Vorwort
Anlässlich meines 60. Geburtstags am 28.02.2004 erfüllte mir meine Familie meinen Jugendtraum:
Seit meiner frühestens Jugend träumte ich davon, einmal mit der Transsib von Moskau nach Wladiwostok zu fahren.
Ich sammelte alles, was mit Russland zu tun hatte: Schallplatten von den Don-Kosaken, Fotos, Berichte über dieses Land, las fast sämtliche Bücher über Sibirien und träumte, wie gesagt, davon, einmal mit der Transsib zu fahren.
Mit der Transip fahren, hieß für mich: in den „ganz normalen“ Zügen zu sitzen, zwischen „ganz normalen“ Reisenden, die ihre Hühner und Enten in die Stadt zum Markt bringen und verkaufen, damit sie ihre Familien ernähren können.
Ja, so, wollte ich reisen!
Zu der damaligen Zeit fuhr man noch über 3 Wochen ununterbrochen mit einer dampfenden, stinkenden und kohlebetriebenen Eisenbahn.
Nie habe ich diesen Traum vergessen! Jedoch im Laufe der Jahre haben sich auch dort die Verkehrssituationen geändert. D.h.: die Großabteils mit Sitzplätzen wurden langsam zu sechser Schlaf-Abteiles umgerüstet, und seit einigen Jahren wurde die gesamte Strecke von Kohle auf Strom umgestellt.
Nun, die Jahre, gingen ins Land. Heirat, Familiengründung, Hausbau. Geschäft, die Kinder – keine Zeit, kein Geld. Und ich glaube, die Familie registrierte es auch gar nicht so, es war eben nur mal ein Traum!
Doch immer wenn ein Bericht in den Medien kam, saß ich wie gebannt vor dem Fernseher, verschlang alles was mit Russland zu tun hatte, und siehe da, langsam kam auch Interesse seitens meines Mannes auf.
An meinem 60. Geburtstag, es war ein Samstag, wir feierten im größeren Stil im Schützenhof in Hüttenbusch. Viele Gäste, mit vielen Geschenken überraschten mich. Dabei übersah ich, dass mein Mann, die Kinder mir zwar gratuliert, aber noch kein Geschenk überreicht hatten.
Doch in mitten dieser Geburtstagfeier, kam die Überraschung!
Meike, unsere Schwiegertochter bastelten eine Eisenbahn aus Tonpapier. In kyrillischen Buchstaben standen einige Stationen der Eisenbahnstrecke darauf und alle meine Familienmitglieder, marschierten allesamt im Saal auf, jeder mit einer umgehängten Schablone eines Waggons (insgesamt 10 Personen) Ich fiel aus allen Wolken!!!
Nein – damit hatte ich nicht gerechnet!!
Mein lang gehegter Traum: eine Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn!!
Diese Überraschung war ihnen gelungen und mir standen die Tränen im Gesicht! Ich konnte es einfach nicht fassen!! Zumal, da jetzt auch endlich mein lieber Mann dazu stand.
Kurze Zeit später fing ich mit den Vorbreitungen an:
Zuerst musste ich mich ja entscheiden, wann und wie dieses Unternehmen stattfinden sollte.
Also wälzte ich seitenweiße Informationen im Internet, stellte Fragen ins Netz und las Reiseberichte.
Nach einem Besuch zu einem Vortrag der Deutschen Bundesbahn, mit herrlichen Lichtbildern, aber allesamt im Sommer, war mir klar, dass ich diese Tour im Winter unternehmen musste.
Nach zahlreichen Besuchen einiger Reisebüros war ich schon ziemlich verzweifelt, denn es konnten mir nur Gruppenreisen angeboten werden, die erst Anfang April begannen.
Diese gingen dann auch nur 14 Tage, mit einigen Aufenthalten in Städten vor Moskau, die mich nicht interessierten.
Aber die Suche hatte sich gelohnt, denn wir fanden ein kleines Reiseunternehmen in Bremen, die solche Individualreisen, wie ich sie mir vorstellte, organisierte.
Knopreisen. GmbH
Hollerlanderweg 77
28355 Bremen
Nun begannen die Vorbereitungen Gestalt anzunehmen.
Zuerst legte ich fest, dass diese Reise im Winter stattfinden sollte! Ein richtiges Sibirisches Wintermärchen, musste es werden!
Auch wollte ich meinen Geburtstag, den 28. Februar 2005, in Russland erleben.
Frau Knop riet mir, nicht von West nach Ost (Moskau nach Wladiwostok) zu fahren, sondern von Ost nach West. Danach würden wir täglich eine Stunde an Zeit gewinnen und somit eine Stunde mehr Helligkeit.
Schnell wurden wir uns einig, und bald stand das Konzept in „Rohform" und meine anderen Vorbereitungen konnten weiterlaufen. So auch: „ich lerne Russisch.“
Ganz in unserer Nähe fand ich eine liebenswerte Frau, eine Deutsch/Russin, Franziska Pfeiffer, welche mir helfen wollte, mir ihre Muttersprache bei zu bringen.
Ich kaufte mir also ein „Lehrbuch Russisch“, was gar nicht so leicht war. Es gibt nicht viel Auswahl in dieser Sprache und………….alles ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben.
Stolz stand ich dann vor ihrer Tür und in unendlicher Geduld, jedoch auch mit der nötigen Strenge und Ausdauer brachte sie mir diese schöne Sprache und die russischen Buchstaben bei.
Nun besuchte ich sie regelmäßig 2 x in der Woche, saß fast zwei Stunden auf ihrem Sofa und büffelte ihre Muttersprache. Wir hatten viel Spaß miteinander, und so ganz nebenbei erfuhr ich auch einiges über die Sitten und Gebräuche ihrer Heimat.
Weitere Vorbereitungen bestanden aus der Zusammenstellung der Kleidung.
Da wir nie zum Skiurlaub waren und uns prophezeit wurde, dass im Februar in Sibirien ca. - 30 °C herrschen, war es angebracht, sich nach zweckmäßiger Kleidung zu erkundigen.
Ich lief so ziemlich alle Trekking und Sportgeschäfte ab und sammelte Informationen:
Also: Skiunterwäsche, Thermohosen und Jacken, Mützen und Handschuhe sind ja selbst-
verständlich. Dicke Fettcreme ins Gesicht, gegen die Kälte.
Da es in den Zügen meist rech warm sein sollte, musste man auch an leichtere T-Shirts denken.
Vieles hat Frau Knop in Ihrem Buch „Transib" beschrieben, ich habe alles genau studiert.
Doch auch kam auch die Frage nach Gastgeschenken, denn wir waren bei Gastfamilien untergebracht. So sammelte ich schon einmal diverse „Mitbringsel“ von denen ich dachte, sie würden gefallen. So z.B. packte ich verschiedene Teesorten zusammen. (Russen lieben verschiedene Teesorten wie Pfefferminze, Vanille- oder Früchtetees), warme Vlieshandschuhe- und Schals, (nicht lachen) Haushaltstücher und Schwämme (sie sind dort nicht zu bekommen und sehr begehrt, lt. Frau Knop).
Drei Strickkostüme von mir, sowie einige Mohair-Pullover, die in unseren Regionen zu warm waren. Aber auch einige Werbeutensilien mit deutscher Beschriftung. So z.B. Einwegfeuerzeuge mit Namenszug. Aber auch jede Menge Schokolade und Süßigkeiten.
Doch auch Medikamente, Geld oder Verpflegung während der Fahrt mussten bedacht und geregelt werden.
Da wir nur 30 kg Freigepäck hatten und das russische Flugpersonal sehr streng sein sollte, musste ich mit den "Kilos" schon haushalten.
Es geht los!
Die Unterlagen unseres Reiseablaufes von Frau Knop in der Hand beginnen mit:
Sehr geehrter Herr Böhm, sehr geehrte Frau Böhm,
Ihre Bahnfahrtkarten (außer für die Stecke Taischet - Kransojarsk, die für Sie in Ihrer Gastfamilie in Irkutsk bereit liegen) bekommen Sie von Ihrem Transferfahrer in Moskau.
Für jeden Tag das Programm, welches ich immer zu Beginn eines neuen Tages voran setze.
Lilienthal/Düsseldorf/Moskau,
Donnerstag, der 10.02.05
Abfahrt von Bremen HBF nach Düsseldorf via Duisburg um 5.38 Uhr mit Zug EC7. Ankunft in Duisburg um 8.11 Uhr auf Gleis 4. Weiterfahrt nach Düsseldorf ebenfalls auf Gleis 4 um 8.24 Uhr. Ankunft am Flughafen Düsseldorf um 8.31 Uhr. Abflug von Düsseldorf nach Moskau 10.40 Uhr mit der Aeroflot Flug SU 128. Ankunft in Moskau 15.35 Uhr und Transfer (d.h. Abholung durch einen Fahrer, der mit einem DIN A4 großen Namensschild am einzigen Ausgang nach dem Zoll auf Sie wartet) vom Internationalen Flughafen zum Inlandsterminal. Abflug nach Wladiwostok um 18.20 Uhr mit Flug SU 725.
Der große Tag ist da … die Reise beginnt!
5.00 Uhr morgens, unser lieber Nachbar Reinhard bringt uns zum Bremer Hauptbahnhof.
Ungemütliches Wetter ! Dunkel, nasskalt, es regnete.
Unser Zug sollte um 5.38 Uhr abfahren, aber – wie das so ist bei der Deutschen Bundesbahn – auf einer Strecke von Bremen nach Duisburg hat er schon mal 7 Minuten Verspätung!!
Wir sitzen dick angezogen mit Daunenjacke, Daunenweste darunter, dicken, gefütterten Stiefeln, Handschuh, Schal und Mütze in einem sehr warmem 1. Klasse Abteil der deutschen Bundesbahn.
Wir haben Schwierigkeiten, unser Gepäck: 2 große Reisetaschen mit Rollen, 2 Rücksäcke,1 große Tasche und eine Umhängetasche unter zu kriegen.
Die „dicken“ Sachen zogen wir in 6° „warmen“ Bremen schon an, da es das Transportvolumen sonst übersteigen würde.
In voller Erwartung schauen wir uns an, und ich kann es immer noch nicht fassen, dass es nun endlich nach Sibirien geht!! Ich bin so aufgeregt! Und glaube, alle sehen es mir an, dass wir etwas Besonderes machen??!!
Gott sei Dank, bekommen wir trotz Verspätung in Bremen noch den Anschluss zur S-Bahn nach Düsseldorf.
Raus aus dem Zug mit all dem Gepäck. Rolltreppe rauf, suchen nach dem Terminal – wir kommen schon ins Schwitzen!
Mit einer führerlosen Schwebebahn entschweben wir zum Flughafengebäude „B“.
Pünktlich um 10.55 Uhr erhebt sich die Aeroflot vom deutschen Boden und wir genießen die Spannung, die uns in den nächsten 3 Wochen bevorsteht.
Der Flieger ist knapp besetzt, so dass wir uns in der 1. Reihe niederlassen, schon wegen der Beinfreiheit. Unsere Plätze in der 9. Reihe nehmen andere in Anspruch.
Der Servis ist gut, freundlich, aber alles auf Russisch, die englische Durchsage kann man kaum verstehen. Alles russische Fluggäste, ich höre keine deutschen Worte.
3 Stunden später erleben wir eine superglatte und sanfte Landung. Wie ein großer Vogel schwebt das Flugzeug über die Landebahn. Das Aufsetzen merkt man kaum.
Moskau empfängt uns in einem weißen Kleid bei - 8 °C. Verloren blicken wir uns um und warten erst einmal in Mitten dem geschäftigen Umtreiben der Reisenden. Hier sieht man auch einige Ausländer bzw. Europäer. Geschäftsleute mit ledernen Aktenkoffern und eleganter Kleidung.
Endlich sehen wir am Ausgang einen Mann mit einem Pappschild in der Hand „Böhm“ und wir gehen strahlend auf ihn zu. Es ist unser Fahrer, der uns abholen soll.
Gott sei Dank spricht er ein kleines bisschen gebrochen deutsch und überreicht uns alle Zugfahrkarten mit Erklärungen, die ich, entweder nicht behalten kann, oder später wieder vergessen habe. Na, egal, jetzt sind wir erst mal in Moskau, mal sehen, wie es weiter geht?
Er verstaut das Gepäck in seinen uralten Moskwitsch und kutschiert uns zum Inlandsflughafen.
„Es schneit seit 6 Tagen“, erklärt er uns in gebrochenem, aber verständlichem Deutsch.
„Ich bringen jetzt zum Flughafen Scheremetjewo. Das ist der Inlandsflughafen. Dort fliegen Sie weiter nach Wladiwostok.“
Nach 15 Minuten Fahrt, vorbei an Häusern der sozialistischen Plattenbauweise, setzt er uns dort auch ab und erklärt uns noch einmal alle Bahnfahrkarten die wir auf unserer Transsib-Reise benötigten. Natürlich sind die Tickets sind natürlich auf Russisch gedruckt.
Der Fahrer lädt uns vor dem arg renovierungsbedürftigen Flughafen Gebäude ab. Wir drücken im ein Geldstück, sowie 2 Tafeln Schokolade in die Hand, und freudestrahlend verabschiedet er sich.
Ich glaube, halb Moskau will auswandern. Wir reihen uns in die große Schlange vor einer engen Eingangstür zum Flughafengebäude und warten geduldig, bis wir weiter geschubst werden.
Kalt ist es! Und der Wind pfeift um die Ecken! Verstohlene Blicke zielen auf uns, die einzigen Ausländer in der Menge.
Endlich haben wir die Tür erreicht und sind aus der zugigen Ecke heraus. Doch die Schlange drängt sich nun in einen kleinen Flur zu einer auf der anderen Seite gelegenen Tür, welche dann endlich ins Innere des Gebäudes führt.
Als wir diese passieren kommen wir zur ersten Personenabfertigung. An einem Tisch sitzen 2 streng aussehende, uniformierte Frauen mit strengem Blick. Sofort erkenne ich, dass sie nur die Ausweise und Reiseunterlagen sehen wollen. Nach eingehender Personenkontrolle, mit Blick in unsere Gesichter und der Pässe, winken sie uns mit unbewegter Mine weiter.
Die Masse schiebt sich nun zu den zwei Kontrollbändern. Alles Gepäck, sowie Mäntel und Jacken werden durchleuchtet, und schon gibt es die ersten Probleme.
Wir haben eine Tüte voll Werbefeuerzeuge mit, die wir – wohl weislich – in der Reisetasche verpackt haben, die wir aufgegeben wollen. „Njiet!“ ruft die gestrenge uniformierte Beamtin „Njioet, eto Njiet!!“ mehr verstehe ich nicht. Ein Wortschwall kommt über uns, und wir stehen ratlos da. Der ganze Verkehr hinter uns kommt ins stoppen – wir sind ein Hindernis.
Mit Händen und Füßen erkläre ich ihr, dass wir diese Tasche aufgeben wollen. Es sind Souvenirs und wir haben keine bösen Absichten damit. Wir wollen sie nicht in mit die Kabine nehmen. Doch es ist schwer, sie davon zu überzeugen. Langsam verbreitet sich Unmut unter den Wartenden. Es stürmen von allen Seiten Fragen an die Kontrolleurin. Sie sucht mit den Augen einen Kollegen, der natürlich nicht auf zu finden ist. Inzwischen passieren neue Gepäckstücke das Kontrollband. Am Ende purzelt alles zusammen und ein heilloses Durcheinander entsteht. Diesen Augenblick nutzen wir, in dem wir uns schnell und im Schutze des Gewühles verdrücken.
„Na, da haben wir aber noch einmal Glück gehabt!“ Gotthard strahlt über alle Backen. „Die Feuerzeuge hätte ich so wie so nicht hergegeben!“
„So, und wie geht’s nun weiter?“ Wir suchen den Check in Schalter nach Wladiwostock.
Es gibt zwei Schalter. Vor jeder eine doppelt und dreifache Schlange. Eine Schlange? Der ganze Raum ist ausgefüllt mit Menschen!! Nur bei genauer Beobachtung kann man erkennen, wer sich nach wo eingereiht hat.
„Wladiwostock?“ frage ich, „Da, da“ was so viel wie „Ja, ja“ bedeutet und es wird auf einen Schalter hin gezeigt.
Vor beiden „Check ins“ steht eine endlose Schlange dick vermummter Menschen mit riesigen Gepäckstücken. „Mein Gott,“ sage ich zu Gotthard, „haben die halb Moskau aufgekauft?“
Das einchecken dauert eine Ewigkeit, denn immer wieder bleibt das Transportband mit den Koffern stehen. Nichts rührt sich – doch keiner regt sich auf. Dann ruckelt es wieder weiter, und auch unsere Reisetaschen verschwinden in dem großen schwarzen Loch. Man hört nur noch ein Poltern – weg ist es – weiter geht’s!
Wo ist das Gate für unseren Weiterflug?
Gut, dass ich die kyrillischen Buchstaben „drauf“ habe, so kann ich wenigstens lesen, wo „Wladiwostok“ drauf steht.
Mit dem verbliebenen Handgepäck: 2 Rucksäcke, eine Umhängetasche, schauen wir uns in dem Getümmel um, und finden auch eine Sitzgelegenheit. Gotthard sinkt nieder und ist schon recht erschöpft.
„Sag mal, soll ich schon mal schauen wo ich Geld wechseln kann?“ „Ja, lauf mal, ich warte hier.“
`Na ja, wo willst du denn sonst auch anders hin? denke ich, und mach mich schon mal auf die Socken. In Anbetracht dessen, dass wir in Wladiwostock oder später im Zug mal einen Tee trinken oder eine Kleinigkeit essen wollen, ist es schon wichtig, heimisches Kleingeld bereit zu halten.
Ich kämpfe mich durch die Menschenmassen die mir entgegen kommen. Sie strömen durch Doppeltüren von draußen herein und bringen eine Wolke Kälte mit. Aber das kenne ich schon. Schnell finde ich eine Wechselstube. Ich beobachte wie der Vorgehende seine ausländischen Scheine umtauscht. Dann komme ich dran. Für 20,-- ¤ bekomme ich 660 Rubel. Schnell verstaue ich die Scheine in die Innentasche meiner Jacke, um sie später einmal genau zu inspizieren.
Jetzt kämpfe ich mich wieder, mit dem Strom der Menschen zu Gotthard.
Die wenigen Sitzgelegenheiten sind alle besetzt, doch Gotthard hat sich nun genügend ausgeruht, und lässt mir den Vorzug des Sitzens. Wir schwitzen in unseren dicken Klamotten, die wir nicht ausziehen können, da wir nicht wissen wohin damit. Ständig zähle ich die Handgepäckstücke durch. Mäntel Mützen Schal und Handschuhe nicht zu vergessen.
Nun sitzen wir zum ersten Mal richtig zwischen den Einheimischen und wir fühlen uns auch wie Fremde, wie Ausländer. Argwöhnisch werden wir beobachtet wie wir uns verhalten. Der Klang und die Worte unserer Sprache sind für viele fremd. Nichts deutet in ihren Gesichtern ob sie uns verstehen oder nicht. Wie auch wir in unserem Lande Menschen anderer Rassen und Sprache interessiert beobachten und fragen: `wie können die sich wohl verstehen?
Die Stewardess unserer Fluggesellschaft AEROFLOT begibt sich zur Ausgangstür. Und wie bei allen Flughäfen setzen sich die Menschen in Bewegung und reihen sich wieder zu einer wartenden Schlange ein.
18.20 Uhr Moskauer Zeit, (in Deutschland ist es jetzt 16.20 Uhr).
Einsteigen.
Der A 320, ein Airbus nach Wladiwostok, ist soweit!
Mit Bussen fahren wir über das Flughafengelände, über eine endlose Betonpiste zum Flieger.
Der Airbus ist, wie alle dieser Flugzeugtypen, sehr geräumig. An den äußeren Seiten sind die Sitze in dreier Gruppen angeordnet, dann kommt jeweils ein Gang und in der Mitte wieder eine Sitzreihe mit 4 Sitzen. Im hinteren Teil der Maschine verjüngt sich das Platzangebot. So gibt es nur Zweiersitze an den Fenstern.
Wir haben Glück, und die Reihe 36. 2 Plätze nebeneinander. Dennoch, das Flugzeug war nicht ganz voll, in den hintersten drei Reihen hatten es sich schnell ein paar Leute auf den Mittelsitzen gemütlich gemacht.
Na, wie hat Gorbatschow noch gesagt? „ Wer zu spät kommt………“ aber das kennt man ja.
19.00 Uhr Moskauer Zeit heben wir ab, und ein langer Flug beginnt.
Zum Abendessen konnte man zwischen Fisch- u. Fleischgericht wählen. Gotthard nimmt das Eine, ich das Andere. Es schmeckt sehr gut. Wir sind angenehm überrascht.
Kurze Zeit später gehen die Lichter aus. Es ist Schlafenszeit. Wir entledigen uns unserer Schuhe und streifen Wollsocken über die Strümpfe. Eine dünne Decke soll etwas Gemütlichkeit geben, aber die Enge der Sitze ist schon problematisch.
Hin und wieder leuchten kleine Leselämpchen. Ruhe kehrt ein. Ich weiß nicht wie ich sitzen soll. Habe Probleme mit meinen langen Beinen. Ich kann sie aber auch nicht auf den Gang strecken, da sonst die Vorbeigehenden drüber stolpern würden.
Verzweifelt suche ich eine bequeme Stellung zum Sitzen oder Schlafen. Hinter uns zwei asiatische Mädchen. Sie haben sich eingerollt und schlafen fest. Ich beneide sie. Auch Gotthard wendet sich hin und her und sucht verzweifelt die ruhende Entspannung.
Alles ist still. Hin und wieder hört man ein leises Schnarchen. Gott segne die Schlafenden!
Leider gibt es keine Monitore an den Vordersitzen. In einer anderen Fluggesellschaft nach Singapur konnte mir die Zeit ein bisschen mit Fernsehen oder Spielen verkürzen. So wandere ich auf meinen selbst gestrickten Socken immer wieder den Gang hin und her. Hole mir etwas zu Trinken, denn die Stewardessen haben sich teilweise auch zum Schlafen nieder gelegt.
´Na toll´ denke ich ´das ist aber ein toller Servis!´ Doch ich weiß wie der Kühlschrank mit dem Mineralwasser zu bedienen ist. Und einige andere nicht schlafende Reisende bedienen sich ebenfalls.
Langsam wird es draußen auch hell. Ein Sonnenaufgang in 12.000 m Höhe aus dem Flugzeug zu beobachten ist schon eine „Wucht“!!
Auch Gotthard kommt langsam zu sich. Er behauptet überhaupt nicht geschlafen zu haben. Na ja, dafür hat er aber hin und wieder einmal ganz schön „Geratzt“!!
Langsam kommt Bewegung in die Kabine. Auch das Personal reicht mit verschlafenen oder übernächtigten Gesichtern, heiße ‚Frotteetücher zur Erfrischung.
Schnell nehme ich meine Waschsachen die wir im Handgepäck haben und suche den Waschraum auf. Na ja, Katzenwäsche und Zähneputzen . Es muß schnell gehen. Andere wollen auch noch rein.
Endlich Anflug auf Wladiwostok!
Nach 9 Stunden erreichten wir bei 10.00 Uhr Ortszeit Wladiwostok und stellen unsere immer noch nach MEZ gehenden Uhren 11 Stunden vor.
2. Tag, Wladiwostok, Freitag, der 11.02.2005
Ankunft in Wladiwostok um 10.05 Uhr. Transfer zum Hotel Primorje. Frischmachen und dreiviertel Tag für die Stadt auf eigene Faust. Abends zu Fuß zum Bahnhof und Abfahrt nach Chabarowsk um 19.20 Uhr mit Zug Nr. 5 (Waggon Nr 9, Betten Nr. 7 + 8).
Wladiwostok empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen und - 20 °C.
Bei der Ankunft an diesem Flughafen erleben wir etwas ganz Neues:
Hier erwartet uns kein Bus der die Menschen befördert. Über die angefahrenen Treppen verlassen wir das Flugzeug. Einsam ! Ganz einsam, wie verloren steht es auf dem rieseigen Flughafenfeld. In weiter Ferne kann man zwei oder drei Maschinen erkennen, sonst: Leere!
Oh, wie schön ! Ich will ein Foto machen von unserem Flieger AEROFLOT und hole meine Kamera raus.
„Gotthard, bleib doch mal stehen, damit ich dich mit drauf bekomme.“ Doch schon steht ein Militärbonze neben mir. An seiner Jacke funkelnde Abzeichen aller Arten. Sicherlich alles ehrenvolle Auszeichnungen für erfolgreiche Dienste für das Vaterland. Die große Tellermütze nach hinten geschoben lies eine hohe Stirn frei. ´Gott, dass der nicht friert! schießt es mir durch den Kopf. „Njiet!“ ruft er mir zu und ein weiterer Wortschwall ergoss sich über mich. Na, ja, ich verstehe schon, fotografieren verboten! Oh Katja Böhm, militärisches Gelände!! Hätte ich mir aber auch denken können!!
Rasch suchen wir den Anschluss zu den Reisenden und erreichen das Flughafengebäude von Wladiwostock.
Im Getümmel vieler Menschen erblicken wir einen jungen Mann mit einem Schild „Böhm“ .Er spricht uns sofort an, und in ein paar englisch Brocken deutete er uns an, dass wir hier in der Menge warten müssen.
In dieser „Empfangshalle“, ähnlich wie auf unseren Bahnhöfen, stehen nun alle ankommenden Passagiere. Eine bedrückende Enge. Gedränge und Geschubse. Einige bahnen sich einen Weg durch die Wartenden. Mit dicken Handgepäckstücken stoßen sie sich den Weg frei.
Unser „Abholer“ erklärt uns, wir sollen einen Moment warten, er wolle nur das Auto holen. Na ja, wie auch immer. Wir drücken uns an die Wand warteten. Mit den dicken Jacken, Schal und Mütze am Körper, fangen wir langsam an zu schwitzen. Das Handgepäck zwischen die Beine geklemmt schiebt uns jemand zu Seite. Ach ja, wir stehen ja auch vor der Toilettentür!
Wo erhalten wir denn nun unsere Reisetaschen??
Alle Wartenden starren auf eine Tür, über der eine digitale Zahlenanzeige hin und wieder aufblinkt. Endlich kommt unser Fahrer wieder. Er klärt uns auf. Wir müssen auf die aufblinkenden digitalen Zahlen achten. Sie zeigen die Flugnummer der einzelnen angekommenen Flugzeuge auf.
Na, nur gut, dass Zahlen einheitlich sind und nicht auch noch kyrillisch !!
Jedes mal, wenn sich die Anzeige änderte, schieben sich viele Menschen durch diese enge Tür, die sich auch sofort wieder schloss.
Wir warten ca. 40 Minuten, dann erblicken auch wir unsere Flugnummer und drücken uns zwischen den anderen Reisenden in einen größeren Raum.
Hier in diesem Bereich läuft ein einziges Laufband, welches das Gepäck aller ankommenden Flüge anrollen läst.
Wir erkennen unsere Reisetaschen, nehmen sie vom Band und begeben uns zum Ausgang. Hier werden wieder äußerst genau die Flugtickets mit dem Gepäck verglichen.
Diese Angelegenheit ist zwar langwierig, aber sicher.
Ein Wagen bringt uns zum Hotel Primorje, das gleich hinter dem Bahnhof liegt, an dem wir am gleichen Abend abfahren. Hier beginnt nun auch der eigentliche Teil der Transsib-Reise.
Das Hotel Primorje ist ein kleines, schlichtes Hotel gegenüber dem Bahnhof von Wladiwostock.
Wir quetschen uns mit dem Gepäck in einen engen Fahrstuhl, der sich ächzend nach oben in die zweite Etage bewegt.
Gott, ist das eine Hitze hier! Schon total durchgeschwitzt, reiße ich mir die dicke Kleidung vom Leib und öffne das Fenster. Gotthard testet erst einmal ermattet das Bett und will sich ein wenig ausruhen.
Ich krame unser Gepäck auseinander, schiebe was von „A“ nach „B“ und lege neue Kleidung zurecht.
Nach einem erfrischenden Duschbad, frisch angezogen und mit geordnetem Gepäck, geht es uns schon wieder besser.
Wladiwostok ist der wichtigste Stützpunkt der Pazifikflotte. Die strategische Bedeutung der Stadt liegt in der Tatsache, dass der Hafen nur ca. 72 Tage im Jahr zugefroren ist.
Bis 1990 war Wladiwostok eine geschlossene Stadt, die selbst nur russische Bürger mit Sondergenehmigung besuchen durften.
Transsibreisende durften mit dem Zug nur bis nach Chabarowsk fahren und dann nachts, damit sie keine militärischen Anlagen sehen konnten, von Chabarowsk per Zug weiter bis bis Nachodka, von wo aus die Fähren nach Japan verkehrten.
Heute zählt Wladiwostok etwa 670.000 Einwohner und ist das wichtigste politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum im Osten Russlands.
Zu den Haupteinnahmequellen zählen die Werften, der Fischfang und die Marine.
Es gibt 15 Hochschulen, eine Universität, vier Theater, sowie Konzertsäle, Museen und Galerien.
Dick bekleidet mit unserer Winterausrüstung (entsprechend den Außentemperaturen von - 30 °C,) verlassen wir das Hotel und erkunden bei strahlend blauem Himmel unsere erste sibirische Stadt.
Gegenüber dem Bahnhof steht eine Lenin-Statue, die in Richtung des alten Postamtes zeigt, das auch im Innenraum architektonisch sehr interessant ist. Geht man die „Uliza Aleutskaja“ weiter, so kommt man zu einem Kunstmuseum.
Eine der schönsten Ecken Wladiwostoks, im Zentrum, ist die Kreuzung der Straßen Aleutskaja und Swetlanskaja. Hier wurden viele Häuser aufwendig restauriert und die Fassaden gestrichen. In der Uliza Swetlanskaja (Uliza heißt: Straße) haben wir einen wunderschönen Blick auf den Hafen.
Die Straßen und Bürgersteige sind nicht gestreut, so wie bei uns vorgeschrieben. Sondern man geht oder fährt über eine dicke, festgefahrene Schneedecke.
Schick gekleidete Damen, überwiegend in eleganten Pelzmänteln und -Mützen, mit feinen, spitzen Stiefelchen neuester Mode, beleben das Stadtbild.
Es weht ein scharfer Wind, der uns – nicht an diese Kälte Gewohnten – ins Gesicht schneidet.
Wir suchen ein kleines Cafe auf, und bestellen uns (auf Russisch natürlich) die hier üblichen Getränke: Tee und zwei Wodka. „Zwei Wodka?“ die junge hübsche Bedienung schaut uns ratlos an. „Sto Gramm?“ Ach ja, hundert Gramm wiederholte ich in meinem besten Russisch. Na klar, hier in Russland bestellt man immer nah Gramm. 50 Gramm, 100 Gramm oder mehr.
Wir bekommen unseren schwarzen, heißen Tee und eine kleine Karaffe mit abgemessenen 100 Gramm Wodka. Dazu 2 Gläser. Na denn Prost, die Lebensgeister kamen wieder.
Wir haben einen schönen Fensterplatz und können das Treiben auf der Straße in wohliger Wärme beobachten. Alles ist sauber, ruhig, warm und ruhig. Wir bezahlen und ich will schnell noch einmal die Toilette aufsuchen. Vergeblich finde ich einen Hinweis hierzu und frage danach.
Nein, hier im Lokal befindet sich kein WC, ich solle doch bitte mit kommen.
Raus aus dem Lokal führt sie mich durch dunkle Gänge. Vorbei an schwach beleuchteten Räumen mit offenen Türen. Arbeitende Gestalten blicken mich an, blicken mir nach. Ich spüre ihre Augen.
Wieder durch eine Tür in einen nächsten Gang „Oh Gott, hoffentlich finde ich wieder zurück??“
Landete ich endlich vor einer Toilette. Erster Schock! Vor Drecks strotzende, ehemals weiße Kacheln, welche wahrscheinlich noch aus der Vorkriegszeit stammen „Zieren“ die Wände. Eine eisige Kälte schlägt mir entgegen. Drei so genannte „Toiletten“ (leider weiß ich keinen Ausdruck für dieses Etablissement) befinden sich auf einer Kachel hohen Sockel. Die Schwingtüren sind etwa 1,20 m hoch. Im Stehen könnte man sich locker mit seinem Nachbarn unterhalten.
Ich öffne eine Pendeltür und ich stehe vor einem dünnen, schwarzen Loch. Rechts und links davon Abtritte, damit man weiß wo man seine Füße hin zu stellen hat. Tür abschließen? Na, was ist denn das? Gut, dass ich nicht so viel an habe, und schnell verrichte ich mein Geschäft. Schon auch der Kälte wegen. Auf dem Rückweg ins Lokal verlaufe ich mich natürlich und finde nicht den richtigen Eingang. Doch irgendwie klappte es schon und ich sah einen erleichterten Gotthard. Er machte sich schon Sorgen, wo ich denn so lange bleibe.
Wir bezahlen und verlassen das gastliche Haus. Draußen empfangen uns wieder die ungewohnten Temperaturen. Vorsichtig bewegen wir uns auf der fest getretenen Schneedecke und erkunden den Bahnhof. Ein wunderschönes Gebäude ! Ja, so habe ich mir die russischen Bahnhöfe vorgestellt !! Ich bin glücklich!!
18 Uhr, zurück zum Hotel. Wir schnappen unsere gesamte Ausrüstung und marschierten zum Bahnhof. Sehr beschwerlich mit all dem Gepäck und dicker Bekleidung. Die Rollentaschen im Schnee laufen nicht so gut, wie beim Kauf in Bremen im Geschäft auf glatten Böden.
In dem historischen und reich verzierten Bahnhof (das gilt übrigens für alle anderen Bahnhöfe die wir kennen gelernt haben) gibt es eine (oder mehrere) Wartehallen.
Überall in den Gebäuden ist es sehr warm, teilweise überheizt. Lange Bankreihen, auf denen sich wartenden Reisenden drängen. Müde, ruhig blicken sie auf eine digitale Anzeigetafel. Hier werden Zugnummer, Fahrtzeit und Ziel angezeigt. Ankunfts- und Abfahrtszeit des Zuges, sowie die Minuten des Aufenthaltes.
Hin und wieder klinkt sich eine Zahl hinzu, das ist die Bahnsteignummer, in der ein Zug gerade ein läuft . Dann setzt sich jedes Mal eine Traube von Menschen in Bewegung. Endlich erschien unsere Zugnummer mit der Angabe von Bahnsteig und Abfahrt.
Bahnsteig Nr. 1, Zug Nr. 5, Wagen Nr. 9
Wir setzen uns mit der Masse der Anderen in Bewegung und verlassen den warmen Warteraum. Eigentlich ganz froh, frische Luft und Kühle zu bekommen, aber schnell sehnen wir uns wieder zurück. Schrab schrab schrab, unsere Rollentaschen schraben über die Schneedecke. Vorbei an Ständen wo dick vermummte Menschen heiße Piroggen verkaufen. Sie treten von einem Fuß auf den Anderen und blasen warmen Atem in die Handschuhe.
Lang ist der Weg zum Bahnsteig Nr. 1! Treppauf … Treppab … Rolltreppen? Was ist das?
Wir wuchten alles über 6 Treppenabsätze nach unten, wo unser Zug wartet.
„Schaffst du´s noch?“ ruft Gotthard der schon ein Stück voraus gegangen ist. „Mein Gott, was hast du bloß alles eingepackt?“ Die Taschen wurden mit jedem Meter schwerer!
Endlich, kommen wir unten an. Wagen Nr. 9. Na ja, wie soll’s auch anders sein, es ist natürlich der letzte Waggon und wir müssen weit schleppen.
An jedem Eingang eines Waggons steht eine Schaffnerin, die gewissenhaft von jedem Reisenden die Fahrkarten und Pässe kontrolliert. Eine beruhigende Sicherheitsmaßnahme, die ich mir auch in unseren Ländern vorstellen könnte.
Die Stufen zum Waggon sind sehr hoch, und wir haben Mühe, mit all dem Gepäck auf die Plattform zu kommen. Die Gleise sind nicht wie bei uns, tiefer gelegt. Sie sind ebenerdig mit dem Bahnsteig und man muß erst die Höhe der Räder überwinden. Deshalb ist die erste Stufe sehr hoch. Das sind wir nicht gewohnt. Die Russen jedoch haben keine Schwierigkeiten damit. Locker steigen sie auf, selbst alte Leute schaffen es leicht.
Gotthard steigt als erster ein, ich wuchte ihm das Gepäck nach oben. Dann erklimme ich die Stufen und Gotthard zieht mich an meiner Jacke nicht ganz so sanft ins Innere des Zuges.
Tja, da stehen wir nun in all unseren Gepäckstücken. Andere Menschen drängen nach und wir werden durch einen engen Gang geschoben. Auf dem dicken Läufer sollen unsere Taschen auch nicht so gut. Menschen stehen am Gangfenster. Wir drücken uns an ihnen vorbei, bleiben ab und zu mit dem Gepäck hängen. „Entschuldigung“ hauche ich, ganz außer Atem.
Endlich haben wir unser Abteil erreicht. „Plätze Nr. 7 + 8“ bedeutete: Eine Liege oben, eine unten.
Oh Gott, in diesem Abteil sitzen schon 2 Männer, der eine mit einer Flasche Bier in der Hand!
Na, das kann ja heiter werden!!
So, da stehen wir nun mit unserem Gepäck! Erst mal alles auf die untere Bank – schon ist kein Platz mehr zum Sitzen.
„He, sollen wir denn im Sitzen schlafen? Das winzige Abteilchen!! Nee, das mach ich nicht mit!“ Gotthard ist entsetzt!! „Nein, hier bleibe ich nicht! Und guck mal, der Eine hat schon ´ne Flasche Bier am Hals, das kann ja heiter werden! Und diese Enge! Da sollen 4 Personen schlafen? So habe ich mir das nicht vorgestellt!“ Gotthard ist sauer!
So, da stehen wir nun und versuchen, die dicken Reisetaschen, Rucksäcke und andere Taschen, sowie Mäntel, Mützen und Schals unterzukriegen.
„Nicht eine Nacht bleibe ich hier. So hab ich mir das nicht vorgestellt!“ wiederholt er immer wieder.
Die beiden Russen verlassen das Abteil (Gott sei Dank haben sie nichts verstanden!), da sich auf Grund der Enge ja nur einer, höchstens 2 Personen bewegen können.
„Ich gehe in den Speisewagen – und morgen sehe ich weiter.“ Sprach´s – und weg ist er.
Ich stehe da, mir ist zum Heulen zu mute. „Komm ich helfe Dir“, sagt der mit der Flasche Bier, auf Russisch. Er hat wohl unsere Differenzen mitbekommen.
Die Sitzbänke kann man hochklappen. Hier verstauen wir erst mal eine große Reisetasche.
Die schwarze Tasche hat daneben auch noch Platz. So, das ist schon mal weg.
Die Rucksäcke kommen in die Ablage über die Tür, die letzte Rollentasche stellen wir senkrecht auf die untere Liege. Schon sieht es etwas aufgeräumter aus.
Langsam setzt sich der Zug in Bewegung und das Abendteuer beginnt. Oder hat es schon begonnen?
Die Schaffnerin kommt und bringt uns die Bettwäsche. Es sind einfache Laken. Eingeschweißt in eine Folie. Hart und kratzig, wie es sich später herausstellt. Der „Eine“ zeigt mir, wie man die dünne Matratze ausrollt und das Bett zum Schlafen fertig macht.
Tja, da sitze ich nun. Meine Traumreise, eine Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn’ beginnt mit einer Enttäuschung, seitens meines Mannes. Ich bin sehr traurig, denn so habe ich es auch mir nicht vorgestellt! Langsam steigen mir die Tränen in die Augen, und meine Abteilbewohner merken, dass ich traurig bin. Einer der Beiden bietet mir ein Bier an. Sollte ich ablehnen? Nein, denn was kann ich dafür, wenn es meinem lieben Mann nicht gefällt?! Es ist meine Reise! Es ist mein Geschenk!
Na klar, ich will jetzt nicht in Trübsal verfallen und nicke freundlich. Oh, die Beiden freuen sich, mich aufgeheitert zu sehen und schenken mir ein Glas Bier ein. Woher wir kommen? „Germani“, na alles klar. Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass wir einen Geologen, spezialisiert auf Vulkane, sowie einen PC-Spezialisten als „Zimmergenossen“ haben.
Mit Hilfe meines deutsch/russischem Wörterbuches, vieler Handbewegungen, Lachen ein paar Brocken Englisch verlief die Unterhaltung hervorragend.
Gegen 22.00 Uhr taucht auch Gotthard an der Abteiltür wieder auf. Er macht große Augen, als er mich lachend, und Bier trinkend sieht. „He, was ist denn hier los?“ „Komm her, trink mal ein schönes Glas russischen Piwo (Bier)“ Unsere Mitbewohner holen rasch ein Glas und nun wird auch Gotthard mit in das russische Zug-Abteil-Leben integriert.
Auf einmal verschwindet einer der Männer. Nach kurzer Zeit kommt er mit Tellern voll herrlichen Essen aus dem Speisewagen wieder. Wir sollen mit essen. Ja, das ist russische Gastfreundlichkeit!
Bei gutem Essen, Bier und etwas Wodka haben wir dann noch bis Mitternacht auf einem PC wunderschöne Fotos von Landschaften um Kamtschatka, Vulkanausbrüchen und Fischen gesehen.
Glücklich erklimme ich mein oberes Bett und mache mich für die Nacht zurecht.
Ich kann herrlich schlafen. Das war nicht der Grund von Bier und Wodka. Nein, müde war ich schon. In den letzten Stunden ist so viel geschehen. Der lange Flug. Die Umstellung der Temperaturen und überhaupt: ach, ich bin glücklich! Das monotone Zuggeräusch und die schaukelnde Bewegung wiegen mich in den Schlaf und lassen mich von der russischen Unendlichkeit träumen.
3. Tag, Chabarowsk, Samstag, der 12.02.2005
Ankunft in Chabarowsk um 10.05 Uhr. Transfer zu einer Gastfamilie. Frühstück in der Gastfamilie. Drei Stunden mit deutschsprachiger Führung zu Fuß und Besuch des sehr interessanten Heimatmuseums.
Kurz nach 6.00 Uhr, Gotthard weckt mich und stöhnt: „Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugemacht! Diese Hitze! Das Rattern des Zuges, die schlechte Luft!“
„Na ja“ denke ich, „mußt Dich schon dran gewöhnen, denn das ist ja erst der Anfang und wir haben noch 20 Tage vor uns!“
Wir machen uns fertig. Mit meinem Waschbeutel und dem bahneigenen hauchdünnen Handtuch bewaffnet, reihe ich mich in die Schlange der Wartenden vor dem Waschraum ein. Bei den meisten Reisenden geht die Morgentoilette rasch. Sie kommen frisch duftend zurück. Doch wir müssen uns erst an die neue Situation gewöhnen. Ich beschreibe es später einmal genauer.
Dann, noch schnell eine Tasse Tee und pünktlich um 7.00 Uhr fährt der Zug Nr. 5 in den Bahnhof von Chabarowsk ein.
Wieder steht direkt vor unserer Waggontür ein Fahrer zu unserer Abholung bereit. Nach einer kurzen Anmeldung im Inturistbüro (warum dies, weiß ich auch nicht) bringt er uns zu unserer ersten Gastfamilie.
Eine „Mietskaserne“ im Zentrum der Stadt, übelster Ansicht von außen, empfängt uns.
Die Fassade hat seit Jahrzehnten keinen neuen Anstrich mehr gesehen. Die Fenster sind mit dicken Eisblumen bedeckt und über den kleinen „Fensterchen“ im Fenster hängen dicke Eisklumpen.
Die schwere eiserne Haustür ist kaum aufzukriegen und das Treppenhaus ist in einem ebenfalls dreckigen und verkommenen Zustand, ich kann es hier nicht beschreiben (Müll, Unrat, Schmierereien). Ein langer, dunkler Gang, spärlich mit einer 25 Watt Birne beleuchtet, führt uns zum Treppenhaus. Aber immerhin gibt es einen Fahrstuhl der uns und unser übermächtiges Gepäck in die 11. Etage bringt.
Unsere „Gastwohnung“ ist das genaue Gegenteil! Hinter einer Eisentür öffnet sich eine gepolsterte Holztür und wir werden von der Gastgeberin freundlich empfangen.
Wir finden große, saubere Räume, viele Teppiche und bunt tapezierte Decken vor. Sie zeigt uns das Gästezimmer wo wir uns sofort unserer warmen Jacken entledigen. Es ist sehr warm in der Wohnung, auch in „unserem“ Zimmer. Der Heizkörper ist knallig heiß und geht nicht herunter zu regeln. Abschalten? Nein, geht auch nicht. Also: Fenster auf. Diese Hitze ist ja nicht zum aushalten!
Wir machen uns in dem „relative modernen“ Badezimmer frisch. Dann wird uns in der Küche ein Frühstück zubereitet.
Milchreis, mit Butter, Pfannkuchen, Salat von Roten Beeten mit Zwiebeln, Käse, Obst. Dazu ein undefinierbares, süßes, dickflüssiges, aus Milch oder Yoghurt bestehendes Getränk. Alles schmeckt sehr gut, und satt und zufrieden überreichen wir unsere Gastgeschenke. Die Freude ist groß. Aber die Handhabung mit den „Britt-Schwämmen“ muß ich erst erklären.
10.00 Uhr kommt unsere Stadtführerin Anastasia.
In einem Kleinbus fahren wir zur Innenstadt. Schon im Bus erzählt uns Anastasia einiges aus ihrer Stadt.
Am Zusammenfluss des Ussuri und des Amur, auf einer Höhe von 70 m u. NN liegt die 620.000 Einwohner zählende Stadt Chabarowsk.
Im Jahre 1858 ließ der Generalgouverneur Ostsibiriens, Graf Murawjow eine Festung mit dem Namen Chabarowka erbauen. Russland wollte die Region gegen das 40 km entfernte China sichern. Der Ort war ein Militärposten und Pelzhandelsplatz.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt entwickelte sich erst mit der Eröffnung der 766 km langen Bahnlinie Chabarowks – Wladiwostok, die nach 6-jähriger Bauzeit eingeweiht wurde.
Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen, zählen der Maschinenbau, Holzwirtschaft, Ölraffinerien, Fischfang und Bergbau.
Auffallend sind hier die vielen Chinesen, die als Touristen in die Stadt kommen und illegaler Arbeit nachgehen, jedoch immer wieder ausgewiesen werden.
Man sieht, auch hier hat es die Regierung mit den „Billiglohnkräften“ zu tun!
Die Bevölkerung ist sehr jung. Etwa jeder 10. Bewohner ist Student an einer der 5 Universitäten, 5 Akademien, 11 Hochschulen, 17 Fachhochschulen oder an einem der 30 wissenschaftlichen Forschungsinstitute. Bekannt ist das Eisenbahninstitut, das mit seinen 100.000 Studierenden das größte des fernen Ostens ist.
Chabarowsk gehört zu den schönsten Städten Sibiriens. Es liegt am Amur und ist auf 4 Hügeln erbaut. Auf jedem dieser Hügel steht eine Kirche, alle nach der Perestroika neu erbaut, die älteste ist 10 Jahre alt.
Am Leninplatz verlassen wir unser warmes Auto und zu Fuß geht es weiter.
Es ist eisig kalt, ein starker Wind, macht uns das Sprechen schwer. Man hat das Gefühl, die Gesichtshaut friert ein. In einer der neuen Kirchen können wir fantastische Schätze, Malereien und Ikonen, betrachten und uns nebenher auch ein wenig aufwärmen.
Weiter zum Denkmal des gefallenen Soldaten. Auf riesigen aneinander gereihten schwarzen Granitblöcken, aufgestellt wie Buchseiten, sind tausende von Namen von Gefallenen eingraviert und lassen die dunklen Seiten der Geschichte wieder aufleben.
Andächtig lodert eine ewige Flamme. Ein einsamer, bedrückender Platz.
Weiter fährt uns der Fahrer mit Anastasia über eine 2 km lange Brücke über den Amur.
Über den Marawjow-Arski Bulwar gelangen wir zu dem interessanten Heimatmuseum und sind froh, mal wieder etwas der Kälte entkommen zu sein. Die Kälte als solches ist ja gar nicht schlimm, besonders übel ist der scharfe Wind.
Wie gesagt: Im Heimatmuseum wärmen wir uns etwas auf. Die Exponate und Erklärungen unserer Reiseführerin sind präzise und aufschlussreich!
Ich bin sehr glücklich und genieße alles. Doch in Gotthard brodelte etwas. „Umbuchen“ schwirrt in seinem Kopf herum. „Umbuchen auf Zweibettabteil. Ständig versucht er das Gespräch darauf zu bringen, dass ich immer wieder „abwürge“. Doch Gotthard lässt nicht locker. Jedoch das
„Theater“ am Bahnhof, als er versuchte mit Hilfe Anastasias die Zugtickets auf Zweierabteile umbuchen zu lassen, will ich an dieser Stelle auslassen.
Nach erfolgloser „Beendigung“ dieser Angelegenheit führt uns Anastasia in ein modernes Schnellrestaurant. Hier erholen wir uns bei heißem Tee und schließen endlich das Kapitel der Umbuchung ab.
Wir bedanken uns bei der lieben Anastasia die anstelle 3 Stunden, ganze 6 Stunden mit uns verbracht hatte. Ich schenke ihr mein Halstuch und eines der Gastgeschenke, die ich immer mal so mit mir führe.
Wieder allein, jetzt machen wir auf eigene Faust eine „Stadtrundfahrt“.
An einer Haltestelle schreibe ich mir den Stationsnamen auf. (Gut dass ich schreiben und lesen kann!) Dann steigen wir in den nächsten Trollybus. Wir wollen „eine Runde“ fahren. Mal sehen was passiert?!
Die Temperatur im Bus ist eisig! Ich glaube, auch hier sind Minusgrade, und wir frieren entsetzlich, da uns auch die Bewegung fehlte. Es zieht durch alle Fensterritzen. Jedes Mal wenn sich die Bustür kommt ein neuer Schwall Kälte rein.
Die Menschen sitzen dick vermummt und schweigend da. Eine Schaffnerin trohnt auf einem erhöhten Sitz in der Mitte des Fahrzeuges und verkauft die Fahrkarten. Manche bezahlen beim einsteigen, manchmal sucht sie die Fahrgäste an ihren Plätzen auf.
Wir verlassen die Innenstadt und kommen in einen Außenbezirk. Über festgefahrene Schneedecke in relativ raschem Tempo bewegt sich das öffentliche Gefährt.
Nach einer halben Stunde fragt uns die Schaffnerin, wo wir denn hin wollten. Ich zeige ihr den Zettel, mit der Station und sie sagt nur: „Oh je, das ist aber noch weit und lang“, natürlich auf Russisch, aber ich habe es verstanden.
Nach einer Stunde erreichen wir unser Einstiegsziel und sind froh, uns wieder bewegen zu dürfen.
20.30 Uhr fallen wir dann todmüde auf unsere Doppelbettcouch und schlafen in wohlverdienter Ruhe.
4. Tag, Chabarowsk, Sonntag, der 13.02.05
Transfer zum Bahnhof und Abfahrt nach Ulan Ude um 9.25 Uhr mit Zug Nr. 1 (Waggon Nr. 3, Betten Nr. 7 + 8).
Wir haben herrlich geschlafen! Aber nun heißt es wieder: Sachen packen, es geht weiter.
Nach dem guten russischen Frühstück, ähnlich wie am Tag zuvor, bringt uns unser Chauffeur wieder zum Bahnhof und wir steigen in den Zug „Original Russia“ nach Ulan Ude.
Wieder das gleiche „Spielchen“ mit der Kontrolle der Tickets und der Ausweise, und mühsam, da so dick angezogen, klettern wir wieder die hohen Stufen in den 2. Zug.
Auch hier sind schon 2 Betten belegt. Oh Gott, schon wieder ein Russe mit einer 2 Liter Flasche Bier (Piwo) in der Hand. Noch nie habe ich Bier in 2 Liter Flaschen gesehen! Zuerst dachte ich, es wäre Cola. Ein Mann sitzt auf dem Bett, und grinst uns mit glasigen Augen an.
Na, das kann ja heiter werden!
Mein lieber Mann hält schon mal die Luft an, schluckt runter, was er eigentlich sagen wollte.
Ich versuche inzwischen, freundlich lächelnd, das Gepäck zu verstauen. Jetzt weiß ich ja, wo man alles unter kriegen kann.
Hilfsbereit helfen uns unsere „Mitbewohner“ mit den sperrigen Taschen (wir haben ja nun schon Erfahrung), dann wir nehmen unsere Plätze ein.
Der Mann mit dem Bier verzieht sich in den Speisewagen und wir beginnen eine Unterhaltung mit einem jungen, fast glatzköpfigen Russen. Er sieht ein bisschen aus wie ein „Rechter“. Nein, eigentlich sieht er richtig aus, wie ein „Rechter“! „Ich werde ihn in Ruhe lassen“ denke ich. Beobachte ihn aber und lasse ihn nicht aus den Augen. Doch er liegt ruhig auf dem oberen Bett und schläft. Oder tut er nur so?
Da auch ich stets meinen Schlafplatz oben habe, hangle ich mich hoch und kann ich ihn gut beobachten.
Aber wir haben ihn falsch eingeschätzt. Nach den anfänglichen gegenseitigen herantasten stellt jeder fest, dass der Andere doch nicht so ist, wie man denkt.
Sascha heißt er und ist unheimlich nett. Er ist beim Militär und fährt nach Hause zu seinen Eltern.
Wir kommen ins Erzählen, wobei die Unterhaltung auch wieder aus Russisch und Englisch besteht.
Auch Sascha lernt schnell einige Wörter Deutsch. Eine dreisprachige Unterhaltung kann auch ganz lustig sein.
Haltestation: 15 Minuten.
Um nach draußen zu gehen, müssen wir uns warm anziehen, denn - 25 °C können ziemlich „kühl“ werden.
Im Zug habe ich immer so eine Art Hausanzug an, bestehend aus einer roten Nickihose und T-Shirt und Hausschuhen. Wenn ich den Zug verlasse, ziehe ich mir meine dicke Skihose drüber, die dicken, sehr umständlich anzuziehenden hohen Stiefel, Mantel, Mütze, Handschuhe und vor allem: ich hänge mir meine Tasche mit Geld und allen Unterlagen um.
Die Prozedur ist sehr zeitaufwendig, denn immer nur eine Person kann stehend im Abteil hantieren. Derweil müssen die übrigen Mitfahrer sich auf den Gang begeben.
Die Abteile sind eng: 195 cm lang, die Liegen 62 cm breit, dazwischen 45 cm Zwischenraum.
Langsam kommt der Zug zum stehen. Pünktlich , auf die Minute.
Inzwischen schlagen die Schaffnerinnen eines jeden Waggons mit dem stumpfen Ende einer Axt die Zugtür auf, die mit einer dicken Eisschicht dicht gefroren ist.
Auf dem Bahnsteig stehen sich die Händlerinnen in einer Reihe. In ihren fahrbaren Verkaufsständen, die zumeist aus altgedienten Kinderwagen bestehen, bieten sie duftende und dampfende Speisen an. Als da sind: Warme Speise, wohl verpackt gegen die Kälte, wie z.B. Kartoffeln mit Butter übergossen, kleine mit Fleisch gefüllte Teigtaschen (Piroggen), Pelmeni (eine Art Ravioli), Rote-Beete-Salat, Brot, Kuchen, Süßigkeiten.
Aber auch warme Würstchen oder Hartwurst. Aufgereiht auf den Tischen zeigen sie welche Getränke man kaufen kann. Bier, Cola Mineralwasser oder halbe Literflaschen Wodka. Es sind Muster. Die gekauften Getränke holen sie aus Taschen. Man kann sie nicht so lange im Freien lassen. Gefrorene Limonade würde nicht mehr schmecken.
Wir kaufen einige warme Speisen, verstauen sie in meine mitgebrachten Plastikdosen.
Schnell bringe ich sie in unser Abteil, damit sie nicht zu kalt werden.
„Ach ja“, meint Gotthard, „ein Fläschchen Wodka könnten wir auch mitnehmen. Wir müssen unseren Mitreisenden auch mal was anbieten.“ „Na klar „ bestätige ich „Bevor wir irgend einen „Selbstgebrannten verschmähen müssen, bieten wir lieber selbst einen an.“
He, komm her, hier gibt’s welchen. Welchen wollen wir nehmen?“, frage ich.
Es gibt immer nur 1/2-Liter-Flaschen und man muß darauf achten, dass man eine versiegelte Flasche und keinen „Aufgefüllten“ erhält.
Während ich noch abwäge ob ich den oder lieber den Anderen nehme, ruft Gotthard:
„Der Zug fährt!!“
Komisch; denn noch immer befinden sich Menschen auf dem Bahnsteig. Doch die ersten Frauen packen ihre Waren schon wieder ein.
Tatsächlich!! Der Zug setzte sich in Bewegung. „Na ja“, denke ich, „der fährt nur ein Stückchen vor“.
„Der Zug fährt“, ruft Gotthard noch einmal. „Komm, wir müssen rein!!!“
Gotthard springt auf, hat aber Mühe, die hohen Stufen zu erklimmen. Ich renne nebenher.
„Nun mach schon!“ rufe ich während der Zug an Fahrt gewinnt.
Endlich hat mein lieber Mann die Plattform erreicht!! Jetzt bin ich dran! Im Laufen springe ich und erreiche die unterste Stufe.
„Na, nun kann ja nichts mehr schief gehen“ denke ich. Schon packen mich zwei kräftige Arme an meiner Jacke und ziehen mich auf die Plattform. Gott sei Dank - Geschafft!
Wie immer behindern die dicken Klamotten die Beweglichkeit. Die Türen werden – Gott sei Dank – immer nur von Hand geschlossen und nicht automatisch.
Erst jetzt wird mir das Ausmaß meiner Bummelei bewußt und mein Herz klopft vor Schreck. Der Zug kommt nun richtig Fahrt. Länger hätte ich nicht nebenher laufen können!
Einen Wodka bekamen wir nicht mehr.
Zum Abendessen verzehren wir die leckeren „Blinis“, die wir am Bahnsteig erworben haben. Ein heißer Tee dazu und ein paar Kekse runden das Mahl ab.
Schlafen: also, ich schlafe immer oben. Es gibt zum Aufstieg einige Haltegriffe. Man stellt sich auf die untere Liege, steigt mit einem Bein auf eine Art „Steigbügel“. Dann hat man die obere Liege in Brusthöhe erreicht. Den Rest dieses Unternehmens muß man sich mit einem Ruck und viel Sportlichkeit erkämpfen.
Nach einigem „Auf“ und „Ab`s“ habe ich schon Übung darin.
In der Nacht wird stets die Tür geschlossen, und das Hauptlicht gelöscht. Jedoch ist an jedem Kopfende eine Leselampe angebracht, die mehr oder wenig hell – je nach Zug – leuchtet. Alle Fenster im Zug, kann man nicht öffnen. De Ausdünstungen eines Jeden, die Geschlossenheit und Enge der Kabine mit 4 Personen lassen einiges erahnen. Der Mief am Morgen ist nicht unerheblich.
Auch dieser Zug ist wieder unheimlich überheizt.
In einem Waggon gibt es 9 Abteile mit je 4 Betten.
Am Ende ist ein WC und Waschraum, den sich alle Reisenden teilen mussten.
Unser Waggon ist mit 34 Personen besetzt.
Vorn bei der Schaffnerin befindet sich ein Samowar, ein Boiler mit abgekochtem Trinkwasser. Jeder kann sich daran bedienen um etwa einen Tee, Kaffee oder eine Fertigsuppe aufzubrühen.
Wir sind gut vorbereitet (so wie die übrigen Reisenden auch) und haben uns mit Tee- und Kaffeebeuteln, sowie mit Fertigsuppen eingedeckt.
Einer unserer „Mitbewohner, Iwan“, der mit der Bierflasche in der Hand, verzog sich bei unserer Ankunft in den Speisewagen.
Um 15.00 Uhr kommt er zurück, strahlend über alle Backen, mit glasigen Augen und versucht, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Doch seine Zunge und Gehirn sind etwas träge geworden so legt sich auf sein Bett, und von einer Minute zur anderen, fängt er an den sibirischen Wald ab zu holzen. `Na, gut`, denke ich, `jetzt schläft er seinen Rausch aus.
N, der ist erstmal ruhig! Mit Sascha haben wir uns schon recht gut angefreundet. Er hilft mir bei den russischen Vokabeln und ich bringe ihm deutsche Wörter bei. Das geht am Bestem beim Spiel.
Gottharde holt seine Karten raus und wir spielen „Mau Mau“. Das klappt hervorragend! Ich male auf einem Blatt Papier die Symbole auf: Karo, Herz, Pik und Kreuz. Dann schreibe ich in Kyrillischen Buchstaben die deutschen Wörter daneben. Also: Karo, Herz, Pik und Kreuz. Das Übrige ergibt sich im Spiel. Nun fehlt nur noch der deutsche Satz: „letzte Karte“! Die Bedeutung dieses Satzes erkläre ich auf Russisch. Aber wie das so ist, es wird immer vergessen, und die Lacher sind auf unserer Seite.
Draußen „fliegt“ die Landschaft vorbei und ich genieße die fantastischen Ausblicke! Schneelandschaften so weit das Auge reicht, Bilder wie aus einem alten Kinderbuch.
Als wenn weiße Sahne über die Natur gegossen ist. Oder feiner Puderzucker gestreut. Außer einigen Tierspuren ist alles glatt und jungfräulich.
Darüber der wolkenlose, blaue Himmel und eine strahlende Sonne! – Ein Traum!!
Ab und zu einige Häusergruppen, mit dicken Schneehauben auf den Dächern, trotz rauchender Schornsteine.
Die Grundstücke sind alle mit Staketenzäunen umgeben. Das konnte ich schon vom Flugzeug aus beobachten, und es sieht sehr lustig aus. Sicherlich sind sie zum Schutz vor wilden Tieren gedacht.
Ein ruhiges und friedliches Bild, fast wie ausgestorben.
Entlang der Bahnlinie wachsen viele sehr dünne Birken mit fast weißen Stämmen. Manche sind eigenartig nach unten geneigt, leider kann ich den Grund nicht erfahren.
Auch hier stehen an den Haltestellen die Dorfbewohner mit ihren ausrangierten Kinderwagen und verkaufen Selbstgekochtes und Gebackenes. Von den Reisegästen wird das Angebot sehr gut angenommen, die Speisen sind lecker außerdem billiger als im Speisewagen. Und die Verkäufer und Verkäuferinnen leben von den Durchreisenden.
Doch es zieht auch Hunde an, die bettelnd und scheu dazwischen laufen. Sie wissen schon, dass es etwas zu futtern gibt, wenn ein Zug hält. Immer wieder mal wird altes Brot oder nicht mehr so ganz frische Wurst weg geworfen. Die dünnen, ausgemergelten Hunde stürzen sich darauf, und nicht ein Krümelchen bleibt liegen. Das Aussehen, die Laute die sie von sich geben und die Bewegungen gleichen schon recht gut den Wölfen.
Gotthard wirft ihnen unseren teuren, aber leider schon angeschimmelten Käse zu, und die Meute stürzt sich wild darauf. Hoffentlich bekommen sie keine Bauchschmerzen?!
An jeder Haltestation wird erst die Waggontür mit dem Hammer frei geschlagen. Laute, harte, feste Schläge, die Schaffnerin muß schon was leisten! Normal kann man sie nicht öffnen. Denn auf Grund der starken Minustemperaturen draußen ist sie regelmäßig fest gefroren.
Dann verlässt sie zuerst den Waggon und arbeitet draußen weiter. Jetzt wird der WC-Abfluss frei geschlagen. Im laufe der Fahrt und der Benutzung der Anlage fließt alles auf die Gleise. Genau, wie es bei uns in Deutschland früher war. Aber das Wasser gefriert regelmäßig und setzt so langsam das Abflussrohr zu. Beim Schlagen fällt das Eis ab und der Durchfluss ist wieder freigegeben.
Dieses Geklopfe ertönt man an jedem Stop, auch in der Nacht klingt es laut und hohl, aber man gewöhnt sich daran.
Ebenso muß man sich an die Bekleidung gewöhnen.
Im Zug herrschen mindestens + 25 °C! Draußen das gleiche nur im Minusbereich! Ständig muß man sich dementsprechend an- oder ausziehen. Drinnen: Trainingshose, T-Shirt, keine Strümpfe aber Hausschuhe. Geht man raus, so zieht man die dicke Hose drüber, Strümpfe, feste Schuhe, Pullover, dicke Jacke, Schal, Mütze und Handschuhe. Alles hat seinen Platz im Abteil und muß griffbereit sein, denn bei 4 Personen gibt es nicht viel Bewegungs- und Stauraum.
Um 21.00 Uhr bin auch ich müde und schlüpfte unter meine rauhe Wolldecke. Nur ein dünnes Laken trennt mich von kratzender Decke und Körper.
Die Luft – na ja, kann man sich vielleicht vorstellen – die Ausdünstung aller Personen, die Geschlossenheit der Kabine, die Enge mit vier Personen. Besonders in der oberen Etage! Geräusche? Na, lassen wir das! Aber das habe ich ja bereits erwähnt.
5. Tag, im Zug, Montag, der 14.02.05
Im Zug
7 Uhr, ich schlafe immer wunderbar!! Und Gotthard?
Ab und zu hört man in der Nacht das gewaltsame Öffnen der Türen durch die Schaffnerin, sowie das Abklopfen des Toilettenabflusses. Ich nehme es wahr, und schlafe gleich wieder weiter.
Das Waschen in der Toilette, im schaukelnden Zug ist schon etwas umständlich. Zumal die Bedienung des Wasserhahnes auch sehr kompliziert ist.
Die Benutzung der Wasserhähne in den russischen Zügen funktioniert folgender maßen:
Unter dem Ausfluß des Wasserhahnes befindet sich ein Zapfen. Diesen drückt man nach oben, was manchmal recht shwer geht. Krafteinsatz erforderlich! Erst dann fließt das Wasser. Lässt man ihn los, stoppt der Wasserfluss sofort. Einfach ist es nicht, man kann sich also immer nur mit einer Hand waschen. Aber man gewöhnt sich dran. Was bleibt einem denn sonst anderes übrig?
Nachdem wir unsre Morgentoilette erledigt haben, genießen wir eine gute Tasse Tee mit ein paar Keksen dazu. Unser Vorrat an Tee ist noch ausreichend, sowie das heiße Wasser im Boiler jeden Abteils. Leider wiegen die kleinen Teebeutelchen nicht viel, und das Gewicht unseres Gepäcks nimmt kaum ab.
Um 14:10 Uhr stellen wir unsere Uhren um 1 Std. 5 Minuten zurück. Wir habe somit 1 Stunde gewonnen.
Die Zeit vertreiben wir uns oft mit Kartenspielen mit unsren russischen Mitreisenden. Oder mit Lesen, denn ich habe mir Lesestoff mitgenommen. Auch wieder Gewicht!!
Wenn jemand müde ist, so legt er sich auf die obere Liege und hat dort seine Ruhe.
Ich genieße den mir nie langweilig werdenden Ausblick der Landschaft, mit ihren unendlichen weißen Ausdehnungen. Den fantastischen Ausblick aus dem Zug, die hier in dieser Gegend sehr langsam fährt, und danke Gott, dass ich meinen Traum erfüllen darf:
Ich fahre mit der Transsibirischen Eisenbahn!!
Oft hole ich mein Tagebuch hervor und notiere meine Eindrücke.
Am Abend, draußen ist es schon dunkel, kuschle ich mich in meine Koje und vertiefe mich in das Buch „Tod in der Datscha“. Weit komme ich nicht, schon schlafe ich ein.
Nach einiger Zeit wache ich durch laute und lustige Männerstimmen auf. Ich beuge mich nach unten, und sehe, dass Gotthard mit drei Russen unter mir auf Gotthards Liege sitzen. Sie spielen „Mau Mau“ bei Bier und Wodka. Lautes Lachen erfüllt das Abteil. Vorbei gehende Reisende schauen vergnüglich herein. Sicherlich würden sie sich gern daran beteiligen.
Man, haben die einen Spaß!! Besonders als sie sagen mussten: „letzte Karte“. Lustig hört sich auch die deutschen Worte: „Herz, Pik, Kreuz, Karo“ mit dem harten, russischen Akzent an. Das Lieblingswort der russen ist aber: „Jawoll“! Das haben sie gut drauf! Das hören sie immer von Gotthard und finden es sehr lustig.
2 Flaschen Vodka sind bereits geleert (je ½ l) und man sorgt sich um Nachschub.
Doch die nächsten „Stanze“ (Station) ist nicht weit und der Nachschub garantiert.
Pfefferwodka! Hm, der ist lecker! Piwo fehlte natürlich auch nicht.
Die Deutsch/russische Freundschaft wird immer wieder neu besiegelt. Man versteht sich prächtig, auch ohne fliesende Unterhaltung. Oder vielleicht deswegen?!
Doch Bier und Vodka machen auch hungrig und Sascha greift in seine Reisetasche. Er holt eine große Seite geräucherten Lachs hervor, die ja eigentlich für zu Hause bestimmt ist. Sorgsam in eine Art von Ölpapier ist der Fisch verpackt. Nichts konnte man schnuppern während der ganzen Fahrt.
Lecker, lecker! So zart und mild! Das Fischfleisch zergeht einem auf der Zunge. Noch nie habe ich so einen leckeren Fisch genossen! Genießerisch verteilt Sascha seinen ganzen Vorrat unter uns auf und freut sich, dass es auch uns so gut schmeckt.
Es bleibt auch nichts mehr übrig!!
Gegen 24 Uhr werde ich wieder müde, und begebe mich in meine „Schlaflage“. Die Männer unter mir spielen, lachen und singen weiter, aber das störte mich ja nicht.
6. Tag, Im Zug / Ulan Ude,
Dienstag, der 15.02.05
Ankunft um 9.31 Uhr, Transfer zu einer burjatischen Gastfamilie im Zentrum, Ulan-Ude auf eigene Faust. Abends Theaterbesuch.
So steht es auf unserer Reisebeschreibung.
Wieder habe ich herrlich geschlafen – jedoch vorsorglich gestern Abend den Wecker auf 7.30 Uhr gestellt, man weiß ja nie!! Vor allem weiß man nie die genaue Uhrzeit, da sich die Zeit auf der Fahrt von Ost nach West immer wieder verschiebt.
Wieder Anstehen zum einzigen Waschraum. Männer, Frauen, Kinder stehen geduldig im Gang. Manche im Schlafanzug mit zerknitterten Gesichtern. Das Handtuch um den Hals geschlungen, den Waschbeutel in der Hand warten sie beharrlich.
Es dauert schon, bis man mit seiner Morgentoilette fertig ist. Die letzten Kleinigkeiten zusammengekramt und verstaut hat – alles braucht seine Zeit. Es bedarf genügend Zeit, denn immer nur einer kann sich zwischen den Sitzen, in den 45 cm bewegen. Zuerst werden die Reste vom
Vorabend zusammen gepackt. Alles hat seinen Platz. Das Eine in die Rollentaschen. Das Andere in die Rucksäcke. Wir haben viele Plastiktüten mitgenommen. Und so hängt immer an unsere Abteiltür eine Mülltüte für kleinere Abfälle.
Gotthard bringt schon einmal den Müll weg, während ich das Bettzeug zusammenlege und zur Schaffnerin befördere.
So, alles klar? Alle Gepäckstücke durch gezählt, die dicke Hose , Jacke, Schal und Mütze an. Oh Gott, wo sind meine Handschuhe? Wir stehen im Gang und warten bis der Zug in den Bahnhof eingelaufen ist und…………….schwitzen entsetzlich!!
10.30 Uhr Ortszeit: Der Zug hält in Ulan-Ude. Unsere 999 Tausend Gepäckstücke haben wir schon zum Ausgang gebracht. Die „burjatische Gastfamilie“ empfängt uns am Bahnsteig.
Eine Frau und zwei furchterregend aussehende Männer mit grau/schwarzen Gesichtern und finsteren Mienen starren auf unser Gepäck. Dann schultert jeder eine Reisetasche und begleitet uns zu einem Taxi.
Das Aussehen der Burjaten unterscheidet sich sehr stark von dem der Russen. Auffallend sind die vielen mongolischen Gesichter mit ihren platten Nasen.
Nach kurzer Fahrt durch eine „Gebirge“ von Plattenbauten kommen wir zum Haus von Ilja.
Wieder eines der zahlreichen Plattenbauten aus der Stalinähra. Mindesten 8 – 10 gleich aussehende Blöcke stellten eine eigene, kleine Stadt dar. Wir halten vor einem dieser Mietskasernen und verlassen das warme Auto. Der Fahrer mit dem gruseligen Gesicht, wuchtet das Gepäck aus dem Auto und fährt davon.
Unsere burjatische Gastgeberin blickt lächelnd auf unser Gepäck und meint:
„Oh, jetzt haben wir aber ein Problem!“
„Na, kann ja nicht so schlimm sein“, meint Gotthard „Wo soll denn das Problem sein?“
Wir haben ja nun schon einiges erlebt!
„Tja, ich wohne in der 9. Etage, und der Fahrstuhl ist kaputt!“
„Oh Gott, seid wann ist das denn?“ „Na ja, seit etwa 6 Monaten, aber man gewohnt sich daran. Und Bewegung ist gesund.“ Na denn!! Na, ja, was bleibt da übrig?
Jeder nimmt seinen Rucksack (ca. 5 kg) auf den Buckel. Jeder eine Reisetasche (ca. 20 kg). Die Extratasche (ca. 4 kg) in der sich die warmen Schuhe, Pullover, Gastgeschenke und Waschsachen befinden schleppt Gotthard noch zusätzlich.
So, nun geht’s los. Schon in der 2. Etage läuft uns der Schweiß den Rücken runter, denn wir sind ja warm angezogen. Schon das Treppenhaus hat eine Temperatur, bei der wir in Deutschland die Heizung abstellen würden. In jeder 2. oder 3. Etage funzelt eine 25 Watt Birne. Aber durch die Treppenfenster fällt noch etwas Helligkeit.
Vierter Stock. Schnaufend bleiben wir stehen und wechseln das Gepäck. „Soll ich deinen Rucksack nehmen?“ Mein lieber Mann ist ganz Kavalier. „Ne, lass mal, es geht schon.“
„Wo sind wir jetzt?“ „Sechste Etage! Toll, jetzt haben wir nur noch 3 Stockwerke!“
Die Luft wird eng, Der Schweiß läuft den Rücken runter. Die Pumpe muß ganz schön arbeiten!
9. Etage. Endlich angekommen! Ilja, unsere Gastgeberin, eilte schon voraus und öffnet die Doppeltür. Es dauert eine Weile, da die Wohnung in einer absolut dunklen Ecke liegt und das Licht defekt ist. Na, nicht nur der Fahrstuhl ……………Lassen wir das! Wir sind froh endlich angekommen zu sein.
Eine Tasse Tee holt unsere Lebensgeister wieder zurück und wir beziehen unsere Zimmer.
Ja, hier haben wir zwei Zimmer, denn Ilja, wohnt so lange bei ihrem Freund und überlässt uns die Wohnung. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Gotthard bezieht das Wohnzimmer. Hier ist das Klappsofa schon hergerichtet. Während ich das „Büro“ vorziehe. Dort stehen eine Liege, ein Schreibtisch mit
einem PC und ein Schrank. Spärlich aber sauber. Ilja bietet mir an, dass ich am nächsten Tag ins Internet gehen kann, wenn ich vielleicht eine Email verschicken möchte.
Wir richten uns ein, verstauen unsere Sachen und überreichen Ilja ein Gastgeschenk.
Mein Gott, das Gepäck wird immer noch nicht Leichter!!
So. Sachen sind verstaut, nun wollen wir aber auch die Stadt auf eigene Faust erkunden.
Also: neun Etagen wieder runter, diesmal ohne Gepäck, es geht schon leichter.
Gleich um die Ecke ist eine Bushaltestelle. Ilja begleitet uns und zeigt uns wo wir wieder aussteigen müssen, wenn wir zurückkommen. In die Stadt begleitet sie uns. Sie ist Professorin und musste wieder zur Uni. Die Linie 56 bringt uns für 6 Rubel (85 ct) in die Innenstadt.
Ulan-Ude, eine der schönsten Städte Sibiriens, wurde im Jahre 1666 am Zusammenfluss der Selenga und der Ude von Kosaken als Winterlager gegründet. Heute ist die etwa 390.000 Einwohner zählende Stadt das wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum Ostsibiriens, leider mit stagnierenden Industrien.
Ulan-Ude ist eine Universitätsstadt. Es gibt 5 Theater und mehrere Museen.
Mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn entwickelte sich die Stadt zur drittgrößten Ostsibirien.
Wunderschöne alte, reich verzierte Kaufmannshäuser mit aufwendigem Dachschmuck und verspielten Regenrinnen befinden sich in der Innenstadt und rund um den Bahnhof.
Auf einem großen Platz mit einer Leninbüste befindet sich gegenüber das Opern- und Ballett-Theater, welches wir am Abend besuchen wollen.
Es ist sehr kalt, sehr kalt! ca. - 18 °C und ein eisiger Wind schneidet uns ins Gesicht. Nicht die Temperatur macht die Kälte aus, der Wind macht einen zu schaffen! Fotografieren ist kaum möglich, da man die Hände kaum aus den Handschuhen bekommt. Sie erstarren sofort zu Eis und werden unbeweglich und steif.
Wir suchen uns ein Shopping-Center, wo wir uns besser und vor allem wärmer aufhalten können.
Aber, wo ist eines? Und wie erkennt man sie?
Auf Fragten an eiligst vorbeieilenden Passanten erhielten wir nur ein Kopfschütteln oder………….gar nichts.
Die Leute sind sehr stur. Spricht man sie auf der Strasse höflich an und ersuchte um Auskunft (was ich nun auf Russisch oder Englisch ganz gut kann), geht sie einfach weiter. Sie antworten gar nicht oder mürrisch und unfreundlich.
Oder liegt es vielleicht auch daran, dass keiner das Wort „Shopping-Center“ versteht?!
Also laufen wir ohne Auskunft durch die Innenstadt und werden aus so fündig.
Unterwegs - ich, ich entdecke Pelzgeschäfte!! Und, was heißt das für eine Frau, die um sich herum nur die schönsten Pelze „laufen“ sieht? Ein Wunsch wird geweckt!
Na klar, wir müssen unbedingt mal in einen Laden reinschauen!
Herrliche Jacken, Mützen und Mäntel! Eine Auswahl reiht sich an den Wänden entlang. Lange Mäntel – kurze Mäntel. Jacken mit Pelz außen oder innen. Die Auswahl ist irre!!
Und die Preise? Natürlich alles in Rubel. Und wir sind am Rechnen.
Sofort steht eine Verkäuferin bereit und fragt nach meinen Wünschen.
„Ja, ich möchte mich doch einmal umschauen.“ Und ich schiebe die Kleiderbügel hin und her. So manches Stück sticht mir ins Auge. Beflissen helfen sie mir in eines der kostbaren Stücke.
Ich werde von allen Seiten bedient. Zwei, drei Verkäuferinnen bemühen sich darum für mich etwas Passendes aus zu suchen. Gotthard blickt sich derweil suchend nach einer Sitzgelegenheit um, und schon ist auch ein Stuhl für ihn da.
Doch ich kann anprobieren, was ich will, stets sind die Arme zu kurz.
Schon wieder komme ich ins Schwitzen, auch Gotthard wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Oh Gott, diese Hitze!! Ich mag gar nicht daran denken, was wir in Deutschland für Heizkosten bezahlen müssten??!!
Erst mal raus hier und Tee trinken! Im Pelzgeschäft beobachtet uns ein freundlicher, dicker Burjatte. Wir fragen nach einem Lokal und er bietet sich an, uns zu einem Restaurant zu fahren.
„Gotthard, sei vorsichtig!“ mahne ich. „Wollen wir uns wirklich anvertrauen?“ Doch Gotthard hat keine Scheu, während ich doch immer die etwas Vorsichtigere bin. Der dicke Mann nimmt uns mit ins Schlepptau und führt uns zum Parkplatz. Wir steigen in eine große, weiße Limousine mit getönten Scheiben.
Ein Auto, dessen Marke mir entfallen ist, und er kutschiert uns quer durch die Stadt. Nach einer halben Stunde halten wir vor einem großen Gebäude, welches nicht wie ein Kaufhaus aussieht!
Durch eine enge Seitentür gelangen wir in das Innere. Durch ein Gewirr von Gängen, Türen Treppen kommen wir in ein Treppenhaus. Wie gehabt, enger Aufgang, wieder total überheizt, und die Etagen nahmen kein Ende! „Wo soll es denn hingehen?“ Sind dort oben Pelze, oder was erwartet uns? Schließlich landen wir in der 5. Etage. Schauf, schnauf !! In einer, na ja, man kann sagen: „Kantine“.
Kleine Tische, kaum Platz zwischen den Stühlen, großes Gedränge. Selber ist man durch die dicken Mäntel sehr unbeweglich und man muß sich überall durchkämpfen.
Wir haben Hunger und Durst und schauen uns um, was denn hier so angeboten wird. Nun, im fremdsprachlichen Ausland bestellen wir immer auf folgende Weise:
Ich nehme eine Speisekarte, gehe zu einem essenden Gast und frage ihn mit Handzeichen was er isst, und wo das auf der Karte steht. Dann gehe ich zum Tresen (bei Selbstbedienungs-Restaurants) und zeige es der Bedienung, die meist schon vorher auf uns aufmerksam geworden ist.
Worte wie: Brot, Bier, Tee, Kaffee oder Wasser kann ich meistens in Landessprache.
Auch hier sind wir so vorgegangen und haben uns mit Essen und Trinken versorgt.
Wir entscheiden uns für dick gefüllte Kohlrouladen mit Reis, dazu jeder ein Bierchen.
Auf die Frage nach einem Glas, reicht man uns eine Kaffeetasse. Daraus wird das Bier, der Kaffe oder Cola getrunken. Lustig, Bier aus Kaffeetassen!! Wir erlauben uns noch eine zweite Flasche, die wir aber nicht mehr schaffen. Den Rest aus dieser Flasche überlassen wir unserem Gegenüber einem alten Russen, der sich 1000-mal bedankt.
Dass Essen schmeckte hervorragend!
Nun, frisch gestärkt und gesättigt, frage ich mich: „Wo sind die Pelze?“
Aber: na schaun wir mal!
Der Russe der uns in diese Kantine schleppte, taucht auf einmal wieder auf und erkundigt sich bei uns, ob alles in Ordnung sei und ob es uns geschmeckt hat. Na klar, wir loben und bedanken uns noch einmal. Jetzt endlich Pelze !! 5 Etagen wieder runter. Wieder geht es durch ein Labyrinth von Gängen und Doppeltüren zu einem großen Verkaufsraum mit unendlich vielen Fellen, Jacken und Mützen.
Von außen nicht erkennbar, denn es gibt keine Schaufenster wie in unseren Innenstädten.
Auf Grund der kalten Temperaturen sind Fenster ein großer Wärmeverlust.
Ulan-Ude ist eine Stadt der Pelze.
In vielen Zuchtstationen mit Nerzen, Eichhörnchen, Füchsen oder Wölfen werden hier die Tiere zur Pelzgewinnung herangezüchtet.
Die Verarbeitung findet dann oft im nahe gelegenen Taiwan oder China statt, was hier wiederum auf die Preise drückt.
Man sieht, auch hier hat die Wirtschaft mit den „Billiglohnländern“ zu tun.
Gegen die sibirische Kälte jedoch, ist natürlich ein Pelz das wärmste Kleidungsstück. Auch Männer tragen Jacken, Mäntel, allerdings ist nach außen nur das Glatt- oder Wildleder sichtbar, das wärmende Fell befindet sich in der Innenseite zum Körper hin.
Nach einiger Zeit des Anprobierens – ich werde wieder von drei Verkäuferinnen gleichzeitig bedient – wurde ich auch „fündig“.
Ein wunderschöner schöner Wildledermantel, mit innen liegendem Naturfell und Kapuze, paßt ausgezeichnet. Auch in Deutschland könnte man damit gehen.
Die Auswahl fällt mir sehr schwer, aber irgendwann muß man sich ja mal entscheiden. Gotthard wird schon ein bisschen ungeduldig, obwohl er warm und trocken sitzen kann. Aber die Hitze !!
Also: der Entschluss steht fest: Ware stimmt – Preis stimmt – und ab zur Kasse.
Ich zücke meine Visa Card, aber nein, sie nehmen nur „Cash“. Ich solle doch zum „Bancomat“ gehen und Geld holen.
Das ist jedoch schwierig. Die Visa Card erhielt ich kurz vor unserer Abreise und hatte noch keinen PIN.
Der Besitzer des Ladens bietet uns an, mit uns zur Bank zu gehen. Na gut. Den Mantel will ich ja haben!!
Kreuz und quer schleppt er uns durch die Stadt. Mit schnellen Schritten über die festgetretene Schneedecke. Nirgends ist gestreut und Gotthard hat auch noch seine Schuhe mit den glatten Sohlen an! Der Verkäufer eilt voraus. Ich kann mich gerade noch mal seinem Tempo anpassen, aber Gotthard Hinkt schnaufend hinterher.
„He, lauft mal nicht so schnell! Ich komme kaum nach!“ ruft er. „Mach schon, die Banken schließen bald!“ Ich weiß nicht mehr, bei wie viel Banken wir angefragt haben, ob sie ohne PIN auf Visa Card Geld auszahlen? Noch ein letzter Versuch.
Da geschah es!!
Irgendwo vor einem dunklen Hinterhaus passiert, was passieren muss: Gotthard rutscht aus und knallt auf die rechte Pobacke! So, da liegt er nun!! Und, was rede ich immer, von wegen seinen festen Schuhen? Na, das will ich hier nicht weiter ausführen. Auf jeden Fall ist sein Steißbein recht arg in Mitleidenschaft gezogen.
Mühsam schleppt er sich durch das dunkle, schmutzige Treppenhaus in die 1. Etage. Hinter einem dicken, verkratzten Holzverschlag befindet sich ein Bankraum. Gerappelt voller Menschen, die geduldig warten.
Auch wir müssen wieder mehr als genug an Geduld aufbringen. Finden aber Gott sei Dank ein kleines Platzen auf einer Bank zwischen Matruschkas, für Gotthard. Er reibt sich erst mal seinen Hintern. Na, ein bisschen gepolstert ist er ja.
An der Kasse lege ich die Bankkarte, Ausweis und Pass vor. Sogar die Zugtickets. Fülle einige Formulare aus, und…………….erhalte immer noch kein Bargeld!
Na ja. Der Traum vom Mantel ist zu Ende. Man verabschiedet sich. Alle sind traurig. Der Geschäftsinhaber, weil er kein Geschäft machen konnte, ich, weil ich den Mantel gern hätte . Gotthard sowieso, der stöhnt wegen seiner Knochen!
Vorsichtig verlassen wir das Gebäude und suchen die Bushaltestelle für die Linie 56 die uns „nach Hause“ bringen soll.
„Nach Hause“ ist ganz einfach, denn es ist die Endstation dieser Linie.
Nun wir befinden uns zwar in einem fast anderen Stadtteil und müssen lange laufen bis zu einer Haltestelle. „Kannst du noch?“ frage ich meinen lieben Mann, der sich mühsam voran schleppt.
„Schau mal, es sind nur noch ein paar Straßenecken weiter. Das Schaffst du noch!“ Naja, es sind aber dann doch noch einige Straßenecken weiter. Aber ich unterhalte ihn und lenke von den Schmerzen ab.
Haltestelle gefunden, und wir fahren bis zur Endstation. Nun ist es nicht mehr weit bis zu unserer Unterkunft. Nur ein paar Schritte!!
Haus Nr. 85. Aber, wo ist das denn?
Mein Gott, alle Häuser sehen hier gleich aus! Es gibt eine ganze Siedlung!! Fürsorglich habe ich einen Zettel mit der genauen Anschrift unserer Gastgeberin in kyrillischer Schrift in der Tasche.
Meinen „lädierten“ Gotthard setze ich auf eine Bank bei einer alten Oma ab und befehle ihm zu warten, während ich unsere warme, im 9. Stock gelegene Wohnung suchen werde.
Ich renne über menschenleere Plätze. Kaum ein Passant unterwegs den ich fragen kann.
Doch die, die ich frage schütteln entweder mit dem Kopf oder sie schicken mich in eine andere Richtung. Jedes Mal zeige ich meinen Zettel. Bin jedoch selbst auch auf der Suche. Das Haus ist weg!! Die Zeit läuft davon und am Abend wollen wir doch ins Theater!!
Ich glaube, ich habe „unser“ Haus gefunden!! Aber, wo ist Gotthard?
„Gotthard…………….Gotthard!!!!!!!!!!!!!!“
Verschwunden! Auf der Bank sitzt auch nicht mehr! Mein Gott wo ist er denn nur ab geblieben? Mit seiner Rückenverletzung kommt er doch nicht weit!!
Was soll ich jetzt zuerst suchen? Unsere Mietskaserne oder Gotthard?
Mein lieber Mann war das Sitzen wohl zu langweilig. Oder quatsche ihn die Oma an? Auf jeden Fall gefiel ihm das nicht und er humpelte immer hinter mir her, bis wir uns irgendwann aus den Augen verloren hatten.
Irgendwie habe ich das Gefühl immer im Kreis zu rennen. Keiner kann mir helfen.
Nach über einer Stunde des Suchens, zuerst das Haus, dann uns selbst, finden wir uns endlich!
„Wo warst du denn?“ Ich habe dich überall gesucht?“
„Na, toll“ kontere ich „ich sagte dir doch, du sollst dort sitzen bleiben!“ Schon wegen deinen Rücken! Ich hätte dich schon geholt. Oder meinst du, ich lasse dich hier allein zurück?“
Ein aufkommender Ehekrach wird so im Keim erstickt.
Alles klar. Wir sind am Ziel. Und wo ist Haus Nr. 58?
Es ist just dieser Eingang, vor dem wir zuerst standen!!
Na, nun wieder sportlich hinauf! Diese 9 Etagen im dunklen, schmutzigen und warmen Treppenhaus.
Eigentlich sollte der „Aufstieg“ etwas leichter gehen, denn diesmal haben wir kein Gepäck zu schleppen. Aber der Rücken……………….na, alles geschafft.
Es wurde aber auch Zeit, dass wir wieder zurückkamen, denn wir möchten am Abend ins Theater.
Unsere Gastgeberin, mit der ich mich prima auf Englisch unterhalten kann, bedauerte und bekicherte unsere Suchaktion und bietet uns an, uns zum Theater zu bringen.
Na ja, das kennen wir ja schon, möchten ihre Hilfsbereitschaft jedoch nicht ablehnen.
Nun aber schnell, Es ist bereits schon 16.30 Uhr und die Vorstellungen in Russland beginnen stets um 18.00 Uhr. Zum Essen keine Zeit mehr. Waschen umziehen und etwas „fein“ machen.
Frisch gestärkt geht es wieder die 9 Treppen hinunter und mit Bus Nr. 56 für 6 Rubel in die Stadt.
Ein wunderschönes altes Gebäude mit prächtiger Innenausstattung empfängt uns.
Die Zuschauer haben ganz normale Kleidung an. Nicht besonders „feierlich“ wie bei uns im Theater. Die schweren Mäntel, Schal und Mützen werden an der Gardarobe abgegeben. Die dicken Schuhe lässt man an.
Die Aufbewahrung der Gardarobe ist immer kostenlos.
In jedem Theater befindet sich ein – oder mehrere – kleine Verkauftresen mit Erfrischungen.
So nimmt man vor Beginn der Vorstellung noch einen Kaffe (oder 50 g Wodka) und ein paar kleine belegte Kanapees zu sich. Wie auch bei uns gilt hier: „Sehen und gesehen werden.“
Die Kleidung der Besucher ist einfach. Ebenso die Preise. Für 100 Rubel (ca 3,- ¤) Wir haben einen schönen Platz in der 4. Reihe und genießen eine Aufführung des Sing-und Tanztheaters.
Fantastische Tänzer mit herrlichen Kostümen aus alter und neuer Zeit, mit fast akrobatischen Bewegungen und wunderschöner Musik. Auch für uns westliche Ohren. Wir erfreuen uns ca. 1 1/2 Stunden über einen Ohren- und Augenschmaus.
Doch im Theaterraum ist es eisig kalt. So bin ich froh über das Ende und dass ich mich wieder in meinen Daunenmantel kuscheln darf.
Durchgefroren wie wir sind kaufen wir unterwegs noch eine Flasche Pfefferwodka und fahren mit Kleinbuslinie 56 – so eine Art VW Bus mit 12 Sitzen, zu unserer Unterkunft, diesmal ohne Suchen!
Müde fallen wir in unsere Betten und träumen von dem ereignisreichen Tag.
7. Tag, Ulan-Ude, Mittwoch, der 16.02.05
Ausflug zum Lamakloster Iwolginsk. Abends Transfer zum Bahnhof und Abfahrt nach Irkutsk mit Zug Nr. 363 um 22.40 Uhr Waggon Nr. 17, Betten Nr. 17 + 18.
Wie schon berichtet, schlafen wir in getrennten Zimmern. Gotthard im Wohnzimmer auf einem Klappsofa, ich im Büro auf einer Liege.
Obwohl ich hart im Nehmen bin, konnte ich sehr schlecht schlafen, denn meine Liege entpuppt sich als harte Pritsche.
Auf einem „eingerahmten Brett“ befindet sich eine etwa 3 cm dicke Auflage. Eine dünne Decke darüber soll mich wärmen. Ich denke ich liege auf Beton!! Jeden Knochen spüre ich und friere entsetzlich!! Gotthard hingegen schläft wie in einer Hängematte!! Er sackt förmlich ein und wird wie ein Igel zusammen gerollt. Bei jeder Bewegung krächzen und quietschen die Federn.
Gegen 2 Uhr auf dem Wege zur Toilette tauschen treffen wir uns. Die Spülung ist nicht zu überhören! Laute schluchzende und quietschende Geräusche . Ein Strudel, ein Sog – ich glaube das ganze Haus müsste aufwachen?! Wir tauschen die Schlaflager, so hat jeder Mal etwas vom Anderen.
Am Morgen kommt Ilja, unsere Burjatin um uns das Frühstück zu zu bereiten. Als wir erzählen, wie wir geschlafen haben, lächele sie auf ihre asiatische Art und meint, sie würde sehr gut auf der harten Liege schlafen, sie hätte es mit dem Rücken und das täte ihr gut.
Na ja, man kann es sehen wie man will.
Wir frühstücken miteinander und es gibt, wie so oft, Pfannkuchen mit Marmelade, Brot, Wurst Käse, Tee – wir sollen nur sagen, was wir wollen.
Wieder warm in unsere Winterkleidung verpackt steigen wir die 9 Etagen hinunter. Jetzt haben wir schon ein bisschen Übung und zählen nicht mehr jede einzelne Etage. Ein Schüler von Ilja (sie ist Professorin) wartet schon in ihrem Auto auf uns.
Wir fahren zum 40 km entfernten Lamakloster Iwolginsk Dazan, das mitten in einer weiten Landschaft liegt.
Die Gründung des Dazan geht zurück auf das Jahr 1945, als hier das erste und bis heute einzige buddhistische Zentrum der damaligen Sowjetunion entstand.
Aufgebaut wie eine Festung inmitten einer weiten, großen Landschaft, fernab von jeder Zivilisation, befinden sich wunderschöne, alte Holzhäuser. Reich verziert mit Schnitzereien und den geschwungenen Dächern.
Eine Mischung aus russischer und chinesischer Baukunst.
Dazwischen immer wieder eine Anordnung von Gebetsmühlen, an denen unsere Professorin nicht vorbei gehen kann, ohne jede einzelne in Bewegung zu setzen.
Am Rande des Zaunes kann man die „sanitären Anlagen“ bewundern. Es sind winzig kleine Holzverschläge mit hängenden Türen, kein Sitz, keine Grube, nix – aus basta! Man kackt einfach in die Mitte und fertig.
(Muß ja bei den Minustemperaturen auch sehr schnell gehen!!)
Trotz strahlend blauem Himmel und Sonne, ist es doch sehr kalt – 25 °C. Der Schnee knirscht unter unseren Füßen und wir sind froh, hin und wieder in eines der Klöster eintreten zu dürfen.
Hier ist es mollig warm, überall wird mit Holz oder Kohle geheizt – in schwarzen eisernen Öfen.
Bei einigen Andachten dürfen wir anwesend sein und können die Mönche beim Gebet beobachten.
Sie alle leben hier in diesem Kloster ein entbehrungsreiches Leben.
Sie versorgen sich selbst im Sommer durch Anbau von Obst und Gemüse. In der übrigen Zeit werden sie durch Lebensmittel- und Geldspenden durch die Bevölkerung unterstützt.
Es sind sehr wenig Besucher in dieser Klosteranlage, nur Gläubige die zum Beten her kommen.
Mittagszeit – und wir haben Hunger!
In einem abgelegenen Gehöft, von außen nicht einsehbar, führe uns Ilja zu einem typisch burjatischen Restaurant.
Zum Öffnen muß man klingeln und durch eine enge, niedrige Tür betreten wir den Vorraum, wo wir die Gardarobe abgeben. Dann bestaunen wir den prächtigen Rundbau die „Gaststube“. In der Mitte befindet sich ein Kamin mit einem hohen Schornstein, der nach oben durch das offene Dach ragt.
Niedrige Tische und Stühlchen, jeweils für 4 Personen sind in der Runde angeordnet.
Eine Bedienung in mongolischer Tracht, immer lächelnd, serviert uns zuerst den üblichen Tee.
Da wir im Essen nicht wählerisch sind, - nein- wir sind immer neugierig -lassen wir uns eine typische burjatische Speise servieren.
Kleine, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen. Diese führt man mit den Fingern zum Mund, lutscht die herrliche Soße aus. Dann isst man sie mit Messer und Gabel.
Eine kräftige Suppe, Brot und andere Leckereien macht uns satt. Zum Schluss noch „sto gramm Vodka“ (1oo g) und wir sind satt und glücklich.
Wieder raus in die Kälte. Noch ein bisschen laufen und mit dem nächsten Bus fahren wir wieder in die Stadt. Wir verabschieden uns von Ilja. „Ja, ja, wir finden jetzt bestimmt zurück!!“ müssen wir versprechen. Wir wollen noch ein bisschen das Stadtleben erfahren.
Bei einem Bummel in der Fußgängerzone von Ulan-Ude überfällt mich ein „kleines Bedürfnis“. Schnell finde ich eine öffentliche Toilette.
Öffentliche Toilette: Oh je oh je !! Vorbei an einer Pförtnerin. Hier bekommt man für 5 Rubel zwei Blatt (Pack)Papier abgezählt und in die Hand gedrückt. Dann passiert man eine Art Drehkreuz um an die Toilettenabteile zu gelangen.
Man kommt in einen dreckigen, stinkenden Raum, abgeteilt durch halbhohe Mauern. Die Kacheln an den Wänden haben sicherlich seit Urzeiten kein Wischwasser mehr gesehen.
Anstelle Türen zu den einzelnen „Geschäftsstellen“ hängen – wenn überhaupt – zerfetzte Vorhänge davor.
Ein Tritt, ca. 15 cm hoch, in der Mitte ein Loch, na ja, das war’s dann auch!! Doch wenn Darm und Blase drücken geht kein Weg daran vorbei!
Umständlich ist natürlich die ganze Auszieherei! Wohin mit Mantel, Tasche, Handschuhen? Dick verpackt sinkt man in die Hocke. Das Hochkommen ohne Haltegriffe…………….? Lieber Leser, machen Sie sich selbst ihre Vorstellungen!
Gott sei Dank habe ich immer genügend Papiertaschentücher dabei. Aber Wasser und Seife gibt es, Gott sei Dank!
Wieder mit Bus Nr. 56 bis zur Endstation, noch ein letztes mal die 9 Etagen hoch im dunklen, warmen Treppenhaus. Wir sind jetzt so richtig in Übung!!
Und ein letztes Mal auf der harten Pritsche schlafen. Morgen werde ich wieder im Zug in den Schlaf geschaukelt.
8. Tag Irkutsk, Donnerstag, der 17.02.05
Ankunft in Irkutsk um 8.09 Uhr. Transfer in eine Gastfamilie im historischen Zentrum. Frühstück in der Gastfamilie. Vormittags dreistündige deutschsprachige Führung zu Fuß durch das historische Stadtzentrum von Irkutsk und nachmittags Irkutsk auf eigene Faust.
Mit einem weinenden und einem lachendem Auge verabschieden wir uns von Ilja.
Wir haben uns so prächtig verstanden, wenn auch meine Englischkenntnisse nicht sehr gut sind.
Noch ein letztes mal die 9 Etagen hinunter. Das Gepäck zieht uns fast nach unten. Es geht schon schneller.
Unser Zug Nr. 363, fährt um 22.40 Uhr. Es muß wohl ein Zug 4. oder 5. Klasse sein (wenn es so etwas gibt). Ich dachte schon der Zug Nr. 1 oder 5 wäre schlicht und einfach, aber was uns hier erwart, ist doch sehr primitiv.
Einfache Liegen mit Kunststoffbezug, keine Tritthilfen nach oben, kratzige Bettwäsche.
Im Gang gibt es keine Klappsitze und auch der Gangläufer und die Vorhänge sind wohl noch Überreste aus der Leninzeit.
Das Abteil ist wieder mit zwei Fremden belegt, so haben wir mal wieder das Pech mit der Enge und der miefigen Luft.
Beide Herrschaften waren sind sehr gesprächig, aber das ist auch gut so, denn auch wir wollen schnell schlafen.
Bereits um 6.00 Uhr müssen wir wieder aufstehen. Das Gedränge im einzigen Waschraum und WC ist groß und die Reinlichkeit der Russen hat sich auch geändert. (Sie brauchen nun auch ihre Zeit zur Morgentoilette.)
Gotthard kann mal wieder nicht schlafen, er meint, es wäre zu „ruckelig“ zu stickig und zu laut. Na ja, ich bemerket nichts.
Um 7.30 Uhr, wird das Bett gemacht und die Wäsche bei der Schaffnerin abgegeben. Ich stopfe
man die letzten Sachen in die Reisetaschen und beginne mit dem Anziehen von Mantel, Schal und Mütze, dicken Socken, Schuhen zum schnüren, Handschuhen.
Gott, wo sind sie denn die Handschuhe?
„Haste alles?“ fragt Gotthard während er die Gepäckstücke schon mal zur Tür durch den engen Gang zieht.
„Tschuldigung, kann ich mal durch“ (auf Russisch). Zwei mal hin und her laufen, schon steht man wieder „in Schweiß“ und lechzt nach kühler Luft, wenn gleich sich die Waggontür öffnete.
8.15 Uhr pünktlich wie immer, hält der Zug in Irkutsk. Neugierig halten wir Ausschau nach unserer Gastfamilie bzw. einem „Empfangskomitee“.
Na, wo sind sie denn, unsere Abholer?
Wir stehen ca. 20 Min. auf dem Bahnsteig und warteten bis alle Reisenden die Haltestelle verlassen haben. Langsam klettert die Kälte hoch. Eisiger Wind pfeift über den Bahnsteig.
Unmengen wälzen sich dem engen Ausgang zu und steigen die Treppen hinunter.
Der Bahnsteig leert sich und uns bleibt nichts anderes übrig, als selbst das Gepäck zu schultern und zum Ausgang zu gehen. Also: 2 x 24 kg, Jeder einen Rucksack, eine Tasche.
Treppe runter, Gang entlang, Treppe wieder rauf. Schwitzend, ächzend kommen wir in der Bahnhofshalle an. Suchend schauen wir uns um. Und siehe da……………ein junger Mann, schaut gelangweilt durch die Gegend und hält das Schild mit „Böhm“ hoch.
Gott, sind wir „stinkig“!
Nach kurzer Fahrt erreichen wir die Innenstadt und unser neues Quartier.
Na ja, wieder mal „sozialer Wohnungsbau“, jedoch sauber von außen und wieder kein Fahrstuhl!! Aber hier wohnen wir „nur“ in der 3. Etage.
Unsere neue Gastgeberin Nelly, eine ältere, etwas „verstaubte“ Theaterschauspielerin, die ihre besten Jahre schon hinter sich hat, begrüßt uns. Ihr Mann spricht sogar ein bisschen deutsch.
Viele Fotos und Zeitungsausschnitte aus amerikanischen, russischen und italienischen Zeitungen sind hinter Glas an den Stubenschrank geheftet.
Unser „Lager“ ist diesmal im Wohnzimmer aufgeschlagen. Eine Doppelbettcouch ist gerichtet und wir können, nein wir müssen (!!) uns erst einmal umziehen!
Wenn draußen sibirische Kälte von – 30 °C herrschen, befindet sich in dieser Wohnung afrikanische Hitze!!
Ich sitze leicht bekleidet im Wohnzimmer, wo wir auch schlafen, und mir rinnt der Schweiß von der Stirn in die Augen und hinten am Rücken entlang.
Die Heizung: dicke große Gussheizkörper, die man nicht regeln kann. Fernheizung, alles wird von außen gesteuert. Man kann nur ein kleines Fensterchen im Fenster öffnen.
Mit meinem Thermometer messe ich 33 °C und unsere Gastgeber laufen in dicken Pullovern herum!!
Um 11 Uhr kommt unsere Fremdenführerin Christina und holt uns zu unsere 3 stündigen deutschsprachigen Stadtführung, wie im Programm beschrieben, ab.
Da wir in der Innenstadt von Irkutsk wohnen, ist es nicht weit zum Zentrum.
Nahe dem Baikalsee an der Angara liegt die rund 640.000 Einwohner zählende Stadt Irkutsk, die man auch „Paris des Ostens“ und „Perle Sibiriens“ nennt.
Und wirklich: Irkutsk ist wirklich eine der schönsten Städte Russlands.
Durch die wunderschöne Fußgängerzone gelangen wir zu der Erlöserkirche und gegenüber zu der Christi-Erscheinungs-Kirche. Alle in russisch/orthodoxem Stil erbaut und immer gut beheizt, mit Holzöfen.
Im Heimatmuseum, welches zu den ältesten Museen Russlands gehört, können wir in mehreren Abteilungen Einblick in die Geschichte und Eroberung Sibiriens erhalten.
Über die Urbevölkerung der Burjaten, Jakuten und anderen damaligen Einwohnern. Ein Teil der Ausstellung befasst sich auch mit dem Leben der nach Sibirien Verbannten.
Weiter geht es zum Kriegerdenkmal. Am ewigen Feuer finden noch heute alle 15 Minuten Wachablösungen statt. Diesen Ehrendienst dürfen die besten Schüler und Schülerinnen der Stadt ausüben. Wir können gerade eine Wachablösung beobachten.
Von vieler Kultur und Sehenswürdigkeiten sind wir aber auch hungrig geworden.
Christine führt uns in ein wunderschönes Restaurant, wo sie uns typische Speisen aus dieser Region empfehlen.
17.45 Uhr beenden wir dann die 3-stündige Führung, die sich um 3 Std. und 45 Minuten verlängert hatte. Christine freut sich sehr über meine Gastgeschenke aber noch mehr an unserem Interesse für ihre Stadt und ihren Erklärungen.
Vor dem Schlafengehen spielen wir noch ein wenig Karten und gehen um 24.00 Uhr bei 32 °C Zimmertemperatur ins Bett.
9. Tag, Irkutsk, Freitag, der 18.02.05
Irkutsk auf eigene Faust. Abends Theaterbesuch (Ticket bitte vor Ort bezahlen)
Um 7.20 Uhr wachen wir auf, oh, was ist das kühl in diesem – Raum!!
Mein Thermometer zeigt „nur“ 28°C! Hat sich ganz schön abgekühlt heute Nacht!
Nach dem Frühstück, mit Rühreier mit Wurst und Tee, bringt uns Tanja 400,- ¤.
(Tanja ist die Kontaktperson der Fa. Knop Reisen GmbH und konnte und schnell und unbürokratisch finanziell aushelfen, da wir mit Mastercard nirgends bezahlen konnten.)
Da ich ja ein Auge auf etwas „Pelziges“ geworfen habe, hatte ich keine Möglichkeiten über die Bank an Geld zu kommen.
Jetzt auf zum Shoppen.
Zuerst brauche ich ein paar andere Schuhe. An meiner rechten Ferse hat sich eine dicke Blase gebildet. Bei jeder Schritt ist schmerzhaft. Mit Pflaster und Watte hatte ich schon versucht die Druckstelle im Schuh auszupolstern, jedoch es hilft nicht viel.
Dennoch, jeden Tag: rein in die Stiefel, Zähne zusammen beißen und … weiter geht’s.
Mit dem Trollybus Nr. 5 fahren wir 2 Stationen zum Irkutsk-Center.
Na, gibt’s schöne Pelze? Nee, ist nix. Weiter zum Rinok (Markt).
Am offenen Chinesenmarkt gibt es Hunderte von Verkaufsständen. Alles bekommt man da! Von verrosteten Schrauben , alten Waschbecken und Tapeten, bis hin zu Pelzmänteln.
Ich sehe ein paar Schuhe, na ja sie sind nicht so doll, haben aber dicke Sohlen. Wichtig für Schnee und Kälte. Der Schaft, ein besserer Filz ist gefüttert. Preis: 300 Rubel (ca. 8,00 ¤)
Na ja; es gibt Bessere, aber ich habe schon 100 Geschäfte abgeklappert. Jedoch in Damengröße 40 und ein breiter Fuß , da ist es sehr schwer, das Passende zu finden.
Nun, was soll’s, Ich kaufe die hässlichen Schuhe, ziehe sie an und, weiter geht’s.
Weiter? Fünf Schritte weiter, an einem anderen Schuhstand entdecke ich wunderschöne Wildlederstiefel in Größe 40! Dicke, griffige Sohle, gefüttert mit echtem Fell, auch die Innensohle, und in modischem Outfit. Preis: 1.200 Rubel (ca. 40,- ¤).
Gott; was soll ich nur machen? Jetzt möchte ich natürlich die „Filzdinger“ wieder loswerden!!
Großes Palaver mit allen Schuhverkäufern. Es kommen die Familien der einzelnen Verkaufsstände hinzu, und nach langem Hin- und Herfeilschen können wir uns auf einen Preis inklusive Rückgabe der Filzstiefel einigen. Toll! Geschafft!! Wir sind ganz stolz auf unseren Erfolg!
Nun habe ich für ca. 35,-- ¤ chice, warme, weiche und gefütterte Lederstiefel bekommen. , Gleich angezogen. Ich kann wunderbar drin laufen!
So, jetzt weiter zum Mantel!
Auf dem offenen Markt möchte ich mich nicht umschauen. Dafür ist der „Fachhandel“ da!!
Also: Weg vom Markt, hin zur Fußgängerzone. Rechts und links befinden sich etwa Zweigeschossige Häuserreihen. Die kleinen Fenster sind mit bunten Plakaten beklebt. Hinter schweren kleinen Doppel-Türen verbergen sich große Geschäfte. Schaufenster gibt es nicht, man muß überall reingehen. Wir suchen Pelzgeschäfte!! In einer Seitenstraße reiht sich eines neben dem Anderen. Wir klappern alle ab. Wie viel? Ich kann es nicht mehr aufzählen!
Gotthard ist schon ganz genervt und will schon aufgeben. (Was ich natürlich nicht verstehen kann! hi hi hi !)
Nach vielem Anprobieren ist mir klar, dass ich nun doch keinen Ledermantel haben möchte, sondern einen schönen Pelz.
Oh was gibt es für schöne Nerze!! Federleicht, mit Kapuze ab 60.000 Rub (1,00 ¤ = 36 Rubel) Aber so viel Bares haben wir nun nicht, und das mit der Visa-Card hat sich ja auch erledigt.
Einerseits ist mein lieber Mann natürlich auch an einem Kauf interessiert, da er seine Addidas Jacke, die, nur mit Watte gefüllt und schon recht ruiniert, weggeben möchte. Dann könnte er meinen halblangen Daunenmantel von Helly Hansen mit Kapuze, tragen.
Na ja, nach endloser Zeit (lt. Gotthard) werde ich dann doch fündig.
Eine wunderschöne schwarze Nerzjacke mit Kapuze, 7/8 lang, leicht und auch tragbar in Deutschland. Für umgerechnet 380,00 ¤ schlagen wir zu. Und auch die Verkäuferinnen strahlen. Die Felle stammen aus Irkutsk und die Anfertigung erfolgte in Moskau, erklärt uns die Dame.
Das ist sehr wichtig denn die Billigverarbeitungen kommen aus China oder Taiwan.
Natürlich zeihe ich sie gleich an, Gotthard bekommt meine Helly Hansen Daunenjacke. So machen wir uns wieder auf den Weg. Frisch eingekleidet fahren wir mit dem Bus zurück zur Wohnung und machen uns fein fürs Theater.
Nelly, die ja von der Dramaturgie kommt, wollte uns Karten für das Drama „König Lear“ besorgen. Aber das ist nun wirklich nicht „unser Ding“!! Englisches Drama auf Russisch – nee, das lieber nicht!
Doch wir haben uns unterwegs schon erkundigt. Im Musiktheater spielen sie „My fair Lady“, natürlich auch auf Russisch. Doch hier kennt man ja den Inhalt, und auch die Musik ist sehr schön.
So machen wir uns auf zum Musik- und Tanztheater. An der Abendkasse erstehen wir 2 Karten
13. Reihe für 140 Rubel (ca. 3,00 ¤).
Das erst vor ca. 10 Jahren erbaute Tanztheater ist ein ziemlich hässlicher Betonklotz.
Innen mit dem Charme der 80ziger Jahre, jedoch mit prächtigen Deckenmalereien. Im „Cafe“ nehmen wir wieder eine Kleinigkeit zu uns und pünktlich um 18 Uhr beginnt die Vorstellung.
Anders als bei uns. Hier nehmen die Schauspieler zum Singen immer ein Mikro in die Hand, und bei Sprechszenen legen sie es ab.
Eine Drehbühne verändert das Bild, ohne dass der Vorhang fällt. Das Theater ist diesmal warm und voll. Mit den Zwischenapplausen gehen die Zuschauer recht sparsam um.
In der Pause, stellen wir uns zum Cafe für ein Glas Sekt an. Eine Frau spricht uns auf deutsch an.
Hinter uns steht Michael Grau, der Generalkonsol von Novosibirsk mit seiner Frau Marie, eine Französin.
Er ist auf Geschäftsreise und wird am 28.2. wieder in Nowosibirsk sein.
„Oh wie schön,“ meinte ich, „an diesem Tage sind wir auch dort und ich habe Geburtstag“!
Nach kurzer Unterhaltung tauschen wir Visitenkarten aus und die Beiden versprechen, mit uns zu feiern. Leider könne er aber erst später kommen, da er zuvor noch eine Tagung mit dem französischen Konsul hätte.
Leider ist so eine Theaterpause recht kurz um Weiteres auszumachen. Und leider hatten wir uns nach Beendigung der Vorstellung nicht mehr gesehen.
Der Beifall einer Aufführung ist immer recht „mager“. Wenn der Vorhang fällt, klatschen die Leute ein bisschen, stehen auf und gehen – fertig!
Da ist es bei uns ist es schon etwas anderes, wenn die Schauspieler immer und immer wieder auf die Bühne kommen und sich über den Applaus freuen.
Die Aufführung ist sehr schön. Um 21.15 Uhr zu Ende, Zeit um noch etwas zu unternehmen.
Auf dem Heimweg finden wir jedoch leider kein Lokal mehr, in dem wir den Abend noch ausklingen lassen können. So kaufen wir uns am Kiosk noch 2 Bierchen und trinken dies beim Kartenspiel in unserer warmen Künstler Unterkunft.
Zimmertemperatur zur Bettzeit um 23.00 Uhr beträgt 30 °C.
Im Bad messe ich stets 39 °C. Gut dass ich ein Thermometer mit habe.
10. Tag, Listwjanka, Samstag, der 19.02.05
Fahrt per PKW zum Baikalsee nach Listwjanka mit Stops nach Belieben u.a. an einem sehenswerten Museumsdorf, Privatunterkunft.
Nach dem Frühstück kommt Christina wieder, unsere persönliche, private Reiseleiterin.
Wir haben sie für die Fahrt zum Baikalsee für einen Tag „gebucht“. Einen Fahrer mit PKW haben wir ohnehin und Christina soll uns unterwegs und im Museumsdorf einiges erklären.
Die Strecke von Irkutsk nach Listwjanka führt durch eine Bilderbuchlandschaft, wie man sie aus Fotos oder Filmen kennt. Eine recht hügelige Straße zieht sich durch die schneebedeckte Taiga. Weite, freie Felder unterbrechen die Wälder und die Straße schlängelt sich wie ein langes Band durch das Gebirge.
Blauer Himmel ohne ein Wölkchen. Die strahlende Sonne, reflektiert durch den glitzernden Schnee, … ein Traum! Wenige Autos begegnen uns und mit ein wenig Fantasie kann man auch die Wölfe heulen hören.
Nach ca. 47 km liegt auf der rechten Seite das Museumsdorf Talzy. Es besteht aus einer Reihe von Gebäuden aus der Region, die hier zusammengetragen wurden. Eine Kirche, alte und neuere Holzhäuser mit wunderschönen Schnitzereien können wir hier bewundern.
Christine erklärt uns alles über Herkunft, Alter und Geschichte. Wir sind froh, dass sie dabei ist.
Dieser Tag ist auch wieder unheimlich kalt. Der eisige Wind bläst ins Gesicht und spannte die Haut. Das Sprechen fällt schwer. Und ein Schal vor Mund und Nase schützen die Atemwege.
An einer Eisrutsche rutschen die Kinder auf Fellen einer glatten ca. 300 m langen Eisbahn entlang und auch Gotthard und Christine holen sich ein „Rutschefell“ und rodeln die Bahn hinunter.
Gotthard ist am Stöhnen „Ganz schön hart, die Bahn!“ Na klar, es ist eine einzige Eisbahn! „und dann auf dem dünnen Fell, da spürt man jede kleinste Erhebung!!“ Sein Rücken scheint wieder in Ordnung zu sein?! Jedenfalls klagt er nicht mehr darüber.
Weiter geht die Fahrt zum Baikalmuseum. Das ehemalige Limnologische Museum (zu Deutsch: Seenkundemuseum) ist das erste Gebäude hinter dem Ortsschild „Listwjanka“, direkt an der Straße zum Dorf. Es wurde 1993 als Forschungs- und Überwachungsinstitut des Baikalsees gegründet.
Dieser Besuch, unter der Führung Christinas und ihren guten Erklärungen, bringt erst die Wunder des Sees – im wahrsten Sinne – ans Tageslicht.
Der Eintritt von 180 Rubel. (ca. 6,00 ¤) erscheint uns relativ teuer. Aber die Information über den Baikalsee und alles was damit zusammen hängt ist äußerst interessant. Es hat sich gelohnt!! Viele Pflanzen-und Fischarten, deren Entwicklung sowie die Geschichte wurden in vielen Exponaten und Bildern dargestellt.
Als Krönung bewundern wir 2 Lebendrobben in einem großen Aquarium.
Der Baikalsee entstand vor etwa 20 bis 25 Millionen Jahren und ist einer dar ältesten Seen der Welt. Die Ausmaße dieses größten Süßwasserbeckens der Erde sind gewaltig.
Seine 31.500 qkm große Oberfläche liegt rund 455 u. N.N. Die Länge beträgt 636 km, die Breite bis 80 km, wobei die schmalste Stelle nur 20 km misst.
Die Tiefe misst maximal 1.637 m. Damit ist der Baikalsee der tiefste See der Erde.
Die Länge des Ufers misst rund 2.000 km und 336 Flüsse speisen den See. Der größte von ihnen ist die Selenga. Der Fluß Angara fließt jedoch aus dem Baikalsee ab.
Der See fasst 23.000 Kubikmeter Wasser, zweimal soviel wie die Ostsee!! Dies entspricht 20 % des gesamten Süßwasserbestandes der Erde.
Alle Flüsse der Erde bräuchten ein Jahr, um diesen See zu füllen!
Der Salzgehalt ist mit 0,1 g pro Liter sehr gering (in der Ostsee hat 1 l Wasser 7 g Salz). Die Wassertemperatur liegt im Sommer zwischen 14 und 16 °C. Auf dem Seegrund lebt eine besondere Fischart, der Ölfisch (Comephorus). Er ist ca. 30 cm lang und zu einem Drittel aus einem von Fett umgebenen Rückrat. Dieser Fisch lebt in bis zu 1.410 m Tiefe, wo der Wasserdruck mit 125 bar recht hoch ist.
Außer dieser Fischart gibt es jedoch noch ca. 1.500 weitere Lebewesen und 1.085 Pflanzenarten.
Ca. zwei Drittel kommen ausschließlich im und am Baikalsee vor.
Interessant ist auch, dass die Baikalrobbe, von der man annimmt, dass sie vor Tausenden von Jahren, als die Angara und der Jenissej noch sehr viel breiter waren als heute, durch diese Flüsse vom Polarmeer in den See gekommen sind.
1996 wurde der Baikalsee offiziell von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt.
In Höhe des Museums wo die Angara aus dem See fließt, beginnt sich das Gewässer zu „teilen“.
Wie an einer Grenze hört das feste Eis auf und geht über in klares Wasser.
Es beginnt ein fließendes, dampfendes Gewässer. Ein fantastisches Schauspiel!!
Man meint das Seewasser würde kochen. Große Dampfwolken ziehen über die weite Landschaft. Ein traumhafter Anblick!
Weiter fahren wir durch eine märchenhafte Winterlandschaft in den kleinen Ort Listwjanka.
Am Hafen sieht man dick vermummte Händler. Sie stehen vor ihren Räucherkisten und verkaufen frische, warme Fische, meist „Omul“. Es ziehen dicke Rauchschwaden über die Straßen. Man schnuppert es von weitem her. Aber dieser „Nebel“, der Räucherfischgeruch sitzt auch schnell in der Kleidung.
Zwei kleine Imbissstuben laden zum verweilen ein. Hier können die Leute ihre Fische verzehren. Auch wir kaufen uns einige „Omule“ und freuen uns im Warmen zu sitzen und diesen herrlichen frisch geräucherten Fisch zu genießen. Dazu Bier, Wodka, Saft oder Cola. Es herrscht eine Stimmung wie auf einer Almhütte. Auf den Tischen ein Gewirr von Plastiktellern- und Bechern, Bier- und Wodkaflaschen, Fischabfall.
Der Omul schmeckt ähnlich wie Forelle, hat jedoch kaum Gräten und ist mild und saftig. Man isst min den Fingern.
Nachdem wir uns gestärkt hatten suchen, wir unser neues Quartier auf.
Ca. 3 km vor dem Hafen liegt unser „neues zu Hause“. Ein typisch russisches Holzhaus mit Schnitzereien an Fenstern und der Außenfassade. Unser Zimmer liegt zwischen Flur und Wohnzimmer der Familie, deren erwachsener Sohn ein perfektes Englisch spricht, und sehr geschäftstüchtig ist.
„Russisch Banja, ja? Kostet 600 Rubel!!“ ( ca. 19,00 ¤). „Na gut, wir überlegen“, finden es dann aber doch zu teuer.
Nun müssen wir uns von Christina verabschieden. Sie fährt mit dem Fahrer, der uns nach Listwjanka gebracht hat, zurück. Ihre Aufgabe ist beendet. Für diesen Tag bekommt sie 25,- ¤ und ein ganz tolles Strickkostüm von mir. Es ist sehr edel, aber ich habe es kaum getragen und es tat mir immer leid, es so im Schrank liegen zu sehen. Christina freut sich aber wie ein Schneekönig.
Nun sind wir wieder auf uns allein gestellt. Wir richten uns schon mal häuslich ein, dann machen wir uns wieder auf den Weg zum Hafen. Schon von weitem läuft uns das Wasser im Munde zusammen.
Wir gehen über den Baikalsee. Bei – 30°C Ein scharfer Wind von vorn macht den „Spaziergang“ recht anstrengend. Wir stapfen durch Schneeverwehungen und kämpfen uns mühsam voran.
Gut, dass wir richtige angezogen sind. Auch die dicke Fettcreme schützt unser Gesicht vor dem eisigen Wind.
Am Hafen angekommen, kaufen wir erst mal Fische. Omul geräuchert, Omul roh, bzw. roh gesalzen.
Rein ins Lokal, alles auf einem Plastikteller und mit meinem winzigen Taschenmesser zerteilen wir den Fisch, und essen den Rest mit den Fingern. Piwo und Wodka helfen der Verdauung. Satt, zufrieden und glücklich beobachten wir die anderen Gäste. Es sind alles russische Touristen, Ausländer sind uns auf der ganzen Fahrt (außer dem Konsul) nicht begegnet.
Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Die Gäste kommen aus allen sozialen Schichten.
Man lacht von Tisch zu Tisch und prostet sich zu. Wir wollen schon gehen, plötzlich stehen zwei Flaschen Bier vor uns und freudig winkt uns ein Mongole zu: „Nastarowje, Germani!!“
Der Mann in Gesellschaft von 9 Personen, sieht einem „Sumu-Ringer“ ähnlich! So hoch wie breit. Seine Augen nur Schlitze, mir ist schleierhaft, wie man daraus sehen kann? Oberarme, so dick wie
Gotthards Oberschenkel und hart wie Stahl. Neben ihm eine zierliche kleine Frau, schwanger mit Zwillingen.
Er winkt uns zu seinem Tisch und wir nehmen gern an. Wo wir herkommen? Ob wir Kinder haben? Warum wir gerade jetzt in Sibirien sind? Und wo wir noch hin wollen? Die Unterhaltung erfolgt in Deutsch-Russisch-und Zeichensprache. Es klappt prima. Man glaubt gar nicht, wie man sich mit Händen und Füßen, Bleistift und Papier unterhalten kann!! Welche Herzlichkeit!!
Die Frauen drängen zum Aufbruch, da die Männer schon einige Vodkas „intus“ hatten.
Sie müssen wieder zurück nach Irkutsk und nehmen uns in ihrem Van ein Stück mit.
In dem kleinen Einkaufsladen neben unserer Unterkunft, decken wir uns noch mit Brot und Getränke ein. Die letzte Strecke zu Fuß, ist noch ein herrlicher kurzer Spaziergang durch die klare, kalte Winterluft.
11. Tag, Listwjanka, Sonntag, der 20.02.05
Listwjanka auf eigene Faust
Die Sonne kitzelt uns ins Gesicht. Wir haben wunderbar geschlafen!!
Mein Bett ist super, hart aber auch wackelig. Gotthard setzt sich zu mir auf die Kante – und schon kracht es zusammen. Ein Fuß bricht ab, und ich hänge auf Halbmast. „Oh Gott, was machen wir denn jetzt?“ Na ja, diese Liege ist schon recht morsch und altertümlich. Aber wir bekommen notdürftig den abgebrochenen Fuß wieder unter die Ecke, in der Hoffnung, dass es noch eine Nacht aushält.
Nach dem Frühstück in der großen Wohnküche – es gibt die üblichen Pfannkuchen, Marmelade, Käse, Wurst, Brot und Tee, ziehen wir wieder unsere dicken Winterjacken an und erkunden die Gegend. Ein traumhaftes Wetter empfängt uns. Das Thermometer zeigt zwar – 30 °C aber strahlend blauer Himmel!
Die Sonne lacht über den Baikalsee, das Eis knistert, unter unseren Stiefeln, und der Schnee glitzert. Eine große Ruhe liegt über dem Land.
Wir gehen durch das verschlafene Dorf. Verschneite Landschaften, festgefahrene Schneedecke auf den schmalen hügeligen Gassen. Die wunderschönen Holzhäuser mit ihren Schnitzereien. Auch hier haben nach der Perestroika schon Veränderungen stattgefunden, in Form von Restaurationen.
Verträumte Stille! Nur der Schnee knirscht unter den Füßen – „schrab schrab“.
Die Kapuzen über die Mützen und Ohren gezogen, dicke Schuhe, Hosen Jacken – man fühlt sich wie ein Teddybär. Den Schal vor Mund und Nase gezogen, schützen die Atmungsorgane vor dem eisigen Wind.
Kein Mensch auf den Straßen, ab und zu bewegte sich eine Gardine und neugierige Blicke verfolgen uns. Hier und da bellt ein Hund, etwa 2 – 3 Autos unterbrechen unseren Gang und lassen uns an den Rand treten.
Da – ein Glockengeläut! In einer kleinen Holzkirche ruhen wir und wärmen uns ein wenig auf.
Weiter geht unsere Erkundungstour. Die Häuser haben dicke, weiße „Mützen“ auf ihren Dächern. Die Fenster voller Eis und Eisblumen, Eiszapfen an den Dachrinnen. Die Gärten mit einem 2 m hohen Zaun umgeben, sollen vor wilden Tieren und anderen Eindringlingen schützen.
Dieses Dorf liegt direkt am See, geschmiegt an den Berg und lässt den Ort nach oben wachsen.
Oberhalb dieser Ansiedlung entdecken wir einige Rohbauten aus Stein. Exklusive Stile, großzügige Bauweise – sicherlich keine „Armen“.
Unser Spaziergang führt uns weiter in Richtung Hafen, den wir kurz nach 13.00 Uhr schon erreichen.
In den beiden einzigen Lokalen sind die Wirte noch mit Putzen beschäftigt und nach etwas Geduld belegen wir den ersten Tisch. Direkt am Fenster, mit traumhaften Blick auf den zugefrorenen See.
Immer wieder sieht man PKW’s auf dem See rumflitzen, die entweder die ersten Fahrversuche oder Schleudertraining machen.
Wir bestellen uns Tee, dann geht Gotthard raus und schaut nach den Fischen die schon dampfend in ihren Räucherkisten schmoren.
Nach dem wir gestern den Omul gegessen hatten, wollen wir die anderen Fische auch probieren.
Leider ist mir der Name entfallen, jedoch ist es eine andere Art. Sehr trocken, mager aber würzig.
Also, es ist ja wirklich praktisch, den draußen gekauften Fisch in diesen warmen Stuben zu verzehren. Es profitieren die Fischverkäufer, sowie der Kioskbesitzer da man ja auch einiges an Brot und Getränken verzehrt (letzteres natürlich mehr).
Immer mehr Leute kommen nun mit dicken Plastiktüten voller Fisch und schon bald sind alle Tische besetzt.
Am Nachbartisch sitzen auch russische Gäste, die einen sehr großen, ca. 40 – 50 cm langen Fisch vor sich haben. Interessiert fragen wir nach, was für ein Fisch es denn sei und wie er heiße? Nein, es ist kein Omul, Der Fischer heißt „SIG“ und kommt aus der Familie der Lachse. Aha!!
Schwupps, schon bekommen wir ein großes Stück auf unserem Teller, und der Nachbar winkt uns freudig zu, wir sollen uns doch schmecken lassen!
Oh er mundet herrlich, aber wir sind schon so satt, und „Wenn die Maus satt ist, schmeckte das Mehl bitter“, sagte immer meine Großmutter. Na, ist auch was Wahres dran.
Satt und glücklich sitzen wir an unserem Fensterplatz. Die Sonne wärmt uns durch das Fenster den Rücken, und wir genießen die warmen Strahlen und den herrlichen Ausblick über den See.
Mein Gott, wie geht es uns doch gut !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Die knarrende Tür ist ständig in Bewegung. Das Kommen und Gehen illustrer Gäste zuzusehen, ist ein lustiger Zeitvertreib.
Plötzlich, bekannte Gesichter - deutsche Stimmen – und schon erkennt man sich wieder.
Der deutsche Botschafter Michael Grau mit seiner Frau Marie betritt die kleine Kneipe.
Im Gefolge sein Praktikant Michael sowie ein weiteres Ehepaar.
Oh, ist das eine Überraschung!!“ Nachdem wir uns in Irkutsk nach dem Theater aus den Augen verloren hatten, waren wir sehr traurig. Aber „man trifft sich immer zweimal im Leben“.
Dies Sprichwort bewahrheitet sich hier wieder. So klein kann die Welt auch in Sibirien sein!
Schnell ein paar Tische zusammengestellt und „Platz ist auch in der kleinsten Hütte“
In lustiger Unterhaltung vertilgen wir alle Fische, und spülen sie mit Wodka und Bier herunter.
Nochmals verabreden wir uns für den 28.02 in Novosibirsk, Am Tag meines Geburtstages
Marie empfiehlt uns zwei Lokale in denen wir uns treffen wollen. „Bitte nicht so früh, denn wir haben zuvor noch ein Treffen mit dem französischen Botschafter“, aber sie wollen uns unbedingt treffen, damit wir zusammen feiern können.
Sie geben uns noch einige Tipps für diese Stadt mit, dann werden wieder Visitenkarten und Handynummern ausgetauscht. Na, hoffentlich klappt es??!!
Der Heimweg führt uns wieder über den Baikalsee. Hier treffen wir Männer mit großen Motorsägen, die große Eisblöcke bearbeiteten. Sie haben ein rundes Loch mit etwa 2 m Durchmesser und 30 cm Tiefe aus dem Eis geschnitten. An den Schnittstellen kann man herrliche Prismen und bizarre Kristalle entdecken.
12. Tag, Listwjanka/ Irkutsk,
Montag, der 21.02.05
Listwjanka auf eigene Faust. Nachmittags Rückfahrt nach Irkutsk mit dem öffentlichen Bus (mit reservierten Tickets. Transfer vom Busbahnhof zum Hauptbahnhof und Abfahrt nach Taischet um 19.15 Uhr mit Zug Nr. 87 (Waggon Nr. 25, Betten Nr. 13 u. 14).
Das reparierte Bett hielt die letzte Nacht noch und wir hatten wunderschön geschlafen. Nach dem Frühstück führt uns der „Gastherr“ zum Eisangeln. Einfach über die Straße und schon ist man am Ufer des Baikalsees. Eine steile, verschneite Holztreppe führt hinunter auf den gefrorenen See.
In ca. 100 m Entfernung befindet sich ein abgedecktes Eisloch. In diesem verbirgt sich eine dicke Schnur, an der in ca. 5 – 6 m tiefe ein kleiner Fisch hängt. Ca. 200 m weiter war das nächste Loch zu dem eine Verbindung besteht.
Unser Hausherr zieht das darin liegende Netz heraus, jedoch hatte sich leider nur ein einziger Fisch darin verfangen. „Die Fischjagd in dieser Zeit ist nicht so gut“, meint er. „Die beste Zeit ist März/April.“
Na ja. Damit ist das Thema „Eisangeln“ auch abgeschlossen.
Uns zieht es natürlich wieder zum Hafen, bzw. zu den geräucherten Omuls.
Wieder spazieren wir über den sagenumwobenen Baikalsee. Dank unserer guten Schuhe gibt es keine Probleme über das glatte, klare Eis zu gehen.
Noch einmal die wunderbare Landschaft, die Stille und die klare Luft genießen! Wieder strahlt die Sonne vom azurblauen Himmel herab. Kein einziges Wölkchen und das Eis, der Schnee glitzert und funkelt. Ab und zu ein paar Spuren von Tieren oder Menschen. Immer wieder zeichnen sich große Risse in der oberen Eisschicht ab. „Schrab schrab“ macht es bei jedem Schritt. Auf den Schneewehen sackt man ein wenig ein, man läuft wie auf Watte.
Kalt ist es heute! – 35 °C, aber fast windstill und die Sonne schickt ihre warmen Strahlen auf unsere Rücken.
Bis zum Hafen laufen wir fast 45 Minuten. Von weitem schon kann man die Räucherfische riechen und die ganze Gegend ist in dichte Qualmwolken gehüllt.
Diesmal wollen wir einen „Deal“ machen.
Durch den Kauf meiner Pelzjacke ging meine schwarze Helly Hansen Jacke auf Gotthard über.
Jetzt ist nun seine blau/weiße Adidas Jacke übrig. Weiter mit uns herum u schleppen haben wir keine Lust! Es ist nur Ballast. So wollen wir noch ein gutes Werk tun und sie weggeben.
Unter den Räucherfrauen suchen wir uns eine „arme“ alte Frau aus. (na ja, vielleicht war sie auch noch gar nicht so alt, aber die Menschen sehen hier doch sehr abgearbeitet aus) und schenken ihr diese Jacke.
Ganz ungläubig schaut sie uns an und packt uns spontan vier Omulfische ein.
Herrlich!! Rein ins Bistro, Tee, und andere geistige Getränke kommen auf den Tisch. Unserer „Lieblingstisch am Fenster ist noch frei. Und wir lassen uns die Sonne d auf den Pelz brennen. Es ist ein Traum!!
Später nehmen wir an einem Souvenirstand noch einen kleinen Bären aus Charoit für Meike mit. Dieser sehr seltene Stein soll nur hier am Baikal vorkommen und sehr teuer sein.
Zum letzten Mal wandern wir über den See zurück zum Quartier. Gotthard muß sich noch ein wenig ausruhen, während ich an meinem Tagebuch weiter schreibe.
Hier ein paar Bemerkungen zu dieser Unterkunft in Listwjanka:
Diesmal haben wir nicht das Gefühl in der Familie herzlich aufgenommen zu werden. Der Hausherr ist zwar recht nett und freundlich. Bei jedem Lächeln blitzt sein oberer Goldzahn. Doch die
Dollarzeichen stehen allen Familienmitgliedern in den Augen. Der ältere Sohn, spricht ein perfektes englisch. Gleich bei unserer Ankunft fragte er, ob wir „Banja haben wollten“ – „kostet 600 Rubel.“
(Ca. 20,00 ¤) Ob einzeln oder beide war mir nicht klar.
Im Bad hängt ein Schild über der Wanne: „Dush 3,00 $, Wash 3,00 $“.
Was auch immer das bedeuten soll, sie sehen uns nur als zahlende Gäste, die leider keine Umsätze mehr in diesem Hause machten.
Bereits um 15 Uhr kommt der Sohn zu uns ins Zimmer und will uns zum Aufbruch drängen.
„Wir müssen los, es kommt little Bus“ (eine Art VW-Bus).
“Nein, wir wollen mit ‘Big Bus’ (normaler großer Linienbus) um 16 Uhr fahren!“.
Mit einem mürrischen Gesicht schließt er die Tür wieder von außen. Jedoch um 16 Uhr stehen Vater und Sohn schon wieder auf der Matte und treiben uns zur Abfahrt in Richtung Hafen, dort wo der Linienbus nach Irkutsk wartet.
Ohne viel Unterhaltung chauffieren sie uns zur Bushaltestelle am Hafen. Schnell Koffer aus dem Kofferraum auf die Straße gestellt (Nun seht mal zu, wie ihr weiter kommt, denken sie sicherlich), „Tschüß“ von weitem – und weg! Sie sind froh, uns endlich wieder los zu sein. Bestimmt, weil sie keinen „Umsatz mit uns machen konnten!
Im Bus sitzen schon ein paar Bauersfrauen und ein Mann, von dem wir annehmen, es sei der Fahrer. Sie trinken noch etwas aus einer Sprudelflasche, und bieten auch uns etwas davon an.
Wir wollen ablehnen, merken aber, dass sie beleidigt sind. Na ja denke ich: „Na ein Schluck Sprudel tut uns gut“, die Luft ist sehr trocken.
Aber das halbvolle Glas ist Wodka! “Trink! Trink!!“ Rufen sie und wir stürzen es in einem Zug runter!! Oh, wurde mir warm in der Brust!! (Übrigens, der Wodkatrinker, ist doch nicht der Fahrer !)
Die Fahrt ist irre! In einem halsbrecherischen Tempo donnert der Bus über die schneebedeckten Straßen. Die Landstraße ist sehr bergig und kurvig. Hin und wieder kommen neue Fahrgäste hinzu. Und das Fahrgeld wird während der Fahrt bezahlt und gewechselt.
Wir sitzen ganz vorn und haben einen herrlichen Ausblick. Den Chauffeur immer gut im Blick.
Dieser klapprige und schaukelnde Autobus braust mit ca.100 km/h über die teilweisen verschneiten Straßen! Geht mit 70 – 80 kmh in die Kurven! Gotthards Gesicht wird abwechselnd blass und rot.
Nach etwa einer Stunde ist der Spuk vorbei und wir können aufatmen!
In Irkutsk am Busbahnhof angekommen, erwartet uns genau laut Reisebeschreibung wieder ein Fahrer mit einem Pkw. Weiter zum Zugbahnhof. Vor dem Gebäude angekommen, stellt er uns die Koffer raus, der Motor lief noch weiter – und „Tschüß, seht mal zu, wie ihr klarkommt“.
Mühsam schleppen wir unser Gepäck über den unwegsamen Schnee zum Bahnhofsgebäude. Es wurde Zeit, dass wir hier wegkamen, denn so viel Unfreundlichkeit wie in dieser Stadt und Umgebung haben wir sonst nirgendwo erlebt.
In der Bahnhofshalle: Über eine Treppe, die nach unten führt befindet eine große digitale Tafel., auf Hier sind wieder die Züge, Zugnummern und Ankunfts-und Abfahrtszeiten angegeben.
Die Tafel zeigt die Abfahrtszeit unseres Zuges Nr. 98 mit 14,45 Uhr an. Tatsächlich ist es jedoch schon 19 Uhr in diesem Falle muß man 5 Stunden hinzurechnen, also fährt unser Zug um 19.45 Uhr ab. Ja, man muß immer mitrechnen.
Die Halle ist proppevoll mit Reisenden, die alle mehr oder weniger auf diese Tafel starren.
Plötzlich erscheint in der rechten Spalte eine „4“. D.h.: Dieser Zug ist im Gleis 4 eingefahren. Jetzt kommt Bewegung in die Masse, und auch wir sind dabei.
Stufen runter, Gang entlang. Aber wo ist Gleis 4? Nicht wie bei uns, wo die Gleisnummer am Treppenaufgang angebracht ist. Also fragen: „tschedire?“ (Gleis 4?). Doch die eilig an uns vorbei eilenden Menschen haben keine Zeit uns Auskunft zu geben. Dennoch finden wir unser Gleis, immer mit dem gesamten Gepäck im Schlepptau. „Mein Gott, es wird und wird nicht weniger!!“
Endlich finden wir Gleis 4 und, natürlich: Waggon Nr. 25 befindet sich mal wieder fast am Ende!
In unserem Abteil sitzt schon ein Mann im „edlen Zwirn“. Brille und Etui von Christian Dior, liegen auf dem kleinen Tischchen. Er liest hohe russische Literatur. Warum der wohl in einem Vier-Bett Abteil fährt?
Die Schaffnerin bringt uns für 40 Rubel (1,20 ¤) die Bettwäsche und wir machen uns gleich für die Nacht fertig.
Dieser Zug fährt sehr unruhig – oder vielleicht ist es auch die Gleisanlage?
„Ratata und ratata,“ er holpert und stampft durch die Nacht.
Leere, blecherne Kleiderbügel schlagen gegen den Türrahmen. „Klick, klick, klick“, aber ich bekomme keine Lust aufzustehen und sie abzunehmen.
Schlafen im Zug ist für mich was Herrliches. Das monotone Geräusch, das Rattern und Ruckeln der Räder wiegt mich in den Schlaf.
An Haltestellen mit längeren Aufenthalten, wache ich meist auf, schlafe jedoch sofort wieder ein, wenn es weitergeht.
Bei Gotthard ist es genau anders herum. Er stöhnt über die Härte der Bank, und betont, er wäre erst um 4 Uhr in den Schlaf gekommen. Na ja, wer´s glaubt?
13. Tag,
Taischet / Birjusa, Dienstag, der 22.02.05
Ankunft in Taischet um 06.38 Uhr, Transfer in das Dorf Birjusa (ca. 12 km). Sibirien pur, ein völlig untouristisches Dorf erwartet Sie. Hier ausnahmsweise mit Vollpension. Beginnend mit einem Frühstück in der Familie, weil es keine Restaurants gibt. Anschließend in Begleitung eines deutschsprachigen Einheimischen zu Fuß durch das Dorf. Nachmittags Freizeit.
Bereits um 5.30 Uhr wache ich auf und hüpfe runter von meinem „Himmelbett“. Ich will mal zu Gotthard und ausprobieren, wie 2 Menschen auf einer 62 cm breiten Liege liegen können.
Na ja, schwierig. Aber seitlich hochkant geht schon.
Pünktlich um 6.40 Uhr fährt der Zug in Taischet ein. Wieder steht ein „Chauffeur“ direkt vor der Waggontür und schnappt sich eines der Gepäckstücke. ‚Die Fahrt geht weiter in das kleine Dörfchen Birjusa.
Die Stadt Taischet gehört zu den rund 42.000 zählenden Städte. Sie verdanken ihre Gründung im Jahre 1897 dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn. 1938 erhielt der Ort den Stadtstatus. Der Taischeter Bahnhof wurde aufwendig restauriert und erstrahlt seit 2002 wieder in vollem Glanz.
Taischet ist die „Eisenbahnhauptstadt Sibiriens“, da hier drei Eisenbahnstrecken aufeinander treffen: die Transsib, die Bahnlinie Nowosibirsk – Irkutsk via Abakan und die Baikal-Amur-Magistrale, auch „BAM“ genannt, die hier von der Transsib abzweigt.
Wir fahren in das etwa 12 km entfernte Dörfchen Birjusa mit seinen ca. 5.000 Einwohnern.
Herzlich werden wir von einer bescheidenen Frau empfangen. Valentina wohnt in einer alten Datscha allein und freut sich über Gäste, deren Unterkunft und Bewirtung ihre schmale Rente etwas aufbessert. Schlafzimmer und Wohnzimmer stehen zu unserer Verfügung. Auf dem Flur in der
Ecke ein Ausgussbecken mit Kaltwasser. Doch zuvor muß man jedoch zuerst das Wasser in einen hinteren Tank füllen, damit dann das Wasser durch den schmalen Wasserhahn herauslaufen kann.
In einer Ecke mit Gerümpel befindet sich das „Notklo“, bestehend aus einem „WC mit Eimer-Brille, Deckel drauf – fertig“. Ansonsten: „kaltes“ Klo draußen, 30 m durch den Garten.
Auch die Küche befindet sich in einem separaten kleinen Häuschen auf dem Gartengelände. Man muß durch den Garten gehen um die Räume zu wechseln.
D.h. aber auch: Beim Verlassen des einen Häuschens Stiefel an, sowie Mantel und Mütze – ein paar Meter weiter, wieder Mantel, Mütze aus, Stiefel tauschen gegen Hausschuhe, die an jeder Eingangstür stehen.
Um die Gebäude zu wechseln sollte man nicht, wie ich, in Hausschuhen gehen.
Denn die festgetretene Schneedecke ist sehr glatt und ich hätte mich fast hingelegt.
Also: immer Stiefel an – 3 m durch das Freie – Schuhe wieder aus. Alles sehr umständlich, aber alle machen es so.
In der Küche empfangen uns gleich zwei niedliche Katzen und eine sehr lebhafte kleine Mischlingshündin.
Valentina bereitet uns sogleich ein leckeres Frühstück. Wieder gibt es mit Fleisch gefüllte Teigtaschen. Sie waren schon für uns vorbereitet und werden nur noch in der Mikrowelle aufgewärmt. Dazu eine selbst gemachte Marmelade, die ein bisschen „alkoholisiert“ aber lecker schmeckt. Tee und Brot.
Die Küche ist aufs Einfachste eingerichtet. Sofa unter dem Fenster. Tisch, eine schlichte Bank und Hocker in der Mitte des kleinen Raumes. In der Ecke ein altertümlicher, gemauerter Kohleofen, daneben eine elektrische Kochplatte und auf dem Tiefkühlschrank flimmert der Fernseher.
„Hier wohne ich“, erklärt uns Valentina, die ein wenig deutsch spricht. „Hier ist es immer warm, hier bin ich zu Hause.“
Die letzte Nacht im Zug war etwas kurz, und wollen wir ein wenig ausruhen. Es ist warm in unserem Zimmer. Das Ehebett schön groß und fest zum Schlafen, Ruhe im ganzen Ort.
Nach einer Weile ruft Valentina zum Mittagessen. Es gibt „Pelmeni“, kleine, wieder mit Fleisch gefüllte Teigtaschen in einer sehr schmackhaften Brühe und – welch ein Wunder – mit frischem Schnittlauch bestreut! Dazu einen Salat, bestehend aus Roten Beeren, Äpfeln und Walnüssen. Köstlich !! Danach sind wir richtig „genudelt“.
Das anschließende Verdauungsschläfchen für Gotthard ist in Ordnung. Mir „grummelt“ der Bauch etwas und ich werde erst einmal das „kalte“ Klo aufsuchen.
Über einen schneebedeckten Bretterweg (auch hier muß man sich jedes Mal beim Verlassen der Gebäude, warm anziehen. Schnürstiefel, Jacke, Mütze, Schal) komme ich zum Häuschen mit der Herzchen-Tür.
Auf einem etwa 8 cm hohen Podest befindet sich ein Loch, in das alles hineinplatscht. Rechts und links 2 feste Klötze damit man weiß, wo man die Füße hinstellt – das war’s.
Das „Räumchen“ ist mit Resten einer ehemals schönen Blumentapete tapeziert. An der einen Seite ist nichts zu erkennen , da eine dicke Eisschicht über der Tapete liegt.
Das Erledigen des „Geschäftes“ ist für uns sehr schwierig und umständlich. Schon allein der dicken Bekleidung wegen. Das „In die Hocke gehen“ geht ja noch. Aber das “wieder hoch kommen“ ist schon etwas schwierig! Dann die eisige Kälte dazu !!
Also, ein „Örtchen“ an dem man sich nicht länger aufhält, als es sein muss!!
Die moderne Elektrizität war hier noch nicht angekommen, bei Dunkelheit muß man sich noch mit einem Licht „bewaffnen“.
Um 15.00 Uhr kommt Tanja, die Dolmetscherin, die uns durchs Dorf führt und viel erzählt.
Dieser Rundgang findet in englischer Sprache statt.
Leider ist mein mir selbst angeeignetes Englisch so schlecht, dass ich nur die Hälfte von ihren bestimmt interessanten Erklärungen verstehe. Jedoch habe ich verstanden, dass dieses kleine Nest immerhin zwei Schulen besitzt und ein Kinderheim mit ca. 200 Kindern, die aus zerrütteten Familien stammen.
Die Häuser sind alle aus Holz gebaut. Zum Teil mit schönen Verzierungen und Schnitzereien, Aber man kann auch Bauten aus alten Bahnschwellen erkennen. (Na, wie das wohl im Sommer riecht?) Das sind arme Leute.
Einige Häuser sind leer. Die Eigentümer wohnen in Taischet und benutzen sie nur im Sommer als Sommerhaus. In dem einzigen Einkaufsladen erhält man alles, was die Menschen so brauchen: Brot, Wurst, Getränke. Aber auch Seife, Nagellack und Schubkarren. Die Auswahl ist nicht groß, aber bis in die Stadt ist es weit. Arbeit gibt es nur in der Schule und im Kinderheim.
Die übrige Bevölkerung sind alte Leute, die sich im Sommer durch den Verkauf von selbst angebauten Obst und Gemüse über Wasser halten. Manche haben eine Kuh und einige Schafe, das bringt sie über den langen, harten Winter.
Wir ziehen uns an um einen kleinen Spaziergang zu machen. Und wieder ist das Wetter traumhaft! Blauer Himmel, strahlende Sonne, windstill und gar nicht mehr so kalt wie am Morgen.
Aus manchen Gärten kläfft ein Hund und in den zwei Stunden Rundgang begegnen uns drei Autos. Weiterhin gesellt sich ein junger Hund, der uns brav begleitete. So kommen wir zu einer „Begleiteten Taigawanderung“.
Still und ruhig liegt das verschlafene Dörfchen Birjusa am Rande der Taiga. Malerisch und sauber durch die teilweise unberührte Schneedecke. Ab und zu mal ein Hundehaufen. Ich möchte nicht wissen, wie Wege und Straßen nach der Schneeschmelze aussehen, denn es gibt keine befestigten Fahrwege!!
Wieder zurück, Valentina hat schon die Banja vorbereitet.
In dem vor drei Jahren neu angebauten Raum neben der Küche steht ein großer Wasserboiler, der mit Holz beheizt wird. In einer offenen Klappe befinden sich Steine, die mit einer Wasserkelle überschüttet werden. Sofort wird der Raum mit heißem, weißem Dampf erfüllt.
Wie in einer Sauna ist auch hier ein hoher Bretterboden angebracht, auf den man sich setzt. In der Ecke steht ein großes Fass mit Kaltwasser und zwei Schöpfkellen zum Abkühlen. Mit dem Bündel getrockneten Birkenzweigen klopft man sich den Körper ab und ein wunderbarer Duft erfüllte den Raum.
Oh ist das herrlich! Sogleich beginnen wir zu schwitzen. Schnell mal raus in den Schnee. Ist schon ein bisschen komisch, denn wir müssen durch die Küche, vorbei an Valentina.
Nach einer Stunde fühlen wir uns wie neu geboren. Das Abendessen steht auch schon wieder auf dem Tisch in dieser warmen, gemütlichen Küche.
Diesmal serviert uns Valentina Kartoffelbrei, Rote Beetesalat, eingelegte Salzgurken und Tomaten.
Wir verstehen uns prächtig und schließen den schönen Tag mit einem Wodka und ein zwei Bierchen ab (zu dritt). Natürlich in Kaffeetassen „serviert!!“
Die letzte Nacht im Zug war kurz – der Tag heute sehr lang und anstrengend – den Rest erledigte die Banja: Wir sind müde, und so verziehen wir uns gegen 20.00 Uhr in unsere „Suite“ (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Flur, „kleines Klo“.)
14. Tag, Birjusa, Mittwoch, der 23.02.05
Vormittags begleitete Taigawanderung und nachmittags Fahrt in die Provinzstadt Taischet zum Markt.
Wir haben herrlich geschlafen!! Sogar Gotthard!!!!!!!!!!!!!! Fast 11 Stunden! Aber wir waren auch ganz schön „geschafft“. Diese Betten und diese himmlische Ruhe ließ uns so lange ruhen.
Valentina hatte bereits Besuch. Ihre Familie aus Taischet. Alexi, Tanja und Denis (Schwiegersohn, Tochter und 10-jähriger Sohn) sind schon da. Alle haben sie „frei“, da heute „Männertag“ ist. „Männertag ist nur Sauftag mit Alibi für die Männer“, erklärt uns Tanja. Na ja, ist ja bei uns auch nicht viel anders? Oder ?
k.
Am Männertag wird teilweise nicht gearbeitet. Die Banken haben geschlossen, wobei wir doch mal wieder Geld wechseln wollten und mussten!! Die Kinder haben keine Schule und so ist die ganze Familie zu Besuch bei der Großmutter auf dem Dorf.
Der Schwiegersohn lernt fleißig Deutsch, denn auch hier hatte man schon erkannt, dass Fremdenverkehr etwas Geld in die Kasse bringt. Über das Thema „Rente“ sprechen wir nicht, ebenso weinig über Politik
Wir sitzen wie in einer richtig großen Familie am Küchentisch und das Frühstück ist wieder sehr opulent. Abermals gibt es einen schmackhaften Salat bestehend aus Möhren, Eiern, Mayonnaise, winzigen kleinen Nüdelchen und viel Knoblauch. Spiegeleier, gebratene Wurst, Käse, Tee mit Milch. Es schmeckt wie immer köstlich und man merkt, dass Valentina mit Leib und Seele Hausfrau ist.
Der Fernseher läuft den ganzen Tag. Man sieht zwischen viel Werbung alte Kriegsfilme aus dem 2. Weltkrieg. Teilweise mit Originalaufnahmen, natürlich aus Sicht der Sowjetunion.
Heute Vormittag wollen wir zum Markt nach Taischet.
Also, das übliche „Spielchen“, man kleide sich in die „große Verpackung“.
Dicke Hose über Haushose, Hausschuhe werden gegen die festen, dicken 1000-mal zu schnürenden und schwer anziehbaren Stiefel getauscht. Jacke drunter – Mantel drüber, Schal, Mütze Handschuhe. Tasche und Kamera über die Schulter, ach, man fühlt sich wie ein Teddybär.
Raus, ins Auto, ab geht die Post nach Taischet.
Doch was ist das? Das Auto springt nicht an! Na ja, Moment, kommt gleich. Wieder raus aus dem Wagen draußen warten. Doch bei - 28 °C bleibt man nicht lange draußen stehen.
Wir warten, und warten. Geben den einen oder anderen guten Ratschlag. Aber es hilft nichts. Wir probierten es mit Anschieben. „Kein Problem“, also, alle Leute schieben. „Nitschewo!“ Nichts geht mehr und auch die Batterie sagt nicht mehr viel, bzw. jetzt gar nichts mehr!
Also gehen wir wieder in die Küche und das heißt: Ausziehen! Dicke Hose runter, Haushose an, die festen, dicken 1000 mal zu schnürenden und schwer anziehbaren Stiefel werden gegen Hausschuhe getauscht. Jacke runter – Mantel aus, Schal, Mütze Handschuhe. Tasche und Kamera ablegen.
Mittels eines langen Kabels, durch den Garten bis zur Küche, wird nun erst mal die Batterie aufgeladen. Nach zwei Stunden ist der Mazda wieder klar und das Anziehen beginnt von vorn.
Der Markt (Rinok) in Taischet ist ein Gebilde von ganz vielen kleinen Marktbuden, und teilweise Containern. Dicht gedrängt reiehn sich die Stände aneinander, nur schmale Gassen lassen die Besucher hindurch.
Die Betreiber sind überwiegend Birjussen, Mongolen und chinesische Händler. Sie bieten ziemlich minderwertige chinesische, taiwanesische oder koreanische Waren an, erklärte uns Alexi. Die wenigen russischen oder türkischen Händler bieten bessere Qualitäten an.
Wir werden angeglotzt und bestaunt und immer wieder bedrängt, etwas zu kaufen. Da wir uns mit Alexi auf Deutsch unterhalten, wird dieser immer wieder nach unserer Herkunft gefragt. Stolz erklärt er immer wieder, dass wir Niemzkis (Deutsche) sind und bei ihm zu Besuch sind. Alles schart sich um uns, bestaunt und beglotzt uns. Ich wartete nur noch darauf, dass uns jemand anfasst und probiert, ob wir auch „echt“ sind.
In einer großen Verkaufshalle, ähnlich wie die üblichen Markthallen, bekommt man Lebensmittel aller Art und die Auswahl ist sehr groß. Obst, Gemüse, Brot, Fisch oder Fleisch, alles was die Küche so braucht.
Zurück nach Birjusa, wo Valentina und Tochter Tanja mit dem Mittagessen auf uns wartet . Wieder die typisch russische Suppe, den Borschtsch, und er mundet wunderbar!! Dann, die mit Fleisch gefüllten Teigtaschen, Salat, Brot und Tee. Natürlich essen wir mal wieder zuviel!! Deshalb sind wir auch recht schaffend müde.
Doch durch die Autopanne am Vormittag ist es ganz schön spät geworden. Bereits 15.45 Uhr und wir wollen unbedingt die Taigawanderung erleben!
Also, wieder anziehen und raus. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, der Schnee funkelt und glitzert, wir machen uns auf den Weg. Alexi, Tanja und Denis kommen auch mit. Begleitet von den beiden Hunden.
Schon nach einigen Minuten erreichen wir die Taiga. Oh, wie ist es anstrengend, im tiefen Schnee zu stapfen!! Manchmal stapfen wir in schmale Rillen die durch Reifenspuren verursacht wurden. so Das Gehen ist sehr, sehr beschwerlich!
Ein Pferdeschlitten, mit Baumstämmen beladen, kommt uns entgegen und Gotthard zückt seine Filmkamera. Blitzschnell ducken sich die Männer, verbergen ihre Gesichter hinter dem Mantelkraken und wenden sich von uns ab. Alexi lacht und erklärt uns später, dass sie Angst hatten, wegen „Polizei“!! Das Filmen irritierte sie, denn sie haben keine Lizenz zum Holz holen. Na ja, vor uns brauchen sie keine Angst zu haben.
Weiter geht´s jetzt quer durch den Wald. Wir stapfen durch den trockenen, unberührten Pulverschnee, der uns bis an die Knie reicht. Ein mühsames vor ankommen!!
He, rennt mal nicht so schnell! Wir sind nicht auf der Flucht!“ Gotthard schnauft und keucht hinter uns her. Na, ja, mit seinen kurzen Beinen, muß er auch die doppelte Anzahl von Schritten machen.
Inzwischen haben die Hunde ihren großen Spaß. Der Große springt fast elegant durch das pulvrige Weiß. Während der Kleine sich wie ein Maulwurf einbuddelt und nach einigen Metern wieder zum Vorschein kommt. Es ist ein lustiges Spielchen und wir lachen uns kaputt!
In einer Lichtung bleiben wir stehen und Tanja sammelte trockenes Gras und Reisig. Alexi fegt den Waldboden frei und schnell entzündet ein kleines Feuerchen.
Jetzt ist mir klar, was die beiden in ihren Plastiktüten mitschleppten:
Einen Wasserkessel und eine Plastikflasche mit Wasser. Becher, Tee und Milch.
Über dem Feuerchen wird eine Halterung gebaut und schon bald brodelt das Wasser in dem kleinen schwarzen Kesselchen.
Etwas Tee dazu - Tanja holt noch einige Zweige aus dem Wald, die auch mit in das brodelnde Wasser kommen – und fertig ist ein wundervoll duftendes Getränk.
Ein unvergessliches Erlebnis! In dieser Abgeschiedenheit nach Pfadfinderart zubereiteten Tee zu trinken. Allein mit sich und der Natur – ja, das ist „Sibirien pur“!!
Wieder zurück durch den Wald, durch trockenen, unberührten Pulverschnee, knietief.
Unsere Fremdenführer gehen leichtfüßig wie junge Rehe vor uns her. Wir hecheln atemlos und schwitzend nach, denn für uns ist es doch sehr ungewohnt und sehr, sehr anstrengend.
Zu Hause bei Valentina angekommen, werden wir wieder entschädigt. Die Banja ist schon angeheizt, und ich freue mich auf ein heißes Dampfbad, um die müden Glieder zu entspannen.
Ich mache mich schon einmal fertig, während Gotthard mit Deniz noch ein wenig „Mau Mau“ spielt.
Tanja zeigt mir nochmals die Handhabung de Banja:
„Aus dem heißen Kessel ein Stieltöpfchen voll Wasser entnehmen und in das Ofenloch auf die heißen Steine schütten.“
Na ja, das kenne ich ja schon von gestern. Also, das Töpfchen voll Wasser in die Hand - Boilerklappe auf – und – mit Schwung hinein !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
„Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilfe!!!“. Meine Hand !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Oh je – ich habe zuviel Wasser geschöpft. Der letzte Tropfen landete noch nicht ganz auf den Steinen, ergießt sich ein Schwall heißen Dampfes über meine rechte Hand. Der gesamte Handrücken und Finger sind verbrüht.
Oh, welche Schmerzen! Es brennt wie Feuer! Was soll ich bloß machen?
Hinaus gehen? Saunagang abbrechen?
Da, der Bottich mit kaltem Wasser in der Ecke – ist meine Rettung!
Schnell tauche ich meine Flosse in den Zuber mit kaltem Wasser, um die Schmerzen zu lindern.
Oh, welche –Wohltat. So kann man es auszuhalten. Doch wehe ich nehme die Hand wieder raus, die verbrühte Haut brennt durch die warme Luft der Banja wie Feuer!!
Mist! Jedoch möchte ich mein Schwitzvergnügen nicht aufgeben. So sitze ich nun auf der Bank. Die rechte Hand im Töpfchen mit kühlem Wasser, während die übrigen Körperteile langsam zum Schwitzen kommen.
Mein lieber Mann „tobt“ natürlich wieder, als er mein Unglück sah (na ja, er schimpft ja immer, wenn mir mal was passiert). Dennoch hilft er mir dann ganz liebevoll, die Haare in der Waschschüssel zu waschen.
Wieder in der Küche – mein Handrücken feuert, als wenn pures Feuer darauf brenn. Valentina ist ganz besorgt und gibt mir sofort etwas Bephanthol auf die Wunden. „Nicht so schlimm, in einer Stunde sind die Scherzen vorbei“ tröstet sie mich lächelnd.
In der Küche ist es warm und gemütlich. Die Schmerzen meiner Hand werden nicht besser. In und wieder gehe ich vor die Tür, um die Pein mit Schnee zu mildern. Oh, wie soll denn das heute Nacht noch werden? Ich tröste mich, dass ich genügend Aspirin bei mir habe. Im Falle eines Falles, ich nicht schlafen kann.
Alexi, Tanja und Deniz verabschieden sich nach dem wieder leckeren und reichlichen Abendessen.
Sie müssen wieder nach Taischet, denn morgen beginnen wieder die Arbeit und die Schule.
Mit Valentina leeren wir noch die letzten drei Bierchen und den Rest Wodka. Um 22.00 Uhr fallen wir todmüde ins Bett, meine Schmerzen sind erträglich.
15. Tag, Birjusa / Taischet/ Kransojarsk,
Donnerstag, der 24.02.05
Transfer zum Bahnhof und Abfahrt nach Krasnojarsk um 9.35 Uhr mit Zug Nr. 74. Ankunft um 15.57 Uhr. Transfer zum Hotel Krasnojarsk.
Um 1.00 werde ich wach.
1000 Sachen gehen mir durch den Kopf. Ich lese, versuche wieder zu schlafen – nix passiert. Meine Hand schmerzt, jedoch nicht genug, um Tabletten zu schlucken, was ich auch nicht gewohnt bin.
Um 6.00 Uhr stehen wir auf und wieder serviert Valentina uns noch einmal ein köstliches Frühstück. Pünktlich kommt der Fahrer und der Abschied ist herzlich - schmerzlich.
Wir haben hier so eine schöne Zeit verbracht!! In dieser einfachen – um nicht zu sagen: schlichten Unterkunft, aber doch liebenswert und von Herzen kommend.
Hier haben wir zum ersten Mal richtige, ehrliche russische Gastfreundschaft erlebt.
Wir wurden in die Familie einbezogen, wie Besucher und nicht nur wie zahlende Gäste.
Noch nie hatten wir so gut gegessen und geschlafen, soviel Herzlichkeit und Freundschaft erlebt wie hier.
Adieu, liebe Valentina, bleib gesund. Wir werden dich nie vergessen! Dich und deine liebe Familie!! Der Wagen steht schon vor dem Haus. Schnell noch einmal aufs „Stille Örtchen“ – aufs „kalte Klo“, denn bis zum Zug hätte es nicht mehr gereicht. Eine letzte Umarmung, ein Küsschen, dann lege ich Valentina meinen Schal um den Hals als Erinnerung. Ihr kommen die Tränen, vor Rührung. „Schreiben, schreib!“, sagt sie immer wieder. „Gewiss, ich schreibe!“
Noch ein letzter Blick aus den schmutzigen Fensterscheiben unseres Autos. Einen letzten Blick auf das blaue Häuschen, dann rollen wir zum letzten Mal durch das stille Dörfchen Birjusa.
Unser Fahrer, dessen Steuer sich auf der rechten Seite befindet, fährt einen gemäßigten Stil auf den breiten, fast leeren Strassen nach Taischet zum Bahnhof.
Wir sind ein bisschen zu früh da, können jedoch im warmen Auto, mit laufenden Motor sitzen bleiben und warten bis unser Zug einläuft.
Die letzten Meter zum Zug Bahnhof schaffen wir dann allein, na ja, wir sind ja auch schon geübt.
Unser Gepäck, einst zwei Rollen-Reisetaschen, eine große Reisetasche, zwei Rucksäcke, hat sich im Laufe dieser Reise Gott sei Dank, kräftig dezimiert. Nunmehr haben wir eine Reisetasche und einen Rucksack weniger, da wir unterwegs schon viele einige Gastgeschenke verteilt haben.
Der Fahrer heute erhält ein schönes Flanellhemd von Gotthard. Es war ein „Fehlkauf“ und Gotthard hatte es wirklich nur einmal getragen. Unser Chauffeur freut und bedankt sich aufwendig.
Wir hatten haben wir nur eine „Tagesfahrt“. Also ohne eine Nacht im Vierbettabteil.
Wieder empfängt uns im Wagen Nr. 6. eine Zugbegleiterin, die streng die Fahrkarten und Ausweise überprüft. Für diese Tagesfahrt bekamen wir die Fahrbillets ohne Platznummern. Die Schaffnerin schaut auf ihre Liste, und meint: Sie haben die Plätze 24 + 28 . „Oh“ frage ich, „sitzen wir in getrennten Abteilen?“ „Da, da (ja, ja)“, nickt sie lächelnd. „Oh, Gott, das kann ja heiter werden!“ ich schaue Gotthard an und dann musste ich ihm erst übersetzen, was los ist.
Doch den richtige Schrecken erhalten wir erst im Zug.
Trotz zwei Gepäckstücken weniger, ist es immer noch sehr anstrengend. Die beiden schweren, großen Rollentaschen und den dicken Rucksack durch den schmalen Gang entlang zu wuchten.
Selbst ist man eingepackt, wie ein Teddybär und in der Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt. Außerdem muss man sich ständig an stehenden und entgegenkommenden Reisenden vorbeizwängen.
Auf dem Gang begegnen uns wieder unausgeschlafene oder übernächtigte Reisende. Man sieht es an ihren unrasierten und ungewaschenen Gesichtern. In zerknitterter Kleidung oder in Schlafanzügen mit Handtüchern um den Hals, wartend auf den Vorgänger im Waschraum – na ja, man selbst sieht ja auch nicht viel anders aus.
So verstopfen sie den schmalen Gang, in dem die Eingestiegenen entgegen drängen und ihre Plätze zu suchen.
Wir erreichen unsere „Abteile“. Platz Nr. 24 ist die obige Liege oben. Hier liegt noch Einer und schläft. Auch der nächste Platz im Abteil Nr. 28 ist oben. Unten sitzt eine Familie. Vater, Mutter, Sohn, auf der oberen Liege ist das Gepäck gelagert. Na, das kann ja heiter werden! Was machen wir denn bloß? Man will ja auch nicht unhöflich sein.
Tja, da stehen wir nun im Gang mit unserem Gepäck und behindern die anderen Reisenden.
Nach einiger Zeit wuchte ich unser Reisegepäck auf Liege Nr. 28, dann setzen wir uns auf die winzigen Klappsitze im Gang.
Gotthard ist mal wieder „maulig“ und verzieht sich in den Speisewagen. Na, das kenn ich schon!
Ich versuche ein wenig in meinem Tagebuch zu schreiben, was aber wegen des „Geruckels“ ziemlich schwierig ist. In unserem „Gepäckabteil“ sitzt eine ziemlich streng blickende Russin mit ihrem 11 jährigem Sohn. Ich fasse mir ein Herz und frage in meinem besten Russisch, ob ich mich zu ihr setzen dürfe. „Gern“ meint sie, und räumt sofort ihre Sachen beiseite. „Na, also, geht doch.“ Denke ich, man muß nur den Mut haben, freundlich zu fragen. Wieder einmal ein kleines Erfolgserlebnis.
Gotthard erscheint wieder aus dem Speisewagen und wir bringen dem Kleinen „Mau mau“ bei, das er sehr schnell kapiert. Nach einiger Zeit spielt auch noch die Mutter mit, die recht froh ist, ihren Sohn beschäftigt zu sehen. Später übe ich mit dem Kleinen Russisch und Deutsch aus meinen Büchern.
Wieder klappt der Empfang am Bahnhof hervorragend . Nadja steht direkt mit einem Schild „Böhm“ vor unserem Waggon und fährt uns mit ihrem Auto zum Hotel „Krasnojarsk“.
Dieses Hotel liegt zentral in der Innenstadt, gegenüber einem Theater. Wir machen noch einen kleinen Bummel durch die City, essen eine Kleinigkeit und fallen todmüde ins Bett.
16. Tag, Kransojarsk, Freitag, der 25.02.05
Zweistündige deutschsprachige Führung durch das wunderbare Heimatkundemuseum und, falls noch Zeit übrig bleibt, durch das Stadtzentrum. Anschließend Krasnojarsk auf eigene Faust.
Ich kann’s nicht glauben!! Die Uhr zeigt 7.30 Uhr! Ganze 12 Stunden haben wir geschlafen!!
Wir haben unsere Reise im Osten begonnen. Ständig mußten wir die Uhren immer wieder mal um 1 Stunde zurück stellen. Ab jetzt sind es bis Moskau nur noch 4 Stunden Unterschied.
Unser „Hotel Krasnojarks“ befindet sich in der Innenstadt, gleich gegenüber der Oper. Der Eingang und die Empfangshalle sind für russische Verhältnisse „edel“. Die Zimmer und das Bad besitzen den Charme der 70ger Jahre. Na, ja wir sind zufrieden.
Endlich können wir mal problemlos duschen. D.h. ich nicht ganz so, denn meine rechte, verbrühte Hand ist immer noch recht empfindlich gegenüber Wärme. Jetzt haben sich dicke große Blasen gebildet, der Rest der Handoberfläche flammt in schwarz/braunem Ton.
Wir geniessen einen traumhaften Ausblick aus unserem Fenster Wir schauen auf den Fluss Jenissej und eine große Brücke, die darüber führt. Schon auf der Zugfahrt von Taischet nach Krasnojarsk, konnte man die zunehmende Industrialisierung erkennen. Immer mehr Steinhäuser, alte, verrottete Industrieanlagen und Fabriken „zieren“ den Weg entlang der Eisenbahnstrecke.
Hier und da ein Heizkraftwerk, aus dem dicker, weißer Rauch entsteigt. Dicke Rohre, teilweise tropfend und mit dicken Eismänteln umgeben liegen in der Gegend, als wenn sie nicht dahin gehörten.
Krasnojarsk liegt in einem trüben Licht. Es schneit und das Thermometer zeigte milde - 8 bis - 10 °C. Jedoch es weht ein scharfer Wind. Alles ist sehr trist und grau. Der Schnee ist dunkel und schmutzig.
Zum Frühstück fahren wir mit dem klapprigen Fahrstuhl wir in die 4. Etage. Ein sehr kleiner Raum mit ca. 6 – 8 Tischen. In einem lieblos eingerichteten Nebenraum ist das Frühstücksbuffet angerichtet. Das Haus hat nur auf einheimische Gäste eingerichtet, denn hierher verlaufen sich selten ausländische Besucher.
Angeboten werden, wie in dieser Region üblich: einige Salate, Pelmeni (diese gefüllten Teigtaschen), Fleischklöpse und andere warme Speisen, die wir normalerweise nur zu Mittag essen.
Nun, wir suchen uns das Beste aus , es schmeckt dennoch, und wir wurden werden auch satt.
Um 11.00 Uhr erwartet uns Galina, die russische, etwa 40jährige Stadtführerin an der Rezeption. Sie zeigt und erklärt uns in einem sehr gutem Deutsch die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt.
Die mit knapp 875.000 zählenden Einwohner der Stadt Krasnojarsk liegt am Fluß Jenissej.
Ihre Gründung erfolgte im Jahre 1628 durch Andrei Dubenskij, der von den 300 ihn begleitenden Kosaken am Zusammenfluss des mächtigen Janisej und der kleinen Katscha, eine Holzfestung mit dem Namen Krasny errichten ließ. Später wurde die Stadt in Krasnojarsk umbenannt und erhielt im Jahre 1690 die Stadtrechte. Die rasche Entwicklung dieser Stadt verdankte sie der Anbindung an die transsibirische Eisenbahn im Jahre 1896.
Die 1899 erbaute Eisenbahnbrücke über den Jenissej ist ein Meisterwerk. Sie bekam bei der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 eine Goldmedaille, eben die, welche auch der Eifelturm erhielt.
Während des 2. Weltkrieges wurden viele Fabriken und Betriebe aus dem Westen des Landes nach Krasnojarsk verlegt.
Heute ist Kransojarsk ein bedeutendes wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum mit 120 Industriebetrieben. Der wichtigste Industriezweig ist die Metallproduktion. Aluminium, Platin und Gold. Des Weiteren im Bereich Maschinenbau, Leichtindustrie, chemische und Holzverarbeitende Industrie, Textilien. Die Stadt verfügt über zehn Hochschulen und zahlreiche Forschungszentren.
Außerdem ist man stolz auf fünf Theater und das weltberühmte Tanz-u. Gesangsensemble M.S. Godenko.
Im Jahre 2000 beschloss der Bürgermeister, Kransojarsk für seine Bürger attraktiver zu machen und ordnete u.a. den Bau von über 200 Springbrunnen und vielen gemütlichen schmiedeeisernen Parkbänken an.
Der bekannte Ex-General Alexander Lebed war von 1998 bis 2002 Gouvaneur des Kransojarsker Gebiet. Seine besonders von den örtlichen Unernehmen kritisierten „Herrschaft“ („Lebed hat alle Unternehmen an Moskau und Moskauer verkauft“) endete mit seinem Tod bei einem Hubschrauberunglück am 28. April 2002. Lebed bestand, trotz schlechter Sicht bei Schneefall darauf, zur Einweihung einer Skianlage zu fliegen.
Als sein Helikopter bei der Landung in eine Hochspannungsleitung geriet und abstürzte. Die meisten der knapp 20 Insassen überlebten das Unglück, Lebed und weitere 7 Personen jedoch nicht.
Am 22. September 2002 wurde ein neuer Gouverneur gewählt, den 2002 erst 37 Jahre alten Dollarmillionär und Nickelfabrikant aus Norilsk. Nun hofft die Bevölkerung auf Vorteile und Aufschwung.
Galina führt uns zum Heimatmuseum. 10 Jahre lang war es aus Renovierungsgründen geschlossen und hatte erst 2001 seine Pforten wieder geöffnet. Der Architekt war offensichtlich ein Ägyptenfan wenn auch die Exponate weniger orientalisch als sibirisch sind. Liebevoll sind die verschiedenen Völker Sibiriens dargestellt. In ihren Behausungen, als Wachsfiguren in Trachten, alles scheint sehr lebendig. Die dortige Museumsführerin spricht ein hervorragendes deutsch, da sie als Au Pair Mädchen ein Jahr in Krefeld gelebt hatte. Sie möchte uns gern ihre Exponate erklären, aber Galina verwehrt ihr dies in einem sehr barschen Ton. Na, vielleicht will sie sich nicht „die Butter vom Brot nehmen lassen?“
Voll mit russischer Kultur, leer im Magen und wieder allein suchen wir ein kleines Restaurant. Das Mittagsmenü ist nicht besonders „üppig“, aber ganz gut und satt werden wir auch. Wir bezahlen pro Person 150 Rubel (ca. 4,80). Auch in dieser Stadt kann man wunderschöne, alte Holzhäuser bestaunen. Mit kunstvollen Schnitzereien an den Fassaden, in bunte Farben gehüllt und liebevoll gepflegt. Sicherlich stehen sie unter Denkmalschutz, wenn es in Russland so etwas gibt.
Zurück zum Hotel, es ist zwar nicht kalt, aber der scharfe Wind dringt unter die Mützen und Handschuhe. Er schneidet ins Gesicht und wir sind froh, wieder im Warmen Gebäude zu sein.
Gegenüber des Hotels befindet das Opern- und Ballett-Theater. Für diesen Abend ist ein Liederabend angekündigt, dies scheint uns interessant zu sein.
Die Vorstellungen beginnen ja immer recht zeitig, in diesem Falle jedoch um 18.30 Uhr. Wir bekommen in dem fast ausverkauften Theater noch 2 Karten in der 18. Reihe für je 60 Rubel (ca. 1,80 ). Im Theatercafe nehmen wir noch etwas zu uns. Kleine fertig belegte Brote mit Fleisch, Wurst, Lachs und Kaviar lachen uns an, etwas zum Trinken dazu, schnell ist man satt.
Das Gebäude, außen, wie innen ein schmuckloser Betonkomplex aus der Chruschtschow Ära.
18. Reihe – oh Schreck, es ist die letzte Reihe, direkt an der Wand. Hier hat man nachträglich Stahlrohrstühle mit schwarzen Plastiksitzen aufgestellt, während in den übrigen Reihen aus samtroten gepolsterte Klappsessel sind.
Mein Stuhl ist schon defekt und wackelte. Ich breche fast zusammen. Schnell tausche ich ihn gegen einen anderen aus.
Das Konzert beginnt. Verschiedene Sängerinnen tragen alte und neue Lieder vor. U.a. auch den Song: ay, ay, ayay, canta, no llore...“, ich könnte glatt mitsingen. Lustig ist aber „La Paloma“ auf Russisch. Da das Theater nicht voll besetzt ist und einige Plätze in der 5. Reihe frei sind, tauschen wir uns nach der Pause und so kommen wir in den Genuss, auf weichen, gepolsterten Sesseln den Rest der Vorführung zu erleben. Dieser Liederabend ist recht interessant. Die Sängerinnen bei guter Stimme, die Pianistin, eine farblose Person, „Marke Hausmütterchen“ hat einen dicken weißen Verband am linken Zeigefinger! „Wie kann man damit Klavier spielen?“, frage ich mich ständig.
Da auch ich diese Kunst beherrsche, wird es mir immer ein Rätsel bleiben. Man braucht doch alle 10 Finger zum Spielen eines Pianos! Ich denke allein nur an den Fingersatz!
Der letzte Vortrag ist verklungen, kurzes Klatschen des Publikums - der Vorhang fällt – alles stürmt raus zur Gardarobe. Ende 20.30 Uhr. Genau wie bei schon erlebten Vorstellungen.
Wir genehmigen uns in der Lobby unseres Hotels „Kransojarsk“ noch 100 g Wodka für 45 Rubel (ca. 1,45 ¤). Das füllt zwei große Schnapsstamper (2 Doppelte).Dann fallen wir mit der richtigen Bettschwere in die Falle.
17. Tag, Kransojarsk, Samstag, der 26.02.05
Transfer zum Bahnhof und Abfahrt nach Nowosibirsk um 23.35 Uhr mit Zug Nr. 55 (Waggon Nr. 10, Betten Nr. 17 und 18)
Wir wachen schlecht ausgeschlafen gegen 7,30 Uhr auf. Wie immer in russischen Häusern und Räumen ist es übernatürlich warm, jeden falls für unsere Begriffe. Mein Thermometer zeigt 24°. Zum Schlafen zu warm. Kurz das Fenster auf, doch draußen herrschen – 18°, da kann man es nicht sehr lange offen lassen.
Auch heute ist das Wetter nicht so, wie wir es bisher kennen. Trüb und grau zeigt sich der Himmel. Die Sonne hinter dichten Wolken. Alles in grau und schmutzig getaucht. Die Menschen hetzen mit hochgeschlagenen Mantelkragen durch die Straßen.
Wieder nahmen wir unser Frühstück in der 4. Etage ein, dann erwartet uns ein eigentlich recht langweiliger Tag.
Unser Zimmer müssen wir erst um 12.00 Uhr räumen, das nutzen wir auch aus. Während ich nach dem Frühstück weiter an meinem Tagebuch schreibe, nutzt Gotthard die Zeit, ein wenig im Fernseher zu zappen. Er findet den Sportkanal und ist zufrieden. „Boxen in Russland“ und „Skispringen in Obersdorf“ Es ist ganz witzig die Kommentare auf Russisch zu hören, und im Hintergrund unsere deutsche Stimmen.
Später geben wir unser Gepäck zur Aufbewahrung im Keller ab und machen uns auf den Weg zum „Rinok“ (Markt). Das Straßenverbindungsnetz in Kransojarsk ist relativ einfach „gestrickt“, es gleicht einem Schachbrett. Wir überqueren drei Hauptstraßen, dann die 2. Straße rechts runter und schon sind wir in einem riesen großen Basar.
Alles ist übersichtlich in einzelnen Sortimenten angeordnet – und es gibt auch alles!!
Vom Pelzmantel bis zur kleinsten Schraube. Alle Arten von Bekleidung – Unter- und Oberwäsche, Kinderwagen, Lampen, Waschbecken usw. Die meisten Stände sind überdacht und es gibt nichts, was es nicht gibt! In einer großen Markthalle werden Lebensmittel angeboten. Ein so reichhaltiges und sauberes Angebot habe ich noch nie gesehen!! Fleisch, Wurst, Käse in großen Mengen und vielen verschiedenen Sorten.
An den Fischständen häufen sich sie Seiten geräucherten Lachses, das Kilo für 250 – 450 Rubel (7.50 – 9.00 ¤). Wir können einfach nicht widerstehen und kaufen 500 Gramm Lachs für umgerechnet 3,80 ¤.
An den Obstständen fallen uns fast die Augen aus dem Kopf!! Äpfel, Birnen der verschiedensten Sorten. Helle und dunkle Weintrauben hängen dekorativ über dem Ladentisch, dicke, fast schwarze Kirschen, frische Feigen und das im tiefsten Russland!!
Ich muss unbedingt das eine und andere anfassen, ich kann es nicht glauben, dass es echt ist.
Wer kauft das?
Sicher werden es die „neuen Russen“ sein, die sich solch eine Köstlichkeit zu den entsprechenden Preisen leisten können.
Überhaupt: Immer wieder stellen wir fest, dass es zwischen Russland und der westlichen Welt in Sachen Mode keinen Unterschied mehr gibt. Im Gegenteil: Soviel Eleganz und Schönheit, Stolz und Selbstsicherheit wie man sie in diesen Großstädten sieht, hätte ich nicht erwartet.
Edle Pelze und Pelzmützen, elegante, meist sehr spitze Schuhe und Stiefelchen. Sorgfältige, fast professionell geschminkte Gesichter, dezent und elegant. Auch hier gehören Handys zum Erscheinungsbild des täglichen Lebens. Die „neuen Russen“ sind sehr gepflegte Erscheinungen.
Aber es gibt auch ein anderes „Gesicht“ Russlands.
Alte Frauen stehen bettelnd vor Museen und Kirchen. Oft werden sie von vorbeigehenden Leuten bedacht, manche werfen eine Münze in den bereitgestellten Hut.
Es ist Abend geworden, und immer noch recht warm. Das Thermometer zeigt nun milde - 6 °C an. Es ist fast windstill und wir kommen schon beinahe ins Schwitzen. Na ja, ist ja auch kein Wunder, wenn man so warm angezogen ist.
Die letzte Stunde verbringen wir in der Lobby unseres Hotels. Kurz nach 21.00 Uhr kommt auch unsere Fahrerin Nadja und bringt uns zum Bahnhof.
Die Bahnhöfe, die wir bereits kennen gelernt haben, sind alles sehr prachtvolle Gebäude.
Auch dieser hier in Kransojarsk ist sehr sauber. Alles aus Marmor und Granit, kunstvolle Gemälde und Skulpturen, überall ist es warm. Jedoch erreicht man alles nur über Treppen, die man mit seinem schweren Gepäck „erklimmen“ muss. Nirgends konnte ich Fahrstühle oder Rolltreppen entdecken. Aber anscheinend kommen alle damit zu recht.
Gotthard hat sich immer noch nicht damit abgefunden, in einem 4-Bett-Abteil zu schlafen, deshalb versuchen wir hier in Kransojarsk die Fahrkarten von Nowosibirsk nach Moskau auf ein 2-Bett-Abteil umzubuchen.
Doch die – ausnahmsweise freundliche – Dame am Schalter meint, sie könne es nicht von hier aus regeln. Wir sollten es selbst am Abfahrtstag (01.03.05) in Novosibirsk versuchen.
Nadja schreibt mir noch mein Anliegen in Russisch auf, so dass ich dann nur dieses Papier über den Schalter schieben muss, falls man dort kein englisch versteht.
„Tschüß Nadja“ und wieder wuchten wir unser Gepäck die „1000 Stufen“ runter – den langen, endlosen Gang entlang – dann „1000 Stufen“ wieder rauf.
Auf Gleis 3 wartet schon unser Zug mit der Nr. 55. Natürlich ist Waggon Nr. 10 wieder am weitesten weg und wir müssen uns durchdrängeln durch das Gewimmel der Reisenden auf diesem Bahnsteig. „ Kracks….schrab………schrab………….schrab……….Zu allem Unglück verlieren wir jetzt auch noch auf diesem holperigen Pflaster eine Rolle unserer Reisetasche!! „Nun komm schon, Gotthard, wo bleibst du denn?“ Ich eile schon voraus und bemerke nicht, dass Gotthard zurück bleibt. Mit den Augen suche ich weit schweifend meinen Mann im hektischen Getümmel der Menschen. „Was rennst du denn so? Wir haben jede Menge Zeit!“ Die verlorene Rolle hat er noch gefunden. Na klar, wir haben noch genügend Zeit bis zur Abfahrt, aber seit ich einmal während der Fahrt aufspringen musste, bekomme ich immer ein bisschen Panik bei stehenden Zügen und davor, auf dem Bahnsteig dem langsam Anfahrehrenden Zug nachzusehen zu müssen.
Vor dem Einstieg von Waggon Nr. 10 „wurzelt“ wieder eine streng daherblickende Schaffnerin – die wie üblich, – Fahrkarten und Pässe kontrolliert.
Unsere Betten mit den Nummern 17 und 18 sind natürlich wieder übereinander.
Ein Fahrgast kam noch hinzu, na ja, man ist mal wieder „komplett“.
Neben uns vier unbesetzte Abteile (das haben wir auf den ganzen Fahrten nicht erlebt), und Gotthard läst seinen Charme spielen. Er fragt die gestrenge Zugbegleiterin, ob wir die Abteile tauschen können.
Zuerst sagte sie nur „Njet, njet“. Doch als Gotthard „aus versehen“ einen Fünf-Euro-Schein fallen lässt, ist die Schaffnerin wie umgewandelt Schnell rennt sie raus und holt Bettzeug. Bringt es ins leere Abteil und richtet sogar die Betten für die Nacht her.. Was doch so eine „Motivationszulage“ ausmacht??!! Ganz liebenswürdig macht sie uns dann auch noch darauf aufmerksam, dass im Speisewagen ein Lunch auf uns wartet, der im Fahrpreis mit inbegriffen ist.
Es ist zwar schon recht spät, aber das lassen wir uns dennoch nicht nehmen.
Gegen 24.00 Uhr fallen wir dann in die Betten. Diesmal liegen wir beide unten und allein im Abteil.
Na ja, ich hatte „oben“ immer besser geschlafen. Die unteren Liegen sind schmaler (finde ich) und die Geräusche und Erschütterungen lauter und härter. Kein Wunder, dass Gotthard schlecht schläft, ich spüre jede Bewegung. Rattata und rattata. Die harten Stöße und das Rollen der Räder überträgt sich auf die Sitze. Die oberen Liegen sind „aufgehängt“ und die Bewegungen werden abgefedert.
Doch die Luft ist zwar besser, und bei 25 ° muß man keine dicke Wolldecke haben.
18. Tag, Novosibirsk, Sonntag, der 27.02.05
Ankunft in Novosibirsk um 9.41 Uhr, Transfer zu einer Gastfamilie im Stadtzentrum.
Zum ersten mal auf dieser Strecke und in den ganzen Tagen, haben wir 10 Minuten Verspätung.
Um 9.50 Uhr fahren wir im Bahnhof von Novosibirsk ein. Niemand steht da und holte uns ab, wir halten lange Ausschau und warten ca. 30 Minuten.
Es schneite. Das Thermometer zeigt- 10 °C. Wir schleppen unser Gepäck wieder unzählige Stufen „Treppauf-Treppunter“ zur Bahnhofshalle. Aber auch hier ist niemand zu sehen, der uns abholen könnte. In den Reiseunterlagen steht nur eine Adresse von einer Vermittlung, von einem „Juri“. Jedoch nicht die Anschrift der Gastfamilie. Ich versuche ich den Vermittler „Juri“ anzurufen.
Nun muss man verstehen, dass es in Russland nicht so einfach ist, so zum Telefon zu gehen, die Münzen einzuwerfen, Nummer zu wählen und zu sprechen. Nein – zuerst begibt man sich zu einem Schalter, hinter der eine strenge Person sitzt. Ihr sagt man, dass man telefonieren möchte.
Dann fragt die meist sehr unfreundliche „Dame“, wie lange man denn telefonieren möchte.
1 Minute – 3 Minuten – 10 Minuten – oder länger?
„Na, woher soll ich denn das wissen, wie lange mein Gespräch dauert?“
Ich entscheide mich für 3 Minute, und schiebe einige Rubel unter das Glasfenster. Dann deutet sie mir auf eines der Telefone und nennt mir Nr. 3.
„Nun gut“, denke ich „es ist ja ein Ortsgespräch“ und wählte die Nummer von Juri.
Nein, es klappt nicht! Also wieder hin zur Zahlstelle. Giftig brummt sie mich an, ich hätte wohl was falsch gemacht. Wieder neu bezahlen, gleiches Spielchen, dann bekomme ich jemand am Telefon. Der spricht aber kein deutsch, kein englisch und schon hat sich wieder alles erledigt.
Was nun ? Es ist Sonntag. Auch hier in Russland ein Ruhetag. Ist Juri nicht da? Hat er keine Lust uns ab zu holen? Wir wissen es nicht und stehen verloren rum. De Bahnhofshalle hat sich geleert.
Nur wenige Menschen stehen wartend herum. Nun gut, macht nichts, wir wissen uns schon zu helfen.
Draußen auf dem Bahnhofsplatz werden wir von einem Taxifahrer beobachtet. Er sieht seine Chance ein gutes Geschäft zu machen. „Da stehen so ein paar einsame Ausländer, denen werde ich ein paar „Rübelchen“ abzocken“. Auf seine Frage, wo wir hin wollen, zeige ich ihm den Zettel mit der Telefonnummer von Juri. Gleich greift er zu seinem Handy und telefoniert mit ihm (denke ich), Dann meint er, wir sollen einsteigen, er würde uns hinfahren.
Wir laden das Gepäck in das Auto und nach 10 Minuten Fahrt setzt er uns vor dem Hotel Zentrelnaja ab und meint, Juri der Gastvermittler erwart uns dort drinnen zum Frühstück.
Jetzt möchte er seine Fahrt bezahlt haben. Nie wurde von uns Fahrgeld verlangt, da dies in der Gesamtsumme unserer Reise schon beinhaltet war. Der Russe nennt einen astronomischen Preis, den wir nicht gewillt waren zu bezahlen. Nach einigem Hin und Her nimmt er uns 10,- ¤ und 100 Rubel ab, lädt unser Gepäck aus und verschwindet rasch.
Na ja, mir ahnt schon Schlimmes. Im Hotel werden wir natürlich nicht erwartet. Und von „Juri“ ist auch keine Spur. (ie ich später erfahren habe sind wir als Ausländer ganz schön besch... und
abgezockt worden. Es ärgert mich sehr – weniger der 10,- ¤ wegen, sondern dass ich darauf rein gefallen bin!) Also Merke: „Bevor man in ein Taxi steigt, erst den Preis festmachen!“
Mittlerweile sind schon über zwei Stunden vergangen und ich sehne mich nach einer warmen
Dusche und frischer Wäsche.
Leider ist in diesem edlen Hotel kein Zimmer frei, aber die sehr zuvorkommende und deutsch sprechende Dame am Empfang vermittelt uns ins Hotel „Novosibirsk“ genau gegenüber vom Bahnhof eine Unterkunft.
Ein von der Rezeption gerufenes Taxi bringt uns für 100 Rubel hin (ca.2,80 ¤, das ist auch der übliche Fahrpreis). Wir bekommen ein schönes Zimmer mit einer fantastischen Aussicht auf den wunderschönen Bahnhof von Novosibirsk für 4.000 Rubel (etwa 114,- ¤) die Nacht.
Natürlich ist auch dieser Preis für dieses Hotel überteuert, denn das Gebäude und die Ausstattung gleichen einem Haus der 80er Jahre. Unser Zimmer ist zwar renoviert. Das Bett und ebenso das Bad im ersten Augenschein ganz akzeptabel. Jedoch muss man schon darüber hinweg sehen, dass die ersten 5 Liter Wasser, die aus dem Wasserhahn strömen eine eklige braune Brühe ist. Aber nach etwa 5 Minuten wurde das Wasser einigermaßen klar und ich lasse mir ein Bad in die etwas abgenutzte Wanne, ein.
Aber Blick aus der 13. Etage auf das gegenüber liegende Bahnhofsgebäude entschädigt uns. Er ist phantastisch! Auf dem Bahnhofsplatz wuseln die Menschen wie Ameisen geschäftig hin und her. Fast den ganzen Tag ist das lindgrüne Gebäude in das warme Licht der Sonne gehüllt.
Ich verbring viel Zeit damit, am Fenster zu sitzen und dem Treiben zuzuschauen.
Frisch gebadet, richten wir uns in unserer Kleidung auf milde – 7 °C ein. D.h. die dicke Skihose, lange Unterhose und dicke Socken verschwinden in der Tasche. Normale Cordhose, und Socken, die Fellstiefel reichen aus.
Bei der Erkundung der Stadt hilft uns wieder mal das interessante Buch von Frau Knop weiter.
Novosibirsk liegt am Rande der Westsibirischen Tiefebene, am Oberlauf des OB. Die 1,5 Mio. Einwohner zählende Stadt Sibiriens und viertgrößte Russlands ist die einzige sibirische Stadt mit einer Metro und sie hat den größten und schönsten Bahnhof Sibiriens.
Als Novosibirsk im Zusammenhang mit dem Bau der Transsib und aus Anlass der feierlichen Einweihungszeremonie der Eisenbahnbrücke über den Ob am 20. Juli 1893 gegründet wurde, zählte sie rund 3.000 Einwohner. 1916 soll die Stadt über 60.000 und bereits 1925 120.000 Menschen gezählt haben. Novosibirsk wurde innerhalb von 70 Jahren eine Millionenstadt – Chicago brauchte 85, New York 200 und Moskau 700 Jahre.
Heute ist sie ein bedeutendes wirtschaftliches und kulturelles Zentrum mit drei Universitäten und 15 Hochschulen und ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt.
Von hier aus verläuft die „Turk-Sib“ in Richtung Süden nach Almaty, ein möglicher Ausgangs- oder Endpunkt für eine Reise entlang der Seidenstrasse. Mit dem Bau der Metro wurde 1980 begonnen und die erste Bahn konnte ihren Betrieb bereits 1986 aufnehmen.
Der Bahnhof von Novosibirsk ist eine Attraktion. Er wurde 1941 erbaut und am Ende der 90er Jahre mit immensem Aufwand komplett renoviert. Die Säle sind blitzsauber und er Hauptwartesaal äußerst beeindruckend.
Zu Fuß machen wir uns auf zum Staatlichen Opern- und Balletttheater.
Wir finden es ca. 15 Gehminuten von unserem Hotel entfernt. Es liegt mitten im Zentrum und hat Gott sei Dank geöffnet. In der Hauptsaison von Juli bis September sind Theaterferien, gut, dass wir zu dieser Zeit hier sind, und es betreten können.
Das Gebäude wurde in den Kriegsjahren 1940 – 45 erbaut und besteht aus einer Konzerthalle mit 1.000 Sitzen, sowie einem rund gebauten Theater mit 2.100 Plätzen, von dessen Decke ein über zwei Tonnen schwerer Kronleuchter und 23 kleinere hängen. Auf der 1.044 qm großen Bühne können bis zu 1.000 Menschen gleichzeitig auftreten.
Für den heutigen Tag, dem 27. Februar steht das Ballettstück „Giselle“ von A. Adam auf dem
Programm und sogleich lösen wir uns auch Karten.
Je näher man an Moskau heran kommt, desto höher werden auch die Preise. Hier bezahlen wir pro Person 350,- Rubel(ca. 10,- ¤) Ganz schön teuer. Dafür sitzen wir auch in der 3. Reihe und können alles gut verfolgen.
Leider ist das Theater auf Grund einer Renovierung sehr stark verkleinert. Überall versperren Tücher und Holzwände die großartige Anlage. Nur ein kleiner Teil des Theaters ist für Besucher zugänglich und im Spielbetrieb. Die Vorstellung ist ausverkauft, kein einziger Platz mehr frei und mir fällt auf, dass viele Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern anwesend sind.
Ja, Kultur wird immer noch groß geschrieben, wobei die Preise mit 350,- Rubel bei einem Durchschnitts-Einkommen von 8.000,- bis 10.000,- Rubel doch sehr hoch sind.
Auch hier beginnt die Vorstellung um 18.00 Uhr. Wir finden uns rechtzeitig ein und stärken uns wieder im Theatercafe. Sehr enttäuschend, da es hier ebenso aus einem Provisorium ist.
Wir genießen eine wunderbare, fantastische Ballettaufführung!! Die Musik von „A. Adam“ melodisch und bekannt. Russische Tänzerinnen sind berühmt für ihre grazile Tanzkunst. Wir geniessen diesen Abend und sind glücklich.
Zu Fuß wieder zurück ins Hotel und fallen todmüde um 22.00 Uhr ins Bett.
19. Tag, Novosibirsk, Montag, der 28.02.05
Novosibirsk auf eigene Faust.
Mein 61. Geburtstag!!
Wir haben herrlich bis 7.30 Uhr geschlafen!
Mein Jugendtraum ist in Erfüllung gegangen.
Vor einem Jahr hatte mich meine Familie damit überrascht und ich verfügte über genügend Zeit um mich vorzubereiten!! Nun schließt sich der Kreis, denn ich verbringe zum Abschluss meines Traumes auch noch meinen Geburtstag in diesem schönen Land!
Hotel Novosibirsk: Zum Frühstück müssen wir in die 2. Etage. Ein großer, heller, schmuckloser Saal empfängt uns. In fast steriler Sauberkeit, einfach die Ausstattung. Das Ambiente: a la Warteraum 3. Klasse und eine Grabeskälte herrsche im Speisezimmer! Hatte man die Heizung abgestellt oder will man den Gästen nur kurze Aufenthalte genehmigen? Ich weiß es nicht.
Das Frühstücksbuffet ist wohl nur für Leute gedacht, die am morgens nicht groß frühstücken!!??:
1 Sorte Brot, 2 Sorten Wurst, 1 Sorte Marmelade, etwas gebratenen Fisch und Würstchen, Eierstich.
Ich entscheide mich für Fisch. Dieser ist sehr trocken und hat nur wenig Geschmack. Der Nescafe schmeckt wie angebrannt. So trinke ich nut etwas Tomatensaft und ein Schüsselchen mit Müsli mit Milch .Trotzdem, alles schmeckt wie „Knüppel auf den Kopf“.
Die Temperatur ist, genau wie das Speiseangebot – spärlich. Schnell essen, gut dass ich meine Jacke dabei habe – und schnell wieder raus auf den Gang, denn dort ist es wesentlich wärmer.
Wir packen unser Gepäck zum x-ten male wieder um, denn die sibirische Kälte mit mehr als – 10 °C hatten haben wir nun (leider!) hinter uns. Doch heute strahlt die Sonne und das Thermometer am Bahnhofsgebäude zeigt – 7 °C.
Ja, der Bahnhof ist ein außerordentlich eindrucksvoller Bau.
Eine Brücke überbrückt die 17 Gleise, zu der dann jeweils eine Treppe nach unten führt.
Schon vom Hotel aus beobachten wir die sich wälzende Menschenmasse der Berufspendler, die – je nach Tages- oder Abendzeit – über diese Brücke flutet.
Das Innere des Gebäudes kennen wir schon vom gestrigen Ankunftstag zur Genüge, aber auch von außen ist dieses grün/weiße Bauwerk sehr imposant.
Auf der Rückseite des Bahnhofs, bzw. hinter den Gleisanlagen ist ein kleiner Flohmarkt aufgebaut ,wo einzelne Händler billige importierte Ware, meist Kleidungsstücke, anbieten.
Zurück zum Bahnhofsvorplatz.
Böhms machen eine Stadtrundfahrt! Und das geht so:
Wir alten nach einen Bus Ausschau – hier ein Trollybus mit der Aufschrift: „Flughafen – Bahnhof“.
Wir steigen ein, bezahlen bei der Schaffnerin und suchen uns einen schönen Platz aus.
Wenn möglich, (meistens) ganz vorn rechts, neben der Einstiegstür. Dort ist es jedoch oft sehr kalt und zugig, aber wir sind ja „abgehärtet“ und einiges gewohnt.
Nun können wir während der Fahrt die Gegend und die Menschen beobachten. Im Bus selbst werden wir von den Einheimischen in Augenschein genommen und immer wieder angestarrt, da sie unsere Sprache nicht verstehen. (Bis auf den Botschafter Michael Grau und seiner Frau, sind wir keinem einzigen Ausländer begegnet.)
Doch zurück zur „Stadtrundfahrt“.
Wir fahren durch verschiedene Stadtviertel mit sozialen Unterschieden. Vorbei an prächtigen, herrschaftlichen Häusern. Kurz vor dem Flughafen ändert sich das Stadtbild und wir kommen an einer Siedlung von alten, ärmlichen Holzhütten vorbei. Notdürftig reparierte Fenster, teilweise mit Pappe verklebt, hinter denen sich schwacher Schein von Licht verbirgt. Die Häuser besitzen keinen Wasseranschluss, denn die Zapfstellen befinden sich draußen zentral zwischen den barackenartigen angelegten Häusergruppen. Die Hydranten dampfen und man erkennt einige Leute mit Eimern, die Wasser ins Haus schleppen.
Wir kommen zum Flughafen. Nun befindet sich kein Fahrgast mehr im Bus. Nach einem kurzen Halt fährt der Fahrer auch schon weiter und neue Passagiere steigen zu.
Jetzt fragt uns die Schaffnerin wo wir denn hin wollen? „Boksal“ (Bahnhof) sage ich. Dann erkläre ich ihr auf Russisch, mit Händen und Gesten, dass wir eine Rundfahrt machen, aus Deutschland kommen, und Novosibirsk sehr schön finden. Sie strahlt über alle Backen, und die schmalen Augen werden zu winzigen Sehschlitzen. Dann sagt sie lächelnd, Zum Bahnhof wäre es aber noch sehr weit!! Nun gut, so eine „Rundfahrt“ dauert in der Regel meist ca. 1 Stunde, man sieht und erlebt viel, wie auch auf dieser „Stadtrundfahrt“.
Als wir am Bahnhof wieder angekommen schenke ich ihr noch ein Halstuch von mir. „Souvenir Germani“ sage ich, und sie strahlt , bedankt sich überschwänglich.
Es ist wieder mal Mittag, und wir müssen uns für den Abend für ein Lokal entscheiden, in dem wir uns mit dem Botschafter und seiner Frau treffen wollen.
Auf der Suche nach einem passenden Restaurant, entdeckten wir eine gemütliche Gaststätte in der „Uliza Gorkogo“, nicht weit vom Musiktheater, dem „Terek“. Wir schauen es uns an und der freundliche Wirt gibt uns auch gleich eine Visitenkarte in die Hand.
Doch es ist nicht das Lokal, welches mir Marie, die Gattin des Botschafters, bei unserem letzten Treffen am Baikalsee in Listwjanka aufgeschrieben hatte. Sie empfahl uns ein anderes Lokal.
So machen wir uns nun auf die Suche nach dem empfohlenen „Chili Bili“ in der „Uliza Lenina“.
Nach einigem Suchen und Fragen finden wir es auch und beschließen eine Kleinigkeit zu essen.
Ein typisch russisches Lokal, traditionell in der Ausstattung und in der Kleidung der Bedienungen. Immerhin erhalten wir eine Speisekarte in englischer Sprache.
(Dazu sei bemerkt, dass, wenn man auch weiß, wie in Russisch einige Speisen heißen, sie noch lange nicht lesen kann, wenn man die kyrillischen Buchstaben nicht kennt. Im englischen ist es immerhin unser Schriftbild, welches auch leichter zu lesen ist und gleich ins Auge fällt.)
Gotthard bestellt sich eine Portion Lachs, Brot und Kräuterbutter. Ich entscheide mich für gebratene Hähnchenteile mit zwei großen Butterkartoffeln. Zusammen trinken wir zwei Bier á 500 g, ein Bier á 300 g und eine kleine Karaffe Wodka mit 100 g (Sto Gramm). Anschließend „berappen“ wir dann 540,- Rubel, ca. 14,- ¤.
Das Essen schmeckt lecker und gut angerichtet. Wodka gibt es immer nur 50 oder 100 Grammweise und kostet in der Regel zwischen 35,- und 70,- Rubel (1,- ¤ bis 2,-¤). 100 Gramm füllen vier dicke Schnapsgläser. (Aber das hatte ich, glaube ich, schon öfters erwähnt.)
Das Wetter hat sich geändert.
Als wir aus dem Lokal kommen, empfängt uns leichter Schneefall. Der Himmel trüb und grau, es ist sehr windig und obwohl „nur“ – 6 °C, empfinden wir es als sehr kalt. Ich bin froh, lange Unterhosen unter meinen Cordhosen angezogen zu haben.
Durchgefroren erreichen wir wieder das Hotel und ruhen ein wenig aus. Anschließend genieße ich l ein heißes Bad und versuche meine zerzauste Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Ständig hat man eine Mütze oder Kapuze über den Ohren, da „kleben“ die Haare am Kopf oder sie stehen elektrisiert in alle Richtungen und sind kaum zu bändigen.
Das Wetter ändert sich nicht. Feinen Schnee bedecken die schon frei gefegten Straßen und dünne Schneeflocken stoben über den Bahnhofsplatz.
Zum Abendessen beschließen wir, ins „Terek“ zu gehen.
Wir versuchen mehrfach vergeblich, unseren Konsul telefonisch auf dem Handy zu erreichen, geben aber auf und entscheiden, zur „Feier des Tages“ ein Taxi zu nehmen.
Wir zeigen einem Taxifahrer die Visitenkarte vom Lokal, welches wir aufsuchen möchten und wedeln mit einem 100 Rubel-Schein (2,80¤ die übliche Gebühr).
Nach viermal „Njet“-Absage finden wir endlich einen Fahrer. Er wirft seine Zigarette aus dem Fenster und lässt uns einsteigen. Naja, wir wissen ja wo das Lokal liegt! Ca. 15 Gehminuten vom „Hotel Novosibirsk“ entfernt. Wir kannten die Strecke – aber der Fahrer? Der schlug zuerst eine ganz andere Richtung ein.“ Oh. Gott, wo fährt der den hin? Der kennt sich hier gar nicht aus!“ Na, wir sind er einmal still und sagen gar nichts.
Fast eine halbe Stunde kurve er mit uns in der Stadt herum. Er schaut immer wieder auf die Visitenkarte und weiß offensichtlich nicht, wo sich die „Uliza Gorkogo“ und das Lokal „Terek“ befinden. Derweil genießen wir diese ungewollte schöne Stadtrundfahrt in einem klapprigen, aber warmen Auto. Kreuz und quer kutschiert unser Taxi durch Novosibirsk. Stadtteile, dunkel und unheimlich - kein Mensch auf der Straße. Dann wieder durch eine erleuchtete Einkaufsstraße, die wir gern näheres kennen lernen würden. Aber nein – es geht weiter, wir möchten ja in die Straße Uliza Gorkogo“ und in das Lokal „Terek“. Suchend und nach Straßenschildern blickend irrt der arme Taxifahrer durch die Stadt. Langsam wird er ein bisschen nervös , denn er weiß nicht mehr weiter. An einer Kreuzung hält er an, und befragt einen „Kollegen“. Sie beratschlagen einige Zeit, und – unser Ziel lag gleich um die Ecke. Gut, dass wir den Fahrpreis zu Beginn der Fahrt ausgemacht hatten – die Erfahrung vom Vortag ist uns eine Lehre gewesen!
Im Lokal „Terek“ angekommen bekommen wir sofort die Speisekarte. Diesmal nur in russisch, d.h. in kyrillischer Schrift. Ich bin froh, alles lesen und einiges verstehen zu können. So bestellen wir uns jeder einen großen Fleischspieß. Im Gastraum befindet sich einoffener Grill, auf dem herrliche Feischspeisen zubereitet werden. Dazu Kartoffeln und die üblichen Getränke: Bier, Saft und Wodka. Auf die Frage, ob wir mal telefonieren dürfen, bringt uns die Bedienung bereitwillig ein schnurloses Telefon an den Tisch und - siehe da, Konsul Michael Grau mit Gattin Mari und Praktikant Michael, sind schon auf der Suche nach uns und hatten schon einige Lokale „abgeklappert“.
Froh über unseren Anruf, eilen sie in die „Uliza Gorkogo“ und zehn Minuten später sind sie bei uns eingetroffen und es gibt ein „Hallo“,und ein freudiges Wiedersehen.
Das Lokal „Terek“ kannten sie noch nicht, aber es sie sind beeindruckt. Denn das ist ein sehr typisches russisches Lokal. Gemütlich eingerichtet, mit freundlichen Bedienungen in heimatlichen Trachten. Michael überreicht mir sogar einen Blumenstrauß, denn er erinnerte sich noch, dass ich heute Geburtstag habe.
Sie hatten noch nicht gegessen und – da alle sehr gut russisch sprechen – bestellen sie sich etwas von der Speisekarte.
Die Hälfte eines wirklich winzigen Schweinchens mit Kopf und Schwänzchen kommt knusprig und brutzelnd auf den Tisch. Sie laden uns noch zum Essen ein, aber leider bin ich schon satt, doch Gotthard lange noch einmal kräftig zu.
Runtergespült wurde natürlich mit Piwo und Wodka (Bier und Wodka), das wirklich nur in Russland so gut schmeckt!
Ach, es ist mein zweit-schönster Geburtstag!! (Nach dem vom letzten Jahr, als ich diese Reisegeschenkt bekam) Bis 2.30 Uhr haben wir erzählt und gelacht.
Ein Taxi, bringt uns wieder zum Hotel. Diesmal findet der Fahrer sofort den Weg, es ist ja nur wenige Autominuten entfernt.
Todmüde, glücklich und selig falle ich in mein Bett und träume von den schönen, vergangenen Tagen.
20. Tag, Novosibirsk, Dienstag, der 01.03.05
Auf eigene Faust zum Bahnhof und Abfahrt nach Moskau 10.11 Uhr mit Zug Nr. 55 (Waggon Nr. 3, Betten Nr. 13 und 14)
Um 6.50 Uhr reißt uns der Wecker im Hotel aus tiefstem Schlaf.
Oh Gott, und ich bin doch noch sooooooooooooooo müde, und ich glaube, der letzte Wodka war schlecht!! In meinen Haarspitzen grummelte es, ebenso im Bauch.
Nun gut, es war ein wundervoller Abend gewesen! Mein fast zweitschönster Geburtstag – alles ist so gekommen, wie ich mir es einmal erträumt hatte. Aber nach so einer Feier ist der schwerste Weg immer vom Bett zum Bad.
Mühsam schleppe ich mich dorthin und nach dem ich Darm und Blase entleert hatte, erfrischt kaltes Wasser Gesicht und Nacken und der Körper fängt an, sich zu stabilisieren.
Schnell noch die restlichen Sachen in die Reisetaschen verstaut, runter zum kargen Frühstück, dann raus in die Kälte und rüber zum Bahnhof.
Unser Zug Nr. 55 ist schon auf der Anzeigetafel angezeigt. 7.11 Uhr (Moskauer Zeit), in unserem Falle plus 3 Stunden, also Abfahrt 10.11 Uhr.
Mittlerweile sind wir schon geübte Russland-Zugfahrer und können die digitalen Abfahrtstafeln lesen und deuten.
Waggon Nr. 3, Betten Nr. 13 + 14 (natürlich wieder eines unten, eines oben), doch wir sind allein im Abteil. Wieder herrsche eine afrikanische Hitze und man kann kein Fenster öffnen.
Als wir den Bahnhof verlassen, sind wir immer noch allein im Abteil und wir können uns mal so richtig „ausbreiten“ mit all unseren Sachen.
Wir belegen den kleinen Tisch mit Essen und Trinken, Kartenspiel und Schreibutensilien und genießen es, das ganze Abteil für uns allein zu haben.
„Na toll“, sagt mein lieber Mann, „so sind wir in der Nacht auch mal allein und haben die Luft für uns allein, die wir sonst mit noch zwei Mitfahrern teilen müssen“.
Doch zu früh gefreut, bereits um 16.00 Uhr (den Bahnhof habe ich leider vergessen) ist es aus mit unserer Zweisamkeit.
Ein junges Paar bezieht die beiden Liegen uns gegenüber. Paulina, wie sie sich später vorstellt, beschäftigt sich die ganze Zeit mit ihrem Strickzeug. Ihr Mann, Andrej, ist auch ein sehr ruhiger Vertreter. Aber nach ca. einer Stunde haben wir zusammen schon mal ein Bierchen getrunken.
Aber ansonsten sind die beiden sehr ruhig, nur mit „ihm“ haben wir uns ab und zu ein wenig unterhalten, so gut es ging, alles auf Russisch.
Um 17.45 Uhr Bahnhof Omsk. Der Zug hat15 Minuten Aufenthalt.
„Na, ist jemand da?“, denke ich.
Franziska, meine Russisch-Lehrerin in Lilienthal, erzählte mir, dass sie Verwandte in Omsk hat. Sie wolle ihnen Bescheid geben, dass wir auf der Reise nach Moskau zu dieser Zeit einen kurzen Aufenthalt haben. Sie wollen zum Zug kommen.
Na, ich bin gespannt und ziehe meine warme Hose, Jacke, Mütze an.
Der Zug hält, und genau vor der Waggontür erwarten uns eine ältere Dame, die Tochter und ein junges Mädchen, das Enkelkind. „Katja?“ kommt es zaghaft und ich antworte in ihrer Sprache: „Ja, ja, ich bin es, die Katja!“
Obwohl wir uns nicht kennen und uns noch nie gesehen haben, ist es ein so herzlicher Empfang, als kenne man sich seit vielen Jahren.
Wir fallen uns in die Arme, und eine Herzlichkeit flutet von Mensch zu Mensch. Vor lauter Rührung verschlägt es mir die Sprache und ich weiß nicht, was ich sagen soll!! Aber auch ohne Worte springt der berühmte Funken gleich über. „Die Chemie stimmt!“
Regina drücke mir gleich eine Tüte mit warmen Speisen in die Hand sowie ein Päckchen, das wir Franziska mitnehmen möchten.
Wir stehen da nun und möchten uns sooooooooooooooooooo viel erzählen und können es doch nicht. Die Menschen um uns herum schauen neugierig auf unsre lustre Gesellschaft und, wie wir später erfuhren, sind Regina und ihre Angehörigen mächtig stolz darauf, uns auf diesem Bahnhof begrüßen zu können.
Regina kommt nach 5-stündiger Zugfahrt von außerhalb Omsk, nur um uns 15 Minuten zu sehen. Kaum vorstellbar!! So eine Herzlichkeit unter „Fremden“ haben wir selten erlebt!! Wir bedauern es sehr, in dieser Stadt keinen Halt gemacht zu haben. Denn auch Omsk müsste eigentlich eine sehr interessante Stadt sein. Doch wir versprechen wiederzukommen und den Aufenthalt nachzuholen.
15 Minuten sind nicht lang, und schnell müssen wir uns wieder verabschieden und einsteigen. Lange winkten wir, bis wir uns aus den Augen verloren.
Jetzt packen wir freudig das Päckchen auf und waren abermals gerührt von so viel Herzlichkeit. Warme Kartoffeln, mit Butter übergossen, gebratenes Hühnchen, selbst eingelegte Gurken hat die gute Frau so appetitlich darin verpackt. Wir machen uns gleich darüber her. Und – oh, wie lecker !!
Dann fällt mir jedoch schlagartig ein, denn wir mussten feststellen, dass wir nicht ein einziges Foto gemacht haben!! „Das darf nicht war sein??!!“ „Wie können wir nur vergessen ein paar Fotos zu machen???“ Gotthards Kamera liegt oben auf dem Bett, ich habe meine „Digitale“ immer in der Umhängetasche, die ich stets bei mir trage. Also auch in diesem Fall – und keiner hatte daran gedacht, ein paar Fotos zu machen??????????????!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ach wie ärgerlich!! Wie soll ich das Franziska nur erzählen? So gern hätte ich ihr diese Erinnerungen mitgebracht! aber – vorbei ist vorbei!! Nein, wie kann denn so etwas passieren??
Nachdem wir uns beruhigt und gestärkt haben, schwinge ich mich um 19.30 Uhr auf mein „Himmelbett“, lese noch ein wenig, bis mich das Schaukeln des Zugers in den Schlaf wiegt.
Um 23.40 Uhr wecken mich laute Stimmen aus dem Nebenabteil. Oh, welch beschwingte Unterhaltung. Wenn die Menschen fröhlich sind und auf kleinem Raum mit Bier und Wodka feiern, geht es schon mal ein bisschen lauter zu. Sie singen russische Weisen. Gern würde ich rüber gehen und mit feiern. Fertig mit Schlaf?
Es ist mal wieder fürchterlich warm im Abteil. Die Tür geschlossen, das Fenster kann man nicht öffnen, es gibt keinen Luftaustausch. Doch irgendwann schlafe ich wieder ein.
21. Tag, im Zug, Mittwoch, der 02.03.05
Im Zug
Irgendwann in der Nacht bin ich wohl wieder eingeschlafen. Jetzt fährt der Zug auch ruhiger und gleichmäßiger. Oder sind es die besseren Gleisanlagen?
Am Morgen, ist Waschen in der Zugtoilette nun auch nichts Neues mehr.
Seit dem frühen Morgen schaukelt und rattert die Eisenbahn. Die Strecke ist unruhig. Da müsste man manchmal schon mal drei Hände haben!! Eine um sich festzuhalten, denn ab und zu wird man hin- und hergeschaukelt. Die anderen beiden Hände um den Wasserhahn zu benutzen und sich zu waschen. Hier noch einmal die ausführliche Nutzung des Wasserhahns in der Zugtoilette:
Direkt unter dem Hahn befand sich ein Zapfen, der nach oben gedrückt werden muss. Nur so lange, wie man ihn hoch drückt, fließt Wasser. Lässt man ihn los, bedeutet das, „Wasser Stop“.
Einfach ist es nicht, sich die Hände zu waschen, aber man lernt es schnell.
Apropos „Händewaschen“. Noch immer habe ich Schmerzen auf meiner rechten Hand, wenn ich mit Wärme in Berührung komme. Seit der Verbrennung in der Banja vor einer Woche heilt mein Handrücken nur sehr langsam. Die verbrannte Haut ist trocken, und sieht wie verkohltes Pergamentpapier. Die Blasen sind aufgegangen und rotes, nacktes Fleisch „dekoriert“ jetzt meine Hautoberfläche. Ich hoffe, dass alles wieder in Ordnung kommt.
Zum Frühstück gibt es die von Regina mitgebrachten, gut gewürzten Hühnchenstücke und Kartoffeln. Dazu eine Gurke und Tee. den machen wir immer selbst, indem man einen Teebeutel im Becher mit heißem Wasser auffüllt. Ich ärgere mich immer noch über die vergessenen Fotos in Omsk!! Es ist wirklich unverzeihlich!
Draußen saust die Landschaft an uns vorüber. Diese märchenhafte, schneebedeckte Welt.
Auf den verschlafenen Holzhäusern sitzen dicke Schneemützen auf ihren Dächern. Entlang der Taiga, fahren wir an tausenden von dünnstämmigen Birken vorbei, die sich seltsam zur Seite neigen. Es ruhen Telegrafenmasten in willkürlicher und unwillkürlicher Schieflage. Manche sind einfach umgefallen, sie bleiben einfach liegen.
Der Zug fährt jetzt schneller als in den Regionen von Wladiwostok – Chabarowsk – Ulan-Ude, dort wo die Landschaft sehr bergig ist. Hier ist es meist sehr eben und geradlinig, so kann die Bahn schneller fahren.
Inzwischen haben wir unsre Uhren auf Moskauer Zeit umgestellt. Bis jetzt hatten wir jeden Tag eine Stunde gewonnen. So mussten wir z.B. wenn wir morgens um 8.00 Uhr aufstanden, wir die Uhren 1 Stunde zurückstellen.
Die Fahrzeiten werden grundsätzlich stets nach Moskauer Zeit angezeigt, wir müssen dann die tatsächliche Zeit ständig umrechnen. Prima System, wir haben uns schnell daran gewöhnt.
An dieser Stelle muß einmal die absolute Pünktlichkeit der Züge gelobt werden!!
Wir sind drei Wochen mit den verschiedensten Zügen unterwegs gewesen. ‚Auf einer Strecke von fast 10.000 km ist in fast jeder Stadt eine andere Ortszeit. Der Fahrplan richtet sich jedoch stets nach der einheitlichen Moskauer Zeit. Alle Fahrpläne werden exakt eingehalten, fast die Minute genau!
In jeder Station sind wir pünktlich ein- und wieder ausgefahren. Ob Zug Nr. 1 oder Zug Nr. 87,oder alle sind sie minutiös pünktlich. Anders als unsere Bundesbahn, die auf der Strecke von Bremen nach Duisburg schon 7 Minuten (!) Verspätung hatte!!
Adieu, meine liebe Transsib! Langsam muss ich Abschied von dieser Reise mit der transsibirischen Eisenbahn nehmen!
Ein Traum geht u Ende. Es war nicht immer einfach und bequem. Oft beschwerlich und mühselig.
Wir haben so viele neue Eindrücke, Bekanntschaften und Erfahrungen gewonnen. Liebe und nette Menschen getroffen, Freundschaften geknüpft und Erfahrungen gesammelt.
Zum letzten mal klettere ich auf mein Bett hinauf und spürte die kratzige Wolldecke durch das dünne Laken. Unsere „Mitbewohner“ sind ruhige Leute. Man stört sich nicht.
Leider ist aber auch der Kontakt zu ihnen nicht sehr groß.
Die letzte Nacht mit „ratata..... ratata.... ratata!“
Zum letzten mal genieße ich das Ruckeln und Stampfen des Zuges durch die Nacht.
Es wiegt mich in den Schlaf – und ich träumt: Von der Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn!
Mein Traum ist endlich in Erfüllung gegangen!
22. Tag, Moskau, Donnerstag, der 03.03.05
Ankunft in Moskau 06.25 Uhr. Transfer zum Hotel Rossija (DZ/F ohne Kremlblick) um 09.30 Uhr erwartet Sie Tatjana an der Rezeption des Westeingangs (Western Entrance) und ihre Dreistündige, deutschsprachige Führung zu Fuß durch das historische Zentrum der Stadt beginnt. Anschließend Moskau auf eigene Faust.
Auch die letzte Nacht in einer Transsib ist ein mal zu Ende.
Und auch dieser Zug, so wie alle anderen Züge, endet hier. Deshalb ist vor dem Waschraum schon frühzeitig ein großer Andrang. Ich bin schon um 5.00 Uhr aufgestanden und stehe lange vor der Toilette. Schnelle Katzenwäsche, (die „große Toilette“ kann ich im Hotel ja nachholen).
Die Betten abziehen und die Wäsche zur Schaffnerin bringen, so wie immer.
Die letzten im Abteil verstreute Sachen einsammeln und in dem Reisegepäck verstauen. Dann warten wir auf dem Gang, damit die anderen „Reise-Mitbewohner“ sich auch fertigmachen können. (Bei 45 cm Zwischenraum zwischen den Liegen, kann sich nur einer bewegen.)
6.25 Uhr Ankunft in Moskau, unsere Uhren zeigen noch 7.25 Uhr. Und zum letzten mal stellen wir sie eine Stunde zurück und sind endlich präzise mit Moskauer Zeit vereint.
Unser Fahrer, der uns vor drei Wochen schon vom internationalen zum nationalen Flughafen gebracht hatte, steht wieder, wie erwartet, direkt vor unserer Waggontür und nimmt uns freudig in Empfang und einen Teil des Gepäckes ab. Erstrahlt über alle Backen und fragt uns ob es uns in der Sowjetunion denn gefallen hätte? „Oh ja, “ erwidern wir „Wir haben so viel erlebt, dass wir erst einmal alles verdauen müssen.“
Alles hat ein wenig gelitten. Z.B. meine verbrannte rechte Hand, die immer noch nicht wieder in Ordnung ist. Die graue Rollentasche sieht sehr lädiert aus. Das Verlorene Rad haben wir zwar wieder gefunden, tragen es aber immer noch in der Jackentasche. Trotzdem, Gotthard zerrt sie über den nassen und schmutzigen Bahnsteig. Zu Hause wollen wir sie dann auch entsorgen, die 25,- ¤ haben ausgedient.
Auf der Fahrt zum Hotel Rossija erläutert uns der Fahrer, der ganz gut Deutsch spricht, wissens-wertes über die Bahnhöfe Moskaus.
Alle Bahnhöfe liegen an Metrostationen und sind damit gut ans Zentrum angebunden.
Züge aus Richtung Westen fahren via Weißrussland und kommen am Weißrussischen Bahnhof in Moskau an.
Züge die aus St. Petersburg kommen, am Leningrader Bahnhof. Aus dem Baltikum ommende, am Rigaer Bahnhof. In der Regel laufen alle Züge 30 Minuten vor Abfahrt ein.
Im Hotel Rossija angekommen wies man uns das Zimmer Nr. 9.309 zu.
Nun sind wir ja reise erfahrene Leute und wissen gleich, dass die erste Zahl, hier die „9“, die 9. Etage ist. Na, das ist nicht schwer. Alle Gepäckstücke rein in den Fahrstuhl, wir dazu, und die Nr. „9“ gedrückt. Nach einiger Zeit erreichten wir das 9. Stockwerk. Nun zu Zimmer Nr. 309.
Auf der Hinweistafel stand „9.001 – 9.033“.
Oh je, nun heißt es „Laufen“!! Ein endloser Gang liegt vor uns. Als wir das Ende des Flures erreicht hatten, sind wir „schon“ wir bei Zimmer Nr. „9.033“.
Also, weiter. Wieder betreten wir durch eine dicke Glastür, die sich schwer öffnen läßt, den nächsten Flur. Dann den nächsten – dann den nächsten – dann den nächsten … immer weiter, … immer weiter.
Bei Zimmer Nr. „9.098“ läuft mir schon der Schweiß von der Stirn, und ganz langsam den Rücken hinunter. Auch hier ist das Haus fürchterlich überheizt!
Dick angezogen wie wir sind, japsen wir weiter. Kein Mensch zu sehen, auch das Personal läßt sich nicht blicken, also weiter, weiter, weiter. Bis zu unserem Zimmer „9.309“ sind es nur noch ein paar Meter!
Auf dem Flur bzw. bei den Zimmern Nr. „9.104“ macht Gotthard schlapp.
„Ich lauf jetzt nicht mehr weiter, ich habe keine Lust mehr, das kann doch gar nicht angehen. Bestimmt sind wir in den falschen Fahrstuhl gestiegen“, regt er sich auf. „Was glaubst du denn wo wir sind?“ frage ich „Du kannst doch lesen! Etage Nummer 9 ! das ist sie und wir werden unser Zimmer schon finden. Nun stell dich nicht so an! Oder meinst du, das Zimmer kommt auf dich zu?“
„Ich geh jetzt keinen Schritt mehr weiter!“ sprach´s und setzt sich auf seine Reisetasche.
„Na ja, wenn du hier stehen bleiben willst, “ entgegne ich, „dann musst du eben hier übernachten!“
Langsam kommt Frust bei mir auf!!
Ich, also weiter, Gott sei Dank schleppe ich den Rollenkoffer mit den heilen Rollen. Aber dazu noch meinen Rucksack und eine Umhängetasche mit allen Papieren und Wertgegenständen. Ganz schön Gewicht ! Dazu die sibirische Kleidung, wie Mantel Schal und Mütze. Dicke Skihose. Die extrem Wärme und die Schlepperei macht mir ganz schön zu schaffen!
Laufen, laufen, laufen! Wieder ein Gang zu Ende, wieder eine schwere Tür öffnen.
Und weiter geht´s !! Langsam komme ich der „200“ schon näher. Na, nur noch 209 Zimmertüren abklappern denke ich und stöhne. Meinen Mann habe ich nun schon lange aus den Augen verloren. Was der nun macht? Geht es mir durch den Kopf? Ob er immer noch auf seinem Koffer sitzt?
Ich erreiche die Tür Nr. 300 und neun Türen weiter, endlich nach ca. 30 Minuten an unserem Hotelzimmer Nr. 309. Schweißüberströmt und etwas erschöpft falle ich auf ein Bett.
Oh je, ist das eine Bruchbude!! Die Möbel stammen sicherlich noch aus den 50er Jahren. Das Bad ist ebenso vorsintflutlich und eine Hitze ist hier drin!! Ich reiße erst einmal das Fenster auf und lauter Straßenlärm und dicker Abgasgestank erfüllt den Raum.
So, aber wo ist nun Gotthard? Sitzt er immer noch auf dem Koffer und wartete? Oder schwirrte er irgendwo im Hause rum?! Da ich beide Chipkarten für die Tür eingesteckt habe, kann er also nicht rein, wenn ich jetzt den Raum verlassen würde. Nun, ich laufe dennoch die ganzen Gänge noch einmal ab. Immer im Karree. Langer, endloser Gang: Tür - Langer, endloser Gang – Tür - Langer, endloser Gang – Tür. Irgendwann hat man die Runde erreicht, und landet wieder vor seiner Tür.
„Nun gut“, denke ich, „setzt dich einfach mal hin und genehmige dir einen guten Wodka“.
Nach weiteren fast 30 Minuten erscheint endlich mein lieber Mann.
Schweißüberströmt, und: Sauer!
„Das ist ja hier das letzte!!“, tobt er. „Zweimal bin ich hier im Kreis gelaufen, dann bin ich wieder runter gefahren zur Rezeption. Da wollten sie mir nicht behilflich sein!! Aber denen hab ich erst mal Dampf gemacht! Ich habe mich hingesetzt und ihnen verdeutlicht, dass ich so lange warten würde, bis jemand mit mir in die 9. Etage fährt und mir das Zimmer zeigt!“
Ach, der Arme, er war völlig kaputt. Ich schenke ihm erst mal einen kleinen Wodka ein, nehme ihn fest in die Arme und schon können wir beide darüber wieder lachen.
Na, den Wodka haben wir aber auch verdient!!
Wie wir später erfuhren, nennt man hier in Moskau das Rossija „Das Grab des unbekannten Touristen.“ Eigentlich sollte es längst abgerissen sein, jedoch Mangels Geldes ist es bisher noch nicht möglich. Mittlerweile soll sich aber jetzt ein Investor gefunden haben, der dieses Gebäude abreißt und ein großes Shopping-Center errichten will. Na, schaun wir mal.
Zweiter Akt: Wir erfrischen uns erst einmal mit einem ein schönes Duschbad. Richten uns in dieser Bruchbude einigermaßen ein, dann wollen wir Frühstücken.
Das Frühstücksrestaurant befindet sich in der 4. Etage. Hin zum Fahrstuhl, runter zur Vierten, und: wo ist denn nun das Frühstückszimmer? Wieder irren wir endlose Gänge entlang. Nach dem Motto: Quadratisch - praktisch – quadratisch. Na ja, wir finden alles, es ist eben immer nur eine Frage der Zeit.
Das Restaurant ist schon sehr westlich. Viele Ausländer befinden ish hier. Hauptsächlich M;änner in feinen Anzügen. Man hört englische, aber mehr deutsche Worte. Wir sind gespannt.
Frühstück auf russische Art kennen wir schon. Viel „Blini“ und Salate, dazu den guten russischen Tee.
Um 9.30 Uhr wartet Tanja, unsere persönliche Stadtführerin, unten an der Rezeption auf uns.
Jedoch vom Frühstücksraum zum Zimmer – dann zur Rezeption – oh, wir waren „schnell“ – nur 25 Minuten benötigen wir dazu!
Bei strahlendem Sonnenschein und milden – 6 °C führt Tanja uns zuerst zur Kremlmauer, die längs der Moskwa steht. Sie misst 2235 m in der Länge, ist zwischen 5 und 19 m hoch und 3,5o m bis 6,50 m dick. In Abständen kann man 20 Türme erblicken, die in früheren Zeiten die „Stadt in der Stadt“ bewachten.
Viele Gebäude stehen hier und in der Sonne glänzen die Zwiebelkuppeln der berühmten Basilius-Kathedrale.
Moskau ist der Ausgangs- bzw. Endpunkt einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Die Hauptstadt Moskau hat knapp 10 Mio. Einwohner und ist die teuerste Stadt Europas.
Ich will ein wenig aus der Geschichte Moskaus schreiben:
Die Geschichte Moskaus beginnt im Jahre 1147, als sie zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird, als ein Ort, an dem sich mehrere wichtige Handelswege kreuzten.
Wenige Jahre später, 1156, lässt der Gründer Moskaus, Juri Dolgoruki, an den Ufern der Moskwa und ihrer Nebenflüsse eine kleine Festung errichten, den ersten Moskauer Kreml. Dieser machte nur etwa ein zwanzigstel des heutigen Kreml aus.
Im Jahre 1238 eroberte Baru, ein Nachkomme Dschingis Khans, Moskau. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde Moskau Hauptstadt des gleichnamigen Fürstentums.
1382 wurde die Stadt von den Mongolen geplündert und niedergebrannt, erstarkte jedoch schon bald wieder und erlangte zunehmend politischen Einfluss in ganz Russland.
Bis 1480, fast 250 Jahre lang, ist Moskau dem Großkhan der Goldenen Horde tributpflichtig.
1547 läßt sich Iwan IV, bekannt als Iwan der Schreckliche (1547 – 84) im Moskauer Kreml zum Zaren aller Russen krönen und Moskau gilt fortan als Hauptstadt des russischen Staates.
Die Stadt wuchs stetig und immer mehr Steinhäuser wurden gebaut. Der Zuwachs zog den Bau neuer Stadtmauern nach sich. Anfang des 17. Jahrhunderts zählte Moskau 200.000 Einwohner.
Im Jahre 1712 verlegte Peter der Große (1689 – 1725) die Hauptstadt nach St. Petersburg und befahl die Zwangsumsiedlung aller Beamten, des hohen Klerus und der Adeligen in die erst 1703 gegründete Stadt an der Newa.
Moskau blieb dennoch das Herz Russlands und viele Adelige kehrten nach Peters Tod zurück an die Moskwa.
1755 wurde nun in Moskau auf Betreiben des Gelehrten und Schriftstellers Michail Lomonossow (1711 – 65) die erste russische Universität gegründet
1780 folgte die Eröffnung des Bolschoj-Theaters, das jedoch im Jahre 1805 einem Brand zum Opfer fiel.
1825 wurde das „Große Theater“ wieder in Betrieb genommen.
1812 zog Napoleon gegen Russland. Nach der Schlacht von Borodino vernichtete ein Brand zwei Drittel der Stadt. Die Moskowiter überließen Napoleon ein brennendes Moskau, um ihn auf diese Weise auszuhungern. Danach wurde die Stadt wieder aufgebaut, diesmal in Stein.
Im Jahre 1851 wurde die Bahnverbindung St.Petersburg – Moskau in Betrieb genommen.
Mit dem Ende der Leibeigenschaft 1861 strömten landlose Bauern in die Stadt und Moskaus Bevölkerung wuchs auf rund eine Million an.
Im Dezember 1905 kam es zu einem Arbeiteraufstand in Moskau, das zu diesem Zeitpunkt bereits knapp zwei Millionen Einwohner zählte.
Am 25. Oktober 1917 (nach heutiger Zeitrechnung am 7. November) begann in St. Petersburg die „Große sozialistische Oktoberrevolution“.
1918 zog die neue Sowjetregierung von St. Petersburg nach Moskau und 1922 wurde Moskau zur Hauptstadt der UDSSR, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, ernannt.
Durch die zunehmende Bedeutung der Stadt wuchs die Einwohnerzahl. Es entstanden viele neue Betriebe und Moskau entwickelte sich schon bald zu einem modernen Industriezentrum.
Am 22. Juni 1941 brach Hitler den Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion. Am 9. Mai 1945 feierte man die siegreiche Beendigung des Zweiten Weltkriegs.
1980 war Moskau Austragungsort der XXII. Olympischen Sommerspiele und wurde in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, GUS, umbenannt.
In der dreistündigen Stadtführung zeigt uns Tanja u.a. auch eine sehr interessante, neue Kathedrale. Der Bau begann 1997 und wurde im Jahre 2002 fertig gestellt und eingeweiht. Bis zu 10.000 Menschen können hier am Gottesdienst teilnehmend, allerdings nur stehend, wie überall in den russisch-orthodoxen Kirchen.
Der Rote Platz ist das Herz der Stadt. Er ist 400 m lang und 150 m breit, hier konnte man schon viele Ausländer oder ausländische Reisegruppen beobachten. Wenn wir als Deutsche erkannt werden, wurden wir stets auf den „berühmten Flieger“ Matthias Rust angesprochen. Dieses Erlebnis bleibt wohl noch lange in den russischen Köpfen, denn, so wurde stets betont, es „rollten einige Köpfe“, was es auch immer bedeuten mag.
Mit der Metro fahren wir zu einer der vielen Markthallen, wo uns wieder mal „die Augen überlaufen“, so groß und zahlreich ist das Angebot an Früchten, Gemüse, Fleisch und anderen Nahrungsmitteln. Wir kaufen uns noch ein wenig Lachs, das Kilo zu 420 Rubel (ca. 12,- ¤), das ist sehr teuer.
Tanja führt uns aber auch in ein riesengroßes unterirdisches Einkaufszentrum.
„1997 hat Jemand einmal ein Loch gegraben. Man fand einige interessante Ausgrabungen“ erklärt unsere Stadtführerin. „Heute ist es zu einer dreistöckigen großen Untergrund-Einkaufsstadt geworden.“
Es gibt – ebenso im Kaufhaus GUM – fast nur westliche Mode. Gerry Weber, Adidas, Hilfinger, Mexx, Mango und vieles mehr.
„Na, denn wollen wir doch mal einkaufen!!“, denke ich mir. Ich suche für mich ein T-Shirt mit etwas in russischer Aufschrift. Nix da!! Alle nur westliche Mode!!
Na ja, dann finde ich doch noch ein T-Shirt und für Gotthard ein Hemd. An „leichte“ Kleidung hatte ich beim Packen nicht so sonderlich gedacht. Jetzt fehlt sie mir.
Den Weg zurück zum Hotel schaffen wir beide auch allein. Reise erfahren wie wir nun einmal sind. Metro in fremden Städten - kyrillische Buchstaben – alles kein Problem mehr!
Gotthard ist „ausgebrannt“ und muss sich erst mal ausruhen. Ich bin auch ein bisschen „down“, aber die letzten Stunden in diesem Lande kann ich nicht einfach mit Schlaf verbringen!!
Wir haben vom Hotelfenster aus einem herrlichen Blick auf die Moskwa und auf das gegenüber liegende Fernheizwerk, das mit seinem ständigen weißen Rauchschwaden aus fünf Schornsteinen die schöne Stadt teilweise in Nebel legt. Unter unserem Fenster stauen sich hupend die PKW´s. Stoßstange an Stoßstange bewegen sie sich im Schneckentempo vorwärts. Es sieht schon wieder aus, wie in Bremen im Berufsverkehr.
Nach einer kurzer Ruhepause beschließen wir, das hoteleigene Restaurant im 21. Stockwerk aufzusuchen.
Wieder beginnt die Wanderung durch die endlos langen Gänge. Immer im Quadrat. Keinerlei Hinweise auf Restaurants oder Rezeptionen. Dieses Haus hat vier Eingänge: Süd, Nord, West, Ost. Auch hier nirgendwo hinweisende Schilder. Auf jeder Etage einige Fahrstühle.
Wir erwischen jedoch immer einen, der nur bis zum 12. Stockwerk fährt!
„Verdammt, wo ist der Fahrstuhl zur 21. Etage?“. „Frag mal“ sagt Gotthard. „Toll, wen soll ich den fragen? Kein Mensch zu sehen! Hier kannste 8 Tage Tod auf dem Flur liegen, ich glaube, es würde keiner merken!“
Wir laufen uns hungrig und nach langem, langem Suchen finden wir natürlich auch den Lift, der uns um 19.40 Uhr ins 21. Stockwerk bringt.
Na, toll! In diesem riesigen Restaurant sitzen ganze vier Geschäftsleute, die sich bereits im Aufbruch befinden. Ansonsten – gähnende Leere ! Die Ober stehen diskret in den Ecken. Nichts rührt sich.
Eine weibliche Bedienung zappt an dem großen Flachbildschirm herum, bis sie einen interessanten Film gefunden hatte. Und läßt sich ungern stören.
Aus den großen Panoramafenstern bewundern wir die fantastische Aussicht auf den Kreml. Welch bunter Glanz im Scheinwerferlicht. Die Straßen und Gebäude sind hell und bunt erleuchtet. Angestrahlt von vielen Flutlichtern. Ein fantastischer Ausblick, wie fast überall, wenn man sich auf dem höchsten Punkt befindet.
Wir suchen uns einen Tisch am Fenster aus (na ja, es sind ja so wie so alle frei) und ein Ober überreicht uns die Speisekarte, russisch und englisch.
Zum Abschluss, zum letzten Mal auf russischem Boden, wollen wir uns noch einmal ein recht schönes Menü aussuchen. Jedoch die Preise dämpft unseren Hunger!
Und die billigste Flasche Wein zu 80,- ¤ musste es nun auch nicht gerade sein, ein Bier tut es auch.
Gotthard bestellt sich das Lamm, ich Ente. Alles kommt lauwarm! Meine Ente hatte bestimmt mindestens 10.000 Flugstunden hinter sich, ehe sie in die Pfanne kam. So zäh und trocken war das Vieh!
Es zieht mächtig durch die Klimaanlage über uns und so wollen wir uns nach dem Essen auch nicht länger in dieser „leeren Halle“ aufhalten.
Nun bezahlen.
Unser Bestand an Rubeln ist zur Neige gegangen. Euros habe ich noch im Gepäck im Zimmer. Aber in so einer „Weltstadt“ kann man ja auch mit Visa Card bezahlen, denke ich! Dachte ich!!
„Nix da, wir nehmen nur Cash“ meint der Ober, der recht gut deutsch spricht.
Ich bin entsetzt! Muß ich jetzt wieder runter ins Hotelzimmer (such, such, such!!)?? Wo bin ich denn? in Weltstadt Moskau ? Ich kann´s nicht fassen! Keine Visa Card !!!!!!!Ich bin schon auf dem Weg nach unten, da fällt mir Gott sei Dank ein, dass ich in meiner Brusttasche ja noch genügend Euros habe, um das Essen zu bezahlen. Allerdings ist ann auch nicht mehr viel Trinkgeld übrig geblieben.
Zurück in die 9. Etage, den Rückweg konnten wir uns merken. So landen wir schneller auf dem Zimmer. Ich genieße noch einmal den wunderschönen Ausblick auf die festlich beleuchtete Stadt.
Auf unserer Seite, die Straße entlang der Moskwa, zieht sich eine kilometerlange, mehr reihige Schlange roter Schlusslichter der Kraftfahrzeuge. Ja, die ruhigen Zeiten von vor 1989 sind vorbei!
Todmüde fallen wir ins Bett. Den Wecker auf 6.00 Uhr gestellt – schnell schlafe ich ein.
Lautes Knallen weckt mich um 23.00 Uhr und wir können ein brillantes Feuerwerk bestaunen, das direkt vor unserem Hotel den Himmel erhellt. Ein paar Leute mit ihren „Ohh´s“ und „Ahhh´s“ haben sich eingefunden. Leider kann ich den Grund dieser Veranstaltung nicht erfahren.
23. Tag, Moskau, Freitag, der 04.03.05
Moskau auf eigene Faust. Transfer zum Flughafen und um 11.25 Uhr Abflug nach Düsseldorf mit Flug Nr. SU 117, Ankunft um 12.50 Uhr, Abfahrt vom Flughafen nach Bremen via Duisburg um 15.10 Uhr von Gleis 1, Ankunft in Duisburg um 15.18 Uhr auf Gleis 12 um 15.24 Uhr mit dem IC 2606. Ankunft in Bremen um 18.03 Uhr.
Es ist Freitag, unser letzter – und Abreisetag von dieser so schönen, erlebnisreichen, manchmal auch beschwerlichen, aber überaus beeindruckenden Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn durch das ganze Land.
Schon um 5.00 Uhr waren erwachen wir können uns noch einwenig unterhalten. So lassen wir die letzten drei Wochen noch einmal Revue passieren.
Wir haben wir nicht alles erlebt !!
Herzlichkeit – und Ablehnung – Kälte von – 6 bis – 30 °C. Sonne – trübes Wetter – körperliche Herausforderung beim Kofferschleppen – Ruhe und Muse in den Zügen. Nur um ein paar Anhaltspunkte zu erwähnen.
Nun ist unsere Reise zu Ende!
Noch einmal „russisch Duschen“ und um 6.50 Uhr verlassen wir das Zimmer und machen uns auf die Suche durch die stillen, endlosen Gänge zum Frühstücksrestaurant. Nach sage und schreibe 20 Minuten haben wir es gefunden und siehe da – es ist noch geschlossen!!
„Frühstücksbuffet erst ab 7.30 Uhr“ steht an der Tür.
Na, dann hätten wir ja noch genügend Zeit um unsere Pässe von der Rezeption abzuholen. (Wir hätten sie fast vergessen!!)
Wieder Fahrstuhl in die 2. Etage suchen, alles natürlich wieder mit „Sack und Pack“, was zum letzten Mal sehr anstrengend ist, in diesem ständig überheiztem Hause.
Dann ein letztes russisches Frühstück. Gotthard lädt noch einmal die Batterie seiner Kamera, was im Zimmer nicht möglich war, wegen der altertümlichen Steckdosen (Flachstecker).
Pünktlich um 8.30 Uhr holt uns unser Fahrer wieder ab und bringt uns zum Flughafen.
Auf dem ca. 35 km langen Weg zum Airport, kann er endlich mal wieder seine Deutschkenntnisse anbringen. In einem wunderbaren Redeschwall halb russisch, halb deutsch, erklärt er uns fast jedes große Gebäude, welches wir auf dieser Fahrt passieren.
Die Duma – Putins Haus, die große Staatsbibliothek mit ihren 1.000 Räumen und eigenem Metrobahnhof. Jeden Tag finden sich hier 10.000 Menschen ein.
Weiter das Stadion von Dynamo Moskau.
Sehr interessant sind auch die verschiedenen Blocks der Wohnhäuser. In der Stalin-Ära baute man große, wuchtige, schön verzierte Häuser. Hingegen in der Chruschtow-Ära, hässliche, graue Klötze.
Aber auch die Zeit nach der Perestroika ist gut vertreten mit diversen Autohäusern wie: Mercedes, Audi, BMW usw. Große Einkaufszentren am Rande Moskaus, wie man sie bei uns kennt mit Ikea, Mc Donald und anderen.
Am Flughafen die übliche hundertfachen Kontrollen und pünktlich 11.25 Uhr Ortszeit Moskau, startet die vollbesetzte Aeroflot. Vollbesetzt deshalb, weil Freitag und viele Pendler nach Hause fliegen. Erklärt uns ein Deutscher, der in Moskau arbeitet.
Da in Moskau ständig irgend eine Messe stattfindet, treffen wir dort auch einige Geschäftsleute, auch im „Super Hotel Rossija“.
Wiederum pünktlich um 12.30 Uhr setzt die Aeroflot mit einer superweichen Lahndung auf dem Düsseldorfer Airport auf.
Noch ein letztes „Do Swidanja“ und wir sind wieder auf deutschen Boden.
Das Wetter war kalt, trübe, grau – ebenso die Landschaft und teilweise auch die Gesichter der Menschen. Keine glitzernde Sonne mehr! Kein strahlendes Weiß, wofür man eine Sonnenbrille brauchte, aber wir sind wieder gesund und munter in der Heimat angekommen.
Abermals die Passkontrolle, jedoch auf deutschen Boden und das Gepäck läuft auf dem Band.
Aber, oh Schreck! – die Reisetaschen sind pitschnass! Mir graut schon Schlimmes.
Mit der Schwebe- und S-Bahn fahren wir zum Duisburger Bahnhof. Hier warten wir auf unseren Zug nach Bremen um 15.25 Uhr.
Überall wo die Koffer standen hinterlassen wir nasse Flecken. Ich denke nur an die Flaschen mit Wodka, die wir unseren Bekannten mitbringen wollen. Wir haben sie liebevoll ausgesucht, viele Stunden und Tage mit uns herumgeschleppt. Und nun sollte alles umsonst gewesen sein?
In Lilienthal haben wir wohlweislich die Taschen im Freien vor unserer Eingangstür geöffnet und es stellt sich heraus: Alles ist in Ordnung, nicht ein Teil oder Flasche sind defekt. Die Nässe rührt sicherlich vom Transport zum Flieger und ist nur von außen betroffen. Alles innen liegende ist trocken.
So hat auch dieses „Problem“ ein gutes Ende gefunden und alle sind glücklich und zufrieden.
Nachwort
Hiermit möchte ich meinen Dank aussprechen an alle, die dazu beigetragen haben, mir diese Reise zu ermöglichen:
Meinen Kindern: Anja u. Lüder mit
Bjarne und Rika
Leif
Lars und Meike
Bente u. Matthias
die sich so viel Mühe gegeben haben, an meinem 60. Geburtstag mit ihrem "Auftritt" mit der Eisenbahn aus Tonpapier.
Meiner Russisch-Lehrerin
Franziska Pfeiffer,
die mir mit großer Geduld und genügend "Druck" die russische Sprache in Schrift und Wort bei gebracht hatte.
Bei ihr saß ich 2 x wöchentlich auf dem Sofa, während sich ihr Mann zum Spazierengehen verzogen hatte.
Ihrer Familie, die uns am Bahnhof von Omsk mit leckeren Lebensmitteln versorgte.
Der Organisation: Frau Doris Knop u. Ihrem Gatten.
Allen Gastfamilien und Stadtführerinnen, Taxifahrern und Chauffeuren.
Den Kofferschleppern.
Allen Menschen die uns unterwegs hilfreich waren.
Vor allem aber:
meinem lieben Mann,
der alles mitgemacht hat, so wie ich es wollte!!
(Wenn es ihm auch manchmal etwas schwer fiel)
Diese Erlebnisse sind aus meinem Kopf geschrieben. Das Wissenschaftliche habe ich aus dem Buch entnommen: Reise „Transsib" – Praktische Tips für Einzel- und Gruppenreisen, Verlag Know-How, Bielefeld, von Frau Doris Knop.
Tag der Veröffentlichung: 27.11.2008
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