„Na, das hat aber gedauert“, fragte Hauptkommissar Hinkelstein seinen Kollegen von Hausverbot erstaunt, als dieser nach knapp vier Stunden wieder das Büro betrat. Der Oberkommissar hängte in Ruhe seine Jacke an den Haken neben dem Aktenschrank, öffnete das Fenster bevor er sich auf seinen Bürostuhl niederließ, erst dann antwortete er mit einem knappen „Ja“.
Hauptkommissar Hinkelstein betrachtete seinen Kollegen einen kurzen Moment, versuchte so herauszufinden, ob er ihm Kaffee oder Tee anbieten solle. Er drehte sich mit seinem Stuhl, stand auf und fragte „Kaffee?“
„Ja, bitte“, erhielt er zur Antwort.
Nachdem er ihm den Kaffee gereicht hatte, fragte er weiter: „Erzähl, was ist das für ein neuer Fall?“
Oberkommissar von Hausverbot ließ sich noch einen Moment Zeit, bevor er anfing zu erzählen.
„Die Fahrt dorthin war von Fahranfängern geprägt, aber nach der Stadt habe ich erst einmal die hügelige Landschaft genossen und dann kam das Herrenhaus, davor eine wundervolle Sommerwiese mit Mohn-, Korn-, Margariten- und anderen Sommerblumen, du glaubst es nicht, ich habe erst mal angehalten, ich konnte mich einfach nicht an dem Anblick sattsehen. - Schade das du es nicht sehen konntest, halt doch warte ich zeige dir eine Aufnahme, die habe ich mit dem Handy aufgenommen.“
„Zeig, das muss ich sehen“, unterbrach ihn Hauptkommissar Hinkelstein.
Von Hausverbot versuchte in seinem Smartphone das aufgenommene Bild zu finden, fand es schließlich und hielt es seinem Kollegen hin.
„Wow, was für ein tolles Panorama, wie im Urlaub!“
„War leider kein Urlaub, sondern in dem wundervollen Feld hat man die Verbuddelte ja gefunden.“
„Verbuddelt?“, fragte Hinkelstein.
„Ja, was ich dir jetzt erzähle, das hört sich an, als hätte jemand einen Groschenroman geschrieben.“
„Dann erzähl, bin ganz Ohr“, dabei holte er sich rasch einen weiteren Becher Kaffee und stellte das Fenster auf Kipp.
„Wir wurden gerufen, weil der junge Gärtner einen Baum setzen wollte. Der Junge hob also eine Grube aus und fand dort menschliche Knochen. Knocke, der Pathologe aus dem Keller war übrigends bereits mit der Spurensuche vor Ort, als ich eintraf. Knocke hielt mir einen Knochen unter die Nase, dem hätte ich am liebsten mit dem Ding eins über Rübe gegeben, als er dann noch sagte, „Riechen Sie mal!“
Hauptkommissar Hinkelstein hätte am liebsten gefragt, „Ob er gerochen habe“, ließ es aber bleiben, da von Hausverbot weitererzählte.
„Danke, kein Bedarf, aber was wollen Sie mir damit sagen, fragte ich den Knocke. Er guckte mich an und meinte trocken, „Der ist schätzungsweise Siebzig Jahre alt“. Na denn, hat man wohl ein altes Grab ausgehoben, antwortete ich ihm. – Aber du kennst ja Knocke und seinen langatmigen Vortrag wollte ich mir ersparen, dankte ihm und wendet mich an die Leute die herumstanden. Plötzlich hörte ich eine alte Dame sagen, das könnte Margarete sein, die ist doch nicht bei einem Bombenangriff umgekommen, sondern vielleicht im Wochenbett. Die Dame nahm ich ein wenig unter die Lupe. Sie erzählte, dass sie damals als ganz junges Mädchen im Herrenhaus als Küchenmädchen gearbeitet hatte. Margarete soll ein Stelldichein mit dem Hausherrn gehabt haben, das Kind soll aber überlebt haben und mit einem bedeutungsvollen Blick auf einen etwas wenig jüngeren Herrn als sie selbst, der etwas abseits in einer abgewetzten Hose dastand. Leise sagte sie, er ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und die Figur besitzt er wie der alte Hausherr von damals. Der ist als Kleinkind hier auf den Gut plötzlich aufgetaucht, groß geworden und noch heute der Stallknecht.“
„Hört sich schon etwas seltsam an“, meinte Kommissar Hinkelstein.
„Wenn dem so ist, das wird ja Knocke herausfinden, dem hab ich noch ne Kippe untergeschoben.
Jedenfalls durfte seit Jahrzehnten niemand dieses Stück bebauen, es musste eine Wildblumenwiese bleiben. Das hat seinerzeit der Hausherr angeordnet und hat das sogar Testamentarisch festgelegt, ansonsten geht alles an die Kirche. – Guck nicht so, ohne dass ich das jetzt alle nachgeforscht habe, in so einem kleinen Dorf, in dem der Gutshof liegt, ist wie eine Familie.“
„Du hast Recht, es hört sich wirklich wie in einen Groschenroman an, jetzt fehlt noch, dass diese Magarete gerade Wildblumen über alles liebt.“
„Laut Aussage von Frau Nelke jedenfalls.“
Kommissar Hinkelstein wollte jetzt aber wissen, ob weitere Knochen gefunden wurden.
„Ja, man fand die restlichen Knochen und eine kleine Kette, es war ein Grab, nur wer sich dahinter verbirgt, ist jetzt die Frage.“
„Und sollte es so sein, dass der Stallknecht wirklich das Kind sei, dann weiß er wenigsten, wo seine Mutter begraben liegt“, meint Kommissar Hinkelstein.
„Stimmt, jetzt warten wir aber den Bericht ab. Aber was soll ich dir sagen, diese Wildblumen waren ein Gedicht!“
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2021
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