Minou
der weiße Wolf
Die Rudel
Metunga-Rudel:
Alphapaar: Karusha (Weibchen) ,Ronum (Rüde)
Betawölfe: Anuru (ältester Rüde des Rudels) , Kasha (ältester Sohn von Ronum) , Miram , (Vor langer Zeit hinzugekommene,weise Wölfin)
Untergebene Wölfe: Hanuk (Schäferhündin,die sich dem Rudel angeschlossen hat) Minou (Sohn von Hanuk,Halbwolf) Yakishi (Tochter des Alphapaars) Shinooc (Ehemaliger Alpharüde ,Heiler des Rudels) , Warinu ( Schwester Karushas)
Neugeborene Jungen:
Dolurim (Tochter des Alphapaars), Rashia (Schwester Dolurims) , Ketashu ( Dolurims jüngster Bruder) , Ceram ( Warinus einziger Sohn)
Omegawolf: Shiruma (Zugelaufener Wolf ,der täglich Schlimmes anrichtet)
Karshim-Rudel:
Alphapaar: Rimak (Weibchen), Koniam (Rüde)
Betawölfe: Kauschur (Rimaks Schwester), Erinam (Weisester Wolf des Rudels),
Klammun (Sohn des Alphapaars), Derischun (Älteste Wölfin des Rudels)
Untergebene Wölfe: Kenirash ( Goldener,großer Wolf,deshalb bald Betawolf) , Yukari (Werdende Mutter), Klamari (Ehemaliger Metunga-Wolf)
Neugeborene Jungen :
Jarush (Sohn des Alphapaars), Kinuk (Älteste Schwester Jarushs) , Mirinam (Jüngste Wölfin des Wurfes)
Omegawölfe: Keriman, Amecum (Rüden,aus einem Wurf von Derischun)
Mishurima-Rudel
Alphapaar: Jakishum (Das Mishurima-Rudel hat nur einen Alpharüden)
Betawölfe: Rumari (Junge Halbwölfin,deren Familie aus Schäferhunden besteht),
Karim (Tochter Jakishums und Rumaris)
Untergebener Wolf: Runue (Hinzugelaufener Wolf )
Omegawolf: Viriam (Runues Schwester)
Fuchsrudel
Anführer : Merkim
Jäger (Bestehen nur aus Rüden) : Jerima, Sanga, Mirkin, Deshagon , Conrem , Cleo
Kräuterfuchs (Diese Füchse kennen sich mit Heilkräutern und Krankheiten aus):
Lerchenauge
Säugende Fähen : Chara , Miron , Amara ,Shiki
Jungen : Ronka, Ushishi , Kirun = Charas Junge , Guru = Mirons Junge, Juror,Rimak, Jasher = Amaras Junge, Cirma , Indur = Shikis Junge
Der pechschwarze Himmel war überzogen von einer dicken Wolkenschicht.Diese hinderte die Sterne daran,ihr Licht auf die schlafenden Berge zu werfen.Nur das Licht des Vollmondes leuchtete intensiv genug,die dunklen Gewitterwolken zu durchdringen und die felsige Landschaft des Metunga-Rudels zu erhellen. "Hört uns alle zu!" Ein eindrucksvolles Alphapaar stand auf einem schmalen Felsklotz und rief sein Rudel nun zu einer monatlichen Versammlung zusammen.Das matte Licht des Vollmondes verwandelte die grauen Pelze der Tiere in Silber. Aufgeregtes Murmeln erhob sich unter den Tieren,ungeduldige Augen ruhten auf dem alten,weisen Wolf,der auf dem Felsen stand. Der Alpharüde legte seinen breiten,von einigen weißen Haaren gezierten Kopf in den Nacken um zu Veruna,der Göttin aller Wölfe dieser Gegend zu heulen. Das Rudel stimmte ein und aus dem Heulen der Wölfe wurde ein melodisches Lied. Es war ausschließlich Veruna gewidmet. Ein jeder Wolf der umliegenden Rudel verehrte Veruna,die,wie man ihr nachsagte,im Licht des Mondes lebte,und kein Wolf durfte es sich erlauben,an Veruna zu zweifeln. Plötzlich verstummte der Klang des Heulens,alle richteten ihre gelben Augen auf die weiße Gestalt,die sich durch die Menge hindurch einen Weg zu ihrem Alphapaar bahnte.Ihre blauen,funkelnden Augen strahlten fast mehr Licht aus als der Vollmond,der durch die dichte Wolkendecke drang. "Hanuk,wie kannst du es wagen,das heilige Ritual der Anbetung Verunas zu brechen?Du verstößt damit gegen das Gesetz aller Rudel!",knurrte der Alpharüde und entblößte eine Reihe scharfer Zähne,die im Mondlicht blitzten wie scharfe Klingen. "Ich werde an diesen Ritualen nicht mehr teilnehmen,denn ich habe den Glauben an Veruna verloren!" Ein ewig anhaltendes , schockiertes Schweigen legte sich über die Menge,nur das gleichmäßige Atmen der Wölfe war zu vernehmen,selbst das Krachen von sich lösenden Steinen sowie das gedämpfte Zwitschern von Vögeln,die über die Gebirge flogen,verstummten. Die weiße Schäferhündin,welche sich vor einigen Wochen dem Wolfsrudel angeschlossen hatte,sprach weiter,obwohl sie wusste,dass ihr Anführer sie sofort von dem Rudel würde verbannen müssen,denn ein jeder Wolf war verpflichtet,Veruna zu heiligen. "Veruna hat mich einem meiner Jungen beraubt!" Zur überraschung aller sprach der Alpharüde ernst,aber ruhig: "Was ist geschehn?",fragte er. Ein langgezogener Seufzer entwich der Hündin. "Es war krank und schwach und ich habe zu Veruna gesprochen,dass sie ihm helfen soll,gesund zu werden.Doch nichts hat sie getan! Es ist gestorben,weil Veruna mich nicht erhört hat!" In den Augen des Alpharüden spiegelte sich nun Wut.Er antwortete mit einem lauten Knurren: "Veruna kann uns nicht vor allen Situationen bewahren",versicherte er,doch Hanuk schüttelte den Kopf. "Sie hat mein Junges getötet,weil ich keiner von euch bin! Ihr habt mich niemals als vollständiges Midglied eures Rudels akzeptiert,genauso wenig wie Veruna!" "Wenn du so über Veruna sprichst,verurteile ich dich jetzt zur"- er hob den Kopf,damit jeder seine Worte verstehen konnte- "Verbannung!" Ein dunkelgrauer Wolf, welcher hinter einem Felsen verborgen im Schatten kauerte, zuckte zusammen, als er einen traurigen Blick Hanuks empfing. Er war ein Einzelgänger, gehörte also keinem der Rudel an, und er war Hanuks Gefährte und somit der Vater der Jungen. Zustimmendes Jaulen erfüllte das Gebirge,wütende Wölfe schnappten nach Hanuk,welche zunächst zögerte,dann rannte sie jedoch durch die Menge und verschwand in den dunklen Schatten der Felsen, wo sich der fremde Wolf verbarg. Ihre übrigen Jungen mussten sie zurücklassen.
1.Kapitel
Minou rannte quer durch das riesige Felsengebirge, seine Pfoten drängten ihn dazu, schneller zu laufen. Er prüfte einige Male die Luft, zögerte jedoch nicht, weiterzulaufen. Der Geruch eines fetten Kaninchens, welches er wenige Augenblicke zuvor beobachtet hatte, hing noch in der Luft.
Einige Schwanzlängen vor Minou hoppelte es und versuchte, den Halbwolf abzuhängen.
" Na warte, du wirst mir nicht noch einmal entwischen!", zischte dieser, sprang mit seiner ganzen Kraft ab, streckte die Pfoten aus ... und verfehlte das Kaninchen um Haaresbreite. Mit einem lauten Krachen landete Minou auf dem steinigen Boden, Das fette Kaninchen verschwand in der Ferne, und unwillkürlich erinnerte sich Minou bei jenem Anblick an die so weit zurückliegende Verbannung seiner Mutter.
Er hatte von seiner Höhle aus als winziges Junges zugesehen, als das Wolfsrudel sie davongescheucht hatte wie ein lästiges Insekt, weil sie ihren Glauben an Veruna, die Göttin der Wölfe, verloren hatte.
Mit enttäuschter Miene richtete der weiße Halbwolf sich auf und schüttelte sich den Staub aus dem Fell, welches durch den Dreck eine leicht graue Färbung angenommen hatte. Wieder war Minou ein Jagdversuch missglückt. Gerade jetzt im Spätherbst, da die meisten Tiere den Aufenthalt in den Gebirgen mieden, war der Vorrat an Beute bei allen Rudeln rar geworden.
Mit hängendem Kopf trottete Minou den steilen Pfad entlang und suchte die Stelle auf, wo er den Raben- sein einziges Beutestück, das er erlegt hatte - platziert hatte, sodass er das Kaninchen jagen konnte, und hob das magere Tier mit den Zähnen auf , um es zu dem nicht allzu weit entfernten Rudel zu tragen.
"Ich muss mit Karusha und Ronum sprechen...", sagte er sich, bevor das Lager des Metunga- Rudels in Sichtweite kam.
Minou beschleunigte sein Tempo und hatte Mühe, durch die dichten Federn des toten Raben überhaupt atmen zu können. Winzige Härchen lösten sich immer wieder von den Federn ab und drangen in Minous Rachen, er keuchte. Die Silhouette des großen Baums, unter dem jeden Vollmond die Zeremonie des Heulens - das Rudel bezeichnete es als das Anbeten Verunas- abgehalten wurde, war deutlich zu erkennen, dann sah man die einzelnen Blätter. Minou nahm eine Abkürzung,um zum Lager zu gelangen, er kletterte auf eine Anhöhe, sprang leichtfüßig hinunter und landete auf dem Stein, wo das Alphapaar während des Heulens zu sitzen pflegte. Er kletterte von dem Stein herab und kam auf den scharfkantigen Steinen auf, bevor er die Höhle des Alphapaars betrat.
"Warum bist du hier, Minou?" Der alte Alpharüde saß in seiner großen,mit Moos ausgepolsterten Höhle und vernahm leise Pfotenschritte hinter sich,er wusste sofort,dass es der jüngste Sohn Hanuks war, der Hündin,die vor einiger Zeit das Rudel verlassen hatte.Jeden Tag kam der weiße Halbwolf zu der Höhle des Alphapaars und bat es um jegliche Hilfe. Minou war außerdem der einzige der Jungen,der seiner Mutter bis aufs kleinste Haar glich. Er hatte den selben schneeweißen Pelz wie seine Mutter ihn hatte,und die gleichen funkelnden,eisblauen Augen. Langsam schritt er auf den Alpharüden zu und neigte vor ihm respektvoll den Kopf.
"Diese Frage plagt mich schon,seit ich denken konnte", murmelte er und trat näher.
Der weiche, von Moos überwucherte Boden der Höhle kitzelte unter seinen Pfoten und ließ ihn wohlig seufzen. Wie gerne hätte er in seiner Höhle auch etwas besseres als den grauen,harten Stein.
"Was ist es diesmal,Minou?"
"Ich weiß,dass ich mich von allen anderen Wölfen hier unterscheide. Mir ist bewusst, dass mein Vater ein Wolf, ein Einzelgänger, war. Ich weiß auch,wer meine Mutter war. Aber ich weiß nicht,wer ich bin!"
Der weise Wolf drehte sich zu ihm um und murmelte aufmunternd: "Minou. Hör mir zu", begann der alte Wolf. "Du bist hier bei uns geboren , du bist hier aufgewachsen....Du bist ein Teil unseres Rudels, Minou. Du bist Teil unseres Lebens. Ohne dich oder deine Geschwister oder irgendeinen anderen Wolf hier wäre dieses Rudel und alles andere unvollkommen. Du gehörst hier her. Du bist ein Teil von jedem von uns. Ist deine Frage damit beantwortet?" Der weiße Halbwolf nickte zögernd und stieß einen langgezogenen Seufzer aus.
"Was ist?",fragte der Alpharüde, doch Minou schüttelte den Kopf und knurrte: "Nichts".
Träge trottete Minou aus der Höhle hinaus und ließ den Kopf einfach hängen. Ich nerve ihn!, dachte er Aber ich will nichts weiter als meine Frage beantwortet haben. Warum versteht das nur niemand? Minou betrachtete die graue,eintönige Landschaft um sich herum und war plötzlich von Trauer übermannt. Er war nun seit acht Monaten auf der Welt und jeden Tag hatte er sich den Kopf über seine wahre Identität zerbrochen. Er war zwar nicht der Omegawolf, aber es gab Zeiten, da glaubte er, einer zu sein. Omegawölfe waren die Wölfe mit dem niedrigsten Rang in einem Rudel, der Sündenbock, an dem alle ihre Sorgen ausließen. Minou zählte zu den untergebenen Wölfen, das waren die, die sich um den Nachwuchs kümmerten. Die Betawölfe hatten -natürlich nach dem Alphapaar-den höchsten Rang in einem Rudel. Sie hatten die Verantwortung,wenn die Alphawölfe sie gerade nicht übernehmen konnten.
Minous Pelz hatte durch den Staub des trockenen Bodens eine dreckige Färbung angenommen,da der Boden in seiner Höhle nicht von Moos bedeckt war, sondern von grauen, harten Steinen. Müde ließ sich Minou auf den kahlen Stein fallen, ein verdorrender Baum,dem es gelungen war,seine Wurzeln zwischen den Massen von Felsen zu schlagen,spendete ihm Schatten. " Warum bin ich der Einzige, der fast nie Beute mitbringt? Warum darf ich nur ein halber Wolf sein? Das ist einfach nicht fair!", murmelte er zu sich selbst. Lange betrachtete Minou die karge,graue Umgebung,er sehnte sich nach frischen Pflanzen und jungen Knospen,die inmitten eines grünen,wohlriechenden Waldes wuchsen. Minou wusste nicht, wieso,aber manchmal glaubte er,den Geruch des Waldes noch in der Nase zu haben. Vor wenigen Monaten war er aufgebrochen um nach Nahrung zu suchen-dies war ebenfalls eine der Zeiten gewesen, in denen die Beute rar war- und er hatte sich plötzlich in einem Wald wiedergefunden.Dort hatten sich viele kleine Bächlein ihre Wege durch die grünen Böden sowie die besitzergreifende Vielfalt an Pflanzen gebahnt, große, efeubewachsene Bäume ragten hoch in den Himmel hinauf. Dann stieg ihm wieder der Geruch der frisch getöteten Krähe in die Nase und er seufzte , dann stand er erneut auf, um die Krähe in die Höhle der säugenden Mütter zu tragen. Wenigstens sie sollen einen Grund haben, sich zu freuen, dachte er und betrat mit noch immer gesenktem Kopf die Höhle der Mütter. Diese drehten ihre grauen Köpfe sofort nach ihm um. "Minou", murmelte Warinu, die dicht an Karusha geengt lag. "Ist diese Beute für uns?" "Ja, das ist sie", murmelte Minou und seine Stimme wurde durch die vielen Federn in seinem Maul gedämpft, dann legte er die Krähe ab. "Es ist nicht sehr viel, aber ich hoffe, ihr mögt es trotzdem". "Natürlich !" ,rief Karusha, die Alphawölfin aus und richtete sich auf. "Bleibe doch noch etwas hier, Minou", bot sie daraufhin an. Der weiche Unterton in ihrer Stimme war ihr besonderes Merkmal, da jeder Wolf es mochte, ihren Erzählungen - wegen ihrer Stimme, nicht etwa aufgrund ihrer Erzählkunst- zu lauschen. "Yakishi war vor kurzer Zeit hier und wollte wissen, wo du steckst. Aber diese Frage hat sich jetzt wohl beantwortet", fuhr sie fort und stupste mit der Pfote die tote Krähe an, welche sie kurz danach mit der Betawölfin und Mutter Warinu teilte. "Weißt du, Minou" murmelte sie mit vollem Mund, das Blut der Krähe troff auf den steinigen Boden. "Ich finde, du bist ein ausgesprochen guter Jäger, trotz deines eigentlichen Ursprungs. Es wird nicht mehr lange dauern, bis du zum Betawolf ernannt wirst, da bin ich mir sicher." "Ich bin geschmeichelt, wirklich. So etwas von der Alphawölfin persönlich zu hören... So viel Glück hat nicht jeder", bedankte sich Minou , und die beiden Wölfinnen tauschten vielsagende Blicke. "Ich werde zu Ronum gehn und ihm sagen, dass du gute Fortschritte gemacht hast. Ich habe gerade eine gute Idee. Geh doch mit einem der jungen Wölfe raus und übe mit ihnen das Klettern. Denn dies ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein Metunga- Wolf vor seinem dritten Lebensjahr beherrschen muss. Das ist dir doch bewusst, nicht wahr?" Minou nickte. Er hatte erst ein Alter von einem Jahr erreicht und war ohnehin schon der beste Kletterer seiner Altersklasse. Wie auf ein stilles Kommando sprangen plötzlich alle kleinen Wölfe auf und rannten zu ihm hinüber, Minou wusste nicht recht, mit welchem er nach Draußen gehn und das Klettern üben sollte. "Geh mit ihnen abwechselnd", riet ihm die Alphawölfin aufmunternd und Minou gab einem kräftigen, dunklen Wolfsjunge mit einem Zucken des Schwanzes das Zeichen, ihm nach Draußen zu folgen. Sofort folgte ihm das Junge und wedelte eifrig mit dem Schwanz. "Vielleicht bringt ihr ja noch etwas Beute mit?!" Doch Warinu erhielt von Minou keine Antwort, der Halbwolf verließ die Höhle, kurz darauf überhäufte der junge Wolf ihn mit Fragen: "Wo hast du diese Krähe eben gefangen ? Bringst du mir bei, wie das funktioniert? Wir werden richtig viel Beute mitbringen, und wir müssen nie wieder hungern! " "Warte, werde bloß nicht zu übereifrig! Wie war noch einmal dein Name? Cerim.... Ceram? Du bist Ceram, oder? Dolurims einziger Sohn?" Das Wolfjunge nickte und wirkte ein wenig eingeschüchtert. Hatte Minou zu hart mit ihm gesprochen? Doch dann zeigte sich wieder ein freudiges Glänzen in den gelben Augen Cerams, er wedelte noch immer mit dem buschigen Schwanz. "Dann gehen wir eben klettern... Und könnten vielleicht noch ein wenig Beute machen, oder?" Minou zögerte, dann nickte er und hoffte, dass es nicht eine zu gefährliche Angelegenheit wäre, einen Wolf von zwei Monaten mit auf die Jagd zu nehmen. Doch schließlich fasste er den Entschluss, es doch zu tun. "Wir sollten langsam aufbrechen", stellte er fest. "Es wird langsam dämmrig." Die eben noch hellblaue Farbe des Himmels mischte sich mit einem grellen Orangeton und das Leuchten der Sonne war längst nicht mehr so intensiv; Sie warf orangenes Licht auf Minous Fell und ließ es golden aufleuchten, dies schien den kleinen Ceram nur zu faszinieren, denn seine Augen weiteten sich zu leuchtenden Kreisen. "Halt dich gut fest!", rief Minou Ceram zu, der gerade auf einen Velsvorsprung kletterte und sich an der Wurzel eines Winzigen Holunderbusches festzuhalten suchte. Die angespannten, für ihn kräftigen Muskeln zeichneten sich unter dem dunklen Fell ab, Minou spürte die Anspannung in ihnen, als wäre er es selbst, der sich dort festhielte. " Minou!!! Ich rutsche ab!", quietschte der Wolf, die Wurzel löste sich, darauf folgte ein lautes Krachen.... "Autsch", murmelte der Wolf, der, seine vier Beine weit von sich gestreckt, mitten auf dem staubigen Felsboden lag, die sich rot färdenden Blätter des Holunderbuschs zierten seinen Kopf. Er blutete leicht aus einer kleinen Wunde an der Schulter, doch dies schien der junge Wolf garnicht zu bemerken; Er richtete sich auf und schüttelte den Staub aus seinem mitlerweile matt glänzendem Pelz. "Da oben war ein richtig fettes Kaninchen!", sprach Ceram und leckte sich über die Lippen. Ungläubig starrte Minou ihn an und murmelte: "Ein Kaninchen? Dort oben?" Er sah sich den Vorsprung genauer an und stellte fest, dass sich dort kein Pfad entlang des steilen Felsmassivs befand, wo ein Kaninchen hätte hochgelangen können. "Bist du sicher?" Prüfend schnüffelte Minou, doch der Geruch eines Kaninchens war schal, wahrscheinlich war es der des Tieres, welches vorhin von Minou gejagt worden war. " Sieh doch einfach nach!", drängte Ceram und tänzelte aufgeregt von einer Seite zur anderen, als könnte er es kaum erwarten, seine Zähne in den schmackhaften Körper eines frisch getöteten Beutetieres zu schlagen. Leichtfüßig sprang Minou ab und klammerte sich mit den kräftigen Vorderpfoten an die Kante des Vorsprungs. Doch anstatt in die braunen, geweiteten Augen eines Kaninchens blickte er in gelbe, ihn anfunkelnde Schlitze. Das Tier fuhr herum und die weiße Spitze eines roten Schwanzes wedelte in Minous Gesicht, dann kletterte das Tier die steile Felswand hinauf und verschwand. "Und? Hast du es gefangen? Los, sag schon!" Doch Minou schwieg. Das Rudel musste dringendst informiert werden, dass sich ein Fuchs in der Gegend aufhielt. "Was war es? Und hast du es gefangen?", hakte Ceram weiter nach, doch als Antwort erhielt er nur ein Kopfschütteln. "Wir müssen zum Lager zurückkehren", entschied Minou stattdessen und machte kehrt, das Wolfsjunge folgte ihm wiederwillig. "Aber wir haben nichts gefangen", stellte es mit enttäuschter Miene fest. "Nein, Ceram, das haben wir nicht", bestätigte Minou. "Aber du hast etwas ganz Besonderes gesehn. Etwas, wovon das Rudel sofort Bescheid kriegen muss." Ceram blickte ihn aus großen, fragenden Augen an. "So?" "Du hast soeben einen Fuchs entdeckt." Sofort eilten die beiden Wölfe - oder besser: Der Wolf und der Halbwolf- zu ihrem Lager zurück, nahmen dieses Mal jedoch nicht den Weg , den sie gekommen waren, sondern Minous Abkürzung, die er stets zu benutzen pflegte. Na ja,dachte er, etwas habe ich Ceram doch beigebracht.Jetzt kennt er diese Abkürzung... "Wirst du mit meinen Freunden auch noch auf die Jagd gehen?", fragte Ceram, in seinen Augen blitzte Neugier. "Morgen", entschied Minou dann und betrat zusammen mit Ceram die Höhle des Alphapaars; Er musste ihnen über den Fuchs Bericht erstatten. "Minou! " Das war Karushas Stimme, er erkannte die Alphawölfin sofort. "Ich hätte so früh nicht mit euch gerechnet." Sie stockte und in ihren Augen spiegelte sich ein Ausdruck von Sorge "Ist etwas geschehn?" Anscheinend hatte sie den Kratzer an Cerams Schulter bemerkt. "Wir haben einen Fuchs gesehn!", platzte der sofort heraus. "Ein Fuchs?" "Als Ceram auf einen Felsvorsprung geklettert ist- na ja, er hat es versucht, er ist leider abgerutscht- glaubte er, ein fettes Kaninche gefunden zu haben. Dann habe ich selbst nachgesehn und musste feststellen, dass Cerams Kaninchen leider ein Fuchs war. Er ist weggerannt, aber ich weiß nicht, wo er jetz ist", erklärte Minou langsam, wurde jedoch sofort von Ceram verbessert: "Der Fuchs ist nicht weggerannt, er ist geklettert!" "Es spielt keine Rolle, wie er entwischt ist." Das war Karusha, deren Gesicht noch viel besorgter wirkte. "Ich werde es umgehend dem Rudel mitteilen,am besten, es gibt eine Versammlung." Minou riss die Augen auf. Es kam in einem Rudel nur sehr selten vor ,dass eine Versammlung abgehalten wurde, obwohl kein Vollmond war. "Warum ist dies für uns denn so wichtig? Ein Fuchs kann uns nur die Beute stehlen, aber er kann uns doch nicht schaden?! Denn unsere Jungen sind mitlerweile stark genug, sich zu wehren." "Ceram, ich möchte dich bitten, die Höhle zu verlassen. Ich muss mit Minou alleine sprechen." "Aber..." "Schweig! Verlasse nun die Höhle, sofort!" Mit hängendem Kopf trottete Ceram aus der Höhle, Karusha sah noch zu, wie er die Höhle seiner Mutter und den anderen Jungen betrat, dann begann sie, zu sprechen: "Ich erwarte von dir, dass du das, was ich dir jetzt mitteilen werde, niemandem gegenüber erwähnst. " "Das werde ich nicht", versprach Minou, und die Alphawölfin fuhr fort : " Ich erwarte Junge. Aber ich bin mir nicht sicher, ob...." "Was?" ,hakte Minou nach. "Ich bin mir nicht sicher, ob ... Ich weiß nicht, wessen Junge es sind." "Wie meinst du das ?" "Ich glaube, es sind nicht Ronums Junge." In Minou stieg Entsetzen auf. Wie konnte es die Alphawölfin wagen, junge Wölfe in sich zu tragen, die nicht mit dem Alphawolf verwandt waren? Trotzdem schwieg er und ließ den Kopf sinken, als Karusha fortfuhr: "Aber, ich bitte dich, erzähle es niemandem ! Auch nicht Ronum! " "Wieso teilst du dieses Wissen gerade mit mir?", erkundigte sich Minou kleinlaut. Die Alphawölfin seufzte, bevor sie antwortete: "Weil du der Einzige bist, dem ich hier vertrauen kann." "Was ist mit Yakishi? Ihre Mutter wird sie sicher nicht verraten." "Obwohl Yakishi meine Tochter ist, hätte sie es dir mitgeteilt. Sie hätte dir alles anvertraut." Minou zischte genervt: "Ich weiß... Sie mag mich, nicht war?" "Noch mehr als das." "Was?", rief Minou aus und achtete nicht auf den Lärm, den er machte. "Hat sie dir das gesagt?", hakte er nach und tat einen Schritt auf Karusha zu. "Was genau hat sie gesagt?" Karusha zögerte und knetete nervös das Moos unter ihren Pfoten. "Ich weiß nicht, ob ich dir dies anvertrauen kann..." Wütendes Knurren grollte in Minous Kehle, als er fortfuhr: "Du sagst mir, dass du die Welpen eines fremden Wolfs in dir trägst, aber nicht, dass deine Tochter mich liebt?" "Sie ist meine Tochter, Minou! Ich kann dir eben nichht alles sagen." Ihre Stimme blieb ruhig, doch ihr Blick war wütend. Minou nickte verständnisvoll und verließ die Höhle. Draußen herrschte tiefe Dunkelheit, der Mond stand hoch am Himmel und das Lager schien zu schlafen. Außer Minou hielt sich jeder Wolf in seiner Höhle auf. Und was ist mit der Versammlung?, dachte Minou, und plötzlich, als hätte sie seine Gedanken gelesen, stand Karusha auf dem Felsen, gefolgt von Ronum, der gerade von der Jagd zurückgekehrt war. "Hoffentlich hat er unser Gespräch nicht gehört", murmelte Minou und stimmte daraufhin in das Gejaule des Alphaapaars mit ein. Dann erschien das gesamte Rudel- darunter auch der Omegawolf Shiruma, der mi beleidigter Miene in einer Ecke hockte- vor ihren Höhlen. Einige jaulten aufgeregt, doch andere blickten sich nur erstaunt um, da es sehr selten vorkam, dass eine Versammlung trotz unvollständigem Mond abgehalten wurde. " Wir haben euch etwas Wichtiges mitzuteilen !", begann Karusha und durchbohrte Minou dabei mit ihren smaragdgrünen Augen. " In dieser Gegend wurde ein Fuchs gesichtet" - die Wölfe seufzten schreckhaft- " Von Minou und Ceram." Jetzt waren alle Augen auf Minou und den kleinen Ceram, der sich neben den weißen Halbwolf gesellte, gerichtet und aufgeregtes Murmeln erhob sich. "Ich bitte dich, Karusha! " Ertönte plötzlich Shirumas spöttische Stimme, die dann die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. "Bist du mitlerweile so verzweifelt, dass du den Worten eines Halbwolfs glaubst?" Doch die Alphawölfin schenkte Shiruma keine Beachtung, als sie fortfuhr : " Gebt also auf unsere Jungen acht und bewacht die Beute. Einer muss immer wach sein, um die Vorräte zu bewachen. Und noch etwas. Eine Wölfin aus unserem Rudel erwartet Junge. Ihr müsst also noch besser gewappnet sein, wenn die Jungen da sind, wird es sehr gefährlich." Sofort war Minou klar, dass Karusha von sich selbst sprach. "Die Versammlung ist beendet", murmelte Ronum, woraufhin die Wölfe in ihre Höhlen traten, doch Shiruma trottete mit gebleckten Zähnen auf Minou zu und zischte: "Mal wieder hast du etwas Wichtiges entdeckt. Glaube mir, ich wäre an deiner Stelle vorsichtig. Du weißt nie, was dich verfolgt. Irgendwann wird ein Angreifer von hinten angreifen und dich in der Luft zerreißen". "Soll das eine Drohung sein?" knurrte Minou mit fester Stimme und baute sich vor dem Wolf auf; obwohl er nur ein halber Wolf war, überragte er Shiruma um einiges. Doch der Omegawolf ließ sich nicht einschüchtern. Er trat noch einen Schritt auf Minou zu, bis ihre Nasen sich fast berührten. Doch dazu hätte sich Shiruma erst einmal auf die Pfotenspitzen erheben müssen. "Irgendwann werden wir uns im Kampf begegnen." "Wie denn das?" , erkundigte sich Minou und verzog fragend das Gesicht. "Wir gehören dem gleichen Rudel an. Wir können nicht gegeneinander kämpfen." "Mach dir keine Sorgen. Bestimmt wird einer von uns bald in einem anderen Rudel leben." " Dann bist du das." Bevor Shiruma Minou den Rücken kehrte, spuckte er ihm auf die Pfote und verzog das Gesicht zu einer lachenden Grimasse. Mit einem gelangweilten Seufzer ließ sich Minou einfach auf die Erde fallen und legte den Kopf auf die Pfoten."Glaube mir, Shiruma", murmelte er, jedoch nicht an den Omegawolf gewandt. "Du wirst mich nicht überlisten." Dann seufzte er und schloss die Augen. Morgen.Morgen würde er aufbrechen und die Antwort auf jene Frage finden, die ihm nicht einmal der Alphawolf zu beantworten vermochte.
2. Kapitel Graue Regentropfen prasselten auf das eintönige Felsengebirge herab und wuschen den Staub aus Minous Fell,der sich während der Nacht in dem weißen Pelz des Halbwolfs gebildet hatte. Minou erwachte schlagartig und blinzelte sich den Schlaf aus den Augen,als ein dicker Tropfen in Form einer Träne sein Ohr kitzelte. Träge stand der Halbwolf auf und streckte sich,dabei wirkte sein abfallender Rücken ,der gebaut war wie der eines Schäferhundes besonders auffällig . "Das wird ein langer Tag",sagte sich Minou und schüttelte sich die kalte Nässe aus dem an seinem Körper klebenden Fell. Er war fest entschlossen,sich heute auf die Reise zu begeben. In Minous Inneren loderte das Feuer,alle Informationen über die Herkunft seiner Mutter herauszufinden.Und er wollte wissen,warum diese den Entschluss gefasst hatte,sich einem Wolfsrudel anzuschließen. Das Regenwasser stand dem Halbwolf bereits über den kräftigen Pfoten . Er ahnte,dass er die säugenden Mütter,dessen Höhle am tiefsten gelegen war,wegen möglicher Hochwasser-gefahr warnen müsse. Mit erhobenem Kopf prüfte er die Luft und nahm einen süßen Duft war . Minou wusste nicht,ob es ein Hirngespinst seiner selbst war oder ob der frische Geruch des Waldes tatsächlich in der Luft hing. Wie hypnotisiert folgte Minou dem Duft,die Augen hatte er geschlossen.Ohne zu wissen,wohin er ging,setzte er eine Pfote vor die andere.Der Geruch des Waldes wurde stärker,vermischte sich dann jedoch mit etwas anderem.Es war ein vertrauter Geruch,der schnell stärker wurde. "Minou?",ertönte plötzlich eine helle Stimme hinter ihm,die ihn aus seinem Bann riss.Sie gehörte der "Untergebenen " Wölfin Yakishi,die gleichzeitig die Tochter des Alphapaars war.Sie galt als schönste Wölfin des Rudels,weshalb viele Rüden es als Erfolg sahen,von ihr angesprochen zu werden.Minou jedoch war wohl der Einzige,der dies nicht so empfand.Für ihn war Yakishi eine Wölfin wie jede Andere. Das Problem aller bestand jedoch darin,dass Yakishi sich nicht für die anderen sie anbetenden Wölfe interressierte,sondern für Minou. "Was ist los?",fragte sie mit einem leisen Funken Mitleid in der Stimme. "Warum sitzt du hier so alleine?" Minou stieß einen langen,gelangweilten Seufzer aus und murmelte: "Ich werde euer Rudel verlassen.Nicht für immer,nur für einige Zeit." "Nein!",rief die junge Wölfin und eilte zu ihm hinüber. "Du darfst unser Rudel nicht verlassen! Bitte,Minou,bleibe hier!",flehte sie und rieb ihren Kopf an Minous Flanke. "Yakishi,ich weiß,dass du es nicht für angemessen hältst,wenn ich gehe.Aber ich muss es tun.Ich will wissen,wer ich bin",erklärte Minou,jedoch ahnte er,dass Yakishi ihn niemals verstehen würde. "Ich weiß,wer du bist!" Fragend hielt Minou den Kopf schief und wartete auf die Erklärung Yakishis. "Du bist Minou,der Sohn von Hanuk,einer weißen Schäferhündin. Jetzt hast du die Antwort.Bitte,gehe nicht!" "Yakishi,ich werde gehn.Es ist ja nicht für immer!" Mit hängendem Schwanz trottete die Wölfin zurück in ihre Höhle,wo ihre Geschwister sie bereits erwarteten. Plötzlich vernahm Minou ein lautes Knistern aus der Höhle des Alphapaars. Karusha streckte ihren Kopf aus der Höhle und blickte sich um, sie sah Minou jedoch nicht, denn der hatte sich hinter einem Felsklotz versteckt. Die Alphawölfin prüfte die Luft und eilte aus der Höhle, sie schien es sehr eilig zu haben. Gerade öffnete Minou den Mund, um die Alphawölfin zu rufen, entschloss sich dann jedoch zum Gegenteil. Wieder prüfte Karusha die Luft und blickte sich mit zackigen Bewegungen um; Minou saß noch immer zusammengekauert in seinem Versteck. Was hat sie nur vor?, fragte sich Minou und auf seinem Gesicht bildete sich ein skeptischer Ausdruck. Er wartete, bis die Alphawölfin um die Ecke und somit fast außer Sicht gelaufen war, dann lief er los, um ihr zu folgen. Seine Pfoten kribbelten und das Blut stieg ihm bis in die Schwanzspitze. Er, Minou, würde möglicherweise bald etwas für das Rudel lebenswichtiges erfahren. Doch dann stieg plötzlich ein völlig anderes Gefühl in Minou auf, ihn schauderte. War es nicht Verrat , wenn er der Alphawölfin regelrecht nachspionierte? Aber ich muss es tun ! dachte Minou. Ich muss die Wahrheit herausfinden. Doch leider schaffte er es nicht, sich selbst zu überzeugen, dennoch tat er leichtfüßig einen Schritt nach dem anderen, bemüht, so wenig Laute wie möglich zu erzeugen. Doch dann stieß seine Pfote gegen einen Stein, der sofort losrollte und an einem spitzen Felsbrocken zerschellte. "Wer ist da?", rief die Alphawölfin und fuhr herum, in ihren Augen zeichnete sich Panik und Aufregung. Minou war es im letzten Augenblick gelungen, sich in eine kleine Senke neben dem Pfad zu quetschen, sodass Karusha ihn nicht bemerkt hatte. Er konnte von Glück reden, über solch ausgezeichnet schnelle Reflexe zu verfügen, sonst hätte ihn Karusha wahrscheinlich sofort bemerkt. Dieser Weg war Minou bisher nicht bekannt, da ihn seine Mutter gewarnt hatte, jemals dort entlang zu gehn. Führte er nicht zum Lager des Karshim- Rudels? Sie hatten schon oft Kämpfe mit diesem Rudel gehabt, wegen gestohlener Beute oder um einen bestimmten Ort, welchen beide Rudel gerne zu ihrem Territorium gemacht hätten oder wegen Vergrößerung des eigenen Territoriums. Minou selbst hatte bisher an keinem Kampf teilgenommen, aber Hanuk hatte ihm schon oft davon erzählt. "Ist da jemand?", rief Karusha noch einmal aus und riss Minou aus seinem Bann. Der duckte sich schnell wieder und hielt den Atem an. Hatte die Alphaawölfin ihn bemerkt? Seine Augen waren zu riesigen Kreisen geweitet und starrten ins Leere. Was würde Karusha wohl tun, wenn sie merkte, dass Minou sie auszuspionieren versuchte? Minou ließ sich bereits in eine unterwürfige Kauerhaltung fallen, bereit, von Karusha entdeckt zu werden, doch dann sah er, dass diese bereits weiterlief. Schnell aber möglichst leise kletterte er wieder auf den Pfad und nahm die Verfolgung auf ; Karusha hatte leider einiges an Vorsprung gewonnen , doch dadurch würde es ihr auch nicht leicht gelingen, Minou zu entdecken. Seit fast einer Stunde folgte Minou seiner Alphawölfin, ohne dass diese ihn ausgemacht hatte. Karusha hatte sich nun neben einem Haufen herabgestürzter Felsbrocken niedergelassen und schien auf jemanden zu warten. Was soll das? Worauf wartet sie nur? , fragte sich Minou entgeistert. Plötzlich mischte sich ein anderer Geruch mit dem Vertrauten der Alphawölfin, es roch nach Wolf, jedoch nicht nach Metunga- Rudel Dann trat ein riesiger, hellgrauer Wolf mit breiten Schultern neben Karusha, seine Pfoten waren groß und unter dem glatten Fell zeichneten sich starke Muskeln. Er war keines Falls ein Metunga- Wolf, und Minou duckte sich unwillkürlich tiefer. "Hallo Karusha", begann der große Wolf und rieb seinen massigen, prächtigen Kopf an Karushas Flanke. "Was machen unsere Jungen?" "Sie gedeihen heran wie junge Pflanzen", antwortete die Alphawölfin. Entsetzt riss Minou die Augen auf. Sie GLAUBT, ihre Jungen wären nicht von Ronum??? Sie WEISS es!Diese Jungen sind von einem Karshim. Wolf..." Minou ahnte, dass der große Wolf dem Karshim- Rudel angehörte, da sie sich gerade nah an der Grenze des Karshim- Territoriums aufhielten. "Es ist gut, dass wir uns damals bei der Jagd begegnet sind, Klammun." In Minou flammte Entsetzen und Angst auf. Klammun war einer der Betawölfe des Karshim- Rudels, ein mutiger, starker und gefürchteter Wolf. Nicht nur in seinem Rudel. Damals hatte er eine Angriffstruppe auf das Mishurima- Rudel angeführt und das Metunga-Rudel hatte sich in den Kampf gemischt. Da war ein Mishurima- Wolf von Klammun getötet worden, da dieser ihm gedroht hatte, das Alphapaar des Karshim- Rudels mit einem vergifteten Beutestück zu töten. Der riesige Wolf antwortete mit sorgenvoller Stimme : "Aber wie lange noch willst du es vor deinem Rudel geheim halten?" , fragte der Wolf und senkte die Stimme. Karusha seufzte und streifte mit dem Schwanz über das Ohr Klammuns. Sie seufzte. "Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich mein Rudel auch verlassen. Ich könnte so tun, als sei ich tot.Oder du gehst zu Ronum und sagst ihm, du hättest beobachtet, wie ich im Fluss ertrunken wäre. " "Welcher Fluss?", erkundigte sich Klammun. "Neben dem Karshim- Lager ist doch ein Fluss, oder?" "Aber dann werden sie wissen, dass du dich öfter bei uns aufhältst." "Dann sage eben, meine Leiche wäre angeschwemmt worden und du hättest sie irgendwo begraben... Auf dem Gipfel dieses Berges vielleicht, dort wird der alte Ronum sowieso nie hingelangen.Er ist zu alt. Oder wir brennen zusammen durch und lassen alles wa geschehen ist, hinter uns" Woher konnte Karusha wissen, dass das Karshim- Rudel einen Fluss im Territorium hatte? Und woher kannte sie überhaupt den Weg bis hierher? Und der Wolf aus einem fremden Rudel, der einst mit Karusha weggegangen war, um über die Ausweitung der Territorien zu verhandeln, war das nicht Klammun gewesen? Scheinbar hatte Karusha das Karshim-Rudel schon öfter aufgesucht. Das reichte, er hatte genug gehört. Schnell aber vorsichtig kroch Minou auf dem Bauch davon, die Stimmen Karushas und Klammuns verklangen bald.Dennoch kroch Minou weiter, in der Hoffnung, keine Geräusche zu erzeugen. Als es ihm schließlich gelungen war, unbemerkt um eine Kurve zu kriechen, richtete er sich auf und beschleunigte sein Tempo um einiges. Er war noch immer entsetzt und erstaunt über die Ereignisse, er wusste jetzt, dass er das Richtige getan hatte. "Ob ich dem Rudel davon berichten soll?" , fragte er sich im Stillen und machte halt. Der Geruch Karushas sowie sein Eigener waren mitlerweile schal und Minou wollte gerade weiterlaufen. Doch dann prüfte er erneut die Luft und konnte noch etwas Anderes ausmachen. Einen Geruch, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Nicht gleich sehr vertraut, aber bekannt. Plötzlich begann er, sich beobachtet zu fühlen und in ihm stieg ein Gefühl der Angst auf. Verfolgte ihn jemand? Fast sicher, dass Karusha ihn bemerkt hatte und ihm gefolgt war, fuhr er herum. Doch da stand niemand. "Hallo?", wisperte Minou, möglichst leise, um nicht unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, er bekam jedoch keine Antwort. Minou lief weiter und wurde schneller. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, kalte, durchdringende Blicke an sich haften zu haben. Unwillkürlich erinnerte er sich an den Fuchs, den er bei der Jagd zusammen mit Ceram entdeckt hatte. Dann blieb Minou mit einer zackigen Bewegung stehn und prüfte die Luft. Waren da nicht Pfotenschritte in der Ferne zu hören? Wer auch immer dort sein mochte, für Minou würde es ein Nachspiel geben. Es würde etwas geschehn, da war er sich sicher. Und es würde ihn oder sein Rudel betreffen. Nach einer langen Zeit war Minou im Lager eingekehrt und hatte von unterwegs noch ein Kaninchen mitgebracht, dass er wieder der Mutter Warinu brachte. Karusha war noch immer nicht zurück; Sie schien sich noch bei Klammun aufzuhalten, oder sie war auf dem Weg hierher. Es hatte zwischendurch angefangen zu regnen und bisher hatte das Unwetter noch kein Ende genommen. Dicke Tropfen prasselten auf Minous Fell herab , bis es an seinem Körper klebte wie Haut. "Minou, ich denke, ich muss mit dir sprechen." Minou fuhr erschrocken herum. Ronum stand direkt neben ihm und durchbohrte ihn mit seinen funkelnden Augen. "Ist es sehr wichtig?" "Das wirst du dann sehn". Mit einem Nicken des Kopfes gab Ronum Minou das Zeichen, ihm in seine Höhle zu folgen. Vielleicht wusste Ronum jetzt alles über Karusha, und dass Minou sie verfolgt hatte? Als sie die Höhle erreicht hatten, ließ der Alphawolf sich auf dem weichen Moos nieder und sprach: "Mir wurde berichtet, dass du etwas getan hast, dass nicht den Regeln und dem Leben eines Metunga- Wolfs entsprichst." "Ich verstehe nicht recht." "Du hast dich aus dem Rudel geschlichen und den Weg bis zur Grenze des Karshim- Territoriums gewählt. Es wurde mir von jemandem berichtet, der es gesehn hat. Oder besser, von zweien, die es gesehn haben". "Lass mich raten, der eine war Shiruma". Der Alphawolf nickte zur Bestätigung. Minou stieß ein lautes Lachen aus. "Du weißt doch, dass er lügt! Er ist der Omegawolf, außerdem kann er mich sowieso nicht leiden!". "Aber es hat ja noch jemand gesehn." Fragend legte Minou den Kopf schief und wartete auf die Antwort des Alphawolfes: "Das Junge Dolurim." "Hat sie nicht gesehn, dass ich..." Er stockte. Sollte er Ronum von Karusha und Klammun berichten? Wusste Ronum es nicht schon? " Ich habe nur gejagt, das ist alles." "Und warum im Karshim- Territorium?" "Ich..... Ich habe .. ein Kaninchen verfolgt. Das ist so weit gelaufen, dass ich garnicht bemerkte, wie ich die Grenze überschritten habe. Aber ich habe nichts Unrechtes getan! Es war ein Versehn!" "Ich werde es überdenken", versprach der Alphawolf. "Die Zeiten werden schwieriger, jetzt, da Karusha erneut Junge erwartet. Wir brauchen sehr viel Beute. Hast du das Kaninchen wenigstens dabei?", erkundigte er sich weiter und Minou nickte. "Ich habe es Warinu gegeben. Du kannst dich bei ihr erkundigen, wenn du mir nicht glaubst." "Ich glaube dir. Ich denke nicht, dass einer wie du es nötig hätte, uns zu verraten." "Hätte Karusha es nötig?", platzte Minou heraus und hoffte plötzlich, nichts Falsches gesagt zu haben. "Was?" Ungläubig tat Ronum einen Schritt auf Minou zu. "Ich meine, jemand wie sie... Ein.. Eine Alphawölfin. Hätte so jemand es nötig?" Er bekam keine Antwort und verließ die Höhle auf ein Zeichen Ronums. Fast hätte er es verraten! Aber er durfte sich nicht weiterhin davonschleichen. Sonst käme es tatsächlich bald zu falschen Aussagen. Der weiße Halbwolf hatte sich neben dem Eingang zu seiner eigenen Höhle niedergelassen, und wieder stieg ihm der Geruch Yakishis in die Nase. Kurz darauf vernahm er auch schon die helle Stimme der Wölfin, die sich ihm näherte und kurz darauf neben ihm fallen ließ. "Hallo Minou. Du warst ziemlich lange Weg, hast aber trotzdem nicht allzu viel Beute gemacht. Wo bist du gewesen?", fragte sie mit skeptsichem Blick. Minou zögerte. Sollte er Yakishi berichten, was geschehn war? Was, wenn es zu voreilig wäre? "Ich... Ich habe... Ka.. Äähm, jemanden.. jemanden beobachtet." "Den Fuchs von damals? Von dem du berichtet hast?" Im Stillen wurde Yakishi von Minou gerade heilig gesprochen. "Genau! Ich habe diesen dämlichen Fuchs beobachtet. Ganz genau." "Und? Was hat er gemacht?" "Na ja, also... Nicht viel, er hat nur geschnüffelt und dann eine jämmerliche, abgemagerte Maus verzehrt. Dann ist er weggerannt." "Schön zu wissen, dann besteht wohl keine Gefahr mehr für die Jungen und die, die bald kommen. Aber warum hat Karusha damals auf der Versammlung nicht erwähnt, dass sie die neue werdende Mutter ist?" fragte Yakishi nachdenklich. Wenn du wüsstest! Lange verharrten Minou und Yakishi an ihrem Platz und eine lang anhaltende Stille legte sich über das Lager. Yakishi unterbrach diese Stille als erste: " Und wie können wir es herausfinden?" "Am besten garnicht!", antwortete Minou und ließ den Kopf auf die Pfoten sinken. "Wir sollten abwarten. Irgendwann werden wir es wissen". Minou war sich zwar im Klaren darüber, dass es nicht so kommen würde, da Karusha das Lager bestimmt in Kürze verlassen würde. Das Regenwasser war um ungefähr das Doppelte gestiegen,und am Himmel bildeten sich dichte Gewitterwolken,die wiederum einiges an Regen versprachen. Und noch immer kannte Minou die Antwort nicht. Er wollte wissen, wer er war. "Ich werde bald aufbrechen müssen",sagte sich Minou, "Sonst werden sie mich vielleicht in die Höhle rufen." Geschickt kletterte Minou auf eine Anhöhe,von wo aus er einige Kilometer weit blicken konnte. Die karge Berglandschaft erstreckte sich weit,doch dahinter konnte Minou etwas Anderes ausmachen.Eine grüne Linie,die sich vor dem grauen Horizont entlangzog. "Wald!",rief Minou aus. "Vielleicht werde ich dort finden,was ich suche!" Lange blieb der Halbwolf auf der Anhöhe stehn und beobachtete die Vögel,die vorbeizogen. Er wusste nicht einmal sicher,ob ihn die Frage beschäftigte,wer er war,oder ob er sich einfach nach dem Geruch frischer Blätter sehnte.Minous kräftige Vorderpfoten hatte er direkt vor dem tiefklaffenden Abgrund platziert,der sich vor ihm erstreckte.Ein Fluss zog sich wie eine bläuliche Linie durch die Schlucht,und von den Bergen heruntergestürzte Felsbrocken bildeten das Ufer. Plötzlich nahm Minou erneut Yakishis Geruch war. "Geh bitte nicht so nah an den Abgrund heran!Die Felsen sind alt und instabil!Vor langer Zeit sind einige Brocken herabgestürzt,also komm zurück!" Vorsichtig kletterte die Wölfin zu Minou herauf und kroch neben ihn. "Komm zurück",murmelte sie,packte Minou am Nackenfell und versuchte,den Halbwolf von der tiefen Schlucht wegzuzerren,doch Minou blieb standhaft. Den zierlichen Kopf schüttelnd entfernte sich Yakishi von Minou und sprang von der Anhöhe,sie wollte sich nicht solchen Gefahren aussetzen.Yakishi war eine mutige Wölfin,lebensmüde war sie jedoch nicht. Ihre sonnenblumengelben Augen funkelten sorgenvoll,doch Minou blieb auf dem Felsplateau stehn und sog die feuchte Luft ein. Plötzlich ein unheilvolles Knacken.Minou sah,wie Yakishi die Augen weitete. "Das war nur der alte Baum!",rief er.Doch dann wurde ihm der Boden unter den Pfoten weggerissen.Die Felsbrocken stürzten zu Boden,Minou mit sich in die Tiefe reißend. Sein Köper schrabbte an der Felswand entlang,bis Minou an einigen Stellen zu bluten begann. "Minou!" Das letzte,was der Halbwolf hörte,waren die panischen Schreie Yakishis.
Yakishi überbrachte dem Alphapaar die Nachricht von Minous Tod,diese Nacht würde eine Trauerversammlung abgehalten werden. Die Wölfin hatte sich einen Platz abseits des Lagers des Rudels gesucht,wo sie den Rest des Tages zu verweilen pflegte. Einige der Betawölfe hatten sich um sie gesorgt und ihr Nahrung gebracht,doch sie hatte nichts davon angerührt. Die Alphawölfin,die sich auch mit Krankheiten,Verletzungen und anderen Gefahren auskannte,hatte sich mit Yakishi beschäftigt,da diese seit fast vierundzwanzig Stunden weder Nahrung noch Wasser zu sich genommen hatte. Sie litt fast mehr unter den Geschehnissen als Minous engste Freunde und Bekannte. Neben Yakishi hatten die Wölfe einige Beutestücke angehäuft,doch Yakishi hatte nicht einmal einen Blick darauf verschwendet. "Yakishi!" Karusha,das Alphaweibchen,näherte sich mit langsamen Schritten der jungen Wölfin,doch diese hatte die Augen geschlossen; scheinbar bemerkte sie Karusha nicht einmal. "Yakishi,ich weiß,wie schwer es für dich sein muss,mit Minous Tod zurechtzukommen. Aber aufgrund dessen darfst du das Rudel nicht unbeachtet lassen,im Gegenteil.Ein Rudelmitglied weniger bedeutet.dass sich die übrigen Wölfe umso mehr anstrengen müssen." Als Yakishi der Alphawölfin langsam den Kopf zuwandte,fuhr diese fort: "Verstehst du das?" Zögernd nickte Yakishi,ließ den Kopf dann jedoch wieder auf die vom Regenwasser feuchten Pfoten fallen. Das Wasser des Flusses toste und sprudelte durch die tiefe Schlucht,wo Minou hineingestürzt war. Einige Kilometer weiter verringerte sich die Strömung,bis der Fluss zu einem seichten Bach wurde und in einem klaren See mitten im Wald endete. In dem See schwammen die großen Blätter frischer Seerosen an der Oberfläche,wo sich die erschöpften Frösche niederließen. Das Wasser des Sees war nicht tiefer als eine Wolfschwanzlänge, und zufrieden wirkende Fische tummelten sich dort. Das Ufer wurde von feinster Erde gebildet und an den restlichen Plätzen war der Waldboden mit saftigem Moos bedeckt. Eine geheimnisvolle Stille erfüllte den Wald,denn bis auf das seltene Zirpen von Grillen schien der Wald zu schlafen. Plötzlich tauchte etwas an der Oberfläche des Sees auf,etwas Weißes,Durchnässtes. Das Etwas wurde von den leichten Wellen ans Ufer geschwemmt und blieb dort zunächst reglos liegen,doch nun war die Ähnlichkeit mit einem kräftigen,weißen Schäferhund unverkennbar. Schleichend,fast lautlos näherte sich ein neuieriger,möglicherweise hungriger Fuchs dem anscheinend leblosen Wesen und beschnupperte es ausgiebig. Doch das Tier regte sich nicht. Es schien tot zu sein. Der Fuchs legte den Kopf in den Nacken und stieß ein durchdringendes,ohrenbetäubendes Jaulen aus. Das war der Lockruf für seine Artgenossen. Gelbe Augen blitzen im Wald,dann schlichen geschmeidige,rote Gestalten durch das Unterholz und näherten sich dem geheimnisvollen Tier aus dem See. Plötzlich stimmten alle in das Jaulen ein,welches nicht solche melodischen Klänge hatte wie das der Wölfe. Dann öffnete das weiße Tier schlagartig die Augen,das Jaulen verstummte. Der Fuchs,der am nächsten neben dem Tier stand,schreckte zurück,als das weiße Wesen sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Die Füchse waren erstarrt vor Entsetzen,als sie ihren größten Feind erkannten: Den Wolf. Aber die besonderen Merkmale des Tieres stimmten nicht genau mit denen eines Wolfes überein. Die Füchse ließen sich wie auf ein stilles Kommando in eine Kauerhaltung fallen; Zahlenmäßig waren sie dem Wolf sowieso überlegen. Einige zischten gespannt und ihre Augen funkelten Angriffslustig. Doch dann,als sie sich zum Angriff bereitmachten, sprach der Wolf mit fester Stimme: "Halt!" Der Anführer der Füchse, der sein Rudel am Anfang zu sich gerufen hatte,legte den Kopf schief . "Wenn du uns nicht angreifen willst, warum bist du dann hier?" "Ich bin in diesen Fluss gefallen,und dann wurde ich hierher geschwemmt. Wenn das hier euer Revier ist,dann verschwinde ich eben wieder". Die Füchse tauschten vielsagende Blicke und riefen wie im Chor: "Nicht nötig. Wir werden dich zu unseren Bauten bringen,dort wird man dich mit Geschenken überhäufen." "Mit Geschenken überhäufen ?" Minou verstand nicht recht. "Aber ich habe nichts für euch getan!" Wieder blickten sich die Füchse an,bevor der Anführer fortfuhr: "Es gab vor einiger Zeit eine Prophezeiung. Unser ehemaliger Anführer hatte es geträumt. Ein Feind,der zu einem Freund wird,wird uns vor den Vielfraßen retten. Das waren seine letzten Worte,bevor er starb." "Was sind die Vielfraße?",erkundigte sich Minou,seine Neugier wuchs mit jedem Augenblick. "Sie sind eine Gruppe von riesigen,braunen Wesen mit solch scharfen Zähnen,dass sie ein Loch in einen Stein hätten schlagen können." Alle Augen weiteten sich,und Minou stieß einen Seufzer aus. "Ihr redet von Bären?! Was tun sie euch an ? ",fragte er. "Sie stehlen uns die Nahrung und töten einige von uns ! Bitte ! Du musst uns wirklich helfen ! " "Aber woher wisst ihr,dass ich der jenige bin, auf den ihr gewartet habt??" "Heute,als die Sonne gerade aufgegangen war,habe ich in diesem See ein Zeichen gesehn. Anstatt meinem Spiegelbild war das eines weißen Wolfes zu sehn. Und nun bist du hier." "Aber warum wolltet ihr mich dann angreifen?",fragte Minou weiter,der Fuchs antwortete mit fast genervter Stimme: "Wir wollten testen,warum du hier bist. Wir wollten wissen,ob du gekommen bist,um uns anzugreifen. " "Wenn ihr doch wusstet,dass ich euch retten würde,dann brauchtet ihr doch nichts zu testen!" "Wir wollten nichts überstürzen", murmelte ein junger Fuchs aus dem Rudel. "Sanga,überlasse bitte das Reden mir", rief der Anführer ärgerlich. "Ich bitte um Vergebung, Merkim", entschuldigte sich Sanga und Minou verdrehte die Augen: "Merkim,Sanga?! Verratet mir doch alle erst einmal eure Namen." "Das werden wir,wenn wir in unserem Bau angekommen sind. Dort werden wir auch deine Wunden versorgen, denn einige scheinen recht tief zu sein. " Der alte Fuchs,dessen Schnauze bereits von silbrig-grauen Haaren gesäumt war,trottete davon,die Füchse folgten ihm wortlos. Erst jetzt nahm Minou die schmerzenden Stiche an verschiedenen Stellen seines Körpers wahr , als er auch das blutverschmierte Fell betrachtete. Die winzigen Steine, die sich bei dem Sturz unter seine Haut gebohrt hatten, lösten ein unangenehmes Jucken unter seinem Pelz aus. Ein leises Knurren grollte in Minous Kehle,ihm war es nicht recht, im Rudel der Füchse eine wichtige Rolle zu spielen.Dennoch willigte er ein und schloss sich den Füchsen an,dabei fiel er in einen leichten Trab,um nicht das Schlusslicht der Truppe zu bilden. Plötzlich fühlte sich Minou,als wäre er schon immer ein Teil des Fuchsrudels gewesen,als würde er über ihr Schicksal bestimmen. Woher kommt dieses Gefühl?,dachte Minou, Ich war nie hier.Auch nicht,als ich mich damals in einem Wald verirrt habe. Es war in keinem Falle dieser hier!
"Minou! Minou!" Yakishi kletterte den steilen Abhang hinab,wo Minou hinuntergestürzt war. Sie hatte sich entschlossen,ihren Platz als untergebene Wölfin wieder einzunehmen und nicht an jener Stelle zu verweilen,wo sie einige Zeit gelegen und um Minou getrauert hatte. Drei Tage waren vergangen,seit Minou gestorben war,doch Yakishi gab die Suche nicht auf. Leichtfüßig sprang sie auf einen Felsvorsprung und prüfte die Luft. Der Geruch von Minou war schal,doch da war noch etwas anderes: Der Geruch von Blut. "Oh nein",murmelte Yakishi und sprang mit gesenktem Kopf von dem Vorsprung. An der Felswand klebten noch vereinzelte Tropfen getrockneten Blutes; Das war Yakishi Beweis genug,sie wusste,dass Minou tot war. Aber ich muss ihn dennoch finden! Ich muss ihn zum Rudel bringen. Im Metunga-Rudel war es schon zu oft zu Todesfällen gekommen ; Aufgrund der vielen Unfälle,die geschahen oder in Kämpfen mit den feindlichen Rudeln. Und nie war es soweit gekommen,dass die Leichen der jeweiligen Wölfe nicht gefunden worden waren . Wenn ein Wolf für längere Zeit verschwunden bliebe,würden einige Suchtrupps nach ihm ausgeschickt,welche die Suche erst beenden würden,wenn sie den Vermissten gefunden hätten. Aber was,wenn ein Wolf gefressen wurde?, hatte sich Yakishi einige Male gefragt,dennoch hatte sie es noch nie gewagt,den Anführer darauf anzusprechen. "Minou!",rief sie noch einmal mit mitlerweile heiser klingender Stimme ; Sie wusste zwar,dass Minou ihr nicht antworten würde,doch sie wollte seinen Namen noch einmal aussprechen. "Er muss in den Fluss gefallen sein",ahnte die Wölfin und folgte dem Strom des Flusses,ihre Pfoten schmerzten durch die rauen Gesteinsbrocken,die das Ufer des Flusses bildeten. In weiter Ferne war der Wald als grüner Streifen am Horizont gewesen,dass musse auch Minous letztes Bild gewesen sein,bevor er in seinen Tod gestürzt war. "Wo dieser Fluss endet ",sagte sich Yakishi, "Da wird auch meine Suche enden." "Warum muss ich unbedingt hier bleiben? Ich verstehe nicht recht!" Minou stand auf einer kleinen Anhöhe auf einer Lichtung,um welche herum die Füchse ihre Bauten errichtet hatten.Das Fuchsrudel umringte Minou und überhäufte ihn mit Fragen,die er nicht zu beantworten vermochte. Als dann die Stimme des Anführerfuchses ertönte,verspürte Minou einen Anflug von Dankbarkeit,da dies die Füchse aus ihrem Bann riss. "Macht mir Platz.Ich muss mit unserem Besucher sprechen". Mit einem Rollen der gelben Augenbälle gqab der Fuchs Minou ein Zeichen,ihm in seinen Bau zu folgen,was der weiße Wolf selbstverständlich tat. Er spürte die neugierigen, kalten Blicke der Füchse an sich haften,doch dieses Gefühl schwand,als Minou in das Innere des Baues eintrat. Es war für einen Fuchsbau recht groß und an den Wänden waren noch einzelne Kratzspuren zu erkennen; Scheinbar hatten ihm seine Füchse beim errichten des Baus geholfen. "Also" , begann der Fuchs zu sprechen , "wann willst du denn die Heimat der Vielfraße aufsuchen? Ich denke, sie sind bereits dabei,einen weiteren Angriff auf uns zu planen." " Ich werde morgen aufbrechen. Wenn es euch nichts ausmacht,werde ich heute Nacht hier verweilen. Wäre das in Ordnung?",fragte Minou mit respektvoller Stimme. "Natürlich darfst du heute Nacht bei uns bleiben,wir werden für dich einen besonderen Bau aussuchen. Einer von uns kann heute sicher draußen Schlafen, das haben wir schnell geregelt." Minou riss die Augen auf. Die Füchse behandelten ihn wie einen Anführer,doch der Halbwolf fand, dass dies ihm nicht zustände. "Bitte,sorgt euch nicht um mich. Ich kann gerne draußen schlafen,das bin ich gewöhnt! In meinem Rudel habe ich auch nur eine enge Höhle , und meistens muss ich draußen schlafen,weil sonst nicht genügend Platz ist. Wirklich, mir würde es nicht schaden, im Freien zu schlafen",stellte Minou klar, woraufhin sich auf dem Gesicht des Fuchses eine nachdenklich wirkende Falte bildete. "Ehrlich!",murmelte Minou noch einmal und verließ die Höhle. Er wollte den Füchsen beweisen,dass er durchaus selbst in der Lage war,für einen Schlafplatz Moos und Gras zu sammeln oder sich ein relativ dichtes Dach aus Zweigen zu errichten. Schließlich war er ein halber Wolf , er verfügte über mindestens genauso viel Intelligenz wie ein Fuchs. "Für sie bin ich ein Fremdling",zischte Minou vor sich hin,während er über den trockenen, staubbedeckten Boden trottete. "Warum behandeln sie mich so??" Dort drüben,am anderen Ende der Lichtung,befand sich eine aus dem Boden gerissene Wurzel, die Minou vor nächtlichem Regen genügend Schutz bieten würde. Er näherte sich der Wurzel und verfiel in einen leichten Trab. Ich komme mir vor wie ein Alpha- oder ein Betawolf, dachte er,während er sich im Schatten der Wurzel mehrmals um die eigene Achse drehte,bevor er sich träge fallen ließ. Der Geruch nach Füchsen war deutlich schwächer als auf der Lichtung oder gar in den Bauten, es war unwahrscheinlich, dass sich hier jemals ein Fuchs ein Nest errichtet oder hier geschlafen hatte. " Minou ? Du bist doch Minou, oder?" , ertönte plötzlich eine Stimme von außen her. Träge stand Minou wieder auf und blickte in die gelben, milchigen Augen einer alten Fähe, deren Fell zerrupft und schlammverkrustet war. " Ja, ich bin Minou,aber woher kennst du meinen Namen ? ",erkundigte sich Minou. "Du hast ihn unserem Anführer mitgeteilt, und der hat ihn mir mitgeteilt. Außerdem habe ich ihn damals vernommen, als du mit diesem kleinen Wolf auf der Jagd warst. Als er sich an dem Vorsprung festgeklammert hatte, hatte er geschrien: "Minou, ich rutsche ab!!!" . "Ah. Du warst das, du hast uns beobachtet. Und du hast mich auch beobachtet, als ich... " Die Fähe schnitt ihm das Wort ab: "Als du deine Alphawölfin beobachtet hast? Ganz genau". "Aus welchem Grund hast du mich damals beobachtet? Warum bin ich so wichtig für euch?" "Weil es schon oft eine Prophezeiung gegeben hat, dass ein Feind, der zu einem Freund wird, uns vor den Vielfraßen retten wird", antwortete die Fähe und ein leises Lächeln zierte ihr Gesicht. " Und als euer Anführer in den See blickte, sah er einen weißen Wolf statt seines Spiegelbilds". Die alte Fähe nickte zur Bestätigung. "Am besten, du schläfst dich jetzt aus. Es ist mitten in der Nacht und morgen willst du die Vielfraße aufsuchen, habe ich gehört." "Das stimmt", murmelte Minou, gähnte laut und ließ sich unter der Wurzel nieder. "Dann werde ich dich jetzt verlassen". Mit diesen Worten drehte sich die alte Fähe und betrat ihren Bau mit trägen Schritten. "Glücklicherweise stellt das Fuchsrudel keine Bedrohung für uns dar" überlegte Minou. Mit "uns" meinte er selbstverständlich das Metunga- Rudel. Eine winzige Prise Staub rieselte auf Minous Pelz herab und dieses Gefühl erinnerte ihn an seinen Sturz von der Klippe. Was mochte sein Rudel jetzt wohl denken? Wahrscheinlich hatte Yakishi, die des Vorfalls Augenzeuge gewesen war, dem Rudel erzählt, Minou sei tot. Selbstverständlich hätte Minou an ihrer Stelle das Selbe getan, denn wer hätte schon ahnen können , dass ein Wolf einen Sturz aus solch einer Höhle überlebt hatte? Minou hatte sogar ein Riesenglück gehabt dass er die aus dem Wasser herausragenden Felsen verfehlt hatte. Vielleicht war es wirklich sein Schiksal gewesen, hinunterzustürzen und damit über die Existenz des Fuchsrudels bekannt zu werden. "Warum bin gerade ich auserwählt, das Fuchsrudel vor den Bären zu retten?", fragte sich der weiße Halbwolf und hatte plötzlich das Gefühl, dass er diesen Wald, sogar diese Lichtung und die Fuchsbauten schon einmal gesehn hatte. "Das ist unmöglich" sagte er sich, "Ich war noch nie hier!" Doch er wurde dieses Gefühl nicht los. Auch der Geruch der alten Fähe war ihm in irgendeiner Weise vertraut vorgekommen. Nicht, weil er sie damals in einem flüchtigen Augenblick gesehn hatte, da hatte er ihren Geruch sowieso nicht wahrgenommen, sondern aus einem anderen Grund, den er nicht zu definieren vermochte. Die Gischt des reißenden, tosenden Flusses sprühte auf Yakishis Gesicht, die schon seit einiger Zeit dem Verlauf des Flusses folgte. Ihre Pfoten schmerzten und die Ballen hatte sie wund gelaufen, dennoch dachte sie nicht daran, umzukehren oder haltzumachen. "Minou, wo bist du nur?", japste sie mit kummervoller Stimme. Weit vor ihr waren die Umrisse großer Bäume zu erkennen, die weit in die Höhe ragten , vielleicht würde sich Minou dort finden lassen? "Was mache ich nur?", murmelte Yakishi mit einem Blick auf den Fluss, wo spitze Felsklötze herausragten. " Minou kann diesen Sturz nicht überlebt haben! Er kann es nicht!" Dennoch lief sie weiter, ohne langsamer zu werden, zwischendurch rief sie noch immer nach Minou. Plötzlich stieg Yakishi ein wohlriechender, vertrauter Geruch in die Nase und ihr fiel plötzlich auf, dass sie seit zwei Tagen keine Nahrung zu sich genommen hatte. Vielleicht blieb ihr ja Zeit zum Jagen?! Der Geruch eines fetten, wohlgenährten Vogels war unverkennbar , wenige Augenblicke nachdem Yakishi den Geruch noch einmal in sich aufgenommen hatte, sah sie den dicken , riesigen Habicht auf einer Anhöhe tronen. " Na warte!", wisperte sie und ließ sich in eine Kauerhaltung sinken, um sich leichtfüßig und vorsichtig der Beute zu nähern. Das Tier hatte die sich anpirschende Wölfin noch nicht bemerkt, welche nun zum Sprung ansetzte, die Pfoten ausstreckte und das Tier zwischen ihren kraftvollen Pfoten gefangen hielt. Schnell tötete sie den sich hin- und her windenden Vogel und trug ihn zu einem etwas geschützten Platz zwischen zwei Felsklötzen, um ihn zu verspeisen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen und Speichel troff auf den Boden, als sie ein großes Stück von dem Vogel herausriss und es schnell hinunterschlang. Die letzten Stücke fraß sie langsam und genussvoll, fast hatte sie vergessen, wie Vögel schmeckten. Ihr Magen knurrte zufriedenstellend, als Yakishi sich die Reste des Vogels vom Mund leckte. Mit dem noch frischen Geruch der Beute mischte sich der von satten, grünen Blättern, die Yakishi allerdings nicht zu erkennen vermochte. Das Wasser war hier , neben ihrem Versteck, etwas ruhiger und an der Grenze zum Wald schien es nur noch ein ruhiges Bächlein zu sein. Plötzlich erklang vom Wald her ein Geräusch, das stark an das Heulen eines Wolfes errinnerte, jedoch durch die Blätter der Bäume etwas gedämpft klang. "Minou!", rief Yakishi aus und beschleunigte ihr Tempo. Wer auch immer sich dort befand- auch wenn es nicht Minou war- Yakishi würde Hilfe bekommen. Mit diesem Gedanken rannte sie zielstrebig auf den Wald zu und hielt die Ohren stets gespitzt. Je mehr sich die Wölfin dem Wald näherte, desto stärker wurde selbstverständlich auch das Heulen. "Minou !!! Ich bin unterwegs!", jaulte sie. Doch dann wurden ihre Pfoten unter ihr weggezogen und sie stürzte geräuschvoll zu Boden. "Hilfe! Minou! Minou! ", schrie sie mit vor Panik verzerrtem Gesicht. Als sie wild um sich schlagend herumfuhr, blickte sie direkt in die sie durchbohrenden, blitzend gelben Augen eines riesigen, braunen Tieres mit kräftigen Pranken und starken Muskeln unter dem Fell.Die Schnauze des Tieres glich der eines Wolfs, jedoch viel größer und kräftiger. Weit riss das Tier die Schnauze auf und entblößte zwei Reihen scharfer, blitzender Zähne, womit es nach Yakishi zu schnappen begann. Sich zu befreien suchend schlug die Wölfin um sich und riss dem braunen Tier eine lange Narbe über die Schnauze, das Tier brüllte wütend auf und schleuderte Yakishi durch die Luft. "Minou!", jaulte Yakishi, doch ihre Stimme verklang hinter dem lauten Gebrüll des großen, braunen Tieres.Wehrlos ließ die Wölfin ihren Körper einfach erschlaffen und schloss die Augen, das Tier schien sie für tot zu halten. Mit einem zufriedenen Grummeln hob es Yakishi mit den Zähnen auf und trug sie davon, als wäre sie ein Stück Beute. Einen winzigen Schlitz weit öffnete Yakishi die Augen und sah einige Bäume an sich vorbeischweifen. Wie konnten sie schon so schnell den Wald erreicht haben? Doch dann fiel ihr auf, dass dieses Tier, welches sie gerade verschleppte, ebenfalls vier Beine hatte und um Einiges größer war als ein durchschnittlicher Wolf. Plötzlich fuhr ein brennender Schmerz in Yakishis Rücken, es kostete sie Mühe, nicht zusammenzuzucken. Der Bär hielt sie fester zwischen den Zähnen, er biss immer fester zu. Yakishi spürte, wie einige Tropfen Blut ihren Rücken hinunterliefen und auf dem Boden zersprangen wie dunkelrotes Glas. In der Wölfin stieg Angst auf. Dieses Tier, was auch immer es war, würde sie töten. Na ja, es glaubte zwar, Yakishi sei bereits tot, wahrscheinlich konnte es es einfach nicht erwarten, die riesigen Zähne in Yakishis warmen Körper zu schlagen und ihn zu verschlingen. Na schön, dachte sie entschlossen, jedoch noch immer voller Angst. Es wird nicht so weit kommen, dass ich die Hauptspeise dieses Dings werde!!! Sie wartete. Die Wanderung des großen Tieres schien kein Ende zu haben. Yakishi schloss die Augen wieder, denn sie hatte Angst vor dem, was vor ihr lag. Wenn Minou das selbe Schiksal ergangen war, wie es ihr jetzt wohl ergehen würde, dann wäre sie ganz umsonst gestorben. "Aber ich darf nicht aufgeben!", wisperte sie und erregte so das Aufsehen des sie entführenden Tiers. Hatte sie tatsächlich laut gesprochen? Unsanft landete sie auf dem Boden, sodass die riesige Wunde auf ihrem Rücken stärker zu bluten begann. Sie würde sterben, wenn sie nicht mit bestimmten Kräutern behandelt würde. Sie wusste es. In ihrem Rudel gab es nur einen Wolf, der sich mit Heilkräutern, Verletzungen, Giften und Krankheiten auskannte, und zwar Karusha, die Alphawölfin. Doch der würde Yakishi wohl nicht mehr begegnen Das große Tier prüfte die Luft, dann blickte es Yakishi an, die versuchte, sich nicht zu rüren. Panisch hielt Yakishi den Atem an und ließ die Augen nur einen winzigen Spalt weit offen stehn. Mit neugierig funkelnden Augen blickte das Tier sie an und legte den Kopf schief. Yakishi wurde schwarz vor Augen, sie konnte die Luft nicht länger anhalten. Was sollte sie tun? Ihre Lungen bebten und schienen wie eine Zeitbombe, die gleich explodieren würde, zu ticken. Zu spät. Mit einem lauten Seufzer atmete sie aus und riss die Augen auf. Der massige Kopf des Tieres hing direkt über ihr, sodass seine Schnauze fast die Yakishis berührte. Laut brüllte es und bleckte die Zähne. Voll mit dem kalten, fauligen Speichel des Tieres erhob sich die Wölfin und rannte los, so schnell ihre Pfoten sie zu tragen vermochten. Doch die Wunde auf ihrem Rücken ließ sie keine sehr hohe Geschwindigkeit erreichen. Das riesige Tier war ihr dicht auf den Fersen, sie hörte Äste knacken und spürte den heißen Atem des Tieres in ihrem Nacken. "Minou!", schrie Yakishi noch einmal so laut sie konnte. Vergeblich versuchte sie, ihr Tempo zu beschleunigen oder das Tier, welches sie verfolgte, abzuhengen.Plötzlich blieb ihre Pfoten an einem Ast hängen, sie stürzte zu Boden und das Tier stand genau über ihr. Yakishi schloss die Augen und erhob die Pfote, wohl bewusst, dass ihr Leben hier und jetzt ein Ende haben würde. Das Tier senkte den Kopf und entblößte wieder die messerscharfen Zähne, um zuzubeißen.Yakishi duckte sich, bereit, ihre Knochen in dem Maul des riesigen Tieres zerbrechen zu hören, doch dann, als das Tier mit dem riesigen Kopf auf Yakishi zufuhr, wurde sie beiseite gestoßen und das Tier brüllte verwirrt.Eine weiße Gestalt sprang dem Tier direkt auf den Kopf und rief aus: "Yakishi, lauf!" Ohne etwas zu sehn wand sich das braune Ding und versuchte, den Angreifer mit den Tatzen zu entsorgen, doch dieser trat mit den Hinterläufen auf die gelben Augen des Tieres und riss ein Loch hinein. "Minou?", flüsterte Yakishi ungläubig, sie war fast sicher, dass sie fantasierte. Wahrscheinlich hatte sie durch den Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten und begann nun, Hallozinationen zu haben. "Yakishi, du musst fliehen! Der Bär bemerkt nichts!" Doch das war Minous Stimme gewesen. Und dieses Ding da- es war ja tatsächlich abgelenkt. Oder bildete sie sich das ebenfalls nur ein und in Wirklichkeit war der BÄR- wie das Tier scheinbar hieß- gerade dabei, sie zu verschlingen. Doch trotzdem tat Yakishi, was Minou- oder ihr Hirngespinzt, dass ihr möglicherweise nur das Richtige weismachen wollte- ihr sagte. Die tiefklaffende Wunde erfüllte Yakishis Körper mit Schmerzen und es fiel ihr schwer, zu laufen. Dann sackten ihre Beine unter ihr zusammen und sie blieb reglos auf dem Boden liegen. Ihre Augen fielen zu, ihre restlichen Sinne gaben nach und sie fühlte sich, als läge sie inmitten einer tiefen Schwärze. Ohne die bewusstlose Yakishi zu bemerken, kämpfte Minou weiterhin mit dem Bären, der hatte schon einige Kratzer davongetragen, trotzdem war es ihm nicht gelungen, Minou zu treffen. Schließlich brüllte der Bär laut auf und ergriff die Flucht. Jetzt erblickte Minou die am Boden liegende Yakishi, rannte mit angstvoll verzerrtem Gesicht zu ihr und stupste sie mit der Pfote an. "Yakishi?", flüsterte er, doch die Wölfin regte sich nicht. "Yakishi, wach auf!". Noch immer blieb Yakishi regungslos liegen. Vorsichtig schob Minou seinen Kopf unter Yakishis erschlafften Körper, um sie auf dem Rücken zu tragen. Der Schweif sowie die Hinterläufe der Wölfin baumelten in der Luft, als Minou quer durch das Unterholz rannte, als würde er es schon seit Ewigkeiten kennen und jeden Tag durchqueren. Einige Male prüfte er die Luft, um zu testen, ob er noch auf der Richtigen Spur lief. "Minou. Da bist du wieder". Der Anführer der Füchse, der - wie Minou soeben erfahren hatte- den Namen Merkim trug, sprang aus einem Gebüsch und stellte sich neben den Halbwolf. "Was war los?" Kaum hatte er seine Worte zu Ende gesprochen, erblickte er die bewustlose Yakishi und deren tiefklaffende Wunde. " Es war nur ein Bär, richtig?". "Ja, aber er war ziemlich groß. Und er hat Yakishi-" Minou wies mit einem Nicken des Kopfes auf die Wölfin- "angegriffen. Ich denke, die Mission wird verschoben werden müssen. Kann ich sie in euer Lager bringen?" Mit einem verständnisvollen Funkeln in den Augen nickte der Fuchs und setzte seinen Gang fort, Minou folge ihm Wortlos. Nach einiger Zeit verschwanden sie zwischen dichten Büschen.
"Was ist mit Yakishi?". "Es geht ihr gut, aber sie braucht Ruhe, sonst wird die Wunde nicht heilen." Minou hatte jetzt zum sechsten Male den Fuchsbau aufgesucht, wo die verletzte Yakishi untergebracht worden war. Die alte Fähe, die Minou einst beobachtet hatte, kümmerte sich um sie und behandelte die Wunde. "Mache dir keine Sorgen um sie, sie wird sich bald erholen." Sie lächelte und fuhr fort: "Ich denke, jetzt hast du erst einmal genug von Bären, nicht war?" Minou nickte erschöpft. "Aber ist es nicht ungewöhnlich, dass sich ein Bär so nah an euerm Territorium aufhält, obwohl er nicht vor hatte, euch anzugreifen?" Die Fähe zögerte und weitete die Augen ein Stück. "Vielleicht wollte er angreifen", murmelte sie schließlich. "Aber, wären es dann nicht mehr Bären gewesen?" "Nicht unbedingt. Es gab Zeiten, da hat eine ganze Bärenfamilie angegriffen. Aber manchmal kam auch nur einer allein." "Leben Bären auch in Rudeln?", erkundigte sich Minou neugierig. Er kannte Bären, wusste aber nicht alles über sie. Die Fähe fuhr fort: "Bären sind Einzlgänger. Wenn sie alt genug sind, verlassen sie ihre Familien. Allerdings hat das die Bärenfamilie von damals wohl nicht richtig begriffen..." "Dann ist es gut möglich, dass dieser Bär einen Angriff auf euch geplant hat. Aber warum tun sie das?" Mit einem langgezogenen Seufzer senkte die Fähe die Stimme und begann, zu erzählen: "Die Bären leben in dem finstersten Teil dieses Waldes, wenn man es überhaupt als Wald bezeichnen kann. Sie wohnen in einer Höhle in einem riesigen Felsen, drot gibt es natürlich nicht so viel Beute wie in diesen Gegenden, also kommen sie zu uns, um uns die Beute zu stehlen. Manchmal töten sie auch einen von uns als Beute." "Aber wenn es hier in der Gegend so viel Beute gibt, können sie doch dort jagen, nicht bei euch. Was ist das Problem?" "Du bist ein neugieriger, junger Wolf!" Die Fähe lächelte und strich mit dem buschigen Schwanz über Minous Ohr. " Das Problem ist, dass unser Territorium sehr umfangreich ist. Die Bären dürften dort jagen, aber sie wollen es anscheinend nicht, ohne dass es einen Kampf gibt. Sie sind blutrünstige Wesen, die es lieben, so viele Leben wie möglich auszulöschen. Sie sollten von Veruna bestraft werden!" Minou riss die Augen auf. "Ihr verehrt Veruna auch?" "Natürlich! Alle Tiere dieser Gegend tun das! Hast du geglaubt, die Wölfe wären die Einzigen?" "Um ehrlich zu sein, schon" "Weißt du, ich werde mich jetzt in meinen Bau begeben. Meine alten Knochen brauchen dringend Ruhe. Bis morgen dann!" "Falls Yakishi aufwacht, grüße sie von mir." Mit diesen Worten verabschiedete sich Minou und rannte zu seiner Wurzel hinüber, unter der er zu schlafen mitlerweile gewöhnt war. "Aber wie hat Yakishi diesen Wald gefunden?"?, fragte er sich plötzlich. Sie konnte nicht durch Zufall auch den Abhang hinuntergestürzt sein. Es sei denn, sie hatte es nicht ohne Minou durchgehalten und hatte versucht, sich zu Tode zu stürzen. Oder sie war dem Fluss gefolgt, um Minou zu finden, da sie gedacht hatte, er würde dort angespült, wo der Fluss sein Ende finden würde. Erschöpft von dem Kampf mit dem Bären, und natürlich auch durch das Tragen von Yakishi, ließ sich Minou auf die Erde sinken. Er dachte nach. Wie lange würde es wohl dauern, bis er sein Rudel wiedersehn würde? Sie alle werden denken, er sei tot. Und was war bisher wohl aus Karusha und Klammun und deren Geheimnis geworden? Wenn Ronum es bereits erfahren hatte, wüsste er, dass Minou kein Verräter war. Reif glitzerte am Boden des Gebirges und der Bach, in den Minou einst hineingestürzt war, schlief unter einer dicken Eisschicht. Der Reif knirschte laut unter den starken Pfoten eines Wolfes, der zu seinem Alphawolf stapfte. "Gibt es etwas Neues, Shiruma?", fragte der den Omegawolf Shiruma, der seit Minous Tod besser gestimmt und um Einiges mehr an Vernunft besaß als in den letzten Zeiten. "Allerdings". Er ließ sich auf sein breites Hinterteil fallen und blickte sich um, als glaubte er, beobachtet zu werden. "Yakishi ist weg. Und zwar aus einem bestimmten Grund. Sie, die hübscheste Wölfin überhaupt, wird von allen Wölfen hier begehrt. Ihr ist dass allerdings ziemlich egal." "Und, was hat das mit Minous Tod zu tun?" "Ganz einfach. Minou ist nicht tot. Ich habe gesehn, wie er in Richtung Karshim- Lager gelaufen ist. Vorher hat er mit Yakishi gesprochen, die ihn über alles liebt. Jetzt ist sie ebenfalls weg. Sie hat zwar gesagt, Minou habe einen tödlichen Sturz erlitten, aber in Wirklichkeit ist sie mit ihm zum Karshim- Lager gegangen. Wahrscheinlich wollen sie uns verraten." "Was gibt es zu verraten? Wir haben momentan keine Geheimnisse gegenüber den anderen Rudeln,noch besitzen wir einen für sie gefährlichen oder wertvollen Gegenstand", meinte Ronum, der Alphawolf, doch Shiruma schüttelte den Kopf. "Wir haben reichlich Beute. Und wir kriegen bald neuen Nachwuchs!" "Ich verstehe nicht recht....." "Das Karshim- Rudel hat genau einen Wolf weniger als wir, aber es will uns unbedingt überlegen sein. Sie haben es auch geschafft, Klamar zu sich ins Rudel zu ziehn, errinnerst du dich?" Der Alphawolf nickte und in seinem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck von Trauer. Klamar war einst der mutigste, angesehenste Wolf im Metunga-Rudel gewesen, bis er es mit der Liebe zu einer Karshim- Wölfin verraten und zu ihnen übergewechselt hatte, genau so wie es mit Karusha der Fall war, wovon Minou allerdings der Einzige war, der es wusste. "Shiruma, ich danke dir für diese Nachricht. Ich werde darüber nachdenken, was zu tun ist." Einschließlich hoffte Shiruma, dass es einen Kampf mit dem Karshim- Rudel geben würde, denn er mochte Spannung und Gewalt. Dennoch wusste er auch, dass Minou, falls er den Sturz in die Klippe dennoch überlebt haben sollte, vom Metunga- Rudel bestraft und des Verrats bezichtigt werden würde, würde er denn zurückkehren. Und wäre er tot, würde er Shiruma sowieso nie wieder im Wege stehn. "Tja, Minou", murmelte er und ein Lächeln mit schadenfrohem Ausdruck spielte um seinen Mund. "Scheinbar konntest du mich doch nicht daran hindern, dich zu überlisten." Dann trottete er in seine Höhle, wo er mit teils neugierigen, und auch misstrauischen Blicken empfangen wurde. Sein Plan war schon dabei, zu funktionieren. Dunkle Wolken hatten sich in den frühen Morgenstunden am Himmel gebildet und verdunkelten die Lichtung, wo die Füchse ihre Bauten errichtet hatten. Nur das Zirpen von Grillen sowie das Rascheln getrockneten Laubs beim Auftreten eines Tiers störten die gespenstige Stille, die sich über den noch schlafenden Wald gelegt hatte. Minou riss schlagartig die Augen auf. Er hatte geträumt. Sein Traum war wild und verworren gewesen, es war ihm allerdings sehr real vorgekommen. Er war durch einen stachligen, grauen Wald mit vielen kalen Bäumen gelaufen und hatte von allen Seiten Stimmen vernommen, die ihn gerufen hatten, doch in welche Richtung er auch gelaufen war, dort war die Stimme plötzlich verklungen. Doch nach einiger Zeit schwand die Panik und Minous Körper hörte auf, zu zittern. Bald würde die Sonne aufgehen, fürchtete Minou und richtete sich mit einem geräuschvollen Gähnen auf. Sein dichter Pelz juckte durch den Staub und die Erde, die jede Nacht auf ihn herabrieselte, er schüttelte sich. Der Boden war feucht vom Tau, so weich, dass Minou die Erde wie ein Klumpen feuchten Lehms kneten konnte. Ein wohliger Seufzer grummelte in seiner Kehle, als er sich zu seiner vollen Länge streckte um danach Yakishi einen Besuch abzustatten. Doch am Eingang zu dem Bau empfing ihn die alte Fähe mit ihren milchigen Augen, in denen die Müdigkeit gezeichnet war. "Deine Freundin ist aufgewacht, sie hat bereits nach dir gefragt." "Ich danke dir. Darf ich sie sehn?" Verständnisvoll nickte sie und strich mit ihrem verfilzten Pelz an Minou vorbei, der mit eiligen Schritten den Bau betrat. "Minou?", ertönte eine Stimme von innen, er erkannte sofort Yakishis helle, sanfte Stimme, die ihn rief. "Ja, ich bin es", antwortete er und schritt langsam zu Yakishi, die in einem mit Moos ausgepolzterten Nest lag und alle Vieren von sich streckte. "Bist du wieder in Ordnung?" "Ja, mit mir ist alles in Ordnung. Vielen Dank nochmal das du mich gerettet hast." "Du bist mir nicht zum Dank verpflichtet, Yakishi." "Wie hast du diesen Sturz von der Klippe überlebt? Es schien für das Wolfsrudel unmöglich, dass du noch leben könntest. Aber ich habe nicht aufgehört, daran zu zweifeln." Minou seufzte und trat näher. Yakishis Augen blickten direkt in seine, als er fortfuhr: "Dann war es deine Hoffnung, die mich gerettet hat", wisperte er so leise, dass nur Yakishi es zu vernehmen vermochte. "Was denkt unser Rudel wohl jetzt? Dass ich ebenfalls tot bin?" "Nein, sie denken, dass ich tot bin und du suchst mich noch immer." Yakishi lächelte breit und legte dabei den Kopf schief, Minou dachte, sie tat es unwillkürlich. "Sie wissen alle, dass ich nie aufhören würde, dich zu suchen." "Wieso, weil wir immer Beute geteilt haben, als wir kleine Wölfchen waren? Oder besser, als du ein Wölfchen und ich ein Hündchen war?" "Wahrscheinlich", antwortete Yakishi und ihre Stimme senkte sich. Sie wandte den Blick ab und richtete sich auf, um sich dann jedoch in einer etwas bequemeren Haltung zu platzieren. "Ich werde jetzt wieder gehn. Es gibt reichlich zu tun und wir brauchen Beute. Bis später!" Mit diesen Worten verließ er Yakishis Bau und setzte zielstrebig auf Merkims Bau zu. Er fühlte sich fast, als wäre er schon immer Teil des Fuchsrudels gewesen. " Mein Rudel!", hob Ronum zu sprechen an und nahm die aufmerksamen Blicke der Wölfe entgegen. "Es steht für uns nun fest, dass Minou-" er blickte mit leicht traurigem Blick auf die Wölfe herab- " tot ist und nicht zurückkehren wird. Seine stelle als Untergebener Wolf ist nun frei und ich habe diese Versammlung einberufen, um einen Wolf aus unserem Rudel zu einem untergebenen Wolf, der Minou einst gewesen ist, zu ernennen.Es wäre Veruna gegenüber unhöflich, seinen Platz nicht wieder mit einem anderen Wolf, der es ebenfalls verdient hat, zu füllen. Shiruma, trete vor." Mit einem gierigen Ausdruck im Gesicht bahnte sich Shiruma seinen Weg durch das Rudel, um direkt neben das Alphapaar zu treten. "Dieser Wolf soll nicht länger den Rang eines Omegawolfs tragen. Er soll belohnt werden für die Mühe, die er sich gemacht hat, um sich zu ändern. Shiruma, ab dem heutigen Tage wird dich kein Wolf mehr Omegawolf nennen. Wir alle wissen, dass du etwas Besseres verdient hast. Ab heute wirst du den Rang eines Untergebenen Wolfes tragen." Mehr als die Hälfte des Jaulens, das sich erhob, klang misstrauisch und wütend. nur einzelnen Wölfen stand die Zufriedenheit ins Gesicht geschrieben. "Ich bin euch allen sehr dankbar!", jaulte Shiruma. "Dafür, dass ihr mich unterstützt habt und mir geholfen habt, mich zu ändern. Ich hoffe, irh akzeptiert mich als untergebenen Wolf und billigt Ronums Entscheidung. Ich verspreche, dem Rudel immer treu zu sein und ihm immer zu dienen. Veruna", fuhr er fort und richtete seinen Blick auf die dicken, vorüberziehenden Wolken, " Ich danke dir und werde dich immer verehren." " Shiruma, bevor du dich aber endgültig einen untergebenen Wolf nennen kannst, musst du folgende Prüfung bestehn. Du musst es schaffen, vor dem nächsten Tagesanbruch zehn Beutestücke zu erlegen und zu uns zu Bringen. Glaubst du, dass du dies schaffen wirst?", fragte Ronum mit fester Stimme und Shiruma nickte entschlossen. "Ich werde jetzt mit der Jagd beginnen und mindestens zehn Tiere mitbringen", versprach er und wandte sich ab, um sofort auf die Jagd zu gehn. Er würde Minous Platz bald einnehmen. Mit diesem für ihn erfreulichen Gedanken machte er sich auf den Weg. Lautes Jaulen erfüllte den Wald und hallte zwischen den bald kalen Bäumen wider. Merkim saß in der Mitte der großen Lichtung, umringt von seinem Rudel sowie Minou und Yakishi. Mit fester Stimme begann der Fuchs, zu sprechen, vorher nahm er allerdings noch einmal kräftig Luft. Mit aufmerksamen Blicken betrachtete das Rudel den Anführer, manche allerdings hatten ihre gelben Augen auf Minou gerichtet, der aufgeregt von einer Seite zur Anderen starrte. "Ich bitte um Ruhe!", jaulte der alte Fuchs und wartete ab, bis sich sein Rudel ruhig genug verhielt, dass seine Stimme zu hören war, dann fuhr er fort: "Der Herbst neigt sich dem Ende zu und dies bedeutet für uns harte Zeiten. Gerade wenn die Vielfraße erneut versuchen wollen, unsere Beute zu stehlen. Deshalb hat sich unser Gast Minou"- er begrüßte Minou mit freundlichem Nicken- "Dazu entschlossen, schon heute aufzubrechen und die Vielfraße für immer von hier zu vertreiben." Schockiertes, teis auch erfreutes Murmeln erhob sich unter der Menge und Merkim bahnte sich einen Weg zu seinem Bau. "Wie will Minou allein gegen die Vielfraße ankommen?", ertönte eine ängstliche Stimme mitten in der Menge. Daran hatte Minou bisher nicht gedacht. Wäre er überhaupt stark genug, um gegen alle Bären gleichzeitig zu kämpfen? "Die Versammlung ist beendet", rief der alte Fuchs noch über die Schulter zurück und das Rudel zog sich in die jeweiligen Bauten zurück. Auch Minou trottete mit hängendem Schwanz zu seiner Wurzel, als ihm plötzlich Yakishi in den Weg sprang. "Du darfst nicht gehn!", wisperte sie mit vor Kummer verzerrtem Gesicht und streifte Minou mit dem buschigen Schwanz die Flanke entlang. "Yakishi, ich weiß genau, was du denkst. Aber ich muss es tun. Es ist meine Bestimmung." "Du glaubst also irgendeinem räudigen Fuchs, den du garnicht kennst?" "Wenn es keine Prophezeiung gegeben hätte, hätten sie mich an jenem Tage, an dem sie mich fanden, längst getötet. Sie waren um so viele in der Überzahl, außerdem war ich schwach. Und eigentlich sind Füchse und Wölfe keine Freunde." "Ich bin mir sicher, dass das mit der Prophezeiung eine Lüge gewesen ist. Sie wollen dich doch nur benutzen!" "Warum misstraust du ihnen so?" "Warum glaubst du ihnen so viel, wo du sie noch garnicht gut kennst?"In Minou stieg Wut auf. "Das sagst gerade du, die du glaubst, sie gut genug für irgendwelche sinnlosen Vorurteile zu kennen!" "Du darfst dich nun entscheiden. Entweder glaubst du Merkim, oder mir", knurrte Yakishi wütend und entblößte ihre spitzen Zähne. "Das ist kindisch! Wieso lässt du mir nicht meine eigene Meinung?", fragte Minou mit vor Wut gezeichnetem Gesicht. "Du musst von kindisch reden? Wer glaubt denn hier an irgendwelche Prophezeiungen und weiteren Schwachsinn?" "Wenn Prophezeiungen Schwachsinn sind, dann ist es der Glaube an Veruna ebenso!" "Das behaupten auch nur naive Halbblute wie du!", keifte Yakishi und traf Minou mit diesen Worten stark. "Yakishi, auf so eine Freundschaft kann ich ohne Probleme verzichten!", knurrte Minou zurück und stieß die Wölfin mit der Pfote bei Seite, er versuchte sichtlich, seine Trauer zu verbergen. "Na schön, wenn du es so willst!", rief diese Minou zu, der der Wölfin den Rücken zugewandt hatte. Laute Pfotenschritte, die mit der Zeit im Rascheln des Laubs verklangen, verrieten Minou, dass Yakishi davongerannt war. Wie konnte sie ihm nicht glauben, wo sie doch selbst von einem Bären angegriffen worden war? Den Beweis für alles hatte sie doch an ihrem eigenen Körper gespürt , als ihr die Verletzungen hinzugefügt worden waren. Außerdem war es Yakishi nicht möglich, zum Metunga-Rudel zurückzukehren. Sie kannte nicht einmal den Weg, noch kannte sie sich in diesen unbekannten Wäldern aus.
"Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?", rief die alte Fähe ihrem Anführer zu, welcher an der Spitze der kleinen Truppe lief. Minou hatte die Erlaubnis, direkt hinter Merkim zu laufen, da für ihn die Zeit nun gekommen war. Sie waren auf dem Weg zu den Bären, den sogenannten "Vielfraßen" . Eine kleine Fuchstruppe war als Begleitschutz des Halbwolfs zusammengestellt worden. "Habe einfach Vertrauen in deinen Anführer", murmelte Merkim, ohne den Blick von dem vor ihm liegenden Weg abzuwenden. "Ich kenne diese Wälder besser als jeder andere hier!" Die alte Fähe stieß einen langgezogenen Seufzer aus, lief jedoch mit ausdruckslosem Gesicht weiter. "Meinst du, wir sollten anhalten? Ich bin nicht sicher, ob Lerchenauge so lange durchhält", ertönte eine Stimme hinter Minou. Lerchenauge? Dieser Name war Minou fremd, denn er war an die typischen Wolfsnamen gewöhnt, die auch in den Fuchsrudeln angewendet wurden. "Du hast mir nie gesagt, dass dein Name Lerchenauge ist", sprach Minou an die alte Fähe gewandt. "Ich habe einen anderen Namen, weil ich unsere Kräuterfähe bin. Ich versorge die Kranken und die Verletzten, ausserdem kenne ich mich mit Kräutern aus. Da meine Mutter, Blutfell, ebenfalls eine Kräuterfähe war, bin ich ihre Nachfolgerin geworden." Ein trauriger Blick trat in die Augen der Fähe, als sie von ihrer Mutter sprach. Scheinbar war diese gestorben. "Warum habt ihr solch ausgefallene Namen?", hakte Minou nach und Lerchenauge seufzte erneut, ehe sie antwortete: "Die Kräuterfüchse sind etwas Besonderes für das Rudel, da es ohne sie nicht überleben würde. Nur die Kräuterfüchse sind in der Lage, Wunden zu heilen. Ihre Kräutermischungen sind geheim und dürfen nur von Kräuterfüchsen und deren Schülern angewandt werden. Wenn ein Fuchs versucht, etwas über die Geheimnisse und Rezepte der Kräuterfüchse herauszufinden...." Merkim schnitt ihr das Wort ab: "...Wird er verbannt. Nur ich kenne die Geheimnisse der Kräuterfüchse, da ich mein Rudel schützen muss. Es gab einmal einen Kräuterfuchs, welcher giftige Stoffe unter seine Kräuter mischte, um den damaligen Anführer zu töten." "Ich verstehe", murmelte Minou und neigte unterwürfig den Kopf vor Lerchenauge. Ohne ein weiteres Wort lief das Rudel weiter, auf die älteren Füchse wurde dabei jedoch nicht geachtet. "Was denkst du, wie lange wir noch laufen müssen?", wisperte Lerchenauge an Minou gewandt, der nun neben ihr lief. "Ich weiß es nicht", gab der Halbwolf zu, ohne sie anzublicken. Ein unangenehmes, seltsames Gefühl überkam ihn, als das Fell der Fähe das seine streifte, er zuckte zusammen. Unwillkürlich musste er an Yakishi denken, welche nun in Gefahr schweben könnte. Er wusste, was Yakishi für ihn empfand, doch er konnte ihre Gefühle nicht teilen. Wenn sie nun wieder beim Metunga-Rudel wäre, könnte sie ihm erzählen, wie es um Minou stand. Ach Yakishi, warum hast du dir keinen richtigen Wolf ausgesucht? "Anhalten!", ertönte plötzlich Merkims Jaulen, welches mehrmals widerhallte an... Einer großen Felswand! Sie mussten das Lager der Vielfraße erreicht haben, denn es stimmte mit Lerchenauges Beschreibung überein. "Ist das ihre Heimat?", erkundigte sich Minou bei dem Anfüher der Füchse. "Im Grunde ja, allerdings umfasst ihr Gebiet den hinteren Teil des Gebirges", antwortete dieser und warf Minou einen Blick zu, dessen Ausdruck Minou nicht zu deuten vermochte. "Bedeutet das"...., begann er zögernd, ".... Wir müssen dort drüber klettern?" "Ja, aber die älteren Füchse werden hier warten. Ich werde dich begleiten, und ein paar weitere Füchse können auch mitkommen. Gibt es denn Freiwillige, die sich in der Lage fühlen, Minou bei seinem Kampf mit den Vielfraßen zu unterstützen?",rief er an sein Rudel gewandt. "Ich werde mitkommen!", rief eine junge Füchsin aus der kleinen Truppe, irgendwann schlossen sich ihrem Geheul einige Füchse an. Nun hob Minou zu sprechen an: "Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mir bei meiner Mission behilflich seid und ich fühle mich geehrt, dass die Kräuterfähe und der Anführer persönlich mich begleiten. Ich werde mein Bestes geben. Darauf könnt ihr Vertrauen setzten. Schon bald werden die Bä... Ähm, Vielfraße keine Bedrohung mehr für euer Rudel darstellen, weil ich sie mit eurer Hilfe vertreiben werde." Zustimmendes Jaulen erfüllte den Wald, als ein warmer Luftzug Minous Fell zauste. "Also werden wir jetzt dort hinüber klettern!", rief Merkim und hielt den Blick fest auf das sich vor ihm erstreckende Gebirge gerichtet. "Es wäre mir eine Ehre, wenn du voran gehst, Minou", fuhr er fort und berührte mit dem buschigen Schwanz Minous Pfote. "Vorher muss ich euch noch etwas sagen", murmelte dieser kleinlaut. "Ich bin ein Halbwolf. Meine Mutter war eine weiße Schäferhündin. Nur mein Vater war ein Wolf." "Das wissen wir!", krächzte Lerchenauge. In ihrer Stimme konnte Minou einen Ton von Ungeduld vernehmen, als sie fortfuhr: "Deine Freundin hat es uns berichet. Aber es spielt keine Rolle. Du bist aus einem Rudel und zu uns gekommen, um uns nun zu helfen. Außerdem hat unser Anführer Merkim dein Gesicht in jenem Tümpel gesehn, wo du einst angespült wurdest. Wo ist die Wölfin eigentlich?" "Sie ist....", begann Minou zögernd, "....Sie ist zu dem Rudel zurückgekehrt, weil wir uns gestritten haben. Sie glaubt nicht an Prophezeiungen und solche Sachen, dennoch verehrt sie Veruna und würde nie Zweifel an ihr haben. " "Aber sage uns, bevor wir zu den Vielfraßen gehn, wie kommt es, dass du als Halbwolf in einem Rudel lebst?", erkundigte sich Merkim voller unüberhörbarer Neugier in der Stimme. "Meine Mutter war ursprünglich ein Haushund, bis sie mit ihren Besitzern einen Ausflug in das große Gebirge machte, damit die Menschen Edelsteine suchen konnten. Als sie sich sehr weit entfernte von ihren Besitzern, ist sie einem verstoßenen Wolf aus dem Mishurima-Rudel begegnet, meinem Vater." Minou machte eine Pause, ehe er fortfuhr: " Er hat ihr die Gegend gezeigt und später, als meine Mutter zu ihren Besitzern zurückwollte, waren diese bereits fort. Meine Mutter hat sich schließlich dem Metunga-Rudel angeschlossen, meinen Vater hat sie dennoch regelmäßig getroffen. Irgendwann bemerkte sie dann, dass sie Junge bekam. Sie hat mir die Geschichte oft erzählt, als sie noch im Rudel lebte." "Und, wo ist deine Mutter jetzt?", fragte Lerchenauge, ohne Minous Zusammenzucken bei dieser Frage wahrzunehmen. Der Halbwolf antwortete zögernd: "Es tut mir leid, aber ich möchte nicht darüber sprechen." Lerchenauge und Merkim tauschten vielsagende Blicke. "Gehn wir jetzt?", drängte ein heller Fuchs mit mattem Fell. "Natürlich", murmelte Merkim und lief los, als Minou sich vor ihn an die Spitze der nun winzigen Truppe gesellt hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, während er auf die Felswand zulief. Unwissend, ob er sich mehr um Yakishi, sich selbst oder die Füchse sorgen sollte, kletterte er auf einen niedrig gelegenen Felsvorsprung. "Merkim", flüsterte er dem alten Fuchs zu, welcher sich den Vorsprung hinaufarbeite. "Was ist, wenn die Bären Lerchenauge und die anderen angreifen?" "Mach dir um sie keine Sorgen. Sie ist die begabteste Kräuterfähe seid Langem." "Auch Kräuterfähen können sterben!", knurrte Minou, als ein Anflug von Wut ihn durchströmte. "Minou, es gibt Dinge in diesem Rudel, über die ein Wolf nichts zu wissen vermag." In Merkims Stimme lag ein Ton, der keinen Widerspruch zuließ. Somit kletterte Minou orsichtig einen Fuß über den anderen setzend weiter, während Merkim mehrmals die Luft prüfte. "Es ist alles in Ordnung!", rief er schließlich seinen Füchsen zu, als sie den Kamm des Felsen erreicht hatten. "Noch sind keine Vielfraße in Sicht." Minou krallte sich in einer Felsspalte fest, um vorsichtig ins Tal hinabzublicken, und tatsächlich: Dort unten konnte er eine leichte Bewegung wahrnehmen, als ein brauner, felliger Klumpen aus einer engen Höhle trottete. "Ein Bär", wisperten Merkim und Minou wie aus einem Mund. "Wie willst du angreifen?", erkundigte sich Merkim kaum hörbar bei dem Halbwolf, welcher den Kopf schüttelte. Bei dem Anblick dieses riesenhaften braunen Tieres überkam Minou ein Anflug von Angst, welcher allerdings verflog, als der Halbwolf die ihn begleitende Fuchsgruppe betrachtete. "Ich werde unauffällig hinunter klettern um ihm dann auf den Rücken zu springen", murmelte Minou mit fester Stimme. Entschlossenheit brannte in ihm wie loderendes Feuer, als er vorsichtig den Kamm des Felsens hinunterkletterte. Fast lautlos setzte er eine Pfoten vor die andere, während er den Blick auf den großen Körper des Bären gerichtet hielt. "Vorsichtig. Vorsichtig!", wisperte er an sich selbst gewandt, ohne stehen zu bleiben. "Ist er noch da?", rief Merkim und versuchte, nicht die Aufmerksamkeit des Bären zu erregen, doch er bekam keine Antwort von dem Halbwolf. Nur wenige Meter hatte sich Minou erst von dem Fuchsanführer entfernt, doch er spürte das Blut in seinen Adern pochen, je mehr er sich dem Bären näherte. Plötzlich tat Minou einen Schritt daneben und seine Hinterläufe rutschten unter ihm weg. "Minou!", schrie Merkim auf. Der Bär fuhr herum und blickte Minou direkt an, welcher sich krampfhaft an einem Stein festkrallte. Den Halbwolf überkam ein Gefühl der Angst und er sah plötzlich Yakishi in seinen Gedanken, die ihm zurief: "Geh bitte nicht so nah an den Abrgund heran! Die Felsen sind alt und instabil. Vor langer Zeit sind ein paar Brocken hinuntergestürzt, also komm zurück!" Wieso hatte er damals nicht auf sie gehört? Wenn er dieses eine Mal- nur ein Einziges Mal- auf Yakishi gehört hätte, dann wäre es ihm nicht so ergangen. Dann wäre er irgendwann als alter Schäferhund- Wolf- Mischling in seiner geschützten Höhle gestorben und nicht in den messerscharfen Klauen eines riesigen Bären- Ungetüms. "Ist es wirklich mein Schiksal, so zu sterben? Hieß die Prophezeiung nicht, ich, irgendein Fremder, den ihr nur in einem Teich gesehn habt, soll eure Feinde töten, die mich garnichts angehn?", rief er Merkim zu, bevor die letzten Kräfte seinen Pfoten entwichen und der Halbwolf direkt in die Tiefe stürzte. Ein riesiger Felsbrocken löste sich von dem Felsen und kam ins Rollen, eine riesige Lawine aus Steinen folgte, welche den Bären und den Halbwolf komplett unter sich begrub. Minou spürte noch, wie das schwere Gewicht der Steinmassen auf ihm landete, ehe er reglos in sich zusammensackte. "Was haben wir getan?",wisperte Merkim mit vor Trauer verzerrtem Gesicht. "Er ist tot!" "Aber der Bär auch", fügte ein anderer Fuchs hinzu, während sich Lerchenauge ihren Weg durch die Füchse bahnte und versuchte, zu dem verschütteten Minou zu gelangen, doch Merkim hielt sie zurück: "Selbst du kannst nichts mehr für ihn tun. Er ist unter den Steinen begraben und wandelt jetzt in einer fernen Gegend, zusammen mit Veruna." "Das kann nicht sein!", rief Lerchenauge aus und stieß ein herzzerreißendes Jaulen aus. "Was ist mit der Prophezeiung?", klagte sie und stellte sich direkt neben Merkim, sodass sich ihrer beider Schnauzen fast berührten. "Du hast uns angelogen!", wisperte sie ihrem Anführer zu, "Merkim ist ein Lügner! Wer soll uns jetzt vor den Vielfraßen retten und damit die Prophezeiung erfüllen?" "Lerchenauge, bitte beruhige dich!" Merkims durchdringender Stimme haftete ein strenger, jedoch respektvoller Ton an, als er fortfuhr "Es muss ein anderer sein, der in der Prophezeiung gemeint war." "Nein..." Lerchenauge senkte den Kopf und ihr stand die Trauer um Minou deutlich ins Gesicht geschrieben. "Nein, ist es nicht. Wir haben gerade ein unschuldiges Wesen zu den Vielfraßen geschickt, damit es uns aus unseren Nöten errettet. Und was ist geschehn? Die Vielfraße leben und Minou ist tot! Wir haben ihn getötet!" Mit diesen Worten kletterte sie den Hang wieder hinunter und verschwand schließlich zwischen den dichten Bäumen und aus dem Blickfeld der Füchse.
Mit vor Entschlossenheit brennendem Blut kämpfte sich Yakishi durch das dichte Unterholz, während sie hinter jedem Busch die Luft prüfte. Sie hatte ihre Heimreise zum Metunga-Rudel abgebrochen um Minou afzusuchen und ihn um Verzeihung zu bitten. Nun hatte sie endlich verstanden, dass sie einen Fehler gemacht und Minou mit ihren Worten zutiefst verletzt hatte. Yakishi erinnerte sich nicht an den Weg, doch die abgestandenen Gerüche nach modrigen Pflanzen sowie ihr Eigener verrieten ihr den Weg. So schnell ihre Pfoten sie tragen konnten rannte Yakishi weiter, natürlich nicht ohne noch einmal einen sehnsüchtigen Blick auf die weit entfernten Berge hinter sich zu werfen, wo das Metunga- Rudel lebte. "Werde ich euch jemals wiedersehn?", murmelte Yakishi zu sich selbst, als ihr Bilder des Alphapaars, ihren Eltern, durch den Kopf schossen. Doch irgendwie wusste sie, dass Minou ihr wichtiger war als das alles und das sie nichts von ihrer Suche abhalten würde. "Warum habe ich meinem Rudel damals nur nicht gesagt, dass ich Minou suchen gehe?" Eine andere Stimme meldete sich in ihrem Kopf: "Weil sie mich nicht hätten gehen lassen. Und nach einiger Zeit hätte niemand mehr Zweifel an Minous Tod gehabt. "Miiinooouuu!", jaulte sie, laut und durchdringend, doch es kam keine Antwort. Mit hastigen Bewegungen fuhr Yakishi mit ihrer Suche fort, selbstverständlich nicht, ohne zwischendurch Minous Namen zu rufen. Den schalen Gerüschen nach Füchsen zu urteilen, mussten sich hier in der Nähe die Bauten der Tiere befinden. Doch der Geruch war abgestanden, als wäre hier vor fast drei Sonnenaufgängen das letzte Mal ein Fuchs gewesen. Ein schmaler Pfad aus durch hunderte Pfotenschritte plattgetretenen Pflanzen schlängelte sich durch das dichte Unterholz. Für einen Bären war der Pfad selbstverständlich zu schmal, also musste er durch Füchse entstanden sein. Die junge Wölfin beschloss, dem Pfad ein Stück zu folgen, ehe sie anhielt und die Luft prüfte. "Minou ist hiergewesen...." "Miiiinnooooooouuuuuu!", jaulte sie noch einmal und verharrte einige Zeit zwischen zwei dichten Büschen, dessen saftig grüne Blätter ihren Pelz streiften. Wieder erhielt sie keine Antwort, doch plötzlich stieg Yakishi ein vertrauter Geruch in die Nase. Obwohl sie ihn nicht deuten konnte, entspannten sich ihre Muskeln und sie begann, sich den Pelz zu säubern. "Ist da jemand?", wisperte sie ruhig. Eine lang anhaltende Stille senkte sich über den Wald. Doch dann brach eine rotbraune Gestalt durch die Büsche und stieß sie um. Yakishi keuchte, als sie gegen einen Baum geschleudert und die Luft aus ihrem Körper gepresst wurde, ehe sie herumfuhr und aufschrie: "Lerchenauge!" "Yakishi?", erwiderte die alte Füchsin und in ihren milchig gelben Augen spiegelte sich Trauer. Angesichts der Verzweiflung in ihrer Stimme drang ein tiefes Knurren aus Yakishis Stimme und ihre Nackenhaare sträubten sich. "Es ist etwas geschehen, habe ich recht?" Lerchenauge seufzte und ihre Stimme senkte sich. "Minou ist tot.", verkündete sie. Yakishi spürte die Wut in sich aufsteigen wie eine riesige Flutwelle, als sie aufjaulte: "Nein... Das kann nicht sein! Das kann nicht sein, nein! Nein!" Dann rannte sie davon, ohne Lerchenauge anzublicken. "Das kann einfach nicht wahr sein!", jaulte sie, als sich unwillkürlich ihr Schwanz einzog. Raschelnde Pfotenschritte im Laub verrieten Lerchenauges Näherkommen, als die alte Fähe plötzlich vor Yakishi stand und sie mit kummervoll verzerrtem Gesicht anstarrte. "Ich will dich nicht mehr sehen", knurrte die Wölfin wütend, "Geh´ mir sofort aus den Augen!" "Es ist nicht so wie du denkst!", keifte Lerchenauge zurück und entblößte dabei ihre scharf blitzenden Zähne. "Ich war von Anfang an dagegen, dass Minou alleine gegen die ganzen Bären antritt! Denn war ich es nicht, die ihn kurz vor seiner Abreise im Stich gelassen hat." Bei den Worten der alten Fähe zuckte Yakishi zusammen und sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Herzen. Sie hat recht!, musste Yakishi voller Entsetzen feststellen, Ich habe Minou im Stich gelassen. "Es... es tut mir leid, ich wollte nicht.....", hob sie zu sprechen an, wurde jedoch durch Lerchenauges durchdringende Stimme unterbrochen: "Ich weiß, was du sagen willst und nehme deine Entschuldigung an. Ich bin genauso betrübt wie du über Minous Tod, doch ist es mir selbst als Kräuterfähe nicht möglich, ihn zu dir zurückzuholen." Yakishi senkte den Kopf und murmelte: "Ich werde ihn sehr vermissen. Es wird ein großer Verlust für das Metunga- Rudel sein." "Wart ihr gut befreundet?", hakte die alte Fähe nach und durchbohrte Yakishi mit ihren gelben Augen, die im Laufe der vielen Jahre ihren Glanz verloren hatten. "Na ja, schon. Aber da ich die Tochter des Alphapaars bin, konnte ich nicht so oft mit ihm zusammen sein...." "Hast du ihn geliebt?" Yakishi antwortete nicht, trottete stattdessen mit gesenktem Kopf davon. "Es muss doch noch Hoffnung bestehen!", murmelte sie an sich selbst gewandt, "Minou muss noch leben." Unwillkürlich verstand sie, dass sie nicht wirklich Hoffnung in ihre Worte legte, sondern nur versuchte, sich jenes einzureden. "Warum habe ich mich bloß mit Minou gestritten?", krächzte sie voller Trauer. Sie würde ihn nie wieder sehn. Dieser Gedanke trübte sie sehr und sie erinnerte sich an die letzten Worte, die sie zu Minou gesprochen hatte: "Das glauben auch nur naive Halbblute wie du!" Als Minou ihr dann die Freundschaft "gekündigt" hatte, hatte ihre Antwort bloß gelautet: "Na schön, wenn du es so willst!" Wieso hatte sie so etwas getan? Ihr war sehr wohl bewusst, dass sie nur Minou zu schützen versucht hatte. Doch war dies die richtige Art, jemanden zu schützen? "Yakishi, kann ich kurz mit dir sprechen?", ertönte plötzlich Lerchenauges Stimme. "Ich höre" "Es gab da einmal eine Kräuterfähe namens Agadoshka. Damals war es noch nicht üblich gewesen, Kräuterfüchsen ausgefallene Namen zu geben, doch das ist jetzt nicht wichtig. Jedenfalls hat sie sich mit jedem gestritten und wenn einer verletzt war, hat sie nicht einmal versucht, dem jenigen zu helfen, da sie keine Hoffnung kannte." "Was hat das mit Minou zu tun?" "Wenn du fest daran glaubst, dass er noch lebt, wird dies vielleicht der Fall sein!" "Wo ist er?", erkundigte sich Yakishi und tat einen Schritt auf die Kräuterfähe zu. "Ein Steinschlag hat ihn getötet, direkt im Herzen des Vielfraß- Lagers. Ich denke nicht, dass wir ihn ausgraben können, da die Steine ziemlich groß waren." "Wirst du mich dennoch dorthin führen?", bat Yakishi die alte Kräuterfähe, welche kurz darauf ein Loch in den dichten Dornenwall neben sich schlug und krächzte: "Folge mir!" Wenig später hatten sie die sich hoch über ihren Köpfen erstreckende Felswand erreicht. "Der Steinschlag wurde auf der anderen Seite ausgelöst, wir müssen also hinüberklettern.", erklärte Lerchenauge und kniff die Augen zusammen. "Worauf warten wir dann noch?", rief Yakishi aus und rannte auf die Felswand zu, "Los!" "Halt!", hielt sie Lerchenauge zurück und streckte die Pfoten nach der Wölfin aus. "Sei gewarnt, ehe du hinüberkletterst." Yakishi legte fragend den Kopf schief, woraufhin Lerchenauge fortfuhr: "Es könnte dich eine Vielzahl an Bären auf der anderen Seite überraschen und dich töten. Wenn du auf dem Kamm des Felsen angekommen bist, halte gut Ausschau und prüfe die Luft. Wenn du keine Bären in deiner Nähe wahrnehmen kannst, besteht keine Gefahr." Yakishi starrte die Fähe eine lange Zeit an, ehe sie ihr den Rücken kehrte. Ohne ein weiteres Wort kletterte Yakishi die Felsen hinauf. Lerchenauge folgte ihr keuchend und bei jedem Schritt drohten ihre Pfoten unter ihr zusammenzusacken, doch die alte Fähe bemühte sich, keinerlei Schwäche zu zeigen. "Soll ich auf dich warten?", wisperte Yakishi und machte auf einem Felsvorsprung halt, doch Lerchenauge schüttelte den Kopf: "Ich bin zwar alt, dennoch bin ich in der Lage, zu klettern." Der abgestandene Geruch von Bären ließen daraus schließen, dass sie hier selten ihre Tatzen hinsetzten, dennoch bemühte sich Yakishi, beim Klettern lautlos eine Pfote vor die andere zu setzen. "Besteht tatsächlich kein Funken Hoffnung mehr, dass Minou am Leben ist?", japste sie, erhielt jedoch keine Antwort der alten Kräuterfähe. Nun lag der Kamm der Felswand nur noch wenige Kaninchenlängen von Yakishi entfernt, weshalb sie ihr Tempo leicht beschleunigte, ohne Acht auf Lerchenauge zu geben. "Siehst du was?", wisperte diese, als es Yakishi gelungen war, über die Spitze der Felsen hinüberzublicken. "Nur ein Haufen Steine, aber keine Bären." Sie zögerte, doch dann sah sie etwas Braunes durch die Staubschicht auf dem Steinhaufen schimmern. "Moment... Doch! Unter den Steinen scheint einer verschüttet zu sein." Bevor Lerchenauge sich neben Yakishi gesellte, prüfte sie ausgiebig die Luft. "Der Geruch ist schal", stellte sie erleichtert fest, "Sie müssen alle auf Jagd sein." "Lerchenauge!", ertönte plötzlich ein durchdringendes Jaulen hinter Yakishi und der Kräuterfähe. Als die junge Wölfin herumfuhr, erblickte sie Merkim, der von einer kleinen Fuchsgruppe begleitet wurde. "Hat sie es bereits erfahren?" , fragte der Fuchsanführer an die Kräuterfähe gewandt, doch Yakishi antwortete an ihrer Stelle: "Ich weiß bescheid über Minous Tod." Bei diesen Worten versuchte sie vergeblich, die Trauer in ihrer Stimme zu unterdrücken, doch diese stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Es tut uns allen sehr leid!", murmelte eine dunkelrote Fähe, als die Gruppe zu Yakishi und Lerchenauge hinaufkletterte. "Es war allein eure Schuld!", knurrte Yakishi wütend und bleckte die Zähne. "Ihr habt ihn in den Tod geschickt. Ihr wolltet, dass er allein, irgendein fremder Wolf , sich in eure Angelegenheiten einmischt und die Bären vertreibt!" Yakishi merkte wohl, dass sie Minou nicht als das bezeichnet hatte, was er wirklich war, denn sie war Minou dankbar für alles,w as er für sie getan hatte. "Du kannst uns nicht die Schuld an seinem Tod geben. Wir konnten nichts für den Steinschlag!" "Aber ihr seid sicher schlau genug, um zu kapieren, dass ein Wolf allein nichts gegen fünf Bären ausrichten kann!" "Und was ist mit der Prophezeiung?", knurrte Merkim genervt, "es hieß, dass ein Feind, der zu einem Freund wird, uns vor den Vielfraßen bewahren wird. Außerdem, was ist mit dem Bild in dem Teich? Die Prophezeiung wäre nicht gekommen, wenn er bei dem Kampf gestorben wäre!" Yakishi schritt auf Merkim zu und berührte mit ihrer Nase die seine, als sie knurrte: "Und warum ist er dann tot?" Der Fuchs schwieg. Er würde sich die Antwort sparen können, denn ein Teil von ihm sah ein, dass die junge Wölfin im Recht war. Vielleicht war es doch nicht Minou gewesen, dem die Prophezeiung galt. "Wir werden ihn ausgraben, damit seine Leiche einen Ehrenplatz im Lager des Metunga-Rudels bekommt." "Aber was ist mit den Vielfraßen?", erklang eine wimmernde Stimme aus der Gruppe. "Momentan ist Minous Tod ein größeres Problem!", murmelte Merkim mit ausdrucksloser Stimme. "Kommt. Lasst uns die Steine, die ihn begraben, wegrollen", fuhr er fort und kletterte vorsichtig jenen Abhang hinab, wo Minou seinen Tod gefunden hatte. "Sei vorsichtig!", krächzte Lerchenauge besorgt und richtete ihre milchig gelben Augen auf Merkim. "Wir wollen nicht, dass dich das gleiche Schiksal ereilt wie es bei Minou der Fall war!" "Es wird mir nichts geschehen, Lerchenauge!", brummte Merkim mit einem wütenden Funkeln in den Augen. "Und wenn dies doch der Fall sein sollte, habe ich eine begabte Kräuterfähe an meiner Seite, die mir helfen wird." "Hoffentlich hast du recht", murmelte Lerchenauge kaum hörbar, doch ihre Worte hatten Yakishis Ohren erreicht und sie zuckte zusammen. Obwohl sie nicht viel mit dem Fuchsrudel zu tun hatte, spürte sie einen Stich in ihrem Herzen, als sich in ihrem Kopf das Bild eines zerschmetterten Fuchskörpers auf den Steinen abspielte. "Willst du, dass ich dir helfe?", bot Yakishi an und die Feindseligkeit in ihrer Stimme schwand. "Du kannst mich begleiten", erwiderte Merkim, als die junge Wölfin sich an seine Seite gesellte. Shirumas dunkler Pelz klebte ihm vor Nässe am Körper, doch er ließ sich seine Müdigkeit nicht anmerken. Die feuchte Luft war erfüllt vom Geruch der ständig auf den Wolf niederprasselnden Regentropfen und Shiruma schnaubte. Das kleine Wolfsjunge, dass aus seinem Maul baumelte, quietschte ängstlich, wurde jedoch nicht von Shiruma beachtet. Durch die dichten Nebelschwaden hindurch konnte er die Umrisse eines kräftigen Wolfs erkennen, der neben einem Stein saß und mehrmals die Luft prüfte: Klammun. "Du bringst mich in ein fremdes Rudel", japste das Junge und versuchte vergeblich, sich aus den scharfen Zähnen des Wolfs zu befreien. "Ich bringe ich in das Karshim- Rudel", knurrte Shiruma durch das triefnasse Bündel in seinem Maul hindurch, "Und jetzt sei still!" "Warum bringst du mich weg?", wisperte das Junge weiterhin mit vor Trauer und Angst verzerrter Stimme. "Weil deine Eltern tot sind!", blaffte Shiruma genervt und packte das Nackenfell des Jungen fester. "Du wirst jetzt zu dem Wolf dort gehn und sagen, dass deine Eltern einem fremden Rudel angehören und gestorben sind." "Aber das stimmt nicht!", entgegnete das Junge, welches kurz darauf geräuschvoll auf dem kiesbedeckten Boden landete. "Meine Eltern sind Karusha und Ronum, die Anführer unseres Rudels!" "Das spielt keine Rolle mehr, Dolurim!" Shirumas Krallen bohrten sich in den aufgeweichten Boden, als er fortfuhr: "Wenn du jetzt nicht machst, was ich dir gesagt habe, dann..:" Er hob die Pfote und schlug mit ausgefahrenen Krallen zu, doch seine Krallen verfehlten das flüchtende Junge nur knapp. Aus den Augenwinkeln sah Shiruma, wie Klammun sich Dolurim näherte. Plötzlich ertönten Pfotenschritte hinter dem ehemaligen Omegawolf und er fuhr herum, als die unverkennbare Silhouette Karushas im Nebel auftauchte. Mit vor Panik geweiteten Augen kroch Shiruma auf dem Bauch in eine Felsspalte, sein weiches Fell streifte die feuchten Steine. Er war sich bewusst über das Geheimnis, dass seine Alphawölfin barg, denn er hatte sie vor Kurzem zusammen mit Klammun im Karshim- Territorium beobachtet. Obwohl er nun wusste, dass Minou kein Verräter war, würde er dies nicht dem Metunga-Rudel berichten, denn er musste etwas gegen Minou in der Hand haben. "Klammun!", ertönte Karushas durchdringendes Jaulen, als sie an Shirumas Versteck vorbeigelaufen war. Als dann das Quietschen des Jungen ertönte, riss Shiruma die Augen auf, "Sie wird ihr eigenes Junge erkennen!", stellte Shiruma mit Entsetzen fest, blieb jedoch in seinem Versteck. Vorsichtig lugte er aus seinem Versteck und sah, wie Dolurim unauffällig hinter einem Stein verschwand, als sie ihre Mutter erblickte. Karusha wusste nichts von Shirumas Plänen und dass der Minou als Verräter bezichtigte, also bestand dafür keine Gefahr. Sie würde sich bei Klammun nicht nach Minou erkundigen können, da Shiruma Ronum hatte glauben lassen, der Halbwolf hätte sich dem Karshim-Rudel angeschlossen, um sein eigenes Rudel zu verraten.. "Das ist seltsam", murmelte Karusha mit ausdrucksloser Stimme. "Ich hätte schwören können, dass Dolurims Geruch hier in der Luft hängt." "Wer ist Dolurim?", grollte Klammun und tat einen großen Schritt auf Karusha zu. Ihr Zusammenzucken bei einem weiteren Quietschen Dolurims war unverkennbar für Shiruma, der sich jetzt noch enger in die Spalte zu quetschen suchte. "Dolurim?", jaulte Karusha, ohne Klammuns Frage zu beachten. "Mama, ich bin hier!", wimmerte das Junge und brach aus seinem Versteck. "Dolurim!", rief Karusha aus, während sie ängstlich auf die junge Wölfin zurannte. "Dolurim, wie kommst du hier her?", fragte sie und rieb tröstend ihren Kopf an dem des Jungen. "Ich wurde hierhin entführt. Jemand hat mir gesagt, du wärst...." "Es ist alles gut, meine Kleine. Dir wird nichts geschehn. Jedoch, weißt du, wer dich entführt hat?", erkundigte sich Karusha, als sie begann, Dolurim vorsichtig mit der Zunge das Fell zu säubern. "Ich habe den Wolf nicht erkannt.Der Nebel war zu dicht. Alles, was ich bestätigen kann, ist, dass es nicht der Wolf dort war!", entgegnete das Junge und wies mit einem raschen Schnippen des Schwanzes auf Klammun, der verblüfft das Gesicht verzog. Dolurim fuhr fort: "Als der Wolf, der mich entführt hat, hierhergelaufen ist, habe ich ihn schon drüben bei dem Felsen sitzen sehn. "Ich wollte sowieso noch mit dir sprechen", murmelte Karusha und ihre sanfte Stimme senkte sich. "Wir werden jetzt bei dem Karshim-Rudel bleiben. " "Was ist mit meinen Geschwistern?", wimmerte Dolurim und machte einen Satz zurück. "Ich habe mit ihnen gesprochen, doch sie wollten das Metunga-Rudel nicht verlassen. Sie werden deinem Vater nichts erzählen. Und du darfst auch mit niemandem aus dem Metunga-Rudel darüber sprechen, hast du gehört?" "Darf ich sie denn wiedersehn?", hakte das Junge nach, ohne die Frage seiner Mutter zu beachten, welche zögernd den Kopf schüttelte: "Nein. Du wirst andere Freunde finden, doch es wäre zu gefährlich, dass du ihnen von unserem Geheimniss erzählst." "Wie soll ich denn dann mit ihnen über das Geheimnis sprechen können?" "Halte dich einfach von ihnen fern und suche dir andere Freunde!" "Nein! Ich werde nie andere Freunde finden! Nie!" Mit diesen Worten rannte Dolurim davon und verschwand schließlich in den dichten Nebelschwaden. "Mein Ruf im Metunga-Rudel müsste damit wohl gerettet sein", knurrte Shiruma höhnisch und zwengte sich aus seinem Versteck, nachdem die Pfotenschritte Karushas und Klammuns zusammen mit dem leichten Pfeifen des Windes verklangen. Weißes Fell schimmerte durch die Rillen zwischen den Gesteinsbrocken hindurch, als Yakishi eine dicke Schube Erde von den Felsen kratzte. "Ich habe ihn gefunden!", rief sie aus und blickte Merkim direkt in die funkelnden, sonnengelben Augen. "Komm schon, wir müssen hier graben!" Merkim balancierte ungelenk über die Steine zu der aufgebrachten Yakishi hinüber, die ohne ein weiteres Wort weitergrub. "Vielleicht besteht noch Hoffnung für ihn...", murmelte sie und ließ den Kopf sinken, da sie ihren eigenen Worten nicht viel Glauben schenkte. "Wir werden ihn erst einmal ausgraben", brummte Merkim, während er Yakishi tröstend die Schnauze an die Schulter presste. "Du hättest nichts für ihn tun können." "Ich hätte nicht weggehen dürfen!", jaulte sie und schnaubte. Immer mehr von Minous erdverkrustetem Pelz kam zum Vorschein, bis es Yakishi schließlich gelang, den leblosen Körper des Halbwolfes zu sich auf einen glatten Felsen zu ziehen. Seine Augen waren geschlossen und aus einer tiefklaffenden Wunde an der Schulter quoll Blut hervor. "Lerchenauge!", rief Yakishi aus, bekam jedoch keine Reaktion der Fähe zu sehn. "Lerchenauge, tu doch was!" "Es wird nicht mehr viel Hoffnung bestehn, Yakishi!", bellte Lerchenauge, ohne den starren Blick von dem sich orange färbenden Himmelszelt abzuwenden. "Komm sofort her! Bitte!", jaulte Yakishi noch einmal. Nun begann die alte Fähe, langsam von einem Gesteinsbrocken zum anderen zu balancieren, während sie den toten Körper Minous eindringlich anstarrte. "Ich glaube nicht, dass wir noch etwas für ihn tun können", murmelte sie kaum hörbar. Erst jetzt spürte Yakishi, wie sich eine sie überwältigende Trauer und eine schwarze Leere in ihrem Herzen ausbreitete, die immer stärker zu werden schien. Die Nackenhaare der Wölfin sträubten sich und sie legte den Kopf in den Nacken, um Minou ein letztes Mal zu danken. "Es tut mir so leid!", jaulte sie verzweifelt, als sich in ihr ein Gedanke ausbreitete: Ich werde ihn nie wieder sehn! Nie! Unwillkürlich schossen Yakishi Bilder durch den Kopf, von ihr und Minou als Welpen, die miteinander balgten, von Minous Mutter Hanuk, die von dem Rudel verstoßen wurde und schließlich von Minous Sturz in die reißenden Gewässer im Territorium des Metunga-Rudels. Minous Leben war verweht wie das leise Pfeifen eines Windhauchs, war wie ein Echo, eingeschlossen von Gebirgsketten, verklungen. Die Kräuterfähe humpelte zu Yakishi hinüber, blieb jedoch nach einigen Schwanzlängen stehn. "Blutet er aus dem Mund?", erkundigte sich Lerchenauge mit kummervoller Stimme und trottete mit hängendem Kopf auf den schlaffen Körper des Halbwolfs zu. Yakishi brachte nur ein kaum erkennbares Schütteln des Kopfes zustande, ohne den Blick von dem toten Halbwolf abzuwenden. "Ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun soll!", japste Yakishi und presste die Nase in Minous Fell, um ein letztes Mal den vertrauten Geruch des Halbwolfes einzuatmen. "Ich danke dir für alles", wisperte sie, als ihre Schnauze an Minous Ohr entlangstrich. Als sie mit ihrer Nase die seine berührte, fühlte sie sich ein wenig getröstet, doch dieses Gefühl wich schnell, als Yakishi die Augen öffnete und Minous starres Gesicht erblickte. "Minou, ich weiß, dass du jenes bereits wusstest- dass meine Mutter es dir gesagt hat." Sie stockte, um noch einmal tief Luft zu hohlen. "Ich habe dich immer geliebt, schon seid ich denken und fühlen konnte habe ich für keinen Wolf so stark empfunden wie für dich! Nicht einmal für meine Familie."
"Hier, träufle ihm ein paar dieser Holunderbeeren in den Mund!", befahl Lerchenauge und rollte einige kleine, rötliche Beeren zu Yakishi, welche die Beeren geschickt mit der Pfote festhielt. Die junge Wölfin packte drei der Beeren vorsichtig mit den Zähnen, um sie dann in Minous Mund kullern zu lassen. "Wie soll er sie schlucken?", fragte sie und trat nervös von einer Pfote auf die andere, da der verbliebene Funken von Leben, der wohlmöglich noch in Minou schlummerte, nun von Yakishi abhing. "Die Holunderbeeren werden ihm von selbst den Hals hinunterrutschen", entgegnete Lerchenauge und zischte ungeduldig. "Ich habe gelernt, dass die Wirkung der Beeren sich erst nach dem Essen entfaltet. Außerdem kannst du noch ein wenig Saft auf die Wunde an seiner Schulter treufeln, dies könnte eine Entzündung verhindern. Wenn er noch am Leben sein sollte, wird dies ihn aufwachen lassen." "Lass uns Kontakt mit Veruna aufnehmen! Sie wird ihm helfen! Ich weiß es", bat Yakishi und in ihren Augen glomm ein winziger Funken Hoffnung auf. Wie auf ein lautloses Kommando legten die Tiere die Köpfe in ihre Nacken und schließlich hallte eine sanfte, gefühlvolle Melodie zweier verschiedener Stimmen an den glatten Gebirgswänden wider. Veruna, setzte Yakishi im Stillen an, ich als eine deiner treusten Angehörigen rufe dich nun an, diesen Wolf ins Leben zurückzuholen. Er hat viel für unser Rudel getan und sein Leben für seine Freunde hingegeben, doch wir wünschen ihn zurück! In Yakishis Kopf hallten die Worte ihres Gebets wider, als sie plötzlich eine Schwarze Wand vor ihren Augen sah, die sie zu überwältigen drohte. Ihre Pfoten rutschten unter der Wölfin weg und sie sank zu Boden, dabei berührte sie versehentlich mit ihrer Schnauze die Minous. Seine aufgerissenen, glasigen Augen ließen daraus schließen, dass Yakishis Gebet nicht von Nutzen gewesen war; Der Halbwolf wandelte jetzt wohl mit den Sternen. "Ist alles in Ordnung?", erkundigte sich Lerchenauge bei Yakishi, die, von Trauer übermannt, den Kopf sinken ließ. "Er ist nicht zu retten", murmelte die Wölfin nur mit ausdrucksloser Stimme. "Ich wäre mir da nicht so sicher.", murmelte Lerchenauge und stupste Yakishi leicht mit der Schnauze an. "Wie meinst du das?" "Seine Augen!" "Was ist mit ihnen?", fragte Yakishi, ohne die Kräuterfähe anzublicken "Sie waren vorhin noch geschlossen!" Yakishi lag noch immer Schnauze an Schnauze vor Minou und blickte ihm schließlich in die dunklen Augen. "Du hast recht!", schrie Yakishi und sprang auf die Pfoten. Das gleichmäßige Heben und Senken der Flanken des Halbwolfs war unverkennbar sowie das gelegentliche Zucken, das seine Pfoten durchlief. "Minou lebt!", jaulte Yakishi und schickte ein stilles Danksgebet an Veruna. "Wie ist das möglich?", fragte sie sich selbst und schloss die Augen. "Ya....Yakishi?", stammelte eine kaum hörbar raue Stimme. Die Wölfin spitzte die Ohren, sie wagte kaum, Minou anzublicken. Hatte er tatsächlich mit ihr gesprochen? Voller Angst, die Stimme ihres geliebten Halbwolfs war nur ein Echo längst vergangener Zeiten, dass an den glatten Wänden ihres Gewissens widerhallte, drehte sie langsam den Kopf, um vor Überraschung zu erstarren: Minou hatte den Kopf gehoben und blickte ihr direkt in die ungläubig dreinblickenden Augen. "Minou?", wisperte sie und tat einen großen Schritt auf den Halbwolf zu. "Minou!" Minou sprang auf die Pfoten, rannte auf Yakishi zu und rieb seinen Kopf an ihrem. "Wir alle dachten, du wärst..." Unbändige Freude flammte in Yakishi auf und ihr Körper schien mit neuer Energie, neuer Lebenskraft erfüllt. Minou lebte, er war zurück! "Das ist jetzt Vergangenheit", wisperte Minou und leckte Yakishi behutsam zwischen den Ohren. "Wir sind wieder zusammen, das ist alles." "Du vergibst mir also?", fragte Yakishi, als sie ihren Kopf auf Minous Schulter legte. "Du hast mir das Leben gerettet, Yakishi!" Minou senkte die Stimme. "Wie könnte ich dir da nicht verzeihen?" "Lass uns sofort zum Metunga-Rudel zurückkehren, Minou!", bat Yakishi, ohne Minous Frage zu beachten. Dieser knurrte: "Zuerst habe ich eine Mission zu erledigen!" Seite an Seite krochen Minou und Yakishi durch die geräumigen Höhlen der Bären, ihrer beider Pelze streiften sich gegenseitig. Die feuchte Luft in den Höhlen ließ aus den dicken Wassertropfen schließen, die an spitzen Stalaktiten herunterflossen und schließlich auf dem harten, steinigen Boden wie gläserne Tränen zersprangen sowie aus dem feuchten, nach Tod und Angst riechenden Atem der Bären. Unwillkürlich ließen sich die beiden Wölfe in eine Kauerhaltung sinken, als sie hinter einem Felsklotz eine leise Bewegung wahrnahmen. "Bleib dicht hinter mir", wisperte Minou gerade laut genug, dass seine Worte an Yakishis Ohren zu dringen vermochten. "Ich habe- um ehrlich zu sein- nie einen Bären gesehn." "Ich auch nicht", gab Minou zu und fuhr fort: "Aber ich weiß, dass die meisten von ihnen nicht freundlich gesinnt sind. Also sieh dich vor!" Ein leises Knurren verriet das Näherkommen des Bären und auf Minous Rücken sträubte sich das Fell. Plötzlich stieß Yakishi beim Aufsetzten einer Pfote gegen einen Stein, der gegen einen anderen schlug. Das laute Klacken der beiden Steine erregten die Aufmerksamkeit des Bären- ein lautes Aufeinanderschlagen von Steinen, die durch die mächtigen Tatzen zerdrückt wurden, ließen daraus schließen, dass der Bär nicht allein war. "Wir müssen fliehn!", wisperte Yakishi und tat einen Schritt zurück. "Nein!", entgegnete Minou, "Dies ist meine Aufgabe und ich werde mich nicht verkriechen!" Sofort brachen die Bären aus ihrem Versteck- es war die ganze Familie, bis auf jenen, der von den Felsen verschüttet wurde. "Minou, bist du sicher, dass du kämpfen kannst?", fragte Yakishi und presste sich noch stärker an Minou heran, sodass dieser ihr zittern deutlich spürte. Ihre vor Angst angespannten Muskeln zeichneten sich unter ihrem Pelz und sie trat aufgeregt von einer Pfote auf die andere, als die Bären auf die beiden Wölfe zurannten. Doch Minou bemühte sich, keine Schwäche und Angst zu zeigen, er stellte sich zähnefletschend auf die Hinterläufe und stieß ein markerschütterndes Jaulen aus. Zu seiner Überraschung blieb die gesamte Bärenrotte stehn- der Mut und Kampfgeist des Wolfs schien sie zu verunsichern. "Was geschieht da?", fragte Yakishi, doch Minou schenkte ihr keine Beachtung. Mit noch immer gefletschten Zähnen schlug er aus und traf den größten der Bären direkt über der Nasenspitze. Dieses Tier ist mir unbekannt!,dachte der Bär mit der blutigen Nase, Noch nie hat sich uns ein uns von der Größe her unterlegenes Tier gestellt. Es muss stärker sein als wir! Die Bären taten einen Schritt nach hinten und spannten die Muskeln an. Sonst hätte es doch Furcht vor uns bewiesen! Minou wusste, dass sein Mut und sein Knurren die Bären verunsicherte, als sie alle mehrere Schritte nach hinten stapften. "Yakishi, komm schon!", rief er, ohne den kalten Blick von den Bären abzuwenden. "Wir werden sie so weit wie möglich von hier wegjagen!" Beide Wölfe legten die Köpfe in ihre Nacken und das leise Knurren der Bären verstummte. Der Widerhall des Jaulens drang an ihre rundlichen Ohren und sie verstanden nicht, dass die leiser werdenden Klänge nur ein Widerhallen des war, was schon vergangen war. Yakishi und Minou krochen nun mit den Boden streifendem Bauchfell näher an die Bären heran, bis diese sich durch eine enge Höhle hinter einer für einen Wolf schulterhohen Felswand zwängten. Die Wölfe folgten ihnen mit angespannten Muskeln und geflätschten Zähnen, vom anderen Ausgang der Höhle her ertönte das laute Jaulen der Füchse, die von ihrer Position auf dem Kamm der Felswand aus das gesamte Geschehen im Auge behalten konnten. Je mehr Schritte die Wölfe auf die Bären zutaten, umso mehr wichen diese zurück. "Wir müssen sie so weit wie möglich von hier wegtreiben!" "Wer seid ihr?", knurrte plötzlich eine dunkel grollende Stimme: Der Bär hatte gesprochen. Auf Minous Rücken sträubte sich das Fell und er tat einen weiteren Schritt auf die Bären zu. "Wir sind Gesandte Verunas!" Lerchenauge hatte dem Halbwolf einst über den Glaube der Bären berichtet; sie verehrten ebenfalls die Göttin aller Fleischfresser, Veruna. "Sie hat uns geschickt um euch zu vertreiben!" "Was haben wir getan?", fragte einer der Bären, sah Minou und Yakishi jedoch nicht an, duckte sich stattdessen hinter einem seiner Artgenossen. "Ihr nehmt den Füchsen die Nahrung weg und tötet Vertreter ihrer Art! Deshalb hat Veruna uns aufgetragen, euch zu vertreiben." "Das müsst ihr uns erst beweisen!", knurrte der Größte der Bären, "kämpft! Kämpft als Bezahlung für das Leben unseres Freundes, den ihr bei dem Steinschlag getötet habt!" "Ich werde bis zum letzten vergossenen Blutstropfen kämpfen!", keifte Minou, setzte zum Sprung an und flog mit ausgestreckten Pfoten auf den Bären zu. Die restlichen Bären flohen und hinterließen dabei tiefe Spuren im morastigen Boden, doch der letzte und größte Bär leistete seinem Gegner Widerstand, indem er sich dem weißen Wolf zähnefletschend entgegenstellte. Dieser prallte mit ausgestreckten Krallen gegen den massigen Kopf des Bären mit den großen Bernsteinaugen, die ihn mit wütendem Funkeln anstarrten. Minous dornenähnliche Krallen rissen dem Bären einen Fellfetzen über dem Auge heraus , das Tier brüllte auf vor Wut, als schwarzes Blut ihm die Stirn hinunterrann und dem Bären für einige Zeit die Sicht nahm. Doch dann versetzte der Bär Minou einen gewaltigen Hieb mit einer seiner mächtigen Pranken und der Halbwolf prallte gegen eine Birke, deren Musterung der Minous sehr glich. "Minou!", jaulte Yakishi und stupste den Halbwolf mit der Schnauze an, der jedoch direkt wieder aufstand um weiterzukämpfen. Seine Nase war nicht mehr als eine Maulwurflänge von der des Bären entfernt, als der Halbwolf zu sprechen anhob: "Willst du dieses Opfer wirklich bringen?", fragte Minou und ging einen weiteren Schritt auf den Bären zu. "Ich komme aus einem fernen Reich jenseits dieser Welten, ich wandle in Verunas Himmeln!" Er atmete tief durch, ehe er fortfuhr: "Du kannst mich nicht bezwingen!" Der große Bär schien den Worten seines Gegners Glauben zu schenken, dennoch blieb er standhaft und entblößte bei jedem Brüllen seine riesgen, schneeweißen Zähne, die im Licht des Vollmondes eindrucksvoll blitzten. "Wenn du mich nun angreifst, wirst du bis zu deinem Tod kämpfen müssen. Sehe deine Niederlage ein! Fliehe zusammen mit den anderen!" "Warum sollte ich dir glauben, dass du unsterblich bist?", keifte der Bär zurück und fletschte die Zähne. "Du hast mich gegen diesen Baum geschleudert". Minou schnippte mit dem buschigen Schweif auf die Birke, gegen die er soeben geschleudert worden war. "Ich habe nichts gespürt und bin sofort wieder aufgestanden. Ist dir das Erklärung genug?" "Und er hat einen Sturz von der höchsten Klippe hier überlebt", warf Yakishi ein, als sie sich neben Minou stellte. "Ist es dir außerdem entgangen, wie eine Lawine aus Gesteinsbrocken ihn und einen der euren unter sich begraben hat?", fragte Yakishi weiter. "Doch nun steht er hier vor dir, anders als jener Bär, der dort verschüttet wurde." Tiefe Entschlossenheit stieg in dem Halbwolf auf wie ein frisch entfachtes Feuer, als er den Kopf erneut in den Nacken legte und ein gewaltiges Jaulen erhob, den Blick hielt er steif auf den Glanz des Mondes gerichtet. Lautes Spritzen von Wasser und Schlamm verrieten die Flucht des Bären, und als Minou seinen Blick nach einiger Zeit wieder seiner Umgebung zuwandte, war der Bär im dichten Unterholz verschwunden. Der Klang der Pfotenschritte wurde leisere und verstummte schließlich zusammen mit dem Widerhall Minous Jaulens. "Du hast es geschafft", murmelte Yakishi ungläubig. "Du hast es geschafft!" "Minou, wir alle richten dir und Yakishi unseren teuersten Dank aus", sagte Merkim, der, auf der Lichtung im Territorium der Füchse, umringt von seinem Rudel saß und sich von Minou und Yakishi verabschiedete. "Ihr habt euer Leben für unser Rudel riskiert und euch in das Herz des Bärenterritoriums hineingewagt. Sogar nach deinem Unfall, wo wir dich alle tot geglaubt hatten, hast du einen solch starken Willen und einen unbezwingbaren Mut bewiesen, wie ich es nie bei einem anderen Tier zu sehn bekommen habe. Wir alle werden euch immer dafür danken." Merkim legte Minou und Yakishi noch einmal zum Abschied die Schnauze an dei Schulter, bevor sich die Gruppen auflösten und die Füchse sich in ihre Bauten begaben. Feuchtes, kühles Moos kitzelte Minou unter den Pfoten. Der Halbwolf seufzte wohlig, als er den frischen Geruch des Waldes einatmete. Modrige Blätter, die den Waldboden mit der feuchten, fruchtbaren Erde bedeckten, die Farnwedel, deren sanfte Blätter man auch nur bei der leisesten Berührung zu spüren vermocht hatte und das fast lautlose Aufeinanderreiben der Kieselsteine, wenn Minou seine Krallen in die weiche Erde gebohrt hatte würde Minou sehr vermissen. In der kargen, eintönigen Berglandschaft, wo sein Rudel lebte, würde er Nächte damit verbringen, an die Energie und die Freude zu denken, die ihn stets durchströmt hatte, wenn sein schneeweißes Fell einen der Farnwedel gestreift und die winzigen, kühlen Tautropfen abgefangen hatte. "Jetzt geht es wieder nach Hause", riss ihn Yakishi plötzlich aus seinen Gedanken. "Ich werde alles sehr vermissen." "Dies war mein erster Besuch in einem Wald.", murmelte Yakishi und ließ den Kopf sinken. Als Minou sich gerade durch die stachelbesetzten Verzweigungen eines Dornenwalls zwängen wollte, ertönte hinter ihm und Yakishi eine laute Stimme, schrill und durchdringend: "Wartet!" "Lerchenauge?", murmelte Minou und fuhr herum. Die alte Kräuterfähe, die ihm einst das Leben gerettet hatte, starrte ihn an. Minou versuchte, das stets unverkennbare fröhliche Leuchten in ihren Augen zu sehen, aber es war erloschen. "Was ist los?", erkundigte er sich und tat einen Schritt auf die Kräuterfähe zu, welche den Kopf sinken ließ. "Es ist nur so, dass ich euch sehr vermissen werde. Ihr beide seid mir während eures Aufenthalts sehr ans Herz gewachsen. Ich habe wirklich alles für dich getan, als..." Sie stockte, als Minou sich auf die Pfoten sinken ließ und murmelte: "Ich bin mir über jenes im Klaren, Lerchenauge. Ich weiß auch, dass es nicht Yakishi alleine war, die mir das Leben gerettet hat. Nachdem das Fuchsrudel den Wölfen ihren Dank versichert und eine Abschiedsze-remonie abgehalten hatten, waren Minou und Yakishi auf dem Rückweg- zum Metunga-Rudel. Der Abhang, wo Minou vor all den Zeiten hinabgestürzt war, erstreckte sich hoch über ihren Köpfen. Er war nicht ganz so steil wie Minou ihn in Erinnerung gehabt hatte, es würde ihnen also ermöglicht sein, zu klettern. "Denkst du, wir werden es schaffen?", fragte Yakishi mit vor Anstrengung bebender Stimme. "Der Rückweg hat uns sehr zu schaffen gemacht und ich habe seitdem nichts gegessen. " "Dann werden wir, bevor wir hinaufklettern, noch versuchen ein paar Fische zu fangen." "Wir werden hineinfallen und ertrinken.", meinte Yakishi, doch Minou schüttelte den Kopf, während er mit der Pfote einen kleinen, runden Stein ins Wasser rollte. Die sprudelnden Fluten trieben ihn sofort davon und schließlich war der pfotengroße Stein nur noch als winziger Punkt in den tosenden Wellen zu erkennen. In einer der für Wölfe schultertiefen Buchten, die das kiesbedeckte Ufer des Flusses eindrückten, bewegte sich eine silbern schimmernde Gestalt geschmeidig zwischen den Felsbrocken hindurch : Ein Fisch. Minou holte mit der Pfote aus und schmiss den Fisch in hohem Bogen aus dem Wasser. Einige Wassertropfen kullerten noch an dem durch die Luft fliegenden Körper herab, bevor dieser auf einem der Gesteinsbrocken landete und sofort reglos liegen blieb. "Guter Fang", rief Yakishi, doch ihre Stimme ging zusammen mit dem Rauschen des Wassers unter. Sofort biss die junge Wölfin den toten Fisch in zwei Hälften und warf Minou eine zu. Der Halbwolf hielt die Fischhälfte geschickt mit einer Pfote fest, kurz bevor die Nahrung in die Fluten gerissen werden konnte. Er senkte den Kopf und biss gierig ein großes Stück aus dem Fisch heraus, aus den Augenwinkeln sah er, wie Yakishi ihre Hälfte innerhalb eines Augenblicks verschlang. Nachdem er seine Beute verzehrt hatte, ließ er sich neben Yakishi auf die harten Steine sinken. Seine Wunden, die der Erdrutsch ihm hinzugefügt hatte, brannten noch immer, doch Minou versuchte, den Schmerz zu ignorieren. "Ich bin froh, dass wir es beide lebend zu unserem Rudel zurückgeschafft haben", murmelte Minou, doch Yakishi schüttelte den Kopf: "Wenn wir jetzt beim Klettern sterben, dann hat sich der Weg nicht gelohnt." Sie stockte und starrte wie gebannt auf einen weit entfernten Punkt am Horizont. "Ich wollte dir nur noch einmal sagen, dass...." "Was?" "Es tut mir leid, was ich damals gesagt habe. Es war falsch und ich weiß, dass ich dich mit diesen Worten verletzt habe." "Ich habe dir schon lange verziehen. Du hast mir das Leben gerettet, und das werde ich dir nie vergessen." "Lass uns gehn. ", murmelte Yakishi schließlich und streifte mit ihrem buschigen Schwanz Minous Schulter. "Es wird schwer werden, dort hinaufzuklettern." "Dort drüben ist ein besserer Platz zum Klettern!", rief Minou aus und rannte das Ufer entlang. Bei einem tieferen Abhang mit mehreren Vorsprüngen und verdorrten Bäumen, die ihre Wurzeln unter den Gesteinsmassen geschlagen und schließlich von den ständigen Steinschlägen und Erdrutschen zertrümmert worden waren, machte der Halbwolf halt. Kleine, sandkornähnliche Kieselsteine, welche sich bei jedem Schritt Minous von der Felswand lösten, bohrten sich in die Pfoten des Halbwolfes, welcher jedoch versuchte, das unangenehme Scheuern unter seinen Pfoten zu ignorieren. Yakishi schüttelte gelegentlich die Pfote, wenn sie mit den Hinterläufen auf einem der aus der Felswand hervorstehenden Felsen Halt finden konnte, doch auch sie ließ sich ihre Erschöpfung nicht anmerken. "Ist alles in Ordnung?", rief Minou ihr zu, dessen Stimme in dem Rauschen des fließenden Gewässers unterging, Yakishi schien seine Worte jedoch noch vernommen zu haben, denn sie antwortete: "Die Kieselsteine stören, aber ich würde mich nie aufgrund ihrer von unserem Ziel abbringen lassen." Tiefe Entschlossenheit lag in ihrer Stimme und funkelte wie Silber in ihren zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen. Die Gischt des reißenden Wassers, welche Minou durch ihre Kälte neue Kraft spendete, gab dem Halbwolf ein angenehmes Gefühl von Triumph, der ihm Bilder der vergangenen Zeiten ins Gedächtnis rief. Seine Frage war geklärt, zwar nicht auf die Weise, wie Minou es geglaubt hatte, aber er wusste nun, wer er war. Er war Minou, ein Halbwolf, der mit seiner selbst nicht hätte zufriedener sein können. Es war ihm möglich gewesen, eine Bärenrotte aus ihrem Territorium zu vertreiben, er hatte den Mut bewiesen, sich den Tieren zu stellen und nun hatte er den Weg zu seinem Rudel zurückgeschafft. "Minou?" riss Yakishi den Halbwolf, welcher unbeweglich auf einem Felsvorsprung stand und den Blick auf den Horizont gerichtet hielt, aus seinen Gedanken. "Ich komme", murmelte der und kletterte weiter. Es würde ihn nicht mehr als fünf Fuchslängen kosten, dann würde er wieder das Lager des Metunga-Rudels vor sich sehn. Ist das möglich?,dachte Minou und schien die Verwunderung in seinem Innern erst jetzt zu spüren. vor wenigen Stunden habe ich dieses Gebirge hier nur als kargen Streifen am Horizont wahrgenommen. Nun bin ich hier!
In Minous geweiteten Augen spiegelte sich die Silhouette des alten Baumes, der seine Wurzeln auf einem porösen Gesteinsbrocken mitten im Herzen des Metunga-Rudels geschlagen hatte, und er stieß einen Zischlaut aus. "Yakishi", murmelte er und sein Blick blieb an jener Anhöhe über der Höhle des Alphapaars hängen, die ihm damals zu seinem Schiksal verholfen hatte, "wir sind zurück". "Was mögen die anderen denken?", fragte Yakishi und trat neben Minou, der wisperte: "Wir werden zuerst zu Ronum und Karusha gehn. Es wäre nicht angebracht, einfach so in ihre Höhle hineinzuplatzen." "Wie stellst du dir das denn vor?", fragte Yakishi, in deren Stimme ein leicht misstrauischer Tonfall lag. "Wir können doch nicht einfach zu ihnen gehn und sagen: "Wir sind wieder zurück und wollen uns nun hier vollfressen". Denkst du, sie wären dann so begeistert?" "Yakishi, du bist ihre Tochter!", antwortete Minou und strich der Wölfin mit dem Schwanz über die Schulter. "Dir werden sie es verzeihen, dass du dir blos Sorgen um mich gemacht hast und aufgrund dessen losgezogen bist". "Schnappt sie!", ertönte plötzlich ein Warnschrei hinter ihnen, laut und voller Wut. Minou spürte noch, wie sich messerscharfe Zähne in seinen Nacken gruben und er krümmte sich, in der Hoffnung, seinen Gegner abzuschütteln. "Yakishi!", jaulte er, "Wir werden angegriffen!" Als er herumfuhr, um den ihn zu Boden pressenden Wolf mit den ausgefahrenen Krallen zu bearbeiten, erstarrte er und zog die Krallen ein. Seine Augen blickten direkt in die vor Wut aufgerissenen von Ronum, der ihn mit festem Griff am Boden festhielt. "Was geht hier vor?", keuchte Minou, versuchte jedoch nicht, sich gegen seinen Alphawolf zur Wehr zu setzen. Dieser fletschte die Zähne und antwortete: "Stell dich nicht dumm, du Verräter!", keifte Ronum und versetzte Minou einen gewaltigen Hieb. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst!" "Du hast Karusha getötet!" Minou riss die Augen auf. Dann hatte Karusha ihren Wunsch, sich dem Karshim-Rudel anzuschließen, verwirklicht. Doch wie konnte Ronum glauben, Minou habe sie getötet? "Karusha ist nicht tot!", keuchte Minou und stieß Ronum mit den Hinterläufen weg. "Sie hat sich dem Karshim-Rudel angeschlossen!" Ronum rannte auf Minou zu und stieß den Halbwolf gegen einen Felsen. Minou spürte eine tiefe Schwärze in seinem Kopf, als er gegen den Stein prallte, doch er stand auf und stellte sich Ronum mit gesträubtem Pelz entgegen. "Wie kannst du es wagen, Karusha des Verrats zu bezichtigen?", keifte er und tat einen Schritt auf Karusha zu. "Der ware Verräter hier bist du!" "Das ist nicht war!", ertönte plötzlich Yakishis Stimme hinter Ronum. "Ich habe es damals gesehn!", fuhr sie fort und rannte auf Ronum und Minou zu, zwischen welchen sich eine riesige Mauer der Feindseligkeit auftat. "Ich habe gesehn, wie Karusha sich zu dem Karshim- Rudel geschlichen hat, um sich dort mit Klammun zu treffen!" "Ich will alles hören, was du zu sagen hast, Yakishi!", murmelte Ronum, um den sich wenig später einige Wölfe scharten. "Ihre Jungen waren von Klammun!", hob Yakishi an, "Sie wollte nicht, dass es jemand erfährt." "Und ich habe gehört, dass sie mit Klammun durchbrennen will!", warf Minou ein. "Es wurde mir mehrmals berichtet, dass du, Minou, dich in die Richtung des Karshim- Rudels geschlichen hast. Und du, Yakishi, hast dich ihm angeschlossen!" "Dann suche im Karshim-Rudel nach Karusha!", bat Yakishi, wurde jedoch von einem kräftigen Wolf festgehalten. "Ich brauche nicht nach einer Frage zu suchen, die für mich beantwortet ist", fuhr Ronum fort und hielt den Blick steif auf seine sich windende Tochter gerichtet. "Bitte! Du musst mir glauben!", keifte Yakishi, während sie verzweifelt sich loszureißen suchte. "Ich hätte nie gedacht, dass meine eigene Tochter mich hintergehen würde. Ich habe nun genug gehört. Du, Minou, ", er durchbohrte Minou mit seinen funkelnden, grünen Augen, als er sprach: "hast mich nie enttäuscht. Du warst ein guter Jäger, mutig, schnell und klug. Doch du hast gegen das Gesetz verstoßen, indem du dein Rudel verraten hast. Es fällt mir in diesem Augenblick sehr schwer, da Yakishi meine Tochter ist, aber ihr habt das Gesetz und die Regeln Verunas nicht respektiert. Die Göttin der Wölfe möge euch aus ihrem Schutz verbannen und für immer in die schwarzen Welten des Bösen einkehren lassen. Mit diesen Worten, die ich hier vor Veruna gesprochen habe, verurteile ich euch beide zur Verbannung". "Nein! Das darfst du nicht!!!", schrie Yakishi, doch ihre Stimme wurde von dem durchdringenden Grollen eines Donnerschlages übertönt. Alle Wölfe spitzten die Ohren und blickten wie gebannt in den Himmel, doch Minou ließ den Kopf sinken. Das kann nicht wahr sein! Wie auf ein lautloses Stichwort schlug ein Blitz direkt vor Minous Pfoten in den Boden ein, der Halbwolf schreckte mit gesträubtem Fell zurück, als der grelle Blitz die Steine aufwirbelte und eine lange Kerbe in den Boden riss- direkt zwischen Minou und Ronum. Schwarzer Regen troff wie eine Blutlache vom wolkenüberzogenen Himmel und füllte die Kerbe mit schwarzem Wasser, bis das Rinnsal sich ausbreitete und jeden Wolf zu umkreisen schien. "Ronum!", rief Yakishi aus und hob die Pfote. "Dies ist ein Zeichen Verunas! Du darfst uns nicht verbannen!" "Gebt uns noch eine Chance!", flehte Minou, während er sich auf die Pfoten sinken ließ. "Verbannung", rief der Alphawolf noch einmal. Wieder zerriss ein gewaltiger Donnerschlag die Luft, welcher dann zusammen mit dem bösartigen Jaulen der Wölfe unterging: "Verbannung!" "Wir sollten diese Verräter gleich umbringen!", übertönte eine laut jaulende Stimme die der anderen Wölfe, unter denen sich aufgeregtes Murmeln erhob. Minou konnte einzelne Stimmen wahrnehmen, hauptsächlich wütende, teils jedoch unsichere und erschütterte. "Minou!", fiepste plötzlich eine verzweifelte Stimme, als ein kleines Fellbündel auf Minou zurannte und den kleinen Kopf an der Flanke des Halbwolfs rieb. "Ceram", murmelte Minou und ließ den Kopf sinken. "Minou, es tut mir leid! Ich wollte nie, dass dir so etwas zustößt! Ich... Ich weiß nicht, wie...." Minou strich dem jungen Wolf tröstend mit dem Schwanz über die Schulter, doch dieser war von Trauer übermannt. "Ich werde dich vermissen, Ceram", wisperte Minou und leckte das Junge behutsam zwischen den Ohren. "Haut schon ab!",unterbrach ihn das wütende Jaulen der Wölfe, deren markerschütternde Schreie die feuchte Luft zerrissen. Hinter einem niedrigen Stein verbarg sich eine schlanke, verstohlen dreinblickende Gestalt, die Minou und Yakishi mit ihren funkelnden Augen durchbohrte. "Minou, jetzt habe ich gewonnen!" Shiruma fuhr herum und verschwand schließlich in den nachtschwarzen Schatten der Höhle. Yakishi zog den buschigen Schwanz ein und fletschte noch einmal die Zähne vor ihrem Vater, ehe sie aufsprang um wenig später zusammen mit Minou aus den feindseligen Blicken der Wölfe verschwunden zu sein. Laute Pfotenschritte verrieten das Näherkommen der Wölfe, welche hinter Minou und Yakishi herjagten. Einer der Wölfe schnappte nach Minous Hinterläufen; Minou fuhr mit gefletschten Zähnen herum und erblickte Shiruma, der ihn mit höhnischem Grinsen anstarrte. "Du!", keifte Minou und versetzte dem Wolf einen gewaltigen Hieb über der Schnauze. Shiruma schrie auf vor Wut denn ein Fluss aus schwarzem Blut troff aus der Wunde hervor. "Das ist alles deine Schuld!" Mit diesen Worten drehte Minou sich um und rannte hinter Yakishi her, die bald in den Schatten der Felswände verschwunden war. Yakishis ängstliches Schnauben verklang schließlich zusammen mit dem wütenden Jaulen und den Pfotenschritten der Metunga-Wölfe. "Was ist hier bloß geschehn?", fragte Yakishi, welche sich neben Minou in einer geräumigen Höhle niedergelassen hatte. "Ich weiß es nicht", murmelte Minou und rieb tröstend seinen Kopf an dem Yakishis. "Aber woher wusstest du von deiner Mutter und Klammun?" "Ich habe sie ebenfalls einmal beobachtet. Ich habe es niemandem gesagt, weil ich Angst hatte, dass meine Mutter verbannt werden könnte." "Das kann dir kein Wolf zum Vorwurf machen, Yakishi. Jeder andere hätte wahrscheinlich das Gleiche getan." "Ich kann es nicht verstehn. Wie nur ist es ihr gelungen, dass kein anderer Wolf es herausbekommen hat?" "Ich weiß es nicht", gab Minou zu, "Es war alles sehr verworren. Außerdem hat sie sehr unvorsichtig gehandelt. Stell dir vor, sie berichtete mir einst, dass ihre Jungen wahrscheinlich nicht von Ronum stammten!" "Was?!", schrie Yakishi und sprang auf. "Sie hat es dir anvertraut? Und mir, ihrer Tochter, nicht?" "Es tut mir leid, Yakishi", krächzte Minou und tat einen Schritt zurück, so als glaube er, Yakishi würde ihm die Schuld für Karushas Verhalten geben. "Es ist nicht deine Schuld, Minou. Hat sie denn noch mehr gesagt?" "Nur dass du....", begann Minou, doch er stockte. Seine Gedanken schienen sich völlig zu überschlagen und ihm wurde schwarz vor Augen. War er gerade dabei, Yakishi alles zu berichten, was Karusha ihm einst erzählt hatte? "Was?", hakte die Wölfin nach und schob sich näher an Minou heran. "Nichts. Es ist schon gut." "Was sollen wir jetzt tun? Uns einem neuen Rudel anschließen?" "Nein!", antwortete Minou. "Am besten, wir gehen nun unsere eigenen Wege. Wenn Bären, die eigentlich Einzelgänger sind, zu fünft in einer Höhle leben können, dann ist es uns auch ermöglicht, alleine zu leben." "Nur wir beide? " "Ich denke, ja. Es sei denn, wir gabeln noch ein paar verstoßene Wölfe oder so auf und gründen dann ein neues Rudel.", sagte Minou, erhielt jedoch keine Antwort mehr von Yakishi. Diese rollte mit der Pfote einen rundlichen Stein über den Boden, ihre Augen schienen an das Objekt gebunden zu sein. "Du vermisst deine Eltern?", fragte Minou, ohne eine wirkliche Antwort von Yakishi zu erwarten. "Wir müssen stark bleiben", versuchte Minou der jungen Wölfin einzureden, doch diese wendete den Blick nicht von dem Stein ab. "Sonst werden wir von Jägern zu Gejagten", fuhr Minou vorsichtig fort und blickte Yakishi eindringlich an, "Wir könnten auch ganz weit weg laufen, hinter den Wald der Füchse, hinter die Berge, die sich dort in der Ferne erstrecken- nur weg vom Metunga-Rudel. Wir dürfen nicht aufgeben." "Irgendwann will ich mich rächen!", seufzte Yakishi und fuhr auf. "Sie haben ihre eigene Tochter verbannt. Könntest du das ihnen an meiner Stelle je verzeihen?" "Ich weiß es nicht". Eine scheinbar zeitlose Stille legte sich über Minou und Yakishi, doch irgendwie konnte Minou einen Klang in dieser Stille wahrnehmen- den Klang der Entschlossenheit. "Wir dürfen uns nicht geschlagen geben!" Er sprang auf die Pfoten und reckte triumphierend den Kopf. "Morgen, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, werden wir aufbrechen, um ein neues Rudel zu gründen. Dies wird eine lange Reise, Yakishi." Minou atmete tief durch und knetete mit den Krallen die Moosbüschel, die ihn unter den Pfoten kitzelten, "Bereite dich vor!"
Tag der Veröffentlichung: 12.02.2012
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