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Katastrophenalarm

 

Erftstadt ist eine mittelgroße Stadt mit 50.000 Einwohnern und einer Fläche von rd. 120 km² im Rhein - Erft- Kreis des Bundesland Nordrhein - Westphalen. Die Stadt entstand 1969 durch den Zusammenschluss und Ausgliederung amtszugehöriger Ort aus dem Kreis Euskirchen. Keiner der 18 Orte beanspruchte den Rang eines Hauptortes, so wurde die Stadt nach der durch das Stadtgebiet fließenden Erft benannt.

 

Dauerregen mit Starkregen ließen an 13. und 14. Juli 2021 nicht nur die Talsperren ansteigen, nein auch sämtliche Flüsse und Bäche. Das Erdreich konnte die Wassermassen nicht mehr so schnell aufnehmen. Am Abend vom 14. und in der Nacht auf den 15. Juli fluteten Wassermassen und rissen Geröllmassen in der Eifel vieles nieder, zerstörten Häuser und vieles mehr. Nicht nur das, die Steinbachtalsperre begann durch das überschwappen de Wasser zu bröckeln, zudem wurde auch der geregelte Ablass verstopft. Die Swist wurde zum reißenden Fluss und vereinte sich kurz vor dem Ortsteil Bliesheim mit der inzwischen brodelnden Erft, die bereits schon mit reißenden Wassermassen aus der Eifel heranschoss. Ein Rückhaltebecken (durch den der Rotbach und seinen vielen keinen Zuläufen (Bäche) floss) zwischen Niederberg und Borr, welches die Schneeschmelze der Eifel eigentlich abfangen sollte, hatte sich innerhalb kürzester Zeit so gefüllt und schwappte ebenfalls über, auch dieser Damm wurde instabil.

 

Am Vormittag des 15. 07.2021 wurde der Katastrophenfall für Erftstadt ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich arbeitend im Brühl, war im Büro allein, da allen anderen, weil die Kanäle in der Nacht die Wassermassen nicht mehr aufnahmen und die Keller durch Rückstau unter Wasser setzte.

Von der Katastrophe, die sich in Erftstadt ereignet hatte, erfuhr ich erst, als ich im Auto das Radio die Nachrichten hörte.  Zu diesem Zeitpunkt waren bereits sämtliche in der Nähe befindlichen Brücken über die Erft gesperrt. Ich beschloss einen Bogen zu fahren und hoffte Stromabwärts irgendwo hinüber zu kommen. Ich rief meinen Schwager an, gratulierte ihm zum Geburtstag und wollte ihn bitten, seiner Mutter etwas zu Mittag zu machen, doch ziemlich verstört teilte er mir mit, dass er sich beim Haus Buschfeld befand, sein Auto sei auf der Luxemburger Str. abgesoffen und er versuchte irgendwie über die Erft zu kommen. Ich teilte ihm mit, dass er in Richtung Weilerswist nicht rüberkomme, alles dicht.  Er machte sich stromabwärts auf den Weg und wurde zwei Stunden später vom Freund seiner Tochter in Kerpen Brüggen, hinter Kierdorf, aufgelesen der auch sich durchschlug.

 

Stau überall, aber ich schaffte es schließlich zwischen Kerpen und Gymnich noch hinüber zu kommen. Um 12 Uhr hatte ich das Büro verlassen und kam schließlich teilweise über Schleichwege und Feldwege kurz nach 15 Uhr zu Hause an. Inzwischen hatte ich auch übers Radio erfahren, dass unser Dorf um 17 Uhr evakuiert werden sollte. 

Daheim angekommen schnappte ich mir ein paar Plätzchen, sah bei meiner Schwiegermutter nach, stopfte dort einige Sachen in eine Tasche. Dann dichtet ich alle Lichtschächte unseres Hauses mit Schaltafeln ab, darauf legte ich den Mutterboden, der noch in Säcken verpackt war, darauf. 

Zwischendurch telefonierte ich kurz mit meinem Mann, raste anschließend in den Keller und holte alle Elektrogeräte und Akkus inklusiv Ladestationen nach oben. Im Erdgeschoss noch alles was mir wichtig erschien, platzierte ich auf Tischhöhe. 

Erst dann verschnaufte ich, und machte mir einen Kaffee. 

Um 17 Uhr fuhr jemand mit seinem Auto durch die Straße, da ich das Fenster offen hatte, hörte ich wie er "Evakuierung" einem Nachbarn zurief. Der grinste und meinte, wir gehen hoch. 

Gegen 18.30 Uhr hatte mein Mann es auf die gleiche Strecke geschafft. Im Radio gab es nichts Neues vom Rückhaltebecken, es war weiterhin instabil. Man war bereits am Abpumpen des Rückhaltebeckens, doch es schwappte weiter.

 

 

 

 Eine Karte von Erftstadt 

 

 

 

 

 Alles blau Eingefärbte zeigt die überfluteten Flächen

 

 

 

Im Laufe des Nachmittags schaute man natürlich auch bei den örtlichen Gruppen auf FB nach, eines dieser Bilder zeigte Bliesheim (kleiner Ausschnitt), welches natürlich als erste Ortschaft betroffen wurde.  Die Erft verläuft normal von rechts nach links vor der Baumreihe in der Mitte des Bildes.

 

 

 

Bliesheim mit Blick nach E - Liblar, links kann man die A 61 noch erkennen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesperrt war, bzw. diese fuhren dann Erftstadt ab und verteilten sich sich Richtung Zülpich auf der B265. In verschiedenen Bereichen wurde die Fahrbahn der Autobahn unterspült und Teile der Fahrbahn sackteten in sich zusammen oder wurden einfach weggespült. Auch Land und Kreisstraßen wurden unterspült, Ränder brachen ab. Normal verläuft die Erft zwischen den Baumreihen.

 

Die Bilder, welche man nicht unbedingt im Fernsehen sehen konnte, erreichten einen in den unterschiedlichsten Communitys. 

Frauenthal, ein kleiner Stadtteil, in dem sich auch unser Krankenhaus, welches größtenteils ebenerdig ist, befindet. Neben diesen befindet sich ein Altenheim. 

Links Altenheim, rechts Krankenhaus

 

Am Samstagmorgen sprach ich mit einer Kassierin im Supermarkt, sie erzählte mir, dass sie in allen Auffanglagern, bzw. Stationen in denen man die Evakuierten untergbracht hatten, ihr Mutter gesucht hatten. Diese wohnte in Frauenthal, der Stadtteil wurde ja genauso überflutet wie das Krankenhaus. Sie fanden sie nirgends, und hatten sich am Freitag trotz Absperrungen dort hinein gewagt. Sie fanden sie putzmunter und mit einem Besen in der Hand. Wurden mit den Worten empfangen "Was wollt ihr denn, mir jed et jut, packt mal mit an!"

 

Zwischen Frauenthal und Blessem verläuft die B265, welche man vor Jahren in eine zweispurige Umgehungsstraße umbaute, um dem Stadtteil Liblar zu entlasten. Aus Schallschutzgründen wurde die Straße rd. 12 m tiefer als das vorhandene Gelände hergestellt. 

Diese Bundesstraße wurde vielen Fahrzeugen am 15.07.2021 zum Verhängnis, die Auto- und LKW - Fahrer konnten nicht mehr drehen, da die Mittelleitplanken fest verschraubt waren. So blieb ihnen nur übrig, die Wagen zu verlassen, da eine Sturzflut schneller als sie Denken konnten, auf sie zu kam. 

Dankbar bin ich heute immer noch, dass niemand dort sein Leben gelassen hat.

Ein paar Tage später, die ersten Autos zeigten sich beim Abläufen und Abpumpen des Wassers. 

 

 

 

Aufräumarbeiten auf der Luxemburgerstraße, nachdem das Wasser abgepumpt war.

 

 

 Blessem, im Hintergrund die Kiesgrube, davor die Burg und noch mit den stehenden Häusern, bevor die Böschungen abrissen, sich die Kiesgrube ausdehnt und in die Tiefe riss. 

Erinnerungen wurden wach und ich sah mich als 10-Jährige mit Rollschuhen entlanglaufen oder radelnd zum Reitstall, der rechts neben der Burg steht. 

 

 

 

Nach dem Erdrutsch sieht es leider jetzt so aus, zum Glück besitzt der Abwasser Kanal keine Schäden, damit das Wasser wieder in den Häusern freigegeben werden konnte. 

Zum heutigen Zeitpunkt konnten die Menschen nach einer Woche zurück in ihre Häuser und Wohnungen, um mit den Aufräumarbeiten beginnen zu können. Doch die in dem 100m Radius der Abrisskante normal Lebenden, müssen sich noch gedulden. Verwandte und auch Freunde besitzen dort ihr Heim.

 

Auch viele Gebäude, in denen sich das Wasser ihren Weg in die Keller und Erdgeschosse verteilte liegen in den Stadteilen E- Lechenich , Konradsheim, Dirmerzheim, Köttigen und Kierdorf.

 

Der Ortsteil Ahrem wurde vom Rotbach und dem Mühlenbach überflutet. Der Rotbach fließt eigentlich am Rande des Dorfes vorbei, doch vor Ahrem teilte sich der Rotbach und der Mühlenbach entstand, welcher durch den Ortskern floss.

 

 

 

eigene Aufnahme

 

Der Mühlenbach gegen 21.30 Uhr, links neben dem Baum, hatte er sich bereits ausgebreitet, mitten im Ort.  Auch die Durchgangsstraße, rund 100m entfernt flutete der Mühlenbach.

 

eigene Aufnahme

 

Am späten Abend erfuhren wir durchs Internet, dass die Kläranlage abgeschaltet werden musste, es kann sich Rückstau bilden.

Das stimmte, trotz Rückschlagklappe drückte das Wasser zurück ins Haus. Es tropfte aus einigen Muffen und der Reinigungsklappe im Bereich des Schmutzwasserkanals.  Wir haben uns aufgeteilt und ich übernahm die erste Schicht bis um 3 Uhr nachts mit dem Entleeren der darunter gestellten Eimer. Dann legte ich mich nieder, mein Mann übernahm.

Punkt 7 Uhr klingelte mein Handy, das ich vorsichtshalber nicht ausgeschaltet hatte, denn Festnetz funktionierte nicht mehr.

Begeistert nahm ich ab, es war mein Schwager, der fragte ob bei uns alles in Ordnung sei. 

 

Am Freitagnachmittag fuhr ich mit dem Rad Richtung Lechenich, da ein Durchkommen mit dem Auto nur im Schritttempo erfolgen konnte.

 

 Normal stehen dort in der Aue Pferde und ab und zu Schafe.

 Lechenich, der Mühlenbach und der Rotbach ließen den Stadtweiher überlaufen (im Bereich der letzten beiden Bäume links) Vor dem Gebäude, sprich links davon, wurde noch ein Altenheim in den Abendstunden evakuiert, welches auch abgesoffen ist.

 

Auf weitere Bilder verzichte ich, da ich nicht weiß ob diese geschützt sein könnten,  auch bin ich kein Hochwassertourist, half lieber in Gummistiefeln beim Entrümpeln.

 

Sonntags setzte ich mich hin und versuchte ein paar Eindrücke mit Pastellkreide umzusetzen.

 

 

 

Diese zeigen den Dammbau in Blessem, um die Erft wieder in ihr eigenes Bett zurückzubringen.

 

Ein Bild von der Landstraße zwischen Kierdorf und Gymnich, das ich mit Pastellkreide 21 x 29 cm umsetzte. 

 

Viele Videos habe ich in den letzten Tagen gesehen, die teils in den verschiedenen Gruppen bei Facebook oder instagram gezeigt wurden, ebenso wurde mir etliches per Whatsapp zugesandt doch dies würde hier den Rahmen sprengen.

 

Unendlich viel Leid, entsetzte, aber auch hoffungsvolle Gesichter, die einen täglich begeneten. Wie schon überall gesagt wurde, dieses Gemeinsame, die Hilfe untereinander, manchmal das einfache Zuhören, das den Menschen half. Selbstverständlich danke ich auch allen Helfern, die sich vor Ort einbrachte hatten.

Für mich ist das Wichtigste, dass es zwar in unserer Stadt sehr viel instandgesetzt werden muss, aber dass niemand sein Leben verlor.

Oft sind in der letzten Zeit meine Gedanken bei all den Geschädigten, bei den Opfern in der Eifel, an der Ahr, an der Wupper, in Hagen, eigentlich überall, wo dieses grauselige Unwetter gewütet und mit Wasserkraft uns zeigte, wie winzig und verletzbar wir sein können. Und hoffe für die Zukunft, dass solche rabenschwarze Tage sich nicht wiederholen.

 

Darum habe ich beschlossen, dass ich in diesem Jahr viele meiner Bilder, die ich noch besitze, die im Format 21 x 29 cm groß sind, versuche diese für die Hochwassergeschädigten zu verkaufen. Auf FB oder Instagramm findet man diese Bilder.

 

 https://www.facebook.com/manuela.schauten

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Manuela Schauten
Bildmaterialien: Eigene Bilder und öffentlich eingestellte Bilder
Cover: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 27.07.2021

Alle Rechte vorbehalten

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