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Unter unserem Baum

Einige Monate zuvor hatte sich nach einem wundervollen Morgenrot ein unheimliches Gewitter entladen, der Großvater, ein mit Leib und Seele eingefleischter Feuerwehrmann, hatte sein Leben bei den Aufräumarbeiten nahe beim Teich durch einen umgestürzten Baum verloren. Seitdem besuchte Silke ihre Großmutter in regelmäßigen Abständen.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen mit ihrer Großmutter, hatte Silke in dem großen voller Bücher gefüllten Regal ein etwas abgegriffenes altes in Leder eingebundenes Buch entdeckt und im Anschluss blätterten sie bei einem Tässchen Kaffee ein wenig in diesem, welches das Leben ihrer Großeltern in Spiegelstücke zeigte.

„Was für ein tolles idyllisches Bild, ihr beide so unter einem Baum“, begeistert zeigte Silke auf ein Foto, bei dem der Großvater auf der Wiese angelehnt und die Großmutter seitlich vor ihm in seinen Armen saß. Sie schaute sich etwas an, während er sie liebevoll beobachtete.

Die Großmutter bekam feuchte Augen.

„Was ist denn, habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte Silke verwundert.

„Nein mein Kind, es ist der Tag, an dem dein …“

„Was hat Großvater gemacht?“, warf Silke ein, während sie liebevoll den Arm ihrer Großmutter tätschelte.

Die Großmutter zierte sich ein wenig, jedoch fing sie langsam an zu erzählen:

„Es war ein so wunderschöner Tag im Mai, die Sonne strahlte und wir trafen uns wie so oft am kleinen Teich und sonnten uns an unserem Baum. Niemals werde ich vergessen, als der kleine Vogel oben in der Krone seinen Schnabel öffnete, um ein wundervolles Lied zu trällern begann. In diesem Moment drückte er mir einen gefalteten Zettel in die Hand, während er liebevoll meinen Arm streichelte.“

Die Großmutter stockte, doch Silke blickte sie mit ihren blauen Augen so unheimlich neugierig und begeistert an, dass die aufstand und aus dem unteren Teil der Kommode mit der aufgesetzten Glasvitrine ein reich verziertes kleines Kästchen hervorholte. Zwischen den vielen aufgehobenen und liebevoll eingebundenen Briefen fand sie schließlich den etwas leicht zerknitterten Zettel. Mit zittrigen Händen begann sie langsam, aber stockend vorzulesen:

„Meine Liebste,

mit dem Morgenrot beginnend möchte ich mit dir den Tanz des Lebens verbringen, niemals soll Schatten auf unsere Liebe fallen, stets soll genügend Brot und Wein in unserem Hause sein, möchte dich immer tragen und …“

Einige Tränchen füllten der Großmutter die Augen und kullerten ihr langsam die Wangen hinunter, da nahm Silke sie fest in ihre Arme und meinte:

„Und dann hat er dich sicher geküsst! Ach Omi, solch eine wundervolle Liebeserklärung besser gesagt Heiratsantrag, den wünsche ich mir von meinem Freund auch.“

 „Ja mein Kind, ich glaube schon, dass dein Freund dir einen schönen Antrag macht. Ebenso bin ich guter Hoffnung, dass ihr gemeinsam euer Leben verbringt und erst beim Mitternachtsball in die Schatten der Nacht gemeinsam hinüber geht.“

Mit diesen Worten legte die Großmutter eine Schallplatte auf, damit Silke den letzten Satz verstand.

 

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2018

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