1. Kapitel
-Wie immer-, dachte sich Kira, während sie ihren Schulkram zusammen packte.- Keiner versteht mich-, hallte es in ihrem Kopf. Wieder einmal wurde sie von ihren Lehrern nicht ernst genommen und ihre Mitschüler machten sich darüber lustig, dass sie darauf beharrte, dass manche deutschen Wörter total falsch wären und noch dazu falsch ausgesprochen würden. Aber Kira kannte es nicht anders, sie hatte nichts anderes im Kopf, nichts anderes gelernt, so schien es ihr. Nachdem sie nun noch ihr Federmäppchen eingepackt hatte und sich von ihrem Stuhl empor hob, stellte sie den Stuhl auf den Tisch und verließ den Klassenraum. Jeder ihrer Schritte hallte im großen, kalten Gebäude, während sie die zwei Treppenblöcke hinunter hechtete. Mit einem Rums fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
Langsam machte sich Kira auf den Nachhauseweg, den sie wie immer zu Fuß zurücklegte. Die Altbauwohnung im Stadtzentrum war nur wenige Minuten von dem Gymnasium entfernt, der einzige Vorteil, wie Kira fand. Sie hasste das Stadtleben, die vielen Menschen, der Lärm der Autos und Menschenmengen, welche in buntgemischten Gruppen über die Zebrastreifen huschten, Kira mitten unter ihnen. Plötzlich wurde sie von einem Mann mit Aktenkoffer angerempelt, ihr Ordner fiel ihr aus der Hand auf die Straße. Mit verärgertem Blick beugte sie sich hinunter, wobei ihre roten dichten Locken in ihr Gesicht fielen, während sie den Ordner wieder aufnahm. Hastig strich sie die gelockte Mähne wieder nach hinten und rannte schnell auf die andere Straßenseite, ehe die Autos über die nun grüne Ampel fuhren.
Völlig fertig lies sich Kira auf ihr Bett fallen und schloss die Augen. – Hat sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen? Oder passe ich einfach nicht hierher, nicht in diese Zeit? Aber das klingt vollkommen wirr. Andererseits.. es gibt schon ein paar Hinweise darauf. Wieso weiß ich so viel über das 16 Jahrhundert ohne es je gelernt zu haben? Wieso weiß ich aus welchem Stoff die Kleider der edlen Damen bestehen, wie man sich so tolle Hochsteckfrisuren macht, mit Schnecken? Wie man erkennt das das Wetter umschlägt? Und was soll dieser Traum jede Nacht, seitdem ich denken kann?-
„Kira? Bist du schon zu Hause Liebling?“, rief die fragende Stimme ihrer Mutter, welche soeben von der Arbeit gekommen war. Sie arbeitete in einem Steuerbüro, eine Etage über ihrer Wohnung. Ohne zu antworten richtete sich Kira langsam auf, tapste zur Tür und lief Barfuß in die Küche, nahm wortlos am Küchentisch gegenüber der Mutter platz. „Alles in Ordnung? Du siehst so bedrückt aus. Willst du reden Süße?“, hackte die große schlanke Frau nach, als sie ihre Tochter, die ihr so gar nicht ähnlich sah, musterte. „ Mich bedrückt seit langem schon etwas. Zuerst fand ich es selbst total wirr und unmöglich, doch so mehr ich darüber nachdenke, fallen mir immer mehr Beweise dafür ein, das es so sein Muss!“, sprach das Mädchen mit dem Fuchsroten Haar und den grünen Augen. „ Von was redest du denn da bitte?“, wollte die Mutter nun erfahren. „ Ich gehöre nicht ins 21. Jahrhundert! Eigentlich bin ich im 16. Jahrhundert zuhause, auf einer Burg, von der ich jede Nacht träume. In Sachsen, dort soll ich dann bald wohnen, mit meinem 9 Jahre älterem Mann, dem Kürfürsten oder so.“, sprach sie nun ihre monatelangen Bedenken aus. Ohne ein Wort dazu zu sagen, verspannte sich das Gesicht der brünetten Frau zu einem schmalen Gesicht. Besorgt fühlte sie mit der Hand an Kiras Stirn und Wangen. „Du hast kein Fieber, aber wie..“, murmelte sie vor sich hin. Die noch 15-jährige sah sie mit verwunderten Augen an. Leise wimmerte sie nun schon fast: „ Selbst meine Mutter glaubt mir nun nicht mehr.“, sprang auf, hetzte den Parkettflur entlang und knallte ihre Zimmertür zu.
Ungeduldig wippt das Mädchen mit ihren Sandalen auf den Gummiboden. Angespannt starrt sie immer wieder auf die große Uhr, die an der Wand des Wartezimmers hing. - Ich hasse sie dafür, dass sie mich hier her schleppt.-
„Kira Müller“, ertönt die Stimme der Praxishelferin, sie winkte Kira und ihrer Mutter zu und deutete auf den Behandlungsraum. Missmutig folgte das Mädchen ihrer Mutter hinein. Der große Raum war weiß, rote Gardinen zierten die großen Fenster, woraus man auf die stark befahrene Straße sehen konnte. In einem braunen Ledersessel saß eine kleine zierliche Frau mit blondem Bobschnitt und einer strengen Miene. Gegenüber von ihrem „Thron“ befand sich eine große Ledercouch, davor ein Tisch mit Getränken, Gläsern und Keksen. „Guten Tag Frau Müller, nehmen sie und ihre Tochter doch bitte Platz.“ , bat die Psychologin Kira und ihre Mutter und deutete auf die Couch. „Könnten sie mir bitte das Problem von Kira schildern, ehe ich mich mit ihr allein unterhalte?“, verlangte die strenge Dame im roten Blazer. „ Sie behauptet nicht in der richtigen Zeit zu leben. Sie meint sie gehört eigentlich ins 16. Jahrhundert! Stellen sie sich das mal vor, sie leugnete neuerdings sogar das ich ihre Mutter sei!“, begann Frau Müller empört zu berichten. – Meine echte Mutter hätte mich auch nicht zu einer Physchotante geschickt, sondern mir geglaubt und mich ernst genommen- grummelte Kira innerlich, während sie aus dem Fenster sah. Grade erhob sich ihre Mutter und verließ den Raum, ehe sie wieder aus ihren Gedanken erwachte. „ So Kira. Dann erzähl mir doch mal bitte alles was dir durch den Kopf geht. Lass kein Detail aus und hab keine Angst, ich versuche dir mit deiner Krankheit zu helfen und die richtigen Medikamente zu finden.“, sprach die Psychologin mit gesäuselter Stimme und kitschigen Wimpernschlag.
Und so erzählte Kira ihr alles, all das was sie ihrer Mutter erzählt hatte und was sie sonst noch so belastete. „Danke für deine Offenheit, mir gegenüber. Holst du bitte jetzt deine Mutter herein, damit ich mit ihr nochmal darüber reden kann?“, bat sie Kira, welche sich eilig erhob und ihre Mutter hereinrief und selbst im Wartezimmer Platz nahm.
Als ihre Mum nach einiger Zeit endlich das „Verhörzimmer“, so wie Kira es nannte, verlassen hatte, meint riet ihr die Psychologin noch im Abgehen: „Es ist von enormer Wichtigkeit, das sie heute noch die nächste Klink anrufen, bevor es weiter ausartet. Viel Erfolg und Gute Besserung“. Kira erstarrte.
2. Kapitel:
Mit den Füßen auf ihrem Bett stehend streckte sich Kira enorm, um an den großen Reisekoffer zu kommen, welcher auf ihrem Kleiderschrank lag. Vorsichtig sprang sie empor, bekam den Griff des Koffers in ihre Hand, sprang von der Bettkante und ließ sich auf den Teppichboden fallen. Mit einem Rums viel sie auf die Knie, drehte den Koffer sofort um, sodass er längs vor ihr lag. „Ratsch“, surrte der Reißverschluss, welchen sie sogleich schnell öffnete und den Deckel des großen roten Koffers anhob und zurückklappte. Wieder auf beiden Füßen stehend, suchte Kira nun in ihrem Schrank nach geeigneten Klamotten für den Aufenthalt in der Psychiatrie. –Was zieht man denn da an? Ob Jeans und T-Shirts gehen werden? Oder bekomme ich da etwa einen Krankenhauskittel an oder womöglich eine Zwangsjacke?- Bei dem Gedanken lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Schließlich entschied sie sich, keine Gedanken mehr daran zu verschwenden und ein paar T-Shirts, Pullover, Jacken, Hosen, Socken, Schuhe, Unterwäsche und ein paar Bücher einzupacken. Auch ihre selbstaufgenommenem CDs durften nicht fehlen. Wenn sie schon nicht ihr Klavier mitnehmen konnte, dann wollte sie doch wenigstens ein paar selbstgespielte Stücke von sich dabei haben.
Suchend blickte sie sich in ihrem hellen Zimmer um, dessen Wände eine halbhohe, weiße Holzverkleidung besaßen. Der restliche Teil der Wände bestand aus normaler hellblauer Raufasertapete, welche auch schon bessere Tage gehabt hatte. –Ich denke ich habe soweit alles-, ein letzter schmerzhafter Blick fuhr zu ihrem Bett, welches frisch gemacht war, die weiße Bettdecke mit kleinen roten Rosen war sanft zu einer Rolle gefaltet worden und zierte den Rand des Holzbettes, mit dem kleinen Himmel aus Stoff drüber. –Wann ich wohl wieder komme? Ob ich wieder komme?- mit diesen Gedanken verließ Kira traurig ihr Zimmer, danach die Wohnung und schließlich das Haus, indem sie ihre frühe Kindheit verbracht hatte und erinnerte sich: Auf dem kleinen Balkon, zum Hinterhof hin, hatte sie immer mit der Nachbarskatze gespielt, im Sommer Kreide auf den Bürgersteig gemalt, als der Verkehr noch nicht umgeleitet wurde und aus der damaligen Einbahnstraße eine der Hauptverkehrsstraßen der Stadt wurde. Ungeduldig rief sie ihre Mutter nun, welche schon im Auto saß und sie genervt anblickte. Kaum saß Kira im Wagen begann ihre Mutter ihr selbst jetzt Vorwürfe zu machen:“ Was trödelst du denn noch so rum? Wir haben noch 3 Stunden Fahrt vor uns und müssen jetzt los, wenn wir nicht zu spät ankommen wollen! Und du willst doch nicht schon gleich zu Beginn einen schlechten Eindruck erwecken oder?“, redete sie ihr ins Gewissen. Kira nickte nur stumm und sah auf die Straße. –Wenigstens komme ich jetzt aus dieser verdammten Großstadt raus, an die frische Luft und Natur, hoffe ich doch zumindest- mit diesem Gedanken kurbelte Kira die Seitenscheibe des Kombi herunter um ein letztes Mal die Stadtluft zu schnuppern. –Man weiß ja nie, vielleicht werde ich es ja vermissen, wenn ich erst mal dort bin, vielleicht will ich ja wieder zurück hierher- Kira drehte sich so gut es ging im Autositz um und sah noch ein letztes Mal die Stadt an, ehe sie ihre Gedanken mit einem – Nein, vermissen werde ich dies hier bestimmt nicht-versiegelte.
Nachdem sie nach einem halbstündigen Stau endlich die größten Städte hinter sich hatten und nun nur noch Landstraße fuhren, blickte Kira stets verträumt aus dem Fenster. Mal erstreckten sich dort tiefe Wälder, wehende Weizenfelder im Wind, mit rotem Mohn gesprenkelt an manchen Stellen oder saftige Wiesen mit Viehherden oder nicht selten ein kleines Dorf. – Wie es dort wohl aussehen mag? Und wie wohl mein Zimmer sein wird? Habe ich eigentlich ein Einzel oder Mehrbettzimmer?- während Kira darüber grübelte wie ihre möglichen Zimmergenossen wohl aussahen mochten, nährten sie sich ihrem Ziel.
Eine prächtige Allee aus großen alten Eichen bildete die Auffahrt zu einem herrschaftlichem, alten Gebäude, außen umrandet von hohen grünen Hecken, innen von einer Backsteinmauer, welches Tor sie nun passierten und auf den Schotterparkplatz fuhren. Neugierig reckte Kira ihren Kopf aus dem Fenster und sah zum Dachturm des Hauses empor, auf dessen Spitze ein verwitterter Wetterhahn platziert war. Wieder musste die Mutter sie drängeln doch endlich zu kommen und ihren Koffer selbst zu tragen. Mittlerweile war es schon früher Abend, es begann langsam die Sonne unterzugehen, ein leichter Blaustich lag in der Luft. Nach einem kurzen Zögern stieg Kira hinter ihrer Mutter die kleine Eingangstreppe zum Empfang hinauf. Nachdem man die Treppe passiert hatte, befand man sich auf einer kleinen Empore, links und rechts von einem befanden sich zwei stolze Säulen aus robustem Stein und im antiken Baustil. Drinnen, im Eingangsbereich, war der Boden mit großen hellen Fließen und schwarzen Fugen versehen, ein großes Treppenhaus in unmittelbarer Nähe, etwas weiter rechts von ihrem Standpunkt befand sich eine Rezeption, die an die eines Hotels erinnerte, nur eben ohne Schlüsselwand. – Klar, die wollen uns „Verrückten“ ja auch nicht freien Zugang verschaffen-
Eine mittelgroße, blonde Frau empfing Frau Müller mit ihrer Tochter, hieß sie willkommen in der Klinik „Zum Schönen Ufer“ und hetzte auch schon kurze Zeit später mit ihnen durch das Anwesen. Ganz unter Strom stehend begutachtete Kira kurz ihr Zimmer, welches im 2. Stock lag, es gab zwei Aufzüge dorthin, welche aber nur mit Begleitung eines Pflegers benutzt werden konnten. Auf jedem Stockwerk befand sich ein Gruppenzimmer, eine großen Gemeinschaftsbalkon, ein Sammelraum für die Pfleger und Ärzte, sowie ein Haustierzimmer. Insgesamt hatte das Haupthaus 3 Stockwerke, der Hochsicherheitsneubau für Strafgefangene, etwas abseits besaß 2 Stockwerke, Zutritt war strengstens verboten. Auf der Rückseite des Hauptgebäudes befand sich eine große Wiese, zwei Wege, wessen an deren Rand vorbei hinab zum See führten. Große Pappeln standen am Seeufer, sowie Trauerweiden, welche zwischen den vielen Bänken standen. Ein paar dunkle Flecken auf dem Wasser mussten wohl Enten oder Schwäne sein, welche sich noch auf dem See tummelten.-Gar nicht mal so schlecht, so hab ich es mir etwa vorgesellt, in meinen Träumen-
Wieder in ihrem Zimmer stellte Kira nur kurz ihren Koffer ab und sollte dann, laut der Empfangsdame lieber abschließen und nachher alles einräumen, wenn sie ihre Mutter verabschiedet hatte. Kira tat wie ihr befohlen und folgte den beiden Frauen diesmal über die Treppen nach unten. Schnell waren sie durch den Empfangsraum gelaufen und standen schließlich vor den dunkelblauen Kombi. Mit schweren Schritten ging Frau Müller auf ihre Tochter zu, nahm sie in den Arm und strich ihr dabei liebevoll über die roten Locken, während sie ihr ins Ohr flüsterte:“ Das ist alles nur zu deinem Besten. Ich hoffe du weißt, dass ich dich eigentlich nicht fortschicken will. Machs gut mein Schatz und pass auf dich auf.“ Mit diesen Worten löste sie sich auch schon von ihr, nickte der Empfangsdame zu, welche wohl an der Treppe stand und stieg in den Wagen ein. Kira rief ihr noch ein vorgetäuscht starkes:“ Werde ich, keine Sorge.“ Zu, ehe sie ausgeparkt hatte und durch die Auffahrt verschwand. Wie gebannt blickte Kira dem Auto hinterher.- Da fährt grade meine Vergangenheit davon.- „Kommst du wieder rein Kira, du hast bestimmt viel auszupacken.“, riet ihr die blonde Frau. Abwesend drehte sich Kira dem Eingang zu und ging langsam hinein, während sie das Eingangsportal musterte. „Psychiatrische Erholungsklinik zum schönen Ufer“ stand dort in Steineingemeißelt. . – Und hier betrete ich nun meine Zukunft.- stellte sie überzeugend fest.
3. Kapitel
Mit hängendem Kopf lief Kira wieder hinein in das große Gebäude, bog links ab und erklomm die vielen Treppenstufen. In ihrem Stock angekommen überlegte sie kurz. -Soll ich in den Gemeinschaftsraum gehen? Oder auf den Balkon? Oder mich in meinem Zimmer einschließen und mir selbst leidtun?- letztendlich entschied sie sich für zweiteres und folgte dem Flur bis zu seinem Ende und betrat den gefliesten, mit großen Sonnenschirmen ausgestatteten Balkon. Aufgrund der immer schlimmer werdenden Hitze waren viele der Bewohner hier draußen im Schatten anzutreffen, da hier zeitweise eine kühle Brise wehte, wie Kira mittlerweile ebenfalls mitbekommen hatte. Die meisten saßen gemeinsam an Tischen oder auf Bänken, die Einen spielten ein Brettspiel oder Skat, die Anderen lasen Bücher oder waren in Gespräche vertieft. –Soll ich mich einfach irgendwo dazu setzen oder wieder gehen?- unsicher blickte Kira um sich, entdeckte schließlich an einem der Tische einen älteren Mann mit grauem Haar und einem Rauschebart, der grade sehr vertieft in ein paar Akten zu blättern schien. Da er Kira sympathisch vorkam beschloss sie sich neben ihn zu setzen. Mit einem Knarren des Stuhles über den Boden rückte sie den Stuhl zurecht und nahm Platz.“Ich hoffe ich störe Sie nicht.“, entschuldigte sich Kira, als der Mann zu ihr aufblickte und sie in seine graublauen Augen sah. „Nein, bleib ruhig sitzen. Bist du eine neue Patientin oder gehörst du zu den Freiwilligen meiner Studie?“, wollte der Mann, welcher anscheinend Professor war, von Kira wissen. „ Ich bin heute hier angekommen, aber ob ich einer Studie angehöre weiß ich nicht, tut mir leid.“, entgegnete sie überrascht. –Ich bin doch kein Versuchskaninchen im Labor das die verschiedensten Parfüms und sonst was gespritzt bekommt.- empörte sich Kira innerlich und betrachtete dabei den ihr Gegenüber etwas näher. Er trug ein kurzärmliges weiß rot kariertes Hemd, dazu eine beigefarbene lange Hose und schwarze Lederschuhe. Gelangweilt stützte Kira ihren Kopf auf ihre Hand und schaute verträumt auf den See hinter der Klinik. „So, endlich fertig. Hast du Lust ein wenig mit mir spazieren zu gehen? Ich bin selbst auch erst heute angekommen und hatte noch keine Zeit den See in Ruhe und aus nächster Nähe zu betrachten. Mein Name ist übrigens Professor Steinert und wie ist dein Name junges Fräulein?“, wollte Professor Steinert nun von Kira wissen. „ Mein Name ist Kira Müller. Es wäre mir eine Freude sie zu begleiten Herr Professor.“, willigte Kira mit einem Knicks ein und nahm den Arm des Professors entgegen, in welchen sie sich einhackte.
Der See warf leichte Wellen, ein paar Ruderboote waren auf dem Wasser auszumachen, zwischen all den Schwänen und Enten, die dort seelenruhig entlang schwammen und ab und an nach Futter tauchten. Der Professor und Kira schlenderten zur nächsten freien Bank und ließen sich nieder. Eine große Pappel direkt neben der Bank spendete ihnen ein wenig Schatten. Nach einer Weile begann der ältere Mann zu reden: „ Nun Kira, darf ich fragen was für einen Traum du jede Nacht hast?“ Kira blickte ihn verwundert an. „Woher wissen sie das...“, begann sie, wurde aber vom Professor unterbrochen:„ Du wirst mit mir zusammenarbeiten, da ich auf dieses Gebiet spezialisiert bin. So musste ich erst einmal deine Akten lesen, ehe ich mich mit dir befassen kann.“ Kira überlegte kurz, ehe sie sich ihm öffnete. „ In meinem Traum wache ich in meinem Himmelbett auf, meine Mutter sitzt bereits neben mir am Bett und zieht die Vorhänge beiseite. Sofort kommt eine Dienerin herein und bringt mir meinen Waschzuber mit lauwarmem Wasser. Nach dem Bad wird mir beim anziehen des roten Hochzeitskleides geholfen, meine roten Haare mit einem Kranz geziert, auf dem sich eine Feder befindet. Die Ärmel meines Kleides sind gelb rot gestreift und Puschärmel. Noch dazu trage ich eine Kette mit meinem Familienwappen. Danach begleitet mich meine Mutter hinunter in die Schlosskapelle, wo mein Vater und der Rest der Familie versammelt sind. Am Eingang der Kapelle stoße ich auf meinen Verlobten, den gut und großgebauten sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich, welcher sich im 24 Jahr befand, ich dagegen im 15. Gemeinsam laufen wir zum Altar und der Priester spricht nun endlich die letzten Worte und stellt mir die Ehefrage:“ Und du, Sibylle von Cleve, willst du den hier anwesenden Johann Friedrich zu deinem Ehegemahl, so sprich nun aus freien Stücken. Ja ich will.“ Doch zu der Antwort komme ich gar nicht erst, da ich dann immer aufwache.“, gespannt über die Reaktion des Professors, ruhen Kiras Augen nun auf ihm. „Hm, wie ich vermutet habe. Deine Beschreibung passt perfekt auf meinen Wissenstand, sieh dir mal bitte dieses Bild an und sage mir ob du dich wiedererkennst.“, mit diesen Worten packte der Professor ein Bild aus, welches wohl im späten Mittealter, also im 16. Jahrhundert entstand. Es zeigte Prinzessin Sibylle von Cleve in ihrem Hochzeitskleid, genauso wie Kira es beschrieben hatte. Ein Gefühl der Trauer packte sie plötzlich und sie begann zu weinen. Plötzlich erinnerte sie sich an ihre frühste Kindheit, an die ersten Ritte auf ihrem Pferd, das erste gewebte Kleidungsstück, die ersten Übungen auf der Laute. „Hab keine Angst Kira, alles wird wieder gut, das verspreche ich dir hiermit. Komm morgen bitte in das Behandlungszimmer, dann erkläre ich dir die Einzelheiten deiner Therapie. Und kein Wort zu den Pflegern, sie glauben mir nämlich noch nicht, das ich dich heilen kann.“, mit diesen Worten nahm Professor Steinert Kira in den Arm und ließ sie dann mit ihrem Bild in den Händen alleine.
-Hoffentlich kann mir Professor Steinert helfen. Ich habe so langsam keine Lust und Kraft mehr auf ein Leben in dieser verfluchten Neuzeit. Wegen diesem „Zeitunfall“ habe ich die größten Künstler meiner Zeit verpasst: Leonardo Da Vinci, Galileo Galilei, Thomas More, die mechanischen Uhren und das Schießpulver, die Reformation durch Luther, die Eroberung Amerikas durch die Spanier und vieles mehr! Aber was würde passieren wenn ich tatsächlich zurückkönnte? Würde ich mich dort wohler fühlen? Oder wäre ich dort total fremd, hätte mich zu sehr verändert? Oder wäre ich dann in der Tat in meinen zukünftigen verliebt und würde die Ehefrage bejahen? Ich höre lieber auf so etwas zu denken, sonst platz mein Kopf noch- unter Kopfschmerzen stand Kira langsam auf und trottete zu einem Steg am See, setze sich an dessen Rand und ließ die Füße im Wasser baumeln. Eine seichte Brise wirbelte ihr durch die roten Locken, genüsslich schloss sie die Augen. –Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Wer weiß was mir der Professor morgen sagen wird. Am besten ich lasse mich einfach mal überraschen.-
Bald geht's weiter
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2010
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