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Satan - 13. Jahrhundert




"Bitte Satan, ich flehe euch an. Ich hatte nichts mit dieser Menschenfrau!" Der Engel kniete am Ufer des Feuersees, seine Hände zitterten stark, als er versuchte, seine Aussage mit wilden Gesten zu untermauern. "Ich werde nie... Ich hab noch nie... Eure Gesetze, Herr, bitte. Ich würde doch niemals eure Gesetze missachten!" Er robbte auf seinen zerschundenen Knien vorwärts und versuchte sich an den Händen Satans festzuhalten, doch dieser stieß ihn unsanft weg.
"Das ist bereits geschehen." Die Stimme des Teufels war so kalt, wie an dem Tag, an dem er sich Gott widersetzt hatte. Die schaulustigen Dämonen, die anwesend waren, wichen alle ein kleines Stück zurück. Sie alle wussten, dass man sich Satan heute nichtmehr nähern sollte.
"Ich bin enttäuscht, Samsaweel. Wirklich sehr enttäuscht." Er legte die Hand an seine Stirn und sah den Engel von oben herab an. "Ein erbärmliches Bild gibst du her. Meine Gesetze existieren nun schon seit Äonen und du vermagst dich trotzdem nicht daran zu halten. Keine Liebesbeziehungen zwischen Dämonen ersten und zweiten Ranges und Menschen. So schwer?"
Samsaweel fiel ihm hektisch ins Wort: "Aber sie ist doch eine von euch ausgebildete Hexe, eine Dämonenbeschwörerin!"
"Das ändert nichts an der Tatsache, dass sie ein Mensch ist. Schwach! Ein unwürdiges Wesen, das nur als Waffe existiert. Du beschmutzt dich selbst als Dämon, wenn du dich auf eine derartige Beziehung mit diesem Stück Dreck einlässt!"
"Aber ich liebe sie doch überhaupt nicht! Herr, lasst es mich beweisen!"
Satan zeigte auf die Frau, die etwas abseits kauerte und wie im Trauma vor und zurück wiegte. "Sieh ihr in die Augen und wiederhole deine Worte."
Mit einem Mal sprang die Hexe auf und warf sich an den Arm des gefallenen Engels. "Ist es wahr, Samsaweel? Sag, dass du etwas für mich empfindest. Bitte!"
"Ich..." Samsaweel brauchte lange, um überhaupt zu reagieren, dann fiel ihm der Höllenfürst auch schon ins Wort: "Siehe! Du liebst sie. Damit ist deine Strafe klar."
Samsaweel erstarrte vor Angst, die Frau weinte. Als beide begannen, sich verzweifelt zu wehren, legte Satan die Hände auf ihre Köpfe. "Wir sind erst am Anfang des Hexenzeitalters. Wenn ich mich nicht an meine eigenen Regeln halten würde..." Ein Ruck reichte um das Paar in den Feuersee zu stoßen. Mit einem erfüllten Grinsen im Gesicht sah er zu, wie die Körper der beiden zischend und unter Schreien verbrannten und sich die brodelnde Masse aus Seelen auf jedes letzte bisschen Leben stürzte. "...wo kämen wir denn dann hin?"

Anna - 23. August 1698




"Hexe!" Ich starrte auf die Innenfläche meiner Hand. Das Wort war tief in die Haut geritzt und Blut lief aus den Wunden. Die Schnitte waren gerade, die Ränder allerdings ausgefranzt und alles brannte wie Hölle, weshalb meine Finger verrückt zitterten, aber ich konnte mich nicht bewegen, so erschrocken war ich.
"Liebes, hast du dich geschnitten?" Schwester Maries Stimme halte durch die Stille und brachte mich zum blinzeln.
"Wie?"
"Ob du dich geschnitten hast? Zeig mal deine Hand..." Die Schwester kam um den Tisch herum auf mich zu. Hastig versteckte ich meinen Arm hinter meinem Rücken.
"Es ist gar nichts..."
"Nun tue doch nicht so, ich hab das Blut gesehen. Kannst du kein Blut sehen? Das ist doch nichts schlimmes, wir packen ein paar Kräuter auf und bitten Gott, dass du keine Narben behältst und dann heilt das im Nu."
Ich schüttelte den Kopf. "Ich hab mich nicht geschni-"
"Nun zeig schon her!" Die Schwester wurde ungeduldig.
"Nein, es ist nichts."
"Gib deine Hand, oder hast du was zu verbergen?" Sie griff hastig nach meinem Arm und wir fuchtelten beide herum, in der Hoffnung, den anderen zum Nachgeben zu bewegen.
"Schwester Marie, bitte! Ich..."
Die Schwester grub ihre kurzen, von der Arbeit dreckigen Nägel in meine Haut und packte mich so fest, dass ich stillhalten musste. Dann erstarrte sie. Für einen Moment waren die Gebete der anderen Nonnen draußen im Kreuzgang das einzige, das man hörte. Dann sog die Schwester scharf Luft ein, klemmte sich meinen Arm unter ihren und zog mich aus der Küche.
"Äbtissin... muss erfahren... so schnell... Mutter zu verdanken... arme Kind..."
Ich verstand nur Fetzen des Genuschels und ich war so damit bemüht, hinterher zu rennen, dass ich nicht dazu kam, nach irgendetwas zu fragen, da rannte Schwester Marie regelrecht durch die Tür zur Kammer von Äbtissin Elisabeth. Wortlos hielt sie ihr meine Hand unter die Nase. Die Äbtissin reagierte weniger geschockt auf meine Wunden, als Schwester Marie. Sie untersuchte die Schnitte und tupfte sie vorsichtig mit einem Tuch ab, dann nickte sie.
"Anna, geh zu Schwester Miriam, sie soll dir eine Salbe für die Wunde geben. Sie ist gerade beim Stundengebet im Chorraum. Und bitte bleib dezent. Das geht niemanden etwas an. Schwester Marie und ich müssen uns jetz unterhalten. Husch husch!" Sie schob mich regelrecht aus dem Raum und schloss dann die Tür hinter mir. Ich machte einige leiser werdende Schritte, um ihnen vorzuspielen, dass ich gegangen wäre, warf einen verstörten Blick auf meine Hand und presste mich dann hinter einer Statue an die Wand, damit ich die beiden Nonnen belauschen konnte, ohne entdeckt zu werden.
"Das hat sie von ihrer Mutter! Der Sproß einer Succubus, ich hatte dir schon vor Jahren gesagt, das verheißt nichts Gutes!" Schwester Maries Stimme überschlug sich regelrecht.
"Nun bleib doch ein wenig ruhiger. Das Kind ist so unschuldig, sie hat noch keinerlei Zeichen vom Erbe ihrer Mutter gezeigt."
"Und was haben wir dann eben gesehen?!"
"Marie, glaubst du denn wirklich an Succuben?"
"Natürlich! Des Teufels Werk ist überall, ihr habt es selbst gesehen! Wofür beten wir denn jeden Tag, wenn nicht zum Schutz des Volkes vor solchen Dämonen? Ich finde, Anna sollte sofort verbrannt werden, bevor sie Schwierigkeiten macht!"
"Marie! Zügel dich! Ich werde mich hüten das Kind irgendwem auszuliefern. Erst will ich sehen, wie sich die Sache auf ihr Verhalten auswirkt."
Jemand öffnete langsam die Tür und ich huschte schnell um die Ecke. Als ich einen Blick zurück warf, sah ich Schwester Marie, wie sie wild fuchtelte. "Später werde ich dich daran erinnern: Ich habe dich gewarnt!"

Schwester Miriam hatte mir einen Verband gegeben, den die anderen Nonnen nicht bemerkten. Nur Schwester Marie und die Äbtissin schienen ein wenig angespannt zu sein, als sich alle am nächsten Morgen zum Gebet trafen. Sie schienen so, als hätten sie Angst, ich könne hier in der Menge irgendetwas anstellen. Doch ich verhielt mich vollkommen ruhig. Innerlich herrschte das totale Chaos und ich schloss immer wieder meine Hand zu einer Faust. Aber niemand merkte mir an, was für eine fürchterliche Angst ich seit gestern hatte.
Ich lächelte der Äbtissin zu, als sie am Altar eine Kerze anmachte und sie lächelte zurück.
Als der Docht der Kerze entzündet wurde, schoss die Flamme in die Höhe und es wurde schlagartig hell im Raum, als alle anderen Kerzen ebenfalls erleuchteten. Dann wurde die Tür aufgeschlagen und ein Windstoß kam herein, der alle Kerzen wieder ausblies und uns mit einem Tuch aus Dunkelheit überdeckte, als die schwere Tür zurück ins Schloss fiel.
So eine Stille hatte ich noch nie erlebt. Keine der Schwester quiekte oder bettete. Wir waren alle einfach starr vor Schreck.
Dann legten sich starke, warme Arme beschützend um meinen Körper und jemand schnippte. Von der Person hinter mir ging ein Licht aus, das direkt aus der Haut zu leuchten schien, und mich mit in die Helligkeit hüllte.
"Guten Abend, meine lieben Damen.", sagte der Mann hinter mir mit tiefer Stimme und ich erschrak. Wie kamen Männer denn in unser Kloster? Äbtissin Elisabeth verbat sowas schon immer.
"Satan...", zischte die Äbtissin, als hätte sie einen alten Feind getroffen. Ich versuchte mich umzudrehen und 'Satan' ins Gesicht zu blicken, doch er presste mich an seinen Körper, so dass ich mich nicht bewegen konnte und ich nervös sämtliche Luft aus meinen Lungen drückte.
"Wie ich sehe, erinnert ihr euch noch an mich. Wie schön." Er machte mit Schwung eine halbe Drehung, sodass mir Schwester Marie direkt in die Augen sah. Hass lag in ihrem Blick und sie wirkte einerseits triumphierend - vermutlich, weil sie sich darin bestätigt sah, mir zu misstrauen - andererseits furchtbar verstört und verängstigt ob des Teufels Anwesenheit.
"Ihr habt tatsächlich Recht behalten, Schwester Marie. Ihr habt die Äbtissin gewarnt - doch es wird euch nichts bringen! Man wird euch ab jetzt genau so misstrauisch behandeln, wie die kleine Anna hier, nur, weil ich direkt zu euch gesprochen habe. Und irgendwann wird mein einziger, kleiner Besuch gerade eben euch alle so tief in der Seele zerfetzen, dass das Kloster auseinander bricht!" Satan hatte sich beim Reden weiter gedreht, so dass wir nun wieder zu Äbtissin Elisabeth sahen. Dann legte er seinen Kopf an meinen Hals und hauchte mir ins Ohr: "Und dich, meine Kleine, werde ich mit mir nehmen..."
Ich schrie ein lautes "NEIN!", das in ein schrilles Kreischen verschwamm, als sich alle Frauen um mich herum in Rauch auflösten. Nur die Äbtissin blieb einen Moment länger. Sie streckte mir ihre Hand entgegen, wie einen letzten Anker, von dem ich Hilfe erwarten könnte und der mich vor dem Versinken bewahren könnte. Ich griff danach, doch als ich sie fast erreichte gingen die Schnitte, die das Wort 'Hexe!' an meiner Handinnenfläche bildeten, plötzlich in Flammen auf, während die Äbtissin in kleine Glasscherben zersprang.

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Tag der Veröffentlichung: 27.05.2012

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