In diesen Buch wird einer meiner Julius Norden Krimis
vorgestellt,die für einen Sampler vorgesehen sind
Frohe Ostern
(der ganze Kurzkrimi vollständig hier zu lesen)
Privatedetektiv Julius Norden ermittelt zu einem Osterevent in einer Schokoladenfabrik.
Frohe Ostern
Die Reifen von Julius Nordens schwarzem Saab quietschten, als er auf dem Firmengelände der Düsseldorfer Schokoladenfabrik im Stadtteil Niederkassel stoppte. Der Privatdetektiv sprang aus dem Wagen, seinen blonden Mitarbeiter Nick Carstens im Schlepptau.
„Ein Notfall.“, ereiferte sich Julius Norden. „Jens Edelhagen, der Besitzer, rief mich heute morgen an und bat unsere Detektei dringend um Hilfe. Er ist außer sich.“
„Kein Wunder bei einem solchen Drohbrief.“, erwiderte Nick Carstens.
Julius schob seinen Mitarbeiter hinter das Gebäude. „Wir sollten den Hintereingang benutzen.“
Nick sog tief die Luft ein: „Oh, welch delikater Schokoladenduft. Dank der der Einladung, bei der süßen Branche werden wir bestimmt nicht verhungern.“
„Ja! Nur Naturalien können mir mein ausgefallenes Frühstück ersetzten.“, murmelte Julius.
Der Personalpförtner schickte die beiden Privatdetektive, von denen er annahm es wären Aushilfen, direkt nach oben ins Chefbüro.
Zwischen den Aktenschränken wieselte Jens Edelhagen im strahlend weißen Kittel umher, wie ein flackerndes Irrlicht. Der ganze Mann, roch nach Schokolade. Ein Touch Weinbrand schwang mit hinein.
„Ein unverschämtes Schreiben.“, keifte Edelhagen. „Anonym dazu. Man droht mir mit einem fürchterlichen Eklat. Meine besten Kunden sind hier, und Hoteliers aus ganz Europa. Dazu der Werberummel.“
„Es soll heute passieren?“, fragte Julius.
Edelhagen nickte angewidert. „Bei unserem Osterevent.“
Er bot den Männern die Plätze vor seinem Schreibtisch an.
Als Julius zur Schokoladenfontäne blickte, die neben ihm glucksend in einen kleinen Brunnen sprudelte, hörte er seinen Magen knurren.
„Wen haben Sie in Verdacht?“, fragte Julius.
Edelhagen hob eine seiner buschigen Brauen. „Ich tippe auf meinen schärfsten Konkurrenten, Dominik Mayer, ein Schokoladenfabrikant aus München. Der Mann hat keine Hemmungen und ist für seine knallharten Methoden bekannt. Bestimmt hat er seine Schergen geschickt, er macht sich doch nicht selber die Hände schmutzig.“
Jens Edelhagen setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Die darauf aufgetürmten Pralinenberge strömten einen verführerischen Duft aus. Julius leckte sich die Lippen, leider war er zu weit entfernt, um nach einer der Köstlichkeiten greifen zu können.
„Was mag der Drohbriefschreiber im Detail vorhaben?“, fragte Julius, ohne die verführerischen Pralinen aus den Augen zu lassen.
Edelhagen fuhr sich mit beiden Händen durch die ohnehin zerzausten Haare. „Er will es bestimmt zerstören, heute. Mein Werk.“
„Ihre Schokoladenfabrik?“, fragte Nick entsetzt.
Edelhagen schüttelte verbittert den Kopf. „Unsere Attraktion. Bisher konnten wir alles darüber geheim gehalten. Und wir haben nur ein einziges Exemplar davon.“
Julius runzelte die Stirn. „Wovon?“
Edelhagen hechelte. „Sie müssen Karlchen schützen. Mit Ihrem Leben.“
„Wer ist Karlchen?“, fragte Nick.
Edelhagens Augen glänzten. „Karlchen ist ... der größte Schokoladenmaikäfer der Welt.“
Es war so kalt in dem Kühlraum, dass Julius sich schüttelte. Das badewannengroße Ungetüm namens „Karlchen“ lag eingebettet in giftgrünem Ostergras auf einer Holzplatte. Der Riesenmaikäfer war aus dicker Schokolade gegossen, mit hellen Marzipanstreifen verziert und starrte mit wie Kohlestücke glänzenden Augen auf seine Betrachter.
Julius blickte nachdenklich auf Karlchens dunkle Styroporfühler. Ob der Drohbriefschreiber sich wirklich nur an den Riesenmaikäfer halten wollte?
Julius sondierte die Umgebung. Der Raum war zwar durch eine Stahltür geschützt, und draußen stand eine Wache aus Edelhagens Wachpersonal, aber sobald sich Karlchen wie geplant zum Auftritt auf der Bühne bewegte, war er jederzeit einem plötzlichen Angriff ausgeliefert. Um Karlchen zum Festakt zu transportieren, waren Rollen unter der Holzplatte angebracht. Das Oster-Event sollte an diesem Nachmittag losgehen. Jens Edelhagen hatte zwar vor zwei Wochen schon den ersten Drohbrief erhalten, ihn aber nicht so ganz ernst genommen. Erst als ihn heute am frühen Morgen eine detailiertere Schilderung des Karlchen-Attentat-Vorhabens erreichte, hatte er reagiert. Diesmal sofort, und hatte somit Julius aus dem Bett geklingelt.
Nach der Inspektion des Hauses nahm Nick im geschmückten Festsaal hinter der Bühne Platz, um Karlchen während seines späteren erhofft spektakulären Auftritts zu bewachen. Julius begleitete Edelhagens Sekretärin in die „Zentrale“.
Dieser Raum war fensterlos, flackernde Monitore nahmen eine ganze Wand ein. Julius staunte, es gab kaum ein Eckchen in der Firma, das Edelhagen verborgen blieb. Von hier aus konnte man über die Monitore alle Aktionen der Mitarbeiter überwachen. Unten, in der Fabrikation schossen die Mitarbeiter aus den Kühlräumen, auf silbernen Tabletts balancierten sie Torten, Pralinenpyramiden und Osterlämmchen aus Schokolade. Die oberen Flure waren verwaist.
Elvira Knottermann reichte Julius einen grauen Plastikbeutel. „Edelhagen findet, Sie sind nicht inkognito genug. Ziehen Sie das hier an.“
Kurze Zeit später trottete Julius aus dem Toilettenraum. Als er auf eine Tür zuging, starrte er verdrossen auf sein Spiegelbild. In der gläsernen Scheibe glotzte ihm ein einmeterfünfundachtzig großes Plüschhäschen entgegen. Er hätte nie gedacht, dass ihm rosa so gut stand.
Bevor weiter ging, rief er Miriam an. „Wir sind in der Schokoladenfabrik von Jens Edelhagen. Der Auftrag kam kurzfristig rein.“
„Schatz, erzähl mir heute Abend davon.“, sagte Miriam.
Julius hörte wieder sein eigenes Magenknurren, er war dank Edelhagen nicht zum Frühstücken gekommen.
Er seufzte ins Handy. „Gut, dann machen wir es uns gemütlich und bestellen was beim Chinesen.“
Miriam lachte. „Oh nein, ich koche selber. Bring Nick doch mit. Es gibt ...“
Julius fixierte sehnsüchtig sein Handy. Miriams letztes Wort hatte wie Fondue geklungen.
Als Julius den Monitorraum betrat, musterte Elvira Knottermann ihn mit spöttischen Lippen und verputzte den letzten Rest ihrer Schokoladentorte. „Sie haben bestimmt noch nichts gegessen. Aber gleich werde ich Ihnen auch ein schönes Stück Törtchen besorgen. Mögen sie Sahne dazu?“
„Ja.“, sagte Julius, und dachte an ein riesiges Stück Torte, am liebsten noch mit Trüffelfüllung und Marzipanverzierung.
Julius gönnte sich ein Glas Selterswasser, während Elvira schmatzend ihre Gabel ableckte und weiter erzählte. „Jens Edelhagen ist überzeugt, dass Dominik Mayer den Drohbrief geschrieben hat. Ich kenne ein paar von Mayers Leuten. Wenn die hier auftauchen, bleiben Sie ihnen auf den Fersen.“
Julius nickte und nippte an seinem Wasserglas. Plötzlich sprang Elvira auf. „Unglaublich, er besitzt tatsächlich die Frechheit hier persönlich aufzutauchen.“
Elvira Knottermann zeigte aufgeregt auf ein Gesicht im linken Monitor. „Das ist er, das ist Dominik Mayer.“
Julius machte sich in seiner exellenten Tarnung auf in den Festsaal. Der große Raum vor den Bühne war im Osterrausch. Auf lindgrünen Tischdecken tummelten sich zwischen blumengefüllten Weidenkörbchen Osterlämmchen und Minikarlchen. Kellner in lindgrüner Uniform begannen zu servieren.
Vom Hinterausgang aus hatte Julius alles im Blickfeld. Die Männer in den dunklen Anzügen mochten Edelhagens Kunden sein, dazu war normales Publikum eingeladen, Familien mit Kindern. Ein paar Leute von CenterTV und vom WDR schwirrten mit ihren Kameras umher, auch die hiesige Presse war aufmarschiert.
Julius fixierte wieder den potentiellen Drohbriefschreiber. Aber Dominik Mayer hatte sich bisher nicht vom Fleck bewegt. Er plauderte angeregt mit seinem Tischnachbarn.
Ein Mädchen wackelte frech an Julius bauschigem Schwänzchen. „Guck mal Mama, ein rosa Plüschhase. Der sieht aber albern aus.“
Dann hielt sie Julius einen Schokoladenhasen vor die Nase. Julius lief das Wasser im Munde zusammen.
Das Mädchen grinste gehässig. „Kriegste aber nicht du oller rosa Riesenhase. Was sagen denn dann deine Hasenfreunde dazu, wenn du sie auffrisst?“
Schnell stopfte sie sich den Schokoladenhasen selber in den Mund. Zurück blieb nur ein brauner Schmierfilm um ihre Lippen.
Dominik Mayer machte gerade einem massigen Rothaarigen, der an der Bühne stand, ein Handzeichen. Der nickte knapp und verließ den Saal.
Julius schlich ihm hinterher, um die Wege des Rothaarigen zu verfolgen.
Aber der schien sich zu gut auszukennen, war wieselflink in einem Aufzug verschwunden und als Julius den nächsten Aufzug nahm, erreichte er nur einen leeren, gespenstig stillen Korridor. Wo mochte der Typ abgeblieben sein?
Es gab nur eine Möglichkeit, das genau heraus zu finden.
Julius hetzte zum Monitorraum. Über die Kameras, die jeden Winkel der Schokoladenfabrik mit unnachgiebigen Augen überwachten, würde er den Rothaarigen am ehesten entdecken.
Aber als Julius kurz vor dem Monitorraum die streitenden Stimmen hörte, prallte er zurück. Schnell drückte er sich in eine Mauernische.
„Nein Armin.“, jammerte Elvira Knottermann.
„Ich weiß schon lange, dass du mich mit ihm betrügst.“, raunzte der Mann. „Meine Frau und ihre Affären. Ist es diesmal etwa Liebe? Was auch immer, so kommt mir Jens Edelhagen nicht davon. Erschlagen sollte man den Hund.“
„Armin, was hast du vor?“
Das war es also, Jens Edelhagen hatte eine Affäre mir seiner Ssekretärin. Und ihr eifersüchtiger Ehemann, hatte nicht nur die Drohbriefe geschrieben, sondern wollte sich auch an dem Schokoladenfabrikanten rächen.
Bevor Julius reagieren konnte, kam Tumult aus den Kühlräumen: „Es geht los! Vorhang auf für den größten Schokoladenmaikäfer der Welt! Rollt Karlchen auf die Bühne!“
Julius spurtete los. Fast zeitgleich mit Elvira Knottermanns Ehegatten traf er auf die Prozession die Karlchen durch den langen Flur begleitete.
„Sie haben den Drohbrief geschrieben.“, flüsterte Julius Knottermann zu.
„Ja!“, grinste der. „Und jetzt werde ich tun, was ich Edelhagen angedroht habe.“
Julius hechtete auf ihn zu, taumelte aber ins Leere, da Knottermann nach vorne stürzte. Er sprang auf Karlchen, als wollte er auf ihm reiten. Es gab ein entsetzlich knirschendes Geräusch. Dann sackte Edelhagens ganzer Stolz in sich zusammen, wie ein Schlauchboot, aus dem die Luft wich. Schokoladenbruch regnete den Mitarbeitern in die verblüfften Gesichter. Während Knottermann davon stürmte, schwang ein vielfaches „Ohhhhhh“ durch den Flur wie ein Abgesang.
Karlchen lag da, wie ein langes Stück dunkler Wellpappe über das eine Dampfwalze gerollt war. Nur die riesengroßen Styroporfühler zitterten noch.
Knottermann nahm gezielt den Weg durch die Flure auf die Fabrikation zu. Will er jetzt die Maschinen zerstören, dachte Julius und rannte fast den Lehrling um, der Knottermann mit offenem Mund nachstarrte.
Julius stürmte auf die Fabrikationsanlage zu, die wie ein Monster aus Chrom aussah. Knottermann hob die Fäuste, aber Julius trat ihm blitzschnell gegen das Schienenbein und schleuderte den zusammengesunkenen Knottermann auf die Anlage.
Knottermann knallte auf das Laufband und blieb liegen wie ein nasser Sack. Er wehrte sich nicht einmal, als Julius ihn mit Handschellen rutschfest verpackte. Plötzlich begann die Anlage zu vibrieren. Julius drückte auf sämtliche Knöpfe. Aber das Laufband zuckelte mit monotonem Summen los und schob Knottermann mit sich fort. Fleißige Spritzdüsen garnierten seinen Rücken mit breiten Schokoladenstreifen.
Jens Edelhagen kam schwitzend heran gestürzt. „Welcher Idiot hat die Maschine angestellt?“
Der Lehrling zeigte weinerlich auf glitzerndes Rosa. „Der Riesenase da!“
Edelhagen drückte den Ausschalter. Der Summton erstarb. „Knottermann, Sie Dummkopf. Ihre Sabotage nutzt nichts, da ich Ihre Frau heiraten werde.“
„Tun Sie es.“, murmelte Knottermann abwesend. „Sie ahnen ja nicht, was Sie sich damit einhandeln.“
„Ich überlasse Ihnen jetzt den Maikäferattentäter.“, sagte Julius.
„Der Knottermann hat unsere Osterattraktion kaputt gemacht.“, jammerte der Lehrling.
„Nicht ganz.“ Edelhagen zerrte an Knottermann herum. Dann befahl er seinem Lehring: „Los Benjamin, hol mir die rote Mütze vom letzten Jahr. Ich hab da eine tolle Idee.“
Der Vorhang bewegte sich. Der Tumult im Saal schwoll an. „Wir wollen endlich die Attraktion sehen, die uns die Schokoladenfabrik Edelhagen versprochen hat.“
„Los, Kamera an.“, surrte der Regisseur des Lokalsenders ab.
Der tannengrüne Samtvorhang öffnete sich zur Hälfte und Edelhagen kam ins Blickfeld. Mit einer schwungvollen Handbewegung brachte er den Saal zum Schweigen. In seiner Stimme vibrierte ebenso Stolz, wie Gehässigkeit. „Unser bestgehütetes Geheimnis. Innovativ wie immer und schon Monate vorausschauend präsentieren wir Karlchen ...“
Blitzlichter zuckten auf. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch den Saal.
Edelhagen stieß Knottermann auf die Bühne. „ ... den größten Schokoladenweihnachtsmann der Welt.“
Die Kameras saugten sich an Edelhagen und den in einer dicken Schokoladenhaut erstarrten Knottermann fest. Die Menge klatschte begeistert.
Ein kleiner Junge verzog grübelnd die Stirn. „Mama, warum hat der Weihnachtsmann denn Handschellen an?“
Bei der Rückfahrt in die Innenstadt steuerte Nick diesmal den Saab.
„Wir haben unsere Schokoladenpakete in der Aufregung bei Edelhagen liegen lassen.“, sagte Julius. „Sollten wir uns nicht schnell noch was Süßes besorgen?“
Nick schüttelte den Kopf. „Keine Zeit. Miriam wartet mit dem Essen. Es wäre unhöflich unsere beste Mitarbeiterin und neuerdings deine Freundin warten zu lassen. Du weißt doch wie sauer Miriam werden kann.“
„Oh ja,“, brummte Julius und erinnerte sich mit Unbehagen an den letzten Streit. Sein Magen hatte es aufgegeben zu knurren. Demütig ergab er sich in ein Schicksal, dass seit dem frühen Morgen aus einigen Schlucken Selterswasser bestanden hatte.
Julius und Nick liefen die letzten Stufen zu Miriams Wohnung hoch.
„Fonduehunger.“, japste Nick, als sie öffnete. „Was gibt es? Rinderfilet, Hähnchenwürfelchen, Putengeschnetzeltes oder Gemüsespießchen?“
Miriam strahlte. „Viel besser. Eine Delikatesse. Mangos, Pfirsiche, Birnen, Ananas, Erdbeeren, getrocknete Feigen und die süßesten Crepesstreifen. Alles eingetaucht in eine wundervolle Sauce. Extra für euch Herumtreiber ... ein Schokoladenfondue.“
Weitere Julius Norden Krimis gibt es demnächst in einem Sampler
Texte: Texte & CoverGabriele Seewald
Tag der Veröffentlichung: 17.04.2010
Alle Rechte vorbehalten