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Wie ich Julius Norden erfand




1. Tag:
Ein gemütlicher Sonntagnachmittag. Zur Entspannung mit dem Lesen begonnen. Einer von diesen Regionalkrimis, die sehr beliebt sind. Bin erstaunt. Kommissar Sowieso, Polizeipräsidium Düsseldorf ermittelt. Figuren tauchen auf, verschwinden wieder. Wer war noch mal....wer?
Kann nicht weiter lesen. Es packt mich. Sollte selber ein Konzept erstellen. Heute noch. Also, an den PC, Tabelle aufziehen, erste Ideen notieren, Namen aus Telefonbuch raussuchen, Orte auswählen. Stunden vergehen, merke es nicht mal. Der Aschenbecher quillt über. Mein Mund ist trocken, habe ganz vergessen etwas zu trinken.


2. Tag:
Die meisten Namen gefunden. Sollte sich auf jeden Fall bei der Hauptfigur um einen Privatdetektiv handeln, der hat mehr Aktionsradius als die Polizei, darf auch schon mal Leute verprügeln. Aber wer ist der Kerl, wie heißt er? Komischer Privatdetektiv. Kann ihn irgendwie nicht leiden.

3. Tag:
Grüble über den Anfang. Da, jetzt hab ich’s. Mann wird Opfer seines eigenen Rasenmähers. Nächste Szene, jetzt kommt der Privatdetektiv. Er schläft noch. Aber er wacht auf. Wer ist der Typ? Ein Name kommt angeflogen, wie aus dem Nichts. Oh, Julius Norden. So heißt du also. Figurenentwicklung? Lachhaft. Sie treiben es wie wild, ohne mich. Ich schüttele den Kopf und staune. Besonders über Carmen Schlehmann, dieses Luder.


5. Tag:
Noch ein kleines Mördchen? Aber wie? Ein Sturz aus einem Hochhaus ist auch nicht schlecht. Arme Grazia. Ich fange an zu weinen. Aber es musste sein.

7. Tag:
Experiment gelungen. Julius Norden steht, und mein Mund offen. Schreibe schnell einen Brief - Liebe Christine, kann im Moment leider nicht nach Berlin kommen. Etwas Undefinierbares hält mich hier auf. Bis demnächst, Gabi.

2. Woche:
Das Undefinierbare erhält Familie, Eltern, vier Geschwister und einen Hund. Julius kommt aus dem Stadtteil Grafenberg und fährt einen schwarzen Jeep. Heike, wer ist Heike?, kommt aus Lübeck. Sie scheint ein Problemfall zu sein. Ich sehe schon, Tage der Arbeit liegen vor mir. Der PC rauscht, mein Kopf auch. Es maunzt hinter mir. Stelle fest, ich habe eine Katze.

3. Woche:
Besuch bei Jutta. Habe es gewagt einige Seiten Manuskript mitzubringen. Es gibt Gulasch.
Danach die erste Lesung. Einführung, Julius Norden liegt im Bett. Wacht auf, neben fremder Frau, die er in der Kneipe „im weißen Bären“ kennen gelernt hat. Jutta lacht. Sogar an den richtigen Stellen.
„Ist der süß.“, sagt Jutta. „Warum lerne ich nicht mal so was kennen, wie Julius Norden.“
Ja Jutta, weil es ihn in Wirklichkeit gar nicht gibt.
„Er ist blond.“ behauptet sie. Nein, Jutta, er hat braune Löckchen und graue Augen. Habe ich nur vergessen hinzuschreiben. Ich sehe schon, Tage der Arbeit liegen vor mir. Weitere Seiten folgen. Jutta lacht laut, besonders als Kappelberger erschossen wird. Und das Ende? Ja Jutta, sie kriegen sich. Da wärst du gerne Heike, was?
Es wird schwierig am PC. Ich rätsele mit Julius und seinen Detektiven. Sie wurden engagiert um den Unfall von R.R., den sein eigener Rasenmäher killte, aufzuklären. Seine Witwe vermutet dahinter Mord. Aber warum wurde R.R. getötet? Ach ja, er hat ein brisantes Gespräch bei seinen Kunden belauscht. Und wer ist der Mann mit der heiseren Stimme? Auf jeden Fall ein ganz hartes Kaliber. Worum geht es überhaupt? Ich fürchte, das werde ich erst am Ende erfahren. Und Heike ist immer noch ein Problemfall. Schwer verliebt glotzt sie Julius aus der Entfernung an. Hat sich Heike bewegt? Na, ich auch nicht, habe wieder mal das Essen vergessen.

4 Woche:
Familienfeier, Papa hat Geburtstag. Alle sind da. Ich glaube, es gab Nudelauflauf oder so. Schwager Heinz nimmt mich beiseite. Wie geht es dem Manuskript, fragt er. Welchem? Mittelalter, flüstert mir Heinz zu. Habe es auf Eis gelegt Heinz, etwas Undefinierbares beschäftigt mich im Moment zu sehr, muss ich mit roten Ohren gestehen. Lasse Papa einige Seiten Manuskript da. Zum durchlesen. Die Beratung ist auf die nächsten Tage angesetzt.

5 Woche:
Heike ist immer noch ein Problemfall. Steht hinter der Theke des Straßencafes und starrt Julius an. Sie bewegt sich immer noch nicht. Oder habe ich da etwas zucken sehen? Währendessen kassiert Frieder Schweigegeld von Titus Nebelung, dem Bildhauer. Ich bin entsetzt über diese Entwicklung. Ich habe Lust, Frieder einen Kinnhaken zu verpassen. Aber später. Irgendwann muss ich auch mal ins Bett.

6 Woche:
Essen bei Papa, es gab Reis, chinesich.. Danach Sitzung im Wohnzimmer. Kriminalbeamter ad. und Frau, zusammen 79 Jahre Polizeipräsidium, sehen mich ernst an.
„So geht das nicht, Dieter Schwenk von der Mordkommission würde das ganz anders machen.“
Ich nicke. Ja Papa, habe verstanden.
„Aber selbst im Fernsehen achten sie nicht drauf.“, sagt Papa. „Schimanski hätte schon nach der ersten Folge etliche Jahre Knast verdient.“ Es folgen längere Abhandlungen über die Polizeiarbeit. Ich nicke. Ich sehe schon, Tage der Arbeit liegen vor mir.
„Sollte ich den Mord an Angela Elsing, als sie im Park umgebracht wird, nicht noch etwas länger ziehen?“, wage ich die Frage. Papa und Ursula sehen sich entsetzt und mit angstgeweiteten Augen an.
„Nein, nicht nötig.“, sagen sie wie aus einem Munde. Ich erwähne noch, bevor ich gehe, dass Heike ein Problemfall ist. Ich ahne ja nicht, dass es am nächsten Tag schon durch die ganze Familie geht.

7. Woche:
Jutta ruft an, ich lese ihr die geänderte letzte Seite vor. Sie lacht wieder an den richtigen Stellen, sogar unanständig laut. Im weißen Bären war sie vor zwei Tagen. War aber kein Typ da, mit Lederjacke, der einen schwarzen Jeep fährt, etwas nach Pommes riecht und Julius heißt. Schade meint Jutta.
Ich habe andere Probleme am PC. Ja Heike, es reicht,. Seit Wochen schafft mich die Frau. Es gibt nur eins. Sie muss von der Ladentheke weg. Ich verdonnere sie in Angela Elsings Maklerbüro. Dadurch gerät Heike automatisch in Gefahr. Endlich kriegt sie Beine. Und was für welche, die sieht sogar Julius. Bin hochbeglückt über diese Entwicklung. Meine Katze, bekommt eine Extraportion.
Das Telefon schrillt. Es ist meine Mutter. Ja, es geht mir gut. Was macht Heike, fragt meine Mutter. Musste untertauchen, der Mörder ist hinter ihr her, sage ich. Ich lege auf, wenig später verpasse ich Frieder einen Kinnhaken. Der Tag hat sich gelohnt, es ist zwar kein Sprudel mehr m Haus, aber genug Zigaretten.

8. Woche:
Ich sehe schon, Tage der Arbeit liegen vor mir. Der Kommissar ist beleidigt. Julius, überwinde dich, bring ihm ein paar Flaschen Bier an den Unterbacher See. Vertragt euch wieder. Ihr seid doch alte Freunde. Und immer noch ist der Mörder auf Mördertour, Heike in Gefahr und der Fall noch nicht ganz aufgeklärt. Ich muss nachdenken und stehe auf, meine Katze braucht Futter. Die Waage sagt, ich habe 5 Kilo abgenommen. Ich sollte endlich auch mal wieder Wäsche waschen.
Heute Nacht von Julius Norden geträumt. Er lag neben mir. War ich jetzt Heike, Carmen, Carola, oder die Blonde? Jutta war ich auf jeden Fall nicht, das weiß ich genau.

9. Woche:
Dieses Wochenende Journalistenseminar. Es wird gut tun einmal über etwas anderes zu schreiben als über Julius Norden. Zum Glück geht es um Berichte, Reportagen, Porträts und Glossen. Ein weites Feld. Der Themenkreis ist vielfältig.
Seminar beendet:
Reportage zu geschrieben zu dem Thema, wie ich Julius Norden erfand. Ich bin froh, dass es mal etwas ganz anderes war.
Heute Abend Tarotkarten legen mit Dagmar. Kann mir schon denken, was dabei rauskommt. Etwas Undefinierbares wird in mein Leben treten, alles umkrempeln und mich immens beschäftigen. Dagmar wird lachen, kann es sich um einen Mann handeln?
Frage mich, ... wer das wohl sein kann.

Impressum

Texte: humorvolle Reportage Cover & Text von Gabriele Seewald
Tag der Veröffentlichung: 27.11.2010

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