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Am Hofe des Schahrayâr war Ruhe eingekehrt, die Kinder waren erwachsen und der König langweilte sich wieder. Dem König fehlt es an Abwechslung. Auch war mit der Zeit aus dem „bengalischen Tiger“ ein wohlbeleibter Stubenkater geworden, dem seine Frau vor dem Schlafengehen seinen verspannten Rücken massierte. Dann fing er an zu schnurren. So wie Mau, die Katze der Scheherazade. Danach gähnte er und schlief ein. Scheherazade gefiel das überhaupt nicht und sie entsann sich an die 1001 Geschichten, von denen Schahrayâr so fasziniert war, dass damit Scheherazade sein angeschlagenes Selbstbewusstsein wiederherstellen konnte. Eines Nachts, ihr Mann lag statt in ihren – in Morpheus Armen – und nur Mau schmiegte sich liebkosend an Scheherazade. Ihr war zumute, als wäre ihre Schwester in diesem Moment anwesend. Schahrayâr schnarchte und seufzend erhob sich
Scheherazade um in ihr eigenes Schlafgemach zu gehen. Mau folgte ihr und legte sich ans Fußende des Bettes. Als Scheherazade eingeschlafen war verwandelte Mau sich in eine wunderschöne Fee.
Sie war die Schwester Scheherazades, die Charon einst zu den Feen gebracht hatte, als sie bittend in seinem Schiff zur Unterwelt um Gnade bat, weil sie ihre Schwester noch in Gefahr wusste. So verwandelte sie sich in eine Katze, die jede Nacht für drei Stunden ihre menschliche Gestalt annehmen konnte. Sie war froh, als sie sah, dass Schahrayâr durch die Märchen gelernt hatte, dass auch eine Frau eine Seele hatte und er Scheherazade abgöttisch liebte. Und sie war glücklich, dass sie in ihrer Nähe leben durfte.
Jetzt allerdings spürte sie die Traurigkeit Scheherezades und war wütend, weil dieser Mann ihre Schwester so vernachlässigte. Sie weckte sie ganz vorsichtig und Scheherazade dachte, sie würde träumen, als sie ihre Schwester auf ihrem Bett sah. Die beiden umarmten sich und Tränen des Glücks liefen ihnen über die Wangen. Aber dann machten sie sich ans Werk. Es entstanden in
jeder Nacht schönere Geschichten, die mit einer gehörigen Portion Erotik gewürzt waren. Wenn Scheherazade ihrem Mann den Rücken knetete, fing sie an zu erzählen und hörte, wie immer, an der pikantesten Stelle damit auf. „Mein lieber Gemahl und König“, schloss sie ihre Erzählung, „der Tag war anstrengend und ich will dich nicht länger mit meinen langweiligen, literarischen Ergüssen überfordern. Deshalb wünsche ich Dir einen erholsamen Schlaf und bitte, mich zurückziehen zu dürfen“. Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ mit Mau das Gemach. Der König, von der anregenden Geschichte, dem Rosenduft, den seine Gattin ausströmte und der Massage, die Scheherazade weit über seinen Rücken ausgedehnt hatte, maulte vor sich hin. Dann, nach einigen Tagen, schickte er seinen Wesir, um Scheherazade zurückzuholen. „Befiehl meiner Gattin zurückzukommen, ich will das Ende der Geschichte hören“, sprach er. Das Zauberwort brachte er nicht über die Lippen. Der Wesir verneigte sich schmunzelnd, er ahnte dass er an diesem Abend noch oft hin und hergeschickt werden würde. Scheherazade sagte zu, jedoch mit der Bitte, ihr bei der Geschichte zu helfen. Schließlich wäre die reine Theorie nicht gerade hilfreich, um den Geschichten die richtige Würze zu geben. Der Wesir lief zurück zu Schahrayâr und berichtete mit den Worten Scheherazades. Der König sah seinen Wesir an, als würde der chinesisch sprechen. „Was wünscht meine Frau?“
Der Wesir senkte den Kopf und flüsterte: „Hoheit verzeiht, aber ich vermute, sie fordert ihre ehelichen Pflichten ein“. Schahrayâr strich sich bedächtig den schon leicht angegrauten Bart und überlegte. Der Wesir wartete auf neue Befehle.
Scheherazade lag mit Mau auf ihrem Bett und wartete schon auf die Stunden, in denen sie ihrer Schwester ihr Herz ausschütten konnte. Mau strich mit ihrem Kopf über Scheherazades Haar. Dann hörten sie Schritte. Es war nicht der Wesir, der König persönlich holte seine Königin zurück in sein Gemach. Er hatte Wein und erlesene Speisen bringen lassen und eine Harfenspielerin erfreute sie mit himmlischen Klängen. Schahrayâr nahm sein Frau einfach auf den Arm und legte sie in die weichen Kissen. Sie verbrachten wunderschöne Stunden der Liebe und nachdem auch Scheherazade die Wonnen der Liebe nach langer Zeit der Enthaltsamkeit genossen hatte, schliech sich der König wieder zu Morpheus. Er schnarchte fürchterlich und lächelnd machte Scheherazade sich aus dem Staub. Sie stibitzte noch eine Flasche vom besten Wein und schlich sich glücklich in ihre Kemenade. Ihre Schwester saß lachend auf ihrem Bett. Sie brauchten keine neue Geschichte zu erfinden, Schahrayâr hatte das Ende der alten noch nicht gehört und es schien fast so, er wollte es auch gar nicht mehr hören. Die beiden Schwestern tranken den Wein und umarmten sich noch einmal ganz herzlich. Dann schlief Scheherazade ein und schlief traumlos in eine glückliche Zeit. Ihre Schwester setzte sich an Schererazades Schreibtisch und schrieb einen langen Abschiedsbrief. Als die Zeit herum war, stand plötzlich Charon in der Tür, um sie abzuholen um sie mit seinem Schiff in eine neue Welt überzusetzen.


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Tag der Veröffentlichung: 30.12.2010

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