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Der Geist der jungen Lady

In der Ferne vernahm man das Jaulen eines Wolfes, der dem vollen Mond am Himmel seine Liebe gestand. Die Sterne funkelten hoch oben dort im Himmel, der Wald war dunkel und kalt. Sacht erhob sich eine dunkle Silhouette aus dem Schatten der Bäume. Das Schwert in der Hand des Mannes blitzte, reflektierte das Mondlicht für den Bruchteil einer Sekunde. Klaffende Wunden zerrissen seinen ganzen Körper, der schwere Atem kondensierte an der eisigen Nachtluft. Sein Gesicht war verdeckt, sein langes Schwarzes Haar zerzaust. Seine Klamotten zerschnitten und sein Geist ein reinstes Chaos. Zu seinen Füßen sah man einige Leichen von Soldaten des Landes. Er hatte sie alle niedergestreckt. Ein kleiner Junge blickte zu dieser Silhouette zitterte am ganzen Leibe aus Angst. Die blutroten Augen des zerrissenen Mannes ruhten auf das junge Wesen, er ließ es keine Sekunde aus den Augen. Schreiend lief der Junge weg, nicht ahnend dass es ihn nur erregte, zur Jagt anheizte.

 

Als er wieder zu sich kam befand er sich in einem See voll Blut. Er weitete die Augen, biss sich auf die Lippen und schlug seine Hand auf den Boden, während seine Augen sich schlossen, er sie zukniff. Abermals war es passiert. Abermals hatte er unzähligen Leuten das Leben genommen, ohne die Möglichkeit zu besitzen dass er daran etwas ändern konnte. Die Sonne schenkte ihm tröstend ein paar Sonnenstrahlen, doch nur für ein paar Sekunden, denn schon bald schoben sich dichte Regenwolken vor den warmen, brennenden Stern. Nun musste er sich doch fragen wieso dies ihm passierte und nicht jemandem anders. Warum musste er diese Bürde tragen, ein Biest in sich beherbergen dass keine Ruhe gab bis die Blutlust gestillt war? Nur deswegen wurde er gejagt. Nur deswegen konnte er kein normales Leben an der Seite seiner Liebsten führen. Sie war getötet worden, an seiner Stelle um ihn zu provozieren. Und er hatte es zugelassen. Er hatte sie sterben lassen.

 

Sacht strich sie ihr Haar aus dem Gesicht hinter das Ohr und beäugte mit heller Begeisterung die Kinder die draußen spielten durch die Fensterscheibe. „Aria-sama! Aria-sama passen sie doch auf!“, rief die alte Frau, die die junge Lady aufforderte dem Unterricht zu folgen. Als Prinzessin hatte sie kaum Freizeit, sie sehnte sich nach der Kindheit, die sie nie gehabt hatte. Ihre Zofe trat in den Unterrichtssaal und ergriff das Wort. „Aria-sama, Ihr Vater wartet im Esssaal auf Euch. Euer Majestät wünscht Euch zu sprechen.“, verkündete sie mit fester Stimme. Es klang so künstlich, dachte sich die junge Lady. Sobald das Gespräch mit ihrem Vater vorüber war wollte sie sich aus dem Haus schleichen und die alte Dame besuchen, die immer so tolle Geschichten erzählte. Sie mochte die Geschichten dieser Frau. Sie gingen um einen Mann, der so einsam und traurig war, dass die junge Lady ihm am liebsten trösten wollte. So stand die junge Lady auf und wurde von ihrer Zofe zum Esssaal begleitet. Die Zofe hielt der Prinzessin die Türe auf und verneigte sich, schloss die Türe hinter der Prinzessin wieder ohne selbst eingetreten zu sein. „Vater, Ihr habt mach mir verlangt?“, sprach die junge Lady. „Sehr wohl. Uns ist zu Ohren gekommen dass Ihr das russische Ballett sehr schätzt.“, sprach der König dieses Landes. Die Augen der jungen Lady funkelten fröhlich. „Das ist wahr, ich mag es wirklich sehr.“, bemerkte die junge Lady und lächelte fröhlich. „Nun, Wir haben Karten für die morgige Aufführung am Abend. Eure Mutter und Wir, wir würden uns sehr freuen wenn Ihr Uns begleiten würdet.“ Die Junge Lady machte einen leichten Knicks. „Es wäre mir eine Ehre, Liebster Vater.“ - „Gut. Dann kehrt zurück zum Unterricht. Morgen Abend wird Euch eine Kutsche am Tore des Palastes abholen, die Euch zum Theater führt und der Page wird Euch den Platz weisen.“ - „Werde ich bei Euch sitzen, liebster Vater?“ - „Nein. Nein nein. Wir haben wichtige, geschäftliche Dinge zu tun. Wir können Euch unmöglich mit Uns nehmen.“ Traurig darüber nickte die junge Lady. „Ihr Entschuldigt mich, liebster Vater.“, hauchte sie und drehte sich um, öffnete die große Türe. Wie geplant schlich sich die junge Lady aus dem Palast und ging geradewegs, in einem Kapuzenumhang gekleidet, zu der alten Dame. „Erzählt mir eine Geschichte, Großmutter!“, forderte die junge Lady. Das Lachen der alten Frau klang fröhlich und herzlich. „Wie du möchtest, meine Hübsche.“, sagte die alte Frau. „Wo waren wir denn stehen geblieben...“

 

Der Regen durchnässte den Mann vollkommen. Aber das störte ihn nicht. Sollte der Regen ihn doch vom Blute rein waschen. Doch konnte er nicht des Mannes Sünden rein waschen. Das Gesicht gen Himmel wendend streckte er die Hand nach oben, als konnte er die Wolken greifen. Doch es waren nicht die Wolken, die er greifen wollte. Leise flüsterte er den Namen, ihren Namen. Den Namen seiner liebsten, die er verloren hatte. „Es tut mir Leid.“, sprach er, „Es ist alles meine Schuld.“ Langsam erhob er sich und blickte sich um. Der Wald wirkte viel fröhlicher am Tage, vereinzelnde Lichtungen boten herrliche Plätze an, an denen man rasten konnte. Aber er suchte keine Rast. Er suchte Vergebung, Absolution. Auch, wenn er sie niemals fand, bis zu seinem Tode suchte er sie. Oder er wollte noch einmal ihr Gesicht sehen. Ihre schönen, blauen Augen, ihr rabenschwarzes Haar dass sie immer so spielerisch hinter ihr Ohr strich wenn es in ihrem Gesicht hing. Ihre süßen Lippen, aus denen immer dieses bezaubernde Lachen erklang. Tränen liefen über die Wangen des schwachen Mannes. Sie war nicht mehr. Er setzte einen Fuß vor den anderen, nicht wissend, wohin sie ihn führten. Nicht wissend, was ihn erwartete. Sobald der Mann an einem großen Tor ankam packte ihn ein seltsames Gefühl. Er ging in diese Stadt hinein, die Stadt mit dem vertrauten Namen. Doch kannte er diese Stadt nicht. Niemand schien ihn zu erkennen. Sie kannten ihn also auch nicht. An einem Stand auf dem Markt hielt der Mann inne. Er merkte langsam, wie hungrig er war. Doch konnte er ohne Geld sich nichts kaufen. Eine junge Lady bot ihm einen Apfel an, und der Mann blickte ihr in die Augen, war zu Stein erstarrt. „Du...“, setzte er an, unfähig, diesen Satz jemals zu beenden...

 

 

„Was passierte dann?“, fragte die junge Lady mit großen Augen. Die alte Dame lachte wieder und öffnete müde ihre Augen, die sie beim Erzählen geschlossen hatte. „Das, meine Hübsche, musst du schon selbst herausfinden.“, sprach sie. Nicht glücklich über diese Worte stand die junge Lady empört auf. „Dann finde ich es eben heraus!“, rief sie und machte sich auf den Weg nach Hause. Nun verging der alten Dame das Lächeln. Sie murmelte etwas unverständliches, eine Träne schlich sich aus ihrem Auge ehe sie sie schloss. Die junge Lady ging durch den Markt. Sie ließ sich die Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen. >>Ihre schönen, blauen Augen, ihr rabenschwarzes Haar dass sie immer so spielerisch hinter ihr Ohr strich wenn es in ihrem Gesicht hing.<< Sie war überrascht, aber nicht sonderlich verwundert dass die alte Frau diese Beschreibung benutzte. Sie dachte sich diese Geschichten aus, also nahm sie wohl die junge Lady als weibliche Hauptrolle. Am Obststand holte sie sich eine Tüte mit Äpfeln, die so lecker waren, und bezahlte den Händler mit dem großen Herzen und dem freundlichen Lächeln. Ihre großen und neugierigen Augen blickten sich um, sie drehte sich und sah die ganzen Menschen, die über den Markt gingen. Doch blieben ihre eisblauen Augen dann an einem im Umhang gekleideten Mann hängen, der nicht sehr glücklich zu sein schien. Es reichten zwei Schritte und sie stand vor ihm, in der Hand einen roten Apfel, den sie ihm mit einem Lächeln anbot. Sie musterte sein überraschtes Gesicht, diese großen, roten Augen. Irgendwie waren sie vertraut. Er rührte sich nicht. Nach einer Weile des Schweigens brach er sie endlich. „Du...“ Nur diese zwei Buchstaben reichten, um der jungen Lady etwas mitzuteilen, was sie so lange schon vergessen hatte. Ehe der Mann diesen Satz beenden konnte fühlte die junge Lady sein warmes Blut auf ihrer Wange. Verwirrt sah sie in sein kreidebleiches Gesicht, ihr Blick wanderte hinunter auf seine Brust, in der eine silberne Klinge hervorblitzte. Bis zur Spitze dieser Klinge wanderte sein Blut ehe es zu Boden tropfte. Ehe seine Knie nachgaben vor Schwäche hauchte er den Namen der Person, die er so lange vermisst hatte. Des Mädchens aus der Geschichte. Ihren Namen. „Aria...“ Dieses seltsam ungewohnte Gefühl wandelte sich in Nostalgie um, Aria weitete erschrocken ihre Augen und der Apfel fiel zu Boden, in das warme Blut ihres Liebsten. Nun erinnerte sie sich. Sie war damals bei ihm gewesen. Sie hatte dort gesessen, mit geschlossenen Augen und hatte der jungen Lady diese Geschichte erzählt, auf dass ihre Erinnerungen zurückkehrten. Sie war der Geist, der nun vor ihm stand, um ihn nur noch ein letztes Mal zu sehen.

 

Als er zum letzten Mal ihr Gesicht gesehen hatte, merkte er, dass er keine Reue mehr verspürte. Nun konnte er in Frieden ruhen. Er fühlte die sanfte Berührung, als sie ihn anhob und in ihre Arme schloss. Bemerkte ihre Tränen, die bitter erst ihre, und dann seine Wangen hinab flossen. Mit letzter Kraft strich er ihr sanft über die Wange und zeigte ihr ein Lächeln, das von Herzen kam. Seine Augen schlossen sich und gemeinsam mit seiner Liebsten schritt er durch die letzte Forte.

 

Die kleine Prinzessin blickte ihre Zofe an, die Augen funkelten. „Sie sind also nun glücklich?“, frug sie. Mit einem lieblichen Lächeln nickte die Zofe bejahend und ein liebliches Kichern erklang aus ihrem Munde. „Das sind sie.“, bestätigte sie erneut und schloss das Buch ein letztes Mal...

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Bildmaterialien: Aoshiki (zerochan.net)
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2013

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