durch das Aufkrachen der Stange um mich auf. Ich lag hilflos auf dem Boden und hielt schützend meine Arme und Hände über meinen Kopf.

Ich hatte Angst. Tierische Angst.

 

Du musst dich kontrollieren, Hope, sieh in dich rein!

 

Ich war mir sicher, dass jegliche Farbe aus meinem Gesicht gewichen war. Das hatte nicht ich gedacht.

 

IchhabeAngstsovielangstansgtangstangst. Ich kann nicht mehr nichtmehrnichtmehr.

 

Reiß dich zusammen bitte, bitte! Finde das blaue Band!

 

Staub hatte sich in meinen Lungen angesammelt und ich hustete, versuchte dummerweise Luft zu schnappen, was nur wieder darin endete, dass ich mehr Staub einatmete.

Ich versuchte mich vom Boden zu drücken, doch als ich meine Hände ansah dekorierten Schnitte diese, aus deren Wunden Blut rann. Ich musste mich an den Scherben der Fenster geschnitten haben, als ich versucht hatte meinen Fall unbewusst abzufangen.

Wieder drehte sich alles. Sauerstoffmangel, dachte ich verzweifelt, doch wagte es nicht erneut einzuatmen. Langsam setzte ich mich mit viel Mühe auf, da immer noch alles bebte und wackelte und ich zitterte.

Mein Knöchel schmerzte. Die Decke regnete in immer größeren Stücken nieder. In der Halle schien sich keiner mehr aufzuhalten.

Ich wurde zurückgelassen.

Hatte Chaz es geschafft?

Alles verschwamm. Das Piepen kehrte zurück, wurde wieder zu einem Rauschen.

Dieses nervige Rauschen.

 

„Spirit of God hovering over the sacred water: Sylphari-i!” (1)

Kurz bevor ich zurück auf den Boden fiel schlang sich ein Arm um meine Taille. Ich konnte nicht viel erkennen. Meine Augen brannten vom aufgewirbelten Staub.

 

Doch nur für einen winzigen Moment, einen Augenblick, kurz bevor ich in köstliche Bewusstlosigkeit fallen konnte sah ich kurzes, kaffeebraunes Haar und Augen die leuchteten wie ein blau-türkiser Topas Edelstein. „Bald, Hope.“

 

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(1) "Geist Gottes, welcher du über dem heiligen Wasser schwebst: Sylphari-i!"

 

 

Impressum

Texte: Sonny B. (Bis Kapitel 8 - mit Eda M.)
Bildmaterialien: Sonny
Tag der Veröffentlichung: 26.11.2010

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