Pia ist mein Name. Pia Coleman.
Okay, Coleman ist nicht mein Name, nur der Name eines Gottes. Nick, Nick Coleman. Der wohl heißeste Junge weit und breit. Und wenn ich auch nur an diesen Hintern denke …
Mein Nachname ist Simons, doch warum nicht Coleman sagen? Nick ist sowieso mein zukünftiger Ehemann. Er hat zwar noch keine Ahnung von meiner Existenz, doch das lässt sich ändern!
Folgenden Plan habe ich mir ausgeheckt:
Wie eine Göttin werde ich auf ihn zuschreiten, wobei mein Haar samten um meine Gesichtszüge flattern wird.
Er wird denken ich sei ein Engel der aus dem Licht der Sonne ausgetreten sei.
Und dann wird er sagen: „DAS. Das ist meine Traumfrau. Endlich habe ich sie gefunden.“, dabei wird er mich bei der Hand nehmen und mit mir auf einem Einhorn davon reiten, wobei diese Flo ganz schön blöd gucken würde. Über die Schulter würde ich zu ihr schauen und schadenfroh die Zunge ganz weit rausstrecken.
Flo? Ja, das ist seine feste Freundin. Leider.
Aber das ist doch kein Problem! Immerhin hat er mich noch nicht entdeckt! Doch was ist nun? Kommt er auf mich zu? Blöde Frage, selbstverständlich kommt er auf mich zu.
„Jessica, er kommt. Er kommt!“, flüstere ich meiner Freundin hastig zu.
„Mensch, Pia. So wird das doch nie was …“, gibt sie zurück.
„Mein Mann!“, schwärme ich einfach weiter.
Noch fünf Meter. Gleich nimmt er mich in die Arme.
Noch zwei Meter. Und wird anfangen mich wild zu küssen.
Noch ein Meter. Ich beuge mich mit geschlossenen Augen vor und strecke meine Arme aus.
Noch- Moment mal, wo ist er hin?
Beklommen schaue ich mich auf dem Schulhof um, bis ich Jessicas Gestalt begegne, die sich vor Lachen nicht mehr halten kann.
„Oh, mein Gott! Du hättest dich sehen sollen“ Er hat mich bestimmt gesehen und fand sich meiner nur nicht würdig genug. Genau. Darum musste er weg. „Er ist geradewegs an dir vorbei gelatscht!“
Morgen ist auch noch ein Tag.
„Ach komm Jess, lass uns in die Stunde gehen.“ Ich verstehe gar nicht was da so zu lachen gibt …
„Wenn du meinst, Pia!“
Heute, ja genau heute ist mein großer Tag! Unser großer Tag! Heute muss es einfach klappen, dafür werde ich sorgen! Wie, wie sorgen? Naja … Ich sperre diese Flo in der Besenkammer ein. Ich hoffe sie glaubt an Monster im Schrank.
Die Sonne steht genau richtig, nur der Wind fehlt, der mein Haar flattern lassen sollte. Macht nichts! Ich stell mir einfach vor, dass Jess mir ein Haartrockner vors Gesicht hält! So flattern die!
So, ich bin bereit.
„Versuch zwei, Jess.“ Sie verdreht die Augen, obwohl es keinen Grund dazu gibt.
Immerhin bin ich anbetungswürdig.
„Bist du dir da sicher?“ Was für eine Frage.
„Natürlich, du Nase, ich bin doch anbetungswürdig! Da geht schon nichts schief!“
Jessica zieht erstaunt die Augenbrauen hoch und verkneift sich ein Lachen. „Du, anbetungswürdig?! Wie kommst du nur immer auf solche Sachen?“ Saftnase.
„Hey! Das hat mein Daddy mir gesagt!“ Schluss jetzt damit, mein Zukünftiger wartet auf der anderen Seite des Schulhofs auf mich.
„Pia … Vielleicht solltest du es doch lieber lassen …“, sagt Jess mir noch, doch das überhöre ich einfach. Denn ich bin mit meinen Gedanken schon weiter voraus:
Pia Coleman und Nick Coleman mit ihren süßen Zwillingen Pia- und Nick-Junior!
Diese Flo ist nicht in Sicht, das heißt: Freie Bahn!
Nun wird es folgendermaßen ablaufen:
Engelsgleich werde ich auf ihn zuschweben, wobei mein Kleid samten im Winde um mich herflattern wird. Er wird die positive, warme Aura meinerseits spüren und sich zu mir umdrehen. Dann wird er sich fragen wann er gestorben sei, dass er sich plötzlich im Himmel befindet, wenn er mich sieht.
Natürlich kommt da noch etwas.
Ich werde absichtlich stolpern, doch bevor ich hinfalle wird er mich auffangen. Wenn ich zu ihm aufschaue, wird er sich in meinen Augen verlieren und mit seinen Lippen meinen immer näher kommen. Und dann werden sie sich berühren, sich voneinander nicht mehr trennen können und auf ewig vereint bleiben.
Doch nun muss ich es erst ins Rollen bringen!
Die Zielperson befindet sich noch ca. sechs Meter entfernt. Jetzt ist Timing angesagt!
Vier Meter. Gleich ist es soweit.
Drei Meter. Nick, Nick, Nick!
Noch zwei Meter. Ein Meter, merkwürdig, er hat sich noch nicht umgedreht…
Nur noch- Mist!
Meine Beine haben sich verknotet! Moment, das passt! Das passt! Jetzt fängt er mich auf und verliebt sich Hals über Kopf in mich! Ich strecke die Arme aus und warte, warte darauf, dass er mich endlich aber ziemlich plötzlich auffängt!
Aber was tut er denn? Hallo! Deine Geliebte fällt!
Und das geradewegs vor seine Füße.
„Autsch…“ Das war überraschend, damit hab' ich nicht gerechnet.
Plötzlich sehe ich vor mir eine Hand ausgestreckt, die darauf wartet ergriffen zu werden. Als ich meine Hand danach ausstrecke umschließt sie sich um meine und zieht mich hoch. Ich schaue auf, und schaue genau in seine Augen. Nicks Augen. Betrachte sein perfektes Gesicht und weiß: wir gehören auf ewig zusammen.
„Du bist doch Pia, Jessicas Freundin“ Wie war das?! Perplex schaue ich ihn an.
„Ähm, ja, Jessica- ich meine Pia!“ Er kennt Jess? Wie um Himmelswillen ist das möglich? Seit wann?
„Toll! Die Freunde meiner Freundin sind auch meine Freunde! Ich bin Nick.“, sagt er und lächelt mich zuckersüß an.
In diesem Moment ist meine Welt in sich gebrochen.
Ich drehe mich um und schaue direkt in Jess’ Gesicht.
„Mensch, Pia.“
Pia saß mürrisch auf ihrem Bett und starrte wütende Löcher in die Luft.
Sie konnte ihre Mutter nicht verstehen, warum musste sie jetzt schon schlafen gehen? Sie sah sehnsüchtig aus ihrem Fenster auf der anderen Seite ihren Zimmers, wo draußen die grelle Sonne schien und den wolkenlosen Himmel in einem hellen blau erleuchtete.
Es war Sommer. Es war heiß. Und sie wollte raus.
Leicht deprimiert stand sie auf, ging mit lansamen Schritten durch ihr Zimmer, ans Fenster und sah herab. Ihr Zimmer war auf der ersten Etage des Hauses und sie konnte ohnehin nicht schlafen, weil sie durch ihr offenes Fenster das Gelächter der anderen Kinder hörte.
Dort war er, Gil. Mit blondem, kurzem, lockigem Haar, den prägnanten Sommersprossen, die sich von seinem Nasenrücken bis auf die Wangen ausbreiteten, diesen dämlichen blauen Augen ...
Er war zwei Jahre älter als sie.
Leider waren sie Nachbarn.
Er liebte es, sie zu ärgern und auf die Palme zu bringen.
Sie fand ihn doof. Ekelhaft. Sogar so sehr, dass sie ihn am vorigen Tag über die Schulter auf den Boden schleuderte, sich auf seinen Bauch setzte und ihn auf die rechte Wange boxte, woraufhin er heulend zu seiner Mama, die Hexe Gabi, rannte.
Diese kam sich sofort bei Pias Eltern beschweren, doch diese hatten nur die Schultern gezuckt gegrinst und gemeint: "Aber was ist denn los, Gabi? Lass die Kinder ihre Probleme unter sich lösen, so wie du es immer sagst. Wir kommen uns auch nicht immer bei dir beschweren."
In der Tat mischte Gabi sich nie ein, wenn ihr Sohn Pias leben vermieste. Diese alte Hexe. Pia mochte ihren Ehemann vielmehr, den Frank. Der war ganz anders als der Rest der Familie. Keine Hexe wie Gabi, kein Fiesling wie Gil, keine Zicke wie Timo, der zweijährige Bruder von Gil, der meinte ihren eigenen zweijährigen Bruder, Timu, rumkommandieren zu müssen.
"Sonst bin ich nicht mehr dein Freund ..." Pf. Der hatte es verdient von ihrem Bruder in die dreckige Pfütze geschubst zu werden.
Nein, Frank war liebenswert und so ... fair. Er hatte Pia sogar das Klavierspielen beigebracht. Wünschte sich vielleicht selber eine Tochter. Oder zumindest Kinder, die Interesse daran zeigten. Seine Frau meckerte immer nur.
Pia hatte sich selber überrascht. Immer noch wusste sie nicht wie sie ihn über die Schulter geschmissen hatte. Es war wie ein Rätsel für sie. Konnte es an ihrem Karate Training liegen? Ihr Vater hatte sie gegen ihren Willen in einem Karate Club angemeldet, wo sie eigentlich nur Mist baute. Sie hasste es. Doch nach seinen Worten zu urteilen "musste ein kleines, süßes Mädchen wie sie sich zu verteidigen wissen."
Pia weiß nur, dass sie sehr, sehr wütend wurde. Letztenendes war ihr Geduldsfaden gerissen. Gil hatte es geschafft.
Komischerweise gab es immer wieder diese winzigen Momente, wo sie sich aber auch verstanden. Und nach dem Vorfall von gestern ärgerte er sie auch nicht mehr. Er war sogar schon fast nett zu ihr. Als würde er sie anerkennen.
Sie beobachtete ihn immernoch von ihrem Fenster aus, wie er seinen kleinen Bruder ärgerte und dann lachte. Irgendwie faszinierte er sie. Konnte eigentlich auch ganz nett sein.
Eigentlich.
Dann erinnerte sie sich daran, was er Morgens auf dem Weg zur Schule immer machte und rümpfte die Nase. Jeden Morgen überfuhr er mit seinem Fahrrad nämlich immer die Nacktschnecken auf dem Asphalt. Und davon gab es hier viele.
So ein Sadist.
Ekelhafter.
Junge.
Plötzlich öffnete sich ihre Zimmertür und ihre Mama trat ins Zimmer mit einem Stapel frisch gewaschener Kleidung. Ihre Mama runzelte verwirrt die Stirn, trat neben Pia und fragte: "Warum schläfst du denn noch nicht?"
Pias Augen lagen noch immer auf Gil, der blonde rätselhafte Junge, den sie einfach nicht Verstand. Ihre Mama folgte ihrer Blickrichtung und fing an schelmisch zu grinsen, stupste sie sogar spielerisch in die Seite.
"Mensch, Pia."
"Was?"
"Ich verstehe schon, die kleine Pia hat sich in den Gil verliebt!"
Pia wurde ganz rot im Gesicht. "Quatsch!"
"Pia liebt Giiil. Pia liebt Giiil!" Das machte ihre Mama mt Absicht und dann auch noch ganz weit lächelnd!
Total erschrocken und entsetzt fuchtelte Pia mit den Armen, fand schließlich den Mund ihrer Mutter, die die Worte nur noch nuschelte. "Psssssccchhhhtt!! Nicht so laut, Mama, sonst hört der das!"
Ihre Mama lachte nur und nahm Pias Hände von ihren Lippen. Küsste liebevoll ihre winzigen Fingerchen. "Meine Prinzessin mag den Gil", wieder kicherte sie.
Entrüstet zog Pia ihre Hände weg und versteckte sich unter der Bettdecke, doch nicht ohne ihre Mama böse anzusehen.
"Jungs sind eklig, Mama!"
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Texte: Jülide Y. A.
Tag der Veröffentlichung: 22.04.2010
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