1. Mara Cadacio, Mord bei Besuch
Mara Cadacios Atem rasselte. Schon seit einer Woche lagen ihre Nerven blank. Fast jeden Tag ein neuer Anlass durchzudrehen. Dass sie nicht wusste, aus welcher Richtung die Attacken kamen, machte es umso schlimmer.
Und jetzt war sie schon so verwirrt, dass sie ihr Handy in der Werbeagentur vergessen hatte.
Sie hastete auf die Telefonsäule zu und schob eine 1-Euro Münze in den Schlitz. Der Teilnehmer am anderen Ende hatte eine sympathische Stimme und fragte nach dem Anlass. Mara stieß die Sätze hastig hervor, als hätte sie keine Zeit zu verlieren.
„Ein Drohbrief?“, fragte der Mann, laut Internet -Privatdetektiv.
„Nicht direkt.“, ächzte Mara. „Aber es ist schon das zweite Mal dass mir dieser Schwachmatt die Zeilen geschickt hat.“
Mara Cadacio wiederholte den Text, dieses widerliche Gedicht, das sie schon auswendig kannte.
„Waren Sie schon bei der Polizei?“, fragte der Mann.
Mara schnaufte. „Gegen anonyme Briefe dieser Art können die nichts tun. Klänge auch nicht so dramatisch, könnte alles und nichts bedeuten.“
„Mmhh ...“, machte der Privatdetektiv ernst, als sei er anderer Meinung. „Haben Sie einen Verdacht?“
Mara blickte auf das silberne Gehry-Gebäude gegenüber. „Mein Hirn ist leer wie ein weißes Blatt.“
Der Privatdetektiv seufzte. „Vielleicht fällt uns zusammen etwas ein. Wann wollen Sie vorbei kommen?“
Mara sog resigniert die Luft ein. Was hatte sie erwartet? Dass dieser Privatdetektiv ihr den Übeltäter auf einem goldenen Tablett servierte? Stattdessen stellte er nur Fragen. Fragen über die sie sich selber schon das Hirn zermartert hatte.
„Montag um zehn.“, sagte Mara müde.
„Ihr Name war noch?“
Mara legte auf.
Eine halbe Stunde später saß Mara Cadacio wieder an ihrem Mac. Sie schickte einen vernichtenden Blick in Tobias Kümmelbergs Büro. Dieser widerliche Bursche da drüben saß wie angewachsen vor seinem Monitor im Glaskasten. Glaskasten deshalb, weil die Büros nur durch gläserne Wände getrennt waren. Jeder konnte Jeden beobachten!
Maras Hand zitterte, als ihr wieder die tote Maus einfiel, die sie gestern in ihrem Joghurtbecher gefunden hatte. Diese ekelhafte Tat traute sie ohne weiteres ihrem neidischen Kollegen Tobias Kümmelberg zu. Wer sonst hasste sie so sehr?
Mara knirschte mit den Zähnen. Über ihre Wangen schoss eine hektische Röte, als sie sich erinnerte, wie sie ihren Chef über den Vorfall informiert hatte. Leider gehörte Valentin Lobeck nicht zu den schnellsten im Handeln. Der lange, dürre Mann hatte nur hilflos an seiner Brille gefingert, als sie seine Türe aufriss und ihm die tote Maus samt Joghurtbecher in einer Klarsichthülle auf den Tisch knallte.
„Es reicht!“, hatte Mara gebrüllt. Es war ihr schwer gefallen, ihr aufbrausendes Temperament, das Erbe ihres argentinischen Vaters, zu zügeln.
„Seit man mir Tobias Kümmelberg vor die Nase gesetzt hat, reißt er sich um meine Projekte. Und der Grund für die Vorschusslorbeeren, die er hier einheimst, kann nur sein naher Verwandtschaftsgrad zu unserem Chefdesigner Kurt Schneiders sein. Bei Tobias Kümmelberg ist alles nur aufgesetzt. Ein hinterhältiger Schleimer, ein Kriecher der mit ganz miesen Tricks arbeitet, um andere auszubooten. So geht das nicht weiter, ich lasse mir hier doch nicht meine jahrelange Arbeit ... “
Lobeck unterbrach sie schroff: „Wenn ich eins nicht will, dann ist es Stress. Machen Sie ihre Querelen unter sich aus.“
„Tobias Kümmelberg sollte man....“, knirschte Mara, als Valentin Lobeck sie sanft aus der Tür schob.
Lobecks unterlassene Hilfeleistung war ein Ärgernis. Und dieser dumme Gedichts-Brief war erst recht nicht dazu angetan, Maras Stimmung zu heben. Ausgerechnet jetzt, wo diese wichtige Kampagne anstand. Und Kümmelberg nahm ihr hier die Luft zum atmen. Auch wenn sie sich bemühte, sich auf ihren Mac zu konzentrieren, immer wieder glitten ihre Blicke zum Glaskasten vis a vis.
Tobias Kümmelberg zeigte mit beleidigender Ignoranz, dass er den lauernden Feind im Schneewittchengehäuse gegenüber für bedeutungslos hielt. Auch er hatte an der gleichen Aufgabe zu knacken. Die unerbittliche Konkurrenz der beiden war bis in die oberen Etagen gedrungen und man nutzte ihre Rivalität, zur Ausreizung der kreativen Grenzen. Das war Mara gewohnt, aber für ihren Geschmack eine Nummer zu groß für Kümmelberg. Nach Fertigstellung der Kampagne konnte sich der blutleere, lächerlich unscheinbare Kollege entweder in die obersten Gefilde emporschwingen, oder ins tiefe Versagerloch fallen. Mara hoffte gehässig auf letzteres.
„Wie weit sind Sie?“ Mara hatte Chefdesigner Kurt Schneiders nicht kommen gehört. Er stand urplötzlich hinter ihr und schielte auf ihren Monitor.
Mara drehte sich irritiert um. „Ich, ich hab zu unserem Thema recherchiert.“
„Und warum sind wir besser?“, murmelte Kurt Schneiders. „Wir die Düsseldorfer?“
Das Thema war finanziert von einer solventen Eventfirma, die Hotels überall aufbaute.
Schneiders schneuzte sich lautstark in ein Tempo. „Also, Frau Cadacio, jetzt zeigen Sie mal.“
Schneiders griff sich an die Stirn, als er die Bilder vom Hofgarten, der Kö, der Altstadt und vom Schloßturm sah und murmelte verächtlich: „Hübsch.“
„Ich bin dabei, Düsseldorfs mittelalterliche Stadtgeschichte auszugraben.“, sagte Mara schnell. „Da war mal so ne Schlacht. Deshalb sollen sich die Düsseldorfer und Kölner heute noch in die Haare kriegen.“
„Wann war das?“, fragte Schneiders.
Mara schnaufte: „Vor mehr als siebenhundert Jahren. Im Jahre 1288, die Schlacht bei Worringen!"
„Puh.“, machte Schneiders mürrisch. „In Ruinen rumwühlen, Sie sind doch eine junge Frau, fällt Ihnen nichts besseres ein?“
„Ich warte noch auf das Material aus dem Düsseldorfer Stadtmuseum.“, erwiderte Mara trotzig.
Schneiders gähnte. „Bestimmt nett für Rentner oder für ein Museum. Wir brauchen aber etwas dynamisches. Kultig, trendy, cool. Vor allen Dingen aktuell.“
Mara drehte sich entrüstet zu Schneiders um und machte sich auf sein blasiertes Gesicht gefasst. Es kam noch schlimmer. Hinter ihm stand Tobias Kümmelberg und grinste spöttisch. Er musste sich direkt nach Schneiders in ihr Büro geschlichen haben. Typisch der Schleicher, heimlich, hinterhältig, verschlagen, dachte Mara.
„Was hältst du davon, Tobias?“, fragte Schneiders.
Tobias Kümmelberg seufzte. „Im ersten Semester Grafikdesign, würde es mich vielleicht beeindrucken.“
Schneiders wiegte den Kopf. „Du scheinst weiter zu sein zu sein.“
Kümmelberg nickte stolz. „Bei der Kampagne geht es darum, der Welt zu klar zu machen, dass Düsseldorf in einzigartiger Position da steht. Motto: ... warum wir besser sind, zum Beispiel als Köln.“
Schneiders zeigte seine spitzen Zähne. „Und du hast garantiert etwas gefunden.“
Tobias Kümmelberg rieb sich eifrig die Hände. „Die Baden-Württemberg Werbung hat mich da auf eine Idee gebracht. Dazu ist mir etwas geniales eingefallen.“
Schneiders grinste. „Klingt vielversprechend.“
Tobias Kümmelberg machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Der einprägsame, beeindruckende Slogan hieß; wir können alles ... außer hochdeutsch.“
„Wie heißt dein Slogan für die Düsseldorfer?”
Tobias Kümmelberg schwellte stolz die Brust. „Wir trinken alles ... außer Kölsch.“
„Haha.“, nuschelte Mara Cadacio und war kurz davor in hysterisches Lachen auszubrechen. Tobias Kümmelberg drohte (bei Düsseldorfern sowie Kölnern) herb ins Fettnäpfchen zu treten. Das ganze war schlimmer als im Kindergarten.
„Im Ansatz nicht schlecht Tobias. Mach weiter so.“ Chefdesigner Kurt Schneiders rauschte hinaus.
Tobias Kümmelberg blieb abwartend stehen. „Eins zu null für mich, werte Frau Cadacio. Ich bedauere schon, dass Sie bald nicht mehr mir gegenüber sitzen. Mit Ihrem Vergangenheitstrip werden Sie sich ziemlich schnell in die untersten Etagen katapultieren. Aber dort soll es ja auch sehr schön sein.“
Maras Lippen verzerrten sich zu einem dünnen Strich. „Keine Sorge, Herr Kümmelberg. Ich werde Ihren Thron schon zum wackeln bringen.“
Kümmelberg kniff die Augen drohend zu Schlitzen zusammen „Womit, bitte schön?“
Mara verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wissen Sie doch selber gut genug.“
Kümmelberg schluckte schwer und nickte dann bedächtig. „Kampf bis auf’s Messer, was?“
Mara nickte.
„Bevor mein Thron einstürzt,“, zischelte Kümmelberg. „sind Sie schon längst Legende.“
Ein paar Stunden später atmete Mara auf. Obwohl sie ihren Job liebte, war sie froh endlich ins Wochenende abzutauchen und Kümmelbergs grinsende Fratze, die die letzten Stunden hämisch zu ihr herübergeschielt hatte, ein paar Tage nicht sehen zu müssen.
Sie stieg in ihren Cabrio, wählte ein sonnengelbes Tuch für ihre dunkle krause Lockenpracht und setzte sich eine Sonnenbrille auf. Das Verdeck ließ sie auf.
Sie brauste die angesagtesten Düsseldorfer Straßen entlang und drehte dann eine Runde über die Kö, nur um der Welt zu zeigen, dass sie trotz Kümmelbergs Attacken noch lebte. Und wie!
Dieses Wochenende wollte sie sich nicht vergällen lassen, und ab Montag würde sie eine Strategie ausarbeiten, die sich gewaschen hatte. Die Anti-Kümmelberg-Strategie. Während Mara huldvoll den Passanten zulächelte, besonders den männlichen, attraktiven, zeigte sie eine Reihe weißer Zähne.
Eine halbe Stunde später hastete Mara die Treppe hoch, bis in ihre Wohnung. Im vorübergehen schielte sie auf ihre Kommode. Da lag es wieder, das dumme Schreiben, dass der anonyme Dichter verfasst hatte. Schwarz und in Kursivschrift stachen die großen Buchstaben hervor.
In Ungeduld verharr ich hinter deiner Wand
Wartend auf die Frau die ich einstmals kannt
Die niemals lieblich meinen Namen nannt
Wir werden uns sehen ein letztes Mal
Halt dich bereit
Alleine für mich
Und für die Reise in ein unbekanntes Land
Das war mehr als eine Frechheit. Jemand wollte sie eindeutig fertig machen. Na, der sollte sich warm anziehen. Am Montag hatte sie einen Termin und der Privatdetektiv konnte ihr bestimmt helfen. Aber, so verdrießlich es auch war, dieses Wochenende hatte Mara keine Nerven mehr, sich damit zu befassen. Sie hörte den AB ab und überlegte, welche Einladung sie annehmen sollte.
Die Stimme von Guido klang ölig, was der schon wieder von ihr wollte? Er war zwar steinreich, dafür hatte er eine behäbige, altmodische Art, die ihr auf die Nerven ging. Außerdem schien er jetzt schon eifersüchtig, obwohl sie nicht eine einzige Nacht mit ihm verbracht hatte.
Besser wäre die Party bei Ralph. Sie sprach ihm auf den AB, hol mich im 18 Uhr ab.
Aber dann musste sie sich beeilen, noch duschen, etwas Raffiniertes anziehen, schminken und mit den Haaren musste auch irgend etwas passieren. Nur raus hier und dann allen Ärger vergessen.
Als sie endlich aus der Dusche kam wickelte sie sich ein dunkelgrünes Handtuch um ihren Körper.
Sie setzte sich auf die Wohnzimmercouch und breitete die Schminkutensilien auf dem Tisch aus. Sie entschied sich für einen rötlichen Lidschatten, das hatte so etwas laszives. Genau das richtige für Ralph. Er war ein interessanter Mann, genau ihr Kaliber, ehrgeizig, attraktiv, lebenslustig. Mara zündete sich eine Zigarette an und blies genüsslich den Rauch in die Luft.
Ein Hustenanfall schüttelte sie plötzlich. Die Zigarette glitt ihr aus den Fingern. Die glühende Spitze fraß sich in den hellen Berberteppich.
Fassungslos starrte Mara auf die Gestalt, die mitten in ihrem Wohnzimmer stand. Wie war der Mann hereingekommen?
Oder hatte er hier schon seit Stunden auf sie gewartet? Irgendwo in einem der Zimmer auf sie gelauert? Unfassbar, der Brief fiel ihr wieder ein. Der Fremde hatte seinen Besuch angekündigt.
In Ungeduld verharr ich hinter deiner Wand.
In Maras Kopf schwirrte alles durcheinander.
Halt dich bereit
Alleine für mich
Und für die Reise in ein unbekanntes Land
Mara sprang hoch, aber der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Der Mann war schneller gewesen und ehe sie schalten konnte, presste er ihr ein Klebeband auf den Mund. Mara schlug wie wild um sich, aber der Mann bekam ihre Hände zu fassen und wickelte in Windeseile das Klebeband darum.
Mara fiel zu Boden neben die Couch, der Zeitungsständer krachte um. Mara schüttelte den Kopf, robbte sich mit den Ellenbogen an der Wand entlang. Ihre nackten Zehen glitten über den Laminatboden, hinterließen feuchte, schlirrige Schweißspuren.
Das Handtuch klaffte vorne auseinander. Warum, fragten Maras Augen in ohnmächtiger Angst.
Der Mann griff in seine Jackentasche und holte ein zu einer Schlaufe geknotetes metallenes Seil heraus. Er hieb es rhythmisch gegen sein Knie, während er langsam näher kam. Die Tür, schwirrte es durch Maras Kopf, wenn sie nur die Tür erreichen könnte.
Der Mann musste ihre Gedanken erraten haben. Er lächelte nur dünn. Dann spürte sie die harte Schlinge um ihren Hals.
Sie begriff als seine Perücke verrutschte.
Die niemals lieblich meinen Namen nannt.
In diesem Moment erkannte sie ihn, verdammt ... nur sie alleine.
Von Maras Wangen schoss tiefes Rot über den Kopf, nahm einen violetten Ton an. Ein dünner Speichelfaden rann durch das Klebeband ihr Kinn hinunter, während ihre Augen aus den Höhlen traten. Sie schnaufte ein letztes Mal, erschüttert über dieses banale, sinnlose Schauspiel mit dem sie von der Bühne trat. Wie durch Watte drang undeutlich ein Hupen an ihr Ohr, bevor sie in die Stille glitt.
2. Privatdetektiv Julius Norden
Julius Norden tastete unter der Bettdecke nach Heikes Schulter und robbte näher an sie heran. Heike fühlte sich weich und warm an. Überall. Sie trug nicht einmal einen Slip.
„Guten Morgen, Süße.“, flüsterte Julius in ihr Ohr. Heike räkelte sich schlaftrunken und legte ihre Arme um seinen Hals. Ihre Beine bewegten sich.
„Schon wieder?“, murmelte Julius. Er blickte kurz zu den Vorhängen hin. Sie waren zugezogen.
„Ist doch mehr als zwei Stunden her.“, murmelte Heike.
„Du bist einfach unersättlich.“ Julius hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie roch nach Lavendel, weil sie ihre Haare mitten in der Nacht gewaschen hatte. Julius beneidete sie um ihre nächtliche Geschäftigkeit. Dafür kriegte sie morgens kaum die Augen auf.
„Komm näher.“, wisperte Heike.
Im gleichen Moment schrillte das Telefon. Julius seufzte, als der Teilnehmer am anderen Ende einen kleinen Monolog hielt. Dann umwölkte sich seine Stirn. „Nein, Thomas, wir haben noch kein Labor. Was sagst du? Fingerabdrücke? Komischer Drohbrief? Da musst du dich an Harrys Detektei wenden. Ach ja, nach eurem Krach redet meine Schwester Marie ja nicht mehr mit dir. Gut, ruf mich wieder an, wenn deine Klientin am Montag da war.“
„Ist ja grauenhaft.“, knurrte Heike. „Was wollen denn all die Leute immer von dir?“
„Das war Thomas Lempertz, ein alter Freund, auch Privatdetektiv. Ich konnte ihm nicht helfen. Klang seltsam, der Text aus dem Drohbrief.. Kein Wunder, dass die Frau Angst gekriegt hat.“
Julius fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Locken und seine grauen Augen verengten sich grübelnd.
„Frauen.“, murrte Heike. „Sonst hast du keine Sorgen. Dabei liegt eine .....“
Julius beugte sich über sie. „ ... äußerst attraktive Dame in meinem Bett.“
Julius betrachtete ihr hübsches Gesicht, das schulterlange weizenblonde Haar. Er berührte ihren Schenkel und seine Hand kroch höher. Er erreichte die kleine Kuhle ihres Bauchnabels und bald war er bei ihrer Brust angelangt. Heikes leises Stöhnen wurde von einem schrillen Klingelton unterbrochen.
Nach einem kurzen, schuldbewussten Blick auf Heike grapschte Julius nach dem Hörer. Er hörte drei Minuten zu, dann antwortete er. „Ja Nick. Gib mir noch ne halbe Stunde. Sag der Dame wir kommen gleich.“
Heike schoss hoch, setzte sich kerzengerade im Bett auf und beschoss Julius mit vorwurfsvollen Blicken. „Heute ist Samstag, Da haben normale Leute frei.“
„Hab ich behauptet, dass ich normal bin?“, erwiderte Julius.
„Kann die eifersüchtige Tusnelda nicht warten bis wir gefrühstückt haben?“
„Es ist keine Ehesache.“
„Egal, aber eure neue Auftraggeberin ist weiblich. Hoffentlich so alt wie Patrizia Rothart.“ Heike drehte sich um und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
„Hauptsache sie kann die Rechnung bezahlen.“, sagte Julius mit einem enttäuschten Blick auf Heike. Sie machte keine Anstalten aufzustehen. Er würde den Kaffee wieder einmal alleine herunterschlürfen müssen.
„Was wirst du heute treiben?“, fragte er, um festzustellen, dass sie sich nicht langweilte.
Heike grub ihren Kopf aus den Laken. „Was schon. Ins Fernsehen starren. Überlegen was ich kochen werde.“
Julius unterbrach sie vorsichtig. „Es kann spät werden. Warte nicht auf mich.“
Heike fuhr hoch und starrte ihn entgeistert an. Sie brauchte eine Weile, bis sie patzig sagte: „Wenn ich wenigstens etwas zu tun hätte, dann wäre es mir egal.“
Julius klaubte eine Jeans vom Stuhl und ein schwarzes T-Shirt. „Es liegt an dir.“
Heike musterte ihn ernst. „Da bist du leider im Irrtum.“
Julius wusste nicht worauf sie hinaus wollte. „Heike, ich habe einen Job zu erledigen.“
„Kai-Uwe hatte wenigstens ...“ Heike schwieg als sie Julius grimmigen Blick auffing.
„Ja, dein Exfreund hat einen ruhigen Job bei der Bank.“, ergänzte Julius.
Heike plumpste zurück ins Kissen und starrte beleidigt an die Decke. „Warum hab ich mich nur mit einem Privatdetektiv eingelassen.“
Julius holte tief Luft. „Tja, Heike warum nur? Immerhin hast du den ganzen Tag Zeit darüber nachzudenken. Ich nicht, weil ich jetzt los muss. Es klang dringend und nicht nach Betriebsausflug.“
Julius ging zum Fenster und zog eine Vorhanghälfte auf. Die Sonne schickte grelle Strahlen vom Himmel herunter. Auf der Nordstraße wanderten die Passanten geschäftig hin und her. Julius schob die andere Gardine zur Seite und murmelte. „Vorhang auf.“
Und nach einem nachdenklichen Blick auf Heike, dachte er ... frag mich nur, wie das Drama diesmal heißen soll.
3. Hauptkommissar Dieter Schwenk
Die Frau schnappte nach Luft. Ihr Gesicht war hochrot angelaufen. Sie saß auf einem Stuhl, und stierte mit glasigen Augen an die weißgetünchte Wand. Hinter ihr tapsten ein paar Leute der Spurensicherung vorsichtig durch den Raum. Einer hatte sich über einen Haufen gebeugt, der notdürftig mit einem weißen Tuch abgedeckt war. Hauptkommissar Dieter Schwenk schälte sich aus der Menge und ging auf den Stuhl zu.
„Frau Schneider hat sie gefunden.“, wisperte ihm Lutz Wischnewski entgegen.
Schwenk nickte der Frau freundlich zu, um sie zu beruhigen. Beileibe kein leichtes Unterfangen, mit einer Leiche im Rücken. Dorothea Schneider wagte nicht sich umzudrehen.
Ihre Stimme klang bleiern, als sie erklärte: „Ich komme zwar auch unter der Woche, aber meist am Wochenende, um aufzuräumen. Frau Cadacio hatte Freitags oft Gäste.“
„Gestern Abend nur einen.“, resümierte Dieter Schwenk.
Frau Schneider rang mühselig nach Atem. „Stellen Sie sich vor, Herr Hauptkommissar, der Mörder wäre erst heute morgen hereingeschneit. Dann hätten Sie jetzt zwei Tote.“
Schwenk unterbrach sie mit diplomatisch ruhigem Tonfall: „Der Täter hatte es bestimmt nicht auf Sie abgesehen, Frau Schneider. Ich denke, er wusste genau, wann er Mara Cadacio alleine erwischt.“
Diese behutsame Seite an Schwenk kannte Wischnewski kaum, aber seinem Chef musste der Anblick der Leiche auch auf den Magen geschlagen sein. Und er besaß die Pietät, im Dunstkreis der Toten nicht zu poltern oder zu schreien. Die üblichen Tobsuchtsanfälle kamen später. Einer der Beamten kam auf Schwenk und Wischnewski zu.
Mit Rücksicht auf die geschockte Putzfrau flüsterte er Schwenk ins Ohr: „Drahtschlinge. Der Arzt meint, gestern Abend so um sechs. Der Anrufbeantworter ist voll von Leuten die sich wunderten, warum Mara Cadacio gestern Abend nicht gekommen ist. Die Party soll voll geil gewesen sein.“
Frau Schneider begann zu schluchzen. „Ich wünschte, Frau Cadacio wäre hingegangen.“
Der Arzt rauschte heran und verbreitete einen Geruch von Äther. Er drückte Dorothea Schneider eine Beruhigungsspritze in den Arm. Danach atmete sie flacher. Aber als der graue Metallsarg hereingetragen wurde, schossen wieder Tränen aus ihren Augen.
Die Spurensucher verteilten sich in der Wohnung und begannen, Maras Unterlagen zu inspizieren. Briefe, Adressbuch, Notizen, Fotos.
„Wir klappern gleich die Nachbarn ab.“ sagte Hauptkommissar Dieter Schwenk zu Wischnewski. „Vielleicht haben die gestern Abend was gehört.“ Er beobachtete argwöhnisch, wie die Leute Maras Körper in die dunkel ausgelegte Kuhle des Sarges hievten.
„Frau Schneider.“, begann Schwenk. „Wenn sie morgens hereinkamen, war Mara Cadacio dann alleine?“
Frau Schneider schüttelte den Kopf. „Wenn abends Partys war, waren meist ein paar Leute hier hängen geblieben. Ich hab für die sogar Kaffee gekocht. Am Kühlschrank haben sie sich selbst bedient. Sie störten sich nicht an meinem Staubsauger.“
„Kein ständiger Gast? Männlich?“, fragte Schwenk.
Dorothea Schneider fixierte aus den Augenwinkel die Männer, die mit dem geschlossenen Sarg abzogen. Erst als ein Beamter hinter ihnen die Türe schloss, antwortete sie: „Ich arbeite erst seit einem halben Jahr hier. Natürlich waren auch Herren hier. Mit einigen turtelte Frau Cadacio. Aber wer zu ihr gehörte, weiß ich nicht. Ging mich ja auch nichts an. Die Gesichter wechselten ständig. Ich hab nur den Dreck weggeräumt, den sie hinterließen. Dazu war ich angestellt. Die Küche sah manchmal aus wie bei Ferkels. Ich musste die Soßenreste vom Herd abkratzen. Aber bei dem Stundenlohn drückt man schon mal ein Auge zu. Satte 15 Euro.“
„Es wäre nett, wenn Sie in sich gehen und uns ihre Notizen zu Mara Cadacios Bekannten und Gästen morgen früh ins Präsidium bringen.“, sagte Schwenk.
Frau Schneider nickte. Seit der Sarg draußen war, hatte ihr Gesicht wieder eine normale Farbe angenommen.
Wischnewski half ihr auf. „Das war’s. Wir brauchen Sie heute nicht mehr.“
„Ja, das Leben muss weitergehen.“, erwiderte Dorothea Schneider und ließ sich von Hauptkommissar Dieter Schwenk zur Tür begleiten.
„Da fällt mir was ein.“, sagte sie zu ihm.
In Schwenk keimte Hoffnung auf. Vielleicht erinnerte sich die Putzfrau an den Namen eines Bekannten, einen auffälligen Wagen vor der Türe, ein belauschtes Telefongespräch. Nur ein winziges Fitzelchen, das sie weiterbringen konnte.
Dieter Schwenk nickte Frau Schneider aufmunternd zu. „Was fiel Ihnen ein?“
Ihr Gesicht verdüsterte sich. „Wer ist denn jetzt für meine Auslagen zuständig? Frau Cadacio hat mir den letzten Wochenlohn noch nicht bezahlt.“
Hauptkommissar Dieter Schwenk packte sich fassungslos sich an die Stirn.
Texte: Text & Cover
Gabriele Seewald
wer irgendwas hier klaut, kriegt richtig Ärger mit mir!!!
Diese Kapitel sind eine Leseprobe aus
meinem 400-Seiten Kriminalroman:
Draußen ist der böse Mann
Euch allen viel Spaß beim Lesen ...
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2011
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