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Teile 6 bis 8

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Teil 6

 

 

Ein blonder Engel

 

In der Storkower Straße ging es uns relativ gut. Mignon und ich hatten zusammen über 1.000,- Mark Netto-Einkommen und wir richteten die Wohnung bescheiden neu ein. Doch wenn es den Leuten „zu gut“ geht, kommen sie auf dumme Gedanken.

 

Mignon war immer noch mein „erstes Mädchen“ und meine Neugier auf andere Frauen war noch nicht ganz verklungen und Gelegenheit macht Diebe.

 

Es gab viele junge, hübsche Studentinnen im Grundstudium und ich hatte auch Gelegenheiten auf Seminarfeten einem blonden Engel näher zu kommen. Dieser Engel hieß Elsa und war für mich aus wohlhabendem Hause. Ja, mach was, wenn du Deinem Jugendtraum begegnest, und sie Dich auch zu mögen scheint.

 

Zu einer fachlichen Exkursion ins PCK Schwedt fuhr ich mit einem Kollegen in dessen privatem Wartburg mit hin. Auf der Rücktour nach Berlin hatten wir „zufällig“ zwei Studentinnen und einen Studenten aus dem 1. Studienjahr mitgenommen. Auch Elsa war mit dabei.

 

Jedoch hatten wir auf der Autobahn einen Verkehrsunfall. Der Wartburg kam auf den Mittelstreifen und überschlug sich. Der Fahrer, Hartmut, wollte sich gerade von hinten für seine Zigarette Feuer geben lassen und dabei geschah es.

 

Ich wachte erst auf, als der Krankenwagen kam. Elsa kniete auf mir und rief heulend, dass ich doch wieder aufwachen sollte. Jedenfalls waren wir alle aus dem Wartburg rausgeflogen, wurden im Krankenhaus versorgt und in die ambulante Betreuung entlassen. Nur unser Fahrer Hartmut hatte sich den rechten Fuß gebrochen und humpelte noch recht lange an der Uni herum.

 

Zur Zeit unserer Exkursion war Mignon gerade nicht da sondern zu einer Kur. Nun hatte ich die Gelegenheit und sogar „einen Grund“, Elsa einen Krankenbesuch zu machen und mich nach ihrem Gesundheitszustand zu erkundigen.

 

Ich lud sie bei dieser Gelegenheit gleich abends zum Essen ein. Jedoch beobachtete uns zufällig Mignons Bruder, der genau an diesem Abend mit seiner ganzen Brigade in der Gaststätte „Baltic“ einige Tische weiter saß. Nun „wusste Familie Stiegler Bescheid“. Mignon wusste daher auch Bescheid, als sie von ihrer Kur kam.

 

Wir ließen uns nach unserem ersten Ehejahr scheiden. Doch wie das Leben so spielt, war Elsa, bevor sie „fest“ mit mir ging auf einer kleinen Privat-Fete in ihrer Wohnnachbarschaft etwas länger geblieben. Jedenfalls bekam sie danach ein Kind, ein Mädchen, das nun ganz sicher nicht von mir sein konnte. Ich konnte mich mit all dem dann doch nicht so anfreunden, obwohl Elsa und ihr Kind mich offensichtlich mochten.

 

Ich beschloss, mich in aller Ruhe weiter nach Frauen umzusehen und vor allem meine Promotion intensiver voranzutreiben, sowie mich noch mehr um die Ausbildung „meiner“ Studenten zu kümmern. Kurz: ich stürzte mich in die Arbeit.

Ein Zurück zu Mignon war auch nicht die Lösung, so dass wir zwar kurze Zeit noch gemeinsam in der Wohnung Storkower Straße wohnten. Sie studierte und forschte und ich forschte, lehrte und lernte dabei.

 

Jedenfalls lebten wir uns endgültig auseinander. Bald hatte Mignon auch mal Herrenbesuch oder blieb über Nacht woanders und ich war oft einsam mit mir allein und auch in Gesellschaft manchmal einsam. Mit Elsa hatte ich inzwischen „Schluss gemacht“.

 

 

Meine Liebe

 

Die Arbeit fraß mich zeitweise auf und es kamen auch erste Erfolge in der Forschung, Veröffentlichungen in der Fachpresse und Vorträge auf Chemie-Fachtagungen mit unseren Forschungsergebnissen durch Prof. Hass.

 

Schließlich nahm ich an einer Exkursion unserer Forschungs-Themengruppe nach Plauen im Voigtland teil. Wir besichtigten dort in Lengenfeld ein Bergwerk zur Flussspat-Förderung. Alle waren mit von der Partie: Professor Hass, Steffen Silbereisen, Eberhard, Frau Feiwer, Frau Bohner, die Diplomanden und somit auch Gundel.

 

Abends in der Nachtbar in Plauen tanzten Gundel und ich miteinander und als wir auf unsere Hotelzimmer wollten, war sie schon ganz schön zutraulich. Sie streitet ja heute noch ab, dass sie mit mir aufs Zimmer wollte. Der Mann von der Rezeption kam auch noch die Treppe hoch, da wir uns leicht angetrunken wohl ziemlich laut unterhielten. Ich sagte zu ihm: „Der Dame ist schlecht“. Er ging wieder nach unten und Gundel und ich jeder in sein Zimmer.

 

Jedoch fing damals alles mit uns an.

 

Ich überredete sie nach unserer Ankunft in Berlin am Ostbahnhof zu einem gemeinsamen Abendessen. Sie war nicht abgeneigt und doch überrascht, dass es das Abendessen und alles andere nach einer Taxifahrt bei mir zu Hause in der Storkower Straße gab.

 

Nach Weihnachten besuchte ich Gundel mit dem Motorrad in Göhren. Meine Hinfahrt war schon ein kleines Abenteuer. An der Kreuzung von Schlepkow nach Lemmersdorf hielt ich an und hob im Dunkeln das Motorrad vorn hoch, damit ich im Scheinwerferlicht den Wegweiser lesen konnte. Dann fragte ich in Woldegk weiter wie ich nach Göhren komme.

Zum Glück hatte in ihrer Familie Gundel schon angedeutet, dass da noch ein junger Mann aus Berlin zu Besuch kommen könnte. So kam ich nicht ganz unerwartet und wurde freundlich aufgenommen. Ja, es gab Süßstücke, Bier und ich lernte einen Teil der Familie kennen. Ich versuchte mich nützlich zu machen durch Holzhacken, Plumpsklo-Inhalt entsorgen u.a.m.

 

Zur Überraschung aller sprach ich am Silvesterabend den Wunsch aus, mich mit Gundel zu verloben. Obwohl ich keine Ringe hatte und auch die Braut überrascht war, hatten sich doch alle gefreut. Wir machten gemeinsame Spaziergänge und mir gefiel alles. Das Haus, die Umgebung, die Familie. Ich fühlte mich wohl und glaubte wieder an einen Neuanfang.

 

Jedenfalls brachte ich sie von dort als Sozius und meine Verlobte fast bis Berlin mit Heim. Doch kurz vor Berlin in Basdorf hatten wir einen platten Reifen und mussten mit der Bahn nach Berlin rein fahren.

 

Ein Jahr später waren wir bereits verheiratet.

 

Unsere „eigene“ Wohnung

 

Gundel „besorgte“ für uns über einen Kommilitonen eine Wohnung in der Marienburger Straße auf dem zweiten Hinterhof.

 

„Klar ist die Wohnung unbewohnt. Seit Jahren schon“, sagte uns damals Gundels Bekannter, der gegenüber mit seiner Frau wohnte und Geologie studierte. Später zog er aus und vermachte seine Wohnung einer Jugoslawin, die später ab und zu diskreten Herrenbesuch bekam und ihr großes Zimmer in Schlaf- und Fernsehbereich sowie Tanzsaal unterteilte. Ihre Lieblingsfarben für Vorhänge, Gardinen waren Orange bis Rot.

 

Die Wohnung hatten Gundel und ich ganz einfach „bekommen“. Beim Geologie-Nachbarn machten wir einen Schraubenzieher über der Gasflamme am Küchenherd heiß, bogen ihn mit zwei Zangen und hatten einen provisorischen Dietrich. Nachdem wir das Türschloss geknackt hatten, stellten wir erschreckt fest, dass hinter der ersten Tür noch eine zweie Tür war und diese sogar ein Sicherheitsschloss hatte.

 

Doch waren wir mit unserer Wohnraumbeschaffungsmaßnahme so weit vorangekommen, konnten wir nun nicht mehr zurück. Das Sicherheitsschloss war für uns nicht zu knacken, so dass wir die zweite Tür mit Gewalt und der Hilfe des Geologen aufstemmten. Dem ersten Schreck folgte sogleich der zweite, denn fast die ganze Wohnung war angefüllt mit Kohlenbriketts. Die mussten doch jemanden gehören? Doch die geologische Fachmeinung des Nachbarn lautete: „Hier hat sich jahrelang keiner blicken lassen“. Also zogen Gundel und ich ein.

 

Als ich später im Januar 2003 mit Gundel bei einem Besuch meiner Eltern u. a. auch meiner Idee folgend, ehemalige Wohnstätten zu besuchen und zu fotografieren, staunten wir nicht schlecht. Denn wir stellten fest, dass es den zweiten Hinterhof in der Marienburger Straße längst nicht mehr gab und unser Wohnflügel zu Gunsten einer Kindertagesstätte mit Spielplatz abgerissen worden war.

 

Unsere gemeinsame Zeit in der Marienburger war sowohl glücklich als auch sehr angespannt, da ich intensiv an meiner Promotion arbeitete und Gundel bald ihre Tätigkeit als Lehrerin in Hetzdorf begann und zunächst in einem Zimmer bei Familie Kluse in Lemmersdorf wohnte.

 

So oft sie konnte, war sie bei mir in Berlin und ich fuhr zum Wochenende mit dem Motorrad zu ihr. Ich lebte mein Assistentenleben, versuchte fleißig und sportlich mit Frühsport und Schwimmen zu sein.

 

 

Wir richten uns ein

 

Zuerst wurden die Kohlen neu gestapelt und ein Teil eine Treppe tiefer in einen Verschlag im Hausflur untergebracht. Jedenfalls hatten wir genug Kohlen zum Heizen und heizten auch, als es kälter wurde.

 

Für meinen Umzug aus der Storkower Straße hatten wir uns von meinem Vater seinen selbstgebauten Fahrradanhänger ausgeliehen.

 

Gundel half, die Liege und die Gitarre, die zusammen auf dem Anhänger mit einem Strick festgebunden waren, durch Berlin zu bugsieren. Natürlich war die Gitarre oben auf der Liege festgebunden und nicht umgekehrt! Das Problem waren die Bordsteinkanten.

 

An einer solchen knickte ein Rad des Fahrradanhängers ein. Doch wir schafften es mit unserem ungewöhnlichen Aufzug heil in der Marienburger Straße auf dem zweiten Hinterhof anzukommen.

 

Einige Holzbretter, die ich zum Bücher-Wandregal zusammen schraubte, Gardinen, eine Luftmatratze für Gundel, wenn sie bei mir übernachtete, komplettierten die Wohnungseinrichtung. Mein selbst zusammen gezimmerter Schreibtisch aus altem Möbelholz überstand sogar den späteren Umzug nach Kleisthöhe.

 

Bei einer Haushaltsauflösung unserer „bärbeißigen“ Hausmeisterin vom Chemischen Institut, erstand ich später einen runden Tisch, Stühle, einen alten Schrank mit Schubfächern, den wir noch heute in Anklam in Gebrauch haben.

 

Wenn man zur Tür herein kam, stand man gleich in der Küche. Hier entstand eine Verkleidung und eine kleine Holzzwischendecke erweckte bald den Gesamteindruck eines kleinen Korridors.

 

 

Sie wohnen in unserem Kohlenkeller!“

 

Als wir es uns schließlich etwas heimisch gemacht hatten, saßen wir eines Tages in unserem Wohnzimmer und ein Pärchen in den Dreißigern, das wir noch nicht kannten, betrat den zweiten Hinterhof. Gundel saß gern in Fensternähe und nutzte sogar die einzige tägliche halbe Stunde, wenn die Sonne in unser Fenster schien, zum Sonnenbad. Sie sah die beiden zuerst und bemerkte, dass die Frau aufgeregt auf unsere neu verkitteten und mit Gardinen verhängten Fenster zeigte und laut gestikulierte.

 

So kamen sie laut redend: „Da wohnen welche in unserem Kohlenkeller!“ die Treppe hoch gepoltert und klingelten an unserer Wohnungstür. Gundel und mir rutschte das Herz in die Hose, doch verstecken konnte man sich nicht. Also ließen wir sie ein, ertrugen ihre Aufregung, die vor allem von der Frau ausging.

 

Jedenfalls gab es doch einen „Eigentümer“ unserer Wohnung. Ich versuchte, den Eindruck zu erwecken, dass wir uns bei der Wohnungsverwaltung um diese Wohnung bemüht hatten und sie uns, da sie ja nicht als Wohnraum genutzt wurde, zugewiesen bekommen hatten.

Schließlich beruhigte sich das Pärchen und es blieb fast Verständnis für unsere Situation: „ Na ja, wir haben ja auch mal bescheiden angefangen. usw.“

 

Es blieben materielle Forderungen an uns. Die Kohlen sollten wir natürlich bezahlen, was kein großes Problem für uns war, da sie nur 137 Mark kosteten. Weiter sollten wir für das Pärchen einen „neuen“ Kohlenkeller besorgen.

 

Ich verhandelte zur Erfüllung der zweiten Forderung mit meiner jugoslawischen Nachbarin. Jedenfalls hatten wir ja bereits einen Verschlag im eigenen Aufgang für unsere Kohlen.

 

Die Jugoslawin hatte einen Keller im Zwischenhaus und dort war noch eine freie Ecke ohne Kellertür. Die Kellertür besorgte ich mit meiner Nachbarin auf abenteuerliche Weise.

Nachts im Dunkeln, mit zwei Zangen bewaffnet, stahlen wir das Holztor einer z. T. stark beschädigten Mauer auf einem Nachbargrundstück. Wir schleppten die Holztür in den Keller des Zwischenhauses und es gelang mir, sie dort passgerecht in den neuen Eckraum einzubauen.

 

So dass wir nun einen neuen Kellerraum erschlossen hatten und ich diesen der Frau, die in unserem Aufgang in der 3. Etage wohnte und in deren ehemaligen „ Kohlenkeller“ wir wohnten, diesen zur Nutzung anbieten konnte.

 

Die Jugoslawin tauschte dafür ihren Kellerraum mit unserem und brauchte nun nicht mehr über den Hof zum Kohlenholen. So lösten wir Keller-Kinder unser Kellerproblem.

 

 

Flotte Nachbarinnen

 

Obwohl die Jugoslawin recht attraktiv war, war ich , wie zur flotten allein stehenden Nachbarin über mir, nie an tiefer gehende Beziehungen interessiert und hielt mich an Promotion und Gundel. Außerdem war ich immer noch eher schüchtern. Meine Mentalität widersprach auch dem Hang zu amourösen Abenteuern, so dass mir meine flotte Nachbarin auch vorhielt, ich würde „wie ein Russe“ leben.

 

Sicher hatte sie Recht, da ich eigentlich glücklich war mit meinem unförmigen, kleinen zusammen gezimmerten Schreibtisch und dem Holzregal mit meinen Büchern an der Wand.

 

Als ich gerade die Kohlen nach unserem Einzug neu gestapelt hatte, brachte mir Mignon, die inzwischen schon ihre Fahrerlaubnis gemacht hatte, in dem von ihrem Bruder übernommenen Trabbi-Kombi als großzügige Geste für meinen neuen Lebensabschnitt in der Marienburger Straße meine restlichen Bücher, nebst Briefmarken- und Mosaiksammlung. So hatten wir uns bei unserer Trennung außergerichtlich geeinigt. Dafür hatte sie Wohnung und Möbel behalten.

 

Ich gab ihr „ihren“ Wohnungsschlüssel zurück. und hatte danach weiter keinen Kontakt mehr zu ihr. Dass sie während meiner Promotionsverteidigung im Hörsaal anwesend war und mir auch gratulierte, war eine spätere Nebensache, die mich nicht mehr berührte.

 

 

Pendeln

 

Bei Besuchen in Göhren und später in Lemmersdorf fühlte ich mich immer wohler und vor allem von Gundels Familie freundlich aufgenommen. Auch wollte ich gern mit Gundel auf dem Lande wohnen, da ich im Innern nie ein Großstadtmensch war. So verlegte ich nach und nach meine gedankliche Welt, mein Handeln und Teile meines Hausrates nach Lemmersdorf und später nach Kleisthöhe.

 

Da im Jahre 1976 meine befristete Einstellung als Assistent ablief, beendete ich mit dem Ausbildungsjahr 1975/76 meine praktischen Forschungsarbeiten und zog zu meiner hübschen und lieben Frau, Gundel, nach Kleisthöhe.

 

Gundel liebte es, mich zu überraschen. Jedenfalls stand sie zum Beispiel einmal überraschend für mich früh an der Bushaltestelle und begleitete mich auf dem Weg zum Labor, zur Uni. Oder sie schwamm mir in der Schwimmhalle einfach vor die Nase. Oder es klingelte an der Wohnungstür im zweiten Hinterhof, doch niemand stand vor der Tür. Doch da steht ja ein kleines Plüschhäschen und eine halbe Treppe tiefer kichert Gundel. Wieder mal eine Überraschung.

 

Ich fuhr so oft ich konnte zu ihr und wir verlebten gemeinsame glückliche Stunden in Lemmersdorf in der Kluseschen Wohnung. Abends genügte uns ein Gläschen Bohls-Likör auf der Bettkante.

 

Beim Abendspaziergang begleiteten uns unsere Haustiere Teddy und Susi. Susi lief zwar auch wie ein Hündchen neben uns her, doch konnte sie im Unterschied zu Teddy, wenn sie wollte, einen Baum hochklettern.

 

 

Wir heiraten

 

Auf eine Art lebten Gundel und ich in einer kleinen glücklichen Welt. Jedenfalls hatte ich nach einem Jahr Scheidung von Mignon und Bekanntschaft mit Gundel das Bedürfnis zu einem Neuanfang mit meinem Schatz. Und so fragte ich sie einfach, ob wir nicht besser heiraten wollten?

 

Und eines schönen Tages zwischen Weihnachten und Neujahr fuhren wir früh mit der Straßenbahn Richtung Alexander Platz. Im Hotel Stadt Berlin spendierten uns Gundels Bruder Alfred und dessen Frau Liese, die dort übernachtet hatten, ein tolles Frühstück. Es gab sogar Räucheraal als Knüller.

 

Gundel hatte bereits ihr weißes Hochzeitskleid an und sah recht hübsch darin aus. Doch hörten wir auch eine gehässige Bemerkung vom Nebentisch.“ Die haben wohl die Nacht durchgemacht und sich noch nicht einmal umgezogen.“ Dabei waren wir eigentlich gut ausgeschlafen.

 

In ihrem Hotelzimmer brachte dann Liese den Schleierkranz an Gundels Kopf an, so dass die Braut komplett war. Dann ging es schließlich mit Alfreds Dacia ab nach Köpenick zum Standesamt, wo die liebe Verwandtschaft bereits zahlreich zur Trauungszeremonie erschienen war.

 

Die Aufregung für Gundel war wohl besonders groß. Jedenfalls musste sie als wir schon in Formation vor dem Zimmer der Standesbeamtin standen, noch einmal schnell auf die Toilette.

 

Als schließlich alles zelebriert war und wir Mann und Frau waren, ging es ab in den Ratskeller zur Festtafel. Bemerkenswert war, dass nach Beendigung des Festschmauses, die Heimfahrt aller Gäste per PKW oder Taxi gesichert war, doch sich gerade für das frisch vermählte Paar kein freies Taxi mehr fand.

 

Kurz entschlossen und in Überschwang unserer Gefühle entschlossen wir uns, zu Fuß Richtung S- Bahn zu gehen. Das hatte die Welt noch nicht gesehen, ein Hochzeitspaar, das zu Fuß durch Berlin-Köpenick marschierte und nach der Trauung mit der S-Bahn nach Hause fuhr.

 

Es war der 29. Dezember und wir hatten einen schönen und unvergesslichen Spaziergang zu zweit und im Hochzeitsschmuck durch Köpenick. Sogar die Sonne schien extra für uns. Wir fütterten an einem Teich die Enten und stellten uns an einer Bude nach Silvester-Knaller an. Autofahrer hupten, Leute lachten uns zu und winkten.

 

Nach der S-Bahnfahrt, gingen wir zum Fotografen und ließen uns Hochzeitsbilder machen. Unterwegs trafen wir noch Gundels Schwester Sarah, die mit einer halbvollen Sektflasche in Nähe der Jungstraße herummarschierte und recht lustig war.

 

Schließlich feierten wir noch in der Jungstraße bei meinen Eltern. Sarah überraschte uns mit einer tollen Hochzeitszeitung und es war bestimmt einmalig, dass auf einer Hochzeitsfeier Skat gespielt wurde.

 

Jedenfalls waren wir nun Eheleute und es sollte noch einige Zeit vergehen, bis ich im Sommer 1976 endgültig mit meinem Schatz von Lemmersdorf nach Kleisthöhe zog.

 

 

Gundels Wohnung in Lemmersdorf

 

In Lemmersdorf wohnte die junge Diplom-Biologie- und Chemielehrerin in einem Zimmer bei Familie Kluse, praktisch in Untermiete. Eine verschlossene Zimmertür trennte dieses Wohnzimmer von der Kluseschen Hauptwohnung. Der separate Eingang für Gundels Wohnbereich war von der Hausrückseite zu erreichen und vorn wohnte der Hauptmieter am Weg, der zum Kinderheim führte.

 

Zum Zimmer gehörte eine Küche, in die man sofort eintrat, wenn man die Haustür öffnete. Eine Toilette gab es nicht. Man konnte sich in der Küche auf einen Eimer hocken und diesen nach getaner Arbeit auf den Misthaufen bringen.

 

Von der Küche ging ein weiteres separates Zimmer ab, das an eine ältere Frau vermietet war, welche jedoch dieses Zimmer noch nicht nutzte, da sie im Lemmersdorfer Kinderheim eine Wohnung hatte.

 

Als wir dieses Zimmer später ebenfalls nutzen wollten, bekamen wir ein Gespräch mit dem Bürgermeister Herrn Hahn und dieses Zimmer auf keinen Fall. Er sagte, dass er es der älteren Dame bereits fest zugesagt hatte und Wohnraum war damals Goldstaub, das kannten wir ja schon aus Berlin, wo ich lange Zeit die Wohnungsverwaltung belagert hatte.

 

Dafür konnten die Berliner auch über mich lachen. Als ich einmal in einem Berliner Postamt, wegen einer Geldabhebung vom Sparbuch, bereits eine halbe Stunde in einer Schlange am Schalter angestanden hatte und endlich dran war, rief die Frau am Schalter laut: “Ist ja kein Wunder, dass es hier so voll ist, wenn hier sogar die Leute aus Lemmersdorf anstehen!“

 

Als man Gundel später eine 2-Raum-Neubauwohnung in Hetzdorf anbot, freute sich Herr Hahn für uns. Doch ich wollte nicht schon wieder im Neubau wohnen. Jedoch mit der älteren Dame, die bei gemeinsamer Küchenbenutzung „bei uns“ nun doch noch mit einziehen sollte, wollte ich auf keinen Fall zusammen wohnen.

„Da habe ich doch was für Sie“, sagte Herr Hahn. So besichtigten wir schnurstracks die leer stehende Seite des 2-Familienhauses der Familie Werner in Kleisthöhe.

 

Ich war sofort begeistert von der offensichtlich bereits länger leer stehenden Wohnhaushälfte.

 

 

Wir ziehen nach Kleisthöhe

 

Ja, so ist das im Leben. Erst hat man gar keine Wohnung, nun hatten wir zwischenzeitlich sogar zwei. Das war für DDR-Zeiten schon etwas Ungewöhnliches, zumal ich für die eine nicht einmal Miete zahlen musste.

 

Unser Umzug von Lemmersdorf nach Kleisthöhe war eine große Familienaktion, Vati, Herbert, Schwiegermutter und unser Hund Teddy halfen. Wieder einmal hatten wir viele Kohlen zu bewegen und wenige Möbel. Ich transportierte auch Kleinigkeiten mit dem Motorrad.

 

Vorher hatte Gundel mit Sarahs Hilfe das „neue“ Wohnhaus gefegt und gewischt. Es lag jedoch noch viel Unrat auf dem Boden und im Stall. Den Stall konnte man gleich von der Küche aus durch eine Tür betreten.

 

Nun fuhr ich noch öfter mit dem Motorrad zu Gundel, hatte aber noch Verpflichtungen an der Uni. Ich hatte noch Saaldienst und Aufsichtspflichten, Seminar- und Prüfungspflichten meinen Studenten aus dem 1. Studienjahr gegenüber. Auch einen Diplomanten, Herrn Buchstein, betreute ich und eine Laborantin, Frau Feiwer. Sie arbeitete mit für mein Forschungsthema.

 

Im Übereifer übernahm ich bereits die Betreuung einer Leichtathletikgruppe mit Kindern aus dem Kinderheim Lemmersdorf. Doch meine Promotion war noch nicht abgeschlossen, aber meine praktischen Forschungsarbeiten hatte ich beendet, da im August 1976 auch mein befristeter Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Assistent im Grundstudium endete und ich im September aber bereits meine Tätigkeit im Rat des Kreises Strasburg beginnen sollte.

 

Es war keine leichte Zeit. Doch schon damals spürte ich auf dem Weg von Hetzdorf nach Kleisthöhe, wenn meine TS 150 über das Kopfsteinpflaster holperte, ein neues Gefühl von Heimat. Es war dieses Gefühl: „Hier bist du zu Hause!“

 

 

Unser Wohnhaus

 

Der ganze Ort Kleisthöhe bestand nur aus 10 Häusern und ca. 50 Einwohnern. Das hieß für mich, wirklich auf dem Lande zu leben. Ich wollte bloß nicht in eine Neubauwohnung, in eine von den 5 WE-Blocks gegenüber der Schule in Hetzdorf. Ich hatte auch von meiner letzten Neubauwohnung in der Storkower Straße noch die Nase voll. Dort war mir tatsächlich öfter „die Decke auf dem Kopf gefallen“.

 

Nach unserem abenteuerlichen Umzug von Lemmersdorf nach Kleisthöhe füllten wir mit Gundels Hausrat aus der Kluseschen Untermiete „ unser“ Wohnhaus in Kleisthöhe.

 

Eigentum verpflichtet, zumindest zur Instandhaltung. Daher ließen wir uns über einen Kollegen von Sarah, aus der Sowjetunion eine Bohrmaschine für 150,- Mark besorgen. Ich weiß, heute geht man einfach in den Baumarkt und kauft sich eine. Doch damals war alles anders. Bestimmte Dinge gab es auf normalem Wege nicht. Die Bohrmaschine leistete mir viele Jahre noch treue Dienste.

 

Wir nahmen Haus und Hof nach und nach in Besitz und begannen, uns einzurichten.

 

Das Haus war zwar einige Jahre unbewohnt gewesen, doch bei näherer Betrachtung, war es doch bewohnt und zwar von Mäusen, die sich besonders auf dem Stampf-Lehm-Boden und im angrenzenden Stallgebäude wahre Paläste angelegt hatten.

 

Wir begannen, uns mit ihnen systematisch auseinander zu setzen und schafften es mit allen bekannten Fangmethoden für Mäuse, ihre Anzahl im Haus schrittweise zu reduzieren. Am liebsten mochten sie als Köder in ihren Fallen mageren Speck, der mit einem Streichholz an einer Seite kurz erhitzt wurde und auch Gift-Pellets waren sehr gefragt.

 

Doch unsere „Übermaus“ sollten wir erst Jahre später kennen lernen. Sie hielt uns eine ganze Woche in unserer Küche in Atem. Doch schließlich entdeckten und „erlegten“ wir sie.

 

Promovieren vertagt

 

Da ich immer noch ernsthaft an meiner Promotion arbeitete, richtete ich mir im Dachgeschoss ein kleines Arbeitszimmer ein.

 

Meine Doktorarbeit schrieb ich mit Kugelschreiber ins Reine. Dann musste sie mit einer Schreibmaschine abgeschrieben werden.

 

Hierzu hatte ich mir für 500,- Mark eine neue Schreibmaschine vom Typ „Erika“ besorgt, was auch nicht einfach war.

 

Doch es wurde auf Ormig-Papier und mit einem Schwarz-Weiß-Durchschlag für spätere Kopien abgetippt. Das Ormig-Papier war als Matrize für Vervielfältigungen geeignet und ebenfalls schwer zu besorgen gewesen. Ich hütete meine 200 Blatt wie einen Goldschatz und wusste, dass ich mich nicht oft vertippen durfte.

 

Ende Juli war meine letzte Assistentendienstberatung an der Uni und Professor Hass hatte meinen kinetischen Teil zur Promotionsarbeit gelesen und für gut befunden.

 

Im Juli verteidigte auch der von mir betreute Diplomand, Herr Buchstein, mit gutem Ergebnis seine Diplom-Arbeit. Er bedankte sich sogar bei mir.

 

 

Abschiedsfeier eines Assistenten

 

 

Das Studienjahr 1975/76 ging zu Ende. Die von Steffen Silbereisen und mir betreute Studentenseminargruppe, veranstaltete eine zünftige Abschlussfete. Die Fete fand auf dem Wasser-Wohn-Grundstück von Prof. Schirmer statt. Sein Sohn ging in das von uns betreute Seminar.

 

Es war ein tolles Grundstück, ein kleines Wohnschlösschen, Bootssteg usw. Wir feierten im Freien. Es war recht lustig. Vom Tonband erzählte Otto seine Witze, es gab Spiele im Freien, mancher badete, Bier wurde in einer ausrangierten Wanne gekühlt und es floss auch Schnaps durch unsere Kehlen. Ich war wohl auch recht lustig. Jedenfalls wachte ich am nächsten Tag in der 8. Etage des im Studentenwohnheims am Ostbahnhof wieder auf, allein, noch angezogen, im Bett, mit Filmriss.

 

Meine Aktentasche war auch da, mit meiner Assistentenmonatslöhnung von über 700 Mark und meinem Forschungsbericht zur Promotion. Nach und nach kehrte das Leben in meinem Körper zurück und ich wurde von einigen Studenten meines Seminars vorsichtig informiert, dass ich nach Beendigung der Fete brav mit in die S- Bahn eingestiegen war. Dort soll ich einen Vortrag über die Deutsche Sagenwelt begonnen haben. Es waren die Nibelungen, die ich gerade las. Dann hätte ich versucht, mit einem Studenten Streit anzufangen, dann sei mir schlecht geworden und ich bin schließlich eingeschlafen. Da meine Studenten mir helfen wollten, nahmen mich die Heimbewohner mit und da der Fahrstuhl defekt war, trugen sie mich gemeinsam in die 8. Etage, wo sie mich in einem Zimmer in einem leeren Bett ablegten.

Peinlich, peinlich, als ich aus dem Studentenwohnheim schlich und aufmerksame Passanten mich misstrauisch beobachteten und ein Kind sogar meinte: „Der Onkel hat eingepullert“.

Das war zwar nicht geschehen, doch hatte meine helle Hose im Verlaufe der Party vom Sitzen im Gras verdächtige Flecken bekommen.

 

Nachmittags um 16.00 Uhr in der Marienburger Straße ging es mir schon etwas besser und ich konnte sogar etwas essen. Insgesamt musste ich froh sein, dass mein Geld und mein Forschungsbericht noch da waren. Es hätte alles viel schlimmer kommen können. Doch bin ich sicher, dass meine Studenten sich noch eine Weile an ihren Assistenten und die Abschlussfete erinnerten.

 

Interessant ist vielleicht die Nebenbemerkung, dass die Party auf dem Grundstück meines „Diplomvaters“, Prof. Schirmer, stattfand, dem ich jedoch während meines 1-jährigem Praktikums an der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof am Physikalischen Institut nur ein einziges Mal vorgestellt wurde. Er war fast immer dienstlich unterwegs, meist im Ausland, und hatte ja einen Oberassistenten, Herrn Dr. Stach, der mich dort direkt und intensiv betreute.

 

Ein neuer Job

 

Meinen Hauptwohnsitz hatte ich schon im Sommer 1976 offiziell nach Kleisthöhe verlegt, hatte aber noch die Wohnung in der Marienburger Straße behalten, da ich bis zum Abschluss meiner Promotion noch eine Anlaufstelle in Berlin brauchte.

 

Professor Hass, der Betreuer meiner Promotionsarbeit unterstützte mich persönlich auf seine Art. So ließ er einen Brief an die Wohnungsverwaltung in Berlin aufsetzen, nachdem ich über sechs Monate bereits mit Gundel in der Marienburger Straße dort gewohnt hatte. In diesem Schreiben bat er um eine Legalisierung meines Wohnverhältnisses.

 

In einem Schreiben an das Wehrkreiskommando bat er um Rückstellung meiner Einberufung bis zum Abschluss meiner Promotion. Dafür musste ich mich als Reserveoffiziersanwärter verpflichten, was ich natürlich umgehend tat. Doch wusste ich damals noch nicht, was dies praktisch für mich bedeuten wird. Jedenfalls war es nicht zum Nachteil. Denn ich wurde erst 1980 zur Armee einberufen und wurde nach insgesamt fünf Monaten Dienst in Uniform als Leutnant der Reserve entlassen. Weiter bestärkte er mich auch darin, mit 22 Jahren als junger Assistent Mitglied der SED zu werden und unterstützte mich dabei durch persönliche Fürsprache.

 

Auch bei der Fassung der Doktorarbeit unterstützte er mich und half mir sogar während meiner Verteidigung nach meinem Vortrag durch geschickte Fragestellung. Aber er sah mich auch wie ich war und schrieb in meine Abschlussbeurteilung, dass „ich keine Kritik vertrage“.

 

Damit kann ich zwar heute besser umgehen, aber ich leide noch immer dabei.

 

Im September nahm ich dann meine Tätigkeit im Rat des Kreises Strasburg auf.

 

Zu dieser Stelle bin ich gekommen, da ich naiv wie ich bin, einfach in Strasburg zum Amt für Arbeit ging und dort sagte, dass ich Arbeit suche. Naja, Arbeit hatten sie nicht direkt für mich im Angebot. Doch man sagte mir: „Geh doch mal hoch zum Kreisarzt, der sucht gerade einen.“ So bekam ich meinen neuen Job. Da ich mich entschlossen hatte, mit Gundel auf dem Lande zu leben, gehörte der Jobwechsel zu meinem Neuanfang dazu.

 

 

Teil 7

 

 

Hilfe bei der Doktorarbeit

 

 

Auch meine Eltern und Tina besuchten uns in Kleisthöhe und tummelten sich 1976 im ländlichen Bereich. Vati half am Haus und verglaste ein defektes Bodenfenster neu. Tina war dann bei Schwiegermutter in Göhren zu Besuch. Sarah heiratete ihren Ronald und wir feierten ganz groß in Göhren.

 

Da ich nun meine praktische Tätigkeit als Assistent beendet hatte, lebte ich in Muße, bei ständiger Arbeit an der Promotion und machte schließlich Mitte August mit Steffen in Berlin Endredaktion.

 

Gleichzeitig half mir Sarah beim Tippen und bald waren die ersten Ormig-Seiten fertig. Ich schrieb und feilte noch am experimentellen Teil und den Abbildungen und Zeichnungen. Steffen wollte dann in Berlin alles zusammen abziehen, vervielfältigen  und binden lassen. Nachdem ich mir bereits eine „Erika“ zugelegt hatte, kaufte ich noch einen gebrauchten Fotoapparat. 

 

Günther Romke, ein Kollege von Gundel und Leiter des Fotoklubs der POS Hetzdorf, half mir, indem er mich in seine Klub-Fotokammer ließ. Dort konnte ich alle Zeichnungen kopieren, indem ich sie mit einem in einem Gestell eingespannten Fotoapparat abfotografierte. An dem Gestell waren vier Lampen befestigt, die meine Zeichnungen gut ausleuchteten.

Ich konnte alle Bilder entwickeln und auch Diapositive anfertigen lassen. Diese brauchte ich für den Vortrag zur Verteidigung meiner Dissertation.

 

Im August 1976 erstanden wir für 200 Mark ein Auto, einen alten Moskwitsch 407, der noch lief, aber bald eine neue Batterie brauchte.

 

Ende August 1976 kam Gundel ins Krankenhaus. Sie trug ja bereits Dörte unter ihrem Herzen. Es war alles recht aufregend. Als ich Gundel mit Sarah im Krankenhaus in Prenzlau besuchte, blieben Sarah und ich auf der Heimfahrt noch mit dem Moskwitsch im Straßengraben stecken. Ein Wartburg half uns wieder heraus.

 

Kurioserweise wurde Gundel vom Krankenhaus wieder nach Hause geschickt. Es war noch nicht so weit. Alle hatten sich verrechnet mit dem theoretischen Termin.

 

Am Ende meiner ersten Arbeitswoche in Strasburg, nahm ich gleich am Kreissportfest teil. Da ich ja selbst schon eine Leichtathletik-Schülergruppe in Lemmersdorf betreut hatte, war ich für meine Verhältnisse noch recht sportlich und lief die 100 m in 13,2 Sekunden, stieß die Kugel: 8,87 m und sprang 4,55 m weit.

 

Gleichzeitig mit meiner Einarbeitung beim Kreisarzt, arbeitete ich weiter konzentriert an meiner Promotion. Anfang Oktober hatte ich alle Bilder fertig und übergab meine ersten 70 Seiten, auf Ormig getippt, an Steffen in Berlin zum Abziehen.

 

Am letzten Wochenende im Oktober war es soweit: Sarah tippte Ende Oktober die Thesen. Nun war alles geschrieben und musste noch alles abgezogen, vervielfältigt und die Fotos eingeklebt und die Exemplare gebunden werden.

 

Es sollte noch bis Januar 1977 dauern, bis wir die Promotionsunterlagen komplett hatten. In all den Anstrengungen hinein wurde Dörte im Oktober 1976 geboren. Irgendwie schafften wir es, zu Recht zu kommen. Doch wir hatten auch große Hilfe durch unsere Nachbarn Familie Werner, die uns später als wären sie richtige Großeltern bei der Betreuung unserer Mädchen halfen, aber vor allem Dörte in ihr Herz geschlossen hatten.

 

Auch Herr Fischer half uns mit seinen Maurerkünsten und als im Winter der Strom ausfiel brachte uns Frau Mattula eine Propanflasche mit Gaskocher, damit wir für Dörte warme Milch zubereiten konnten.

 

Das Jahr klang mit einem gemeinsamen Abendbrot mit Familie Werner und Opa Fischer aus.

 

Inzwischen hatten wir auch unsere Kohlenlieferung bekommen und Opa Fischer hatte uns die Stalltür eingesetzt. Ich hatte mir oben mein Arbeitszimmer mit einem ausgedienten Regal vom Rat des Kreises, das man mir für 10 Mark überließ, aufgemotzt und konnte nun alle meine Bücher unterbringen. Ein kleiner elektrischer Raumlüfter half mir mein Arbeitszimmer zu nutzen.

 

Notgedrungen begann ich meine Fahrschulausbildung, da mich Gundel mit dem Trabbi fahren musste, weil ich schon bei Glätte mit dem Motorrad gestürzt war und hierbei der Rahmen brach. Eckart Meyer half und reparierte alles wieder.

 

Trotz aller Aufgaben und mit allen Freuden über unseren kleinen Schatz, Dörte, lief ich am Wochenende ab und zu circa 5.000 Meter über Hetzdorf, Lemmersdorf und zurück nach Kleisthöhe, wobei Teddy mich begleitete.

 

Doch es vergingen noch Monate intensiver Vorbereitung, bis ich meine Promotionsarbeit verteidigen konnte. Im März 1977 hatte ich schließlich die Diapositive für den Vortrag fertig.

 

Da Gundel mit Dörte freigestellt war, begann sie im Sommer den Um- und Ausbau unseres Hauses zu organisieren. Wir hatten die Haushälfte zum Schätzpreis für 2.300,- Mark von der Gemeinde abgekauft.

 

Der ganzen Sippe um Otto Freut sei Dank und auch den Nachbarn sowie Sarah und Ronald, die alle beim Bauen halfen. Wir wohnten die Sommermonate praktisch auf einer Baustelle. Manchmal schliefen 10 Personen bei uns am Wochenende. Doch es lohnte sich und wir hatten schließlich ein Bad, eine Terrasse, eine Garage, eine Klärgrube“, eine neue Elektro-Anlage unter Putz, neue Türen und Fenster. Wir gaben rund 20.000 Mark von unserem Kredit aus.

 

 

Man lernt nie aus

 

Doch mein neuer Job brachte es mit sich, dass ich umlernen musste. So begann ich gleichzeitig das Studium Staat und Recht und einen Kurs an der Kreisparteischule.

 

Auf meiner Arbeitsstelle erlebte ich nach einem Jahr meiner Tätigkeit, die Tragödie, dass mein Chef, Dr. Steiff, Suizid begann und Frau und Tochter ihn nach einer Wochenendfahrt tot vorm Fernseher fanden, nachdem er ausreichend Barbiturate und Rotwein zu sich genommen hatte.

 

Ich bekam bald einen neuen Chef, Dr. Eixner, den damaligen Leiter der Kreispoliklinik. Dr. Isemann wurde in der Folge neuer ärztlicher Direktor und Herr Köhler wurde Kreiszahnarzt.

 

Im Winter 1977/78 richtete ich mir im Keller eine provisorische „Dunkelkammer“ ein und begann mit der eigenen Entwicklung von Filmen und der Herstellung von Fotos.

 

Inzwischen bildete ich mit Frau Fertig eine Fahrgemeinschaft. Hier stand uns noch nach dem Unfalltod ihrer Tochter ein weiterer Suizid bevor.

 

Dörte war im Mai 1978 bereits 1½ Jahre alt und kam in die Krippe. Doch sie überstand, wie später Bettina, die tägliche Trennung von ihren Lieben, nur schlecht. Sie wurde krank, bekam Durchfall, Stoffwechselprobleme und musste sogar ins Krankenhaus.

 

Bettinchen, die später mit 10 Monaten bereits in die Krippe kam, erging es genauso. Da sieht man wie die lieben Mädchen an uns hingen und dass eine Trennung auch krank machen kann.

 

Doch noch war es nicht ganz so weit und unser Dörtchen wurde wieder gesund und unser Bettinchen wollte im September noch nicht auf die Welt kommen. Gundel kam aus dem Krankenhaus wieder nach Hause. Es war wieder zu früh. Doch dann Anfang November war es so weit. Unser Bettinchen erblickte das Licht der Welt.

 

Inzwischen fuhr ich selbst unseren Trabbi und Eckhard half mir, ihn fahrtüchtig zu halten. Wir hatten den Trabbi zum Schätzpreis für 2.300,- Mark von Pastor Runge abgekauft.

 

Er war auch nicht mehr wert, da vieles auf Verschleiß gefahren war und Türen und Karosserie schlackerten. Doch er sollte uns noch viele Jahre begleiten und er wurde von Jahr zu Jahr besser und aufgemotzt. Doch es sollten noch 3 Jahre vergehen, bis wir eine neue Karosserie bekamen.

 

Die Freude am Heranwachsen und an der Entwicklung der Mädchen, die Hilfe und Freundlichkeit der Nachbarn, Gundels Arbeit als Lehrerin und meine beim Kreisarzt, die Beschäftigung im Garten und in der Natur je nach Jahreszeit, die Feiern und Feten, die in Kleisthöhe, in der Gemeinde, in der Schule, im Rat des Kreises gefeiert wurden, ließen die Jahre schnell vergehen und ich erinnere mich an viele schöne Stunden.

 

In dieser Zeit absolvierte ich die Kreisschule für ML und das 2-Jahres-Fernstudium „Staat und Recht“ und wurde gleich weiter zur Bezirksparteischule geschickt, wo ich 2 Jahre im Fernstudium absolvierte. Das Lernen hörte für mich damals nicht auf. Woher sollte ich denn wissen, dass ich vieles davon nach der Wende 1990 nicht mehr gebrauchen konnte und das bürgerliche Recht studieren durfte.

 

Unsere Mädchen wuchsen, abgesehen von ihren Rückschlägen beim ersten Krippenbesuch in großer Liebe und Aufmerksamkeit auf. Gundel und ich waren beide beruflich und gesellschaftlich zeitlich stark eingespannt waren. Den zeitlichen Mangel, den wir selbst für unsere Mädchen hatten, kompensierten vor allem unsere Nachbarn, Familie Werner, Familie Meyer, die Schwiegermutter, das vertraute Umfeld in der Krippe, im Kindergarten, später in der Schule, und ihre Freundinnen und Spielgefährten.

 

Aber man muss auch sagen, dass wir jede freie Minute bewusst mit unseren Mädchen verbrachten und bei zwei Ost-Fernsehprogrammen der Fernseher noch nicht den Einfluss auf die Freizeitgestaltung der Kinder und Eltern hatte wie heute.

 

Es gab bestimmte Rituale. So wurde abends etwas vorgelesen oder zur Gitarre vorgesungen. Später dann kam ein kleines ungarisches Kassettentonband hinzu mit Märchenkassetten. Doch ich nahm auch selbst etwas auf für die Mädchen. Z. B. ließ ich den Recorder mitlaufen, als ich ihnen aus dem Dschungelbuch vorlas. So konnten sie es sich mehrmals anhören.

 

Wichtig war auch das Baden am Samstagabend und dies dauerte eine ganze Zeit, da erst der Badeofen zu heizen war und der kleine Fernseher auf der Waschmaschine stand. Auch musste der Badeofen solange geheizt werden, bis der letzte gebadet hatte. Die Zeit verging in Kleisthöhe wie im Fluge.

 

Anfang 1982 war ich immer noch mit der Bezirksparteischule in Neubrandenburg (BPS) befasst und bemühte mich ernsthaft um gute Noten. Doch das Lernen fiel mir wie immer schwer.

 

Nachdem ich Kreisvorsitzender der Volkssolidarität (VS) wurde, ließ auch die Mitgliedschaft im Bezirksausschuss der VS nicht lange auf sich warten. Die Urania, das DRK, die SED, die Gemeindevertretung griffen nach meiner Freizeit und beschränkten vor allem meine Zeit für die Mädchen.

 

Dörte fuhr nun im Mai schon selbst mit dem Bambi-Rad nach Hetzdorf zum Kindergarten. Ich konnte mir auch endlich ein Klappfahrrad kaufen und versuchte damit meiner Gewichtszunahme und meinem wechselnden Bier- und Nikotin-Konsum etwas entgegenzusetzen.

 

Gundel war inzwischen Direktor für außerunterrichtliche Tätigkeit (AT) geworden und hatte sich damit echt übernommen. So dass Dr. Becker, unser Hausarzt und Leiter des LA Jagow, bald ein Überforderungssyndrom bei ihr diagnostizierte.

 

In Hetzdorf feierte der Filmklub „10 Jahre Filmvorführung Hetzdorf“. Da mussten wir auch dabei sein.

 

Oft verhinderten unverhoffte Besuche der lieben Nachbarn, wie Familie Meyers oder auch von Sarah und Klaus, dass sich mein Lerneifer und Prüfungsstress voll entfalten konnten. Aber mit etwas Glück kam ich durch alle Prüfungen und erreichte trotz Jammern und Stöhnen überall sehr gute Noten in meinem Studium an der BPS.

 

Es ging in den folgenden Jahren mit mir immer mal etwas auf und dann wieder nieder.

 

Einerseits vollbrachte ich kleine Heldentaten für die Familie und im Beruf doch andererseits hing ich zeitweise mal wieder durch und ließ ich mich gehen bei Bier und Zigaretten.

Als zeitweise auftretende Behinderung neben Bier und Nikotin-Konsum muss ich noch meinen chronischen Heuschnupfen erwähnen, der auch noch bis heute, wenn auch nur abgeschwächt, bei mir wirkt.

 

Unser Trabbi war in dieser Zeit das wichtigste Transportmittel, das wir hatten. Ich denke noch heute mit Unbehagen daran zurück, wenn dieser mal muckerte und in die Werkstatt musste.

Das ist kein Vergleich zu heute. Jedes Ersatzteil musste man selbst beschaffen und die Werkstattmitarbeiter waren kleine Könige, die ich ständig bestechen musste. Das mindeste war eine Flasche Goldkrone zu 27,- Mark. Trotzdem musste ich noch manchmal zwei Wochen warten, bis ich den Trabbi wieder aus der Werkstatt zurückbekam. So ging es uns mal wieder im Sommer dieses Jahres.

 

Wir fuhren dann in der Zwischenzeit alle viel Fahrrad. Zum Glück fuhr auch ein Aufsatzwagen der LPG. Daher fuhr ich auch mit dem Fahrrad zum Betriebssportfest nach Strasburg und nahm dort an allen möglichen Disziplinen wie Schlängellauf, Medizinballweitstoßen, Tauziehen und Fußball teil. Dann fuhr ich abends wieder mit dem Fahrrad zurück nach Kleisthöhe und anschließend noch mit Gundel zur Lehrertagsfeier nach Hetzdorf.

 

Nebenbei studierte ich zeitweise viel zu Hause, hielt Verträge für die Urania, besuchte Gemeindevertretersitzungen, mähte Futter für die Kaninchen, schrieb eine Eingabe zum Melkstand an unserem Wohngrundstück und fuhr auch mal mit dem Fahrrad in die Gaststätte nach Hetzdorf auf einige Bier. Mal lebte ich vorbildlich und solide und manchmal auch nicht.

Zeitweise belasteten mich auch Gundels Depressionen wegen ihres Jobs und der Ärger, den sie als stellvertretende Direktorin für AT hatte. Nebenbei waren auch noch für verschiedene Organisationen jeweils eine Reihe Zuckerrüben zu hacken, wie z. B für die Gemeinde, für den FDGB und für den Rat des Kreises.

 

Nachdem der Trabbi kaputt war und Gott sei Dank endlich wieder lief, gab nun plötzlich der Kühlschrank seinen Geist auf. So konnten wir ihn mit dem frisch reparierten Trabbi gleich zur Reparatur nach Strasburg fahren.

 

Im Juli hatte ich auch endlich vier Wochen Urlaub. Es gab einiges zu tun, wie in jedem Urlaub. Herr Fischer lieh mir seinen Holzrahmen zum Gießen von Beton- Platten und ich goss nach und nach 40 Platten für unseren Plattenweg vor dem Haus. Wir fuhren auch zweimal mit den Mädchen nach Pasewalk zum Freibad, waren in Schwedt zu Besuch bei Gundels Freundin und besuchten die Eltern in Berlin. Wobei die Eltern uns während meines Urlaubs ebenfalls besuchten.

 

Im September ging dann nach dem Kühlschrank nun auch noch der Fernseher kaputt. Alle Reparaturen waren etwas kompliziert zu organisieren. Wir mussten den Fernseher, wie die Waschmaschine zuvor selbst mit dem Trabi zur Werkstatt nach Strasburg schaffen und uns beim Fernseher sogar 14 Tage gedulden, bis wir ihn wieder bekamen. Dabei war es nur ein kleiner Kofferfernseher vom Typ „Junost“. Doch bald begann auch das neue ungarische Tonbandgerät zu muckern.

 

Der September war oft der schönste Monat des Jahres für mich persönlich, da dann der Heuschnupfen weg war und wir mit den Mädchen schöne Spaziergänge machten, mit ihnen Kastanien sammelten und im Garten die Ernte nach und nach einbrachten.

Das Tonbandgerät kam nun ebenfalls in die Werkstatt und wir trösteten uns solange mit dem alten Schallplattenspieler.

 

Zu meinem Geburtstag holte ich die Eltern mit dem Trabi aus Berlin ab und fuhr sie dann hinterher wieder nach Prenzlau zum Zug. Auch Ilona und Otto fuhr ich nach Neubrandenburg, die ebenfalls zu meinem Geburtstag kamen.

 

Funktionen, Funktionen

 

Ende September hatte ich den Kreisausschuss der VS zu leiten. Als Vorsitzender der VS hatte ich auch angenehme Aufgaben. So war ich z.B. Anfang Oktober bei Familie Wolke in Klein Luckow zur Goldenen Hochzeit gratulieren.

 

Zum Jahrestag der DDR waren Gundel und ich abends in Schlepkow zum Tanz.

 

Wir pflanzten noch im Herbst zwei Blaufichten und zwei serbische Fichten in unseren Vorgarten. Ich las von Flaubert „Erziehung der Gefühle“ aus der Broschüren-Reihe Taschenbibliothek der Weltliteratur (TdW).

 

Im Rat des Kreises wurde ich auch noch Propagandist für das Parteilehrjahr in meinem Ratsbereich Gesundheitswesen. Dem Kreisarzt zu Liebe nahm ich sogar an der Grippeschutzimpfung teil. Als Mitarbeiter im Gesundheitswesen sollten wir wenigstens Vorbild sein.

 

Eine besondere Ehre bestand für mich darin in der Kleinfeld-Fußball-Mannschaft des Kreisarztes mitzuspielen. Sonntags traten wir dann gegen andere Mannschaften aus medizinischen Einrichtungen, wie z. B. die vom Krankenhaus Prenzlau, an.

 

Ende Oktober hatten wir auch die letzten Äpfel geerntet und Gundel, die Mädchen und ich begannen Hagebutten zu sammeln. Obwohl der Trabbi erst vor kurzem und recht lange in der Werkstatt war, hatte er plötzlich keine Bremsflüssigkeit mehr. Mit langsamer Fahrt unter Benutzung der Handbremse kam ich früh zum Dienst beim Rat des Kreises an. Dort halfen mir die Kraftfahrer mit Bremsflüssigkeit aus. Natürlich für ein kleines Trinkgeld.

 

Ende Oktober drängen mich Termine vom DRK, der Urania, der Veteranenkommission, und vom Parteilehrjahr. Da Dr. Eixner Urlaub hatte, fing ich seine Termine auch noch ab und musste für ihn zur Leiterdienstberatung und zur Kreisärztedienstberatung.

 

Da ich langsam eine ganze Menge Funktionen übertragen bekommen hatte, versuche ich welche wieder los zu werden. Hierzu sprach ich mit dem Urania-Kreis-Vorsitzenden, Herrn Lieberknecht, und teilte ihm mit, dass ich nicht mehr für den Kreisvorstand kandidieren möchte.

 

Desgleichen schrieb ich an die SED-Kreisleitung, dass mir die Veteranenkommission zu viel geworden ist. Außerdem sollte ich sogar noch Mitglied der Kreisparteikontrollkommission werden, wofür ich bereits diverse Fragebögen ausgefüllt hatte, insbesondere über meine verwandtschaftlichen Beziehungen, wo denn alle eventuellen Westkontakte überprüft werden konnten. Es wurde dann jedoch, vielleicht zu meinem Glück, nichts mit meiner Berufung in die KPKK.

 

Für die Gemeindevertretung wollte ich auch nicht mehr kandidieren. Natürlich erntete ich keine Begeisterung für meine Bemühungen Funktionen abzugeben. Doch bekam ich meist mehr neue dazu, als ich alte wieder loswerden konnte.

 

Unser aktueller Hund, Bella, war doch etwas aggressiv gegenüber einen älteren Dorfbewohner namens Paul Rost, so dass wir uns von unserem Hund trennen mussten. Da wir fast ständig zwei Hunde hatten, blieb uns dann noch Teddy übrig, der lammfromm war.

 

Da ich doch nicht so viel Zeit für die Mädchen hatte und gerade abends öfter unterwegs war, überspielte ich für die Mädchen Märchen vom Plattenspieler auf Tonbandkassetten und sprach ihnen auch selbst etwas drauf, indem ich das Band mitlaufen ließ, wenn ich ihnen etwas vorlas. So konnten sie sich alles beliebig oft anhören.

 

Bald kannten sie einige Märchen, besonders von den Gebrüdern Grimm, schon auswendig. Auch das Dschungelbuch mit Mowgli gefiel ihnen.

 

Ich selbst las auch fast täglich ein paar Seiten in einem preiswerten Buch der Reihe TdW. Diese kleinen Broschüren waren immer schwer zu bekommen und fast sofort nach ihrem Erscheinen bereits vergriffen. Ich ließ mir öfter ein Exemplar in Strasburg am Zeitungsstand zurücklegen. Zurzeit las ich gerade von Puschkin „Pique Dame“.

Ich bestellte auch ein Abonnement beim Buchclub 65 um noch mehr Lesefutter zu bekommen. Ich las auch gern die Roman-Zeitungen, die ich für 8o Pfennig im Monat bei unserer Postfrau in Kleisthöhe, Frau Frank, bestellt hatte. Hier las ich gerade „Die Marsfrau“.

 

Leider gelang es mir in diesem Jahr insgesamt nicht mehr, eine stabile gesunde Lebensweise durchzuhalten und so trank ich regelmäßig jeden Abend Likör oder Weinbrand und rauchte dazu. Kurzzeitig bäumte ich mich mal wieder auf und lebte ein paar Tage gesund und joggte wieder. Doch dann kam wieder ein Rückfall, der häufig von feucht fröhlichem Besuch von Meyers oder nach einer Feier eingeleitet wurde.

 

Im November schwenkte ich mal gerade wieder auf eine gesunde Lebensweise, da die ungesunde mir arg zusetzte, so dass ich bereits Blut im Stuhl hatte und mein rechtes Augenlid auch merklich zuckte. Es gelang mir, nicht zu rauchen und ich griff sogar zum Expander und fing wieder an zu laufen und lief die fünf Kilometer von Kleisthöhe über Hetzdorf nach Lemmersdorf und wieder zurück nach Kleisthöhe. Trotz aller Muße bin ich schon konsequent, wenn ich eine gesunde Lebensphase habe. Der junge kleine Teddy-Hund muss herhalten und mit mir die 5.000 m laufen, auch wenn er dies noch etwas widerwillig oder missmutig mitmacht. Hinterher habe ich meist noch schön warm geduscht.

 

Gerade bei den Fußball-Turnieren mit den Ärzten hatte ich gespürt, dass ich wieder mal körperlich abgebaut hatte. Die Fußballturniere meines Kreisarztes führen mich unter anderem auch bis nach Schwedt. Zum Glück überredete ich Werner Brand zum Teilnehmen, so dass ich wenigstens einen Kumpel hatte bei den vielen „Medizinern“.

 

Meine Appelle zu meiner Entlastung von Funktionen blieben leider erfolglos. Daher suchte ich andere Wege um mich zu entlasten. Ich ließ einfach einige Veranstaltungen aus. So blieb ich z. B. unentschuldigt der Veteranenkommission fern und fehlte auch unentschuldigt beim Kreisausschuss der Nationalen Front. Eine andere Taktik sah so aus, dass ich mich vorher entschuldigte und dann auch fehlte. Häufig hatte ich zwei Veranstaltungen zur gleichen Zeit. So entschuldigte ich mich mit meiner Teilnahme an der jeweils anderen Veranstaltung und nahm selbst an keiner von beiden teil.

Für die Bezirksparteischule (BPS) hatte ich auch noch einiges zu tun. Ich versuchte es weiter, den Dschungel meiner Funktionsvielfalt zu entwirren und welche abzubauen. Doch dies blieb ein schwieriger Prozess.

 

Da Gundel schon längere Zeit beruflich überfordert und in ärztlicher Behandlung war, wollte ich irgendwie klar kommen und alles unter einen Hut bringen. Denn Dank erwartete ich nicht, wenn ich mich hierbei aufopferte. Ich nahm bereits Vitamin-B-Tabletten für meine Nervenberuhigung.

 

Seit langer Zeit konnten wir etwas Geld sparen und hatten erstmalig 1000,-Mark auf dem Konto, was auch wichtig war, da unser bestelltes Moped vom Typ Schwalbe im kommenden Frühjahr geliefert werden sollte.

 

Nun wurde es auch langsam Zeit, Kaninchen zu schlachten. Auch Meyers schlachteten gerade Hähnchen, so dass wir zu den Wochenenden gut versorgt waren.

 

Auch mein Kreisarzt wollte gesund leben und fuhr daher kurzfristig einen Monat zur Kur. Prompt hatte ich seine Aufgaben gleich noch mit am Hals. Weiter übertrug man mir zusätzlich die Betreuung der Gemeindevertretung Hetzdorf als Beauftragter des RdK.

 

Dennoch entschädigte uns das Wetter und wir verleben herrliche Herbsttage und bald auch den ersten Bodenfrost. Dörte hatte auch nervliche Probleme. Sie pullerte leider ab und zu ein, was ihr jedes Mal sehr peinlich war.

 

Ende November kamen wie gewohnt neblige Tage. Das war für mich das richtige Wochenend-Wetter zum Briefmarken sortieren und zum Briefmarken abweichen. Ich trocknete sie auf Handtüchern und sortierte sie anschließend in Steckalben ein.

 

Wie jedes Jahr war der Tag des Gesundheitswesens im Dezember vorzubereiten. Das bedeutete für mich, die Rede für den Ratsvorsitzenden zu schreiben, Einladungskarten anzufertigen und zu versenden, ein kleines Kulturprogramm zu organisieren, Getränke und einen Imbiss zu bestellen, und Auszeichnungen vorzubereiten. Der Tag des Gesundheitswesens wurde wieder eine ordentliche Fete und es ging auch diesmal Jahr hoch her. Ich trank mit einigen Leuten Brüderschaft und rauchte eine Zigarette mit Dr. Becker, die er mir zuvor „ärztlich verordnet“ hatte.

 

Nach den Nebeltagen im November, begann der Dezember mit frostigen Nächten. Zur Winterfestmachung steckte ich den Filtereinsatz beim Trabbi um, damit er warme Luft vom Heizschlauch her ansaugt und schrieb auf, dass Defroster-Spray gekauft und die rechte Tür vom Trabbi abgedichtet werden muss.

 

Gundel ist weiter gestresst und überfordert. Im nächsten Frühjahr wird sie wahrscheinlich den Posten des Pionierleiters los. Ob es dann leichter für sie wird? Doch zurzeit wird es eher schlimmer. Dr. Becker, unser Hausarzt, schreibt sie erst einmal krank.

 

Dörte putzte einen Stiefel für den Nikolaus und beide Mädchen freuten sich über die kleinen Geschenke in ihren Schulen.

 

Bei meiner letzten Prüfung an der BPS hatte ich wie zuvor auch Glück und bekam eine Frage über Jugendpolitik. Nun habe ich alles übergestanden und einen sehr guten Abschluss gemacht. Jedoch habe ich gleichzeitig eine depressive, leidende Gundel an meiner Seite, was mich wiederum belastet. Daher besteht insgesamt kein Anlass zu großer Freude über meinen Erfolg.

 

Mich trifft ihr Misserfolg als Lehrerin auch und ich leide darunter. Doch kann ich ihr kaum helfen, da ich ständig selbst Hilfe benötige. Mein Problem ist nach wie vor mein mangelndes Durchsetzungsvermögen. Dadurch habe ich viel mehr Aufwand, meine Mitarbeiter zu leiten.

 

Zu unserem 7. Hochzeitstage hatte ich 15 Nelken für Gundel in der Garage zu stehen. Darüber freute sie sich sehr. Das Jahr 1982 klang aus mit einer Fahrt nach Berlin zu meinen Eltern.

 

 

                                                                                           Teil 8

 

 

                                                                                    Das Jahr 1983

 

Wie jedes Jahr nahm ich mir vor, im neuen Jahr nicht mehr zu rauchen. Doch das Jahr 1983begann anstrengend für mich, da Dr. Eixner sich eine Woche auf einem Zivilverteidigungs-Lehrgang „erholte“ und ich gestresst, trotz meiner sonstigen bescheidenen und ruhigen Art, zu meinen lieben Kolleginnen sagte, dass sie ja blöd sind. Damit landete ich einen „Volltreffer“ im negativen Sinne. Neue Spannungen im Ratsbereich waren das Ergebnis für mich. Positiv ist, dass ich immer noch in einer meiner gesunden Phasen ohne Nikotin und ohne Alkohol lebe.

 

Gundel singt gern im Hetzdorfer Chor mit, was ihr viel Freude macht und wo sie hoffentlich auf bessere, positive Gedanken kommt. Sie liest gerade„ Lady Chatterly“ aus der Reihe TdW.

 

Leider zeigte sich der LPG-Vorsitzende, Herr Kunz, im persönlichen Gespräch uneinsichtig, hinsichtlich des Melkstandes an unserer Grundstücksgrenze. Der sollte nach seiner Ansicht bleiben. Daher schrieb ich eine Eingabe an den Ratsvorsitzenden.

 

Samstags Vormittag habe ich immer die Mädchen zu betreuen, da Gundel in der Schule zum Unterricht ist. Ich versuche die lieben Kleinen, so gut es geht, zu beschäftigen. Das heißt, ich versuche sie zum Staubwischen zu animieren, zum Basteln, zum Zeichnen und sie dürfen dann auch spielen, was sie wollen. Nebenbei sauge ich Staub und koche das Mittagessen nach Kochbuch.

 

Das Kuriose ist, dass meine im neuen Jahr praktizierte gesunde Lebensweise mir nicht den gewünschten Effekt bringt. Ich bin vor allem häufig müde oder habe ein höheres Schlafbedürfnis als sonst. Ende Januar wurde die Schwalbe ausgeliefert. Sie kostete 1.755,- Mark. Es hatte gerade gefroren und ich weihte sie gleich mit einem kleinen Sturz vor Fahrenholz ein.

 

Schon Ende Januar auf dem Skat- und Kegelabend der Lehrer wurde ich wieder einmal schwach und trank und rauchte wieder. Ein erneuter Rückfall. Ich versuchte mich wieder aufzuraffen und machte sogar wieder etwas Frühsport. Doch am letzten Wochenende im Januar kamen Meyers mit Schnapskirschen und zwei Flaschen Bier und ich hatte meinen nächsten Rückfall.

 

Der Februar wurde ein schöner winterlicher Monat. Abgesehen davon, dass wir zwei Tage ohne Strom blieben, holten wir Ski, Schlitten, Eisgleiter heraus und die Mädchen rutschten mit uns auf ihren kleinen Füßen durch die Gegend und Teddy lief natürlich immer mit. Sogar auf den Tümpel bei Matulla konnten die Mädchen mit ihren Eisgleitern. So stark war der Frost.

 

In der zweiten Ferienwoche hatte ich Urlaub genommen und tapezierte nebenbei den Flur.

In diesem Jahr begann ich im Chor des Rates des Kreises zu singen.

 

Gundels Überforderungssyndrom führte zu dem angenehmen Ergebnis, dass sie eine Tätigkeit im Kindergarten aufnehmen konnte und von der Schule los kam. Sie lebte merklich auf.

Der „ Geldverlust“ durch geringeren Verdienst war für uns nicht wichtig, da wir sowieso fast nie Geld hatten oder immer relativ wenig.

 

Im Sommer bekamen wir zum ersten Mal eine FDGB-Ferien-Reise nach Röbel genehmigt, direkt an die Müritz. Die Eltern hüteten inzwischen in Kleisthöhe ein und wir verbrachten zwei tolle Wochen. Viel Aufregung hatten wir allerdings, als unser Bettinchen vom Steg aus in die Müritz fiel.

 

Gundel war als Kindergärtnerin nun auch sonnabends zu Hause. Das war eine große Erleichterung für mich und für die Mädchen gut.

Dörte kam nun in die Schule. Leider nässte sie immer noch ab und zu ein und litt dann jedes Mal sehr darunter.

 

Im Park wurde ein neuer Brunnen gebohrt, so dass wir besseres Wasser und einen höheren Wasserdruck hatten, was eine echte Verbesserung beim Duschen war.

 

Im Oktober durften alle Mitarbeiter des RdK bei der Apfelernte in Groß Miltzow helfen. Täglich stellte unser Ratsbereich Gesundheitswesen zwei Mitarbeiter dafür ab. Es war ein angenehmer Ausgleich zur Büroarbeit und es gab jede Menge Äpfel.

 

In dieser Zeit, als es bereits merklich kühler wurde, erhielten wir eine schriftliche Zuweisung für einen elektrischen Heizlüfter, den ich zuvor beantragt hatte. Normal gab es keinen zu kaufen. Wir bekamen auch Einkellerungskartoffeln geliefert und ich kaufte Keimstopp. Nun konnte der Winter kommen.

 

Unser Großmäuser wurde im Oktober Jungpionier. Ich fotografierte sie in ihrer schicken Uniform mit Bettina im Garten vor dem Haus.

 

Auf Arbeit machten meine Bemühungen zur Rekonstruktion des Pflegeheimes Mildenitz Fortschritte. Die Baugrunduntersuchungen hatten begonnen und ich hatte die nächsten Jahre noch genug damit zu tun, da die finanziellen Mittel vorn und hinten nicht reichten und Baumaterial und Arbeitskräfte außerhalb des Plans besorgt werden mussten. Jedenfalls fehlte ständig irgendetwas und es war schon eine Kunst alles in der richtigen Reihenfolge zu besorgen, damit das Bauvorhaben vorankam.

 

Ende Oktober machte mir unser Ratsmitglied für Verkehr, Norbert Rauh, berechtigte Hoffnungen, dass wieder einmal ein Stück an unserer Straße nach Fahrenholz gebaut wird. Dafür nahm ich gern, glitschige und zum Teil auch unwegsame Umleitungen über Feldwege in Kauf. Aber es sollte noch bis zum Jahre 1989, dem Jahr der Wende dauern, bis man sie in einem Stück befahren konnte. Insgesamt blieb es Flickwerk und man sieht ihr bis heute die einzelnen Bauabschnitte aus Beton, Bitumen und abwechselnd wieder Beton an.

 

Aus heutiger Sicht hatte ich Glück, da die SED-Kreisleitung nach anfänglicher, eiliger Vorbereitung schließlich doch davon absah, mich in die Kreisparteikontrollkommission aufzunehmen.

 

Der Wintereinbruch mit starkem Frost kam relativ früh. Ich besorgte und befestigte einen durchsichtigen Windschutz an der Schwalbe, was sich auch bei kaltem Regenwetter spürbar bemerkbar machte. Man saß und fuhr geschützter.

 

Zu Dörtes siebenten Geburtstag, hatte ich wie jedes Jahr wieder kleine Preise gekauft, vor allem Süßigkeiten. Von Werners bekamen wir anlässlich des Geburtstages ein Huhn geschenkt und Schwiegermutter schenkte uns ein Uhrenradio für 87,- Mark West, was uns wie ein großer Luxus vorkam.

 

Dörtes kleine Geburtstagsgäste waren Arlett, Dana, Kati, Renè und auch Mike Meyer. Sie tobten wie immer recht wild und ausgiebig. Beim Topfschlagen wurde sogar die Kelle zerbrochen und ein Henkel vom Topf abgeschlagen. Die Kinder verkleideten sich mit Tüchern und Nachthemden.

Abends kamen wie stets noch Werners und Meyers zum Abendbrot. Dörte wurde reich beschenkt. Sie bekam eine Armbanduhr mit einer Katze auf dem Ziffernblatt mit zwei tickenden Augen. Wir zeigten zur Freude der Gäste noch Farbdias mit dem Projektor an einer kleinen Leinwand.

 

Der Herbst hatte wie immer noch schöne Tage. Diese nutzte ich und sorgte für unsere 13 Kaninchen, hackte Holz, pflanzte einen Klarapfelbaum und schwarze Johannisbeersträucher.

 

Der neue Raumlufterhitzer half uns im Bad. Mit einigen Tricks und Dringlichkeitsanträgen wurde für uns eine sogar noch eine neue Telefonleitung verlegt und ein Telefon angeschlossen.

Das war für DDR-Verhältnisse schon etwas Besonderes.

 

Nach zwei Monaten bekamen wir die Dias von Dörtes Einschulung zugeschickt. Diese wurden übrigens von Foto-Meyer in Anklam entwickelt. Doch damals wussten wir noch nicht, dass Anklam noch eine größere Bedeutung für uns bekommen würde. Die Dias brauchte ich nur noch einzurahmen, dann konnten wir sie gemeinsam betrachten.

 

Seit einiger Zeit war Gundel nun in psychologischer Behandlung in Strasburg und befasste sich u. a. auch mit dem autogenen Training. Ich selbst versuchte es auch mit dem autogenen Training. Ich machte es jedoch nicht wie Gundel unter fachlicher Anleitung, sondern im Selbststudium. Ich benutze es zuweilen bis heute. Später bei der Armee versuchte ich mit autogenem Training im Wachdienstrhythmus den Kurzschlaf zu nutzen.

 

Auf Arbeit gehe ich inzwischen häufig eigene Wege. Nach und nach habe ich mich vom gemeinsamen Pausengeschehen mit den Kolleginnen abgeseilt seitdem es eine Frühstücks- und Kaffeeecke in der Nähe der Kantine gibt. In der Mittagspause mache ich kleine Spaziergänge zum Stadt-See und sitze regelmäßig fünf Minuten auf meinem Taschentuch auf einer Bank am Stadt-See und schaue auf das Wasser. Diese Spaziergänge waren sehr angenehm für mich, beruhigten meine Seele, gaben mir etwas von innerem Frieden.

 

Auch später in Anklam versuchte ich wieder in der Mittagspause meinem Büroalltag zu entfliehen und hoffte dabei auch, dass mein Bäuchlein etwas im Wachstum gebremst wird. Damals und später suchte ich nach vermeintlichen Schicksalsschlägen oder wenn meinen Seele verletzt wurde bei ausgedehnten Spaziergängen über Feld und Wiese oder am Stadtrand von Anklam entlang, einen emotionalen Ausgleich und neuen Mut.

 

Als Mitglied des Chores des Rates des Kreises hatte ich die ehrenvolle Aufgabe zur kulturellen Umrahmung unserer SED-Grundorganisations-Leitungswahl mit beizutragen. Dies war mein erster Auftritt mit dem Chor und wir sangen tatsächlich u. a. auch das Lied “Die Partei, die Partei, die hat immer Recht“, was aus heutiger Sicht natürlich schwach war. Später hatten wir auch angenehmere Auftritte z. B. bei Jugendweiheveranstaltungen, zum Tag des Gesundheitswesens, in Altersheimen oder zum Dorffest. Ich ging gern zu den Chorproben und fand hier einen angenehmen Ausgleich. Mit meinem Sangesbruder Gerhard Diesel vom Schulwesen verstand ich mich ganz toll und wir machten gemeinsam manchen Spaß im Chor.

 

Nach Dörtes Geburtstagsfeier folgte wie jedes Jahr kurz darauf Bettinchens Geburtstag. Sie wurde nun auch schon fünf Jahre alt. Auch für sie richteten wir stets eine Kindergeburtstagsparty aus mit kleinen Gästen, Spagetti mit Tomatensoße, Wettkämpfe, Kinderspiele usw. Die kleinen Gäste holte ich mit dem Trabbi ab und brachte sie hinterher auch wieder nach Hause zu ihren Eltern.

 

Als Mitarbeiter im Ratsbereich Gesundheitswesen, hatte ich die Möglichkeit an ein kleines Aufputschmittel mit dem Namen Turivital heranzukommen. Dieses Mittel war eigentlich für Funktionäre gedacht, die dienstlich oder privat etwas mehr Alkohol konsumierten. Es sollte bewirken, dass sie am nächsten Tag wieder frisch sind. Es enthielt viel Koffein, Zitronen- und Salicylsäure. Regelmäßige Einnahme war jedoch nicht empfehlenswert. Ich selbst hatte auch Probleme mit dem Turivital, da ich nach mehrfacher Einnahme sogar Blut im Stuhl hatte. Manchmal half mir das Turivital nach einer Geburtstagsfeier oder einer anderen Feier.

 

Doch schon während meines Studiums an der Humboldt-Universität hatte ich Aufputschmittel genommen. So konsumierte ich Ascovit und Koffeintabletten und starken Pulverkaffee. Aber schon damals hatte ich Probleme damit, da ich manchmal nach einer Überdosis die ganze Nacht nicht mehr schlafen konnte und dann unausgeschlafen ins Labor oder sogar zu einer Prüfung musste. Hinzu kam damals noch starker Nicotin-Genuss. Ich rauchte gekaufte und selbst gestopfte Zigaretten, Zigarillos und auch Pfeife.

Immer wenn ich die Überdosis spürte und merkte, dass meine Nerven angegriffen waren, verfiel ich wieder ins andere Extrem und trank wochenlang nur Milch und keinen Bohnenkaffee und rauchte auch nicht, bis es mich wieder mal überkam.

 

Ende November raffte ich mich mal wieder auf und lief mit Teddy meine Runde. Zum Jahresende bekamen wir noch eine FDGB-Reise nach Friedrichroda für 3 Personen genehmigt.

 

 

Das Jahr 1984

 

Natürlich reisten wir dann im Februar mit vier Personen in Friedrichroda an und bekamen auch zusätzlich eine Aufbettung für unser Bettinchen. Dafür erhielten wir aber ein kaltes Außenwandzimmer mit einer Höchsttemperatur von maximal +14°C. Es war gerade eine 2-wöchige Kälteperiode und wir hatten unter der Kälte in unserem Zimmer etwas zu leiden.

 

Wir versuchten trotzdem das Beste aus unserem Urlaub zu machen. Wir rodelten mit den Mädchen im Stadtpark, fuhren mit der Wald-Bahn nach Gotha und Tabarz und wärmten uns zeitweise in Alfreds Wohnung auf. In unserer Erinnerung waren es trotz der Kälte von bis zu -18°C zwei schöne Urlaubswochen für uns.

 

Das folgende Frühjahr entschädigte uns bald für die in Friedrichroda erlebten kalten Tage. Ich beschnitt die Bäume, ließ die Kaninchen bei und auch eine Nachttemperatur von -5°C konnte mich Ende März nicht mehr erschüttern. Allerdings mussten wir nach dem kalten Winter im März neue Kohlen bestellen. Gegen die Kälte kaufte Gundel ein Heizkissen. Doch es heizte nicht, so dass ich es wieder umtauschen musste.

 

Mit Herrn Werner pflanzte ich 20 Kastanienbäume und zwei Zigeunerkirschen, von denen nur letztere überlebten, da Herr Werner später die Kastanienbäumchen leider von seinen Schafen wieder abfressen ließ.

 

Mitte April kamen Otto und Ilona am Wochenende zu uns und wir begannen oben das Zimmer für die Mädchen auszubauen. Die Bauarbeiten sollten noch viele Wochenenden bis zum Mai in Anspruch nehmen. Zum Glück half uns Eckart Meyer auch. Gundel besorgte das Material. Das waren unter anderem Sauerkrautplatten, Gips, Farbe und Raufasertapeten sowie ein Fenster. Nachdem Otto von einer abgerissenen Bauarbeiterbaracke in Neubrandenburg die Außenwände „besorgt“ hatte, ging es richtig los mit dem Um- und Ausbau auf dem Boden.

 

Aber auch der Garten forderte uns. Spargel, Kartoffeln und Zwiebeln kamen in den Boden und wir erschlossen circa 200 Quadratmeter neues Gartenland. Wir versuchten auch die Mädchen für die Gartenarbeit zu begeistern und ließen sie zwei eigene kleine Beete anlegen. Doch irgendwie gelang es uns nicht, ihr Interesse zu wecken.

 

Mitte Mai setzte uns Opa Fischer nach Gundels Vorarbeit das Fenster für das Kinderzimmer ein und wir konnten das Zimmer anschließend tapezieren. Ende Mai wurde das Linoleum ausgelegt. Da das Zimmer Zugang zur Terrasse hatte, musste ein Geländer zum Schutz unserer Mädchen vor unverhofftem Herunterfallen her. Herr Kammann schweißte uns die Metallpfähle zusammen. Schließlich halfen noch unerwartet Dr. Schuart beim Bohren und Klaus Hauer beim Trennschleifen der Pfähle.

 

Ich strich das Geländer und später half mir Dr. Schuart noch Asbestplatten als Verkleidung anzubringen. So wurde die Terrasse für die Mädchen sicher und wir hatten nun sogar eine kleine FKK-Zone nur für uns. Denn niemand hatte Einblick auf unsere Terrasse.

 

Wie jedes Jahr muckerte der Trabbi bald wieder. Doch ich bekam einfach keinen Termin in der Werkstatt. Erst mit einer Auflage vom Ratsmitglied für Energie und Verkehr, Norbert Rauh klappte es. Die Reparatur dauerte dann aber immer noch 14 Tage. Kurz nach der Reparatur hatte ich dann einen platten Reifen. Das bedeutete für mich den Reifen zu wechseln und den Schlauch zum Vulkanisieren zu bringen.

 

Im Sommer übte ich mit Bettina Radfahren. Da sie schlecht gucken konnte, war sie etwas ängstlich und befürchtete ständig vom Fahrrad zu fallen. Nach einer Woche ständigen Übens konnte sie endlich stolz alleine die kleine Anhöhe zu Meyers hoch und runter fahren.

 

Den Sommerurlaub verbrachten wir bis auf kleine Spritztouren nach Berlin, Neubrandenburg und Prenzlau in Kleisthöhe. Da unser Geldbestand ständig am Schwinden war konnten wir in Berlin unser altes, geerbtes, in einem Handtuch eingewickeltes Silberbesteck bei der Münze in Berlin für 2.400,- Mark verkaufen. Das war für uns ein erfreulicher und unerwartet hoher Betrag.

 

Wir verkauften auch Chemie-Fachbücher im Berliner Antiquariat um weiteres Bargeld zu machen. Als kleines Schnäppchen für meine Verhältnisse kaufte ich von einem älteren Strasburger Kollegen für 79,- Mark etwa 200 alte Romanzeitungen ab und komplettierte damit meine Sammlung.

 

In Strasburg hatte ich in diesem Jahr eine neue Mittagspausen-Beschäftigung gefunden. Ich spielte mit Dr. Schuart Schach im Amt für Sozialhygiene. Wir brachen unsere Partie jeweils nach einer halben Stunde ab. Er schrieb dann die Stellung auf und am nächsten Tag ging es weiter.

Wir spielten sogar auf für uns langweiligen Konferenzen Schach, indem wir uns die Züge mit kleinen Zetteln zuschickten. Auch wenn wir weiter auseinander saßen, halfen andere Zuhörer indem sie unsere Zettelchen weiterreichten. Jeder hatte dazu für sich ein Schachbrett auf Rechen-Papier ins Arbeitsbuch gemalt. Ich hatte außerdem dazu kleine ausgeschnittene Schachfiguren-Zeichnungen in Rechenpapierkaro-Größe in einem Briefumschlag dabei, so dass ich nach jedem Zug die neue Stellung verändern konnte. So wurden einige langweilige Konferenzen für uns beide doch recht unterhaltsam.

 

Im September waren wir mit Kind und Kegel in zum Erntefest im Lemmersdorfer Park. Vormittags spielte ich Volleyball und abends waren Gundel und ich auch noch zum Tanz.

 

Bettinchen fuhr in diesem Jahr zu einer Kur für Kinder. Dörte war auch bereits im Vorschulalter zu einer Kinder-Kur gewesen. Mein Chef, Dr. Eixner, hatte es uns empfohlen, damit die Mädchen in ihrer Entwicklung gefördert werden. Doch waren diese Kuren leider auch eine seelische Belastung für unsere Mädchen gewesen, da sie über einen Monat von uns getrennt waren.

 

Meinen 36. Geburtstag feierten wir an einem Sonnabend in Kleisthöhe. Schon früh am Vormittag kam der erste Geburtstagsgast aus Hetzdorf zum „Anstoßen“ und so ging es tagsüber weiter bis mir schon zum Abendbrot vom „Alkoholgenuss“ übel war. Doch da kamen auch noch die Nachbarn!

 

Irgendwie hatte ich in diesen Tagen unglücklicher Weise unseren Trabbi-Schlüssel versiebt. Neue Schlösser gab es natürlich nicht zu kaufen. Zum Glück hatten wir noch unser altes Schloss plus Schlüssel aufgehoben. Eckart half uns wie stets beim Aus- und Einbau.

 

Die Oktoberstürme fielen in diesem Jahr gewaltig aus. Einige Strom-Freileitungen rissen. Der Sturm war vorbei und die Elektropumpe konnte dann ohne Strom kein Trinkwasser für die Haushalte in Kleisthöhe pumpen. Schließlich fiel auch noch das Telefon aus. Wir machten es uns bei Kerzenschein gemütlich und hörten Musik aus dem Kofferradio, das ja zum Glück Batterien hatte.

 

Der Dezember brachte dann Frost und ersten Schnee. Zum Jahreswechsel und zu Vatis Geburtstag waren wir wie meistens in Berlin. Zum Jahreswechsel hatte ich einen Schachpunktestand mit Dr. Schuart von 48:45.

 

 

 

Das Jahr 1985

 

Das neue Jahr 1985 begann mit viel Schnee und der Trabbi hatte viel Mühe um trotz Matsch- und Schlamm-Reifen überall durchzukommen. Wir hatten eine Kältewelle bekommen. Die Temperaturen sanken bis auf –22°C. Im Landkreis Strasburg wurde sogar der Katastrophenzustand ausgerufen. Das bedeutete für mich, auch Nacht- und Wochenenddienste im Gebäude des Rates des Kreises in Strasburg.

 

Den Trabi heizte ich früh schon mit dem 2000 Watt-Heizlüfter vor, damit die Mädchen nicht so froren, wenn ich sie nach Hetzdorf fuhr. Über Nacht baute ich regelmäßig die Batterie aus damit sie nicht einfror.

 

Doch dann lief der Trabi nur noch auf einem Topp und der Rückspiegel brach auch noch ab. Schließlich ließ der vordere rechte Reifen noch Luft. Wieder einmal brauchte ich die Hilfe der Kraftfahrer vom Rat des Kreises und von Eckart Meyer.

Vieles hing von unserem Transportmittel, unserem Trabbi ab. Ich besorge vorsorglich destilliertes Wasser für die Batterie, Pol-Fett und Silicon-Creme für die Gummi-Dichtungen der Türen. Bereits zweimal waren die Türen nämlich schon zugefroren. Ich kaufte auch einen neuen Panorama-Spiegel und eine Flasche mit Öl-Wäsche, da man den Trabi bei diesen Außentemperaturen nicht mehr mit Wasser waschen konnte. Das Wasser gefror sofort auf der Karosserie, genauso wie an meinen Nasenlöchern beim Ausatmen. Unsere Garage war ja leider nicht beheizbar.

 

Das Bad wurde bei dieser Kälte nun nicht mehr richtig warm. Wir wuschen uns daher alle in der Küche mit warmem Wasser aus Schüsseln. Die Mädchen schliefen wegen der Kälte wieder unten bei uns, da auch das Kinderzimmer auf dem Boden nicht mehr warm genug wurde.

 

Obwohl wir im Hause enger zusammengerückt waren, verkühlte sich Dörte noch die Blase. Nach drei Wochen Winterkatastrophe, wurde es endlich milder. Unsere Kohlen waren auch alle. Sie waren noch früher zur Neige gegangen als im letzten Jahr, obwohl ich ständig Holz dazu gehackt hatte. In dieser Situation versagte schließlich noch einer unserer zwei Heizlüfter den Dienst und gab seinen Geist auf. Ersatzteile und eine Reparatur waren fast unmöglich, da es sie ja nur auf Zuteilung gab.

 

Ende Januar hatte ich im Rat des Kreises ein Personalgespräch zum Wechsel in die Kreisplankommission. Es war vor allem die besser bezahlte Tätigkeit die mich reizte, nicht der Arbeitsinhalt. Anderseits bin ich auch nach und nach auf Distanz zu den Kolleginnen im Ratsbereich Gesundheitswesen gegangen und es gab auch Spannungen, die sich von meinem mangelnden Durchsetzungsvermögen ableiteten.

 

Meine guten Vorsätze für 1985 führten mich zum Tischtennisspiel nach Hetzdorf und ich begann sogar ernsthaft zu trainieren und durfte bald am Turnierbetrieb für Traktor Hetzdorf teilnehmen.

 

Anfang Februar kam endlich Tauwetter. Doch die Bäuerische Handelsgenossenschaft (BHG) hatte Probleme, unsere Kohlenbestellung abzuarbeiten. Es gab kaum Kohlen. Zum Glück konnten wir uns bei Werners welche borgen.

 

Für meinen künftigen neuen Chef in der Plankommission Dieter Raster, sollte ich nun meine Funktionen, die ich inne hatte aufschreiben.

Ich war zu dieser Zeit Vorsitzender des Kreisausschusses der Volkssolidarität und Mitglied des Bezirksausschusses, Mitglied des Kreisvorstandes der Urania, Mitglied des Kreisvorstandes der Nationalen Front, Mitglied der Kommission der Kreisleitung der SED zur Betreuung verdienter Parteiveteranen, Abgeordneter der Gemeindevertretung Lemmersdorf, Beauftragter des Rates des Kreises für die Gemeindevertretung Fahrenholz, Propagandist im Parteilehrjahr, Mitglied der FDGB-Gruppenleitung, Referent der Urania, Lehrkraft des DRK und DRK- Rettungsschwimmer. Da ich schlecht „ nein“ sagen konnte, kam bei mir immer eher noch etwas dazu, als dass ich eine Funktion los wurde.

 

Braunkohlenbriketts wurden bald im ganzen Kreis Mangelware. Wieder einmal mit Norbert Rauhs Hilfe bekamen wir endlich unsere Lieferung in der dritten Februarwoche.

 

Weiter bekamen wir erfreulicher Weise einen zweiwöchigen FDGB-Urlaub im neuen Ferienheim in Zippendorf am See bei Schwerin. Bei Glätte und Nebel schlitterten wir mit dem Trabbi nach Zippendorf und verlebten zwei tolle Wochen, die uns die Strapazen der letzten Wochen milderten. Dörte lernte in der Schwimmhalle sogar etwas Schwimmen.

 

Mein Wechsel in die Kreisplankommission (KPK) stand nun unmittelbar bevor. Anfang April begann ich tatsächlich als Abteilungsleiter in der KPK und löste meinen langjährigen Vorgänger, eine große Planungskoryphäe, Ludwig Großknecht ab.

Ludwig brachte mir uneigennützig die Grundzüge der Planungswirtschaft bei.

 

Endlich erfüllte sich ein kleiner Traum von mir. Denn ich bekam erstmalig ein eigenes Arbeitszimmer. Ein Büro ganz allein für mich. Mein Gehalt erhöhte sich auf 1.430,- M Brutto. Doch lebten wir weiter mit unserer „chronischen“ Geldknappheit.

 

Nachdem wir unsere Kohlen und den Urlaub bezahlt hatten, wurde eine Tiefkühltruhe geliefert, die wir bereits lange Zeit vorher in Strasburg bestellt hatten. Sie kostete 1.000,- Mark. So dass wir sogar bei Sarah noch Geld borgen mussten. Selbst von unserer Tochter Dörte liehen wir 100,- Mark und ich gab meine ganzen Gedenk-Münzen aus. Nun ging erneut die Waschmaschine kaputt und das Kofferradio gleich hinterher. Wieder hatten wir neue Reparaturkosten und einigen Transportaufwand zu den Reparatur Werkstätten nach Strasburg.

 

Mit der Wärme des Aprils bekam unser Trabbi wieder mal einen platten Reifen und ich wechselte wie gewohnt das Rad und brachte den Schlauch es zum Vulkanisieren. Im Juli bekam unser Trabbi den nächsten Platten und alles ging wieder von vorn los. Im August begann er einfach zu klappern. War es die Karosserie? Auch der Vergaser zeigte, dass er ohne Grund tropfen kann. Der Rückspiegel ging ab und er lief auch mal wieder nur auf einem Topp. Auf der Rückfahrt von Bad Brambach aus unserem Urlaub durfte ich sogar am Rande der Autobahn den Keilriemen wechseln. Anfang Oktober hatten wir auch unseren nächsten Platten. Es stand dann auch fest, dass der Trabi mal wieder in die Werkstatt musste.

 

Doch erst einmal brachte uns der Mai Temperaturen um die 30°C und wie jedes Jahr die Freude über die Baumblüte und die traditionellen Maifeierlichkeiten. Die Gemeinde Lemmersdorf organisierte eine große Wanderung zum Rittgartener See mit anschließendem Grillen und Besäufnis.

 

Dieses Jahr fuhren erstmalig die Friedensfahrer durch Strasburg. Wir winkten an der Straße und der Ratsvorsitzende sogar vom Dach unseres Sitzungssaals.

 

Wir hatten wie jedes Jahr mit der Frühjahrsbestellung in unserem Garten zu tun. Die Kartoffeln waren im Boden und die Tomaten gepflanzt. Herr Fischer tengelte unsere Sense und ich mähte Gras für die Kaninchen.

 

Von den Mitarbeitern der KPK wurde ich freundlich aufgenommen aber auch wohlwollend erwartet, da mein Vorgänger ein anspruchsvoller Leiter war, der immer Recht hatte. Alle duzten mich sofort und ich versuchte mich mit Eifer einzuarbeiten und die neuen Aufgaben zu begreifen.

Das neue Kollektiv machte auch was los: Im Mai gab es ein Spanferkelessen, im Juni eine Exkursion nach Wittenberge und es kam schon mal vor, dass der Chef einfach mal so eine Flasche Schnaps auf den Tisch stellte.

 

Zum Lehrertag 1985 bekam Gundel die Pestalozzi-Medaille in Bronze und einen Bonus von 200,- M Prämie sowie 715,- Mark Jahresendprämie. Da konnten wir endlich unsere Schulden an Sarah zurückzahlen.

 

Dörte fuhr diesen Sommer mit ins Betriebsferienlager nach Gehren. Gundel und ich pflegten wie jedes Jahr nebenbei noch einige Reihen Zuckerrüben.

 

Kurioserweise fing mein Vorgänger Ludwig Großknecht im Juni wieder an, in der KPK zu arbeiten. Dadurch wurde nichts leichter für mich, da er nach wie vor wie ein ungekrönter König auftrat.

 

Im August hatten wir Urlaub in einer privaten Betriebsunterkunft des Rates des Kreises in Bad Brambach.

 

Anfang September wurde auch unser Bettinchen eingeschult.

 

Im September begann wieder unsere Pilz-Sammelzeit. Die ersten Schopftintlinge signalisierten, dass es losging. Es folgten Funde von Safranschirmpilzen, Wiesenchampignons, und Maronen, violette Rötelritterlinge, Graukappen und Flaschenstäublinge.

 

Gundel arbeitete nun im Kindergarten in Hetzdorf und führte im September ihre erste Elternversammlung durch.

 

Ende September wurde auch mal wieder an unserer Straße gebaut.

 

Im Oktober brachten wir Mist in den Garten und ich hatte mein erstes Punktspiel im Tischtennisverein von Traktor Hetzdorf.

 

Zum 40. Jahrestag der Volkssolidarität bekam unser Bezirkschef, Dr. Warenhaus, den Vaterländischen Verdienstorden in Silber und der Bezirksvorstand trank einen auf sein Wohl. Ich hielt als Kreisvorsitzender in Strasburg im Rosengarten die Festrede zum Jahrestag der VS.

Und so ganz nebenbei bekam ich mal wieder eine neue Funktion und wurde in die SED-APO-Leitung gewählt. Ende Oktober wurden Sigried Lüdecke und ich in Neubrandenburg im Hotel „Vier Tore“ mit dem goldenen Abzeichen der VS geehrt.

 

Nach der Erfahrung des letzten harten Winters hatten wir in diesem Jahr unsere Kohlen rechtzeitig für Oktober bestellt. Der Winter kündigte sich an und ich strich die Felgen der Winterräder neu an.

 

Meinem neuen Ratsbereich zeigte ich im November wozu ich fähig war, in dem ich die Faschingsfeier vorbereitete und organisierte. Ich erntete allgemeine Begeisterung mit meinem Programm.

 

Nach einer Woche Lehrgang am Kummerower See mit den Bürgermeistern und Sekretären der ständigen Kommissionen des Kreistages, begann der Dezember 1985 mit Eisregen und spiegelglatten Straßen.

 

Im Dezember bekam unser Sportverein endlich zwei neue Tischtennisplatten. Wir waren inzwischen 15 aktive Spieler zum Training.

 

Zur Monatsmitte zogen Hauers und Schwiegermutter nach Woldegk in zwei getrennte Neubauwohnungen. Wir halfen beim Umzug.

 

Auf dem letzten Dezember-Kreistag wurde der Ratsvorsitzende Genosse Heinrich abberufen und Genosse Senst, ein LPG-Vorsitzender, neuer Ratsvorsitzender. Sein Spitzname war „Der Sensenmann“.

 

Zum Jahreswechsel feierten wir Vatis 60. Geburtstag in Berlin. Bei großer Kälte kämpfte die schwache Heizung unseres Trabbis auf der Rückfahrt um 18°C Innentemperatur zu halten.

 

 

Das Jahr1986

 

Mit dem neuen Ratsvorsitzenden bekamen wir Mitarbeiter des RdK stärkere Kontrollen zu spüren. Beim Pförtner musste nun beim Passieren der Dienstausweis vorgezeigt werden. Einkäufe während der Arbeitszeit wurden untersagt. Die Arbeitszeit sollte besser ausgenutzt werden Es wurden Arbeitspläne gefordert.

 

Die Abteilungsleiter brauchten nicht mehr an den Ratssitzungen teilzunehmen. Ja, das alles kommt dabei heraus, wenn ein ehemaliger LPG-Vorsitzender nun Ratsvorsitzender wird. Herr Senst war als LPG-Vorsitzender so resolut gewesen, dass er Bier- oder Schnapsflaschen aus den Stiefeln seiner LPG-Bauern zog. Er hatte sie auch durch Lohnabzug bestraft, wenn sie angetrunken zur Arbeit erschienen. Daher wehte nun auch bei uns ein anderer Wind in der Verwaltung.

 

Der 15. Januar wurde von uns zu Hause, wie jeder andere Zahltag, stets sehnsüchtig erwartet. Ständig war das Geld alle.

 

Im Januar fiel auch wie gewohnt nachts der Strom aus und wir hatten dann früh kein Wasser. Nach zwei Tagen konnte ich endlich wieder zu Hause duschen. Abends saßen wir romantisch mit den Mädchen bei Kerzenschein und hörten wieder mal Kofferradio mit Batterien. Wir puzzelten bei Kerzenschein mit den Mädchen einen Schwan.

 

Ludwig Großknecht wurde zum Bereich Sekretär versetzt und gab seinen Ausstand. Etwas ungewohnt war der Ausstand für uns schon ohne Alkohol. Das hatten wir dem „Sensenmann“ zu verdanken.

 

Mit dem Februar begann die Batterie vom Trabbi zu mucken. Es gab Probleme beim Anspringen am Morgen.

 

Zum diesjährigen Strasburger Fasching gingen Gundel und ich als Römer.

 

Dörte fuhr bei großer Kälte ins Woroschilow-Lager. Sie hatte immer noch Probleme mit ihrer Blase und wir waren besorgt. Sie war nun fast 10 Jahre alt. Doch diesmal wurde nicht Dörte krank, sondern Bettina bekam Fieber, so dass Gundel diesmal sogar zu Hause bleiben musste.

 

Ansonsten hatten uns Frau Werner und Helga Meyer schon oft geholfen. Doch auch Dörte bekam Fieber und am Wochenende erwischte es mich selbst, so dass ich sogar das Bett hüten musste.

 

Wieder kam eine Kältewelle und unser Ofenrohr im Bad musste ausgewechselt werden, da es defekt war. Gundel besorgte ein neues Rohr und ich verschmierte es mit Lehm und setzte es wieder ein. So konnten wir den Badeofen wieder heizen.

 

Der März wurde endlich milder und ich konnte sogar mit der Schwalbe nach Strasburg fahren. Am Frauentag weckte ich Gundel früh mit den Mädchen und wir sangen alle drei: „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ Dörte trug ein Gedicht vor. Sie war ja schon Teilnehmer beim Rezitatoren-Wettbewerb gewesen.

 

Doch tags darauf erkrankte Gundel, bekam Fieber und es ging ihr wirklich schlecht. Die Mädchen mussten von der Schule allein nach Hause laufen. Im Trabbi begann die Tachowelle zu scharren.

Wenn es allen schlecht geht, baue ich mich wenigstens wieder auf. Ich lebte also gesund, trank keinen Alkohol. Ich beschnitt mit Muße alle Bäume im Garten und schlachtete zwei Kaninchen.

 

Beim Kegeln mit den Lehrern belegte ich sogar den ersten Platz.

 

Mitte April kaufte ich einen gebrauchten Rasenmäher Troll, den wir bis zum Jahr 2004 noch benutzten. Doch im April 1986 hätte ich besser einen Schneeflug kaufen sollen, denn der Winter war zurückgekehrt.

Endlich kamen unsere Kohlen und wir hatten wieder Stunden zu tun, um die 5 Tonnen in den Kohlenstall zu bringen. Alle mussten helfen, auch unsere Hunde.

 

Nach der Maidemonstration wurde es Zeit, die Sommerreifen am Trabi anzubringen. Dabei stellte ich fest, dass der Vorschalldämpfer eingerissen war und rechts vorn die Büchse der Radaufhängung ausgeschlagen ist. D.h. wieder einen Reparaturtermin für den Trabi besorgen. Ich bekam den 3.6. als Reparaturtermin genannt. Das hieß einen ganzen Monat Wartezeit!

 

Endlich wurde auch unsere Ortslage betoniert und war die Betonstraße nach Hetzdorf fast fertig. Nun ging auch noch der Junost kaputt. Ab zur Reparatur. Mike Meyer brachte uns als Ersatz den Fernseher seines Bruders, Klaus. Am 10.6. bekamen wir endlich unseren Trabi wieder.

Er hatte nun einen neuen Vorschalldämpfer, ein Zwischenstück am Auspuff war ersetzt und die Federn waren erneuert worden.

 

Die Radlager, müssten eigentlich erneuert werden, doch die Werkstatt hatte selbst keine. So dass ich alle vier Radlager erst besorgen musste. Wieder einmal half uns Eckart. Zwischendurch bot mir Dieter Kraft auch neue Radlager an, doch Eckarts hohen Ansprüchen, waren diese nicht gewachsen. Ende Juni wechselte Eckart dann die Radlager, nachdem er selbst bessere besorgt hatte. So konnten wir dann unbesorgt im Juli zu Herberts Hochzeit nach Berlin fahren.

 

Im August begannen wir unseren Zaun zu bauen und zu setzen. Gundel besorgte Maschendraht und Wasserrohre, die ich zurecht sägte, mit unserer russischen Bohrmaschine bohrte und einbetonierte.

Gundel besorgte nun Zement, Dachpappe und Kleber damit wir unseren Keller wasserdicht machen konnten. Werners waren bei ihrem schon bei, natürlich mit Eckarts Hilfe.

 

Ende August gelang unserem Ratsvorsitzenden ein weiterer Fortschritt bei unserer Disziplinierung. Er löste die Frühstücksschlange vor der Kantine per Anweisung und mit Strafandrohung auf. Nun durften wir uns nicht mehr anstellen bevor die Kantine geöffnet hatte.

 

Dörte fuhr nach Freest ins Kinderferienlager. Anfang September begannen wir mit unserer Keller- Sanierung und ich konnte wieder mal Kies sieben und Beton-Mischung ansetzen und karren. Vor meinem Geburtstag wurde alles fertig und ich konnte die Kellerwände kalken. Gleichzeitig bekam ich Hilfe zum Zaun ziehen, besonders zum Draht spannen, wozu vereinte Kräfte benötigt wurden. Denn zum Glück kamen die Eltern und Gela mit Uwe zu Besuch und halfen uns.

 

Der Keller wurde gerade rechtzeitig fertig, damit wir Kartoffeln und Äpfel einlagern konnten. Nach meinem Geburtstag kamen Tina und Karl zu Besuch. Karl brachte zwei Schornsteinklappen mit, die er als gelernter Baufachmann auch einputzte. Er verputzte auch die Rückwand unserer Garage. Meine Putzkünste, die man an der rechten Garagenwand bewundern konnte, waren doch eher bescheiden und unvollkommen.

 

Ende Oktober schneiden wir einen großen selbst geernteten Kürbis, den Gundel nach altem Familienrezept einweckt. Wir setzen Hagebuttenwein an und ziehen den Johannisbeerenwein um.

 

Im November pflanze ich Bäume an unserer neuen Straße, die noch heute stehen, eine Eiche, Pappeln und eine Kastanie.

 

Ende November 1986 feierten wir in Wolfshagen in der Gaststätte „Zur Königssäule“ Meyers Silberne Hochzeit.

Zu dieser Zeit gab der Junost erneut seinen Geist auf und er zeigte nur noch einen schmalen, waagerechten hellen Streifen.

 

Vor Weihnachten stellte ich den Lüfter beim Trabbi auf Winterbetrieb um und brachte die Winterräder an. Und schon kam der erste Frost.

 

 

Das Jahr 1987

 

Zum Jahresbeginn marschieren wir mit den Mädchen und unseren aktuellen Hunden Schnuffi und Tussi durch den Schnee. Wieder hatten wir eine Kältewelle und Temperaturen bis –22° C. Im Fernsehen lief die Serie „Die Rache des Samurai“. Ich versäumte keinen Teil. Beim Trabbi hatte sich der Gasbaudenzug verklemmt.

 

Freitag, der Dreizehnte brachte dichten Nebel und unter 20 Meter Sicht.

 

Hinten am Trabbi musste ich eine Blinkleuchte wechseln. Das schaffte ich noch selbst.

Auf der Fahrt nach Neubrandenburg zur Pleoptik zeigte der Unterbrecher dass auch er kaputt gehen kann.

 

Die Kraftfahrer vom RdK konnten mir noch einmal helfen. Es waren immer noch –10°C und ich schüttete ein Schnapsglas voller Brennspiritus in den Tank um zu verhindern, dass der Wassersack einfror. Im März konnte uns Eckhard eine neue Batterie besorgen. Ich hatte noch immer Startprobleme. Dieses Jahr konnte ich schon Mitte März die Sommerräder aufziehen. Eckhard half mir Ende März Lichtmaschine und Vergaser zu reinigen und stellte mir den Unterbrecher neu ein.

 

Einen Werkstatttermin hatte ich erst für Ende April bekommen. Nach der ersten Maiwoche bekamen wir endlich unseren Trabbi aus der Werkstatt zurück. Doch hinten rechts das Radlager war fertig und in der Werkstatt hatten sie wieder mal kein neues. Also wieder ein Fall für Eckhard.

 

Im Mai kaufte ich ein neues ein Abschleppseil, Verbandkasten und Schrauben für den Trabbi. Die Trabbi-Rechnung der Werkstatt betrug 500,- Mark. Eine Hängerzug-Vorrichtung wurde angebracht und die Stoßdämpfer sowie die Kupplung erneuert.

 

Ende Mai war der Gasgriff an der Schwalbe defekt. Wer half? Natürlich wieder mal Eckhard. Anfang September bekam der Trabbi Probleme mit der Lichtanlage. Ich bekam in Woldegk einen neuen Regler und ein Kraftfahrer vom RdK baute ihn mir ein. Aber der Fehler bestand weiter. Ende Oktober brach am Vergaser der Bügel zum Baudenzug. Der Motor heulte auf und ich musste bremsen, wenn ich Gas geben wollte.

 

Eckhard schweißte den Bügel in der Werkstatt.

 

Irgendetwas zwischen Batterie, Regler, Lichtmaschine und Blinker stimmte auch nicht. Des Weiteren brauchten wir einen Austauschmotor. An einen neuen Motor war gar nicht zu denken, da es keinen gab. Wir standen nun in der Werkstattliste auf Platz 10 für einen regenerierten Motor. Die Batterie sollte auch defekt sein. Aber es gab nirgends eine neue Batterie zu kaufen.

 

Ende Oktober machte der Trabbi einigen Lärm beim Fahren. Bei meiner Batterie war ein Pol lose. Klaus Hauer lieh mir eine gebrauchte, aber intakte Batterie. Mitte Dezember baute uns die Werkstatt den Ersatzmotor ein. Ich gab 20,- Mark für die Kaffeekasse der Werkstatt und sprach mit allen die den Vorgang beschleunigen könnten. Der Motor kostete 900,- Mark. Doch nun muckerte die Tachowelle. Am Tag vor Weihnachten löste sich ein Kabel von der Lichtmaschine und ich fuhr auf Batterie nach Hause. Die Trabbi-Story ist für uns eine Open-End-Geschichte.

 

In diesem Jahr hatte ich beim Tischtennis einiges dazugelernt und auch unsere Mannschaft fuhr erste Siege ein. Zu meiner Überraschung brachte mir Ludwig Großknecht Ende Oktober aus Polen eine chinesische Tischtennis-Kelle mit. Ich erlebte ein völlig neues Spielgefühl und beeindruckte alle beim nächsten Training. Man nannte mich bald um in „Die Kelle“.

 

Anfang April begann ich bei meinem ehemaligen Vorgänger Ludwig Großknecht einen Computerlehrgang. Als Monitor diente uns ein Junost-Fernseher und als Laufwerk kam eine Tonbandkassette in einem Kofferradio zum Einsatz. Die Programmiersprache war Basic. Im August endlich zeigte sich Ludwig mit meinen PC-Kenntnissen so weit zufrieden, dass ich ohne seine Aufsicht im PC-Raum arbeiten durfte.

 

Der Ratsvorsitzende musste nicht nur seinen Mitarbeitern gutes Benehmen beibringen, sondern auch die Kakerlaken in der Kantine bekämpfen.

 

Im Juni feierten wir in Berlin Muttis 60. Geburtstag in der Neustrelitzer Straße nach. Ich tobte mit den Mädchen vor dem Haus und zeigte was ich alles kann. ich sprang über eine Bank, blieb aber mit einem Fuß hängen und hatte lange einen zerschrammten Arm.

 

Auch der 73. Geburtstag von Schwiegermutter wurde groß in Kleisthöhe gefeiert.

 

In diesem Herbst konnten Gundel und ich erstmals etwas Praktisches für Opa Fischer tun. Wir halfen ihm in seiner Wohnung beim Anbringen von Gipskartonplatten und beim Renovieren. Bisher hatte immer er uns geholfen.

 

In diesem Sommer bekamen wir endlich das schon lange bestellte neue Tor für unsere Einfahrt. Wir brauchten es nur noch mit Rostschutz zu streichen.

 

Ende September hatten wir Erntefest und Reitturnier. Ich knipste vier Filme voll.

 

Meinen 39. Geburtstag feierten wir wie gewohnt mit Meyers und Werners.

 

Im Oktober hatte ich neben Dr. Schuart einen weiteren Schachpartner gefunden. Er hieß mit Nachnamen Otto und er führte mich zum Fernschach und spielte selbst meisterhaft.

 

In diesem Jahr fuhr nun unser Bettinchen ins Woroschilow-Lager. Ende Oktober sangen Gundel und ich an Dörtes Bettchen das Geburtstagsständchen daher ohne unser Bettinchen.

 

Unsere Waschmaschine musste auch mal wieder zur Reparatur und wir brachten sie mit dem Trabbi hin. Natürlich mussten wir dazu wieder einen Sitz ausbauen, damit sie rein passte.

 

Ende Oktober bereitete ich wieder Hagebutten für die Weinherstellung vor und Anfang November begannen wir Schlehen zu sammeln und Wein anzusetzen. Natürlich wurde auch Schlehenlikör angesetzt mit 96-prozentigem Sprit.

 

Bettinchen kam rechtzeitig zu ihrem Geburtstag aus dem Woroschilow-Lager zurück, so dass wir ihr zusammen mit Dörte ein Geburtstagsständchen singen konnten.

 

Die ganze Plankommission fuhr Anfang Dezember als Exkursion getarnt einen ganzen Tag nach Berlin um Vorweihnachtseinkäufe zu tätigen. Wir kauften Sachen, die es bei uns nicht gab. Das waren unter anderem Mandeln, Kokos-Raspeln, Marzipanbrote, Äpfel und Zitronat.

 

Ich aß mit Dieter Kraft in der Zille-Stube zu Mittag ein Ochsensteak mit Béarnaise Sauce, was hervorragend schmeckte und trotzdem preiswert war.

 

Vor Weihnachten begann ich meine drei ersten Fernschachpartien zu spielen.

 

Silvester feierten wir dieses Jahr bei Hauers und fuhren danach nach Berlin.

 

 

Das Jahr 1988

 

Ich hatte im alten Jahr die Küche und den kleinen Flur tapeziert und so begann das neue Jahr für uns mit einiger Unordnung. Das hieß Aufräumen war angesagt. Noch wussten wir nicht, dass es das Jahr vor der Wende in der DDR sein wird.

 

In unsere neu eingeräumte Küche war doch glatt eine Maus mit eingezogen, die sich bald als äußerst raffiniert erwies. Wir versuchten alle Tricks der modernen Fangtechnik für Mäuse. Doch die Maus ließ sich zwar sehen, aber nicht fangen. Wir räumten fast die ganze Küche leer, ohne die Maus zu finden. Schließlich entdeckte ich ihr Versteck hinter dem Kühlschrank. Sie schlief zwischen Gitter und Rückwand des Kühlschranks. Ich erlegte sie schließlich mit einer Rouladennadel.

 

Gundel bekam mal wieder ein depressives Tief und war zu ihrem Geburtstag krank. So dass wir den Geburtstag erst am Wochenende nachfeiern konnten.

 

Mitte Februar nahm ich Frau Mattula mit nach Strasburg. Ich bemerkte einen Barkas, der uns beim Überholen streifte zu spät und habe nun einen Riss im hinteren linken Radkasten.

 

Ende Februar fuhren wir mit den Mädchen nach Berlin. In Finowfurt sprang der Trabbi nicht mehr an. Er hatte einen Kabelbruch. Ein netter kleiner dicker Mann half uns mit einem Stromkabel aus, an welchem er eine Phase benutzte und anschloss. Klaus Hauer flickte die Leitung später fachgerecht.

 

Trotz Kellersanierung hatten wir Ostern wieder Wasser im Keller und schöpften und trugen es geduldig hinaus.

 

Im April ließen wir zwei Zippen bei. Ich hackte einiges Holz, begann den Garten vorzubereiten, Unkraut zu hacken, Rasenkante zu stechen und Kompost zu sieben. Anfang Mai pflanzten wir Kartoffeln und tapezierten das Bad.

 

Mein Lebenswandel war sehr wechselvoll. Eine Woche war ich in Verchen zur Weiterbildung und anschließend hatte ich drei Wochen Lehrgang an der Kreisparteischule. Ich spielte viel Tischtennis, hatte aber auch viele Feten auf denen zum Teil ausgiebig getrunken wurde. So dass ich zeitweise sogar Herzschmerzen bekam.

 

Aber ich hatte auch Erfolge in der Arbeit, beim Tischtennis und im Fernschachturnier. Ich schlug nach und nach meine ersten 6 Gegner im Fernschach. Dafür war die Fernschach-Bezirksmeisterschaft eine Nummer zu groß für mich.

 

Ende Mai holte ich die Eltern nach Kleisthöhe und spielte mit Vati und Werner Brand Skat und Dart.

 

Bei einer Kremserfahrt der Kreisplankommission lebte mein Heuschnupfen wieder auf. Ende Juni stachen wir den letzten Spargel. Ich enthäufelte die Reihen. Die Erdbeeren waren auch abgeerntet und ich stelle fest, dass wir zu viele Kaninchen haben. Ich schaffte es kaum, genug Gras zu mähen.

 

Anfang Juli fuhren die Mädchen zur Schachspartakiade nach Berlin. Sie belegten jeweils Platz 6 und 7.

 

Ich begann, die schwarzen Johannisbeeren zu ernten. Gundel fuhr mit den Mädchen zur Süßkirschenernte nach Woldegk und begann, Kirschen einzuwecken.

 

Mitte Juli begann ich ein Fernschach-Progressiv-Schachturnier mit NSW-Beteiligung angeboten.

 

Wir bekamen nun schon im Juli unsere 5 t Kohlen geliefert und räumten sie ein.

 

Bettina ist immer noch in Neubrandenburg bei der Pleoptik in Behandlung.

 

Es ist auch die Zeit für Gundel, Saft und Gelee zu Kochen. Nun legte Gundel nach und erntete in Dolgen zwei Eimer Sauerkirschen. Ich setzte davon Kirschlikör an. Von den Johannisbeeren wurde auch noch Wein angesetzt.

 

In meinem Sommerurlaub besuchten uns auch die Eltern für eine Woche. Dörte fuhr zum 8. Pioniertreffen nach Karl-Marx-Stadt.

 

Der September zeigt sich von seiner schönsten Seite, als Altweibersommer. Wir bekamen zwei weitere neue Tischtennisplatten und 500,- M Sachprämie vom Jugendamt für unseren Verein. Natürlich war ich mit meinem bekannten Sprachfehler auch noch Vereinsvorsitzender geworden.

 

Ich bereitete im September ein großes Tisch-Tennis-Fest mit Showkämpfen vor und lud die Prenzlauer Damenmannschaft hierzu ein. Die Strasburger „Profis“ kamen auch und es wurde ein gelungener Abend.

 

Ende September wurde auch unser Bettinchen Thälmann-Pionier.

 

Zu meinem 40. Geburtstag reisten die Eltern an und der Ratsvorsitzende, sogar Genosse Senst sowie sein Stellvertreter, Genosse Michna, kamen zum Gratulieren.

 

Ende Oktober machte mein Ratsbereich einen Ausflug nach Polen. Zielgerichtet besuchten wir den schwarzen Markt in Stettin und ich konnte dort einen neuen Raumlufterhitzer für uns kaufen.

 

Die Geburtstage der Mädchen wurden wie jedes Jahr gefeiert und im November mussten wir schon ordentlich heizen.

 

Mitte November stand ich abends mit dem Trabbi bei –4°C vor der Schranke in Groß Daberkow auf dem Weg zu einem Urania-Vortrag der Frauenakademie. Doch sie ging nicht hoch. Ich begriff nicht, dass es eine Rufschranke war. Ich hätte den Bahnhof anrufen müssen, damit von dort aus die Schranke geöffnet wird.

 

Fast hätte ich den Nicolaus-Tag vergessen. Doch am 6. Dezember überschlugen sich die Ereignisse. Ich musste plötzlich zum Ratsvorsitzenden. Dort saßen bereits Genosse Helbing, der Vorsitzende der Bezirksplankommission und Genosse Otto, der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes. Sie teilten mir mit, dass ich ihre Kaderentscheidung für Anklam bin. Der dortige Chef der Kreisplankommission sei tödlich verunglückt. Ich sollte sein Nachfolger werden.

 

Gundel, Dörte, Bettinchen und Frau Werner hatten geheult, als sie davon erfuhren.

 

Am 12. Dezember wurde in Gegenwart des Bezirksarztes das rekonstruierte Pflegeheim Mildenitz seiner Nutzung übergeben.

 

Wir feierten Onkel Werners Geburtstag und die Mädchen feierten Pioniergeburtstag.

 

Ich schrieb noch das Kreistagsreferat für den Rat des Kreises Strasburg: 90 Seiten Text als mein Abschiedsgeschenk.

 

Zum Jahreswechsel hatten wir mit den Mädchen noch zwei Wochen FDGB-Urlaub in Binz auf Rügen. So wechselten wir in das Jahr 1989 und ahnten noch immer nichts von der Wende. Fest stand nur für uns, dass wir im nächsten Jahr nach Anklam ziehen würden.

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 04.02.2014

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