Eine tiefe Finsternis umhülle sie. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren, die man in der Dunkelheit kaum sehen konnte, saß auf ihrem Bett, hatte die Beine ran gezogen und ihren Kopf auf die Knie gelegt. Ihre sonst so strahlend grünen Augen waren etwas gerötet. Sie hatte geweint und tat dies immernoch. Still und leise, damit niemand sie hörte. Ihre Eltern hatten sich mal wieder heftig gestritten und ihre Mutter hatte das Haus verlassen. Für immer, hatte ihr Vater gesagt. Ihn schien es nicht zu interessieren, dass seine Frau ihn verlassen hatte. Das blonde Mädchen hatte auch schnell verstanden warum. Es war eine andere Frau, die deutlich jünger war als ihr Vater. Er war mit dieser Frau im Schlafzimmer verschwunden und das Mädchen hatte ihn seit dem nicht mehr gesehen. Sie hatte nur aus dem Schlafzimmer Geräusche gehört, die sie lieber nicht gehört hätte. Darauf hin hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und geweint. Wie konnte ihr Vater nur so etwas tun. Immer hatte das Mädchen gedacht, er würde ihre Mutter lieben und dann tat er so etwas. Warum hatte Mutter sie nur nicht mitgenommen? Sie wollte nicht hier bleiben. Langsam erhob sich das Mädchen von dem Bett und ging ans Fenster. Mit dem Ärmel ihres Pullovers wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte zu ihrer Mutter. Doch wie würde sie sie finden? Das Mädchen würde schon einen Weg finden. Sie wandte sich um und ging zu ihrem Kleiderschrank. Dort stand in der hintersten Ecke eine Sporttasche, die das Mädchen heraus zog. Schnell stopfte sie ein paar Kleidungsstücke hinein und verliess leise ihr Zimmer. Es war schon sehr spät und ihr Vater schlief wahrscheinlich schon. Unter keinen Umständen wollte sie ihn aufwecken. Vorsichtig zog das Mädchen die Wohnungstür hinter sich zu und warf noch einmal einen letzten Blick über die Schulter zurück. Hier war sie aufgewaschen und war glücklich gewesen. Warum nur musste es plötzlich alles so zerbrechen? Ihr war klar, dass nicht alle Paare für immer zusammen blieben, aber die meisten versuchten ja wenigstens die Beziehung irgendwie noch zu retten. Vor allem, wenn sie auch noch Kinder hatten. Ihre Eltern hatten dies aber nie versucht. Sie hatten es auch nie vermieden, vor ihr zu streiten. Manchmal hatte das Mädchen das Gefühl, dass sie hier einfach unerwünscht war. Diese Gedanken trieben dem blonden Mädchen wieder leicht die Tränen in die Augen. Heftig schüttelte sie dann ihren Kopf. Jetzt war keine Zeit wieder zu weinen. Sie musste ihre Mutter finden. Die Sporttasche warf sich das Mädchen über die Schulter und machte sich auf den Weg. Sie hatte keine Ahnung wo sie ihre Suche beginnen sollte. Vielleicht war ihre Mutter in einem Hotel abgestiegen, aber davon gab es sehr viele in der Stadt. Es würde viel zulange dauern, die alle ab zu klappern. Zu Freunden war sie sicher nicht gegangen, da hier in der Stadt keine wohnten und es viel zu weit war, zu ihnen zu fahren. Ganz in Gedanken war sie weiter gegangen und war nun in einem Viertel, in dem ein Mädchen in ihrem Alter eigentlich nicht sein sollte. Sie wollte gerade kehrt machen, als sie an einer Straßenecke eine Frau entdeckte, die ihr bekannt vor kam. Vorsichtig trat das Mädchen ein paar Schritte vor, um die Frau besser sehen zu können. Diese hatte sich gerade zu Auto etwas nach unten gebeugt und sprach anscheinend mit dem Fahrer. Bevor sie dann in den Wagen stieg glitt ihr Blick kurz zu dem Mädchen hinüber. Dies versteckte sich schnell hinter einer Hausecke und sank langsam auf die Knie. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Dieser Frau war ihre Mutter gewesen. Eine komplette Welt brach für sie zusammen. Das Mädchen rappelte sich auf und rannte los. Es wollte nur noch weg von hier. Ihre Sporttasche hatte sie einfach zurückgelassen. Sie war auf die Straße gerannt und was dann passiert war, wusste sie nicht mehr genau. Das ganze war jetzt fast 2 Jahre her. Das blonde Mädchen stand vor einem Grab. Es war sehr schlicht und es langen dort keine Blumen. Der Name, der auf dem Grabstein stand, lautete: Hikari Sota. Gelebt hatte sie vom 1. Mai 1990 bis zum 4. August 2006. Gerade mal 16 alt war sie geworden. Gestorben war sie durch einen Unfall. Ein schwaches Lächeln huschte über die Lippen des Mädchens. Die Beerdigung war klein gewesen. Kaum einer hatte geweint und die Eltern waren auch nicht gekommen. Das blonde Mädchen wandte sich ab und blickte den Himmel empor. Ihre grünen Augen strahlten wieder. Noch einmal sah sie zu dem Grab. Ihrem Grab. Dann verliess sie den Friedhof, um endlich ihre Ruhe zu finden.
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2010
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