A new community- a new family
Es war ein ganz normaler Tag, jedenfalls fing er ganz normal an. Cyra ging wie jeden Morgen, gleich nachdem sie aufgestanden und sich fertig gemacht hatte, zur Bäckerei und begrüßte Karin freundlich. Sie aß mit ihr Frühstück und warf sich dann in ihre Schürze, ehe sie mit Karin zusammen backte. Dann wurden die neuen Brötchen und Kuchen in die Ablage gelegt, Sandwiches belegt und ebenfalls ausgelegt, als schon die ersten Kunden kamen, um fürs Frühstück Brötchen zu bestellen. Cyra ruhte sich abwechselnd vom kurzen Schlaf aus und tauschte mit Karin hinter der Theke die Plätze. Oder sie half ihr, wenn der Kundenandrang größer wurde. Nach der Mittagspause, in der es leckere Wurstsuppe mit Brötchen gab, kamen auch schon viele Besucher fürs Café und Cyra spielte ihre eigentliche Rolle als Kellnerin. Sie brachte Kaffee, Kuchen, manchmal auch Eis oder eben in den seltensten Fällen Suppe.
Karin und Cyra hatten sich neue Kleidung zugelegt für die Bäckerei, um in etwa gleich und wie ein Team auszusehen. Beide hatten eine weiße Bluse mit Puffärmelchen an und einen weißen langen Rock. Dazu eine rote Rose an die Brust geklemmt, das Wahrzeichen der Bäckerei. Außerdem hatten sie natürlich eine Schürze an, ebenfalls in Rot. Cyras Verhältnis zu den Gästen war zwiegespalten. Es gab viele die mehrmals kamen. Die einen waren nett, die anderen manchmal ziemlich aufdringlich. Es gab schon ein paar ältere Männer, die ab und zu unter Cyras Rock griffen oder sie anders belästigten. Diese jedoch kamen meist nicht wieder.
Heute war wieder so ein Typ anwesend. Sie bewirtete einen etwas jüngeren, angetrunkenen Herren mit schwarzen kurzen Struppelhaaren und blauen Augen. Diese waren andauernd auf Cyras Arsch gerichtet. Der Herr gluckste andauernd angeheitert und schweinisch, wenn sich Cyra wieder umdrehte und er einen Blick auf ihren Hintern erhaschen konnte. Es war gegen 16 Uhr und der Herr war wohl gerade erst „aufgewacht“, wenn er denn überhaupt geschlafen hatte und nicht nur gerade seine Party vorbei war. Als sie mit einem Kaffee wiederkam, grub er sie an , packte ihren Arsch und gluckste erneut. „Na meine hübsche~“ Ein widerlicher Geruch stieg Cyra aus seinem Maul entgegen, als der Mann diesen aufriss. Sie quiekte erschrocken auf und ihr Tablett fiel auf den Boden. Karin sah hingegen alarmiert auf. Sie schaute ziemlich böse. Sie hasste solche Leute und auf alle Fälle hasste sie Alkohol. Doch sie musste nichts machen, denn Cyra hatte dem Mann schon eine Ohrfeige verpasst und sich aus seinem Griff befreit. Der Mann gluckste nur wieder. „Ist ja gut, ich wollte doch nur~“- „Sparen Sie sich das! Und bitte, beeilen sie sich, die Leute fühlen sich belästigt!“, meinte sie leicht steif und entfernte sich von dem Mann, um sich um andere Leute zu kümmern. Der Mann nippte an seinem Kaffee und konnte den Blick immer noch nicht von Cyra abwenden. Er steckte sich eine Zigarette an, ehe Cyra ihn erneut ermahnte. „Hören Sie- Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Rauchen hier verboten ist – Seien Sie fair ihrer Mitmenschen gegenüber und rauchen sie draußen!“ Cyra lies ihm einen Moment Zeit, doch der Typ zuckte nur mit den Schultern und rauchte weiter. Cyra wechselte ein paar vielsagende Blicke mit Karin. Sie wussten schon, was sie von solchen Leuten hielten und was sie mit ihnen taten. Wortlos nahm Karin einen Knüppel, der unter der Theke lag. Cyra sah zum Gast hin. „Ich muss sie bitten, das Café und die Bäckerei zu verlassen! Passen Sie auf, dass Sie kein Hausverbot bekommen. Ich warne Sie- ich kann auch die Polizei rufen.“ Als der Mann wieder nur gluckste und sich auch noch herausnahm, Cyra als 'Schlampe' zu bezeichnen, kam Karin mit dem Knüppel hervor und ging auf den Mann zu. Dieser stand auf sich und hob abwehrend die Hände. „Ich warne Sie-“ Karins Stimme war drohend und ernst und vor allem überzeugend. Karin war immer überzeugend. Sie war eine starke Persönlichkeit, das war Cyra schon oft aufgefallen. Vermutlich kannte sie solche Gäste zu tausenden. „Ist ja gut...“- „Nichts ist gut!“, schrie Karin nun und trieb den Mann nach draußen, schmiss ihn raus und knallte die Tür hinter ihm zu. Aber das reichte ihr noch nicht. Ihr waren noch mehr Männer aufgefallen, die zumindest einen unzüchtigen Blick auf Cyra geworfen hatten. „Will noch jemand?“ Die Leute schüttelten den Kopf. Karins Blick wechselte nun von ernst zu betont grauenerregend freundlich. „Dann ist gut.“ Sie verschwand wieder hinter der Theke und steckte den Knüppel zurück. Die Stammgäste würden bleiben, trotz des Vorfalls. Einige der neuen Gäste vermutlich nicht, besonders die Männer. Aber das war egal. Karin hatte genug Geld und genug Gäste und so einen wie eben würde sie sich auf keinen Fall aufzwingen lassen.
Cyra ging ihrer Arbeit weiter nach. Nach einem langen Tag, aßen die beiden noch Abendbrot und Cyra putzte das Café und die Theke, während Karin hinten ordentlich machte und alles in die dafür vorbestimmten Behälter tat. Nach getaner Arbeit legte Cyra die Schürze ab und zog sich um. Sie nahm noch ein paar belegte Sandwichs für ihre Mieter zuhause mit. „Bis Morgen dann Karin.“, meinte sie freundlich und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange. Karin lächelte. „Bis dann. Wir sehen uns dann wie immer um 3 Uhr.“ Cyra nickte. Dann prüfte sie noch , ob ihre Straßenschuhe fest saßen und trat dann heraus ins Freie.
Die Sonne ging gerade unter. Ihr Blick fiel auf die fast leere Straße. Nur ein Mann war gerade an der Tür der Bäckerei vorbeigekommen und sie sah ihm nach. Er war ein relativ junger, kleiner Mann um die 1,60m groß. Mit braunen, struppeligen Haaren und abgetragenen Klamotten. Cyra blinzelte. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Noch einmal blinzelte sie, dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das war der
Mann. Der Mann, der sie vor wenigen Wochen noch verfolgt hatte. Der, vor dem sie weggerannt und dann vor Karins Bäckerei gelandet war. War es Zufall, dass sie ihm gerade hier begegnete? Beobachtete er sie immernoch? Aber das war alles doch etwas sehr auffällig, wie er an ihr vorbeiging. Sie glaubte nicht, dass er wegen ihr hier war. Sie wurde neugierig, was er überhaupt von ihr gewollt hatte und sie war etwas mutiger geworden, seit letztes Mal. Nun, zumindest war sie ein klein wenig mutiger geworden. Und nun war sie doch eindeutig im Vorteil? Nicht er beobachtete sie- sie beobachtete ihn! Der Gedanke gefiel ihr. Ein zufriedenes Lächeln trat auf ihr Gesicht. Vielleicht könnte sie so etwas Rache üben, dafür, dass er ihr gefolgt war und sie ausspioniert hatte?
Der Mann bog ab – Cyra hastete hinterher. Sie folgte ihm ab da an langsam und versteckte sich ziemlich gut bei jeder Ecke, die sie fand. Und der Mann war anscheinend so mit sich selbst beschäftigt und in Gedanken, dass er sie garnicht zu bemerkte. Vielleicht war es genau das, was Cyra zum Verhängnis würde.
Cyra und der Mann kamen in dunklere Ecken, leere Straßen und vor allem verwinkelte Nebenstraßen. Sie gingen durch eine enge Gasse, ehe der Mann an einer Art Lichtung in einen ziemlich großen Hinterhof gelangt war. Inzwischen war es dunkel geworden. Im Licht der Straßenlampe standen zwei Männer. Sie waren nur ein wenig größer als der andere Mann, dem Cyra gefolgt war. Der eine hatte blonde, der dritte auch braune Haare. Der Blonde hatte eine Lederjacke an, mit der er sich anscheinend cool fühlte, ein zerrissenes Shirt und eine ebenso zerrissene, blaue Jeans. Cyra rollte die Augen. Der Mann rauchte und war der größte von allen dreien. Er gefiel ihr am wenigsten, vielleicht weil er etwas sehr bedrohliches an sich hatte.
Der andere Braunhaarige sah etwas verschwitzt aus. Seine braunen Haare gingen bis zu den Schultern und klebten leicht in seinem Nacken. Sein Shirt war eindeutig zu kurz, denn es klebte knapp über seinem Bauchnabel, weiß wie es war, an der Brust fest. Unten schauten Haare und sein dicker Bauch heraus. Seine Hose verdeckte nur halb seine dicken fettigen Arschbacken und endete schon an den Knien, damit man auch ja die dicken Unterschenkel vom Mann, die ebenso ziemlich behaart waren, sehen konnte. Er trug Sandaletten. Cyra rümpfte die Nase. Sie konnte seinen Geruch schon bis hier her riechen, oder ihn sich zumindest gut vorstellen. Ihr kleines Zielobjekt war ja nichts dagegen. Gegen die beiden anderen Männer war er noch erträglich. Das Licht der Straßenlaterne, indem die Männer standen, hatte die Angewohnheit zu flackern. Ab und zu wurden die Männer beleuchtet, dann wieder nicht.
Die Männer redeten. Doch es war Cyra unverständlich. Sie konnte nur ihre Lippenbewegungen sehen und sie redeten auch nicht viel.
Cyras junges Zielobjekt sah aufmerksam und etwas ängstlich zum Blondhaarigen auf. „Und wie ist die Übergabe gelaufen, Black Panther?“, fragte er den Mann. Dieser lachte. „Du musst mich nicht so nennen, Lim. Nenn` mich einfach Boss.“ Der dicke Mann nickte. „Er hat mir gerade davon erzählt. Sie ist gut gelaufen und das Geschäft mit dem Präsidenten wird super laufen. Außerdem haben wir den Plan nochmal durchgesprochen. Weißt du, Lim, das ist so...“ Plötzlich klirrte etwas. Die Männer drehten ihre Köpfte ruckartig dahin, woher Lim gekommen war.
Cyra hatte die Männer angestrengt beobachtet. Sie hatte sich an die Wand gedrückt, um sie aus dem Dunkeln heraus ungestört zu beobachten. Doch dann hatte sich eine Katze von hinten an sie angeschlichen und sich plötzlich an ihre Beine geschmiegt.
Cyra, von Natur aus schreckhaft, war aufgefahren und gestolpert. Sie war über eine Tonne gefallen und direkt in der Lichtung gelandet. Kurz war das Licht ausgegangen. Doch wie eine Anakonda zischend ging es wieder an und beleuchtete Cyras Antlitz. Sie schien fast im Licht zu glänzen. Ihr Blick traf sich mit denen von den Männern. Der Blonde sah sie scharf an. Er hatte schon nach der Waffe gegriffen. Sie blitzte auf und Cyra war nach einem kurzem Schockmoment wieder klar. So schnell wie möglich lies sie ihre Tasche fallen, in der die Sandwiches waren, stand auf und rannte.
„Hinterher!“ Die Stimme von Black Panther zog scharf durch die dunkle, stille Nacht. Der dicke Mann rannte sofort, wenn auch keuchend, den Jungen Lim hielt der Blonde kurz am Arm fest.
„Das war doch Cyra? Solltest du sie nicht spionieren und nicht umgekehrt?“ Seine Stimme klang streng und vor allem todernst. Die Augen des Blonden funkelten gefährlich. „Es-Es tut mir leid, I-Ich hatte sie schon vor kurzem verloren – und nun...“ Der Mann schüttelte den Kopf, ehe er dem Jungen eine schallende Ohrfeige verpasste. „Wie haben dir die einfachste Aufgabe gegeben und du? Es gibt nur einen Weg, wie du das wieder gutmachen kannst. Bring sie her - Tod oder Lebendig!“ Der Junge starrte Black Panther erschrocken an. „Aber... der Boss...“ Eine weitere Ohrfeige folgte. „Ich bin jetzt in diesem Moment dein Boss. Die da oben, die lass´ mal meine Sorge sein. Bis jetzt wusste Cyra nichts, aber wir wissen nicht, was sie mit angehört hatte. Wir können sie nicht am Leben lassen. Das werden auch die da oben einsehen – Los, geh!“ Der Junge lief, so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Den dicken Mann einzuholen war gar kein Problem.
Black Panther seufzte. Er rauchte zu Ende, pustete angespannt den Rauch aus, ehe seine Hand leicht zitternd zum Telefon griff, um 'Die da oben'
anzurufen. Vermutlich hatte heute eh ihr letztes Stündchen geschlagen. Verdammt, wieso musste so etwas auch jetzt passieren? Gerade hatte alles noch so erfolgreich ausgesehen... Er rief an und hatte das ungute Gefühl, dass sie für dieses Missgeschick nicht ungeschoren davon kommen würden...
Cyra rannte, sie rannte um ihr Leben. Ihre Lunge brannte und ihre Beine wollten nicht mehr. Doch sie mussten – Cyra wollte nicht sterben. Tränen rannen ihr vor Angst die Wangen hinab. Aber sie war nicht die einzigste, die um ihr Leben rannte. Heute nacht würde wohl keiner aufgeben wollen. Sie alle rannten um ihr Leben, nicht nur Cyra allein.
Nach langem Laufen, um viele Ecken und durch viele Straßen, kam Cyra an einer Sackgasse an. Sie schnaufte erschöpft aus und starrte die Mauer vor sich an. Im grellen Licht stehend, wand sie sich um und ging langsam rückwärts auf die Wand zu. Dort hinten sah sie den Jungen gerade in die Straße rennen und mit etwas Abstand dahinter den dicken Mann. Sie stieß gerade mit ihrem Rücken an die Wand, als der Junge bei ihr angekommen war. Er hob die Waffe und zielte auf ihre Stirn. Seine Hand zitterte. Aber das war nichts, gegen das Beben, dass durch Cyras Körper fuhr. Angsterfüllt sah sie ihn an und heiße Tränen liefen mit Schweiß gemischt ihre Wangen hinab. Sie hatte Todesangst. Es war schlimmer als Zuhause. Erstens, weil sie sich an das ruhige Leben hier gewöhnt hatte. Und zweitens, weil sie zuhause niemals direkt das Ziel der Pistole gewesen war. Der Junge war nervös und ebenso nervös lächelte er. „Es tut mir leid, du hättest mir wohl nicht folgen sollen.“
Sekunden später erklang ein lauter Knall. Die Kugel hatte sich aus der Pistole gelöst und war auf sie zugeflogen. Cyra schrie- ein letzter Schrei. Letzte Gedanken fuhren durch ihren Kopf. Sie würde sterben
. Verzweifelt schloss sie die Augen. Was für ein schrecklich unnützer Tod. Und den Tod ihrer Eltern würde sie auch nie aufklären. Vielleicht würde sie sie im Himmel, oder wer wusste es, vielleicht in der Hölle wiedersehen. Wenn es denn so etwas gab. Ansonsten würde sie einfach nur weg sein. Nichts mehr miterleben. Sie hatte Angst, furchtbare Angst vor ihrem Tode.
Blitzschnell flog die Kugel auf sie zu – auf die Pistole des Jungens. Sie traf zwischen der Hand und der Pistole auf und schleuderte die Waffe weg an die andere Wand, links von dem Jungen. Er schrie laut auf, nachdem Cyra einen Schrei getan hatte und hielt seine Hand. Cyras letzter Schrei und ihre letzten Gedanken vor ihrer Rettung hatten nur Sekunden gedauert. Jetzt waren sie verblasst. Es war nicht die Pistole des Jungen gewesen
. Sie blinzelte, konnte einfach an nichts mehr denken und schaute nur gefühllos vor Schock um sich. Rechts vom Jungen, auf der Mauer stehend, sah sie einen Mann. Er hatte blonde Haare und einen blonden, geflochtenen Bart. Triumphierend grinsend sah er zu ihr herunter, eine Zigarette im Mundwinkel und eine etwas größere Feuerwaffe auf seiner Schulter abgelegt.
Cyra war ziemlich ausgelaugt und schon durch ein paar Straßen und um ein paar Ecken gelaufen. Wo sollte sie hin? Direkt nach Hause? Dann würden sie ja wissen, wo sie das nächste mal nach ihr suchen durften... Sie seufzte. Teils, weil sie einfach aus der Puste war, andererseits, weil sie schon wieder die Verzweiflung übermannte. Sie sah kurz nach hinten und versteckte sich dann hinter der nächsten Ecke. Sie sah den Dicken, der schweißgebadet auf die Ecke zutrabte und den Jungen, wie er ihn gerade überholte – Sie musste schnell weiter. Es würde nicht lange dauern und dann würde der Junge hier ankommen.
Flechttom saß auf einer Mauer und sah sich die Beute von heute an. Neben seiner Arbeit in der Gruppe hatte er seine eigenen 'Dinger' gedreht. Er konnte es halt einfach nicht lassen. Grinsend fuhr er sich durch den geflochtenen Bart. „Hier kann man viel reicher werden, wir hätten viel früher aus unserer Einöde verschwinden sollen...“, überlegte er laut und schob sich einen Kaugummi herein, sowie das Geld in seine Arschtasche. Er wollte gerade von der hohen Mauer auf das nächste Hausdach steigen und dann herunter, als er unten etwas lang flitzen sah. Er stutzte. War das nicht diese Braut, die merkwürdigerweise niemand anrührte? Aber Moment, hinter ihr kamen gleich zwei weitere Personen. Ein Junge und etwas weiter entfernt ein sehr korpulenter Mann. Er kannte sie beide. Er war verwirrt und rief einfach mal den Boss an, um zu sehen, was er davon hielt. „Hey Rudilein~“, pfiff er am Telefon, als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete, und grinste. „Hast du angerufen um mich zu ärgern?“, fragte die andere Seite ziemlich gereizt. - „Ist ja gut Spätzchen, ich wollte dich nicht ärgern, aber ich bin gerade so gut drauf...“- „Hat das vielleicht etwas mit deinen anderweitigen Aktivitäten zu tun?“, fragte der Mann mit den Springerstiefeln an der anderen Seite und versuchte alle Nicknamen geflissentlich zu ignorieren. „Aber jetzt sag schon, warum rufst du wirklich an?“ Der Mann wusste, dass Tom nicht leichtfertig das Geld aus dem Fenster warf. Also würde er ihn auch nicht sinnlos ohne jeglichen Grund anrufen und damit Telefongeld verbrauchen. „Es geht um deine Liebste“- „Um wen bitte?“, fragte der Mann und verstand nicht, worauf Tom hinaus wollte. Der andere lachte nur kurz angebunden. „Vergiss es, war ein blöder Witz.“ Er versuchte sich wieder zu fangen. „Es geht um dieses Mädchen ... Du weißt schon Byni oder Gyra oder wie die hieß...“- „Wie kommst du darauf, dass das meine Liebste ist?“, fragte der Andere doch leicht verwirrt. „Naja weil du sie noch nicht erledigt hast.“- „Wieso sollte ich auch?“ Tom zuckte mit den Schultern. „Egal das können wir ja auch mal später klären, es eilt nämlich... Dieses Mädchen wird von unseren Gegnern verfolgt... sie sind bewaffnet und haben´s ziemlich eilig. Willst du sie retten?“, fragte er nun ganz lieb und wartete geduldig auf eine Antwort, ganz der Untergebene. Der Mann runzelte die Stirn. „Wieso sollten wir sie retten?“ Aber er überlegte doch noch etwas weiter. „Warte mal, wieso verfolgen sie sie gerade jetzt, früher haben sie das doch auch nicht getan?“ Tom grinste. Wie immer hatten sie die gleichen Gedankengänge. „Genau das hab ich mich auch gefragt!“, meinte er triumphierend. Der andere Mann nickte. Das war wirklich merkwürdig. „Rette sie... Es kann gut sein, dass sie keine andere Wahl haben, dass sie etwas erfahren hat, was uns nützlich sein könnte. Beeil´ dich, ich schicke noch ein paar Jungs hinterher.“
Da stand er also nun. Ihr Retter? Woher kam er? Sie hatte ihn noch nie gesehen. Der Junge jammerte laut und sah zu Tom auf. „W- Wer bist du?“, zischte er, die Gesichtszüge schmerzvoll verzogen. Von seiner Hand tropfte Blut. „Gestatten? Schlächter, Tom Schlächter.“ Er grinste immernoch breit, selbst dann noch, als der dicke Mann zu ihnen stieß und seine Waffe auf ihn richtete. „Bist du gewesen“, erklärte er und zeigte ihm seine grinsende Fratze, während er vor Schweiß triefte. Man hörte es klacken und um die 7 Waffen waren auf ihn gerichtet. Hinter ihm standen Toms Kameraden. Der Dicke und der Junge staunten nicht schlecht. „Ihr habt ja lange gebraucht“, erklärte Tom und sprang neben Cyra hinab. Er stand neben ihr und reichte ihr seine Hand. „Du brauchst mir nicht zu danken. Kommst du mit in Sicherheit?“ Cyra schlug seine Hand weg und schrie ihn an. „Fass mich nicht an!“ Sie hasste Waffen immernoch. Wer sagte ihr, dass dieser Mann ihr wohlgesinnter war als der Junge? Ihr Körper bebte weiterhin vor Angst. Er stutzte. „Mädchen – ich hab dir gerade das Leben gerettet? Uns so dankst du es mir? Naja vielleicht sind wir jetzt quit.“ Cyra hatte andere Probleme, als das sie sich fragen konnte, wieso sie quit waren. Tom dachte nur daran zurück, dass er ihr letztes Geld gestohlen hatte.
Cyra starrte vor sich hin. Was sollte sie tun? Um ihr waren 10 Männer und sie alle hatten Waffen dabei. Nun: Der Junge hatte sie verloren und der dicke Mann lies sie fallen, wegen der Gefahr, die von den anderen Männern ausging, und hob die Hände. Musste sie Tom und seinen Männern vertrauen? Würden die Anderen, die zu dem Jungen gehörten sie nicht vielleicht später weiter verfolgen?
Tom lächelte freundlich. „Komm schon Mädchen, sei nicht blöd: Du hast eh nur eine Wahl, geh mit uns mit, wir werden dich heil hier herausbringen.“ Sie sah zu ihm. Vielleicht hatte er Recht. Es war egal, wer von beiden sie umbrachte. Aber bei diesen Männern, die sie nicht kannte, fühlte sie sich doch erstmal sicherer. Wenn man hier überhaupt von Sicherheit sprechen konnte. Sie nickte und ging vorsichtig zu den 7 Männern herüber. Sie ließen sie durch und nahmen langsam die Waffen von den beiden Männern mit. Dann wandten sie sich um und machten mit Flechttom die Fliege. Er grinste den beiden zu. „Diesmal lassen wir euch noch gehen, mal sehen wie wir das nächste Mal drauf sind.“, lachte er und verschwand dann mit den anderen.
Die Auseinandersetzung war noch nicht ausgestanden. Die beiden zückten ihr Telefon und riefen Verstärkung, die dann auch bald kam.
Tom bildete die Nachhut, Cyra befand sich, umkreist von den 7 anderen Männern, vorne. Als er hinter ihnen Schritte vernahm, drehte sich Tom entnervt um. Hinter ihnen war eine Horde von 12 Männern, die hinter ihnen her waren. Vermutlich waren das alle anderen, die sich auf der Insel befanden.
Tom sah zu seinen Kumpanen hin, die nun auch stehen geblieben waren und dort hin blickten. „Macht euch nichts daraus, das erledige ich schon.“ Mit diesen Worten stürmte er lachend auf die Meute zu. Cyra sah zu den 7 Kerlen, die sie weiter schieben wollten. „Wird er das allein schaffen?“ Sie konnte sich das kaum vorstellen. „Ach, glaub´ uns, der hatte schon schwierigere Sachen zu meistern.“ Und damit zogen sie sie weiter, sodass Cyra nur kurz zurückblicken konnte und sah, wie die Leute immer kleiner wurden und schließlich verschwanden. Tom befand sich mitten im Gefecht. Sie wollte auch garnicht mehr zusehen, nachdem sie die ersten Bluttropfen erhascht hatte.
Tom stürzte sich in die Menge, mit einem breiten Grinsen im Gesicht und zwei Waffen im Anschlag. Er ballerte in die Menge, während er hindurchrannte. Ein Schuss streifte leicht seine Wange. Er wischte das Blut weg, das aus dem winzigen Kratzer an seiner Wange floss, landete mit einem Fuß auf dem boden und drehte sich auf der Fußspitze, sodass er wieder zur Menge blickte, die nun mit dem Rücken zu ihm stand. Wieder feuerte er Schüsse ab und traf die restlichen Personen mit Leichtigkeit.
Cyra war mit den Männern mitgelaufen und an einem verlassenen Haus angekommen. Sie lies sich hineinschieben und sah sich interessiert um. Das Haus war kurz vor dem Verfall und vermutlich kümmerte sich niemand mehr darum. Sie befand sich in einer großen Halle, die früher vermutlich zum Empfang gedient hatte. In den höheren Stockwerken glaubte sie ein paar Decken zum Liegen zu sehen und sogar einen Kühlschrank, der aber vermutlich keinen Strom hatte. Der Raum war gut erhellt, aber nur von zahlreichen Kerzen. Und dann sah sie vor sich einen Mann sitzen. Er hatte kurze schwarze Haare, ein nicht sehr gut rasiertes Kinn und abgetragene Klamotten. Darunter zählten eine schwarze Jacke und eine schwarze Jeans. Außerdem hatte er schwarze Springerstiefel an. Cyra blinzelte. Irgendwoher kannte sie diesen Mann doch... Sie schaute etwas zweifelnd. Der Mann lächelte, erhob sich jedoch nicht, sondern blieb in der gemütlichen Lage sitzen, in der er sich befand. Ein Bein war lang nach vorne gestreckt, das andere Bein war leicht angewinkelt und seine Hand ruhte darauf. Die Andere Hand ruhte auf einer Bierflasche, die neben ihm stand, jedoch noch gut voll war. „Was bist du so ruhig Cyra?“ Das Mädchen stutzte. Woher weiß hier jeder meinen Namen?
Sie fand das schon etwas merkwürdig. Hatte sie hier jeder ausspioniert? Würde sie sich jemals wieder allein und sicher fühlen und nicht so, als ob sie beobachtet und durchlasert würde?
„Was ist? Hast du nichts dazu zu sagen?“, fragte er und runzelte die Stirn. Er war etwas enttäuscht, das sie ihn nicht gleich wieder erkannte. Er dachte, er wäre markant genug, um nicht vergessen zu werden. „Hn..“ Er schnalzte mit der Zunge. „Vielleicht sollte ich dir erstmal ein paar Sachen erklären. Mein Name ist Kenneth. Ich bin der Chef dieser Bande hier. Und du wurdest von unseren beiden Partien beobachtet, niemand tat dir etwas. Dass sie dich jetzt verfolgen, muss heißen, dass du etwas mitgehört hast, was uns nützlich sein könnte. Richtig geschlussfolgert?“, fragte er, wartete aber auf keine Antwort. Cyra wollte widersprechen, sie wollte erklären, dass sie garnichts gehört hatte, dass sie zu viel zu spät gekommen war. „Ich-“ Doch sie wurde unterbrochen. „Gewiss. Du wirst uns so einfach nichts sagen oder? Na gut, ich werde dir die Sachen erzählen, die wir bisher herausgefunden hatten, auch was deine Eltern betrifft.“ Cyra schaute verblüfft auf und hatte leichte Hoffnung im Blick. Würde sie nun endlich alles erfahren, was ihre Eltern betraf? Sie schaute ernst, oder versuchte es zumindest. Jetzt hatte sie keine Ambitionen mehr Kenneth aufzuhalten und aufzuklären. Er war ja auch selbst Schuld, wenn er sie einfach so überging. „Zu erst einmal solltest du wissen, dass Fukou bestimmt nicht das ist, was du dachtest, dass er ist. Was war er bei euch in Übersee? Ein Student?“ Er lachte laut. „Fukou ist alles, aber nicht das. Die Wahrheit ist die: Er ist der Anführer deiner Verfolger.“ Cyra wollte nicht glauben, was sie da hörte. „Hör auf so von ihm zu reden! Fukou ist-“ Kenneth lächelte triumphierend. „Wieso bist du von ihm weggegangen? Du hast doch sicher gemerkt, dass irgendwas nicht mit ihm stimmt?“ Sein Gegenüber stockte. Cyra dachte daran, wie sie Fukous Waffen gefunden hatte, wie Chô gesagt hatte, dass die Polizei ihm Bescheid gegeben hätte, aber sie hatte nichts von dem erfahren. „Ich gehe doch richtig in der Annahme? Natürlich... Du musst dich damit abfinden: Dein langjähriger Freund ist hinterhältig und er war es, der deine Eltern in den Tod geschickt hat!“ Cyra schluckte. Das war nicht das, was sie hören wollte. Fukou hatte sie immer beschützt, er hatte sie 5 Jahre lang aufgezogen, nachdem ihre Eltern verschwunden waren. „W-Wer sagt mir, dass ihr nicht lügt?“ Kenneth lächelte nur. „Wieso sollten wir lügen? Weil du uns vertrauen sollst und uns sagen sollst, was du gehört hast? Denkst du das?“ Sein Lächeln wurde breiter, hatte aber etwas verachtendes. „Oder bist du so naiv, dass du das alles nicht wahr haben willst? Fukou ist nunmal nicht der liebe Kerl, den du meinst zu kennen. Er ist fies und gemein, so wie seine gesamte Sippe. Es ist sowieso seltsam, das er dich nicht schon längst getötet hat, vielleicht fand er es auch einfach nur zu auffällig.“
Er schüttelte den Kopf. „Du denkst ich will dich manipulieren und lüge nur so vor mich hin? Nun, wir haben einige Beweise, wegen denen wir auf die Schlüsse gekommen sind, die wir gezogen haben. Komm her und sieh sie dir an.“ Zögernd kam Cyra näher. „Das hier haben wir gefunden. In seinem Zimmer. Ein Vertrag, den deine Eltern und die Baufirma unterschrieben. So sind wir erst darauf gekommen, dass seine Sippe hier agiert. Das könnte auch aus jeder anderen Wohnung stammen? Das denkst du jetzt bestimmt, oder nicht?“ Cyra nickte. Nein, dass dachte sie nicht. So weit dachte sie überhaupt nicht. Aber sie wollte wissen, wie er sich da herausredete. Kenneth grinste und drehte das Blatt um. „Hier hat Fukou Notizen gemacht. >Geheime ÜbergabeNach den Ferien gehen wir mit dir in den Vergnügungspark, versprochen!
Kenneth war schon beim nächsten Punkt. „Das ist eindeutig seine Handschrift, dass kannst du nicht leugnen. Fukous Handschrift ist einzigartig und du hast sie schon so oft gesehen. Das musst du doch anerkennen.“ Cyra antwortete nicht. Sie empfand tiefe Trauer und Wut. Sie konnte es nicht fassen. Fukou hatte ihre Eltern in den Tod geschickt? Oder wollte er nur Geld für sie beschaffen? Es war egal, wie man es drehte und wendete. Ihre Eltern waren kriminell geworden, sie hatten sich auf so etwas eingelassen. Und das nur, um ihr ein schönes Leben zu bereiten. Das war das, was sie noch trauriger machte. Und auch von Fukou hätte sie so etwas nie gedacht.
„Wir haben beobachtet, wie die nächste Übergabe stattfand. Offensichtlich arbeiten sie gerade für den Präsidenten hier höchstpersönlich. Es ist klar, dass dieser nur erfahrene Leute schickt. Fukou wusste das. Aber deine Eltern waren nicht erfahren. Man braucht mehr für diesen Job, als den Willen unbedingt seine Mission erfolgreich zu beenden. Sieh es ein. Fukou hat sie kaltblütig in den sicheren Tod geschickt.“ Demnach, was Kenneth von sich gab, konnte man sich vorstellen, dass er selbst nicht gerade viel von dem Anderen hielt. Aber Cyra war das gerade egal. Fukou – er war ihr Gerüst gewesen. Er war der Mann gewesen, der immer für sie da gewesen war, der ihr Halt gegeben hatte. Und nun... Sie fühlte sich so furchtbar schuldig und war furchtbar enttäuscht von Fukou. Laut fing sie an zu schluchzen und weinte dann jämmerlich.
Kenneth stockte. Er starrte Cyra verwirrt blinzelnd an. Diese hatte ihr Gesicht in den Händen vergruben. Abwehrend hob er die Hände. „Nicht...weinen...“ Er konnte sowas nicht leiden. Er selber hatte genug gelitten und hatte seinem Gefolge beim Leiden zugesehen.
„Na bringst du schon wieder alle zum weinen?“, fragte eine Stimme halb amüsiert, halb genervt. Durch den Eingang trat Tom. Seine Anziehsachen waren blutverschmiert. Er hob eine Augenbraue. „Du bist immer so unsensibel, kannst du es nicht endlich lernen den Leuten die Sachen so beizubringen, dass sie nicht anfangen zu heulen?“ Tom legte die Waffen bei Seite, während Kenneth ihn bittend und ratlos ansah. Der Langbärtige zog sein blutverschmiertes Shirt aus. Dann nahm er Cyra vorsichtig in die Arme und zog sie an seine warme Brust. Er strich ihr sanft über den Rücken. „sch....Los, hör auf zu weinen.“ Er setzte sich mit ihr hin und lies sie sich ausheulen.
Cyra war etwas verblüfft gewesen, als sie an Toms Brust gezogen wurde. Kurz hatte sie gestockt und war rot geworden, dann jedoch weinte sie sich an seiner Brust aus.
Als sie fertig war schniefte sie noch ein letzte Mal und hob ihren Kopf von Toms nun nasser Brust. Er reichte ihr ein Taschentuch und sie nahm es dankend an. Cyra wischte sich damit die Augen trocken und schnaubte erst einmal ordentlich durch. Kenneth hatte in der Zwischenzeit da gesessen und, die Arme verschränkt, dem Ganzen zugesehen. „Fertig?“, fragte er schroff. Tom warf ihm einen bösen Blick zu. Der Andere zuckte nur mit den Schultern.
„Ist alles wieder okay?“, fragte Tom sanft. Cyra nickte. „E-es geht.“ Jetzt, wo sie sich gefasst hatte, war sie ein klein wenig rot geworden. Sanft drückte sie sich von Toms Brust weg und war leicht peinlich berührt. Tom lächelte.
Er erhob sich und half Cyra hoch. „Willst du mehr hören oder lieber nicht?“ Cyra nickte und schaute ernst. „Ich- ich will mehr erfahren!“ Jetzt war es Tom, der nickte. „Also gut. Dann erkläre ich lieber weiter. Rudi-lein?“ Er sah zu seinem Boss herüber. Dieser funkelte böse mit den Augen. „Wenn du das noch einmal vor ihr sagst dann verrate ich, was du da im Vergnügungspark getrieben hast!“ Cyra stutzte. Sie verstand beides nicht. Sie dachte der Boss hier hieß Kenneth? Und was hatte Tom, wann, auf welchem Vergnügungspark gemacht? Und wieso war das wichtig? Und was hatte es mit ihr zu tun? Sie fragte lieber nicht nach.
Tom lachte. „Ist ja schon gut, Ken.“ Dem Namen lies er eine leichte Betonung zukommen. „Darf ich die 'Beweise' haben?“ Kenneth schob ihm die Sachen zu. „Also Cyra. Deine Eltern haben also diese Übergabe durchgeführt. Sie fand auf der Baustelle statt, deswegen waren sie eingeschleust worden. Aber der Präsident wollte nicht bezahlen und seine Leute sollten testen, wie gut ihre Geschäftspartner wirklich waren. Deswegen haben sie Widerstand geleistet und deine Eltern umgebracht. Die Todesursache ist klar. Sie wurden eindeutig hinuntergeschubst. Am Ort fanden die Polizisten eine Partronenhülse, mit der sie nichts anfangen konnten. Vermutlich ein misslungener Schuss. Es ist also nicht klar, ob die Leute deine Eltern wirklich geschubst haben, oder ob sie vielleicht nur gestolpert sind und sich die Angelegenheit von alleine erledigt hat. Es kann sich nur so zugetragen haben. Die Patronenhülse spricht für einen Kampf und die Organisation würde nie selbst ihre Geschäftspartner hintergehen, jedenfalls nicht, wenn es sich um so unnütze Waffen handelt, wie sie da vertickt haben. Dafür sind sie zu stolz und es wäre dumm so ihren guten Ruf zu ruinieren.“ Tom überlegte. Er kramte in den Unterlagen herum. Dann holte er ein Papier heraus. „Hier das haben wir auch bei Fukou gefunden. Die auf dem Dokument beschriebenen, müssen die Waffen sein, um die es sich da handelte. Das sind wirklich kleine Fische.“ Cyra nickte nur. Sie konnte das nicht beurteilen. Sie hatte keine Ahnung davon. „Bei einer Übergabe waren wir dabei. Der Mann, der mit der Organisation das Geschäft abgewickelt hatte, hatte eindeutig etwas vom Präsidenten erwähnt. Es muss ich um etwas großes handeln. Vermutlich wollten sie sich gegenseitig erst einmal austesten und haben deswegen klein angefangen. Und jetzt werden es immer schlimmere Waffen. Wer weiß zu was das führt.“ Cyra interessierte das alles garnicht. Jetzt wusste sie endlich wieso ihre Eltern sterben mussten. Oder wusste sie es doch nicht? Sie glaubte eigentlich wirklich nicht, dass Fukou so gemein war. Wie gern würde sie ihn zur Rede stellen, aber ob sie sich das trauen würde? Und selbst wenn, wie sollte sie denn mit ihm in Kontakt treten, besonders jetzt, wo er sie scheinbar lieber tod sehen würde? Sie würde ihn so gern verstehen. Er war doch immer IHR Vertrauter gewesen? Fukou...
„So und jetzt bist du dran.“ Kenneth Stimme unterbrach ihre Gedanken. „Wie?“ Cyra sah verwirrt auf. „Du wolltest uns sagen, was du gehört hast.“ Cyra schluckte. Das hatte sie ganz vergessen. „Aber ich- I-ich hab überhaupt nichts gehört! Ich war viel zu spät da und zu weit-“- „WAS?“ Kenneth sprang auf. „Du meinst du hast die ganze Zeit nichts gesagt und uns lustig erzählen lassen? Pah! Du hast sogar Toms Brust benutzt um dich bei ihm auszuheulen!“, schrie er und war außer sich, hatte eine Waffe auf Cyra gerichtet. Cyra schaute nun ernst. „Aber! Ich wollte euch widersprechen und sagen, dass ich nichts gehört habt – aber ihr habt einfach weitergeredet und gemeint ihr würdet mich über meine Eltern aufklären. Hättet ihr mir denn überhaupt zugehört, wenn ich-“- „Schweig! Dummes Weib, verarschen kann ich mich selber!“ Er spuckte vor ihre Füße und war wirklich stinkwütend und mitten beim Abdrücken. Beide zitterten. Cyra, weil sie Angst hatte und Ken, weil er so wütend war.
Als Ken abdrücken wollte, drückte Tom den Lauf der Waffe mit ruhiger Hand herunter. „Lass das Ken. Im Prinzip hat sie doch Recht und was ist so schlimm daran, wenn sie jetzt mehr weiß? Uns wird es nicht schaden.“- „Sie weiß dass wir hier sind und ins Polizeipräsidium eingebrochen sind! Was willst du noch?“ Tom lächelte. „Ich bin sicher sie wird nichts davon verraten. Sie hätte überhaupt nichts davon. Er sah zu Cyra, die nickte. „Ach was, die kann uns sonst was erzählen...“ Er schaute ernst, sein Blick veränderte sich jedoch schlagartig, als Tom ihm sanft über den Rücken strich. Ken schaute verdutzt und hob eine Augenbraue. „Komm schon Ken, ganz ruhig. Du musst lernen etwas mehr Vertrauen in die Menschen zu haben.“, meinte er ganz ruhig und sanft.
Cyra vergaß ihre Angst und musste jetzt schmunzeln. Die Szene hatte etwas von einem Herrchen, dass seinen Hund beruhigte. Der Hund fing jetzt an zu knurren und blaffte sein Herrchen an. „Lass das sofort bleiben Tom!“ Grummelnd sah er zur Seite, spuckte wiederholt und lies dann die Waffe ganz sinken, ehe er sie wegsteckte.
Tom lachte auf und zwinkerte dann Cyra zu. Diese blinzelte. Wie könnte sie Fukou treffen und sicher befragen? Wie würde sie ihm auf die Fersen kommen? Kenneth sah auf. „Das hier ist eine totale Ausnahme. Und jetzt bringt sie wieder weg.“, grummelte er, verschrenkte die Arme und setzte sich wieder. Tom ging zu Cyra herüber und wollte sie zum Mitgehen bewegen. Cyra sah auf und blinzelte erneut. Diese Leute hier, sie waren hinter Fukou her, irgendwann würden sie ihm begegnen. „Moment mal! Nicht so schnell!“ Die Anwesenden sahen überrascht auf. „Ihr könnt mich doch jetzt nicht einfach wieder abschieben! Ich hab auch noch eine Angelegenheit, die ich mit Fukou klären muss. Und außerdem: Wie soll ich denn ohne jegliche Erfahrung klar kommen, wenn diese Leute da draußen hinter mir her sind?“ Tom blinzelte. Er sah zu Kenneth. Sowieso sah jeder zu Kenneth. Schließlich war er der Boss und bestimmte. Er lachte nur und grinste fies. „Und was geht uns das an? Geschieht dir recht, jetzt weißt du ja was über sie und uns, sollen sie dich ruhig umbringen, ist nicht unser Problem!“ Zwei Männer traten vor und packten Cyra auf Kens Nicken an den Armen. „Komm mit.“, erklärten sie trocken. Tom schaute etwas zweifelnd. Aber was sollte er schon machen? Nochmal für die einspringen? Er hatte ja nun wohl genug getan, um sich für den Diebstahl von Cyras Geldbörse zu entschuldigen, was er ja normalerweise auch nicht tat.
„Ihr- Und ich dachte ihr wollt anders sein als Fukou und seine Bande!“ Cyra schrie das etwas verzweifelt und bekam wieder Tränen. Sie hatten sie schon zur Tür geschliffen, als ihr noch etwas einfiel.
„Wartet! Ich-“- „Wir wollen nichts mehr von dir hören, Kleine.“, meinte Ken trocken. „Aber wenn ihr mich unter Beobachtung habt kann ich umso weniger verraten. Wer sagt euch, dass ich nicht aus Rache zur Polizei gehe? Wenn ich ihnen so viel erzähle, beschützen sie mich erst recht! Dann bin ich eine Zeugin!“ Ken hob eine Augenbraue. Tom schüttelte den Kopf, um ihr damit klar zu machen, dass sie sich auf schmalem Eis bewegte. Es war ziemlich gefährlich das so zu sagen. Ken lachte. „Willst du uns drohen?“
Cyra schluckte. Sie wusste ja selbst nicht was sie hier trieb. Die Wahrheit war: Sie hatte einfach nur Schiss! Die Angst stieg in ihren Nacken hinauf. Sie war halt nicht sehr mutig. Und sie hatte sich bis jetzt immer ängstlich verkrochen. Sie war vor Fukou davon gelaufen und dorthin, wo sie sich momentan sicherer fühlte, nachdem sie erfahren hatte, dass Fukou auch im Besitz von Waffen war. Wo sie Waffen doch so hasste, war sie zu ihren toten Eltern nach Übersee geflohen. Was hatte sie sich daraus denn erhofft? Sie hatte sich belogen. Sie wollte den Tod ihrer Eltern aufklären? Alles was sie getrieben hatte war doch nur Angst. Und jetzt hatte sie wieder Angst. Vor neuen Sachen. Sie hatte Angst vor der Welt da draußen, vor den Leuten, die hinter ihr her waren. Karin könnte sie vor denen auch nicht mehr retten. Die Polizei hier vermutlich auch nicht, die waren doch auch nicht besser. Und jetzt suchte sie bei jemand neuem Schutz und spielte ihnen etwas vor.
Cyra weinte bitterlich. Sie riss sich von den Leuten los und sank auf den Boden. „Bitte! Ihr müsst mir helfen!“ Ihr Blick, den sie auf Ken richtete war herzerweichend. Doch das machte ihm absolut gar nichts. Er hatte immernoch diese Wut auf sie. Schließlich hatte sie geschwiegen und ihn quasi ausgenutzt. Aber in Tom löste es irgendwas aus. „Ich werde euch versprechen, dass es euch nichts schaden wird, wenn ihr mir alles beibringt: Wie ich mich retten kann vor denen, mich verteidigen kann!“
Sie schluchzte. Sie fühlte sich so schwach und nutzlos. Irgendwas musste sie daran doch ändern können. „Wenn ihr mich aufnehmt werde ich euch helfen!“ Wieder lachte Ken nur. „Du Schwächling? Vergiss es!“ Tom legte eine Hand auf Kens Schulter, wobei er weiterhin Cyra beobachtete. Nun sah Ken zu ihm. „Hör mal. Fukou hat sie doch zuerst nicht umgebracht. Vielleicht ist in ihm wirklich so etwas wie.. ich meine vielleicht kann sie uns doch noch nützlich sein!“ Nun wanderte sein Blick zu Ken und er wurde ernst. „Ken! Wir sollten uns das nochmal überlegen, wir sollten sie uns übrigbehalten. Wir sind doch auch nicht viele, wir können jede Hilfe gebrauchen. Wieso meinst du konnten sie uns früher verjagen? Weil sie mehr waren und außerdem das Oberhaupt auf ihrer Seite hatten!“ Ken blinzelte. „Meinst du Fukou-?“ Tom zuckte mit den Schultern. „Man weiß nie, es wäre auf jeden Fall später ärgerlich für uns, wenn wir Cyra dann brauchen würden.“ Ken seufzte und sah zu Cyra. „Nun gut, du hast Glück Cyra. Das hast du aber nicht dir, sondern Tom zu verdanken. Und ich
will erstmal nichts mehr mit dir zu tun haben! Dir muss klar sein, dass du mir erstmal aus dem Weg gehen solltest.“ Er sah zu Tom. „So. Und weil du uns das eingebrockt hast, darfst du das auch ausbaden! Du bist für Cyra verantwortlich und für alles, was sie tut!“ Er tippte ihm auf die Brust und drehte sich dann um. „Viel Spaß!“ Nachdem er Cyra noch einen bösen Blick gewidmet hatte, ging er. Er lief auf die Treppe zu und verschwand im Dunkeln.
Cyra sah auf. Sie starrte die beiden an und dann Ken hinterher und konnte es noch garnicht glauben. Eins, zwei Männer schüttelten ungläubig die Köpfe und verschwanden auch. Dann machte Cyras Herz einen Luftsprung und die Angst wich mit einem Mal aus ihrem Körper. „Danke!“, meinte sie erleichtert und sah dabei zu Tom. Dieser ging zu ihr und reichte ihr eine Hand. „Komm ich helfe dir auf.“ Er lächelte lieb seine Schülerin an, die seine Hand nahm und sich aufhelfen lies. Als sie wieder auf den Beinen war, putzte sie sich ab und schlang ihre Arme weinend um den anderen. Sie war wirklich erleichtert. „Stell dir das nicht so leicht vor, das wird eine harte Zeit für dich.“ Cyra nickte und schaute wieder ernst. Sie hatte von Tom abgelassen und war wieder leicht rot geworden. Irgendwie war es ihr schon peinlich, dass sie sich andauernd so kindisch benahm.
„Achso! Du solltest erstmal für eine Woche hier bleiben und deine neuen Freunde benachrichtigen, dass du für eine Woche... ähm.. naja irgend etwas normales, wichtiges machst. Ich denke die Woche wird erstmal reichen, damit du da draußen zu recht kommst. Alles andere würde zu sehr auffallen. Jetzt solltest du aber erst einmal schlafen gehen, es ist spät. Komm, ich zeige dir deinen Schlafplatz.“ Damit nahm er sie an der Hand und ging mit ihr zu einer zweiten Treppe, die Ken nicht genommen hatte. Cyra blickte noch einmal nachdenklich zu der anderen Treppe, als sie auf der dritten Stufe stand. Sie sollte Ken nicht zu Nahe kommen. Hatte sie ihn wirklich mit so einer kleiner Farce so wütend gemacht? Er schien jedenfalls ziemlich kompliziert zu sein. „Cyra komm endlich!“, verlangte Tom mit etwas Nachdruck in der Stimme. Cyra nickte und folgte ihm. Hinein in die Dunkelheit. Hinein in ein drittes, neues Leben.
Texte: Cover by photobucket
Hab mich jetzt doch entschieden das zweite Kapitel schon jetzt zu beenden und nicht noch mehr hinein zu stecken xD. Es kann ja auch irgendwie nicht sein, dass das erste Kapitel rund 22 Seiten und das 2. über 100 umfasst.
Tag der Veröffentlichung: 28.06.2010
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