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Kapitel 1 ~ Rosenkavalier

Joana stand vor dem Spiegel in ihrem Bad, trug dezent das Make-up auf, dass sie sich noch schnell im Supermarkt besorgt hatte. Ihre Hände zitterten leicht, als sie die Wimperntusche vorsichtig auf ihren Wimpern verteilte.
Es war ihre erste Einladung zu einer Party, nachdem sie vor zwei Monaten in die Kleinstadt Turner Valley, in der Nähe von Calgary gezogen war. Einem malerischen Örtchen mit ca. 2000 Einwohnern. Es war wieder einmal ein unerwarteter Umzug, wie so oft in ihrem Leben. Die Position ihres Vaters in der Firma ließ sie so manches Mal nicht einmal die Kisten auspacken. Die laufenden Versetzungen belasteten das Familienleben so sehr, dass sogar die Ehe ihrer Eltern drohte, in die Brüche zu gehen. Und wieder einmal versprach er, dass es das letzte Mal war, dass sie nun »wirklich« festen Boden hatten. Joana hörte ihm schon lange nicht mehr zu. Es waren Phrasen und sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie zum nächsten Ort zogen.
Von Amerika hatte sie viel gesehen, im Laufe ihres jungen Lebens und nun waren sie in Kanada. Einem Land, indem sie sich das erste Mal wohl und geborgen fühlte, in dem sie Menschen kennen lernte, die aufgeschlossen und einfach waren, auf dem Land, wo es keinen Stress gab.
Und sie freute sich auf die Party, hatte nun die Gelegenheit endlich mal nur sie selbst zu sein und nicht immer nur die »Neue«.
Schnell überprüfte sie ihr Outfit im Spiegel, sie trug eine modische Jeans und dazu eine kurzärmlige Bluse, unter der sie ein weißes Trägershirt anhatte, befand es für angemessen, überlegte aber noch, ob sie ihre blonden Locken hochstecken sollte.
Blödsinn! Dachte sie. Das ist keine Modenschau, sondern eine Party, mit Leuten, die sie kannte, mit denen sie jeden Tag in der Schule zu tun hatte.
Als sie das Bad verließ, hörte sie ein Signalhupen von der Auffahrt. Schnell griff sie ihre Jacke, ihre Geldbörse und stürzte die Treppe hinunter.
»Ciao Mum«, rief sie noch und riss die Haustür auf. »Joana« rief ihre Mutter. Abrupt blieb sie stehen, verdrehte die Augen, weil sie ahnte, was jetzt kam.
»Ja Mum, ich passe auf mich auf. Keinen Alkohol, keine Drogen und kein Sex, versprochen!«
Ihre Mutter lächelte, hatte geahnt, dass ihre Tochter genau wusste, was okay war und was nicht. Um so anstrengender fand es Joana, diese Regeln jedes Mal wiederholen zu müssen, bevor sie sich mit jemanden traf.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte sie genervt.
»Aber klar!« lächelte ihre Mutter sie an. »Das ist mein Job Kleines, also gönne mir das Mama sein. Immerhin bist du erst siebzehn«, sagte sie und gab Joana einen Kuss auf die Stirn.

Joana lies sich neben Kyra ins Auto fallen, stieß laut die Luft aus und verdrehte genervt die Augen.
Kyra lächelte wissend. »Eltern!«, sagte sie.
Ihr feuerrot gefärbtes Haar, welches schrill lockig nach allen Seiten ab stand, passte zu ihrem flippigen Wesen, was jeden zum Lachen brachte. Kyra war eine absolute Frohnatur und manchmal nur schwer zu bremsen.
»Ja ... sie sind manchmal echt anstrengend«, gab Joana zu.
Kyra lenkte ihren Wagen von der Auffahrt in Richtung Straße und stellte das Radio wieder lauter. »Und? Bist du aufgeregt?«, »Klar, es ist mal etwas anderes. Wir sind so oft umgezogen, meistens schon bevor ich angefangen habe mich einzuleben. Jetzt hab ich endlich mal das Gefühl, mich zuhause zu fühlen.«
Joana freute sich. Sie war total aus dem Häuschen und konnte es kaum erwarten mit all den anderen Spaß zu haben.
Das Kyra etwas wusste, was sie ihr noch nicht erzählt hatte, ahnte Joana nicht im geringsten. Da sie aber ihre beste Freundin nicht ins offene Messer laufen lassen wollte, entschied sie sich dafür, sie nicht ganz so ahnungslos zu lassen.
»Es gibt da etwas, was du wissen solltest Joana«, sagte sie nun verdächtig ernst.
Erstaunt sah Joana ihrer Freundin nun ins Gesicht.
»Was ich wissen sollte? Jetzt sag mir nicht, dass ich da irgendwelche Mutproben bestehen muss oder so«, erwiderte sie verunsichert. »Nein. Es ist schlimmer, viel schlimmer«, lachte Kyra bei dem Gesichtsausdruck Ihrer Freundin.
Nun war Joana richtig verunsichert. Plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr so wohl und sie wäre am liebsten wieder nach Hause gefahren.
Kurz bevor sie die Auffahrt zu Jonathans Haus passierten, stoppte Kyra den Wagen und sah Joana erwartungsvoll an.
»Bist du bereit?« Irritiert sah Joana sie an. »Ich geh da nicht rein Kyra, du hast mir Angst gemacht«, »Joana ...« Kyra lächelte verschmitzt.
»Pass auf. Ich sag dir etwas, was ich dir eigentlich nicht verraten durfte. Also tu mir den Gefallen und erzähl es keinem. Tu so, als wärst du überrascht«
Joana war nun neugierig. »Das ist nicht nur irgendeine Party, es ist deine Party, Joana. Du bist heute Abend der Star, also lass uns da jetzt reingehen«
»Was?« Joana fehlten die Worte. »Alle die du kennst haben alle eingeladen, die sie kennen, damit sie dich kennenlernen. Das ist so Brauch bei uns.
Und, es ist die beste Möglichkeit, so viele Menschen wie möglich kennenzulernen«
Joana lächelte nun. »Du meinst, das alles hier findet nur wegen mir statt? Das ist doch ... verrückt ...«
»Vergiss nicht so zu tun, als wenn du von nichts wüsstest«, »Okay, ich versuche es«


Das Haus von Jonathan war wirklich riesig. Seine Eltern mussten sehr reich sein, um solch ein Anwesen zu unterhalten.
Und es war so voll, dass man sich nur schwer durchkämpfen konnte.
Laute Musik dröhnte aus den aufgestellten Lautsprechern in den Räumen und auf der riesigen Terrasse, wo auch der Pool lag.
Kyra hatte ihre Hand genommen und zog sie mit sich durch die Menge. Hin und wieder sah sie ein Gesicht, welches sie aus der Schule kannte, aber der überwiegende Teil, war ihr fremd.
Doch auch die Fremden grüßten sie mit einem »Herzlichen Willkommen«. Sie hatte das Gefühl, als wenn jeder sie kannte.
Und dann waren da Jonathan und Steve. Sie standen zusammen am Mischpult und unterhielten sich.
Sie und Kyra waren die Menschen, die ihr in den letzten zwei Monaten am nächsten standen. Sie waren für sie da, von Anfang an. Ohne Wenn und Aber.
Schnell entstand ein sehr vertrautes Verhältnis und Joana war sehr froh, solche Freunde gefunden zu haben.
Offen lächelte sie ihnen entgegen, als die beiden sie von weitem entdeckten.

»Hey schöne Frau, wie sieht’s aus?«, fragte Jonathan und zog sie gleich neben sich. Joanas Herz schlug gleich ein bisschen höher, sie mochte seine Nähe und fand, dass er mit seinen blonden, nicht ganz so kurzen Haaren, ein bisschen etwas von einem Surfer hatte.
»Es geht mir gut, alle grüßen mich, sogar Leute, die ich nicht kenne«, sagte sie verunsichert.
»Ja, ich weiß. Das ist Sinn der Sache, Joana«
Da zog sie plötzlich Ben von Jonathan weg und eng an sich, er war in ihrer Klasse und eigentlich, hätte sie ihn hier am wenigsten erwartet, denn er war ein echter Macho.
»Ja, das ist alles nur für dich. Ich habe allen Bescheid gesagt, die ich kenne und die haben denen Bescheid gesagt, die sie kennen und so weiter ...«, »Echt? Das ist ja unglaublich«, rief sie, um die laute Musik zu übertönen.
Ben war kleiner als Jonathan und etwas pausbäckig.
Steve nahm plötzlich ein Mikrofon in die Hand und bat alle um Aufmerksamkeit.
Eine Ansprache folgte, und Joana wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sie war es nicht gewohnt so sehr im Mittelpunkt zu stehen, empfand das alles als zu viel. Sie war froh, nach über einer Stunde Hände schütteln, und Begrüßungen, endlich ein stilles Plätzchen im Garten gefunden zu haben. Etwas entfernt von ihr hörte sie die Musik, aber die Steinbank, auf der sie saß, stand mit dem Rücken zum Geschehen und so konnte sie einige Minuten ausspannen, um ihren Gedanken nachzuhängen.
Es war ganz schön viel, was sie hier erwartet hatte. Mit nichts was hier vor sich ging, hatte sie gerechnet. Joana war überwältigt von ihren Gefühlen und sie wusste, sie wollte nie wieder weg von diesem Ort.
Als sich jemand neben sie setzte, wischte sie sich schnell die Tränen weg. Es war ihr unangenehm.
»Hey, was ist los?«, fragte Steve und legte den Arm um ihre Schulter.
Er wirkte wie ein Draufgänger, lief immer leger und locker gekleidet herum, mit T-Shirt und offenem Hemd. »Ach nichts, ich …« Verunsichert wich sie seinem Blick aus, lächelte. »Das ist einfach alles unglaublich schön, dass ihr so etwas für mich macht«, »Du bist ein tolles Mädchen, Joana. Du hast es dir verdient und jeder soll wissen, was für ein toller Mensch du bist. Deswegen haben wir das gemacht«
Steve zog sie an sich und strich ihr sanft über die Schulter.
Er war ein sehr lieber Mensch, aufgeschlossen und immer für andere da.
»Wollen wir zurück zu den anderen gehen?«
Joana nickte und ließ sich von ihm von der Bank ziehen.
Doch was war das? Ein Geräusch ließ Joana innehalten und sich umdrehen. Sie sah im Dunkeln nicht viel, Büsche und Bäume lagen in der Finsternis und ließen einen Blick ins Innere nicht zu. Doch sie war sich sicher, ein Geräusch von dort gehört zu haben.
»Was ist denn?«, fragte Steve und sah ebenfalls in diese Richtung.
»Da war ein Geräusch und für einen Moment dachte ich …« Joana zog die Stirn kraus und drehte sich dann wieder lächelnd zu Steve um. »Ach nichts. Bestimmt habe ich mir das eingebildet«
Sie gingen zurück ins Haus, feierten und tanzten. Erst gegen drei Uhr morgens setzte Kyra sie vor dem Haus ihrer Eltern ab.

Gott sei Dank war Wochenende und sie konnte ausschlafen.
Sie schlich die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf, um ihre Eltern nicht zu wecken. Als sie müde ihr Zimmer betrat und das Licht einschaltete, sah sie erst, dass ihr Fenster weit offen stand. Schnell schloss sie es, überlegte, während sie sich zu ihrem Bett umdrehte, ob sie es versehentlich offen gelassen hatte, ob sie es versehentlich offen gelassen hatte, und sah erst jetzt die Rosen, die quer über ihrem Bett verteilt lagen.
Es war jemand in ihrem Zimmer gewesen. Jemand der hier nichts zu suchen hatte, der hier nicht hergehörte. War es einer ihrer Freunde gewesen? Hatte er vielleicht arglos und ohne böse Absicht gehandelt?
Sie wollte ihre Eltern nicht wecken, um sie zu fragen, ob sie darüber Bescheid wussten. Das hatte Zeit, bis nach dem Aufstehen.
Doch irgendwie ließ es ihr keine Ruhe. Immer wieder sah sie zum Fenster, schlief dann aber doch irgendwann ein.
Gegen elf Uhr öffnete sie die Augen. Die Rosen lagen noch immer auf ihrem Schreibtisch, wo sie sie hingelegt hatte.
Als sie müde in die Küche kam und ihre Mutter sie lächelnd an sah, ging sie davon aus, dass sie wusste, wer der Rosenkavalier war.
»Morgen Schätzchen!«, »Morgen Mum, ist noch ein Kaffee in der Kanne?«, »Ich hab extra neuen für dich gemacht. Wann bist du denn zuhause gewesen?«, »Gegen drei. Du glaubst nicht, was die gemacht haben. Diese Party …« Joana goss sich einen Kaffee ein und setzte sich zu ihrer Mutter an den Tisch. »... die war extra für mich«, »Für dich?«, »Ja, für mich. Eine Willkommensparty für mich. Es war riesig und du glaubst nicht, wie viele da waren«, »Das ist doch sehr nett von deinen Freunden. Das sagt viel darüber aus, welchen Stellenwert du bei ihnen hast. Und der scheint ziemlich hoch zu sein« Joana grinste »Fragt sich nur, welchen Stellenwert ich bei diesem Rosenkavalier habe und vor allem bin ich neugierig, wer es war«, sagte Joana mit einem verschmitzten Lächeln, was ihre Mutter irritiert aufschauen lies.
»Rosenkavalier?«, »Mum, sag schon, wer es war. Es war keine Karte dabei«
Joanas Lächeln verschwand, als sie den ahnungslosen Blick ihrer Mutter sah. »Ich weiß nicht, von was du da sprichst, Joana …«
»Du weißt nicht ...? Mein Bett lag voller Rosen, als ich heute Morgen nach Hause kam. Mein Fenster stand offen und ich dachte, dass du …« Joana begann zu begreifen, dass ihre Mutter tatsächlich von nichts wusste.
»Dann war jemand in meinem Zimmer, als ich nicht da war?«, »Hast du vergessen dein Fenster zu schließen?«, »Nein Mum! Ich bin 100 Prozent sicher, dass ich es geschlossen habe, bevor ich gegangen bin«


Nachdem sie geduscht hatte, rief sie von ihrem Zimmer aus bei Kyra an.
Nach ihrer Stimme zu urteilen hatte Joana sie geweckt.
Sie erzählte die Angelegenheit mit den Rosen ihrer Freundin.
»Das ist ja unglaublich und es war nicht einmal ein Zettel dabei? Das hört sich fast nach einem Verehrer an«, »Keine Ahnung, aber wenn es so ist, hätte er eine Karte dazu legen sollen.Vielleicht hat sich aber auch nur jemand einen blöden Scherz erlaubt«
»Hm, vielleicht waren es aber auch Jonathan oder Steve? Sie mögen dich beide sehr gerne«,
»Nein Kyra, das glaube ich nicht. Sie sind beide nicht auf den Mund gefallen und würden es mir sagen, wenn es so wäre.
Außerdem waren sie nicht ein einziges Mal weg, während der Party«,
»Stimmt! Sie waren die ganze Zeit da. Aber du solltest sie trotzdem fragen, um sicher zu sein«
Kyra hatte recht.
»Pass auf, ich rufe Jonathan an und du versuchst Steve zu erreichen. Dann treffen wir uns im Seaders«, »Okay, ich will das nicht wirklich so hochspielen, Kyra. Es ist nur … es beunruhigt mich, dass jemand in meinem Zimmer war«,
»Kann ich verstehen. Aber vielleicht machst du dir umsonst Sorgen, Joana. Das sollten wir herausfinden«.
»Okay, bis gleich dann«, sagte sie, als sie ihre Freundin zur Tür brachte, »Ja, bis gleich«

Joana sprang unter die Dusche und machte sich auf den Weg zu Steve.
Wie erwartet lächelte er glücklich, als er sah, dass es Joana war, die ihn besuchte.
»Hey, das ist ja eine Überraschung. Was verschafft mir denn die Ehre?«
Es war Joana etwas unangenehm und sie suchte nach Worten, wusste nicht, wie sie die Sache ansprechen sollte.
Steve führte sie in den Garten und setzte sich mit ihr zusammen in die Hängeschaukel.
»Was ist los Joana? Irgendetwas sagt mir, dass du aus einem bestimmten Grund hier bist, auch wenn ich mich freuen würde, wenn es anders wäre«,
»Du hast recht Steve. Ich muss dich etwas fragen und … ehrlich gesagt, fällt es mir sehr schwer«, druckste sie herum.
Steve lächelte und sah sie nachdenklich an.
»Okay … frag mich«, forderte er.
»Letzte Nacht … warst du während der Party irgendwann einmal weg?«
Steve dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Außer dass ich auf der Suche nach dir war und dich im Garten fand, war ich die ganze Zeit über anwesend. Warum willst du das wissen?«
Joana dachte kurz nach. »Ach ist eigentlich egal. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich dir alles zutraue«

Ungeduldig trommelte er auf seinem Lenkrad herum. Er hatte beobachtet, wie Joana das Haus verlassen und mit dem Fahrrad zu diesem Steve gefahren war. Er war ihr gefolgt und nun spürte er die Eifersucht in sich aufkeimen.
Was zum Teufel wollte sie hier? Nach 20 Minuten stieg er aus seinem Wagen und umschlich das Haus unauffällig, um eventuell etwas mitzubekommen, was drinnen vor sich ging. Doch da hörte er leise Stimmen, die aus dem Garten kamen.
Also schlich er vorsichtig weiter, vermied, dass man seine Schritte hörte und stand mit dem Rücken an der Hauswand, nahe an der Ecke, hinter der sich die Terrasse befand. Er hörte ihre Stimmen und hielt den Atem an, um sie besser zu verstehen.

Steve schaute sie nun ernst an. »Na los, spuck’s aus, Joana. Was ist passiert?«
Unsicher sah sie ihn an. »Als ich nach Hause kam, war mein Zimmerfenster offen und auf meinem Bett lagen Rosen verteilt«
Sie rechnete fest damit, dass Steve in Gelächter ausbrach, aber das tat er nicht.
»Von wem weißt du nicht?«, »Nein, es lag nirgends eine Karte und deshalb sagte Kyra, dass ich dich und Jonathan danach fragen sollte, bevor ich in Panik gerate«
Steve nickte, wich ihrem Blick aus und schien betroffen zu sein.
»Steve, es tut mir leid. Ich …«, »Hey ist okay. So gern ich dir solch ein Geschenk gemacht hätte, Joana, ich war es nicht und Jonathan mit Sicherheit auch nicht. Er hat die Party nicht ein einziges Mal verlassen. Haben denn deine Eltern nichts mit bekommen?«,
»Nein eben nicht, sie machen sich Sorgen« Die Sache beunruhigt Joana zunehmend. »Allein der Gedanke, dass jemand in unserm Haus war, ohne dass sie etwas bemerkt hatten …«
Steve wirkte nachdenklich, grübelte. »Scheint so, als hättest du einen Verehrer«

Sie machten sich auf dem Weg ins Seaders. Als sie zu viert am Tisch saßen, schüttelte Jonathan ungläubig den Kopf.
»Das ist echt unglaublich. Ich kenne niemanden, der so etwas tut. Zugegeben, die Idee ist originell, aber ich kann verstehen, dass es dir Angst macht«, sagte er verständnisvoll.
»Allein der Gedanke, dass er in meinen Sachen herumgewühlt haben könnte …«
Ein Schauer lief Joana über den Rücken.

Es war Dienstag, als Joana mit Kyra und Steve nach der Schule zu sich nach Hause ging. Jonathan hatte noch Geschichte und wollte später nachkommen.
Es war sehr heiß draußen und Kyra drehte sofort den Ventilator an, als sie ins Zimmer kamen.
»Ich geh mich eben etwas frisch machen«, sagte sie und öffnete die Badezimmertür.
Es war ein Vorteil, dass Joana ihr eigenes Badezimmer hatte. Kyra stand in der offenen Badtür und sah ungläubig ins Innere des kleinen Raumes.
Joana kam ihr Verhalten merkwürdig vor und sie wunderte sich über das Licht im Bad. Es sah aus, als würden Kerzen flackern.
Sie ging ebenfalls hinein und schlug sich die Hand vor dem Mund.
Die Badewanne war voll mit Wasser und an der Oberfläche schwammen Rosenblätter. Überall standen Kerzen und jemand hatte ihr mit Lippenstift eine Nachricht auf dem Spiegel hinterlassen.

»Nur für dich!«

»Oh Scheiße!«, entfuhr es Kyra, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte.
Steve stand hinter ihnen und staunte über so viel Dreistigkeit. »Das scheint ein ziemlich hartnäckiger Verehrer zu sein. Und du kannst dir nicht vorstellen, wer das sein könnte?«
Als er sah, wie sehr es Joana mitnahm, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, keine Ahnung. Ich kenne nicht viele Leute hier, nicht einmal die, die Sonnabend während der Party da gewesen waren. Die meisten waren mir fremd«, »Aber anscheinend hast du bei jemanden ziemlich viel Eindruck hinterlassen« besorgt sah sie zu ihm auf.
»Meinst du, es ist einer von denen?«
Steve ging zurück in ihr Zimmer. »Du sagtest, dass es in dieser Nacht angefangen hat, also kann es nur so sein« Das war eine logische Schlussfolgerung.
»Wir finden nie heraus, wer alles da war, Steve. Jeder hat jeden eingeladen, wie sollen wir das nachvollziehen?«, fragte Kyra. Sie klang sehr besorgt. Das schien keine harmlose Begebenheit mehr zu sein. Dieser jemand schreckte nicht einmal davor zurück, in Joanas Privatleben einzudringen und er schien außerdem, ziemlich energisch zu sein.
Zu diesem Zeitpunkt war es schwierig einzuschätzen, wie gefährlich solch ein Mensch wirklich werden konnte.
»Ich sollte nicht darauf reagieren, ihn einfach links liegen lassen und solchen Dingen einfach keine Beachtung schenken«, sagte Joana fest.
Skeptisch sah Steve sie an. »Meinst du, du schaffst das?«
Unsicher drehte sich Joana zu der offenen Tür des Badezimmers um. Nervös kaute sie auf dem Nagel ihres Daumens herum. »Ich muss es versuchen. Wenn ich jetzt zur Polizei gehe, stempeln die diese Sache als dummen Jungenstreich ab«, »Damit könnten sie sogar recht haben«, antwortete Steve und sah Kyra an, dass sie das unvernünftig fand.
»Okay, aber wenn das nicht aufhört, musst du zur Polizei gehen, Joana«,
»Mache ich, versprochen. Ich lass mich von so einem nicht unterkriegen«, sagte Joana gequält lächelnd.
Steve zweifelte daran, dass es aufhörte.
»Was ist mit deinen Eltern …?«, »Nein, die dürfen von dem hier nichts wissen.
Wie ich sie kenne, würden sie sofort die Sachen packen und hier weg ziehen«

Auf keinen Fall wollte sie, dass sich ihr Leben veränderte. Alles war so, wie es sein sollte, so wie sie es sich immer erträumt hatte und das wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Sie musste versuchen, allein damit klarzukommen, aber das war nicht so einfach.
Schon am nächsten Tag, früh um halb sieben, wurde sie vom Klingeln ihres Handys geweckt.
Verschlafen ging sie ran, und als sie nur ein Atmen vernahm, setzte sie sich auf. »Kyra? Bist du das?«, … »Das ist nicht witzig« aber wieder kam keine Antwort.
Kein »Hallo das war nur ein Scherz«
Ihr Magen zog sich zusammen, als Ihr bewusst wurde, dass es ihr Verfolger war.
»Wer ist da?« Das Atmen wurde lauter und dann wurde aufgelegt. Zitternd ließ sie das Handy auf ihre Decke fallen.

Mit den Fingern fuhr er über ihr Gesicht auf dem Foto, welches vor ihm an der Wand hing. Es war eines von vielen, die er in den letzten Wochen von Joana gemacht und selbst entwickelt hatte. In ihrem Zimmer hatte er auf einem Notizblock ihre Handynummer entdeckt und eingesteckt. Er wollte sie, er wollte ihre Haut anfassen und ihre Stimme hören, wann immer er Lust dazu hatte.
Doch zuerst musste er sie überzeugen, ihr klar machen, dass er der einzig Richtige für sie war. Nicht dieser Steve und Jonathan schon gar nicht. Das waren dumme Jungen, vom Leben keine Ahnung und Joana nicht würdig.


In der Schule war sie so unkonzentriert, dass die Lehrerin sie laufend ermahnen musste. Kyra und Jonathan warfen sich Blicke zu, fragten sich, was los war mit Joana und konnten es kaum bis zur Pause erwarten.
Als das erlösende Klingeln kam, stürmte Kyra gleich zu ihr. Jonathan blieb an der Tür stehen.
»Was ist eigentlich los mit dir? Wenn es so weiter geht, bekommst du eine schlechte Beurteilung«,
»Lass uns in die Cafeteria gehen«, bat Joana und ging zusammen mit ihren Freunden aus der Klasse. Ihre Anspannung war deutlich zu sehen, als sie den großen Saal mit den vielen Tischen und den Menschenmassen betraten. Sie beobachtete jeden, versuchte zu filtern, wer es sein könnte.
Als sie endlich an ihrem Tisch saßen, bekam Joana kaum einen Bissen hinunter.
»Nun sag endlich, was los ist«, drängelte Jonathan besorgt.
»Er hat mich angerufen«, sagte sie matt und wich den Blicken ihrer Freunde aus. Sie wollte nicht, dass sie sahen, wie sehr ihr das Angst machte.
Sprachlos sahen die beiden sie an und natürlich entging es ihnen nicht.
»Was hat er denn gesagt?«, fragte Kyra.
»Ich hörte ihn nur atmen und ich dachte, dass ihr euch einen Scherz mit mir erlaubt. Aber dann wurde es immer lauter«
Joana musste sich überwinden, ihren Freunden davon zu berichten.
»Hast du irgendjemanden erkannt?« Joana schüttelte den Kopf. »Nein, nein es war … es hörte sich an, als würde er in den Hörer stöhnen«,
»Ein Stalker!«, sagte Jonathan fest. »Bei all den Leuten, die zu der Party gekommen waren, kann es gut sein, dass da einige dabei waren, die dort nicht hingehörten. Jeder sagte jedem Bescheid und es waren unzählige, die ich selbst nicht einmal kannte«
Stille trat zwischen die Drei, es war bedrückend. »Es ist ein Alptraum«, sagte Joana schließlich.

Genau das blieb es auch. Tag für Tag kam irgendetwas, ein Anruf, ein Brief, Geschenke in Form von Rosen oder Unterwäsche.
Und immer so, dass es ihre Eltern nicht mitbekamen, es lag meistens in ihrem Zimmer, unter dem Kopfkissen oder in ihrem Schrank.
Wenn sie nicht an ihr Handy ging, ließ er es so lange klingeln, bis sie es ausschaltete. Joana war nicht mehr sie selbst, sie war ängstlich, traute sich kaum noch unter Leute und hielt sich oft in geschlossenen Räumen auf.
Und es schien, als wenn es einige Dinge gab, die ihn wütend machten.
Wenn sie mit Kyra, Jonathan und Steve unterwegs war, um sich abzulenken, gab es zerstochene Fahrradreifen oder zerschnittene Fotos, böse Briefe waren nur der Gipfel des Eisberges.
Joana war stark, ließ sich weiterhin nichts anmerken, aber es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer.
Schließlich traute sie sich nicht einmal mehr, sich mit ihren Freunden zu verabreden.
Er hatte sie wissen lassen, dass er sie auf Schritt und Tritt beobachtete, dass er immer da war.
»Du weißt, was ich mag und was nicht, Joana«, hauchte er in den Hörer. Es war weit nach Mitternacht und sie war zu erschrocken, um gleich wieder aufzulegen.
Sie war wie gelähmt.
»Joana antworte mir … oder willst du, dass ich deiner Freundin einen Besuch abstatte?«, »Nein, nein bitte ...«, bat sie nun und fühlte das Adrenalin durch ihre Venen schießen.
»Okay, also sag mir, was ich an dir mag«, forderte er flüsternd. Die Hand, in der sie den Hörer hielt, zitterte und sie musste unglaubliche Kraft aufbringen, sich zu beruhigen.
Sie wollte ihm nicht antworten, wollte nicht, dass er dachte, dass er Erfolg mit seinem Terror hatte.
»Ich will das nicht«, sagte sie. »Ich will, dass sie mich in Ruhe lassen«, sagte sie nun so fest sie konnte und legte den Hörer auf.

»Neeein!«, brüllte er fassungslos in das Handy, als ein Besetztzeichen ertönte. Wütend schlug er gegen die Wand, in die Mitte des Fotos auf dem Joana ihn offen anlächelte.
»Das wirst du bereuen ... Miststück!«, rief er und trat mit seinen schweren Bikerstiefeln, den ohnehin brüchigen Stuhl, in die Ecke des Raumes.
Er ließ seinen Frust an dem Mobiliar aus, musste sich abreagieren. Kyra durfte ihn so nicht sehen. Er hatte sich schon zwei Wochen zuvor an sie dran gehangen, hatte ihr beim Reifenwechsel geholfen und sie dabei angeflirtet. So naiv hätte er dieses Mädchen nicht eingeschätzt. Noch am selben Abend war er mit ihr im Bett gelandet und hatte es ihr besorgt. ‚Kleine Schlampe‘, dachte er. Aber solange es seinen Zweck erfüllte, hatte er kein Problem damit, sie dafür zu missbrauchen.


Steve kam am nächsten Vormittag vorbei, wollte sehen, wie es ihr ging.
»Er weiß, wer meine Freunde sind und er sagte, dass er Kyra einen Besuch abstatten will, wenn ich ihm nicht sage … was er an mir mag.«
»Der blufft nur Joana. Kyra ist zurzeit im siebten Himmel, sie hat jemanden kennen gelernt«, erzählte er ihr. Joana lächelte, hatte von Kyra in der letzten Zeit wenig mitbekommen, was ihr nun sehr leidtat.
Zu viel war sie mit sich beschäftigt und nun merkte sie, dass ihre Freunde darunter litten.
»Hey, was hältst du davon, wenn wir am Wochenende zelten gehen? Wir haben schon lange nichts mehr zusammen unternommen«, schlug Steve vor.
»Das hört sich gut an« Joana freute sich, genoss den Gedanken, endlich mal von alle dem wegzukommen und wieder Spaß zu haben.
»Vielleicht lernen wir bei der Gelegenheit Kyras neuen kennen.
Es scheint ein toller Typ zu sein, denn sie hat kaum noch Zeit für etwas anderes«, sagte Steve und es schien ihn etwas zu kränken, dass seine beste Freundin ihn plötzlich links liegen ließ.
»Ach Steve, das ist doch normal, wenn man verliebt ist. Alles andere wird unwichtig für die nächste Zeit. Aber das bedeutet nicht, dass sie uns alle vergessen hat«,
»Vielleicht! Vielleicht bin ich auch nur etwas eifersüchtig, weil sie … naja, sie ist, halt doch so etwas wie eine kleine Schwester für mich«,
»Verstehe, warte es einfach ab. Wenn wir alle zusammen campen gehen, wirst du sehen, dass du ihr nicht egal bist«, tröstete sie ihren Freund.
Steve lächelte aufgemuntert. »Okay, dann fahre ich zu Jonathan und frage ihn, was er davon hält«, »Mach das und ruf mich nachher an, okay?«, »Klar!«
Joana begann einige Sachen zusammenzusuchen, die sie vor dem Campingausflug noch waschen musste.
Zwischendurch versuchte sie Kyra anzurufen, aber sie schien wirklich ihre Zeit ausschließlich mit ihrer neuen Flamme zu verbringen.
Das machte Joana noch neugieriger und sie hoffte, dass Kyra bereit war, mit zum Zelten zu kommen.

Kapitel 2 ~ Unterwasserspiel


Die positive Nachricht kam abends um 20 Uhr. Jonathan rief bei ihr an.
»Treffen wir uns Morgen bei mir? Dann können wir uns auf der Karte ein schönes Plätzchen aussuchen und losfahren«, »Klar, wann soll ich da sein?« Jonathan überlegte, schnaufend.
»Na ja, es wäre schon gut, wenn wir so früh wie möglich losfahren, damit es sich lohnt«, »Also … meine Sachen hab ich schon zusammengepackt, aber ich würde meine Eltern wecken, wenn ich hier um sechs Uhr morgens damit durchs Haus marschiere«, sagte Joana zweifelnd.
»Na dann kommst du halt her. Wir haben ein Gästezimmer, in dem du schlafen kannst, so störst du niemanden« Joana dachte darüber nach und fand, dass es die beste Lösung war. »Okay … dann bin ich in 20 Minuten bei dir«, »Nein, es ist schon dunkel draußen, ich hole dich zuhause ab«, protestierte er.
»Das brauchst du nicht Jonathan. Ich bin ein großes Mädchen«, »Ich weiß. Du bist ein großes Mädchen mit einem Verrückten an der Backe. Ich hole dich ab«, bestimmte er nun und legte auf.
Das hieß so viel wie »Keine Widerrede«.
Joana sagte ihren Eltern Bescheid, stapelte ihren Schlafsack und die Isomatte neben der Eingangstür und stopfte noch ein paar Sachen in ihren Rucksack.
»Das ist aber sehr nett, dass du bei Jonathan schlafen kannst«, sagte ihre Mutter. »Ja, so muss ich euch nicht wecken. Wir wollen sehr früh los«,
»Aber er scheint auch sonst ein sehr netter Junge zu sein« ihre Mutter lächelte sie wissend an und zwinkerte. »Mum, Jonathan und ich sind Freunde. Ich schlafe dort im Gästezimmer und ich glaube auch nicht, dass er genau so denkt wie du«, erwiderte Joana genervt. Da klingelte es aber schon an der Tür.
»Oh, dein Freund« wieder dieses Grinsen im Gesicht ihrer Mutter.
»Mum!« zischte Joana nun gereizt und öffnete dann lächelnd die Tür.
Höflich begrüßte Jonathan Joanas Mutter und nahm dann die Taschen, um sie im Kofferraum zu verstauen.

»Warum hat deine Mutter denn so gegrinst?«, fragte er, als sie aus der Auffahrt fuhren.
Irritiert sah sie ihn an und suchte nach Worten. »Oh, sie hat eindeutig zu viel Fantasie« versuchte sie sich aus dem Thema zu winden.
»Fantasie? Im Bezug auf was?« Was sollte sie ihm denn nun darauf antworten?
»Sie ... na ja, sie denkt, dass wir zwei … dass du und ich …« Wie sollte, sie das Ausdrücken, ohne lächerlich zu klingen?
Jonathan merkte schnell, wie unangenehm es ihr war.
»So was denkt sie?«, »Ja, ich hab ihr gesagt, dass wir nur Freunde sind, aber wie Mütter halt so sind ...«, »Ja!« sagte er und lächelte sie verschmitzt von der Seite an.
Er selber hätte nichts dagegen, wenn ihre Mutter recht hätte. Joana war ein sehr hübsches Mädchen. Wenn sie ihn anlächelte, wurde ihm warm ums Herz und er war gern in ihrer Nähe.
Aber er wusste, dass es Steve genau so ging und sie waren sich deshalb einig, dass keiner von beiden etwas mit ihr anfing.
Das Gästezimmer war riesig, fast so groß wie eine Suite und Joana war überwältigt von dem riesigen Bett mit Baldachin.
Dann sahen sie sich die Karten an und fanden ein schönes Plätzchen. »Hat Kyra zugesagt? Ich habe versucht sie anzurufen aber sie geht nie an ihr Telefon« murmelte Joana, den Blick auf die Karte gerichtet.
»Ja! Ich habe sie heute getroffen, mit ihrem neuen Freund«, »Und, wie ist er so? Kenne ich ihn?« Jonathan lachte, als ihre Augen neugierig aufblitzten. »Nein, wir alle kennen ihn nicht, ich habe ihn zumindest noch nie hier gesehen und er ist auch ein paar Jahre älter als sie, auf jeden Fall über zwanzig, aber er sieht gut aus und
scheint auch sonst sehr nett zu sein. Sein Name ist Sam. Und Sam kommt mit zum Zelten.«
»Echt? Dann wird das ja morgen eine richtige Premiere« rief Joana fröhlich. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.

Ja dachte er, morgen früh würden sie sich gegenüberstehen. Kyra und er hatten Jonathan in der Stadt getroffen, wobei dieser sie beide zum Zelten an diesem Wochenende eingeladen hatte. Zelten, mit Joana und Steve. Das war die beste Gelegenheit näher an Joana heranzukommen.
Doch dass sie die Nacht bei Jonathan verbrachte, war etwas, was sein Blut zum Kochen brachte.
Er hatte vor ihrem Haus in seinem Wagen gesessen, wartete eigentlich darauf, dass bei ihr das Licht ausging, damit er leise am Rosengitter hochklettern konnte.
Doch dann fuhr Jonathans Wagen vor und ließ ihn aufmerksam verfolgen, wie dieser ihren Rucksack in seinen Kofferraum verstaute. Danach stieg Joana in Jonathans Wagen und sie fuhren zu ihm nach Hause.

Seine Hände zitterten, als er durch die Terrassentür beobachtete, wie sie beide auf dem riesigen Bett lagen und lachten. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht hineinzustürmen.
Dieser Jonathan zog sie förmlich mit seinen Blicken aus und dass schlimmste war, dass sie seinen Blick erwiderte. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er zog es vor, den Rückzug anzutreten. Sonst brachte er alles in Gefahr, was er geplant hatte.

»Ja, sieht so aus. Mal sehen, wie Steve darauf reagiert«, merkte Jonathan ernst an. »Ja, er scheint eifersüchtig zu sein«, »Kyra ist halt wie eine Schwester für ihn, und solange ich denken kann, waren die beiden unzertrennlich. Sie kennen sich schon aus dem Kindergarten«
Sie gingen nun in die große Küche und löffelten Eiscreme. »Schon eigenartig ...«, sagte Jonathan und schüttelte leicht den Kopf. »Eigentlich haben immer alle damit gerechnet, dass Kyra und Steve irgendwann einmal ein Paar werden«
Sie redeten noch bis tief in die Nacht, und als er sich vor ihrer Zimmertür von ihr verabschiedete, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Schlaf gut Joana«, »Gute Nacht!« sagte sie leise und war überrascht von ihren Gefühlen für Jonathan.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn wirklich mochte.


Jonathan war noch nicht angezogen, als er Steve die Tür öffnete. Er lief noch im Morgenmantel herum und goss sich einen Kaffee ein.
»Bin ich der Erste?«, »Nein!« In diesem Moment kam Joana, komplett angezogen, aber völlig verschlafen in die Küche. »Guten Morgen Jungs!«, sagte sie und ließ ein Glas mit Wasser volllaufen.
Steve sah von Joana zu Jonathan und zog seine Schlüsse, die Jonathan jedoch nicht verborgen blieben.
»Sie hat hier übernachtet?«, fragte er gereizt, als sie im Bad verschwunden war.
»Ja, das hat sie. Allerdings nicht in meinem Bett«
Jonathans Blick holte Steve auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Wir wollten so früh wie möglich los, schon vergessen? Sie wollte ihre Eltern nicht wecken, also hab ich ihr das Gästezimmer angeboten. So haben wir eine Menge Zeit gespart« Steve sah seinem Freund eine Weile ins Gesicht und war dann überzeugt und beruhigt.
Es hätte ihn schwer getroffen. Er hätte sich hintergangen und verraten gefühlt. »Okay tut mir leid, dass ich dir das zugetraut habe«
Jonathan nickte und stellte ihm einen Kaffee hin.
»Beruhige dich Alter, wir waren uns einig, dass sie für uns beide tabu ist«, »Ja, ist schon klar«, erwiderte Steve lächelnd. Wieder klingelte es und diesmal war es Kyra in Begleitung ihres Freundes.
Höflich begrüßte er alle mit einem Handschlag und stellte sich vor.
Er sah tatsächlich gut, aber auch etwas geheimnisvoll aus.
Seine Haare waren fast schwarz und struppig und seine Augen leuchteten grün-blau. Er trug eine schwarze Lederjacke und schwarze Jeans, wirkte aber trotzdem ganz normal und freundlich. Er war wohl eher der kernige Typ.

Sie unterhielten sich eine Weile, bis Joana zurückkam. »Hey du bist ja hier, Jonathan hat mir gar nicht gesagt, dass du schon da bist«, rief Kyra aufgeregt und breit grinsend.
»Sie hat hier geschlafen«, rief Jonathan aus der Küche, wo er gerade noch einen Kaffee aufsetzte.
Kyra lächelte nickend mit einem bedeutsamen Blick. »Nein Kyra. Ich hab im Gästezimmer übernachtet, was denkst du von mir?«, verteidigte sich Joana lächelnd und leicht verunsichert, weil sie den Mann neben ihrer Freundin noch nicht kannte.
»Das ist übrigens Sam«, sagte Kyra plötzlich. Sam reichte ihr die Hand und lächelte sie an. »Hallo Joana«, raunte der Fremde und Joana bekam eine Gänsehaut.
Sie hätte das Gefühl nicht beschreiben können, aber etwas in ihrem Kopf begann zu rattern.
Das Gefühl ‚ mit diesem Typ stimmt etwas nicht, war so mächtig, dass sie sich augenblicklich unwohl fühlte.
»Und, wie hast du geschlafen?«, fragte Jonathan und holte sie in die Wirklichkeit zurück, als er die Tassen hinstellte.
»Gut! So ruhig hab ich nicht mehr geschlafen seit …« Sams Blick entging ihr nicht. »Hat es denn nachgelassen?«, fragte Kyra. »Es tut mir leid Joana, ich hatte in der letzten Zeit den Kopf voll mit … anderen Dingen. Ich hätte anrufen können«, entschuldigte sich Kyra.
»Ist schon okay. Nein, es hat nicht nachgelassen«, beendete sie dieses Thema. Sie wollte nicht vor Sam darüber sprechen. Sie kannte ihn nicht und noch wusste sie nicht, ob sie ihm vertrauen konnte.
Seitdem das angefangen hatte, wurde sie zunehmend misstrauischer Fremden gegenüber.
»Es ist noch schlimmer geworden. Dieser Typ belästigt sie fast jeden Tag«, erzählte Steve weiter. Joana stand auf und ging in die Küche.
Kyra kam ihr nach. »Hey, was ist denn los? Bist du sauer auf mich, weil ich mich so lange nicht gemeldet habe?«, »Nein Kyra … ich will nur nicht darüber reden«, wich sie ihr aus.
»Aber ich dachte, du vertraust mir«, wisperte Kyra betroffen. Jonathan kam hinzu und legte beschwichtigend seine Hand auf ihre Schulter.
»Kyra, wenn sie nicht darüber reden will, hat das nichts mit dem Vertrauen zu dir zu tun, sondern mit der Tatsache, dass Sam für sie ein Fremder ist. Sie kennt ihn nicht« Kyra sah ein, dass sie zur voreilig ihre Schlüsse gezogen hatte. »Es tut mir leid. Das hätte ich mir natürlich auch selber denken können, ich blöde Kuh« Joana lächelte sie nun an. »Du bist nicht blöd, Kyra. Lass uns das vergessen und losfahren«, sagte Joana nun und ging voran zu den anderen.

Steve schloss seinen Kofferraum und sah, dass Jonathan schon startbereit hinter seinem Lenkrad saß. »Bist du endlich mal fertig mit deinem gepacke? Sonst fahre ich schon mal vor«, »Nein, wir können los«, rief Steve zurück und ließ sich in seinen Sitz fallen. Joana fuhr in seinem Wagen mit.
Kyra und Sam bei Jonathan.
»Komischer Typ, findest du nicht?«, fragte er, als sie nach einer halben Stunde von der Tankstellenabfahrt auf die Autobahn zurückbogen.
Ihm war nicht entgangen, dass Sam Joana beobachtete.
»Ich weiß nicht« Sie fand es interessant, dass Steve ebenfalls ein merkwürdiges Gefühl bei Sam hatte.
»Wieso komisch?«, »Ach ich weiß nicht. Irgendetwas sagt mir, dass er …«, dass er was? Dachte Joana. »Er ist so ruhig, ich weiß er kennt uns erst ein paar Stunden, aber seine abcheckende Art … er beobachtet uns«,
»Ich glaube wir sollten abwarten. Vielleicht schätzen wir ihn falsch ein und irren uns. Vielleicht ist er doch ein netter Kerl«, spekulierte sie, aber es klang nicht, als wenn sie überzeugt wäre, von dem was sie da sagte.
Steve warf ihr einen Blick zu. Abschätzend und forschend.
»Mach mir nichts vor, ich hab es in deinen Augen gesehen, als er dich begrüßt hat. Da war eine Art Spannung zwischen euch« Joana dachte über seine Worte nach, erinnerte sich zurück und stellte fest, dass Steve recht hatte.
»Ich weiß ... es war seine Stimme. Ich bin nun mal misstrauisch Fremden gegenüber«
Stille trat zwischen ihnen, jeder hing seinen Gedanken nach. So verging eine ganze Zeit, in denen sie ihren Gedanken nachhingen.
»Ich kann mir nicht helfen Joana, dieser Sam ist nicht sauber«
Lange sah sie ihn an, verstand, warum er so dachte, denn es ging ihr nicht anders.
Ihr Verfolger hatte gesagt, dass er Kyra einen Besuch abstatten will.
Lächerlich dachte Joana. Schnell verbot sie sich solche Gedanken, denn es konnte nicht sein, dass sie jeden verdächtigte, der in ihrer Nähe war.
Aber was, wenn er dachte, dass er sich so besser an sie heranpirschen könnte? Sich an Kyra ran zu machen wäre der einfachste Weg und war es nicht seine Stimme, die den Alarm in ihrem Kopf ausgelöst hatte?
Nein! Ermahnte sie sich wieder. Vergiss das wieder, Joana!

Nach fast drei Stunden Fahrt waren sie endlich da.
Es war ein einsames Plätzchen und während die anderen Holz für ein Feuer suchten und Wasser aus dem Fluss holten, räumte Joana die Kofferräume aus.
Schwerfällig zog sie das große Zelt heraus, konnte es kaum halten und dann war da plötzlich Sam, der es gerade noch auffangen konnte, bevor es sie umriss.
»Das ist viel zu schwer für dich, lass mich das machen«, raunte er leise und nahm ihr das schwere Paket ab.
Sie hatte sich über seine plötzliche Anwesenheit so erschrocken, dass sie keinen Ton heraus bekam.
Ein zweites, kleineres Zelt lag noch im Wagen von Steve. Sie nahm es heraus und warf es neben das andere, welches Sam gerade auswickelte.

Die Sonne stand hoch und die Hitze war mörderisch.
Sam sah zu ihr auf, sah, wie sie sich eine nass geschwitzte Strähne aus dem Gesicht strich. »Du solltest etwas aus der Sonne gehen, Joana«, sagte er und sah sie musternd an.
Ihr Verhalten verriet ihm, dass sie bereits etwas ahnte, aber nicht wusste, ob sie ihrem Gefühl vertrauen konnte.
‚Zum Greifen nahe‘, dachte er und mahnte sich zur Ruhe.
Sein Blick war ihr unangenehm und so drehte sie sich um,  hockte sich am Rand des kleinen Baches hin, um ihr Gesicht mit kaltem Wasser zu überspülen.
Obwohl sie mit dem Rücken zu Sam kniete, spürte sie seinen Blick in ihrem Nacken.
Das kühle Nass tat ihr gut, und als sie sich für einige Minuten in den Schatten setzte, ging es ihr besser.
In der Zwischenzeit hatte er das große Zelt fast fertig aufgebaut.
»Wo bleiben denn die anderen?«, fragte Joana leicht verunsichert, sah sich nach allen Seiten um und packte dann das kleine Zelt aus.
Da sie nicht zum ersten Mal campte, war es für sie Routine, und so hatte sie es innerhalb von ein paar Minuten perfekt aufgebaut.
Sam lief um beide Zelte herum und sah sie sich an.
»Eine Perfektionistin bist du bei allen so genau, was du tust?« Dieser Unterton in seiner Stimme ließ sie unsicher zu ihm aufsehen.
»Wie … wie meinst du das?«
»Na ja, es sieht so aus, als wenn du das jeden Tag machst«, erklärte Sam lachend. Seine Stimme, sie irritierte Joana jedes Mal von neuem.
»Ich bin oft umgezogen und übergangsweise haben wir in einem Trailer gewohnt. Zelte sind für mich dasselbe, wie für andere Leute Sonnenschirme«,  »Oft umgezogen? Wart ihr auf der Flucht?«
Interessierte ihn das wirklich, oder wollte er sie in ein Gespräch verwickeln?
»Mein Dad wurde oft versetzt. Uns blieb keine andere Wahl, als laufend den Wohnort zu wechseln«, »Und jetzt ist das vorbei?«, »Ja, ich hoffe es. Ich hab hier sehr gute Freunde gefunden und will hier nicht mehr weg« war das eine nette Unterhaltung? Das hätte sie ihm gar nicht zu getraut.
Vielleicht hatte sie sich doch in ihm geirrt?
»Ich bin auch noch nicht so lange in der Stadt«, sagte er nun. »Und eigentlich wollte ich weiter ziehen, bis ich Kyra kennen lernte«
Seine blau-grünen Augen leuchteten in der Sonne.
Und nun lächelte Joana. Er schien wirklich verliebt in Kyra zu sein, was sie sehr erleichterte.
»Ja, sie ist einzigartig«
Sam saß Ihr gegenüber auf einem großen Stein, spielt mit einem kleineren, und als er seinen Arm drehte, sah sie etwas, was ihr das Blut in den Adern gefrieren lies.
Auf der Innenseite seines Handgelenkes hatte er ein Tattoo.
Es war eine Rose und allein der Anblick ließ sie zusammenfahren.
War er es doch? Oder war es nur ein Zufall?
Er sah zu seinen Arm, folgte ihrem Blick. »Gefällt es dir nicht?«
Erschrocken sah sie ihm nun in die Augen und fühlte sich ertappt.
»Doch, es ist nur … wieso eine Rose?« Er lachte leise und bedrückt.
»Eine lange Geschichte. Es gab da mal jemanden, der mir sehr nahe stand und das hier sollte unser Symbol für die Ewigkeit sein. Sie liebte Rosen über alles«
Mit den Gedanken ganz woanders, nahm sie doch jedes seiner Worte wahr.
»Ein Symbol … für die Ewigkeit …?!« Wiederholte sie und sie ahnte, dass Sam ihr ansah, woran sie dachte.
»Es stellte sich heraus, dass uns die Ewigkeit in Form von Schicksal, einen Strich durch die Rechnung machte.
Ein paar Tage, nachdem wir diese Tattoos trugen, kam sie bei einem Unfall ums Leben«,  sagte er leise.
Joana fühlte sich wie zu Boden geschleudert. Es tat ihr leid, was ihm widerfahren war, aber um so mehr fühlte sie, dass er es war, der ihr keine Ruhe ließ. Sein leises Lachen riss sie aus ihren Gedanken.
»Es ist schon komisch«, sagte er plötzlich und dann folgte etwas, was ihre Vermutung bestätigte. »Du siehst ihr verdammt ähnlich«
Sam stand auf und holte die restlichen Sachen aus den Autos.
Wie vor den Kopf gestoßen saß sie da, fühlte, wie ihre Hände zu schwitzen begannen, und fragte sich panisch, was sie tun sollte.
Die Stimmen der anderen rissen sie förmlich aus den Gedanken. Erleichtert sah sie die Drei durch die Büsche stapfen.
»Hey, ihr glaubt nicht, was wir gefunden haben. Einen Wasserfall und das Wasser ist glasklar«, rief Kyra aufgeregt.
»Los komm Joana, zieh deinen Bikini an, wir gehen jetzt baden« Joana blieb keine andere Wahl, als ihre Sachen zu holen. Sie war so froh, nicht mehr alleine mit Sam zu sein und wusste, dass ihr nichts geschehen würde, solange ihre Freunde bei ihr waren.
Jonathan und Steve sahen sich die Zelte an. »Habt ihr einen Wettbewerb veranstaltet?«, fragte Jonathan. »Nein, aber wenn, hätte ich haushoch verloren. Joana kann das im Gegensatz zu mir aus dem FF«
Steve kam auf ihn zu und warf ihm ein Handtuch entgegen. »Quatsch nicht so viel, lass uns Spaß haben.«
Ein paar Minuten später waren sie auf dem Weg zum Wasserfall.

Hinter ihr und Kyra, die ihren Arm hielt, liefen Sam und Jonathan und ganz hinten bildete Steve das Schlusslicht.
Auch er hatte das Tattoo bemerkt und es verursachte ein komisches Gefühl bei ihm.
Joana bedeutete ihm viel und er spürte, dass dieser Typ ein falsches Spiel spielte und dass er Kyra nur für seine Zwecke benutzte.
Als sie den Wasserfall erreichten, konnte die Schönheit dieses Anblickes, nichts gegen Joanas Nervosität ausrichten. Er war wirklich wunderschön, nur waren die Umstände und die Bedingungen denkbar schlecht, um sich daran zu erfreuen.
Das herabrauschende Wasser schillerte in Regenbogenfarben, reflektiert von der Sonne.
Die anderen sprangen, einer nach dem anderen, ins kühle Wasser und Joana zwang sich ebenfalls dazu hinein zugehen. Sie wollte nicht als Einzige am Ufer bleiben und die Rolle der Außenseiterin einnehmen. Sie war nicht alleine und Sam würde ihr hier, vor den anderen, nicht zu nahe kommen, dachte sie.
Sie tobten herum, spielten unter Wasser fangen, tauchten ab und flüchteten, wenn sie den anderen erspähten. Als Joana sich unter Wasser versuchte zu orientieren, tauchte plötzlich Sam dicht vor ihr auf und griff ihre Handgelenke, zog sie dicht an ihn heran. Seine Augen leuchteten selbst hier und starrten sie kalt an.
Vor Schreck hätte sie fast Luft geholt, aber unter Wasser war das schlecht möglich und so starrte sie ihn nur verängstigt an.
Das war nicht mehr lustig und er schien auch nicht die Absicht zu haben, sie zum Lachen zu bringen, als er zu grinsen begann.
Hektisch versuchte sie, ihre Hände aus seinem Griff zu befreien, als ihre Lungen anfingen zu brennen und ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr lange die Luft anhalten konnte.
In seinen Augen las sie etwas, was ihr Angst einjagte und als er sie endlich losließ, suchte sie hastig einen Weg an die Oberfläche.
Luft, sie brauchte Luft.
Tief atmete sie durch, als sie auftauchte, versuchte zu schnell ihren Sauerstoffmangel auszugleichen und atmete Wasser ein. Es erstaunte sie nicht einmal, dass Sam ziemlich weit weg von ihr auftauchte. Niemand würde ihr glauben, wenn sie erzählte, dass er sie festgehalten hatte.
Sie wollte nur noch raus aus dem Wasser, ins trockene und so stolperte sie ans Ufer, fiel auf die Knie und hustete weiter. Kyra und Steve stürzten aus dem Wasser, kamen zu ihr. »Ist alles Okay? Du warst ziemlich lange unten« wieder hustete sie, versuchte ihre Atmung zu beruhigen. »Schon gut, ... ich hatte nur einen Krampf und konnte nicht auftauchen« keuchte sie atemlos.
Sam kam ebenfalls aus dem Wasser und fragte, was los sei. »Sie hatte einen Krampf », erzählte Kyra, die neben Joana im Sand saß. »Oh, das hätte gefährlich werden können«, meinte er und sah sie gespielt besorgt an. Joana zitterte am ganzen Körper und war dankbar, dass Jonathan ihr ein großes Badetuch um die Schultern legte. Sie fühlte sich nackt und wollte nicht mehr von Sam angestarrt werden. Ein leichtes Grinsen huschte durch seine Augen, aber das schien keiner der anderen zu bemerken.
Der Badespaß war vorbei, also gingen alle zurück zu den Zelten. Joana verkroch sich direkt ins Innere und zog sich eine dünne weite Stoffhose und ein Trägershirt über. Sie dachte nach, wollte sich am liebsten im Zelt verkriechen, bis sie wieder nach Hause fuhren. Das ging jedoch nicht, denn sie müsste dann Rede und Antwort stehen und wer würde ihr schon glauben, dass Sam der Stalker war? Kyra sicher nicht, sie war auf Wolke 7 und würde nichts zulassen, was dies gefährdete. Joana wollte den anderen das Wochenende nicht verderben und so hielt sie den Mund. Jonathan, Steve, Sam und Kyra saßen draußen, waren immer noch sehr erschrocken über das Geschehene und überlegten, ob sie den Ausflug abbrechen sollten. Joana hörte, worüber sie redeten, und verließ das Zelt. »Nein, wir brechen nicht ab«, sagte sie fest. Sie sah Sam mit Absicht nicht an, wollte ihm ihre Angst nicht zeigen, wollte stark bleiben. »Bist du dir sicher?«, fragte Kyra besorgt. »Ja, absolut sicher. Es ist alles Okay« es war alles andere als okay, ihr ging es hundeelend und die Angst kroch in jeden Winkel ihres Körpers. Dennoch wollte sie das durchstehen, wollte ihm nicht zeigen, was er mit seiner Aktion erreicht hatte.
Jonathan stand auf und klopfte sich den Sand von seiner Shorts. »Gut, das hätten wir geklärt. Wir sollten zusehen, dass wir bald das Feuer in Gang kriegen« er musste sich ablenken, hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, und spürte Joanas Angst. Steve half Jonathan beim Lagerfeuer, sah die Anspannung im Gesicht seines Freundes und wusste, dass es ihm auch aufgefallen war. Joana saß in der wärmenden Sonne, beobachtete die beiden, ohne sie wahrzunehmen und fragte sich, was wohl als Nächstes passieren würde. Dieser Übergriff hatte sie in Todesangst versetzt und lähmte sie immer noch.
Es begann zu dämmern und das Feuer brannte schon lichterloh. Alle unterhielten sich und Kyra hatte nur Augen für ihren Sam. Sie sah so glücklich aus und Joana fürchtete sich vor dem Moment, wenn Kyra die Wahrheit über Sam erfuhr. Doch im Moment war Ihre Freundin jenseits von jeder erdenklichen Zurechnungsfähigkeit. Sie bemerkte nicht einmal, dass Sam Joana durch das Feuer hindurch, die ganze Zeit mit Blicken folterte. Sie stand auf und wühlte in ihrer Tasche, suchte nach Taschentüchern, weil sie austreten musste. »Suchst du etwas Bestimmtes?«, fragte Jonathan. »Ja meine Taschentücher ... ich muss mal.« gab sie leise zu, wollte nicht von den anderen gehört werden.
»Soll ich dich begleiten?«, fragte er ganz arglos, ruderte jedoch zurück, als er ihren Blick sah. »Ich meine nur aufpassen, dass niemand zuschaut. Alleine will ich dich jetzt nicht in die Dunkelheit verschwinden lassen.« sagte er, und Joana lächelte das erste Mal seit Stunden.
Er gab Steve ein Zeichen, dass sie gleich wieder zurückkämen, und verschwand mit ihr in der Finsternis. Als sie sich etwa 20 Meter vom Camp entfernt hatten, verkroch sich Joana hinter ein paar Büschen und lies Jonathan in der Dunkelheit alleine zurück. Dieser stand mit dem Rücken zu ihr und achtete gut auf seine Umgebung. Plötzlich vernahm sie ein leises Lachen und fragte ihn, was so lustig wäre. »Ich wollte das schon immer mal machen«, erklärte er lachend und schüttelte den Kopf.
Joana konnte nicht anders, als in sein Gelächter mit einzufallen. »Das hättest du auch gleich sagen können«, meinte sie »Dann hätte ich nicht so lange gewartet« nun lachten sie beide noch mehr und sie spürte, wie die Lethargie von ihr abfiel.

Sam hörte Kyras Geschnatter nicht mehr, er hörte das Lachen von Joana und Jonathan in der Dunkelheit, und in seinem Kopf spielten sich die abenteuerlichsten Dinge ab. Was trieben die beiden nur miteinander? Dass sie es überhaupt wagte, mit diesem Schuljungen in das schützende Dunkel zu verschwinden, wo sie doch genau wusste, wer er war und dass ihn das wütend machte.
Sam hatte große Mühe, sich zusammenzureißen und sich nichts anmerken zu lassen.

Als sie versuchte sich aus den Büschen zu tasten, stolperte sie aber Jonathan fing sie auf. Lachend hielt sie sich an ihm fest, spürte seine Nähe und roch sein Aftershave. Beide fühlten die Wärme des anderen, als ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, ließen sich dann aber los und machten sich auf den Rückweg. »Du würdest es doch sagen, wenn du nach Hause willst oder?«, fragte er nun und blieb stehen. Joanas Magen zog sich zusammen, sie wollte eigentlich nicht darüber reden, wollte niemanden in Gefahr bringen. »Wie kommst du darauf?«, fragte sie leise, wollte aber damit nur die Situation überspielen. Natürlich wäre sie lieber nach Hause gefahren, nachdem Sam ihr sein Wahres ich gezeigt hatte, aber das konnte sie Jonathan nicht sagen, jedenfalls nicht jetzt.
»Macht euch um mich keine Sorgen. Solange ihr bei mir seid, fühle ich mich sicher« sagte sie nun und ließ sich von ihm in den Arm ziehen.
»Wenn wir wieder zuhause sind, müssen wir unbedingt reden. Das Ganze nimmt Züge an, die mir langsam Angst machen« hörte sie ihn leise sagen, als er sie fest an sich gezogen hielt. Joana fragte nicht, wie er das meinte, konnte sich aber denken, dass er und Steve sich ihren Teil dachten. Doch bestätigte sie ihm nichts, ließ es offen, um zu verhindern, dass die Situation eskalierte.
Immerhin wusste sie nicht wie weit Sam, hier draußen in der Wildnis, gehen würde. Sie waren Mutterseelen allein, nur auf sich gestellt. Hatte er vielleicht sogar eine Waffe?
»Lass uns zurück gehen«, sagte sie nur und lief neben ihm her, auf das Lagerfeuer zu.
Bevor sie jedoch zu den anderen stießen, blieb Joana erneut stehen. »Wer schläft eigentlich in welchem Zelt?« »Keine Sorge, Steve und ich schlafen im Wagen, du hast das kleine Zelt für dich alleine« »Nein, das ist nicht nötig. Wir können alle da drin schlafen«, widersprach sie, aber Jonathan schüttelte den Kopf. »Das gehört sich nicht, Joana. Wir können die Sitze zu einer Liegefläche umbauen, das ist wirklich kein Problem« Joana merkte, dass sie gegen seine Argumente nicht ankam, wusste aber auch, dass sie eine schlaflose Nacht haben würde, und ging nun mit ihm zurück zu den anderen.
Sams Blick entging ihr nicht. Er fragte sich sicher, was die beiden so lange getrieben hatten, und deshalb verabschiedete sich Joana und verschwand in ihrem Zelt. Es war ohnehin schon sehr spät, vielleicht bekam sie ja doch noch eine Mütze Schlaf.
Kurz darauf wurde es ruhig, alle hatten sich zurückgezogen, und so hörte sie nur noch die Geräusche der Nacht und das Knistern des Lagerfeuers. Unerwartet schlief sie doch noch ein, träumte zusammenhangsloses Zeug, bis das Vibrieren ihres Handys sie weckte.
Sie wusste nicht, wie spät es war, tastete mit geschlossenen Augen danach und ging ran.
»Hat dir unser kleines Unterwasserspiel gefallen?« Es war Sam und er schien eine unsichtbare Hand um ihren Hals zu legen. Joana konnte nicht antworten, war wie erstarrt. »Du bist so tapfer«, hauchte er in den Hörer und legte dann auf.
Joana setzte sich auf, rutschte in die Ecke und zog ihre Decke an sich. Sie zitterte und konnte nur schwer unterdrücken, nicht in Tränen auszubrechen. Die Angst war unerträglich. Jedes Geräusch ließ sie den Atem anhalten. Sie fürchtete sich vor einem Besuch von Sam. Sie hörte, wie er vor dem Zelt herumlief, und rechnete jeden Moment damit, dass er hereinkam. Nach einigen Minuten war allerdings wieder alles ruhig. Joana sah mit zitternden Händen auf die Uhr, es war Viertel nach drei und sie wusste, dass alle anderen schliefen. In dieser Nacht bekam sie kein Auge mehr zu, lag wach, bis die Sonne aufging, und verließ erst ihr Zelt, als sie ihre Freunde hörte.


Joana machte drei Kreuze, als sie wegen schlechtem Wetter, die Zelte zusammen räumten und sich auf den Weg nach Hause machten.
Der Regen prasselte gegen die Scheiben, draußen war es düster und Steve warf ihr immer wieder Blicke zu.
»Ist alles Okay?« Erschrocken sah sie ihn an. »Ja, warum fragst du?«
»Irgendetwas sagt mir, dass absolut nichts okay ist«, antwortete er und versuchte sich wieder auf die Straße zu konzentrieren, aber dann sah er wieder zu Joana, die neben ihm saß.
Sie sah schlecht aus, als hätte sie kaum geschlafen und sie war blass.
»Du hattest keinen Krampf, oder?«
Joana sah ihn kurz an und schüttelte dann den Kopf.
»Ich hab sein Tattoo gesehen. Eine Rose, was für ein Zufall«, spottete er. »Er hat dich nach unten gezogen, habe ich recht?«
Joana sah ihn nun an, kämpfte mit sich, um etwas sagen zu können. »Mir hätte niemand geglaubt, Steve«, »Doch, ich hätte dir geglaubt und Jonathan …«
»Sam ist mit voller Absicht weiter hinter mir aufgetaucht, was hätte ich machen sollen? Kyra hätte mir kein Wort geglaubt«, unterbrach sie ihn. Sie war den Tränen nahe und sah verzweifelt aus dem Fenster.
Steve musste sich eingestehen, dass sie recht hatte. »Kyra ist viel zu verliebt in Sam, sie würde es nicht einmal merken, wenn sie dabei gewesen wäre«, sagte er abfällig.
»Er hat es mir erzählt Steve«, hörte er sie leise sagen. Nun war er alarmiert. »Was? Was hat er dir erzählt?«, »Dieses Tattoo … seine Freundin, sie hatte das Gleiche. Es sollte ein Symbol für die Ewigkeit sein und dann starb sie bei einem Unfall«
»Scheiße! ... Aber was hat das mit dir zu tun?« Joana sah kurz aus dem Fenster und dann wieder zu ihm.
»Ich sehe aus wie sie«, »Hat er das gesagt?« Sie nickte nur und holte tief Luft. »Nachdem er mir das erzählt hat, war ich mir sicher, dass er es ist«
Steve schien zu überlegen. »Hast du Anrufe oder Nachrichten auf dein Handy bekommen, als wir Zelten waren?«
»Er ... hat mich heute Nacht gegen drei Uhr angerufen und mich gefragt, ob mir unser »Unterwasserspiel« gefallen hat ... und ich weiß, dass es heute Abend wieder losgeht, sobald ich zuhause bin«
Steve sah sie kurz erschrocken an, konzentrierte sich dann aber angestrengt weiter auf den Straßenverkehr, sah auf die Schilder.
»Wir können Kyra nichts erzählen«, sagte er nachdenklich. »Aber Jonathan. Ich werde mit ihm reden und dann überlegen wir, was wir machen. Es kann einfach nicht sein, dass dieser kranke Typ dich kaputtmacht und Kyra dafür benutzt«,
»Er weiß, wie sie zu mir steht und ich glaube, er versucht einen Keil zwischen uns zu treiben. Er spielt uns gegeneinander aus«,
»Ja, aber es wird schwierig, ihr das so klar zu machen. Sie wird denken, dass wir ihr das mit Sam nicht gönnen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er erreicht was er will. Und bevor das passiert, muss ich mit Jonathan reden«
Joana wusste, dass er recht hatte.
Und wieder dachte sie darüber nach, was sie ohne ihre Freunde tun würde.

Zuhause angekommen, ging sie in ihr Zimmer, räumte ihre Tasche aus und warf alles Schmutzige in einen Wäschekorb. Auf ihrem Schreibtisch lagen ein paar Briefe, die ihre Mutter ihr, dorthin gelegt hatte. Einer war von ihrer Großmutter und auf dem anderen stand kein Absender. Sie öffnete ihn und zog eine Karte heraus. Ihr Magen zog sich zusammen, denn es war eine Beileidskarte, auf deren Cover in silbernen Lettern stand ...

Den Weg, den Du vor Dir hast,
kennt keiner.
Nie ist ihn einer so gegangen,
wie Du ihn gehen wirst.
Es ist Dein Weg.

Mit zitternden Händen klappte sie die Karte auf. Eine getrocknete Rose fiel ihr entgegen und es stand in Handschrift geschrieben ...

In ewiger Liebe


Wie erwartet, klingelte um 23 Uhr das Telefon.
Zögernd ging sie ran, hoffte insgeheim, dass es Steve war, aber das Atmen am anderen Ende verriet ihr, dass es Sam war.
Aber diesmal sagte er nichts, es war nur sein Atem und Joana sah keinen Ausweg, als den Hörer aufzulegen.
Kurze Zeit später klingelte das Telefon erneut. Ängstlich aber auch wütend hob sie den Hörer ab. »Lass mich endlich in Ruhe …«, rief sie aufgebracht, den Tränen nahe.
»Ich bin es, Jonathan«, »Oh! ... tut mir leid ich bin nur …« versuchte sie zu erklären, aber es kam nur Gestammel heraus. »Er hat dich wieder angerufen?« erriet er.
»Ja, gerade eben. Ich hab aufgelegt«, »Was hat er denn gesagt?«,
»Nichts, ich habe nur seinen Atem gehört« Jonathan atmete tief schnaufend durch. »Dieser Scheißkerl! ... warum ich so spät noch anrufe …« er unterbrach, schien zu überlegen, wie er es sagen sollte.
»Das Gästezimmer ist verwüstet«, »Was?« Sie war entsetzt.
»Alles andere ist okay, nur das Zimmer, in dem du geschlafen hast, ist verwüstet«
Joana war sprachlos, es tat ihr so schrecklich leid und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. »Jonathan ... das tut mir leid, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, »Ich hab es eben erst entdeckt und ich hab auch nichts gehört, weil es im Westflügel liegt und …«, »Aber Sam war die ganze Zeit mit uns beim Zelten, ... wie hat er das angestellt?« unterbrach sie ihn.
»Ich war in dem Zimmer, gleich, nachdem ich zuhause ankam. Da war noch alles in Ordnung. Es muss in der letzten halben Stunde passiert sein, und da ist noch etwas …«
Joanas Magen zog sich zusammen. Was denn noch? War das nicht schon genug?
»Im ganzen Zimmer lagen Rosen verteilt. Sie waren kaputt und sahen aus, wie zertrampelt«
Übelkeit stieg in ihr auf. »Ich geh morgen früh zur Polizei, Jonathan. Ich hab genug von der Sache. Anscheinend will er nicht aufhören und ich habe Angst, dass er euch irgendetwas antut. Ich hatte heute eine Beileidskarte im Briefkasten« Jonathan hörte, dass sie mit den Tränen kämpfte.
»Ich komme mit, dann musst du das nicht alleine durchstehen« bot er schnell an.
»Danke, für den Schaden in dem Zimmer komme ich natürlich auf, mal sehen, wie ich das mache«, »Nein, Blödsinn. Das brauchst du nicht, du kannst ja nichts dafür«

Lange konnte Joana nicht einschlafen, sah immer wieder Sams Gesicht vor sich, sah seine Augen und sie spürte seine Kraft, mit der er sie unter Wasser festhielt.
Er hatte ihr deutlich gezeigt, wer er war, wusste, dass sie es wusste und nun spielte er sein Spiel weiter.

Impressum

Texte: © Katharina Hönow (Scooray)
Cover: Katharina Hönow
Lektorat: H.J. Ginter
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

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