Missverständnisse. Welch bemerkenswerte Chance wir doch unserem Gegenüber in Form unseres momentanen Projektionsinhalts bieten, in jeweils dem Moment, wo wir selbst es sind, die einem Missverständnis unterliegen!
Missverständnisse. Welch beachtenswerte Chance zu offenbaren, was wir geneigt sind im Andern jeweils zu vermuten, uns gar darüber aufzuregen und uns hinterher gerade über diese Neigung in uns Gedanken zu machen:
Denn wie viele andere Optionen und Gründe könnten doch jeweils vorliegen! Doch wir wähl(t)en es, genau jene Vermutung zu einer von uns inneren gefühlten Gewissheit um zu funktionieren, und keine andere. So, nunja, geht es uns Allen wohl, hier und da und dann und wann einmal.
Verraten kann das Gesicht
des unbewusst gewählten Missverständnisses, dass man neue Nahrung benötigte für eine Charaktertendenz, ob entweder als Opfer fühlend die Sucht fast danach, bestätigend zu leiden.
Andere offenbaren durch den Inhalt ihres gewählten Missverständnisses die große Fähigkeit, in eine konstruktive Möglichkeit zu vertrauen, auch falls sie sich dabei ein Stück weit selbst belügen sollten angesichts der Möglichkeit, dass der Glaube an das Gute im Gegenüber sich ja doch nicht als naiv heraus stellt: und wenn schon, auch egal.
Missverständnisse! Welch schöne Chance, die Welt und sich selbst mit Humor betrachten zu können oder dies zu lernen, ab und zu, wann immer es passt.
Meiner nun eigentlich folgenden Mail an dich ließ ich mal lieber diese Gedanken voraus gehen.
Hey Du,
und mit dem Missverständnis auf deiner Seite, welches du dich bei mir hinterher doch noch entschuldigend zugegeben hast, hat es dann endlich geklappt, meine begonnene Selbstlüge zu entkräften. Ich hänge nicht mehr an dir, war ja, wie ich es dir zuvor halb gelogen, halb wahr, erklärte, dabei, dich ganz schnell wieder vergessen zu können, wenn ich dies nur genug wollen würde; mit "dich" meine ich diese dummen schönen Schmetterlinge im Bauch.
Es hat dann also tatsächlich so schnell geklappt. Und es war einfach. Denn du hast nicht an mich geglaubt. Punkt. Nicht an das Uns. Zogst das Gesicht
dieses deines Missverständnisses vor; der Möglichkeit vor, zu erwägen, dass es nur ein Missverständnis hätte gewesen sein können..
Zogst es vor, lieber wenn schon, dann mir! etwas zu unterstellen, das auf meiner Seite den Grund für deine Enttäuschung gelegt haben würde.
Denn bei der Neigung unglücklich verliebt zu leiden und den Kopf gnädig gut gemeint über andere zu schütteln, müssen ja auch schließlich Gründe her. Diese Neigung muss bedient werden.
Ist kein wirklicher Grund vorhanden oder in Sicht, modelliertest dir gerade mal schnell einen.
Ein bisschen ironisch war das, ich weiß. Es befreit mich.
Ich mag es, wenn ein Mann an mich glaubt, im Zweifelsfall erst recht. Du hast einen Hauch von dieser Lüge in mir wohl gespürt, bevor ich dies konnte. Das war gut so. Und konntest dadurch nicht wirklich an mich glauben oder mir glauben, oder dem, was ich dir mailte, von dem ich glaubte, es sei überzeugend, auch mich selbst überzeugend.
Du schlussfolgertest einfach, dass ich nicht wollte, du weißt schon, den Hörer sofort nach dem Klingeln abheben, anstatt mir deine Stimme erst später auf dem Anrufbeantworter anzuhören.
Aber es lag ein anderer Grund vor, nicht der, den du annahmst. Es war ganz einfach die Technik des Internets oder meines PC´s. Keine Ahnung. Irgend etwas hatte sich aufgehangen und hat dir meine "I am agree-Antworten" nicht mehr gesendet.
Aber ich dachte mir schon, das könnte er jetzt falsch verstehen. Dein Profilbild verriet es mir schon vorher: Deine Neigung, lieber etwas falsch zu verstehen als sich zu vergewissern.
Die große Traurigkeit in deinen Augen brauchte gewiss von Zeit zu Zeit Nahrung. Musste bedient werden.
Aber oder endlich: Der Zauber des in dich weiterhin Verliebtseinwollens ist weg. Und dafür danke ich dir, denn es geschah durch die Wahl deines Missverständnisses. Du hast dich für mich uninteressant gemacht, nachdem ich deine Zweifel las.
Doch so wie ich glaube es als wahr zu spüren, benötigst du einen Menschen, der zu deiner augenblicklichen Neigung zu leiden, passt.
Danke, ich passe!
Vielleicht ja deshalb, weil ich diese Tendenz intuitiv und von Anfang an gespürt habe oder an deinem Gesicht ablesen konnte, wollte etwas in mir mich nicht so wirklich in dich verlieben lassen können. Ja vor allem, es mag weil du kein Österreicher bist, das stimmt und gebe ich zu, dass es nur ein Österreicher sein soll, der mich bis in jede Faser meines Herzens und Körpers verrückt machen kann.
Und dass diese Schmetterlinge nun mal erwacht waren in mir, durch deine vorhergehenden wundervollen Zeilen, geschah halt, es war schön, mehr als schön, aber ich wollte es doch gar nicht wirklich, wegen meiner Treue zu meiner Vision.
Und so etwas hast ja auch du nicht verdient. So gesehen, habe ich dich mir selbst nicht gleich merklich benützt. Oder kann man da schon sagen belogen? Weil du mir solche guten Gefühle zu vermitteln fähig warst und ich es - dich darin ermunternd - geschehen ließ. In der Ermunterung lag die Lüge, vermute ich.
Aber in der Konsequenz hätte ich mich nicht zu dir bekennen können, außer im Taumel der Verliebtheit ohne zu denken.
Ich weiß, es wird seit Jahren propagiert als das einzig Richtige, auf seinen Bauch zu hören, und sich seinen Gefühlen hin zu geben. Ich weiß nicht, so dachte oder denke ich ja im Grunde auch. Doch da ist diese noch stärkere Kraft und dieser Wunsch nach einem Österreicher an meiner Seite in mir, also dann kann ich doch nicht solche Umwege weiterhin machen. Es sind doch Menschen auf diesen meinen Umwegen aus Feigheit getrampelt, die sich in mich verlieben. Und das darf ich ihnen doch nicht antun! Also darf ich nicht auf solche anfänglichen "dummen" schönen" Gefühle hören, nicht darauf reagieren, als seien sie Bauchgefühle in mir, auf die es wider alle kühlere Vernunft zu reagieren gelte! Oder?
Sollte also dankbar sein, dass er sich nicht mehr meldete bis jetzt.
Klar das tut ein wenig weh, aber er gestand ja gestern auch, dass er leidet, wegen meiner Einstellung, die sich nicht für ihn entscheiden kann, weil er kein Österreicher ist.
Ich war sehr sehr offen, das heißt, ich verletzte ihn wohl, als ich ihm sagte, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme, falls mir seine Stimme beim Erstkontakt am Telefon nicht gefallen würde. Genauso wenig wie ich mein Gefallen ebenfalls frei heraus zeigen würde. Das war nicht so ok von mir, denke ich.
So bin ich. Klar, ich hätte mir diesen Part auch verkneifen können, aber wahrscheinlich wollte ich ja einen Schnitt herbei führen, und dann doch am Besten durch ihn vollzogen an mir, damit er das Gefühl haben sollte, er hätte die Sache beendet. So was tut vielen Männern gut, besser, als wenn ich zu Allem noch mit ihm Schluss gemacht hätte.
So ist es besser, ich leide ein wenig, weil ich ihn ein wenig mehr vermisse, als es mir recht ist.
Hatte oder habe mich schon an ihn gewöhnt, nicht nur das, war schon in meiner Vorstellung bei ihm in Griechenland, in seinem Haus, wurde von ihm schon geliebt...in Gedanken.
Ging zum Strand durch die Altstadt mit einer weißen bis etwas über die Knie gereichenden Hemdbluse und einem breiten weißen Stirnband und einer großen schwarzen Sonnenbrille.
Barfuß. Barfuß war es glaube ich, nein ich ziehe mir nachträglich jetzt lieber mal Schuhe an, weiße ebenfalls, und braun ist meine Haut in dieser Vision. Und ich flirte anständig, also damit meine ich, nicht wirklich flirten, sondern auf distanzierte Weise, mit den Einheimischen. Achtung kommt mir entgegen. So hätte ich es gerne, deshalb kommt es mir so vor.
Oder die Achtung kann auch echt sein. Ich bin nichts anderes als Achtung gewöhnt, habe immer viel dafür getan. Zu viel? Daher habe ich sie vielleicht gar nicht in dem Kleide verdient, geht mir grade durch den Sinn.
War es Kompensation dafür, dass ich längst nicht so moralisch tugendhaft ticke, wie ich es mir schon seit eh und je auferlegt habe. Nämlich so ganz anders zu sein, als meine kleine Schwester.
Na so etwas!, dachte ich damals empört, als ich es mitbekam, nämlich dass sie schon rauchte, sie war doch erst 11.
Nur, weil sie kurz danach schon mit einem Jungen geschlafen hatte, wartete ich vielleicht damit, bis ich 19 war.
Ja, Kompensation wird ein gutes Stück an Weg bisher wohl bei mir gewesen sein, so wird es wohl sein, ist mir aber auch plötzlich egal. Ich spüre diese Anständigkeit in mir vorrangig. Ist was anderes mit dabei, soll es sich endlich zeigen. Denn sich selbst etwas vorspielen, ist nicht ok, denke ich. Ist auf jeden Fall eine Lüge.
Jedenfalls steht mir diese Aufmachung in Weiß auf brauner Haut sehr sehr schön. Wie ich mir gefalle! ich glaube ich bin in meiner Vision auf dem Weg zum Markt durch die Altstadt, ach so, war ja auf dem Weg zum Strand -, etwas größer bin ich als in Wirklichkeit, auch ohne Schuhe. Oder sind vielleicht die Menschen dort in Griechenland meist kleiner als hier im Allgemeinen. Oder sehe ich im Grunde gar nicht mich selbst, sondern...keine Ahnung.
Ist´s eine Projektion in der Vision, ja so wird es wohl sein. Und auch ist es doch eigentlich gar nicht mein Gesicht. Oder es ist nicht mein Gesichtsausdruck. Dieser, den ich sehe, ist cooler und hat weniger von, weiß jetzt nicht genau, weniger wovon.
Jedenfalls sehe ich aus, wie ein Model auf den Titelseiten von Frauenzeitschriften mit diesem typisch blinzelnden attraktiven Blick gegen die Sonne. Und wie mir dieses Bild gefällt!
Aber ich bin nicht dort. Sitze hier vor dem PC in Ruhpolding, wurde nicht von ihm nach Griechenland eingeladen. Obwohl ich schrieb, ich habe bis nächste Woche frei. Wäre das schön gewesen, - er weiß ja, dass ich als Künstlerin das Geld für den Flug nicht übrig hätte. -, aber wäre das schön gewesen, wenn...
Nein, man soll ja keine Konjunktive gebrauchen, auch nicht in seinen Träumen. Also formuliere ich es so:
Die Vision gefällt mir: Er mailt mir, dass er mir den Flug bezahlt hat, und ich solle doch unbedingt sofort zu ihm nach Griechenland fliegen. Zu ihm kommen. Er hole mich ab am Flughafen.
Ich tue es.
Dann sehen wir uns zum ersten Mal in Natura. Es gefällt mir so gut, ihm ins Gesicht zu sehen. Dann ergreift er mit Leidenschaft, von welcher Art genau, weiß ich in dem Moment noch nicht, meine Hand.
Und ich weiß es endlich, auch ich gefalle ihm also in Natura. Diese dumme Unsicherheit während des Flugs, wo ich genügend Zeit zur Unsicherheit hatte, fiel ab, wie lästige Pizzakrümel von den Mundwinkel, wenn man beide Hände dazu gebrauchen muss, um sich den Mantel anzuziehen, den er zwar geschenkt hat...
Er kann es kaum abwarten, was abwarten, weiß ich nicht, jedenfalls hat er das Gesicht eines Kindes und eines Mannes zugleich.
Das Gesicht eines Kindes, das tief am Durchatmen ist, weil er endlich sein ersehntes Fahrrad mit seinen stolzen Händen lenkt und nur noch ein geeignetes Stück Weg sucht, um es auszuprobieren, aber er hat alle Zuversicht der Welt im Gesicht stehen, dass er rundum zufrieden sein wird.
Ja so fühle ich mich in meiner Vision an seiner Hand. Und den Vergleich mit dem Fahrrad find ich gar nicht so verkehrt. Denn man sagt ja, ...und wenn man mal vom Fahrrad gefallen ist, soll man gleich wieder aufsteigen und weiterfahren, so verliert man die Angst.
Ja super, ich als sein Fahrrad. Dann gibt es ja noch das Gesicht des Mannes in meiner Vision, das mich gleichzeitig verstohlen mit blitzenden Augen alle paar Schritte anschaut, während ich seinen festen Griff um meine Hand genieße.
Ja, er scheint alles im Griff zu haben, Und ich scheine im Moment, dieses "Alles" für ihn zu sein. Schönes Gefühl! Echt. Ein schönes Gefühl!
Texte: Elisabeth Becker-Schmollmann
Bildmaterialien: Elisabeth Becker-Schmollmann
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2012
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