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Barbaratag

Vor einigen Jahren lebte unsere Oma eine zeitlang bei uns, da sie nach einem längeren Klinikaufenthalt und das erste Jahrgedächtnis ihres Mannes näherte sich, da konnten und wollten wir sie zu dieser Zeit auch noch nicht allein in ihrem Haus lassen. So kam ich von der meiner Arbeitsstelle und wurde schon sehnsüchtig erwartet. Wir unterhielten uns ein wenig, bevor ich mich daran machte, etwas zu Mittag zu Kochen. Kaum war ich fertig, da klingelte es auch schon. Unser Töchterchen kam mit geröteten Wangen hinein und sprudelte los:

„Mama, warum hat sie drei Fenster in den Turm bauen lassen, weißt du das? Der Vater hatte doch einen ziemlichen Knall, dass er sein Kind hat umbringen lassen und dann hat der Kerl das auch noch selbst getan. Hatte aber Pech, er ist nämlich direkt danach umgekippt und war tot. Kannst du dir vorstellen, Papa täte so was, wenn ich nicht an Gott glauben würde?“

„Stopp, zuerst einmal, der Papa würde dich nicht töten, schon gar nicht wegen einer Glaubensfrage oder Sonstiges. Von wem erzählst du überhaupt?“, versuchte ich sie herunter zu fahren.

„In Reli haben wir eben über den Barbara- Tag gesprochen“, entgegnete sie mir entrüstet, als müsste ich ihre Gedanken lesen können. Stephie ließ ihren Ranzen fallen, stürmte in die Küche und setzte sich zur Oma an den Tisch.

„Hallo Oma, kennst du die Barbarageschichte?“, begrüßte Stephie ihre Oma und nahm sich einen Pfannkuchen.

„Mama, weißt du warum sie drei Fenster hat einbauen lassen, obwohl ihr Vater eigentlich zwei einbauen wollte?“, begann sie von neuem. „Am Besten ist es, du erzählst uns die Geschichte und ich beantworte deine Fragen dabei, OK?“, antwortete ich ihr.

„Die Barbara war ein Mädchen, dass an verschiedene Götter glaubte. Eines Tages ging sie durch die Stadt und hörte wie ein Mann etwas von Jesus erzählte. Dort ging sie immer öfter hin und sie fand die Geschichten toll. Das war so eine kleine Kirche, in der der Mann erzählte. Der erzählte von Gottes Liebe und seinen Wundern. Mit der Zeit fand sie immer mehr zu dem Glauben zu Gott und wollte nicht mehr die verschiedenen Götter anbeten“, fing sie an zu erzählen.

Während ich ihr einen weiteren Pfannkuchen reichte, stellte ihr Oma eine Zwischenfrage: „ Wo hat sie denn gelebt und weshalb hat sie an Götter geglaubt?“

„Weiß ich nicht so genau, aber ich glaube in Rom und damals glaubten die da an mehrere Götter“, gab sie ihr zur Antwort.

„Barbara lebte im heutigen Izmid, das liegt in der Türkei“, berichtigte ich Stephie.

„Egal, jedenfalls wurde der Vater stinksauer und wollte nicht, dass sie bei den Christen war. Deshalb ließ er einen Turm bauen, der sollte zwei Fenster haben, aber Barbara konnte die Arbeiter überreden drei Fenster einzubauen“, fuhr sie fort.

„Weshalb wollte sie denn drei Fenster?“, fragte ich Stephie.

„Diese drei Fenster sollten die Dreifaltigkeit darstellen. Wir Christen glauben ja an die Dreifaltigkeit Gottes“, erklärte sie mir in einem ruhigen Tonfall.

„Als er erfahren hatte, dass sie sich hat taufen lassen wollte er sie schlagen. Aber da öffnete sich in der Wand ein Spalt, durch den ist sie dann abgehauen. Sie wurde verraten und festgenommen, ihr Vater schleppte sie zu Statthalter, der hat sie Foltern lassen, Aber sie ließ sich nicht von Jesus und Gott abbringen. In der Nacht soll ihr Gott erschienen sein und hätte ihre Wunden geheilt. Als der Statthalter das erfuhr ließ er sie wieder foltern und sogar die Brüste abschneiden. Zum Schluss sollte mit einem Schwert ihr der Kopf abgeschlagen werden. Das hat ihr eigener Vater gemacht. Aber als er sein Schwert danach auf den Boden legen wollte, ist der umgekippt und war tot. Der war doch ein Blöder, dieser Vater oder?“, beendete sie ihre Erzählung leicht aufgebracht.

„Ja, das war damals so. Wir können froh sein, dass wir in einem Land leben in dem jeder seine eigen Religion frei ausüben darf, solange sie friedlich ist.“, antwortete ich ihr.

„Wir haben früher immer Kirschzweige am Barbara- Tag abgeschnitten, wenn sie dann Weihnachten blühen, sollte die Ernte im nächsten Jahr gut ausfallen“, erzählte ihr Oma. Stephie sprang auf und kam innerhalb von drei Minuten wieder. In der Hand hielt sie einige Kirschzweige. Nachdem wir diese in eine Vase mit warmen Wasser gestellt hatten meinte sie nur noch:

„Jetzt will ich aber sehen, ob sie wirklich Weihnachten Blüten oder wenigstens Knospen haben.“

 

Einige Zeit später saßen Stephie und ich im Auto auf dem Weg zum Elternsprechtag und sie fragte mich noch: „Tina bekommt was zum Barbara- Tag geschenkt, warum ich nicht?“

„Wir kennen diese Sitte nicht, außerdem können wir dir ja nicht zu jedem Heiligen etwas schenken, wir kämen aus dem Schenken nicht mehr heraus.“

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Tag der Veröffentlichung: 04.12.2023

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