Cover

Es gibt Momente, da weiß man lange, lange Sekunden vorher, wie weh gleich etwas tun wird.
So wie es auch wusste, als Daniel an einem heißen Sommertag im „Rialto“, unsere Lieblingseisdiele, etwas Wichtiges mitteilen wollte. Ich saß schon an einem Tisch, als Daniel in die Diele kam und ich an seinem Blick schon erkannte, dass was nicht stimmte.
„Hey“, flüsterte er fast schon. „Hallo“, erwiderte ich. Er gab mir einen Kuss.
„Sorry, dass ich zu spät komme, stand aber in einem Stau. Scheiß Großstadt!“ sagte er nun nicht mehr in einem Flüsterton. „Nicht schlimm, bin auch grad erst gekommen“, antwortete ich schnell zurück, obwohl ich schon seit Stunden hier saß, damit er keinen Grund mehr sah, sich noch mehr aufzuregen.
„Schön, dass du gekommen bist,“ sagte Daniel und schnipste mit dem Finger zur Kellnerin. Ich gab ihm ein Lächeln zurück.
Die Bedienung, die schon mehrmals kam, als ich noch alleine saß, kam und wir bestellten unser Eis. Er wie immer ein Erdbeerbecher mit Schokoladeneis und ich hatte Lust auf einen Caramelbecher. Er legte seine Hand auf meine.
Kaum war die Kellnerin wieder weg fing Daniel schon an.
„Bevor du es morgen durch die Presse erfahren wirst“, fing er an zu stottern, „ich wurde gestern Nacht mit einem anderen Frau küssend abgelichtet. Es war nicht mehr als ein Kuss, dass musst du mir glauben. Wirklich. Ich hatte sie gestern bei der Veranstaltung kennen gelernt und war bisschen angetrunken und als ich dann mit dem Taxi nach Hause fahren wollte, hat sie mich einfach geküsst und irgendein Paparazzi hat es fotografiert.“
Er sagte es so schnell und gefühllos. Er raste es so schnell runter, als ob er sich Stunden vorher überlegt hat, was er sagen wird. Mir kam es schon fast auswendig gelernt rüber.
Ich hörte nach den ersten zwei Sätzen schon gar nicht mehr richtig zu. Nachdem ich merkte, dass er schwieg, hebte ich meinen Kopf zum ersten Mal auf und schaute ihn an.
Dann nahm ich meine Hand von seiner weg.
Es war so unnatürlich leise in der Eisdiele, als hätte Daniel alle nur möglichen Worte mitgenommen und mit keine mehr da gelassen. Ich schaute ihn immer noch in die Augen.
Er hat mich betrogen? Ich verstehe es nicht. Wie wollten doch für ewig zusammen sein.
Ich konnte nichts sagen. Das Eis kam und wurde vor uns hingelegt, Daniel bedankte sich.
Fing aber nicht an es zu essen.
Ein Kuss hat er gesagt? Nur ein Kuss? Hatten die Sex? Wer war sie? Kannte ich sie vielleicht?
Ich hatte viele Fragen, die ich ihn fragen wollte, doch ich bekam kein einziges Wort aus dem Mund. Mit meinen Augen starrte ich immer noch ihn an.
Ja, wie damals. Vor ungefähr zwei Jahren. Aber da hatte ich ihm geglaubt und verziehen. Nein, dieses Mal nicht. Ich will keine Ausreden. Ich will keine Erklärungen. Und erst Recht will ich morgen nicht die Zeitung lesen.
„Fußballstar knutscht fremd- wie wird Freundin nach 6 Jahren Beziehung handeln“, steht bestimmt auf der ersten Seite. Nein, ich will das alles nicht mehr.
„Dein Eis schmilzt“, wurde ich von seiner Stimme aus meinen Gedanken gerissen. Er nahm seinen Löffel und fischte eine Erbeere aus seinem Becher.
Daniel schob sich den Löffel in den Mund. Nach Jahren Beziehung fiel mir zum ersten Mal seine große, hässliche Nase auf.
„ Es tut mir wirklich Leid“, wiederholte er mehrmals. „Aber du weißt doch, dass ich dich liebe.“ Meine Augen waren mit Tränen gefüllt und warteten darauf, dass ich „los“ sagte und sie erst dann über meine Wangen laufen durften.
Doch ich wollte vor ihm keine Schwäche zeigen. Zum ersten Mal blickte ich um mich.
Es war laut im Eiscafe, richtig laut sogar. Überall saßen Menschen, aßen ihr Eis, lachten und unterhielten sich. Ich beobachtete ein kleines blondes Mädchen. Sie freute sich so sehr, als die Bedienung ihr Eis vor sie stellte. Kann ein Eis jemandem so viel Freude machen?
Ich schaute runter auf mein Eis. Der Becher auf den ich vor fünf Minuten noch Appetit hatte, ekelte mich nun. „Wieso sagst du nichts?“, hörte ich ihn wieder.
Ich blickte auf seinen Erdbeerbecher. Es war noch eine einzige Erdbeere übrig in dem Schokoladeneis.
Sie war nicht alleine in dem Becher aber fühlte sich bestimmt ganz einsam. So wie ich mich unter den ganzen Menschen verlassen fühlte. Neben dem Menschen, mit dem ich eigentlich mein Leben verbringen wollte, fühlte ich mich einsamer als je zuvor.
In meinen Gedanken sagte ich „los“ und meine Tränen liefen um die Wette.
Was die Menschen um mich herum dachten, war mich so ziemlich egal.Ich kannte sie nicht.
„Schatz, es tut mir wirklich Leid. Bitte hör auf zu weinen. Ich kann das nicht sehen“, sagte er.
Ich wollte schreien. Ich wollte ihn anschreien doch ich bekam meinen Mund nicht auf.
Er saß mir gegenüber und aß sein Eis weiter. Mein Caramelbecher war immer noch nicht angerührt. Wieso sagt er mit so was in der Öffentlichkeit? Hat er Angst zu Hause darüber mit mir zu reden? Will er sich dadurch schützen? Feigling. Schrie ich in meinen Gedanken ihn an. Feigling! Er schob seinen leeren Becher an den Rand des Tisches. Nein, mich kannst du nicht so einfach in eine Schublade packen, wie du es dir vorstellst und wie du es gerne hättest.
„Ich weiß, dass du Zeit brauchst. Und ich gebe dir die Zeit der Welt, Baby.“, flüsterte Daniel zu mir. Zeit? Nein.
Ich schwieg vor mich hin und in meinem Kopf befanden sich auch keine Gedanken mehr.
Kein einziger kleiner Gedanke.Leere.
Ich hörte Daniel nicht mehr. Er sagte zwar noch was, was ich an seinem Mund erkannte, aber hören konnte ich nichts mehr.
Auch die Lautstärke in der Eisdiele drangte nicht in mein Gehirn.Nein.
Es war ruhig. Stille.
Ich war verletzt. Daniel hatte mir an diesem Tag in der Diele richtig weh getan.
Das einzigste was ich spürte war der Schmerz.
Ich fühlte den Schmerz tief in mir. Ich merkte wie er immer stärker wurde.
Es schmerzte sehr. Ich musste den Schmerz einfach nur aushalten und hoffen, das er von alleine irgendwann geht. Hoffen, dass die Wunden, die er ausgelöst hat, irgendwann verheilen. Es gibt keine wirkliche Lösung und auch keine leichten Antworten.
Ich stand auf,sah wie das kleine blonde Mädchen mit ihren großen blauen Augen mich an schaute. Sie war ganz erschrocken, als sie meine Tränen erblickte. Ich lächelte sie an, sie schenkte mir ein Lächeln zurück und ich ging zur Tür.
Ich verließ unsere Lieblingseisdiele ohne mich einmal nach Daniel umzudrehen.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine beste Freundin,Balibey.

Nächste Seite
Seite 1 /