Nur ein Tag
„Papa, ich möchte meinen Geburtstag nicht zu Hause feiern ich will den Klaus einladen und der hat doch Katzenallergie können wir im Schwimmbad feiern ich weiss es ist schon zu kalt fürs Freibad aber wir können doch ins Hallenbad gehen und du musst nicht mitkommen ich weiss doch du verträgst das Chlor nicht oder du holst dir eine Medizin gegen Chlor in der Apotheke nee ich habs wir feiern ganz woanders wie wärs mit Kino bald kommt doch Harry Potter Papa bitte...“
„Ach Kindchen, der Film ist doch ab 12!“
„Papa wir sind doch so viele Kinder! Zusammen sind wir älter als 12!“
Eine schier endlose Schlange zieht sich zwischen Einkaufszentrum und Ladengelerien entlang.Sie windet sich, wogt und zuckt und kommt dennoch nicht voran. Genervte Eltern, quengelnde Kinder; aufs Kommando der Regentropfen werden Regenschirme senkrecht gestellt, auf Knopfdruck klappen sie auf, schwarz, blau, bunt. Die Verkäuferin des Drogerieladens springt schnell nach draussen, um lange schlanke und kleine automatische Regenschirme in die bereitstehenden Verkaufsständer „2,79 Euro“ zu stecken. Die meisten regenschirmlosen Schlangesteher springen in den Laden hinein, um sich selbst und den Nachwuchs vor den Sommerregentropfen zu schützen. Die Verkäuferin kommt mit Wiederauffüllen kaum nach.
Wir hatten uns brav hinten angestellt, einige der wenigen, die eher zufällig ihren Schirm von zu Hause mitgebracht haben; ein grell pinkes Pierre Cardin Relikt im Rucksack vergraben und vergessen. Bis heute. Nach eineinhalb Stunden schlangestehen, mein Knie schmerzt höllisch, der Rücken tut mir weh, ist es endlich soweit. Wir werden in die abgesperrte Zielgerade geleitet.
Auf dem flatternden weissen Banner steht aber nicht "Ziel", sondern "Happy Diddl Days". Die Maus, Entschuldigung, die Springmaus, hält Hof, empfängt ihre kindlichen Verehrer (mit erwachsenen Begleitpersonen) in Mainz.
Die letzte halbe Stunde hatten wir Gesellschaft, eine Freundin von Alexandra mit der Mutter, gesellte sich zu uns. Beide Kinder überraschend geduldig, (die Vorfreude so groß, dass sie die ganze Nacht über ausgeharrt hätten), heben sich gegenseitig hoch, die Elternteile wechseln ein paar höfliche Worte, lachen gekünstelt. Jetzt sind wir dran, ich zücke die Digitalkamera, stelle den Zoom ein, überlege, Blitz oder besser kein Blitz? Die Kinder lassen sich von Diddl umarmen, vermutlich ein armer Student, an diesem schwülen Spätsommertag im dicken Mäusefell schwitzend. Da ist schon Diddls Gehilfe mit der Polaroidkamera, schnell setzt sich auch noch Papa dümmlich grinsend zur Springmaus, schnappt sich wie die Kinder einen Diddl-Luftballon und eine Papiertüte mit Diddl-Memorabilia und ist stolz, dass er sich als einziger Erwachsener aus der Warteschlange dazu erniedrigt hat. Schon ist es vorbei, wir wedeln unsere Polaroid-Fotos, und die Kinder verstauen stolz ihre Trophäen von Diddl-Bonbons und Diddl-Karten. Alexandras Freundins Mama und Alexandras Papa verabschieden sich, die Töchter umarmen sich und winken sich schon zu, kaum dass sie 20 Zentimeter voneinander getrennt sind.
Ich nehme Alexandra bei der Hand und führe sie zu Fielmann in der Fußgängerzone, um ihre Brille neu richten zu lassen.
Tag der Veröffentlichung: 09.09.2011
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