Wir hatten den 15. Juni, ich machte mich am frühen Morgen mit meinem Wagen auf den Weg, da ich mit meinem älteren Bruder und seiner Frau vereinbart hatte, wir überraschen unserem Vater zu seinem 76.Geburtstag. Meinen Mann ließ ich daheim, er musste sich um seine kranke Mutter kümmern.
Während der etwa einstündigen Fahrt gingen meine Gedanken auf die Reise. Mein Vater feierte in früheren Jahren ja meist erst am 16., denn der 17. Juni war in unserer Bundesrepublik Deutschland ein gesetzlicher Feiertag und da konnte man nach der Geburtstagsfeier am nächsten Tag schön ausschlafen.
Doch die Bedeutung des 17. Juni, der Tag der deutschen Einheit, erfuhr ich in der Schule. Wieso und weshalb, ich kramte in meinen Erinnerungen.
Momente später da war die Erinnerung wieder präsent. Dieser entstand zum Gedenken an den Volksaufstand 1953 in der DDR, diesen Tag gab es seit 1954 ebenfalls in der DDR und durch die Proklamation im Jahr 1963 des Bundespräsidenten „Nationaler Gedenktag des deutschen Volkes“. Dieser Tag wurde immer am 17. 6. in der BRD mit einem gesetzlichen Feiertag bis 1990 gefeiert.
Der Tag des Mauerfalls war ursprünglich nach der Wende der 9. November 1989 und eigentlich wäre dies der Tag der Wiedervereinigung unseres deutschen Volkes gewesen. Jedoch wegen der Datumsgleichheit mit der Reichspogromnacht 1938 ungeeignet und wurde somit im Einigungsvertrag auf den 3.Oktober festgelegt. Für mich und sicher viele andere nicht nachvollziehbar, auch wenn er seitdem „Tag der Deutschen Einheit“ im Wortlaut genannt wird und nun das d großgeschrieben wird. Doch beide deutschen Staaten, die den 17.Juni bereits als Gedenk -Feiertag feierten, allerdings war dieser nur in der BRD ein gesetzlicher Feiertag.
Doch eins kramte ich noch aus den Erinnerungen, denn historisch wurde seit dem frühen 19. Jahrhundert das Bestreben die deutschen Länder in einem Staat zusammenzuführen als „Deutsche Einheit“ bezeichnet, dieses wurde besonders mit dem ab 1815 bestehenden Deutschen Bund populär. In der deutschen Nationalhymne findet sich das Einheitsmotiv als „Einigkeit“ wieder.
Man ich hatte gut in der Schule aufgepasst oder das Thema hat mich scheinbar interessiert.
Als dann bei meinem Bruder und seiner Frau eintraf, wurde ich erst mal mit einem freudigen Hallo begrüßt, sein Sohn mit Freundin wollte uns chauffieren. Da wir ja uns nicht so oft sahen, wurden die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht. Dann schüttelte ich mit dem Kopf, als ich sah, dass mein Bruderherz in seinen Lieblingsklamotten abfahrbereit dastand.
„Sag, mal, willst du nicht ein paar anständige Schuhe anziehen?“, konnte ich nicht unterdrücken, als ich so mit seinen blauen Gartengummiklogs sah.
„Ich hab schon alles versucht, er will nicht, ich weiß, es sieht grausam aus“, ergänzte seine Frau.
„Nee, ich hab frei und da trage ich was ich will“, murrte er ein wenig, zog sich seine Schlägerkappe auf und meinte, „Kommt lasst uns fahren.“
„Vater, ding Schuhe!“, meinte sein Sohn augenverdrehend.
„Lass gut sein“, meinte Shirley, die Frau meines Bruders.
Wenig später saßen alle im Auto, das Jungvolk vorne und wir Alten quetschten uns auf den Rücksitz. Gut, es war Gott sei Dank nicht eng,
Während der geplanten einstündigen Fahrt musste mein Bruderherz auf seine Zigaretten verzichten, doch Hannes sein Sohn musste noch tanken. Wir grinsten uns breit, mein Bruder stieg tatsächlich aus, verließ das Tankstellengelände und zog sich eine rein.
Nachdem mein Bruderherz endlich seine Zigarette ausgedrückt hatte, ging endlich die Fahrt los. Dem Jungvolk überließen wir die Fahrerei und nachdem wir Neuigkeiten ausgetauscht hatten, fragte mich Shirley:
„.Sag mal, hast du deine Mappe dabei?“
„Sicher, ich hab dir doch versprochen, du kannst dir etwas aussuchen“, dabei zog ich die Mappe aus der Tasche, die ich in meinen Fußraum gestellt hatte und legte sie ihr auf den Schoß.
„Das sieht toll aus“, „Das ist klasse“ oder auch, „Das ist nicht mein Fall“, blätterte sie Seite für Seite durch. Als sie schließlich zu einem Bild kam, auf dem ein Bauer mit seinem Heuwagen die Straße hinunter spazierte, meinte sie plötzlich:
„Der erinnert mich an den alten Hermann.“
„Was für ein Hermann, meinst du Eikes?“, mischte sich mein Bruderherz ein, „Der sieht eher aus wie Fritz von den Makele!“
Ich schaute die beiden verdutzt an.
„Mit so einem Heuwagen geht doch heute keiner mehr“, war ich ein.
„Doch, der Fritz schon“, ereiferte sich mein Bruderherz.
„Wo denn heute noch?“ wollte ich jetzt aber wissen.
„Fritz hat nicht viel Land und seit jeher mäht er Heu für sein Vieh mit der Sense, baut sie wie zu Garben auf und bringt sie mit dem Heuwagen zur Scheune.“
Ich hob meine Hand und zeigte ihm einen Vogel.
„Klar, er ist ein Amish, wie diese Jecken in Amerika, die noch so leben, sprich im 18. Jahrhundert“, prustete ich los, denn ich konnte mir das nicht so recht vorstellen.
„Nein, er ist kein Amish! Seine Wiesen und Weiden haben Hanglage. Da kommt er mit dem Traktor nicht weiter, hat er mir mal erzählt. Außerdem wäre fürs Vieh viel besser, das Heu ist nicht ganz so trocken, verursacht nämlich bei den Pferden Husten.“
„Glaube ich nicht“, mischte sich plötzlich Katrin, die Freundin von Hannes ein.
„Doch leider, die heutigen Riesenballen, die man heute so sieht, würden eine Allergie bei den Pferden auslösen!“
Michi, mein Bruder holte tief Luft und wir durften uns eine bestimmt fünfminütige Rede ohne Punkt und Komma, in der er ausschweifend erklärte, das nicht das Heu selbst, sondern in den schwer gepressten Ballen der Staub sich bindet und die eigentliche Ursache ist, anhören.
Endlich erreichten wir die Ausfahrt.
„Halte dich auf Bocholt, biege aber nirgends ab“, sagte ich meinem Neffen.
„Das sagt das Navy auch“, bekam ich eine Antwort von vorn.
Wenige Minuten später fuhren wir durch Bocholt, als ich meinte ihm sagen zu müssen, „Jetzt links ab, Richtung Aalten.“
„Das Navy sagt aber gerade aus“, und schon fuhr er über die Kreuzung. Ich verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
„Noch 20 km, dann sind wir da“, meinte er frohgelaunt und folgte weiter den Anweisungen des Navy.
Wir fuhren durch kleine Straßen, rechts und links nur noch Wohnbebauung bis wir schließlich zum Ortsausgang kamen. Unsere Fahrt führte uns durch kleinere Dörfer, besser ausgedrückt eine Handvoll Häuser, die aussahen, als wären sie gebündelte Aussiedlerhöfe.
Plötzlich rief Shirley:
„Da, guckt mal rechts.“
„Halt an, den muss ich knipsen, das glaubt mir sonst keiner“, rief ich spontan.
Doch Hannes fuhr einfach weiter.
„He, du Jeck, den wollte ich knipsen“
„Und ich kann hier an der unübersichtlichen Stelle nicht halten.“
„Männer!“, entfuhr es mir.
Shirley und Katrin grinsten, doch mein Bruder sah mich verständnislos an.
„Wieso“, wollte er schließlich wissen.
„Ihr braucht einen Parkplatz der gemalt ist und wenn ihr dann endlich einen gefunden habt, kann man noch Kilometer laufen, um das angestrebte Ziel zu erreichen“
„Stimmt nicht, ich fahre…“, mein Bruder hatte tief Luft geholt, aber Shirley meinte in diesem Moment:
„Hier an der Mühle sind wir jetzt zum dritten Mal vorbeigekommen.“
„Hast recht, komm wir fragen mal da vorne die Leute“, meinte ich, als ich ein älteres Pärchen sah.
Hannes fuhr langsam und hielt in Höhe des Paares, während Katrin ihre Seitenscheibe hinunterfuhr. Höflich fragte sie nach dem Weg, doch sie konnten uns nicht weiterhelfen.
In diesen Augenblick sah ich eine Haltestelle und eine Karte die dort an der Wand hing.
„Halte an der Haltestelle, dort hängt eine Karte“, sagte ich zu Hannes.
Natürlich hielt er seinen Wagen nicht an der Haltestelle, sondern fuhr in eine Seitenstraße. Wir stiegen aus, um die 50 m zurückzulaufen. Das Erste, was mein Bruderherz machte, erwähne ich jetzt mal nicht.
Nachdem wir ausgiebig die Karte studiert hatten, fuhren wir zur Mühle zurück und am Kreisel Richtung Aalten. Keine dreihundert Meter später, bogen wir links ab und erreichten unser Ziel nach wenigen Minuten und stellten den Wagen auf den Parkplatz des Campingplatzes.
Da es über dem Campingplatz kein Navy gab, vertrauten mir die anderen die Führung über den Platz an.
Mein Vater saß bei seinen Gästen und war total platt und die Freude in seinen Augen riesengroß, denn er hatte ja gar nicht gewusst, dass wir kamen. Mit seiner Frau hatte ich vorher besprochen, dass dies eine Überraschung sein sollte.
Wir verlebten ein paar schöne Stunden und den Rückweg bis zur Autobahn, ja, da ließ Hannes sein Navy aus und vertraute auf meine Führung.
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2018
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