An einem Wintertag ging ich hinüber um nachzusehen, wie es meine Schwiegermutter ging, die gerade von einem sehr deprimierenden Klinikaufenthalt zurückgekommen war. Man hatte sie am Auge operiert und ihnen ist ein Fehler unterlaufen, denn statt die Sehstärke zu verbessern, wurde es milchig und sie begann darauf auf dem Auge zu erblinden. Nach dem fast 14-tägigen Aufenthalt wollten wir ihr nicht zumuten, die schweren Holzrollladen hinunterzulassen. Das Ganze nahm sie sehr mit, denn gut einen Monat vorher hatte ihr Mann für immer die Augen geschlossen, obwohl sie zwar immer gehofft hatte, er würde es schaffen, sich gegen den Lymphdrüsenkrebs erfolgreich aufzulehnen. Genau in diese schwere Zeit der Trauer musste ihr der Augenarzt mitteilen, dass eine sehr akute Gefahr ihres Augenlichtes bestand.
Nun war sie wieder aus dem Krankenhaus, wir versuchten ihr zu helfen, wo es ging. Nach einem Plausch verabschiedete ich mich. Es begann bereits zu dämmern, als ich die kleine Gartentür öffnete, welche früher den Ziergarten vom Nutzgarten trennte. Am Ende des damaligen Nutzgartens steht unser kleines Häuschen.
Langsam schlenderte ich am links liegenden Zierteich und dem kleinen Tannenwäldchen vorbei. Gerade als ich mich auf der Höhe des leerstehenden Kaninchenstalls befand, übermannte mich ein seltsames Gefühl. Wir hatten seinerzeit Graf van Racker den Nachfolger unseres Prinz Präsident Krümmel den Winter über in die Garage einquartiert, da er noch keinen Winter draußen verbracht hatte.
Ich bin stehen geblieben und hatte mich ganz langsam umgedreht. Meinen Augen traute ich nicht, ich begann zu zwinkern, aber da stand mein Schwiegervater mit einem Lächeln im Gesicht, trug ein kariertes Hemd und Cordhose. Auf dem rechten Arm trug er unseren Krümmel, der im Juli die Regenbogenbrücke passiert hatte, und winkte mir mit der linken Hand fröhlich zu.
Wie versteinert stand ich da. Ich konnte mich nicht bewegen und starrte die Beiden an. Ich kniff mir in den Arm, das tat weh, also träumte ich nicht. Die Beiden schauten mich an und als wollten sie sagen, "Uns geht es gut". Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand, ich brachte auch keinen Ton heraus. Langsam lösten sie sich auf und ich konnte mich wieder bewegen. Daraufhin drehte ich mich um, lief drei bis vier Schritte, drehte mich wieder um, aber da war nichts mehr zu sehen. Niemand stand am Gartentor und es dunkelte bereits.
Zuerst traute ich mich nicht von dem Erlebten zu erzählen, mein Mann schaute mich an und meinte erst, ich hätte geträumt. Nein, ich hatte nicht geträumt und sicher kann jeder verstehen, dass ich in der nächsten Zeit mit schummrigen Gefühlen dort entlang ging.
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2021
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