Cover


Vorspann



Marianne führt ein behutsames Leben, bis ihre Mutter sich an einer Scherbe verletzt.
Dies sollte der Auslöser sein, der ihr Leben durcheinander wirbelt und es nie wieder in Ordnung bringt.
Wer hätte auch gedacht, dass diese Wunde nicht nur ein Leben beendet? Natürlich niemand.


Marianne
Früher



Schon seit Wochen ist Mama nun schon im Krankenhaus. Wir konnten sie erst einmal besuchen, weil wir soweit draußen auf dem Land wohnen und Papa soviel arbeiten muss. Mein 16. Geburtstag stand schon bald vor der Tür, aber ich verbrachte meine Tage in der Kirche um zu beten. Mein größtes Geschenk, erzählte ich Mama immer wieder, wäre, dass sie wieder gesund würde um bei mir zu sein. Aber diese Worte machten meine Mutter traurig. Trauriger als mir lieb war. Ich wollte ihr doch helfen.

Das taten wir, indem wir in die Stadt zogen um näher beim Krankenhaus zu sein. Ich musste die Schule wechseln, was mir das Leben nicht leichter machte. Diese triste Zeit lässt meine unbeschwerte Art verschwinden, so als hätte es sie niemals gegeben. Ich finde keine Freunde an der neuen Schule und verstecke mich vor jeder Konversation. Mein Zuhause ist praktisch das Krankenhaus. Der Geruch nach Infektionsmitteln und die grauen Wände stumpfen meine Sinne ab und entziehen mir allerlei Kreativität und Kraft. Niemand hatte erwartet, dass auch ich bald mein Leben hinter solchen Wänden vorbeiziehen lassen müsste.



Marianne
Jetzt


"Alles begann mit einer großen Liebe. Meiner großen Liebe. Er war auf meiner Schule und schon sehr gebildet für sein Alter. An ihn kann ich mich noch ganz genau erinnern."

Ich spreche die Worte langsam und deutlich -so gut es mir gelingt- damit die strenge Person vor mir mich versteht. Sie macht Notizen und schaut mich emotionslos, aber auffordernd an.
Ich rutsche auf dem kalten, grauen Stuhl herum um meine Gedanken zu sortieren.




"Er brachte wieder Leben in mich, vor allem in meine Gefühle. Er sagte immer, dass es auf unserer Schule viele Drogenabhängige gäbe und ich mich vor ihnen in Acht nehmen soll.
Sein Name war John, er hatte immer nur Mittags für mich Zeit. Abends, so sagte er, hätte er Wichtiges zutun."

Ich bemerke die Gänsehaut an meinem Arm. Fasziniert streiche ich darüber. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, was Gänse sind. Es will mir einfach nicht in den Kopf.
Streng klopft die Person vor mir mit dem Bleistift auf den Tisch. Ich zucke zusammen und fahre fort.


"Nach einem Monat jedoch kam er eines Abends mit einem seltsamen, aber zufriedenem Lächeln zu mir. Er wollte mir nicht sagen wo er mit mir hin ging. Als wir dann endlich da waren stellte er mich Freunden vor.
Seltsame Leute...
Sie waren bunt.. ja! Aber es sah toll aus.."


Ein Räuspern von der Person.

"Inwiefern waren sie bunt? Erzählen sie mir mehr von diesem Abend, Marianne."

"Ich kann mich nicht erinnern... nicht so genau! Sie hatten auf jeden Fall bunte Haut und rieesige Pupillen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sowas noch nie gesehen.
Seit dem ging ich immer mit ihm Abends weg. Ich fing damit an die Schule zu schwänzen. Sogar Mama besuchte ich nicht mehr. Mama... was ist mit ihr? Wissen sie das?
Wir schliefen oft in kleinen Gassen die lustige Formen und Farben hatten."


"Wissen sie, ob sie irgendwelche Drogen in Form von Pillen oder Spritzen genommen haben, Marianne?"


Ich schaue ihn verwirrt an. Drogen. Nein, John hatte mich immer davor gewarnt. Niemals hätte ich ihn so hintergangen. Aber wieso war ich dann hier? Auf einer Entzugsstation für Drogenabhängige? Ich schüttelte langsam den Kopf.

"John hat mir Pillen gegen Kopfschmerzen gegeben. Er nannte sie immer Kummerpillen."

Bei dem Gedanken musste ich Lächeln. Wo war er jetzt? Er hatte mich hier noch nicht besucht. Nur mein Vater schaute selten vorbei. Er sah soviel älter aus, als früher.
Ich erzähle der Person noch so Einiges, was mir in den Kopf kommt. Zum Beispiel, dass John und ich einmal einen Straßenhund gegrillt und gegessen hatten. Er schmeckte gar nicht so widerlich, aber der Blick meines Gegenübers verrieten, dass er keine Details hören wollte. Also erzählte ich ihm noch von dem Effekt, nachdem du 30 Sekunden lang die Luft angehalten hast und dich dann ganz schnell drehst.
Nach einem ewigen Schweigen kommt eine zweite Person herein, die wie ich finde, wie mein Gegenüber aussieht. Er sagt;


"Marianne Selluk, die Tabletten, die du genommen hast waren eine unbekannte Mischung die als Droge gilt. Sie enthielten starke Anteile an Crystal meth. Johann Clarke war ein berüchtigter Drogendealer, der mittlerweile festgenommen wurde. Er ist Täter dreifachen Mords und schon lange im Geschäft.
Deine Mutter ist gestern Nacht verstorben und sie werden wir in eine Spezialklinik einweisen, da sie mangelnde Fähigkeiten an Aufmerksamkeit....."


Ab da hörte ich nicht mehr zu. Ich merkte wie langsam aber sicher mir die Welt aus den Händen glitt. Mit ihr die Kontrolle über meinen Körper.
Ein Seufzen.
Ein Keuchen.
Im Hintergrund wirre Stimmen.
Leere.
Dann meine Schreie. Lange und kurze. Grelle und verzweifelte Schreie. Aber zweifellos meine.
Es waren auch meine Fingernägel, die brachen, als sie kratzend über die Gitterstäbe der Kammer fuhren.
In diesem Moment hatte ich mich von meinem Körper gelöst und betrachtete ihn ruhig von hier oben. Hier oben, wo es hell ist. Wo es keinen John und kein Leid gab. Hier würde ich immer bleiben und wandte mich dem Licht zu. Ich hielt es nicht für nötig mich zu verabschieden. Von Früher. Von meinem Leben.
Jetzt durfte ich endlich zu Mama.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.02.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /