(Unter den beiden Briefen/Bilddateien habe ich den Text jeweils leserlich gemacht und abgetippt.)
Liebe Elvira! Herzlichen Dank für die nette Aufmerksamkeit zum Namenstag. Ich denke, dass Du in diesen Tagen ??? (kann ich nicht entziffern) ...
Anneliese hat en Mädchen geboren. "Mein genaues Ebenbild".
Bräunliche Haare, Knuddelnäschen, mandelförmige Augen, nur die rosa Backen erinnern an dich, nach unten ??? (kann ich nicht entziffern) ...
Wenn ich nicht hingefahren wäre, hätte sie sicher eine Totgeburt gehabt, denn eigensinnig beharrte sie darauf, es sei erst in einigen Tagen (soweit). Es wurde ihr nämlich immer schlecht. Ich jagte Jürgen zur Amme, als die kam, bekam Anneliese eine Spritze, das Kind musste sofort heraus, sie hatte mir gesagt, dass es sich nicht mehr so bewege). Wie fürchterlich Anneliese dann "Mama" schrie, sich an mich krallte, der nasse Schweiß rann an ihr nieder. Sie holten das Kind mit Gewalt, es sah dunkelblau aus am ganzen Körper, die Nabelschnur war um Hälschen und Kopf wie eine Schlange gewickelt. Die Amme begoss das Kind mit Alkohol (Spiritus), knetete es wie einen Kuchen, warf es nach allen Seiten, sie war leichenblass, ich glaubte, das Kind sei tot, denn der obere Kopf war fast schwarz. Plötzlich zog es Atem ein, streckte die Arme in die Höhe und --- gähnte. Stell dir mal das Schauspiel vor. Das fast schwarze Kind gähnte und reckte sich. Allmählich kam das Kind zu sich, es war aber am Kopf zerdrückt. Die Amme wusch es, säuberte es, und ich trug das Kind in die Küche. Als ich es Anneliese zeigte, bedauerte sie die eingedrückte Nase mit der unseligen(?) Seite, war schrecklich enttäuscht. Nun sind einige Tage vorbei, das Kind sieht rosig aus und, wenn ich es betrachte sehe ich die Züge vom Louisenthaler Opa. Es trägt mein Gesicht. Es hat sehr schöne, lange Finger, wiegt sicher 4 kg. Jetzt ist sie ganz verrückt mit dem Kind, das ich eigentlich geboren habe. Davon will sie jezt nichts mehr wissen, hören. So ein süßes nettes Püppchen. Ich glaube, dass meine Mission nun erfüllt ist. Sonderbar, dass ich gerade jetzt plötzlich nach Tanger fuhr, es musste so sein. Man sieht es ja. Hier ist noch mildes Wetter. Ich gehe alle Tage im Meer spazieren. Baden tut keiner mehr, man könnte wohl, das Wasser ist nicht kalt, aber...
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Auf der Rückseite des Briefs stand folgender Text/Bekanntmachung meiner Geburt in Tanger, geschrieben, von meinem Vater an die Saarbrücker Zeitung im Saarland.
Jürgen Lang Tanger 3. 12. 1958
???
???
An die Geschäftsleitung der
Saarbrücker Zeitung
???
Saarbrücken
Wollten Sie bitte folgende Anzeige in Ihrer Zeitung aufgeben?
Allen Verwandten, Freunden und Bekannten in der Heimat geben wir die Geburt unserer Tochter
Elisabetha Lang
bekannt.
Jürgen und Anneliese Lang
???
Tanger/Marokko ???
Hochachtungsvoll
Jürgen Lang
Wer gibt das auf?
(Briefende)
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Vor wenigen Jahren stellte mir meine Tante diesen seltsamen Brief zu, den sie zufällig in ihren alten Unterlagen gefunden hatte. Bis zu dem Zeitpunkt wusste ich nichts von seiner Existenz, geschweige denn von den Ereignissen, die darin meine Geburt betreffend beschrieben waren.
Meine Tante, Elvira, die Schwester meines Vaters, erhielt ihn damals, 1958, von Tanger aus geschrieben, von ihrer Mutter, bzw. von der Mutter meines Vaters. Mit dem gerade geborenen "Kind" darin bin ich gemeint.
Auch wusste ich bis dahin nicht, dass ich eigentlich Elisabetha anstatt Elisabeth heißen sollte. Wahrscheinlich ging, wie meine Mutter sich zu erinnern glaubt, nur die Grroßmutter also ohne meine Eltern zum Pfarrer und gaben als Namen nur noch Elisabeth (also ohne die Endung "a") an.
Zum Pfarrer ging sie oder gingen sie zwar. Nicht jedoch zum Standesamt, obwohl dies damals schon in Tanger bereits seit 1958 existierte. 8 Monate lang meldeten sie mich aus welchen Gründen auch immer, nicht auf dem Standesamt als eine neue Erdenbürgerin an. Doch hiernach zurück nach Deutschland gezogen, verlängerten sie diesen Zustand, nicht auf einem Standesamt gemeldet zu sein bis zu 40 Jahren. Erst bei meiner Heirat 1999 wurde - bei einer notwendig gewordenen Nachbeurkundung in Berlin - meine Geburt bestätigt. So dass ich endlich in einem Stammbuch eingetragen werden konnte.
Zuvor existierte ich per beurkundeter Registrierung höchstens gemäß einem Taufschein, der allerdings immer lose im Stammbuch meiner Eltern herum flatterte. Bis er sogar eines Tages verloren war. Egal.
Meine Mutter oder meine Eltern erklärten mir, als ich sie mit 6 Jahren diesbezüglich einmal befragte, sie hätten alles Mögliche versucht, um mich ins Stammbuch eintragen zu lassen, aber es sei nicht gegangen. Doch zig Jahre später sagte eine Standesbeamtin zu mir, das könne eigentlich nicht sein. Keine Ahnung, was da falsch lief.
Jedenfalls hieß ich all die Jahre gemäß dem Taufschein: Elisabeth Katharina Lang. Doch nach der Nach-Beurkundung in Berlin nur noch "Elisabeth Lang". Auf meine Frage an die Standesbeamtin gerichtet, wie das passieren konnte, dass mein zweiter Name, Katharina, unterschlagen wurde, meinte sie nur, meine Eltern hätten ihn bei der Nachbeurkundung vergessen. Außerdem sei es ja nur ein Taufname, also kein richtiger zweiter usw. Und in Berlin, habe man es halt so übernommen, wie meine Eltern es vor ihren Augen ausgefüllt hätten. Aber es sei doch bloß ein Taufname gewesen, meinte sie sich mich beruhigend wiederholend. Tja, ich weiß nicht.
Sie meinte dann, als ich mit ihrer Antwort so ganz und gar nicht einverstanden war, ich könne per Klage in Berlin oder so ähnlich bewirken, dass ich meinen zweiten Namen wieder bekomme. Aber will ich das? Ja, denke ich manchmal. Dann wiederum nein. Gemäß der Nummerologie soll so etwas ja entscheidend sein. Aber esoterisch will ich eigentlich nicht denken oder fühlen. Bis jetzt kann ich die Nummerologie nämlich logisch noch nicht nachvollziehen, also will ich eigentlich in der Richtung nicht denken. Nur halt, was ist, wenn es stimmt?
Dann las ich in einem neuen mir von der Kirche in Tanger vor meiner Heirat - im Zuge der Beschaffung der Heiratspapiere -, zugestellten Dokument dass mein Nachname zweimal hintereinander eingetragen war. Demnach hieße ich Elisabeth Lang Lang. Seltsam.
War dieser Fehler demnach erst jetzt, also bei der Neubeantragung des Taufscheins, passiert? Oder stand auf dem lose eingelegten Taufschein, der in Kindertagen aus dem Stammbuch der Familie verloren ging, bereits Lang Lang?
Ich hoffe halt, dass die Nummerlologie nicht ernst zu nehmen ist. Ansonsten wäre da ein seltsames Durcheinander passiert, und welcher Name unter den vielen Möglichkeiten wäre in dem Fall meiner oder mein authentischer?
Aus dem Brief geht jedenfalls die Absicht meines Vaters hervor, wie ich hätte heißen sollen. Eine schwarz auf weiße Angelegenheit. Nur halt schade, dass auf dem Taufschein dann etwas ganz anderes landete. Daher die Annahme, meine Mutter tat das so über seinen Kopf hinweg, ohne sich mit meinem Vater abgesprochen zu haben, oder sie nahm die Mutter ihres Mannes, die Katharina hieß, mit zur Kirche und mein Vater blieb zuhause oder wurde überstimmt. Keine Ahnung. Ich sehe oder versuche das Ganze locker oder lustig zu sehen. Nur die Umstände meiner Geburt selbst, wie aus dem folgenden Briefinhalt hervorgeht, lustig zu sehen, das passt wohl nicht ganz. Denn beinahe wäre ich nur ein paar Stunden oder Minuten, wenn überhaupt unter dem Himmel von Tanger auf der Welt verweilt, wenn da nicht plötzlich mitten in der Nacht die Mutter meines Vaters, die im Saarland wohnte, in Tanger angekommen wäre, gerade rechtzeitig als die Wehen einsetzten gegen 1:00 Uhr in der Nacht.
Texte: scriptlis
Tag der Veröffentlichung: 21.06.2012
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