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2. Kapitel: -A new Life-

-New Findings-
Da war sie nun, völlig auf sich allein gestellt. Zuerst war sie etwas umher gewandert, hatte sich eine alte Überdachung gesucht und war anschließend die nächsten Tage ziellos umhergezogen. Was sollte sie jetzt mit ihrem Leben anfangen? Ihre Eltern waren tot, die Leichen auf seltsamer Weise von ihr ferngehalten. Und ihr jahrelanger Freund, der auf sie hatte aufpassen sollen war im Besitz von Waffen und seltsame Männer durchsuchten seine Wohnung. Sie hatte einfach zu viel Pech gehabt in letzter Zeit. Das wurde ihr jetzt gerade in diesem Moment nur zu schmerzlich bewusst. Wieso das alles? Was hatte sie denn gemacht?
Ihr Weg führte sie zum Rande der Stadt. Ihr war klar, dass Jammern sie nicht groß weiterbringen würde. Hier draußen wehte der Wind etwas kühler, die frische Luft tat sehr gut und ihre Gedanken klärten etwas auf. Sie würde ihren Eltern folgen, sie wollte sich endlich richtig verabschieden und gefälligst herausfinden, wieso sie nicht so zu ihnen konnte.

Cyras Heimatstadt hatte viele Hinterhöfe, auch viele verlassene. Sie lagen wie verwinkelte und dunkle Nebengassen zwischen riesigen Hochhäusern, durch deren Fenster und Räume schon längst nur noch der Wind zog. Ebenso wie jene Hinterhöfe, war dieser hier. Ein paar Pfützen waren vom letzten Regen übrig geblieben, das Wasser lief hier nur sehr schwer ab. In ihnen lag Müll und Dreck und die Mäuse und Ratten huschten an ihnen vorbei. Hier hatten die Tiere nichts zu befürchten, das wussten sie, denn der Hinterhof war verlassen und unbedeutend, an dem heutigen Tag würde ihm aber eine besondere Bedeutung zukommen.
Ein Platschen erklang, als der gestiefelte Fuß eines großgewachsenen Braunhaarigen eine der Pfützen zum Schwingen brachte. Gestern war er in seine Wohnung gekommen, durchwühlt von irgendwelchen Leuten, sein Koffer mit den Waffen war trotzdem noch da, aber Cyra dafür weit weg. Er hätte nicht so unvorsichtig sein sollen und die Waffen dort unten liegen lassen sollen. Er hätte wissen sollen, dass Cyra allergisch darauf reagieren würde und nun...
„Was ist mit dem Mädchen, Fukou?“, fragte eine Stimme aus dem Schatten eines der Hochhäuser heraus. Ein etwas kleinerer Mann in einem schwarzen Anzug und mit kurzen blonden Haaren trat heraus. Mit seiner schrumpeligen Nase und der trotz seines jungen Alters- er war gerade mal 30- schrumpeligen alten Haut, war er eine Figur, die nicht gerade dem Schönheitsempfinden der Leute entsprach. „Kümmere dich nicht darum, ich bin sicher von ihr geht keine Gefahr aus. Lass uns lieber über die Geschäfte reden“

Zur gleichen Zeit war Cyra am Flughafen angekommen. Sie hatte sich daran erinnert, dass ihr Vater irgendwas von Übersee gesagt hatte. Und jetzt wusste sie auch wieder in welcher Stadt ihre Eltern arbeiten wollten. Sie hatte ihr letztes Geld aus ihren Hosen und Taschen und von ihrem Sparkonto zusammen gekratzt. Für einen Flug würde es wohl noch gerade so reichen. So ging sie zum Schalter und hatte Glück: Jemand war abgesprungen, sie könnte schon in zwei Stunden der Fährte ihrer Eltern folgen.
Am Abend war sie dann schon mit dem Flugzeug gelandet. Sie trat aus dem Flughafen heraus und sah hoch in die Abendsonne. Erst einmal wollte sie ihre Eltern sehen. Sie fragte im Taxistand nach, wo die nächste Polizei sei und machte sich relativ hungrig auf den Weg. Doch das hier war jetzt erst einmal wichtiger.

Sie hätte nicht gedacht, dass es so leicht sein würde. Die Polizei hatte ihre Eltern nur hier behalten, weil sie noch etwas nachforschen und vorsichtshalber ihre Eltern zu weiteren Untersuchungen hier haben wollten. Nachdem Cyra also ihren Ausweis gezeigt hatte, wurde sie in ein Büro geleitet und sollte warten.
Cyra sah sich etwas um. Auf dem Tisch stand ein Foto, auf dem ein Mann mit leichtem Bartwuchs, blonden struppeligen Haaren und zerknittertem Hemd mit seiner Familie zu sehen war. Zwei kleine Kinder hatte er bei sich und seine Frau neben ihm, ebenfalls mit blonden Locken hielt noch ein kleines Kind in den Armen. Neben dem Bild waren fein säuberlich Bleistifte aneinander gereiht und auch um den PC herum war alles blitzblank. Das konnte man vom Rest des Büros leider nicht behaupten. Auf dem Boden stapelten sich Papierbögen und Akten. Und muffig roch es auch leicht, Cyra sah für sich den Grund in dem auf dem Fensterbrett stehenden Aschenbecher und der Tasse auf dem Tisch vor ihr, in der der alte Kaffee vor sich hindümpelte. Gerade als sie ihren Blick von der Tasse gelöst hatte und angeekelt in ihre Taschentuch geschnaubt, sowie das Fenster geöffnet hatte, kam eben dieser Mann vom Foto herein. „Oh du hast frische Luft hereingelassen ja?“ Der Mann konnte ihre Sprache sprechen, aber leider nicht ohne ein paar Fehler einzubauen. Seine Stimme klang sehr tief, wie ein Kontrabass. Er lächelte, bot ihr noch einmal den Stuhl vor seinem Tisch an und setzte sich. „Du musst entschuldigen meine Unordnung...“, meinte er leicht verlegen, wurde rot und konnte so fast süß aussehen. Cyra fand seine Stimme passte nicht zu diesem Aussehen. Er sah eher aus wie ein junger zerstreuter Professor und seine Stimme erinnerte an einen alten Mann dessen Stimmbänder durch die letzte OP völlig zerstört waren. „Macht nichts“, sagte sie, wie ein kleines liebes Mädchen und strich ihr langes Haar nach hinten. „Also du Cyra ja? Ich sein Mr Inspector-Junior, Mr Chô mich alle nennen.“- „Freut mich Sie kennenzulernen, Mr Chô!“ Sie fühlte sich etwas unwohl, weil sie nicht so recht wusste, was sie hier sollte. „Also Sie wissen nicht warum Eltern tot? Das mir leidtun. Wir dachten ihr Mr Freund haben weitergesagt...?“ Cyra stutzte. Fukou wusste alles? Oder hatten die lieben Herren sich in der Nummer vertan? Bei diesem zerstreuten Möchtegern-Inspector konnte sie sich das ganz gut vorstellen. „Es tut mir leid Ihnen das so jetzt zu sagen Miss Cyra, aber ihre Eltern scheinen nicht natürlichen Todes gestorben sein – Überhaupt nicht natürlich!“ Cyra erschrak. „Was wollen Sie damit sagen?“ - „Es scheint jemand haben nachgeholfen, jedoch Sie sich keine Sorgen machen, wir alles aufklären?“ Cyra musste sich zusammenreißen, nicht lauthals loszulachen. Und das hier war sicher nicht zum Lachen. Wann waren ihre Eltern gestorben? Sie war fast 13 gewesen... und jetzt war sie knapp 17... wie lange wollten sich diese Leute eigentlich Zeit nehmen, den Tod ihrer Eltern aufzuklären? „Miss Cyra. Sie mir zuhören?“ Eine Stimme und leichtes Rütteln riss sie aus ihren Gedanken. Chô lächelte lieb. „Sie wollen Eltern jetzt sehen?“, wiederholte er, was er anscheinend schon gefragt hatte. Cyra nickte nur stumm und sparte sich jedes weitere Kommentar. Zusammen gingen sie raus aus dem Büro, aus dem schrecklich muffigen Büro. Cyra war auch schon ohne den Gestank schlecht. Wer könnte ihre Eltern auf dem Gewissen haben? Und wieso hatte Fukou ihr nichts gesagt? Oder war das alles nur der Inkompetenz der Polizei zuzuschreiben? Vielleicht vermuteten sie sogar auch falsch, dass ihre Eltern getötet worden waren.
Nach einem, so schien es Cyra, endlosem Weg, waren sie in der Leichenhalle angekommen. Sie bekamen beide einen Mundschutz und die Pathologin, eine etwas dickere Schwarzhaarige, öffnete ihnen die zu den zwei Leichen gehörenden Kühlkästen. Cyra konnte es kaum fassen. Sie hatte ihre Eltern so lange nicht gesehen. So konnte sie sich jetzt wenigstens verabschieden. „Ahh ich da noch was haben“ Chô ging kurz zu einem anderen Schubfach und holte eine Tüte mit Beweissachen heraus. „Hier das wir nicht mehr benötigen“ Er gab Cyra eine Kette mit einem Medailon, das früher ihrer Mutter gehört hatte - sie erkannte es sofort wieder. Das bedeutete ihr viel. Chô war nett, auch wenn er ein Trottel war. „Dankeschön!“, meinte sie deshalb auch erfreut. „Danke für alles... nur.. eins noch: Können sie mir sagen für welche Firma meine Eltern gearbeitet haben?“, fragte Cyra ganz wie nebenbei. „Huh... Warum wissen wollen? Klage erheben? Naja die Firma heißen naja ich glaube...“ Er schien in seinem verwirrten Hirn zu suchen. „Genau Bauwerk1A hießen sie...“ Cyra nickte. „Okay also danke noch einmal...“ Sie sah zu ihren Eltern. Tschüss.

Ein Abschied für immer... Cyra verkniff sich die Tränen und ging dann, nachdem sie ihre Maske zurückgegeben hatte.

Die Nacht verbrachte Cyra in einem leer stehenden Haus, gebettet auf ihren Jacken und Pullovern. Das ging, weil es hier viel wärmer war als bei ihr zu Hause. Sie dachte an ihre Eltern zurück und starrte dabei ins Dunkle. Sie war einsam und leicht geschockt. Alle Gefühle, die sie im Revier zurückgehalten hatte kamen jetzt ans Licht. Ihre Eltern – vermutlich ermordet. Fukou, der Waffen unter seinem Bett hatte. Was konnte noch schlimmer werden? In ihr war eine tiefe Traurigkeit, aber auch das dringende Bedürfnis Licht ins Dunkle zu bringen. Es war wie in der Wissenschaft: kaum hatte man das eine Rätsel gelöst, kamen tausende von neuen Rätseln ans Licht. Alles was ihren Geist beruhigen konnte, war der Schlaf, in den sie sich langsam weinte.
Für Frühstück war weder Zeit noch Geld. Am nächsten Tag sollte es gleich weitergehen. Vielleicht würde es ihr leichter fallen, wenn alle Unklarheiten beseitigt wären. Sie packte ihre Sachen und ging in eine Telefonzelle, wo sie die genannte Firma suchte und auch viel zu einfach fand. Sie schrieb sich die Adresse des zugehörigen Büros auf und machte sich sofort auf den Weg.
Das Büro lag ziemlich abgelegen von der Stadtmitte, wo die Häuser schon etwas heruntergekommen aussahen, doch an das Niveau ihres Viertels, kam sowieso nichts heran.
Selbstbewusst ging sie durch den Eingang, ohne sich eigentlich überlegt zu haben, wie sie vorgehen wollte. Schließlich wollte sie etwas Privates erfahren, die vergangenen Projekte der Firma anschauen. Aber sie hatte schon bald eine Idee. Ohne zu zögern, ging sie auf einen Tisch zu, an dem ein Berater saß. Den Großteil ihrer Sachen hatte sie lieber in einer Seitengasse gut versteckt und die Haare etwas zurecht gekämmt, sie wollte ja nicht wie einer aus der Gosse aussehen, sonst würde man sie sofort durchschauen. „Ich will ein Haus bauen lassen, das Grundstück habe ich schon. Los stellen Sie mir schon was vor!“, meinte sie ziemlich ungehalten und wollte damit nur ihr kindliches Aussehen wettmachen. Sie trug ein blaues Kleid ohne Ärmel mit einer Schleife hinten und eine Bluse darüber. Und die langen Haare machten sie auch nicht gerade älter. Aber die Frau hatte nichts auszusetzen. „Hier haben sie einige Modelle, wir haben auch befreundete Banken, die gerne Kredite vergeben“, erwähnte die Frau schon einmal. Im Gegensatz zu Cyra hatte sie kurz geschnittenes, blondes Haar und einen schwarzen Buisnessanzug, ihre Lippen waren übermäßig rot geschminkt und übermäßig voll, ihre Brüste nicht gerade weniger klein. Cyra fragte sich ehrlich, welchen Mann sie damit übers Ohr hauen wollte, diese Mrs Baby. Der Name stand auf einem Schild, das sorgfältig über ihrer linken Brust hing und die Vermutung Cyras nicht gerade widerlegte. „Das Haus sieht ja ganz nett aus, aber das findet man auch im Internet, eigentlich wollte ich mir einige erfolgreiche Projekte von Ihnen ansehen, um mich von ihrer Kompetenz überzeugen zu können, nicht nur Fertigprodukte, einfach die Aufzeichnungen, um ihre Professionalität zu überprüfen.“ Mrs Baby schien da nicht der Ansicht zu sein. Sie hob nur eine Augenbraue und überlegte. Bei jedem anderen Kunden vielleicht. Aber bei einem kleinen Mädchen? „Na gut, einer wird sicher drin sein.“ Cyra betete. Bitte, bitte lass mich nur einmal Glück haben.

Da Cyra genau wusste, dass sie so gut wie nie Glück hatte, beobachtete sie Mrs Baby genau. Die Frau stand auf und ging zu einem der vielen Safes herüber, den sie aufschloss, und die geheimen Akten herausholte. Natürlich war die Frau nicht so doof, das zu nehmen, was Cyra suchte, weil jeder Unfall in der Akte vermerkt werden musste. Und wieso unnötig den Ruf der Firma ankratzen? Cyra beobachtete die Akte scheinbar interessiert, aber versuchte eigentlich nur ihren Hinterkopf anzustrengen. Dann sah sie auf das Medailon und tat so, als würde die Zeit darauf vermerkt. „Oh schon so spät? Ich hab einen Termin!“, meinte sie scheinbar im Stress, während die Frau nur ihre Augenbrauen hob. Dieses Mädchen war ja nun auch ohne Termin hier herein geplatzt. „Gut wollen Sie denn hier jetzt einen nächsten Termin haben?“ Cyra überlegte scheinbar. „Hm.. nein ich denke, wenn ich ihn nachher nicht wahrnehmen kann sind sie böse... aber ich bin sicher morgen findet sich eine Stunde, wo ich wieder herkommen kann.“ Damit stand Cyra auf. „Also bis morgen!“

Es wurde Abend. Das Meer rauschte und die Möwen flogen zu ihren Schlafplätzen, die Sonne ging im Meer unter und färbte es Clementinen-orange. Durch die Belichtung erschienen die Schiffe von weitem nur noch wie schwarzfarben. Ein etwas größeres Boot legte an und ein ebenso nun schwarzfarbener Mann stellte seine Füße auf die schwarzfarbene Rehling. Man konnte ihn fast kaum erkennen von weitem. Nur kurz fiel ein Hauch Licht auf seine Schuhe und im Schwarz leuchteten seine Nocken und die Schnürsenkel leicht auf, sodass man schwarze Springerstiefel oder auch Doc Martens erkennen mochte. Ein paar weitere Männer stiegen aus. „Super, Männer! Nun sind wir also wieder ein Stückchen weiter, stoßen wir uns ins Getümmel!“ Die Leute jubelten.
Ein wenig später in der Nacht, aber nur ein paar Meter weiter, stand Cyra erneut vor dem Büro von Bauwerk1A. Tief atmete sie durch. Was sie nun vorhatte war Unrecht, und Cyra hatte noch nie etwas Unrechtes getan. Sie verabscheute Leute die irgendwo einbrachen und herumschnüffelten. Genau deswegen zögerte sie auch sehr lange, was vielleicht weniger taktisch war. Sie war schon seit 11 Uhr hier, nachdem das Büro, sie hatte es beobachtet, um 9 abgeschlossen wurde. Und jetzt kündigte ein weit entfernter 12fachiger Glockenschlag ihr die nächste Uhrzeit an. Wie sollte sie überhaupt vorgehen? Nach langem Überlegen versuchte sie sich einfach mal am Schloss. Sie war keine gute Einbrecherin, fiel ihr dabei auf. Dann sah sie durchs Fenster. Es einschlagen? Unsicher sah sie sich um. Dann hob sie einen Stein an und warf ihn hinein. Es war ganz schön laut. Aber die Leute waren das anscheinend gewohnt und vermuteten nichts Schlimmes dahinter. Und das erste Mal hatte sie wirklich Glück: die Firma schien hier nichts allzu Wichtiges verstecken zu wollen, das Meiste war ja auch ein zweites mal abgeschlossen. So ging auch keine Sirene oder sonst ein Warnmelder los. Vorsichtig steckte sie die Hand durch das Loch und öffnete die Tür von innen. Endlich war sie dann im Raum und fühlte sich jetzt schon ganz mies. Sie sah sich um und entdeckte jedenfalls keine Kameras.
Kameras beobachteten Cyra gewiss nicht, dafür aber ein Mann, der aus den Büschen mit einem Fernglas zu ihr herüber sah. So ein kleines Gör.

, dachte sich der Mann und hätte sie, wäre es ihm erlaubt, sofort hier und jetzt erschossen.
Cyra war inzwischen am nächsten Schloss gescheitert. Verzweifelt durchsuchte sie alle Schubfächer und suchte nach einem zufällig liegen gelassenem Schlüssel. Wieder sah sie zum Kasten. Okay, so schwer konnte das nicht sein, oder? Sie versuchte, sich irgendwie an bekannte Filmstellen zu erinnern. Mit einer Karte, einfach hineinfahren und schon würde das Schloss aufgehen. Sie nahm also eine der vielen, harten Visitenkarten vom Bürotisch und versuchte sich erneut an dem Schloss. Dabei erkannte sie mal wieder, dass Filme nicht immer die Wahrheit gepachtet hatten. Sie rüttelte die Karte hin und her doch nichts tat sich. Sie war kurz vor dem Aufgeben, weinte und kugelte sich leicht zusammen. Die Kirchenuhr schlug bereits eins. Sie nahm das Medailon in die Hand und betrachtete es. Darinnen war ein Bild ihrer Eltern und ein Bild von ihr, als sie klein war.
Sollte alles umsonst gewesen sein? Nein! Sie wischte ihre Tränen weg, schloss das Medailon und versuchte es wieder und wieder, bis das Schloss mit einem Klacken aufging und die Tür aufsprang. Cyra freute sich, und weiß Gott, sie hätte nie gedacht, dass sie sich jemals darüber freuen würde, ein Schloss geknackt zu haben. Schnell nahm sie die Akten heraus und sah alle samt durch. Bald stieß sie auf das Bild ihrer Eltern. Sie kopierte sich alles, was sie als wichtig erachtete, schloss alles wieder ordentlich zu und verschwand dann aus der Tür wieder heraus, als die Uhr gerade 3 schlug.

Der Mann und unwissentlich für ihn, auch andere, beobachteten Cyra, wie sie mit ein paar Blättern aus dem Haus hinaus ging, und um die nächste Ecke in eine der vielen dunklen Seitengassen verschwand. Jeder der Herren, machte sich zu dem Zeitpunkt andere Gedanken darüber, wobei einer ganz schön schief gewickelt war.

Cyra las sich in ihrem vorläufigen Nachtrevier die kopierten Akten durch ohne zu wissen wonach sie eigentlich suchte. Ein Hinweis vielleicht? Ein Mitarbeiter der verdächtig aussah? Nichts... Bald fiel sie in einen langen tiefen Schlaf. Die Nacht war wirklich sehr lang und anstrengend gewesen, so viel neues, an das sie sich erst gewöhnen musste. Und dabei war das noch lang nicht alles Neue, was auf sie zukommen würde. Cyra schlief bis zum nächsten Abend, wobei sie ihr Hunger bald aufweckte. Sie spürte ihn, tief in ihrem Körper. Zwei Tage hatte sie schon nichts mehr gegessen. Sie seufzte auf und nahm sich aber erst einmal vor zu der ehemaligen Baustelle zu gehen, was sie mitsamt ihrem ganzen Gepäck dann auch tat.
Etwas verfolgte sie, beobachtete sie, selbst während sie geschlafen hatte. Gut, dass Cyra davon nichts ahnte, sie wäre total panisch geworden. Mit knurrendem Magen machte sie sich auf und war bald an der ehemaligen

Baustelle angekommen. Da war nichts mehr von Baustelle. Ein großer Gebäudekomplex stand da vor ihr. Er erstreckte sich weit in die Höhe. Dort war ein kleiner Einkaufsladen eingezogen und daneben ein Discounter und ein Technikladen. Dahinter waren verschiedene Ärzte mit ihrer Praxis eingezogen. Trotzdem guckte Cyra sich um. Vielleicht war da ja irgendwas, was die Polizei übersehen hatte. Professionell war sie ihr eh nicht vorgekommen.
Cyra musste bald aufgeben. Es gab nichts. Was hatte sie sich von der ganzen Anstrengung nur versprochen? Egal was, viel war davon jedenfalls nicht zu sehen. Kein einziger Anhaltspunkt. Und dabei hatte sie sich doch so angestrengt. Ihr Magen knurrte, was das Fass zum überlaufen brachte. Sie war verzweifelt – mal wieder. Schnell entfernte sie sich von dem Center, nur um das ganze schnell wieder zu vergessen. Kurz nur sah sie zurück. Sie sah einen Mann hinter der Mauer auftauchen, bei der sie gerade noch gestanden hatte. Ein relativ junger, kleiner Mann um die 1,60m groß mit braunen, struppeligen Haaren und abgetragenen Klamotten. Sie ging weiter, eine belebte Straße entlang und seufzte tief. Erschöpft lehnte sie sich an die nächste Hauswand und hielt ihren Magen. Als sie wieder zurücksah versteckte sich der Typ, den sie gerade erst gesehen hatte, schnell hinter einem Baum. Merkwürdig kam das Cyra ja schon vor. Sie überlegte und wollte dem ganzen auf die Spur kommen. Langsam ging sie weiter und machte es ein paar mal so wie gerade eben. Gehen- Pause- Zurücksehen. So ging es eine Weile und immer sah sie den Mann, wie er da stand, sie anschaute und sich dann schnell versteckte. Verfolgte er sie?
Cyra wurde mulmig. Sie fing an zu zittern. Kannte er sie? Und vielleicht auch ihre Eltern? War er der Mörder und wollte auch sie umbringen? Wenn sie genau hinguckte, konnte sie ihrer Meinung nach, eine Waffe an seiner Hosenseite versteckt aufblitzen sehen. Das war natürlich pure Einbildung, der Mann war viel zu weit weg um so was zu erkennen, aber bei Cyra zeigte es Wirkung. Schnell rannte sie los, drängelte sich flink und unhöflich durch die Menge – der Junge rannte ihr nach. Cyra wurde etwas schneller. Sie war es gewohnt zu rennen, sie war oft vor den Gewehren zuhause davon gerannt. Vor den Schüssen, nur zur Sicherheit, dass sie auch ja Zuhause in Sicherheit war, wenn sie zu ihr in die Straße kommen würden. Sie rannte um einige Ecken, sodass sie nicht mehr wirklich wusste, wo sie eigentlich war. Bald konnte sie einfach nicht mehr und blieb schnaufend stehen. Sie sah zurück. Niemand war mehr hinter ihr. Hatte sie ihn also abgehängt? Nur langsam lief sie weiter. Der Hunger brachte sie fast um, das war jedenfalls ihr Gefühl. Plötzlich fiel ihr ein Schild ins Auge. Bäckerei Kêki Hanako – Reinigungskraft und Kellnerin für Café gesucht<< Ihr Magen knurrte. Sie würde bald etwas essen müssen und dafür brauchte sie Geld! Aber sie hatte kein Geld und das hier war die beste Möglichkeit an Geld zu kommen. Wer wusste schon, wann sie den Mördern auf die Spur kommen würde. Und selbst dann – Sie brauchte einen Job, auch für die Zukunft würde sie Geld benötigen. Niemand war mehr da für sie: Keine Mutter, kein Vater, kein Fukou. Sie hatte für sich selbst zu sorgen! Sie schaute ernst und ging entschlossen auf die Bäckerei zu. Fast wirkte sie etwas lächerlich. Sie stampfte die kurze Strecke mit den Füßen auf und ab und bewegte die Arme passend dazu, nur um sich Mut zu machen und so zu tun, als hätte sie jetzt alles im Griff. Sich selbst belügen, manchmal funktionierte das. Jedenfalls wurde sie nett in der Bäckerei empfangen. Der Laden gehörte einer jüngeren Frau. Sie stellte sich als Karin vor. „Du willst also den Job haben ja? Wir brauchen wirklich dringend jemanden. Du kannst gerne sofort anfangen? Aber dann muss ich dich erst einmal anmelden... Das heißt heute kann ich dir erst einmal nur ein paar übrig gebliebene Brötchen anbieten.“ Cyra nickte eifrig. Das war nicht schlecht. Besonders weil es ja nun wirklich sehr spät war. „Ich danke ihnen wirklich sehr! Ich brauche unbedingt einen Job!“, sagte sie zu ihrer leicht rothaarigen, schlanken Chefin. Sie sah wirklich sehr schön aus, hatte strahlend blaue Augen und war nur etwas größer als Cyra, nicht wesentlich. Karin stellte ihr das Geschäft und die Gerätschaften vor und gab ihr dann einen Besen zum Auffegen der Brot- und Kuchenkrümel. Nach getaner Arbeit, einem lauten Grummeln von Cyras Magens einerseits und das darauf folgende helle Lachen ihrer Chefin andererseits, bot Karin Cyra an mit ihr eins der übrig gebliebenen belegten Sandwichs zu essen. Cyra konnte einfach nicht nein sagen. Die beiden unterhielten sich, Cyra erzählte was von sich, Karin wiederum etwas von ihrem Geschäft und ihrer Person. Cyra war in diesem Moment mehr als glücklich. Klar hatte sie vor kurzem erfahren, dass ihr Freund Waffen hortete und das ihre Eltern vermutlich ermordet worden waren. Und sie hatte noch keinen Anhaltspunkt finden können, trotz großer Bemühungen. Trotzdem hatte sie endlich, gerade nach diesen vielen Rückschlägen endlich mal in ihrem Leben Glück gehabt. Sie hatte einen Job gefunden, war auf Anhieb genommen worden und eine gute Freundin hatte sie auch noch getroffen. Und dieses Zusammenspiel war wirklich selten.

Nachdem Cyra ins Büro der Firma „Bauwerk 1A“ eingebrochen war, hatte sich auch jemand anderes an den Akten dort zu schaffen gemacht. Einer der Männer, die mit dem Boot kurz davor angekommen waren. Er hatte etwas längeres kurzes blondes, fast weiß geblichenes Haar und einen ziemlich feinen Bart, der am Ende zusammengeflochten war. Der Rest der Mannschaft hatte sich auf die Insel verteilt und recherchiert. Der Mann mit dem Bart, von allen nur Flechttom genannt, entdeckte in einer Akte einen ominösen Unfall und gab die Info sofort weiter.
Zur selben Zeit, als Cyra ihren Job bekam und zu Abend aß, saß Mr Chô in seinem Bürosessel mitten im Dunkel. Nur eine kleine Tischlampe warf einen kleinen hellen Schein auf den ordentlichen Tisch, auf dem eine neue Tasse Kaffee, diesmal sehr frisch, stand. Er blätterte ein paar Unterlagen durch, die Zigarette im Mundwinkel, zwischendurch ein Blick auf Frau und Kinder und überlegte sich schon eine Ausrede, für sein verspätetes Kommen. Es wurde Zeit endlich mal seine Berge von Akten durchzuschauen, dafür musste er halt mal Überstunden nehmen. Inzwischen wurde es 11 Uhr und Chôs Augenlider wurden immer schwerer. Es war sehr still, nur die Uhr tickte leise vor sich her, ab und zu legte er die eine Akte weg und nahm unter Rascheln die nächste. Gerade als er die nächste nehmen wollte, hörte er es Klacken und sah auf. Er hatte ein schlechtes Gefühl... oder ob er nur übermüdet war? Sicherheitshalber jedoch, löschte er kurz das Licht und ertastete, dass seine Waffe immernoch ordnungsgemäß im Halter an seinem Hemd befestigt war.

Die Tür wackelte und klapperte, als ein etwas jüngerer Mann mit kurzen braunen Haaren und ebenso dunklen Augen am Schloss mit speziellem Werkzeug herumtüftelte. Ein Klacken erklang und sie schwang langsam quietschend auf. „Gut gemacht, Joe“, lobte der großgewachsene, uns bekannte Mann mit schwarzen Haaren und Springerstiefeln und klopfte dem Jungen auf die Schulter. „Ich gehe vor, dann kommst du und danach folgen die anderen, okay? Der andere Trupp ist hinten schon eingebrochen“ Mit diesen Worten ging er, mit erfahrener Miene ins Gebäude und sah sich um, zerschoss die Kameras mit Hilfe von Waffen mit Schalldämpfer, sodass nur ein leichtes Pfeifen zu hören war und das Klacken, als die Kameras ausgingen.
Als Chô das Licht wieder anmachen wollte, hörte er es laut Rumsen. Verwirrt sah er auf. Es hatte sich angehört, als wäre irgendwas zerdeppert. Das Geräusch kam von dem Trupp, der hintenherum eingebrochen war. Die Tür wurde aufgetreten und der Sicherungskasten für Licht, Kameras und Alarmanlage war auch bald hinüber.
Chô drückte seine Zigarette aus und trank den Kaffee auf Ex. Er setzte sich seine Baskenmütze auf und schlich zur Tür. Es gelang ihm nicht ganz leise zu bleiben. Immer wieder stolperte er über Akten und musste sich zurückhalten nicht jedes mal seinen Schmerz laut zu bekunden. Endlich war er an der Tür angekommen. Vorsichtig machte er die Tür auf, sah sich um und zeigte die Waffe herum, ehe er langsam prüfend durch die Gänge schlich.
In der Sicherheit der Dunkelheit, und dem Glauben unterworfen, es sei niemand mehr hier, nahm sich jeder der Truppe, die vorne hineingekommen waren ein Büro vor und durchforstete dieses. Dadurch, dass alles, ausgenommen der von den Taschenlampen beleuchteten Sachen, dunkel war, wurde Chô erst nicht entdeckt. Ruhig pirschte er sich durch die Menge und überlegte einen Schlachtplan. Er drückte auf einen Notschalter um andere Polizeistellen zu erreichen, doch wegen der abgeschalteten Technik, funktionierte nichts. Er ging weiter und sah jemanden vor sich, der sich nicht rührte. Der Anführer? Möglich wäre es. Da kam ihm die grandiose Idee diesen großgewachsenen Mann als Geisel zu nehmen. Er schlich sich an den Mann heran.
Plötzlich spürte er einen schweren Schlag auf seinen Hinterkopf. Die Mütze fiel hernieder, vor ihm wurde alles weiß, noch bevor seine Hand die Schulter des Mannes vor ihm berührte. Langsam fiel er zu Boden, die Hand löste sich von der Schulter. Um ihn herum wurde es still. Er schlug auf den Boden auf und Blut floss aus der Wunde auf dem Kopf. „Etwas mehr hättest du schon aufpassen können, Chef“, sagte der Mann vor diesem im Dunklen und leuchtete ihn mit der Taschenlampe direkt ins Gesicht. Der andere sah ihn nur kalt an. „Hör auf damit, euer Trupp hätte auch etwas schneller sein können“, meinte er. Chô hatte leider nicht gewusst, dass noch andere Leute hintenherum eingebrochen waren. „Soll ich ihn hinausschleifen?“
Mit diesen Worten wurde Chô hinausgebracht und in die nächste Gosse geworfen. Der Trupp leistete in der Polizeistelle gute Arbeit, für Gauner jedenfalls, und sie durchforsteten auch Chôs Büro um ihre gewünschten Informationen zu erhalten. Nun waren sie schon um einiges schlauer.
Ein Regen kam auf und prasselte laut. Die Tropfen des gerade aufkommenden Regens waren vermutlich das letzte, was der junge Inspektor noch spürte.


-A new social enviroment-

Cyra arbeitete in den nächsten Wochen in der Bäckerei bei Karin. Bald hatte sie die Möglichkeit für sehr wenig Geld als Untermieter bei jemandem unterzukommen. Das leerstehende Gebäude war doch etwas ungemütlich auf Dauer. Das wenige Geld für Essen glich sie damit aus, dass sie von Karin immer Reste mitbekam, die sonst weggeschmissen werden müssten. Ihre Nachforschungen führte sie natürlich in ihrem neuen Zuhause fort, aber nicht mit sehr viel Erfolg. Nebenbei hatte sie in Karin eine neue Freundin gefunden, die ihr ein Leben zeigte, in dem sie Dinge erleben konnte, die so früher nicht möglich gewesen wären. An diesem Sonntag war sie mit ihr wieder einmal verabredet. Cyra stand am Ausgang eines Bahnhofs vor einer ziemlich belebten Straße in der Innenstadt. Immer wieder hupte ein Auto oder ein Fahrad klingelte und die Leute unterhielten sich lautstark. An jeder Ecke wartete ein Imbiss darauf, Hungrige zu locken. Cyra hatte ihre langen braunen Haare zu zwei Zöpfen geflochten und mit roten Schleifchen befestigt. Ihre Hände hatte sie übereinander verschränkt und hielt so eine kleine rote Tasche. Cyra hatte ein weißes Kleid mit kurzen Puffärmeln an, dass sie zusammen mit Karin gekauft hatte. Es war heruntergesetzt gewesen, aber das schmälerte auf keinen Fall die Schönheit und Qualität des Kleides. Das Kleid ging ihr bis zu den Knien und hatte rote Spitze angenäht und in der Taille ein rotes Band, das hinten zu einer Schleife gebunden war. Cyra war etwas mulmig hier so zu warten, immer wieder sah sie sich nach Karin um. Ihre Füße waren vor Aufregung in ihren roten Ballerinas aneinander gepresst. Endlich kam Karin um die Ecke. Sie hatte einen kurzen grünen Rock und ein hellgrünes chinesisches Oberteil mit dunkelgrünen, aufgestickten Drachen an. In ihrem kurzen Haar war keinerlei Schmuck, es wirkte auch ohne ganz schön.
Sie kam auf Cyra zugetänzelt und empfing sie dann, indem sie sie umarmte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. „Na? Wartest du schon lange?“, fragte sie ganz lieb und sah auf Cyra hinunter. Diese nickte nur leicht und rang sich dann ein Lächeln ab. „Nicht so lange.. Hauptsache du bist jetzt hier.“, meinte sie und kam dann mit Karin mit. Sie gingen über die Straße, dann weiter geradeaus und schon bald standen sie vor dem großen Kino. Cyra staunte nicht schlecht. Ein größeres Gebäude hatte sie noch nie gesehen. Vierundzwanzig Stockwerke und das nur für ein Kino! Mit offenem Mund starrte sie das Gebäude an, dann sah sie zu Karin hinüber. „Und das soll ein Kino sein?“ Karin nickte schmunzelnd. „Es gibt sehr viele Kinosäle und alle sind riesig, mit mehreren, manchmal bis zu 40 Sitzreihen.“, erklärte sie. Cyra kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, aber irgendwann mussten sie ja hineingehen. Wenn man durch die Tür ging, kam man in einen großen Empfangsraum, der zwei Stockwerke besaß. Überall standen Pflanzen, auch ein Teich war angelegt worden. Cyra folgte Karin, wobei sie sich immer wieder ungläubig umschaute. Sie stellten sich an eine der Schlangen an. Cyra sah sich die Anzeige an. „Und was gucken wir?“, wollte sie wissen. Einiges hörte sich ziemlich schnulzig an, wie „Brennende Liebe“ oder „Der Sehnsucht schönstes Pflaster“. Aber Cyra hatte solche Liebesfilme immer sehr gern gehabt. Karin hingegen hatte ganz andere Vorstellungen von ihrem Abend und von einem guten Film. Ihr Blick ging etwas tiefer, sie ignorierte einfach diese schnulzigen Titel. „Weiße Rosen des fahlen Todes“, las sie leise von der Anzeige ab. Auf diesen Film hatte sie gewartet! Cyra sah verwirrt zu ihr herüber. „Weiße Rosen...“ Sie überlegte und schüttelte sich angewidert. „Hört sich an wie ein Horrofilm oder irgendwie sowas.“, murmelte sie, während Karin eifrig nickte. „Genau das gucken wir!“, erklärte sie freimütig und zog Cyra zur Kasse, die sie nun erreicht hatten. „Zwei Erwachsene für >>Weiße Rosen des fahlen Todes<<.“, erklärte sie breit grinsend. Auf dem Tisch wurde das Geld gegen zwei Karten getauscht und Cyra wurde weitergezerrt, noch ehe sie was anderes sagen konnte. „A-Aber ich kann solche Filme nicht leiden!“, meinte sie ehrlich. Karin lächelte und war wie immer voller Optimismus. „Keine Sorge, dieser Film ist einfach nur der Hammer!“ Damit zog sie Cyra weiter und diese musste sich wohl oder übel ergeben. Schnell wurden noch Popcorn, Tortillas und Getränke gekauft, ehe sie in den 10. Stock fuhren und von dort aus von oben in den Kinosaal gelangten. Sie setzten sich und Cyra sah zu Karin. „Ich muss dir schon jetzt danken.“ Auch wenn sie solche Filme nicht mochte, dachte sich Cyra im Inneren. „Ich hab seit Jahren kein Kino mehr besucht, das letzte Mal vielleicht, als ich 6 war.“, erklärte sie und nahm sich ihr Getränk und aß ein paar Chips. Karin lächelte. „Du brauchst mir nicht immer zu danken, Cyra. Das macht mich ganz verlegen.. Du bist immer so eine große Hilfe im Laden, und neuerdings hilfst du mir ja sogar schon beim Backen.“ Jetzt war es Cyra, die verlegen wurde. „Ach was.. das ist doch nichts“, kicherte sie, da wurde es schon dunkel um sie herum und die Leinwand wurde beleuchtet. Die Werbung lief eine ganze Weile, dann fing der Film an. Es war wirklich sehr gruselig. Ein paar mal klammerte sich Cyra an das Mädchen neben sich, während diese eifrig Popcorn und Tortillas in sich hineinfraß und gebannt auf die Leinwand starrte. Cyra sah kurz zu ihr, als sie es laut schmatzen hörte und es auch garnicht mehr aushielt, dem Film weiter zu folgen. Wie konnte Karin nur so ruhig herumsitzen? Cyra hatte schon oft Karins Mut und ihre Entschlossenheit bewundert. Ob sie auch mal so eine Persönlichkeit werden würde?
Als der Film aus war, hörte Cyra Karin noch eine Weile schwärmen. Sie gingen Eis essen und verabschiedeten sich dann um beide den Weg nach Hause anzutreten, mit dem Versprechen sich Montag wieder zu sehen.

An einem Wochenende ging es in den Vergnügungspark. Dahin, wo Cyras Eltern eigentlich nach ihrer Arbeit mit ihr hingehen wollten. Es war klar, dass Cyra dadurch an sie erinnert wurde. Sie sah das Medailon an, das sie von Chô bekommen hatte, sah das Bild ihrer Eltern an. Ob sie jemals etwas über ihren ominösen Tod erfahren würde? Oder würde sie ewig so weiter vor sich hinleben und ohne Gewissheit, was ihren Eltern den Tod gekostet hatte? Karin holte sie aus ihren Gedanken. Ihre eh schon kurzen Haare waren noch zu zwei Zöpfen zusammengebunden. Sie hatte ein weißes Sweatshirt, dass erst an den Schultern anfing und einen roten Rock an. Lächelnd sah sie Cyra an. „Womit wollen wir zuerst fahren? Mit der Loopingbahn?“, fragte die Rothaarige ganz aufgeregt. Cyra sah schweigend zu den Bahnschienen hinauf und folgte der Bahn mit ihren Augen. Sich gruselnd schüttelte sie den Kopf und war ganz bleich geworden. „Lieber nicht!“ Karins Augen funkelten gefährlich. „Ach komm, das macht Spaß!“ Sie nahm Cyra am Handgelenk und zog sie mit, wobei Cyras rotes kurzes Kleid leicht im Wind zu fliegen begann. Kaum hatte sich Cyra versehen, saß sie schon in einem Wagen, eng gepresst an Karin und die Sicherung kam auf ihre Beine herunter. Und schon ging es los. Der Wagen fuhr erst langsam an, dann wurde er schneller. Cyra presste die Augen in geringer Höhe schon zusammen, während ihr Wagen die Schienen entlang raste und ihre ersten Loopings nahm. Karin lachte laut und sah zu Cyra herüber. „Ey Cyra! Mach die Augen auf, so macht das doch gar keinen Spaß!“, lachte sie laut, während Cyra ihre Augen nur noch mehr zusammenpresste und nur leichte bejahende, doch zweifelnde, jaulende Laute von sich gab. Karin quietschte vergnügt und rief sobald sie draußen waren dazu auf, nochmal zu fahren. Cyra jedoch schüttelte angestrengt und eifrig den Kopf, sodass sie eine erneute Fahrt abzuwenden wusste. Doch im Vergnügungspark gab es ja nicht nur eine Achterbahn. Karin schleifte Cyra in sämtliche Bahnen, und jede schien schlimmer als die letzte zu sein. Am Ende konnte Cyra nur noch kreischen und das keinesfalls aus purer Freude. Als Karin schon wieder in die nächste Bahn steigen wollte, kam von Cyra wieder nur dieses eifrige Kopfschütteln. „PAUSE!“, seufzte sie erschöpft und lies sich auf einer Bank nieder. Karin lachte laut auf. Dann setzte sie sich neben ihre Freundin. „Herrlich! Ich muss zugeben Cyra, du hast länger durchgehalten als die meisten.“ Es war bekanntlicherweise Karins Hobby mit Freunden in Vergnügungspärke zu gehen und ihre Standfestigkeit zu testen. Cyra nickte nur, denn ihr war das alles herzlich egal. Bald jedoch hatte sie sich etwas erholt und beruhigt und sah wieder auf. Ein Imbissstand geriet in ihr Visier. „Weißt du was Karin? Ich hab Hunger, auf Süßes! Wie wäre es mit Zuckerwatte?“
Karin hatte nichts dagegen einzuwenden und so holten sie sich beide jeweils eine große Zuckerwatte, außerdem noch für Karin einen karamellisierten Apfel und karamellisierte Erdbeeren, für Cyra für später saure Schlangen und einmal Pommes. Nachdem sie alles verspeist hatten, war ihnen klar, dass Achterbahnen heute nicht mehr drin waren. Sonst würde wohl das ganze gute Essen wieder seinen Weg zurück nach draußen finden. Doch Karin hatte schon wieder eine andere Idee. „Zum Abschluss Cyra- es ist ja schon dunkel, lass uns noch einmal ins Spukhaus gehen, okay?“, fragte sie und war begeistert von der Idee. Cyra hingegen überhaupt nicht. Aber wie das so war, Karins Argumente funktionierten immer. Vielleicht funktionierten sie gerade deshalb so gut, weil sie keine wirklichen hatte, sondern die Leute, ohne weitere Widersprüche zuzulassen, einfach mit zog, sodass sie keine andere Wahl hatten, als Karin zu folgen. So gingen sie beide zum Eingang und dann hinein. Keine Sekunde war vergangen, da waren sie schon im tiefen Dunkeln verschwunden.

Nachdem seine Männer das Präsidium auf den Kopf gestellt hatten, waren sie um einiges schlauer, als die Polizei das je hätte sein können. Nur ein paar Recherchen fehlten, dann hatten sie den Fall so gut wie aufgedeckt. Der hochgewachsene Mann mit den Springerstiefeln saß an seinem Schreibtisch. Bei ihm liefen die letzten Informationen, die seine Bande sammelte, zusammen. Die Eltern von diesem Mädchen waren also bei der Übergabe auf der Baustelle ums Leben gekommen. Der Mann lächelte leicht spöttisch. „Ward ihr wirklich so blöd Anfänger einzusetzen? So was darf doch garnicht bei euch passieren...“ Ein Rätsel war es schon. Wie man sich nur so anstellen konnte...
Das Klingeln seines Handys holte ihn aus seinen Gedanken. Er nahm ab und hörte interessiert zu. „Chef, bei einem der Bauarbeiter haben wir tatsächlich Hinweise gefunden, dass er zu ihnen gehört. Wir haben sogar einen Zettel gefunden, auf dem ein nächster Termin und Ort für eine Übergabe notiert ist.“ Der Mann grinste. Das alles war einfach zu leicht. Eine Finte vielleicht? Aber nein, vermutlich wussten sie nicht einmal, dass er und seine Leute hinter ihnen her waren.

„Das ist gruselig, Karin. Ich kann kaum meine Hand vor den Augen sehen...“, sprach eine Stimme ziemlich ängstlich. Cyra quetschte sich leicht an Karin. Diese war wie immer ganz locker. „Ahhhh!“ Ihr Kopf drehte sich schnell zu Cyra, die direkt neben ihrem Ohr angefangen hatte zu kreischen, wie am Spieß. „Cyra, das ist doch nur eine einfache Geisterpuppe.“ Neben Cyra war ein weißer Männerkörper hervorgesprungen. Er hatte grüne Augen, große Zähne, seine Augenlider waren blutunterlaufen und seine Hände hatten Cyra angetatscht. „Nur eine einfache

Geisterpuppe?!“, fragte Cyra, sich langsam von dem Schock erholend. „Die ist echt horrormäßig! Das dich das so einfach kalt lässt!“ Karin lachte leicht. „Ach Cyra, die tut dir doch nichts.“ Langsam fuhr die Puppe zurück. „Komm, lass uns weitergehen.“ Sie nahm Cyra an der Hand und zog sie weiter. So gingen sie weiter in der Dunkelheit umher. Weitere Puppen sprangen hervor und ab und zu hörte man eine grausige Stimme. Es fing seltsam an zu grunzen. „Karin..“ Cyra fasste wieder nach Karins Arm. „Karin?“ Verwirrt griff sie ins Lehre. „Karin?! Mein Gott.. wo bist du.. lass den Scheiß...“ Niemand antwortete. „Karin!!!“ Cyra zuckte zusammen, als das Grunzen immer lauter wurde. Hektisch sah sie sich um und rannte dann los. Alles war so dunkel... Sie hörte leise Schritte und drehte sich wieder um. „K-Karin?“ Plötzlich sprang sie etwas von der Seite an. Cyra fiel nach hinten und kreischte wieder los, als vor ihr ein gruseliges Gesicht erschien. Als sie aufgehört hatte zu Kreischen, machte sie im Schein einer Taschenlampe ein böses Gesicht. Die Mundwinkel gingen runter und es bildeten sich leichte Grübchen in der Stirn. „Karin! Das war unfair, was sollte das?!“ Vor ihr stand Karin, ihr Gesicht mit einer Taschenlampe von unten erleuchtet und lachte laut auf. „Du hättest dein Gesicht sehen müssen.“- „Karin!“- „Was denn? Ich wollte nur mal sehen, wie du ohne mich zurecht kommst!“, meinte Karin breit grinsend. „Komm, ich helfe dir auf!“ Sie streckte Cyra ihre Hand entgegen. Die wiederum lies sich, immernoch leicht grummlig, aufhelfen. „Mach sowas nie wieder!“- „Jaja, ist ja okay.“ Karin lächelte entschuldigend. „Lass uns weitergehen, ich glaube wir sind bald am Ausgang.“ Gesagt, getan. Die beiden gingen also weiter. Die Geister verschwanden langsam und auch die Stimmen verstummten zunehmend. „Cyra?“ Plötzlich spürte Karin eine Hand an ihrem Körper. Aber Cyras Hände waren schon damit beschäftigt, sich an Karins Arm festzukrallen. „Ich glaube irgendwas fässt mich an...“ Cyra rollte mit den Augen. „Karin, lass den Unsinn!“ - „Nein... wirklich...“ Jetzt hörte sich Karins Stimme selbst etwas ängstlich an. „Bist du sicher?“ Cyra flüsterte leise. „Ahh!“ Cyra schlug hinter sich, weil etwas ihren Arsch begrabschte. „Hey.. ich glaube da war meine Geldbörse!“, schrie Cyra plötzlich hysterisch. Sie hatte auch so schon wenig Geld. „Was?“ Karin machte sofort ihre kleine Taschenlampe an und leuchtete umher. Doch niemand war da. „Bist du sicher? Vielleicht haben wir uns das auch nur eingebildet... schau nach, ob sie noch da ist.“ Cyra machte wie ihr geheißen und schaute nach. „Sie ist noch da...“ Karin lächelte. „Na dann, lass uns weitergehen. Da hinten ist der Ausgang.“
„Puh... das war ja knapp, komisch die anderen Leute haben das nicht bemerkt.“, erklang eine Stimme von der Seite her, als die beiden weg waren. Sie gehörte einem Mann mit etwas längeren, kurzen blonden, fast weiß geblichenen Haaren und einem ziemlich feinen Bart, der am Ende zusammengeflochten war. Der Mann grinste und ging durch eine Seitentür in den Lagerbereich des Spukhauses, um seine Beute zu betrachten. Er drehte sich zur Tür und schloss sie, als etwas von hinten an ihn herantrat. „Tom! Was machst du hier? Der Ort der Übergabe ist woanders.“, erklärte die tiefe Stimme ernst. Flechttom drehte sich um und grinste verlegen. „Naja, also weißt du Chef... ich dachte im dunklen Spukhaus könnte ich...“ Der Mann schüttelte nur etwas angenervt den Kopf. „Das ist immer das selbe mit dir Tom, hast du wenigstens viel erbeutet?“ Tom sah mit dem Mann das Geld durch. „Naja ganz ordentlich... nur das Mädchen zum Schluss hatte nicht so viel Geld.“

Inzwischen war es sehr dunkel geworden. Immerhin war es schon 22 Uhr. Auch der Vergnügungspark würde bald schließen. Cyra und Karin verließen den Park schon, dafür betraten ihn ziemlich üble Zeitgenossen. Die drei Männer waren alle samt nicht sehr klein, aber auch nicht übermäßig groß. Der eine hatte kurze wuschelige, blonde Haare. Er trug eine Lederjacke, ein etwas zerrissenes Shirt und eine ebenso zerrissene blaue Jeans. Er hatte einen Koffer an der Seite und eine Zigarette im Mundwinkel. Der zweite hatte schwarze kurze Haare. Er trug ein ordentlich gebügeltes weißes Hemd und eine schwarze Jeans. Seine Brogues waren auf Hochglanz poliert. Er sah sich etwas um und schob seine Brille hoch. Dann sah er zum dritten Mann. „Wo müssen wir hin?“ Der Dritte hatte auch schwarze Haare, aber lange, die zu einem Zopf gebunden waren. Er hatte ziemlich starken Bartwuchs und ein schwarzes Hemd und eine kurze Hose. Auch seine Beine waren nicht gerade rasiert. Alle drei hatten unter ihrer Kleidung Waffen versteckt. „Zum Riesenrad und dann zwei Stände... da ist dann eine schöne, dunkle Gasse.“ Der erste schnaubte und spuckte seine Zigarette aus. „Seid nicht so laut. Das muss nicht jeder wissen.“ Schon hatten sie ihren Weg angetreten.
Tom und seine Bande hatten sich schon auf die Lauer gelegt, als die drei ankamen. Noch war niemand da. Der Blonde wand sich an den Mann im leichten Streberlook. „John... du stellst dich da vorne auf und guckst, dass niemand uns in die Quere kommt.“ Dann sah er zu dem Langhaarigen. „Sky. Du hälst Wache hinter dem Haus da. Wenn unsere ach so tollen Partner sich komisch benehmen knallst du sie ab, okay?“ Die beiden nickten und gingen ihrer Wege. Schon bald kam ein etwas nervös aussehender, großer Herr. Er war schon etwas älter, hatte leicht angegrautes welliges, kurzes Haar und Falten im Gesicht. Er hatte einen feinen grauen Anzug an und eine Hornbrille. Etwas zurückhaltend ging er auf den anderen zu. „Sie sind BlackPanther

?“ Der Blondhaarige nickte. „Schön, dass sie so pünktlich erscheinen. Ich hoffe doch, dass sie weder Waffen, noch Wanzen oder Kameras am Körper tragen?“ Der Alte nickte. „Dann haben sie ja nichts dagegen, wenn ich das kurz überprüfe.“ Nachdem er den Mann überprüft hatte, nickte er zufrieden und öffnete den Koffer. Zum Vorschein kamen drei gut polierte Scharfschützengewehre. Der Mann sah sie sich an, hatte aber nicht sehr viel Wissen über Waffen. „Ich nehme an, die sind in Ordnung?“ Der Mann nickte. „Sicher, beste Ware.“ Er packte den Koffer wieder weg und griff dann in seine Jackeninnentasche. „Und hier sind die Dokumente.“ Nachdem er sie übergeben hatte, sah der Mann sie sich gut an. „Diese Waffe sieht nicht schlecht aus... Alles was sie gesagt haben darüber, scheint wahr zu sein.“, erklärte er und schaute sich die Bilder an und überflog kurz die Beschreibung. „Aber sie sollten auch mal ihre Chefs persönlich mit dem Präsidenten bekannt machen.“, schlug der Mann vor, ging vorsichtshalber etwas zurück. Der Blonde lachte. „Haben sie keine Angst, das werden wir noch früh genug machen. Allerdings Sind meine Vorgesetzten etwas zurückhaltend geworden, nachdem, was vor 5 Jahren passiert ist...“ Der Mann nickte. „Ehm..das... tut dem Präsidenten aufrichtig leid.“, wich der Mann leicht zurück. Sein Blick sagte jedoch etwas ganz anderes.
Die heimlichen Beobachter jedenfalls staunten nicht schlecht. Das nahm alles einen ganz anderen Weg, als zuvor gedacht. Sie jedoch waren sich sicher, dass sie schon bald hinter die ganze Wahrheit kommen würden.


Weiter gehts im 2. Kapitel Teil 2 "A new Community"

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Texte: Bilder [Cover] sind nicht mein eigen. Ich erhebe keinerlei Anspruch darauf
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2010

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